Language of document : ECLI:EU:C:2015:188

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

19. März 2015(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Soziale Sicherheit – Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit – Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, in dem er auch seinen Wohnsitz hat, der als Arbeitnehmer an Bord eines unter der Flagge eines anderen Drittstaats fahrenden Rohrlegers beschäftigt ist – Arbeitnehmer, der ursprünglich von einem in den Niederlanden ansässigen Unternehmen und später von einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen beschäftigt wurde – Arbeit, die nacheinander über dem Festlandsockel eines Drittstaats, in internationalen Gewässern und über dem Festlandsockel bestimmter Mitgliedstaaten ausgeführt wurde – Persönlicher Geltungsbereich dieser Verordnung – Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften“

In der Rechtssache C‑266/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 12. April 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Mai 2013, in dem Verfahren

L. Kik

gegen

Staatssecretaris van Financiën

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas, E. Juhász und D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Kik, vertreten durch H. Menger,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch B. Koopman, M. Bulterman, C. Schillemans und M. Gijzen als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und J. Enegren als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Oktober 2014

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu‑ und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 307/1999 des Rates vom 8. Februar 1999 (ABl. L 38, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Kik und dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen) wegen des Anschlusses von Herrn Kik an das allgemeine Sozialversicherungssystem der Niederlande für den Zeitraum vom 1. Juni bis 24. August 2004.

 Rechtlicher Rahmen

 Völkerrecht

3        Das am 10. Dezember 1982 in Montego Bay (Jamaika) unterzeichnete und am 16. November 1994 in Kraft getretene Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen wurde vom Königreich der Niederlande am 28. Juni 1996 und vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland am 25. Juli 1997 ratifiziert und durch den Beschluss 98/392/EG des Rates vom 23. März 1998 (ABl. L 179, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.

4        In seinem Art. 60 („Künstliche Inseln, Anlagen und Bauwerke in der ausschließlichen Wirtschaftszone“) sieht das Übereinkommen Folgendes vor:

„(1)      In der ausschließlichen Wirtschaftszone hat der Küstenstaat das ausschließliche Recht zur Errichtung sowie zur Genehmigung und Regelung der Errichtung, des Betriebs und der Nutzung von:

a)      künstlichen Inseln;

b)      Anlagen und Bauwerken für die in Artikel 56 vorgesehenen und für andere wirtschaftliche Zwecke;

c)      Anlagen und Bauwerken, welche die Ausübung der Rechte des Küstenstaats in der Zone beeinträchtigen können.

(2)      Der Küstenstaat hat über diese künstlichen Inseln, Anlagen und Bauwerke ausschließliche Hoheitsbefugnisse, einschließlich derjenigen in Bezug auf Zoll- und sonstige Finanzgesetze, Gesundheits-, Sicherheits- und Einreisegesetze und diesbezügliche sonstige Vorschriften.

…“

5        Art. 77 („Rechte des Küstenstaats am Festlandsockel“) des Seerechtsübereinkommens bestimmt:

„(1)  Der Küstenstaat übt über den Festlandsockel souveräne Rechte zum Zweck seiner Erforschung und der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen aus.

(2)       Die in Absatz 1 genannten Rechte sind insoweit ausschließlich, als niemand ohne ausdrückliche Zustimmung des Küstenstaats den Festlandsockel erforschen oder seine natürlichen Ressourcen ausbeuten darf, selbst wenn der Küstenstaat diese Tätigkeiten unterlässt.

(3)       Die Rechte des Küstenstaats am Festlandsockel sind weder von einer tatsächlichen oder nominellen Besitzergreifung noch von einer ausdrücklichen Erklärung abhängig.

…“

6        In Art. 79 („Unterseeische Kabel und Rohrleitungen auf dem Festlandsockel“) des Übereinkommens heißt es:

„(1)  Alle Staaten haben das Recht, in Übereinstimmung mit diesem Artikel auf dem Festlandsockel unterseeische Kabel und Rohrleitungen zu legen.

(2)       Der Küstenstaat darf das Legen oder die Unterhaltung dieser Kabel oder Rohrleitungen nicht behindern, vorbehaltlich seines Rechts, angemessene Maßnahmen zur Erforschung des Festlandsockels, zur Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen und zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Rohrleitungen zu ergreifen.

(3)       Die Festlegung der Trasse für das Legen solcher Rohrleitungen auf dem Festlandsockel bedarf der Zustimmung des Küstenstaats.

(4)       Dieser Teil berührt nicht das Recht des Küstenstaats, Bedingungen für Kabel oder Rohrleitungen festzulegen, die in sein Hoheitsgebiet oder sein Küstenmeer führen, oder seine Hoheitsbefugnisse über Kabel und Rohrleitungen zu begründen, die im Zusammenhang mit der Erforschung seines Festlandsockels, der Ausbeutung seiner Ressourcen oder dem Betrieb von seinen Hoheitsbefugnissen unterliegenden künstlichen Inseln, Anlagen oder Bauwerken gebaut oder genutzt werden.

…“

7        Nach Art. 80 („Künstliche Inseln, Anlagen und Bauwerke auf dem Festlandsockel“) des Seerechtsübereinkommens gilt dessen Art. 60 sinngemäß für künstliche Inseln, Anlagen und Bauwerke auf dem Festlandsockel.

 Unionsrecht

8        Die Verordnung Nr. 1408/71 verweist u. a. auf Art. 51 EWG-Vertrag (dann Art. 51 EG-Vertrag, nach Änderung Art. 42 EG), der dem jetzigen Art. 48 AEUV entspricht. Diese Artikel betreffen in erster Linie die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten und die Zahlung der Leistungen im Rahmen dieser so koordinierten Systeme. Infolge dieses Verweises enthält die Verordnung u. a. folgende Erwägungsgründe:

„Die Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit gehören zur Freizügigkeit von Personen und sollen zur Verbesserung von deren Lebensstandard und Arbeitsbedingungen beitragen.

Wegen der großen Unterschiede beim persönlichen Geltungsbereich der innerstaatlichen Rechtsvorschriften ist es besser, grundsätzlich davon auszugehen, dass die Verordnung für alle Personen gilt, die im Rahmen der für Arbeitnehmer und Selbständige bereitgestellten Systeme sozialer Sicherheit oder aufgrund der Ausübung einer Arbeitnehmer‑ oder Selbständigentätigkeit versichert sind.

Es ist angezeigt, die Eigenheiten der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit zu berücksichtigen und nur eine Koordinierungsregelung vorzusehen.

Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, soll jeweils das System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden werden.

Um die Gleichbehandlung aller im Gebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Arbeitnehmer und Selbständigen am besten zu gewährleisten, ist es zweckmäßig, im Allgemeinen die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anzuwenden, in dessen Gebiet der Betreffende seine Arbeitnehmer- oder Selbständig[entätig]keit ausübt.

Von dieser allgemeinen Regel ist in besonderen Fällen, die ein anderes Zugehörigkeitskriterium rechtfertigen, abzuweichen.

…“

9        Nach Art. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gilt Folgendes:

„Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:

a)      ‚Arbeitnehmer‘ oder ‚Selbständiger‘: jede Person,

i)      die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist;

…“

10      Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich“) der Verordnung sieht in Abs. 1 Folgendes vor:

„Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.“

11      Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 enthält deren Art. 13 bis 17a und betrifft die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften. Art. 13 legt zunächst in seinem Abs. 1 die Regel fest, dass die Personen, für die diese Verordnung gilt, grundsätzlich den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen, und sieht weiter vor:

„(2)      Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:

a)       Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;

c)      eine Person, die ihre Erwerbstätigkeit an Bord eines Schiffes ausübt, das unter der Flagge eines Mitgliedstaats fährt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates;

f)       eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.“

12      Art. 14 („Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine abhängige Beschäftigung ausüben“) der Verordnung Nr. 1408/71 enthält folgende Bestimmungen:

„Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:

2.      Eine Person, die gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten abhängig beschäftigt ist, unterliegt den wie folgt bestimmten Rechtsvorschriften:

a)      Eine Person, die als Mitglied des fahrenden oder fliegenden Personals eines Unternehmens beschäftigt wird, das für Rechnung Dritter oder für eigene Rechnung im internationalen Verkehrswesen die Beförderung von Personen oder Gütern im Schienen-, Straßen-, Luft- oder Binnenschifffahrtsverkehr durchführt und seinen Sitz im Gebiet des Mitgliedstaats hat, unterliegt den Rechtsvorschriften des letzten Mitgliedstaats mit folgender Einschränkung:

i)      Eine Person, die von einer Zweigstelle oder ständigen Vertretung beschäftigt wird, die das Unternehmen außerhalb des Gebietes des Mitgliedstaats, in dem es seinen Sitz hat, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats unterhält, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sich die Zweigstelle oder die ständige Vertretung befindet;

ii)      eine Person, die überwiegend im Gebiet des Mitgliedstaats beschäftigt wird, in dem sie wohnt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates auch dann, wenn das Unternehmen, das sie beschäftigt, dort weder seinen Sitz noch die Zweigstelle oder eine ständige Vertretung hat;

b)      eine Person, die nicht unter Buchstabe a) fällt, unterliegt:

i)      den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Staates ausübt oder wenn sie für mehrere Unternehmen oder mehrere Arbeitgeber tätig ist, die ihren Sitz oder Wohnsitz im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten haben;

ii)      den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Unternehmen oder der Arbeitgeber, das bzw. der sie beschäftigt, seinen Sitz oder Wohnsitz hat, sofern sie nicht im Gebiet eines der Mitgliedstaaten wohnt, in denen sie ihre Tätigkeit ausübt.

…“

13      Art. 14b („Sonderregelung für Seeleute“) der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:

„Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe c) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:

4.      Eine Person, die an Bord eines Schiffes, das unter der Flagge eines Mitgliedstaats fährt, abhängig beschäftigt ist und die ihr Arbeitsentgelt für diese Beschäftigung von einem Unternehmen oder einer Person mit Sitz oder Wohnsitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften des letzteren Staates, sofern sie in dessen Gebiet wohnt; das Unternehmen oder die Person, das bzw. die das Arbeitsentgelt zahlt, gilt für die Anwendung dieser Rechtsvorschriften als Arbeitgeber.“

14      Art. 15 („Freiwillige Versicherung und freiwillige Weiterversicherung“) der Verordnung sieht vor:

„(1)      Artikel 13 bis 14d gelten nicht für die freiwillige Versicherung und die freiwillige Weiterversicherung, es sei denn, es gibt in einem Mitgliedstaat für einen der in Artikel 4 genannten Zweige nur ein System freiwilliger Versicherung.

(2)      Führt die Anwendung der Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten zu

–        einem Zusammentreffen einer Pflichtversicherung und einer freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung bei einem oder mehreren Systemen, so unterliegt der Versicherte ausschließlich der Pflichtversicherung;

…“

15      Das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, das am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichnet wurde und im Namen der Europäischen Gemeinschaft mit dem Beschluss 2002/309/EG, Euratom des Rates und – bezüglich des Abkommens über die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit – der Kommission vom 4. April 2002 über den Abschluss von sieben Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft (ABl. L 114, S. 1, im Folgenden: Abkommen EG–Schweiz) genehmigt wurde, bestimmt in Art. 8:

„Die Vertragsparteien regeln die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gemäß Anhang II, um insbesondere Folgendes zu gewährleisten:

a)      Gleichbehandlung;

b)      Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften;

c)      Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften berücksichtigten Versicherungszeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs sowie für die Berechnung der Leistungen;

d)      Zahlung der Leistungen an Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien haben;

e)      Amtshilfe und Zusammenarbeit der Behörden und Einrichtungen.“

16      Anhang II („Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“) des Abkommens EG–Schweiz sieht in Art. 1 Folgendes vor:

„(1)      Die Vertragsparteien kommen überein, im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit untereinander die gemeinschaftlichen Rechtsakte, auf die Bezug genommen wird, in der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens geltenden Fassung einschließlich der in Abschnitt A dieses Anhangs genannten Änderungen oder gleichwertige Vorschriften anzuwenden.

(2)      Der Begriff ‚Mitgliedstaat(en)‘ in den Rechtsakten, auf die in Abschnitt A dieses Anhangs Bezug genommen wird, ist außer auf die durch die betreffenden gemeinschaftlichen Rechtsakte erfassten Staaten auch auf die Schweiz anzuwenden.“

17      Abschnitt A dieses Anhangs nimmt u. a. auf die Verordnung Nr. 1408/71 Bezug.

18      Die Verordnung Nr. 1408/71 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1) ersetzt, die seit dem 1. Mai 2010 – dem Zeitpunkt, zu dem die Verordnung Nr. 1408/71 aufgehoben wurde – anwendbar ist. Anhang II des Abkommens EG–Schweiz wurde durch den Beschluss Nr. 1/2012 des Gemischten Ausschusses, eingesetzt im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 31. März 2012 zur Ersetzung des Anhangs II dieses Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 103, S. 51), der am 1. April 2012 in Kraft trat, aktualisiert. Der Anhang nimmt seither Bezug auf die Verordnung Nr. 883/2004. Vor diesem Zeitpunkt liegende Sachverhalte unterliegen jedoch weiterhin der Verordnung Nr. 1408/71, und zwar sowohl nach Art. 90 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004, wonach die Verordnung Nr. 1408/71 in Kraft bleibt und ihre Rechtswirkungen u. a. für die Zwecke des Abkommens EG–Schweiz behält, solange dieses nicht geändert worden ist, und nach Anhang II Abschnitt A Nr. 3 des Abkommens in geänderter Fassung, der immer noch auf die Verordnung Nr. 1408/71 verweist, „soweit … Fälle aus der Vergangenheit betroffen sind“.

 Niederländisches Recht

19      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass nach dem niederländischen Recht betreffend das allgemeine Sozialversicherungssystem in den Niederlanden ansässige Arbeitnehmer bei den verschiedenen Zweigen dieses Systems grundsätzlich pflichtversichert sind. Nach Art. 12 Abs. 1 des Besluit uitbreiding en beperking kring verzekerden volksverzekeringen 1999 (Verordnung zur Erweiterung und Beschränkung des Kreises der Sozialversicherungspflichtigen von 1999) endet dieser Anschluss ausnahmsweise, wenn eine Person während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens drei Monaten außerhalb der Niederlande arbeitet, es sei denn, dass diese Arbeit für einen in den Niederlanden ansässigen Arbeitgeber ausgeübt wird. Gemäß den Erläuterungen der niederländischen Regierung sieht der Besluit verzekeringsplicht zeevarenden (Verordnung über die Versicherungspflicht der Seeleute) in diesem Sinne vor, dass die niederländischen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer auf Seeleute anwendbar sind, die in einem Mitgliedstaat wohnen und für einen in den Niederlanden ansässigen Arbeitgeber auf einem Schiff tätig sind, das unter der Flagge eines Drittstaats fährt, der kein Staat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) ist.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

20      Im Jahr 2004 arbeitete Herr Kik, der die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt und in den Niederlanden wohnt, an Bord eines Rohrlegers, der unter panamaischer Flagge fährt. Bis zum 31. Mai 2004 war er bei einer Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden beschäftigt und unterlag dem allgemeinen Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaats. Ab dem 1. Juni 2004 war er für dieselbe Tätigkeit bei einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz angestellt. Sein Lohn unterlag weiterhin der niederländischen Einkommensteuer. Nach niederländischem Recht endet der Anschluss an das allgemeine Sozialversicherungssystem, wenn ein Arbeitnehmer während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens drei Monaten für einen nicht in den Niederlanden ansässigen Arbeitgeber außerhalb dieses Mitgliedstaats arbeitet.

21      Die sich im Ausgangsverfahren stellende Kernfrage ist, ob Herr Kik im Hinblick auf die Verordnung Nr. 1408/71 für den Zeitraum vom 1. Juni bis 24. August 2004 Beiträge zum niederländischen Sozialversicherungssystem zu entrichten hat. Während dieses Zeitraums befand sich das Schiff, auf dem er arbeitete, nacheinander über dem Festlandsockel eines Drittstaats, in internationalen Gewässern und über dem Festlandsockel bestimmter Mitgliedstaaten (Niederlande und Vereinigtes Königreich).

22      Nach Auffassung von Herrn Kik geht aus der Verordnung Nr. 1408/71 hervor, dass er während dieses Zeitraums nicht unter das niederländische Sozialversicherungssystem gefallen sei.

23      Der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande), der mit einer Kassationsbeschwerde befasst ist, die Herr Kik gegen die Entscheidung der Vorinstanz eingelegt hat, nach der er für den betreffenden Zeitraum Beiträge zum Sozialversicherungssystem zu entrichten hat, äußert Zweifel an der Anwendbarkeit dieser Verordnung.

24      Der Hoge Raad fragt sich zunächst, ob die Verordnung ausschließlich auf Wanderarbeitnehmer Anwendung findet, und wenn ja, ob Herr Kik im Hinblick auf die Orte, an denen er seine Tätigkeit während des streitigen Zeitraums ausgeübt hat, angesichts der Besonderheit des Schiffes, auf dem er arbeitete, und seiner Qualifikation nach dem Seerechtsübereinkommen sowie gegebenenfalls des Verwendungszwecks der verlegten Rohre als Wanderarbeitnehmer angesehen werden kann.

25      Insbesondere fragt sich das vorlegende Gericht, ob für die Zeiträume, zu denen sich das betreffende Schiff über dem Festlandsockel der Niederlande bzw. des Vereinigten Königreichs befand, davon ausgegangen werden muss, dass Herr Kik seine Tätigkeit im Gebiet dieser Mitgliedstaaten ausgeübt hat. Von der Beantwortung dieser Frage hänge es ab, ob der Betroffene während des gesamten streitigen Zeitraums oder eines großen Teils davon außerhalb des Gebiets der Europäischen Union gearbeitet habe und nicht als in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallender Wanderarbeitnehmer angesehen werden könne.

26      Das vorlegende Gericht ist jedoch der Auffassung, dass selbst bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit außerhalb des Gebiets der Union ein hinreichend enger Bezug zu diesem zur Anwendung der Bestimmungen des Titels II der Verordnung auf einen Arbeitnehmer führt, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt; es beruft sich hierzu auf das Urteil Aldewereld (C‑60/93, EU:C:1994:271).

27      Insoweit setzt sich der Hoge Raad mit der Möglichkeit auseinander, dass die maßgeblichen Bezugspunkte sowohl mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft – einem Staat, der in Bezug auf die Anwendung der Verordnung einem Mitgliedstaat gleichzustellen ist – (Ort der Niederlassung des Arbeitgebers) als auch mit dem Hoheitsgebiet der Union (Erhebung der Einkommensteuer in den Niederlanden und möglicherweise Arbeit im Gebiet des Königreichs der Niederlande und des Vereinigten Königreichs, wenn die im Ausgangsverfahren fragliche Arbeit auf dem Rohrleger, als dieser über dem Festlandsockel dieser Mitgliedstaaten im Einsatz war, einer Arbeit im Gebiet dieser Mitgliedstaaten gleichgestellt werden kann) bestehen können. Selbst wenn dieser letzte Aspekt einschlägig wäre, stelle sich insoweit jedoch die Frage, ob er nur für die Zeiträume, zu dem das Schiff über dem Festlandsockel dieser Mitgliedstaaten im Einsatz war, oder für den gesamten streitigen Zeitraum zu berücksichtigen sei, was möglicherweise davon abhängen könne, ob dies von Anfang an so geplant gewesen sei oder nicht.

28      Für den Fall, dass Herr Kik in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen sollte, so dass die Vorschriften ihres Titels II anzuwenden wären, um die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit anwendbaren Rechtsvorschriften zu bestimmen, fragt sich das vorlegende Gericht, welche Vorschriften einschlägig wären.

29      Es sieht den Arbeitsort als wichtigen Aspekt an und hält es daher insoweit auch für erforderlich, zu klären, ob eine auf einem Rohrleger über dem Festlandsockel eines Mitgliedstaats ausgeübte abhängige Beschäftigung einer im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausgeübten Beschäftigung gleichzustellen ist.

30      Sei dies nicht der Fall, wäre keine der Bestimmungen des Titels II als solche anwendbar. Somit wäre, da nicht hingenommen werden könne, dass ein Arbeitnehmer, auf den die Verordnung Nr. 1408/71 anwendbar sei, unter keinerlei Sozialversicherungssystem falle, der relevanteste Bezugspunkt zu bestimmen. Im vorliegenden Fall könne nicht auf den Wohnsitz des Arbeitnehmers abgestellt werden, weil es keine Hinweise darauf gebe, dass ein Zusammenhang zwischen diesem und dem Arbeitsverhältnis bestehe. Dasselbe gelte für den Ort der Besteuerung der Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit, da die Verordnung Nr. 1408/71 diesen Aspekt gar nicht berücksichtige. Bei diesem Ausschlussverfahren käme – wie der Hoge Raad unter Bezugnahme auf das Urteil Aldewereld (EU:C:1994:271) ausführt – dem Ort der Niederlassung des Arbeitgebers eine besondere Bedeutung zu.

31      Für den Fall, dass die auf einem Rohrleger über dem Festlandsockel eines Mitgliedstaats ausgeübte abhängige Beschäftigung einer Beschäftigung im Gebiet dieses Mitgliedstaats gleichzustellen wäre, hält der Hoge Raad der Nederlanden zwei Lösungen für möglich.

32      Eine erste Lösung bestünde darin, auf die Grundregel des Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 Bezug zu nehmen, wonach die Rechtsvorschriften des Arbeitsorts gelten, und somit aus denselben Gründen, die oben in Rn. 30 des vorliegenden Urteils dargelegt wurden, für die Zeiträume, bei denen davon auszugehen ist, dass die Arbeit im Gebiet der Niederlande bzw. des Vereinigten Königreichs erbracht wurde, das niederländische Recht und das Recht des Vereinigten Königreichs und im Übrigen Schweizer Recht anzuwenden.

33      Nach der zweiten Lösungsmöglichkeit wäre davon auszugehen, dass die Tätigkeit im Sinne von Art. 14 Nr. 2 der Verordnung gewöhnlich im Gebiet von mehreren Mitgliedstaaten ausgeübt wurde und somit die Regelung von Nr. 2 Buchst. b Ziff. i erster Fall anzuwenden ist, was zur Folge hätte, dass das Recht des Wohnsitzmitgliedstaats anzuwenden wäre, wenn ein Teil der Tätigkeit dort ausgeübt wurde.

34      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kann der Umstand, dass Art. 14 der Verordnung Nr. 1408/71 ausweislich seiner Überschrift Sonderregelungen für andere Personen als Seeleute enthält, nicht entscheidend sein, da Art. 14b der Verordnung, der die Sonderregelungen für Seeleute enthält, keine im vorliegenden Fall anwendbaren Bestimmungen enthält.

35      Dagegen möchte es wissen, wie diese Fallgestaltung von der des Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 zu unterscheiden ist, bei der eine abhängige Beschäftigung zunächst in einem Mitgliedstaat und danach in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt wird, weil genau genommen nie zwei Tätigkeiten von derselben Person an zwei verschiedenen Orten gleichzeitig ausgeübt werden können. Folglich würde unter den in Art. 14 Nr. 2 der Verordnung verwendeten Ausdruck „gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten abhängig beschäftigt“ auch eine Tätigkeit fallen, die nacheinander im Gebiet mehrerer Mitgliedstaaten ausgeübt wird. Durch eine zu enge Auslegung dieses Ausdrucks würde die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beeinträchtigt, weil dadurch die nicht von der Sonderregelung des Art. 14 Nr. 2 erfassten Arbeitnehmer unter Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung fielen und sich somit häufigen Änderungen der auf sie anzuwendenden Rechtsvorschriften ausgesetzt sähen.

36      In diesem Zusammenhang hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      a)      Sind die Regeln über den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 und die Regeln über den räumlichen Geltungsbereich der Zuweisungsregeln in Titel II der Verordnung dahin auszulegen, dass diese Zuweisungsregeln in einem Fall wie dem vorliegenden anwendbar sind, in dem es um a) einen in den Niederlanden wohnenden Arbeitnehmer geht, der b) die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt, c) jedenfalls früher in den Niederlanden pflichtversichert war, d) als Seemann im Dienst eines in der Schweiz ansässigen Arbeitgebers tätig ist, e) seine Arbeit an Bord eines Rohrlegers ausübt, der unter panamaischer Flagge fährt, und f) diese Tätigkeit zunächst außerhalb des Hoheitsgebiets der Union ausübte (ungefähr drei Wochen über dem Festlandsockel der Vereinigten Staaten und ungefähr zwei Wochen in internationalen Gewässern) und danach über dem Festlandsockel der Niederlande (Zeiträume von einem Monat und von ungefähr einer Woche) und des Vereinigten Königreichs (Zeitraum von etwa einer Woche), während g) die damit erzielten Einkünfte der niederländischen Einkommensteuer unterliegen?

      b)      Wenn ja, ist die Verordnung Nr. 1408/71 dann nur auf die Tage anwendbar, an denen der Betroffene über dem Festlandsockel eines Mitgliedstaats der Union arbeitet, oder auch auf den diesen vorangehenden Zeitraum, in dem er andernorts außerhalb des Hoheitsgebiets der Union arbeitete?

2.      Wenn die Verordnung Nr. 1408/71 auf einen Arbeitnehmer wie den in Frage 1 a genannten anwendbar ist, welche Rechtsvorschriften weist die Verordnung dann als anwendbar zu?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

37      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass ein Arbeitnehmer, der – wie Herr Kik – Staatsangehöriger des Mitgliedstaats ist, in dem er auch seinen Wohnsitz hat und in dem seine Einkünfte versteuert werden, auf einem Rohrleger arbeitet, der unter der Flagge eines Drittstaats fährt und an verschiedenen Orten auf der Welt im Einsatz ist, u. a. über dem Festlandsockel bestimmter Mitgliedstaaten, und zuvor bei einem in seinem Wohnsitzmitgliedstaat ansässigen Unternehmen beschäftigt war, den Arbeitgeber wechselt und seitdem bei einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen beschäftigt ist, aber weiterhin im selben Mitgliedstaat wohnt und auf demselben Schiff arbeitet, in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fällt.

38      Insoweit ist erstens zu berücksichtigen, dass die Verordnung Nr. 1408/71 gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 u. a. für Arbeitnehmer gilt, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind.

39      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass dies bei Herrn Kik während des im Ausgangsverfahren fraglichen Zeitraums der Fall war. Er ist niederländischer Staatsangehöriger und war während des relevanten Zeitraums an das allgemeine Sozialversicherungssystem der Niederlande angeschlossen, weil er seinen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hatte. Außerdem betrifft das Ausgangsverfahren zwar die Frage, ob Herr Kik während dieses Zeitraums niederländischem oder Schweizer Recht unterlag, doch ist unstreitig, dass er entweder dem einen oder dem anderen Recht unterlag.

40      Zweitens ist festzustellen, dass die auf einem Rohrleger verrichtete Arbeit nicht einer Arbeit im Gebiet eines Mitgliedstaats gleichgestellt werden kann, wenn das Schiff sich über dem Festlandsockel dieses Mitgliedstaats befindet.

41      Die Hoheitsbefugnisse, die Art. 79 Abs. 4 des Seerechtsübereinkommens einem Küstenstaat einräumt, beschränken sich nämlich auf Kabel und Rohrleitungen, die im Zusammenhang mit der Erforschung seines Festlandsockels oder der Ausbeutung seiner Ressourcen gebaut oder genutzt werden, und erstrecken sich somit nicht auf das Schiff, das mit der Verlegung dieser Kabel oder Rohrleitungen befasst ist. Überdies kann ein solches Schiff nicht einer „künstlichen Insel“, einer „Anlage“ oder einem „Bauwerk“ auf dem Festlandsockel im Sinne von Art. 80 des Seerechtsübereinkommens gleichgestellt werden. Jedenfalls geht aus der Vorlageentscheidung nicht hervor, dass die Rohre, die von dem Schiff verlegt wurden, auf dem Herr Kik während der Zeiträume arbeitete, zu denen sich das Schiff über dem Festlandsockel bestimmter Mitgliedstaaten befand, zur Erforschung des Festlandsockels oder der Ausbeutung seiner Ressourcen bestimmt waren.

42      In einer Situation wie der, in der sich Herr Kik befand, ist jedoch die Feststellung, dass die auf einem Rohrleger verrichtete Arbeit nicht einer im Gebiet eines Mitgliedstaats ausgeübten Arbeit gleichgestellt werden kann, wenn das Schiff sich über dem Festlandsockel dieses Mitgliedstaats befindet, für sich allein nicht geeignet, die Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1408/71 in Frage zu stellen. Denn der bloße Umstand, dass ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Gebiets der Union ausübt, reicht nicht aus, um die Anwendung der Unionsvorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer auszuschließen, wenn das Arbeitsverhältnis eine hinreichend enge Anknüpfung an das Gebiet der Union behält (Urteil Aldewereld, EU:C:1994:271, Rn. 14).

43      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sich ein hinreichend enger Bezug zwischen dem fraglichen Arbeitsverhältnis und dem Gebiet der Union aus dem Umstand ergibt, dass ein Unionsbürger, der in einem Mitgliedstaat wohnt, von einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat angestellt worden ist, für das er seine Tätigkeiten ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil Petersen, C‑544/11, EU:C:2013:124, Rn. 42).

44      Wie der Generalanwalt in Nr. 40 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist die von Herrn Kik während des im Ausgangsverfahren fraglichen Zeitraums verrichtete Arbeit durch eine gewisse Zahl von Bezugspunkten mit dem Königreich der Niederlande und mit der in Bezug auf die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 einem Mitgliedstaat gleichzustellenden Schweizerischen Eidgenossenschaft gekennzeichnet. Insoweit genügt die Feststellung, dass Herr Kik seinen Wohnsitz in den Niederlanden hatte und sich die Niederlassung seines Arbeitgebers in der Schweiz befand.

45      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 1408/71 dahin ausgelegt werden muss, dass ein Arbeitnehmer, der – wie Herr Kik – Staatsangehöriger des Mitgliedstaats ist, in dem er auch seinen Wohnsitz hat und in dem seine Einkünfte versteuert werden, auf einem Rohrleger arbeitet, der unter der Flagge eines Drittstaats fährt und an verschiedenen Orten auf der Welt im Einsatz ist, u. a. über dem Festlandsockel bestimmter Mitgliedstaaten, und zuvor bei einem in seinem Wohnsitzmitgliedstaat ansässigen Unternehmen beschäftigt war, den Arbeitgeber wechselt und seitdem bei einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen beschäftigt ist, aber weiterhin im selben Mitgliedstaat wohnt und auf demselben Schiff arbeitet, in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fällt.

 Zur zweiten Frage

46      Mit seiner zweiten Frage, die für den Fall gestellt wird, dass die Verordnung Nr. 1408/71 auf einen Arbeitnehmer wie Herrn Kik anwendbar ist, und die daher zu beantworten ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Rechtsvorschriften nach dem die Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts betreffenden Titel II der Verordnung auf einen solchen Arbeitnehmer anzuwenden sind.

47      Insoweit ist daran zu erinnern, dass, wenn eine Person in den nach Art. 2 der Verordnung definierten persönlichen Geltungsbereich derselben fällt, die in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 festgelegte Regel der Einheitlichkeit grundsätzlich anwendbar ist und sich die anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften nach den Vorschriften des Titels II der Verordnung bestimmen (Urteil Aldewereld, EU:C:1994:271, Rn. 10).

48      In Rn. 11 jenes Urteils hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich keine Bestimmung des Titels II unmittelbar auf die Situation eines Arbeitnehmers bezieht, der von einem Unternehmen aus der Union eingestellt wurde, aber nicht im Gebiet der Union tätig ist, weil er ausschließlich im Gebiet eines Drittstaats arbeitet.

49      Diesem Fall ist der gleichzustellen, dass ein Arbeitnehmer von einem Unternehmen aus der Union eingestellt wurde, um auf einem Schiff zu arbeiten, das unter der Flagge eines Drittstaats fährt.

50      Dies gilt unabhängig davon, dass nach dem im Rahmen jenes Urteils maßgeblichen Zeitraum Art. 13 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 1408/71 eingeführt wurde, der bestimmt, dass eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der anderen Vorschriften in Titel II der Verordnung anwendbar würden, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegt, in dessen Gebiet sie wohnt.

51      Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Beendigung der Anwendung der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung darstellt und diese nicht selbst die Voraussetzungen festlegt, unter denen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiter anwendbar sind (vgl. Urteil Kommission/Belgien, C‑347/98, EU:C:2001:236, Rn. 31). Wie der Gerichtshof u. a. in Rn. 33 des Urteils van Pommeren-Bourgondiën (C‑227/03, EU:C:2005:431) ausgeführt hat, ist es Sache jedes Mitgliedstaats, diese Voraussetzungen festzulegen.

52      Wie Art. 10b der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. L 74, S. 1) in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung präzisiert, werden der Zeitpunkt und die Voraussetzungen, zu denen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiter für die in Art. 13 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 1408/71 genannte Person gelten, nach diesen Rechtsvorschriften bestimmt.

53      Nach niederländischem Recht waren die Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit während des gesamten streitigen Zeitraums weiterhin auf Herrn Kik anwendbar. Da die Voraussetzung betreffend die Beendigung der Anwendung der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht erfüllt ist, ist Art. 13 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 1408/71 in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht anwendbar.

54      Demnach werden in einer solchen Situation, soweit das Arbeitsverhältnis eine hinreichend enge Anknüpfung an das Gebiet der Union aufweist, die anwendbaren Rechtsvorschriften nach anderen Bestimmungen des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 zugewiesen als nach ihrem Art. 13 Abs. 2 Buchst. f.

55      Wie in Rn. 44 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, besteht in einer Situation wie der, in der sich Herr Kik befindet, eine hinreichend enge Anknüpfung an das Gebiet der Union.

56      Bei der Bestimmung der in einer solchen Situation nach der Verordnung Nr. 1408/71 anzuwendenden Rechtsvorschriften ist zu berücksichtigen, dass die Grundregel des Art. 13 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung, die für Seeleute die Anwendung der Rechtsvorschriften des Staates der Flagge vorsieht, unter der das Schiff fährt, nicht entsprechend anwendbar ist, weil es sich im vorliegenden Fall um eine Person handelt, die auf einem Schiff arbeitet, das unter der Flagge eines Drittstaats fährt.

57      In einem solchen Fall ergeben sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die anwendbaren Rechtsvorschriften aus den Bestimmungen des Titels II der Verordnung, wobei die Anknüpfungspunkte zu berücksichtigen sind, die die betreffende Situation an die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten aufweist (vgl. Urteil Aldewereld, EU:C:1994:271, Rn. 20).

58      Vorliegend sind, wie in der Situation, die dem Urteil Aldewereld (EU:C:1994:271, Rn. 21) zugrunde lag, der Wohnsitz des Arbeitnehmers und der Ort, an dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, die einzigen Anknüpfungspunkte an die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats oder eines diesem gleichgestellten Staates. Wie der Gerichtshof in Rn. 22 jenes Urteils festgestellt hat, erscheint die Anwendung der Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats des Arbeitnehmers im System der Verordnung Nr. 1408/71 als untergeordnete Regel, die nur dann eingreift, wenn diese Rechtsvorschriften eine Anknüpfung an das Arbeitsverhältnis aufweisen. Wenn also der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz nicht im Gebiet eines der Mitgliedstaaten hat, in dem er beschäftigt ist, gilt normalerweise das Recht des Sitzes oder des Wohnsitzes des Arbeitgebers.

59      In einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen wird diese Feststellung durch Art. 14 Nr. 2 Buchst. a Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gestützt, der einen Hinweis gibt, welches System diese Verordnung für Personen vorsieht, die eine Tätigkeit, bei der sie hauptsächlich unterwegs sind, unter Voraussetzungen ausüben, unter denen sie keinem bestimmten Ort zugeordnet werden kann, und nach dem die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, an dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, auf diese Personen anwendbar sind.

60      Diese Vorschrift enthält zwar, wie sich aus ihrer Überschrift ergibt, Regelungen für andere Personen als Seeleute, aber die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation, dass ein Arbeitnehmer eine abhängige Beschäftigung außerhalb des Gebiets der Union auf einem unter der Flagge eines Drittstaats fahrenden Schiff ausübt, ist mit der Situation vergleichbar, in der sich die Personen befinden, auf die sich diese Vorschrift unmittelbar bezieht, da weder der Flaggenstaat noch der Arbeitsort einen Bezug zu den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats aufweist.

61      Folglich sind in der Situation eines Arbeitnehmers wie Herrn Kik die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats oder des diesem gleichgestellten Staates anzuwenden, in dem das Unternehmen, das diesen Arbeitnehmer beschäftigt, seinen Sitz hat.

62      Im Hinblick darauf, dass dem Gerichtshof keine Informationen zum Versicherungssystem nach Schweizer Recht vorliegen, und angesichts der Tatsache, dass nach niederländischem Recht eine Situation wie die, in der sich ein Arbeitnehmer wie Herr Kik während des im Ausgangsverfahren fraglichen Zeitraums befand, durch Letzteres dahin geregelt wird, dass es den Anschluss eines solchen Arbeitnehmers an eine Pflichtversicherung vorsieht, ist jedoch festzustellen, dass nach Art. 15 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1408/71 der Versicherte, wenn die Anwendung der Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten, denen die Schweizerische Eidgenossenschaft gleichzustellen ist, zum Anschluss an eine freiwillige Versicherung und an eine Pflichtversicherung führt, ausschließlich der Pflichtversicherung unterliegt.

63      Sähen die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, gemäß der Verordnung Nr. 1408/71 den Anschluss eines Arbeitnehmers wie Herrn Kik an kein Sozialversicherungssystem vor, wären die Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats eines solchen Arbeitnehmers anzuwenden. Die Bestimmungen des Titels II der Verordnung sollen nämlich auch verhindern, dass Personen, die unter diese Verordnung fallen, der Schutz auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, weil keine nationalen Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind (Urteil van Pommeren-Bourgondiën, EU:C:2005:431, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die zweite Frage dahin zu beantworten, dass die Vorschriften des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 zur Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts dahin auszulegen sind, dass der Staatsangehörige eines Mitgliedstaats oder der in Bezug auf die Anwendung der Verordnung einem Mitgliedstaat gleichzustellenden Schweizerischen Eidgenossenschaft, der auf einem unter der Flagge eines Drittstaats fahrenden Schiff außerhalb des Gebiets der Union – auch über dem Festlandsockel eines Mitgliedstaats – abhängig beschäftigt, aber bei einem in der Schweizerischen Eidgenossenschaft ansässigen Unternehmen angestellt ist, unter die Rechtsvorschriften des Staates fällt, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens wären auf diesen Staatsangehörigen jedoch die Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats anzuwenden, wenn gemäß der Verordnung die Anwendung der Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, zum Anschluss an eine freiwillige Versicherung oder an gar kein Sozialversicherungssystem führen würde.

 Kosten

65      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu‑ und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 307/1999 des Rates vom 8. Februar 1999 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Arbeitnehmer, der – wie Herr L. Kik – Staatsangehöriger des Mitgliedstaats ist, in dem er auch seinen Wohnsitz hat und in dem seine Einkünfte versteuert werden, auf einem Rohrleger arbeitet, der unter der Flagge eines Drittstaats fährt und an verschiedenen Orten auf der Welt im Einsatz ist, u. a. über dem Festlandsockel bestimmter Mitgliedstaaten, und zuvor bei einem in seinem Wohnsitzmitgliedstaat ansässigen Unternehmen beschäftigt war, den Arbeitgeber wechselt und seitdem bei einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen beschäftigt ist, aber weiterhin im selben Mitgliedstaat wohnt und auf demselben Schiff arbeitet, in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71, geändert und aktualisiert durch die Verordnung Nr. 118/97, in der durch die Verordnung Nr. 307/1999 geänderten Fassung fällt.

2.      Die Vorschriften des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71, geändert und aktualisiert durch die Verordnung Nr. 118/97, in der durch die Verordnung Nr. 307/1999 geänderten Fassung, die die Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts betreffen, sind dahin auszulegen, dass der Staatsangehörige eines Mitgliedstaats oder der in Bezug auf die Anwendung der Verordnung einem Mitgliedstaat gleichzustellenden Schweizerischen Eidgenossenschaft, der auf einem unter der Flagge eines Drittstaats fahrenden Schiff außerhalb des Gebiets der Union – auch über dem Festlandsockel eines Mitgliedstaats – abhängig beschäftigt, aber bei einem in der Schweizerischen Eidgenossenschaft ansässigen Unternehmen angestellt ist, unter die Rechtsvorschriften des Staates fällt, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens wären auf diesen Staatsangehörigen jedoch die Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats anzuwenden, wenn gemäß der Verordnung die Anwendung der Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, zum Anschluss an eine freiwillige Versicherung oder an gar kein Sozialversicherungssystem führen würde.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.