Language of document : ECLI:EU:C:2022:715

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 22. September 2022(1)

Rechtssache C395/21

D. V.

gegen

M. A.

(Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos Aukščiausiasis Teismas [Oberstes Gericht Litauens])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Richtlinie 93/13/EWG – Vertragsklausel, die die Vergütung für die Erbringung juristischer Dienstleistungen mittels eines Stundensatzes festlegt“






I.      Einleitung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen in der vorliegenden Rechtssache betrifft ein Verfahren über die Zahlung eines Honorars, das einer den Beruf eines Rechtsanwalts ausübenden Person für die Erbringung juristischer Dienstleistungen an einen Verbraucher zusteht.

2.        Nachdem das vorlegende Gericht Zweifel daran geäußert hatte, ob die Klauseln der streitigen Verträge über die Vergütung für die Erbringung juristischer Dienstleistungen missbräuchliche Klauseln im Sinne der Richtlinie 93/13/EWG(2) darstellen, hat es dem Gerichtshof sechs Fragen nach der Auslegung der Bestimmungen dieser Richtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt. Auf Ersuchen des Gerichtshofs beschränken sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Prüfung der fünften und der sechsten Vorlagefrage.

3.        Die fünfte und die sechste Frage werden für den Fall vorgelegt, dass der Gerichtshof die ersten vier Fragen in dem Sinne beantworten sollte, dass die Klauseln der streitigen Verträge über die Vergütung für die Erbringung juristischer Dienstleistungen als missbräuchlich anzusehen sind. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die streitigen Verträge nach dem Wegfall dieser Klauseln nicht weiter fortbestehen können. Die fünfte und die sechste Frage betreffen die Konsequenzen, die aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit dieser Klauseln in einem Fall gezogen werden können, in dem bereits juristische Dienstleistungen erbracht worden sind, ohne gegen die Richtlinie 93/13 zu verstoßen.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Das Unionsrecht

4.        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender [Unternehmer] mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

5.        Art. 7 Abs. 1 der genannten Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden [Unternehmer] in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

B.      Litauisches Recht

6.        Die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 sind in das litauische Zivilgesetzbuch umgesetzt worden. Daraus ergibt sich, dass, wenn eine Vertragsklausel vom Gericht für missbräuchlich erklärt wird, diese Klausel vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an unwirksam ist, die anderen Vertragsklauseln jedoch für die Parteien verbindlich bleiben, solange eine weitere Erfüllung des Vertrags möglich ist.

7.        Art. 50 Abs. 3 des Advokatūros įstatymas (Gesetz über den Beruf des Rechtsanwalts) vom 18. März 2004 (Žin. 2004, Nr. 50-1632) bestimmt:

„Bei der Bestimmung der Höhe des einem Rechtsanwalt für juristische Dienstleistungen zu zahlenden Honorars sind die Komplexität des Falles, die Qualifikationen und die Erfahrung des Rechtsanwalts, die finanzielle Situation des Mandanten und sonstige relevante Umstände zu berücksichtigen.“

8.        Empfehlungen zum in Zivilsachen zuzusprechenden Höchstbetrag des Honorars für den von einem Rechtsanwalt (advokatas) oder einem Rechtsanwaltsanwärter geleisteten Beistand wurden durch die Verordnung Nr. 1R-85 des Justizministers der Republik Litauen vom 2. April 2004 und durch den Beschluss des Rates der Litauischen Rechtsanwaltskammer vom 26. März 2004 gebilligt (in der ab dem 20. März 2015 geltenden Fassung). Diese Empfehlungen gelten für die Kostenfestsetzung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.

III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

9.        Der Beklagte des Ausgangsverfahrens schloss mit der Klägerin in diesem Verfahren fünf Verträge über die Erbringung juristischer Dienstleistungen. Sie betrafen die Vertretung des Beklagten (i) in einer Zivilsache, in der es um die Feststellung geht, dass bestimmte Vermögenswerte unter das Miteigentum fallen, (ii) in einer Zivilsache, in der es um die Feststellung des Wohnsitzes minderjähriger Kinder, das Umgangsrecht und die Höhe des Unterhalts geht, (iii) bei der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vor der Polizei und der Staatsanwaltschaft und (iv) in einem Ermittlungsverfahren vor diesen Behörden sowie (v) in einer Scheidungssache.

10.      Diese Verträge sehen vor, dass der Rechtsanwalt sich verpflichtet, mündlich oder schriftlich zu beraten, Entwürfe von Schriftsätzen vorzubereiten und sie zu unterzeichnen, Dokumente rechtlich zu prüfen und den Mandanten vor verschiedenen Stellen zu vertreten und die damit verbundenen Handlungen vorzunehmen.

11.      Gleichzeitig sehen sie vor, dass das Honorar des Rechtsanwalts 100 Euro pro Stunde der Beratung des Mandanten oder der Erbringung juristischer Dienstleistungen beträgt. Ein Teil dieses Honorars war sofort nach Vorlage einer Rechnung für juristische Dienstleistungen durch den Rechtsanwalt unter Berücksichtigung der Stunden der geleisteten Beratung oder der Erbringung juristischer Dienstleistungen fällig.

12.      Außerdem hatte der Beklagte des Ausgangsverfahrens nach dem Wortlaut der einzelnen Verträge bestimmte Beträge im Voraus zu zahlen. Auf dieser Grundlage zahlte er einen Betrag von 5 600 Euro.

13.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens erbrachte ihre Leistungen zwischen April und Dezember 2018 sowie zwischen Januar und März 2019.

14.      Am 21. und 26. März 2019 stellte sie Rechnungen für juristische Dienstleistungen, die sie für den Beklagten des Ausgangsverfahrens erbracht hatte.

15.      Am 10. April 2019 erhob die Klägerin beim erstinstanzlichen Gericht Klage und beantragte, den Beklagten des Ausgangsverfahrens zu verurteilen, 9 900 Euro für die erbrachten juristischen Dienstleistungen und 194,30 Euro für die ihr entstandenen Auslagen nebst Zinsen an sie zu zahlen, sowie ihm die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16.      Das erstinstanzliche Gericht entschied, dass von der Klägerin des Ausgangsverfahrens Dienstleistungen erbracht wurden, für die ihr eine Vergütung in Höhe von 12 900 Euro zustehen sollte. Das Gericht stellte ferner fest, dass die Klauseln über die Vergütung der erbrachten juristischen Dienstleistungen missbräuchlich seien, und setzte die Höhe der Vergütung um die Hälfte auf einen Betrag von 6 450 Euro herab.

17.      Da der Beklagte des Ausgangsverfahrens der Klägerin des Ausgangsverfahrens bereits 5 600 Euro gezahlt hatte, sprach das Gericht ihr einen Betrag von 850 Euro zuzüglich 194,30 Euro für entstandene Auslagen zu. Es entschied auch über Zinsen und Verfahrenskosten.

18.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens focht die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts an. Diese Entscheidung wurde durch eine Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz bestätigt, gegen die die Klägerin Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht eingelegt hat.

19.      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts sind zwei Klauseln der streitigen Verträge von grundlegender Bedeutung für die Entscheidung des Rechtsstreits zwischen den Parteien: (i) die Vertragsklausel, mit der die Kosten für tatsächlich erbrachte Dienstleistungen auf der Grundlage eines Stundensatzes festgelegt werden; (ii) die Vertragsklausel über die Modalitäten für die Vergütung juristischer Dienstleistungen. Wurde im Vertrag zwar ein Stundensatz angegeben, aber nicht näher auf den Umfang und die Dauer bestimmter juristischer Dienstleistungen und die voraussichtliche Höhe des endgültigen Honorars eingegangen, würde der Verbraucher womöglich nicht in der Lage sein, den Umfang der von ihm benötigten Dienstleistungen und deren endgültige Kosten zu beurteilen.

20.      Obwohl das vorlegende Gericht in einigen Passagen des Vorabentscheidungsersuchens die Vertragsklausel über den Stundensatz und die Vertragsklausel über die Modalitäten für die Vergütung juristischer Dienstleistungen getrennt zu behandeln scheint, werde ich sie im Rahmen dieser Schlussanträge nicht getrennt behandeln, sondern als eine Vertragsklausel über die Vergütung bezeichnen.

21.      Die fünfte und die sechste Vorlagefrage betreffen nämlich die Folgen, die aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit dieser Vertragsklausel gezogen werden können, ohne gegen die Richtlinie 93/13 zu verstoßen. Insoweit ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass die streitigen Verträge ohne diese Klausel nicht fortbestehen können und daher für nichtig zu erklären seien.

22.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ergibt sich aus der Rechtsprechung zur Richtlinie 93/13, dass eine Vertragsklausel über die Vergütung so zu behandeln sei, als wäre sie für den Verbraucher nie verbindlich gewesen. Dies würde bedeuten, dass das nationale Gericht es ablehnen könnte, einem Rechtsanwalt ein Honorar für die Erbringung juristischer Dienstleistungen zuzusprechen.

23.      Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch erstens, ob eine solche Folge der Feststellung der Missbräuchlichkeit von Klauseln der streitigen Verträge nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz der entgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen steht. Zweitens stellt eine solche Folge nach Ansicht des vorlegenden Gerichts zwar eine angemessene Sanktion für einen Gewerbetreibenden wegen der Verwendung missbräuchlicher Klauseln dar, doch sei fraglich, ob eine solche Sanktion, wenn der Rechtsanwalt für die erbrachten Leistungen überhaupt keine Vergütung erhalte, nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Verbrauchers und zu einem hochgradig ungerechten Ergebnis führen würde.

24.      Zudem erwägt das vorlegende Gericht, ob ein Rechtsanwaltshonorar in einer bestimmten Höhe zugesprochen werden kann, und stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Rechtsprechung nationaler Gerichte, nach der die Feststellung einer missbräuchlichen Klausel über den vertraglich vereinbarten Preis es dem Gericht ermöglicht, die Kosten für die erbrachten Dienstleistungen herabzusetzen oder den Selbstkostenpreis dieser Dienstleistungen oder den niedrigstmöglichen Marktpreis zuzusprechen, nicht die abschreckende Wirkung beseitigt und als solche dem langfristigen Ziel von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zuwiderläuft.

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof und Vorlagefragen

25.      Unter diesen Umständen hat der Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberstes Gericht Litauens) mit Beschluss vom 23. Juni 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juni 2021, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof sechs Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Auf Ersuchen des Gerichtshofs werden in den vorliegenden Schlussanträgen die fünfte und die sechste Vorlagefrage behandelt:

5.      Bedeutet der Umstand, dass, wenn die Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel über die Kosten festgestellt wurde, der Vertrag über juristische Dienstleistungen, wie in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vorgesehen, unverbindlich ist, dass dann die Situation wiederherzustellen ist, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel, deren Missbräuchlichkeit festgestellt wurde, befunden hätte? Würde die Wiederherstellung dieser Situation bedeuten, dass der Verbraucher nicht verpflichtet ist, die bereits erbrachten Dienstleistungen zu bezahlen?

6.      Wenn die Art eines entgeltlichen Dienstleistungsvertrags dazu führt, dass es unmöglich ist, die Situation wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel, deren Missbräuchlichkeit festgestellt wurde, befunden hätte (die Dienstleistungen wurden bereits erbracht), liefe dann die Festsetzung eines Entgelts für die vom Rechtsanwalt erbrachten Dienstleistungen dem Ziel von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zuwider? Falls diese Frage verneint wird, würde das tatsächliche Gleichgewicht, durch das die Gleichheit der Vertragsparteien wiederhergestellt wird, erreicht werden,

i)      wenn der Rechtsanwalt für die erbrachten Dienstleistungen nach dem im Vertrag festgelegten Stundensatz bezahlt würde,

ii)      wenn dem Rechtsanwalt die Mindestkosten für juristische Dienstleistungen (z. B. jene, die in einer nationalen Regelung, nämlich den Empfehlungen zum Höchstbetrag des Honorars für den von einem Rechtsanwalt geleisteten Beistand, festgelegt sind) gezahlt würden,

iii)      wenn dem Rechtsanwalt für die Dienstleistungen ein angemessener Betrag gezahlt würde, der vom Gericht unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, der Qualifikationen und der Erfahrung des Rechtsanwalts, der finanziellen Situation des Mandanten und sonstiger relevanter Umstände festgesetzt wird?

26.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die litauische und die deutsche Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.

V.      Würdigung

27.      Mit seiner fünften und seiner sechsten Frage, die zusammen zu prüfen sind, ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen um Klärung der Frage, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass in einem Fall, in dem ein Vertrag über die Erbringung juristischer Dienstleistungen, den ein Verbraucher mit einem Gewerbetreibenden geschlossen hat, nach Aufhebung einer missbräuchlichen Klausel in Bezug auf die Vergütung für die Erbringung juristischer Dienstleistungen nicht fortbestehen kann und diese Dienstleistungen erbracht worden sind, diese Bestimmungen dem nicht entgegenstehen, dass ein nationales Gericht, anstatt diesem Gewerbetreibenden eine bestimmte Vergütung für die Erbringung juristischer Dienstleistungen zuzusprechen, die Zahlungsklage dieses Gewerbetreibenden gegen den Verbraucher in vollem Umfang abweist.

28.      An dieser Stelle ist zu erläutern, dass die Gerichte der ersten und der zweiten Instanz des Ausgangsverfahrens die Vergütung für die erbrachten juristischen Dienstleistungen um die Hälfte gekürzt haben(3). Obwohl das vorlegende Gericht über eine Kassationsbeschwerde, die gegen eine Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz eingelegt wurde, entscheidet, beschränken sich die fünfte und die sechste Vorlagefrage nicht auf die Frage, ob die Richtlinie 93/13 einer solchen Kürzung der Vergütung entgegensteht.

29.      Es ist richtig, dass das vorlegende Gericht in der Begründung seines Vorabentscheidungsersuchens darauf hinweist, dass es Zweifel habe, ob die Rechtsprechung nationaler Gerichte, die es ermögliche, die Kosten für die erbrachten Dienstleistungen herabzusetzen oder auch den Selbstkostenpreis dieser Dienstleistungen oder den niedrigstmöglichen Marktpreis zuzusprechen, nicht der Richtlinie zuwiderlaufe(4).

30.      Die fünfte Vorlagefrage zielt dagegen nur darauf ab, zu klären, ob die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die dazu führt, dass der gesamte Vertrag unwirksam ist, im Licht der Richtlinie 93/13 dazu führen kann, dass der Gewerbetreibende für die erbrachten juristischen Dienstleistungen überhaupt keine Vergütung erhält.

31.      In der sechsten Vorlagefrage zählt das vorlegende Gericht wiederum drei Alternativen auf, die sich auf die Festsetzung der Höhe dieses Entgelts beziehen, nämlich auf der Grundlage (i) der streitigen Verträge, (ii) der Mindestkosten für juristische Dienstleistungen, die gemäß einem nationalen Rechtsakt festgelegt werden(5), oder (iii) von Umständen, die es ermöglichen sollen, diese Vergütung in einer „angemessenen“ Höhe zu bestimmen. Dabei stellt das vorlegende Gericht nicht klar, ob bei den von ihm in Betracht gezogenen Alternativen die streitigen Verträge bestehen bleiben sollen und deren Inhalt geändert werden soll oder ob über die Vergütung für juristische Dienstleistungen auf der Grundlage anderer Vorschriften des litauischen Rechts betreffend ohne Rechtsgrundlage erbrachte Leistungen entschieden werden soll.

32.      Das Vorabentscheidungsersuchen enthält keine Angaben zum Umfang der Prüfung, die das vorlegende Gericht bei der Entscheidung über die Kassationsbeschwerde vorzunehmen hat. Jedenfalls betreffen die fünfte und die sechste Vorlagefrage dieselbe Frage, mit der das vorlegende Gericht befasst ist. Sie bezieht sich auf die Folgen, die sich aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel ergeben und die zur Nichtigkeit des Vertrags führen. Ich schlage daher vor, diese Fragen gemeinsam zu behandeln.

33.      Bevor ich auf die Vorlagefragen eingehe, werde ich die Standpunkte darlegen, die die Beteiligten in ihren schriftlichen Stellungnahmen vorgetragen haben. Anschließend werde ich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Folgen der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel und die Relevanz dieser Rechtsprechung für den vorliegenden Fall erörtern. Auf dieser Grundlage werde ich einen Vorschlag zur Beantwortung der Vorlagefragen formulieren.

A.      Standpunkte der Beteiligten

34.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist der Ansicht, dass die Klauseln der streitigen Verträge über die Vergütung für die Erbringung juristischer Dienstleistungen den „Hauptgegenstand des Vertrags“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 beträfen, klar und verständlich abgefasst seien und als solche nicht unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit beurteilt werden könnten.

35.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens spricht daher die fünfte und die sechste Vorlagefrage nur der Vollständigkeit halber an. Da die juristischen Dienstleistungen im Rahmen der streitigen Verträge bereits erbracht worden seien, sei es aufgrund der Natur eines entgeltlichen Dienstleistungsvertrags unmöglich, die Situation wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher befunden hätte, wenn diese Klausel nicht in den streitigen Verträgen enthalten gewesen wäre. Eine gegenteilige Auslegung, die es dem nationalen Gericht erlauben würde, das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien umzuqualifizieren und in einen Vertrag über die Erbringung unentgeltlicher Dienstleistungen umzuwandeln, würde den Wesensgehalt der streitigen Verträge aushöhlen. Gleichzeitig scheint die Klägerin des Ausgangsverfahrens zu argumentieren, dass eine Herabsetzung der Vergütung in der vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommenen Weise die von der Richtlinie 93/13 geforderte abschreckende Wirkung nicht abschwäche.

36.      In diesem Sinne ist auch die Stellungnahme der deutschen Regierung gehalten, die die fünfte und die sechste Vorlagefrage ebenfalls nur vollständigkeitshalber anspricht. Nach Ansicht dieser Regierung kann eine missbräuchliche Vertragsklausel über die Vergütung juristischer Dienstleistungen durch eine dispositive Vorschrift über die Vergütung für die Erbringung solcher Dienstleistungen ersetzt werden.

37.      Die litauische Regierung vertritt ihrerseits den Standpunkt, dass in einem Fall, in dem ein Rechtsanwalt in Erfüllung eines Vertrags, dessen Klauseln für missbräuchlich befunden worden seien, juristische Dienstleistungen erbracht habe, das nationale Gericht dem Rechtsanwalt unter Berücksichtigung der Umstände der Sache, der Komplexität des Falles, der Qualifikationen und der Erfahrung des Rechtsanwalts, der finanziellen Situation des Mandanten und sonstiger relevanter Umstände eine Vergütung zusprechen sollte, jedoch mit Blick darauf, dass einer Verwendung missbräuchlicher Klauseln entgegengewirkt werden sollte.

38.      Die Kommission vertritt eine andere Auffassung. Sie ist der Ansicht, dass Vertragsklauseln über die Vergütung, die als missbräuchlich befunden worden seien, keine Rechtswirkung entfalten könnten. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach ein nationales Gericht die Unwirksamkeit eines Vertrags verhindern kann, indem es eine missbräuchliche Vertragsklausel durch eine dispositive Bestimmung ersetzt, um zu verhindern, dass dies für den Verbraucher „besonders nachteilige Folgen“ hat, ist die Kommission der Ansicht, dass es nicht notwendig sei, im vorliegenden Fall auf die in dieser Rechtsprechung entwickelte Lösung zurückzugreifen. Nach Ansicht der Kommission gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass die Nichtigerklärung der fraglichen Verträge solche „Folgen“ für den Verbraucher haben könnte.

B.      Rechtsprechung zu den Folgen der Aufhebung einer missbräuchlichen Vertragsklausel in einer Situation, in der der Vertrag ohne diese Klausel fortbestehen kann

39.      Nach ständiger Rechtsprechung steht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dem entgegen, dass das nationale Gericht in einem Fall, in dem ein Vertrag nach Aufhebung einer missbräuchlichen Vertragsklausel fortbestehen kann, den Inhalt dieser Klausel ändern kann, anstatt schlicht deren Anwendung bei der Beurteilung der Rechte und Pflichten der Parteien eines Vertrags mit einem Verbraucher auszuschließen(6). Auch kann das nationale Gericht in der Regel nicht anstelle einer missbräuchlichen Vertragsklausel eine Bestimmung des nationalen Rechts mit dispositivem Charakter anwenden, die die Rechte und Pflichten der Parteien regelt, auf die sich die Klausel bezieht.

40.      Dies wird durch das Urteil Dexia Nederland(7) bestätigt, in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, dass die Richtlinie 93/13 die Möglichkeit ausschließt, dass, nachdem eine Klausel, die die Zahlung von Schadensersatz an einen Gewerbetreibenden für den Fall vorsieht, dass der Verbraucher seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt, für missbräuchlich erklärt worden ist, der Gewerbetreibende einen Anspruch auf eine gesetzliche Entschädigung hat, die in einer dispositiven Vorschrift des nationalen Rechts vorgesehen ist, die ohne diese Klausel anwendbar gewesen wäre.

41.      Die Verpflichtung eines nationalen Gerichts, eine missbräuchliche Vertragsklausel, die die Zahlung von Beträgen anordnet, die sich als unangemessen erweisen, aufzuheben, begründet grundsätzlich eine Verpflichtung zur Erstattung dieser Beträge.

42.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Frage von Erstattungsansprüchen betrifft in erster Linie Ansprüche, die ein Verbraucher gegen einen Gewerbetreibenden geltend macht. Dies lässt sich durch den Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 erklären, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, vorzusehen, dass missbräuchliche Klauseln „für den Verbraucher unverbindlich sind“, und nicht, dass sie auch für den Gewerbetreibenden unverbindlich sind. Der Gerichtshof betont, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel grundsätzlich dazu führen sollte, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel befunden hätte (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie)(8). Dabei geht es nicht so sehr darum, eine Gleichstellung der Leistungen von Verbraucher und Gewerbetreibendem herbeizuführen, sondern sicherzustellen, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel nicht nur symbolischen Charakter hat und der Verbraucher weiterhin die Folgen der Aufnahme einer Klausel in den Vertrag trägt, die die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien zum Nachteil seiner Interessen gestaltet. Der Gerichtshof fügt hinzu, dass durch das Fehlen einer Restitutionswirkung der Abschreckungseffekt, mit dem die Richtlinie die Verwendung missbräuchlicher Vertragsklauseln durch Gewerbetreibende verhindern soll (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1), in Frage gestellt werden könnte(9).

43.      Es stimmt, dass der Gerichtshof im Urteil Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria(10) entschieden hat, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie ein nationales Gericht im Fall der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Vertragsklausel, die vorschreibt, dass der Verbraucher die gesamten Kosten für die Bestellung und Löschung einer Hypothek zu zahlen hat, daran hindern, dem Verbraucher die Erstattung der in Anwendung dieser Klausel gezahlten Beträge zu versagen, es sei denn, nationale Rechtsvorschriften, die in Abwesenheit der genannten Klausel zur Anwendung kämen, erlegen dem Verbraucher die Zahlung der Gesamtheit oder eines Teils dieser Kosten auf.

44.      Obwohl dieses Urteil im Rahmen der Rechtswissenschaften einige Auslegungsfragen(11) aufwirft, scheint es aus Gründen der Kohärenz mit der Rechtsprechung zur Richtlinie 93/13 so verstanden werden zu müssen, dass es sich auf Erstattungsansprüche bezieht und nicht auf die Ersetzung einer Vertragsklausel durch eine dispositive Bestimmung oder auf eine Änderung des Vertragsinhalts. Dabei handelt es sich offenbar um Erstattungsansprüche für Ausgaben, die letztlich nicht zugunsten des Gewerbetreibenden, der an dem Vertrag beteiligt war (auch wenn die Mittel zur Finanzierung dieser Ausgaben indirekt an diesen Gewerbetreibenden weitergeleitet werden sollten), sondern zugunsten Dritter getätigt wurden.

45.      Dieses Urteil kann daher dahin verstanden werden, dass es sich um eine Vertragsklausel handelte, nach der der Verbraucher verpflichtet war, sämtliche Kosten für die Bestellung und Löschung der Hypothek zu tragen. Da eine solche Bedingung gegenüber dem Verbraucher in seinem Verhältnis zum Gewerbetreibenden keine Wirkung entfaltet, können bei der Prüfung von Erstattungsansprüchen nationale Vorschriften, die vorsehen, dass der Verbraucher die Kosten Dritter zu tragen hat, zum Tragen kommen. In einem solchen Fall würde die Anerkennung des Erstattungsanspruchs des Verbrauchers letztlich voraussetzen, dass eine Vertragsklausel durch eine dispositive Bestimmung ersetzt wird, was nach der Rechtsprechung nicht zulässig ist, oder dass der Inhalt der beanstandeten Klausel so geändert wird, dass festgestellt werden kann, dass der Gewerbetreibende verpflichtet ist, den Verbraucher von einer Schuld zu befreien, die er nach diesen nationalen Bestimmungen zu tragen hat.

46.      Unabhängig davon, wie das Urteil Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria(12) zu verstehen ist, können daraus keine allzu weitreichenden Schlussfolgerungen für den vorliegenden Fall gezogen werden. Es ging dort um die Anwendung einer nationalen Vorschrift, die nicht die gegenseitigen Rechte und Pflichten des Gewerbetreibenden und des Verbrauchers betraf, sondern die Pflichten des Verbrauchers im Verhältnis zu Dritten. Vor allem jedoch betrifft dieses Urteil die Situation, in der ein Vertrag nach Aufhebung einer missbräuchlichen Vertragsklausel fortbestehen kann, während im Rahmen der vorliegenden Rechtssache die Möglichkeit, dass die streitigen Verträge ohne eine Vertragsklausel über die Vergütung weiterhin fortbestehen können, zweifelhaft erscheint.

C.      Rechtsprechung zu Situationen, in denen ein Vertrag nach nationalem Recht nicht fortbestehen kann

47.      Betrachten wir die Rechtsprechung zu den Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel in einer Situation, in der der Vertrag nach nationalem Recht ohne diese Klausel nicht fortbestehen kann. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich, dass die streitigen Verträge ohne eine Klausel über die Vergütung nicht weiter erfüllt werden können, was ihre Nichtigkeit zur Folge hat. Die endgültige Beurteilung dieser Frage obliegt dem nationalen Gericht(13).

48.      Aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass ein nationales Gericht, wenn es der Ansicht ist, dass nach den einschlägigen Bestimmungen seines innerstaatlichen Rechts ein Vertrag ohne die darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln nicht aufrechterhalten werden kann, durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 grundsätzlich nicht daran gehindert ist, diesen Vertrag für nichtig zu erklären(14).

49.      Einer Nichtigerklärung eines Vertrags können jedoch die Folgen, die diese Nichtigerklärung für den Verbraucher hat, entgegenstehen.

50.      Nach dem Urteil Kásler(15), mit dem eine Rechtsprechungslinie eingeleitet wurde, die in späteren Vorabentscheidungen weiterentwickelt und präzisiert wurde, steht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dem nicht entgegen, dass ein nationales Gericht eine missbräuchliche Vertragsklausel durch eine Vorschrift des nationalen Rechts mit dispositivem Charakter oder durch eine Bestimmung ersetzen kann, die anwendbar ist, wenn die Parteien des fraglichen Vertrags damit einverstanden sind. Die Möglichkeit einer solchen Ersetzung wurde in der Rechtsprechung auf Fälle beschränkt, in denen der Verbraucher durch die Nichtigerklärung des Vertrags „besonders nachteiligen Folgen“ ausgesetzt sein könnte(16).

51.      Missbräuchliche Vertragsklauseln können durch Vorschriften ersetzt werden, die das Gleichgewicht widerspiegeln, das der nationale Gesetzgeber zwischen allen Rechten und Pflichten der Parteien bestimmter Verträge in Fällen herstellen wollte, in denen die Parteien nicht von einer vom nationalen Gesetzgeber für die betreffenden Verträge vorgesehenen Standardregel abgewichen sind. Dagegen können missbräuchliche Vertragsklauseln nicht allein auf der Grundlage von allgemeinen nationalen Vorschriften ersetzt werden, die nicht Gegenstand einer besonderen Prüfung durch den Gesetzgeber im Hinblick auf die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen allen Rechten und Pflichten der Vertragspartner waren und die vorsehen, dass sich die in einem Rechtsgeschäft zum Ausdruck gebrachten Wirkungen auch nach den Grundsätzen der Billigkeit oder der Verkehrssitte bestimmen(17).

52.      In einem Beschluss scheint der Gerichtshof die Möglichkeit zu billigen, den Verbraucher vor „besonders nachteiligen Folgen“ zu schützen, indem – auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung – die Umstände festgelegt werden, unter denen der Gewerbetreibende die Rechte aus missbräuchlichen Vertragsklauseln in einer Weise geltend machen kann, die von den im Vertrag beschriebenen Umständen abweicht(18).

53.      Im Interesse der Kohärenz zwischen diesem Beschluss und der hier erörterten Rechtsprechungslinie ist dieser Beschluss meines Erachtens so zu verstehen, dass es in einem solchen Fall unbedingt darum gehen müsste, diese Umstände so zu bestimmen, dass die Voraussetzungen für die Ersetzung missbräuchlicher Vertragsklauseln durch dispositive Vorschriften erfüllt sind und dass vor allem ein solches Eingreifen des Gerichts die Wirksamkeit der Richtlinie 93/13 und die Erreichung ihrer Ziele nicht gefährdet.

54.      In diese Richtung scheinen auch die Erwägungen im Urteil Banca B.(19) zu gehen, in dem der Gerichtshof klarstellte, dass die Richtlinie 93/13 nicht dazu bestimmt ist, einheitliche Lösungen in Bezug auf die Folgen vorzuschlagen, die an die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel zu knüpfen sind.

55.      Das Gericht sollte zum einen darauf achten, dass die Gleichheit zwischen den Vertragsparteien wiederhergestellt wird, die durch die Anwendung einer missbräuchlichen Klausel in Bezug auf den Verbraucher gefährdet worden wäre. Zum anderen ist sicherzustellen, dass der Gewerbetreibende davon abgeschreckt wird, solche Klauseln in die Verträge aufzunehmen, die er den Verbrauchern anbietet(20).

56.      Grundsätzlich können diese mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele „je nach Fall und nationalem Rechtsrahmen“ durch die bloße Nichtanwendung der betreffenden missbräuchlichen Klausel gegenüber dem Verbraucher oder, wenn der Vertrag ohne diese Klausel nicht hätte fortbestehen können, durch Ersetzung derselben durch dispositive Bestimmungen des nationalen Rechts erreicht werden. Diese Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel sind jedoch nicht abschließend(21).

57.      So hat der Gerichtshof in dem besprochenen Urteil klargestellt, dass mangels dispositiver Bestimmungen, mit denen die Unwirksamkeit eines Vertrags, der missbräuchliche Vertragsklauseln enthält, verhindert werden könnte, wenn die Nichtigerklärung des Vertrags für den Verbraucher „besonders nachteilige Folgen“ hätte, das Eingreifen des nationalen Gerichts zulässig ist (es kann „alle erforderlichen Maßnahmen ergreif[en], um den Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des betreffenden [V]ertrags nach sich ziehen könnte“); die Ausübung der Befugnisse dieses Gerichts darf jedoch nicht über das hinausgehen, was unbedingt erforderlich ist, um das vertragliche Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien wiederherzustellen und so den Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des betreffenden Vertrags nach sich ziehen könnte, ohne dass dadurch die mit der Richtlinie 93/13 verfolgten Ziele beeinträchtigt werden(22). Die Möglichkeit, den Inhalt missbräuchlicher Vertragsklauseln frei zu ändern oder abzuwandeln, bleibt ausgeschlossen.

D.      Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel über die Vergütung für die Erbringung juristischer Dienstleistungen

58.      Die durch das Urteil Kásler eingeleitete Rechtsprechungslinie wurde vor dem Hintergrund von Fällen geprägt, in denen es – angesichts des geldwerten Charakters der Transfers zwischen den Vertragsparteien und der Möglichkeit von Erstattungsansprüchen – grundsätzlich möglich schien, den Zustand wiederherzustellen, der ohne den Vertragsabschluss bestanden hätte(23). Sollte eine solche Situation eintreten, hätte sie gerade wegen der Erstattungsansprüche und vor allem wegen der damit verbundenen sofortigen Fälligkeit des Anspruchs des Gewerbetreibenden auf Rückzahlung des dem Verbraucher gewährten Kapitalbetrags jedoch „besonders nachteilige Folgen“ für den Verbraucher.

59.      Der den Verbrauchern durch die Richtlinie 93/13 gewährte Schutz geht nämlich nicht so weit, dass den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt wird, die Wirkungen einer Rechtshandlung, die eine missbräuchliche Vertragsklausel enthält, ausnahmslos zu beseitigen, als ob alle Klauseln des betreffenden Vertrags missbräuchlich wären(24). Dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, der die in dieser Bestimmung vorgesehene Sanktion an eine missbräuchliche Vertragsklausel, und nicht an den gesamten Vertrag, in dem eine solche Klausel enthalten ist, knüpft.

60.      Die Beantwortung der Frage, welche Auswirkungen die Unwirksamkeit eines Vertrags auf die Parteien hat, und insbesondere, ob und wie ihre Situation so wiederhergestellt werden muss, wie sie wäre, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre, bleibt zumindest grundsätzlich dem nationalen Recht überlassen.

61.      In der Regel ist es Sache des nationalen Rechts, darüber zu entscheiden, ob der Vertrag nach der Aufhebung der missbräuchlichen Vertragsklausel gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie nicht mehr fortbestehen kann. Es ist auch Sache des nationalen Rechts, über die Folgen der Nichtigkeit des Vertrags zu entscheiden, wobei diese Folgen die Wirksamkeit der Bestimmungen der Richtlinie nicht beeinträchtigen und den mit der Richtlinie verfolgten Zielen nicht zuwiderlaufen dürfen.

62.      Aus dem Urteil Lombard Pénzügyi és Lízing(25)ergibt sich, dass, selbst wenn das nationale Gericht der Meinung ist, dass es nicht möglich ist, die Parteien in die Lage zu versetzen, in der sie sich ohne diesen Vertrag befunden hätten, obwohl das nationale Recht dies verlangt, der Eingriff des nationalen Gerichts in die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Gericht nicht von seiner Pflicht entbindet, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher letztlich so gestellt ist, als hätte es die für missbräuchlich erklärte Klausel nie gegeben.

63.      Wie es letztlich Sache des nationalen Gerichts ist, zu prüfen, ob die Nichtigerklärung von Verträgen, die für missbräuchlich erklärte Klauseln enthalten, für die betreffenden Verbraucher „besonders nachteilige Folgen“ hätte(26), ist es auch Sache dieses Gerichts, zu beurteilen, ob es möglich ist, die Parteien in die Lage zu versetzen, in der sie sich ohne diesen Vertrag befunden hätten(27).

64.      Das Vorabentscheidungsersuchen scheint anzudeuten, dass es angesichts der Natur der streitigen Verträge über juristische Dienstleistungen und der Tatsache, dass diese Dienstleistungen erbracht worden sind, in der Rechtssache im Ausgangsverfahren nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nicht möglich ist, die Situation wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher befunden hätte, wenn die missbräuchlichen Klauseln nicht in diesen Verträgen enthalten gewesen wären.

65.      Wenn diese Andeutung so zu verstehen ist, dass der Verbraucher die ihm erbrachten Leistungen nicht gewissermaßen „zurückgeben“ kann, stellt sich die Frage, ob dieser Zustand mit dem nationalen Recht vereinbar ist und dieses Recht der Partei, die die Dienstleistungen erbracht hat, keine Ansprüche im Zusammenhang mit der Unwirksamkeit des Vertrags einräumt.

66.      Wenn die so gestellte Frage vom nationalen Recht bejaht wird, verlangt die Richtlinie 93/13 keine „Rettung“ des Vertrags vor der Unwirksamkeit, damit ein Gewerbetreibender, der missbräuchliche Vertragsklauseln verwendet hat, gleichsam unter dem Vorwand, die Gleichheit der Rechte und Pflichten zwischen den Vertragsparteien gewährleisten oder die Situation wiederherstellen zu wollen, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Vertragsklausel befunden hätte, eine Entschädigung erhalten kann.

67.      Erstens dürfen die Folgen, die das nationale Recht an die Nichtigkeit eines Vertrags knüpft, die Wirksamkeit der Bestimmungen der Richtlinie 93/13 nicht beeinträchtigen und den mit dieser Richtlinie verfolgten Zielen nicht zuwiderlaufen(28). Ihr Ziel ist der Schutz der Verbraucher. Sie schreibt nicht vor, dass den Gewerbetreibenden ein bestimmtes Schutzniveau für den Fall zu gewähren ist, dass der gesamte Vertrag aufgrund der Verwendung missbräuchlicher Vertragsklauseln unwirksam wird.

68.      Zweitens geht es, wie ich bereits in Nr. 42 dieser Schlussanträge erwähnt habe, bei der Wiederherstellung der Sach- und Rechtslage, in der sich der Verbraucher befunden hat, darum sicherzustellen, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel nicht nur symbolischen Charakter hat, was zu einem Nachteil beim Verbraucher führen würde.

69.      Drittens würde eine gegenteilige Auslegung der Richtlinie 93/13 dazu führen, dass Verträge mit missbräuchlichen Vertragsklauseln von den nationalen Gerichten systematisch „ergänzt“ würden, was dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel der Abschreckung zuwiderliefe. Aus genau diesem Grund beschränkt die durch das Urteil Kásler eingeleitete Rechtsprechungslinie die Anwendbarkeit dispositiver Vorschriften anstelle missbräuchlicher Vertragsklauseln auf Situationen, in denen die Unwirksamkeit des Vertrags zu „besonders nachteiligen Folgen“ für den Verbraucher führen kann.

70.      Der bloße Umstand, dass der Verbraucher die bereits erbrachten juristischen Dienstleistungen nicht gewissermaßen „zurückgeben“ kann, bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass das nationale Recht keinerlei Folgen an die Erbringung dieser Dienstleistungen auf der Grundlage eines Vertrags, der sich als nichtig erwiesen hat, knüpft. Das Vorabentscheidungsersuchen enthält keine Angaben zu diesem Thema. Wenn das litauische Recht jedoch solche Abrechnungen(29) zulässt, muss das vorlegende Gericht prüfen, ob die Nichtigerklärung des Vertrags zu „besonders nachteiligen Folgen“ führt. Es sind daher einige Feststellungen zu treffen, die es dem vorlegenden Gericht ermöglichen, auszuschließen, dass es mit einer solchen Situation konfrontiert ist.

71.      Ob die Interessen des Verbrauchers vor möglichen „nachteiligen Folgen“ geschützt werden müssen, ist anhand der Umstände zu beurteilen, die zum Zeitpunkt des Rechtsstreits, in dessen Rahmen die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln beanstandet wird, gegeben oder vorhersehbar waren(30). Es kommt darauf an, wie sich die materiell-rechtliche Situation dieses Verbrauchers in einem außergerichtlichen und gerichtlichen Kontext entwickelt und wie seine verfahrensrechtliche Situation in anderen Verfahren aussehen wird(31).

72.      Die Beseitigung der Wirkungen eines Rechtsgeschäfts, in dessen Rahmen der Rechtsanwalt im Namen und für Rechnung seines Mandanten gehandelt hat, kann zu einer Situation führen, in der die Frage der Erbringung dieser Leistungen im Kontext anderer rechtlicher Konstruktionen zu prüfen ist, die – in der konkreten Situation und im Licht des nationalen Rechtsrahmens – einen Anspruch auf Abrechnung dieser Leistungen vorsehen können. Es können rechtliche Konstruktionen, wie die Erlangung einer nicht geschuldeten Leistung oder die Geschäftsführung ohne Auftrag (negotiorum gestio) in Frage kommen. Die diesbezüglichen Lösungen in den Vorschriften des nationalen Rechts können unterschiedlich sein. Sie können in der Erstattung von Auslagen und Kosten oder in der Zahlung eines Betrags bestehen, der dem Marktpreis für die Erbringung dieser Dienstleistungen entspricht.

73.      Für die Annahme, dass die Nichtigerklärung eines Kreditvertrags „besonders nachteilige Folgen“ hat, genügt es normalerweise, dass eine solche Nichtigerklärung die sofortige Fälligkeit der Forderung des Gewerbetreibenden auf Rückgewähr des dem Verbraucher gewährten Kapitals zur Folge hat. Im Falle der Nichtigerklärung eines Vertrags über die Erbringung juristischer Dienstleistungen wiederum kann allein die Feststellung, was die Parteien einander schulden, eine Reihe von Schritten erfordern, um den Umfang der erbrachten Dienstleistungen zu bestimmen und ihren Wert zu schätzen.

74.      Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass der Verbraucher diese Schritte selbständig ergreifen kann. Die Nichtigerklärung eines Vertrags über bereits erbrachte juristische Dienstleistungen kann den Verbraucher in eine Situation der Rechtsunsicherheit bringen. Dies ist insofern von Bedeutung, als die Missbräuchlichkeit der Klausel in den im Ausgangsverfahren streitigen Verträgen damit zusammenhängen soll, dass der Verbraucher nicht die Möglichkeit hatte, die endgültigen Kosten der juristischen Dienstleistungen zu beurteilen. Wenn also das nationale Recht eine Abrechnung von juristischen Dienstleistungen zulässt, die im Rahmen eines Vertrags erbracht wurden, der sich als nichtig erwiesen hat, bringt die Aufhebung der Vertragsklausel über die Vergütung und die Nichtigerklärung des Vertrags den Verbraucher in eine ähnliche Situation, wie sie die Richtlinie 93/13 beheben sollte.

75.      Wenn daher in einer konkreten Situation und im Hinblick auf den nationalen rechtlichen Rahmen irgendeine Form der Abrechnung juristischer Dienstleistungen, die aufgrund eines Vertrags erbracht werden, der sich als nichtig erwiesen hat, zugelassen wird, drängt sich der Schluss auf, dass die Nichtigerklärung des Vertrags zu „besonders nachteiligen Folgen“ für den Verbraucher führt.

76.      Ergänzend zu diesen Bemerkungen ist darauf hinzuweisen, dass juristische Dienstleistungen darin bestehen können, im Namen und im Auftrag des Verbrauchers in Verfahren vor Gerichten und anderen Behörden tätig zu werden. Die Grundlage für die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts, einen Mandanten in diesen Verfahren zu vertreten und für ihn tätig zu werden, kann ein Vertrag über die Erbringung juristischer Dienstleistungen darstellen. Dies wirft die Frage auf, ob die Nichtigkeit dieses Vertrags die Gültigkeit und Wirksamkeit der vorgenommenen Handlungen unberührt lässt. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem nationalen Recht. Bestehen Zweifel an der Gültigkeit oder Wirksamkeit solcher Handlungen, sollte das nationale Gericht prüfen, ob die Nichtigerklärung des Vertrags zu für den Verbraucher „besonders nachteiligen Folgen“ führt.

77.      Stellt das vorlegende Gericht im Licht der vorstehenden Erwägungen fest, dass die Nichtigerklärung des Vertrags zu für den Verbraucher „besonders nachteiligen Folgen“ führen kann, dann kann es Maßnahmen ergreifen, um den Verbraucher vor diesen Folgen zu schützen.

78.      Dabei kann die Anwendung einer Vorschrift in Frage kommen, die der Gesetzgeber einer besonderen Prüfung unterzogen hat, um das Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien insgesamt zu bestimmen(32), oder ein Eingriff in den Inhalt des Vertrags, der nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele unbedingt erforderlich ist(33).

79.      Der Wortlaut der sechsten Frage deutet darauf hin, dass es nach litauischem Recht möglich ist, bereits erbrachte juristische Dienstleistungen zu berücksichtigen, indem die Vergütung für ihre Erbringung in Höhe der Mindestkosten für diese Dienstleistungen (Mindestsätze), die durch einen nationalen Rechtsakt bestimmt werden, festgesetzt wird.

80.      Meines Erachtens ist es mit der Richtlinie 93/13 vereinbar, juristische Dienstleistungen auf diese Weise abzurechnen, um zu verhindern, dass der Vertrag unwirksam wird und es dadurch zu für den Verbraucher „besonders nachteiligen Folgen“ kommt.

81.      Erstens handelt es sich um eine Form der Abrechnung von juristischen Dienstleistungen, die der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Gleichgewichts zwischen allen Rechten und Pflichten der Parteien im Kontext von nach der Zivilprozessordnung geführten Verfahren für zufriedenstellend hält.

82.      Zweitens ermöglicht diese Art der Abrechnung der erbrachten juristischen Dienstleistungen über die im nationalen Gesetz festgelegten Mindestsätze dem Verbraucher die Entscheidung, ob er den Schutz, den ihm die Richtlinie 93/13 garantiert, in Anspruch nehmen will, und zwar in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen, die diese Entscheidung mit sich bringt. Dies ist insofern von Bedeutung, als der Verbraucher auf den ihm nach dieser Richtlinie gewährten Schutz auch verzichten darf(34). Das nationale Gericht muss ihn jedoch über die Rechtsfolgen der Nichtigerklärung des Vertrags informieren, was den Verbraucher möglicherweise Erstattungsansprüchen aussetzt(35).

83.      Gemäß dem Wortlaut der sechsten Vorlagefrage scheint das vorlegende Gericht ferner davon auszugehen, dass eine praktikable Art der Abrechnung von Dienstleistungen nach litauischem Recht auch darin besteht, ein „angemessenes“ Honorar unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, der Qualifikationen und der Erfahrung des Rechtsanwalts, der finanziellen Situation des Mandanten und sonstiger relevanter Umstände zu bestimmen. Auch wenn das vorlegende Gericht nicht ausdrücklich darauf hinweist, entsprechen die Umstände, die die Bestimmung eines „angemessenen“ Honorars ermöglichen sollen, in der Tat denjenigen, die in der Vorschrift des litauischen Rechts genannt werden, die die Leitlinien enthält, die zu berücksichtigen sind, wenn die Parteien eines Vertrags über die Erbringung von juristischen Dienstleistungen das Honorar bestimmen(36).

84.      Wenn eine praktikable Art der Abrechnung der erbrachten juristischen Dienstleistungen nach nationalem Recht darin besteht, die Vergütung auf der Grundlage von Mindestsätzen zu bestimmen, und der Verbraucher auf diese Weise vor den „besonders nachteiligen Folgen“ der Unwirksamkeit des Vertrags geschützt werden kann, steht die Richtlinie 93/13 der Anwendung der oben dargelegten Methode der Abrechnung juristischer Dienstleistungen durch das nationale Gericht, bei der dem Verbraucher eine Verpflichtung zur Zahlung eines „angemessenen“ Honorars auferlegt wird, entgegen.

85.      Aus der Rechtsprechung(37) ergibt sich, dass der Eingriff des nationalen Gerichts in den Vertragsinhalt nicht über das hinausgehen darf, was unbedingt erforderlich ist, um das vertragliche Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien wiederherzustellen und so den Verbraucher vor besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des betreffenden Vertrags verursachen könnte, ohne dass die mit der Richtlinie verfolgten Ziele beeinträchtigt werden. Da ein solches Gleichgewicht bereits durch die Bestimmung der Vergütung anhand von Mindestsätzen(38) hergestellt wird, scheint ein weiter gehender Eingriff über das unbedingt erforderliche Maß hinauszugehen.

86.      Jegliche Konsequenzen, die ein nationales Gericht aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel zieht, müssen sicherstellen, dass die mit der Richtlinie 93/13 verfolgten Ziele erreicht werden(39). Auch wenn es darum geht, den Verbraucher vor „besonders nachteiligen Folgen“ der Unwirksamkeit des Vertrags zu schützen, muss das nationale Gericht daher prüfen, ob diese Folgen den Verbraucher davon abhalten, den ihm durch die Richtlinie gewährten Schutz in Anspruch zu nehmen, und dazu führen, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel keine abschreckende Wirkung auf Gewerbetreibende hat. Es scheint, dass wir es mit einer solchen Situation zu tun hätten, wenn die Verwendung einer missbräuchlichen Vertragsklausel durch den Gewerbetreibenden zur Festlegung des Hauptgegenstands des Vertrags über die Erbringung juristischer Dienstleistungen zur Folge hätte, dass ihm in jedem Fall ein „angemessenes“ Honorar zugesprochen würde.

VI.    Ergebnis

87.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die fünfte und die sechste Vorlagefrage des Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberstes Gericht Litauens) wie folgt zu beantworten:

Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Vertrag über die Erbringung juristischer Dienstleistungen, den ein Verbraucher mit einem Gewerbetreibenden geschlossen hat, nach Aufhebung einer missbräuchlichen Klausel in Bezug auf die Vergütung für die Erbringung juristischer Dienstleistungen nicht fortbestehen kann und diese Dienstleistungen erbracht worden sind, diese Bestimmungen dem nicht entgegenstehen, dass ein nationales Gericht eine Klage dieses Gewerbetreibenden auf Verurteilung des Verbrauchers zur Zahlung einer Vergütung für die Erbringung juristischer Dienstleistungen in vollem Umfang abweist, wenn der nationale Rechtsrahmen keinen Ausgleich für die auf der Grundlage eines Vertrags, der sich als nichtig erwiesen hat, erbrachten juristischen Dienstleistungen vorsieht.

Wenn die Nichtigerklärung des Vertrags über die Erbringung juristischer Dienstleistungen zu besonders nachteiligen Folgen für den Verbraucher führen würde, stehen Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dem nicht entgegen, dass ein nationales Gericht die Unwirksamkeit dieses Vertrags verhindert und dem Gewerbetreibenden eine Vergütung für die bereits erbrachten juristischen Dienstleistungen in Höhe der Mindestkosten für diese Dienstleistungen (Mindestsätze), die in einer nationalen Regelung bestimmt werden, zuspricht.


1      Originalsprache: Polnisch.


2      Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).


3      Siehe Nr. 16 dieser Schlussanträge.


4      Siehe Nr. 24 dieser Schlussanträge.


5      Das vorlegende Gericht scheint auf die in Nr. 8 dieser Schlussanträge genannte Regelung Bezug zu nehmen.


6      Vgl. Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 65 und 71).


7      Urteil vom 27. Januar 2021, Dexia Nederland (C‑229/19 und C‑289/19, EU:C:2021:68, Rn. 67).


8      Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a. (C‑154/15, C‑307/15 und C-308/15, EU:C:2016:980, Rn. 61).


9      Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a. (C‑154/15, C‑307/15 und C-308/15, EU:C:2016:980, Rn. 63).


10      Urteil vom 16. Juli 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (C‑224/19 und C‑259/19, EU:C:2020:578, Rn. 55).


11      Siehe Combet, M., „Les clauses abusives dans les contrats bancaires et financiers“ (2e partie), Revue internationale des services financiers, Bd. 3, 2021, S. 64; Węgrzynowski, Ł., „Skutekrestytucyjny z dyrektywy 93/13/EWG a zasady rozliczeń stron w związku z nieważnością umowy zawierającej niedozwolone postanowienia umowne“, Przegląd Prawa Handlowego, Bd. 5, 2022, S. 54.


12      Urteil vom 16. Juli 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (C‑224/19 und C‑259/19, EU:C:2020:578, Rn. 55).


13      Vgl. Urteil vom 5. Juni 2019, GT (C‑38/17, EU:C:2019:461, Rn. 43).


14      Vgl. Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak (C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 43).


15      Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, im Folgenden: Urteil Kásler, EU:C:2014:282, Rn. 80).


16      Im Licht der Antwort des Gerichtshofs im Urteil Kásler scheint die Möglichkeit, eine missbräuchliche Klausel durch eine dispositive Vorschrift zu ersetzen, zwar nicht vom Vorhandensein „besonders nachteiliger Folgen“ abhängig zu sein. Tatsächlich beruht der Standpunkt der litauischen und der deutschen Regierung offenbar auf einem solchen Verständnis dieses Urteils. Aus der Rechtsprechung, die nach diesem Urteil ergangen ist, ergibt sich aber, dass die Richtlinie 93/13 es einem nationalen Gericht nur dann nicht verwehrt, eine Vertragsklausel durch eine dispositive Vorschrift zu ersetzen, wenn die Feststellung der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel das Gericht dazu zwingt, den Vertrag in seiner Gesamtheit für nichtig zu erklären und damit den Verbraucher „besonders nachteiligen Konsequenzen“ auszusetzen. Vgl. Urteile vom 14. März 2019, Dunai (C‑118/17, EU:C:2019:207, Rn. 54), vom 7. November 2019, Kanyeba u. a. (C‑349/18 bis C‑351/18, EU:C:2019:936, Rn. 70 und 74), und vom 18. November 2021, A S.A. (C‑212/20, EU:C:2021:934, Rn. 72).


17      Vgl. Urteile vom 3. Oktober 2019, Dziubak (C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 60 bis 62), sowie vom 25. November 2020, Banca B. (C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 35).


18      Vgl. Beschluss vom 24. Oktober 2019, Topaz (C‑211/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:906, Rn. 78).


19      Urteil vom 25. November 2020, Banca B. (C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 39).


20      Urteil vom 25. November 2020, Banca B. (C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 38).


21      Urteil vom 25. November 2020, Banca B. (C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 39 und 40).


22      Urteil vom 25. November 2020, Banca B. (C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 41, 43 und 44).


23      Allerdings kann sich auch im Rahmen von Kreditverträgen die Frage stellen, ob die Richtlinie 93/13 Ansprüchen entgegensteht, die über die Erstattung des Nennwerts der Beträge hinausgehen, die sich die Vertragsparteien nach Vertragsschluss gegenseitig übertragen haben. Der Gerichtshof wurde gebeten, diese Frage im Rahmen der Rechtssache C‑520/21, Bank M, zu klären.


24      Es sei denn, ein Mitgliedstaat entscheidet sich für eine solche Vorgehensweise in Ausübung der ihm durch Art. 8 der Richtlinie 93/13 übertragenen Befugnis.


25      Urteil vom 31. März 2022, Lombard Pénzügyi és Lízing (C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 57 und 58). In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass die Interessen des Verbrauchers dadurch geschützt werden können, dass ihm die vom Kreditgeber aufgrund der für missbräuchlich erklärten Klausel rechtsgrundlos vereinnahmten Beträge zurückgezahlt werden, wobei eine solche Erstattung nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung erfolgt. Es ist hervorzuheben, dass das ungarische Recht, dem der streitige Vertrag unterlag, vorsah, dass „bei Unwirksamkeit eines Vertrags … der vor Vertragsschluss bestehende Zustand wiederherzustellen [ist]“, und wenn dies nicht möglich ist, „[f]ür den Zeitraum bis zu seiner Entscheidung … das Gericht den Vertrag für anwendbar erklären [kann]“.


26      Vgl. Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia (C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 61).


27      Vgl. Urteil vom 31. März 2022, Lombard Pénzügyi és Lízing (C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 57).


28      Siehe Nr. 61 dieser Schlussanträge.


29      Obwohl die endgültige Beurteilung dieser Frage den nationalen Gerichten überlassen werden muss, ergibt sich aus Art. 1.80 des Lietuvos Respublikos Civilinis kodeksas (Zivilgesetzbuch der Republik Litauen), geändert durch das Gesetz Nr. VIII-1864 vom 18. Juli 2000 offenbar, dass im Falle der Nichtigkeit eines Vertrags die Parteien einander das zurückgeben müssen, was sie gemäß dem Vertrag erhalten haben (Restitution), und wenn sich dies als unmöglich erweist, die Parteien einander das erstatten müssen, was sie voneinander in Geld erhalten haben, sofern das Gesetz keine anderen Folgen der Ungültigkeit des Vertrags vorsieht. Dagegen deutet nichts darauf hin, dass das litauische Recht im Falle der Ungültigkeit eines Vertrags die Wiederherstellung des Zustands vor seinem Abschluss oder, wenn dies nicht möglich ist, die Aufrechterhaltung des Vertrags vorschreibt. Dies unterscheidet den rechtlichen Rahmen der Rechtssache im Ausgangsverfahren von demjenigen, der dem Urteil vom 31. März 2022, Lombard Pénzügyi és Lízing (C‑472/20, EU:C:2022:242), zugrunde lag. Siehe Nr. 25 dieser Schlussanträge.


30      Vgl. Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak (C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 50).


31      Vgl. Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia (C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 61).


32      Siehe Nr. 51 dieser Schlussanträge.


33      Siehe Nrn. 53 bis 57 dieser Schlussanträge.


34      Vgl. Urteile vom 3. Oktober 2019, Dziubak (C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 55), vom 29. April 2021, Bank BPH (C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 94), und vom 2. September 2021, OTP Jelzálogbank u. a. (C‑932/19, EU:C:2021:673, Rn. 48).


35      Vgl. Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH (C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 98 und 99).


36      Siehe Nr. 7 dieser Schlussanträge.


37      Siehe Nrn. 53 bis 57 dieser Schlussanträge.


38      Siehe Nr. 81 dieser Schlussanträge.


39      Siehe Nrn. 56 und 57 dieser Schlussanträge.