Language of document : ECLI:EU:C:2024:470

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTHONY COLLINS

vom 6. Juni 2024(1)

Rechtssache C264/23

Booking.com BV,

ADAMA Deutschland GmbH

gegen

25hours Hotel Company Berlin GmbH,

Aletto Kudamm GmbH,

Air-Hotel Wartburg Tagungs- & Sporthotel GmbH,

Andel’s Berlin Hotelbetriebs GmbH,

Angleterre Hotel GmbH & Co. KG,

Atrium Hotelgesellschaft mbH,

Azimut Hotelbetrieb Köln GmbH & Co. KG,

Barcelo Cologne GmbH,

Business Hotels GmbH,

Cocoon München GmbH,

DJC Operations GmbH,

Dorint GmbH,

Eleazar Novum GmbH,

Empire Riverside Hotel GmbH & Co. KG,

Explorer Hotel Fischen GmbH & Co. KG,

Explorer Hotel Nesselwang GmbH & Co. KG,

Explorer Hotel Schönau GmbH & Co. KG,

Fleming’s Hotel Management und Servicegesellschaft mbH & Co. KG,

G. Stürzer GmbH Hotelbetriebe,

Hotel Bellevue Dresden Betriebs GmbH,

Hotel Europäischer Hof W.A.L. Berk GmbH & Co KG,

Hotel Hafen Hamburg. Wilhelm Bartels GmbH & Co. KG,

Hotel John F GmbH,

Hotel Obermühle GmbH,

Hotel Onyx GmbH,

Hotel Rubin GmbH,

Hotel Victoria Betriebs- und Verwaltungs GmbH,

Hotel Wallis GmbH,

i31 Hotel GmbH,

IntercityHotel GmbH,

ISA Group GmbH,

Kur-Cafe Hotel Allgäu GmbH,

Lindner Hotels AG,

M Privathotels GmbH & Co. KG,

Maritim Hotelgesellschaft mbH,

MEININGER Shared Services GmbH,

Oranien Hotelbetriebs GmbH,

Platzl Hotel Inselkammer KG,

prize Deutschland GmbH,

Relexa Hotel GmbH,

SANA BERLIN HOTEL GmbH,

SavFra Hotelbesitz GmbH,

Scandic Hotels Deutschland GmbH,

Schlossgarten Hotelgesellschaft mbH,

Seaside Hotels GmbH & Co. KG,

SHK Hotel Betriebsgesellschaft mbH,

Steigenberger Hotels GmbH,

Sunflower Management GmbH & Co. KG,

The Mandala Hotel GmbH,

The Mandala Suites GmbH,

THR Hotel am Alexanderplatz Berlin Betriebs- und Management GmbH,

THR III Berlin Prager-Platz Hotelbetriebs- und Beteiligungsgesellschaft mbH,

THR München Konferenz und Event Hotelbetriebs- und Management GmbH,

THR Rhein/Main Hotelbetriebs- und Beteiligungs-GmbH,

THR XI Berlin Hotelbetriebs- und Beteiligungsgesellschaft mbH,

THR XXX Hotelbetriebs- und Beteiligungs-GmbH,

Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH & Co. KG,

VI VADI HOTEL Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG,

Weissbach Hotelbetriebsgesellschaft mbH,

Wickenhäuser & Egger AG,

Wikingerhof GmbH & Co. KG,

Hans-Hermann Geiling, Hotel Präsident,

Karl Herfurtner, Hotel Stadt München e. K.

(Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Amsterdam [Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Wettbewerb – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Verträge zwischen einer Online-Plattform für Hotelbuchungen und Hotels – Bestpreisklauseln – Art. 101 AEUV – Nebenabreden – Gruppenfreistellung – Vertikale Vereinbarungen – Verordnung (EU) Nr. 330/2010 – Marktabgrenzung“






 I.      Einleitung

1.        Der Gerichtshof ist in der vorliegenden Rechtssache aufgerufen, zwei neue und wichtige Fragen zu beantworten, die sich bei der Anwendung von Wettbewerbsrecht auf digitale Märkte ergeben. Sind die weite und die enge Bestpreisklausel Nebenabreden im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV? Welche Rechtsgrundsätze gelten im Zusammenhang mit zweiseitigen digitalen Plattformen wie Booking.com für die Definition des relevanten Produktmarkts?

 II.      Ausgangsrechtsstreit, Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

2.        Die Booking.com BV, ein 1996 in den Niederlanden gegründetes Unternehmen, betreibt unter diesem Namen eine Online-Plattform für das Buchen von Hotels(2). Booking.com ist als Vermittlerin zwischen Anbietern von Hoteldienstleistungen und Endkunden tätig. Das Unternehmen legt den Preis, zu dem Hotelzimmer über seine Plattform angeboten werden, nicht fest. Die Endkunden zahlen für die Nutzung von Booking.com keine Gebühr. Wenn ein Endkunde eine Reservierung über Booking.com vornimmt, zahlen die Hotels eine Kommission an diese Plattform. Die Endkunden können Hotelzimmer direkt bei den Hotels buchen (telefonisch, per E‑Mail oder über die Websites des Hotels) oder über ein stationäres Reisebüro. Booking.com bietet über seine Plattform Hotelzimmer in mehr als 1,2 Millionen Hotels weltweit an.

3.        Als Booking.com im Jahr 2006 in den deutschen Markt eintrat, war die Online-Hotelbuchung unüblich, und die meisten Hotelzimmer wurden direkt bei den Hotels gebucht. Andere Online-Reisebüroplattformen einschließlich der Hotel Reservation Service Robert Ragge GmbH (im Folgenden: HRS) und die Expedia Inc. waren in Deutschland tätig. Diese Online-Reisebüroplattformen verwendeten in ihren Verträgen mit Hotels weite Bestpreisklauseln. Solche Klauseln hinderten die Hotels daran, Zimmer über ihre eigenen direkten Vertriebskanäle oder über andere Vertriebskanäle – einschließlich konkurrierender Online-Reisebüroplattformen – zu einem niedrigeren Preis anzubieten.

4.        Im Jahr 2010 leitete das Bundeskartellamt (Deutschland) eine Untersuchung gegen HRS über deren Verwendung weiter Bestpreisklauseln ein. Am 20. Dezember 2013 erließ es einen Beschluss, in dem es feststellte, dass die in den Verträgen zwischen HRS und den Hotels verwendeten weiten Bestpreisklauseln gegen Art. 101 AEUV und die gleichwertige Vorschrift des deutschen Rechts verstoße (im Folgenden: HRS-Beschluss). Im Jahr 2013 leitete das Bundeskartellamt auch eine Untersuchung gegen Booking.com wegen der weiten Bestpreisklauseln ein, die das Unternehmen in seinen Verträgen verwendete.

5.        Mit Urteil vom 9. Januar 2015 wies das Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) eine gegen den HRS-Beschluss gerichtete Beschwerde auf Aufhebung des HRS-Beschlusses ab (im Folgenden: Entscheidung HRS). HRS hat gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt, sie wurde rechtskräftig.

6.        Im Juli 2015 beendete Booking.com in Absprache mit den französischen, den italienischen und den schwedischen Wettbewerbsbehörden die Verwendung der weiten Bestpreisklauseln, die das Unternehmen bis dahin zum Bestandteil aller seiner Verträge gemacht hatte. Es ersetzte diese Klauseln durch enge Bestpreisklauseln. Diese verbieten es den Hotels, Zimmer über ihre eigenen Direktvertriebskanäle zu einem niedrigeren Preis anzubieten.

7.        Am 22. Dezember 2015 stellte das Bundeskartellamt fest, dass enge Bestpreisklauseln gegen Art. 101 AEUV und die gleichwertige Vorschrift des deutschen Rechts verstießen (im Folgenden: Booking.com-Beschluss). Es entschied, dass diese Klauseln den Wettbewerb auf dem Markt für die Bereitstellung von Beherbergungsdienstleistungen und, in der Praxis, auf dem Markt für die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten durch Plattformen an Hotels beschränken würden(3). Wegen des großen Anteils, den Booking.com auf dem relevanten Markt hält, waren diese Klauseln nicht von der Freistellung nach der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen(4) (im Folgenden: alte Vertikal-GVO) erfasst. Auch waren die Voraussetzungen für die Anwendung einer Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 nicht erfüllt.

8.        Mit Entscheidung vom 4. Juni 2019 stellte das Oberlandesgericht Düsseldorf fest, dass enge Bestpreisklauseln eine Wettbewerbsbeschränkung darstellten, jedoch zur Verhinderung des Trittbrettfahrens erforderlich seien. Diese Klauseln hinderten Hotels daran, Booking.com zu nutzen, um Kunden zu erreichen und diese anschließend zu veranlassen, direkt bei den Hotels zu buchen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf kam zu dem Ergebnis, dass diese Klauseln Nebenabreden darstellten, die nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen. Daher hob es den Booking.com-Beschluss auf.

9.        Am 18. Mai 2021 hob der Bundesgerichtshof (Deutschland) diese Entscheidung auf und bestätigte den Booking.com-Beschluss. Enge Bestpreisklauseln beschränkten den Wettbewerb auf dem Markt für die Bereitstellung von Beherbergungsdienstleistungen. Weder finde auf diese Klauseln die Freistellung nach der alten Vertikal-GVO Anwendung, noch handele es sich dabei um Nebenabreden. Die Abwägung zwischen den wettbewerbsfördernden und den wettbewerbswidrigen Auswirkungen der engen Bestpreisklauseln sei im Rahmen einer Einzelfallprüfung gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV durchzuführen. Der Bundesgerichtshof kam zu dem Schluss, dass solche Klauseln zur Durchführung einer Haupttätigkeit nicht objektiv notwendig gewesen seien, da nicht festgestellt worden sei, dass die Rentabilität von Booking.com ohne solche Klauseln gefährdet wäre.

10.      Im Jahr 2020 erhob der Hotelverband Deutschland (IHA) e. V., ein Verband, der mehr als 2 600 Hotels vertritt, Schadensersatzklage gegen Booking.com vor dem Landgericht Berlin (Deutschland).

11.      Am 23. Oktober 2020 erhob Booking.com vor der Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande) Klage auf Feststellung, dass die Bestpreisklauseln des Unternehmens nicht gegen Art. 101 AEUV verstießen. Im Rahmen dieses Verfahrens erhoben 62 deutsche Hotels Widerklage, mit der sie von Booking.com Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 101 AEUV begehren (im Folgenden: widerklagende Hotels). Zwei wesentliche Fragen sind vor diesem Gericht streitig.

12.      Erstens die Frage, ob die Bestpreisklauseln als eine Nebenabrede im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen sind. Booking.com macht geltend, dass die enge und die weite Bestpreisklausel Nebenabreden seien, da sie Hotels daran hinderten, die Dienste des Unternehmens zu nutzen, ohne dafür zu bezahlen, und damit ein Trittbrettfahren vermieden. Die widerklagenden Hotels tragen vor, die Abschaffung der Klauseln im Jahr 2016 habe keine spürbaren negativen Auswirkungen auf die Tätigkeit von Booking.com gehabt, weshalb das Risiko des Trittbrettfahrens gering sei.

13.      Die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam) weist außerdem darauf hin, dass es verschiedene, einander entgegenstehende Auffassungen zur Behandlung von Bestpreisklauseln gebe, wie die unterschiedlichen Standpunkte des Bundeskartellamts und des Oberlandesgerichts Düsseldorf zeigten. Auch untersagten die nationalen Rechtsvorschriften in Belgien, Frankreich, Italien und Österreich den Rückgriff auf weite und enge Bestpreisklauseln.

14.      Zweitens weist die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam) darauf hin, dass, wenn es sich bei den Bestpreisklauseln nicht um Nebenabreden handele, für die Beurteilung, ob die alte Vertikal-GVO Anwendung finde, der relevante Produktmarkt abgegrenzt werden müsse. Nach der alten Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft(5) seien für die Definition eines relevanten Produktmarkts die Angebots- und die Nachfragesubstituierbarkeit zu prüfen(6).

15.      Booking.com macht geltend, der relevante Produktmarkt sei der Markt für den Vertrieb und die Buchung von Hotelunterkünften, bei dem es sich um einen zweiseitigen Markt handele. Die verschiedenen Online- und Offline-Vertriebskanäle seien für Hotels und Endkunden substituierbar und gehörten daher zu demselben relevanten Produktmarkt. Laut einem von Booking.com in Auftrag gegebenen wirtschaftlichen Sachverständigengutachten hätten im Jahr 2014 62 % der deutschen Endkunden für die Suche nach einer Hotelunterkunft zwischen zwei und vier Websites genutzt. Von den Endkunden, die für die Suche nach einer Hotelunterkunft Online-Reisebüroplattformen genutzt hätten, hätten 46 % auch Meta-Suchmaschinen verwendet. Im Jahr 2015 seien 60 % der Buchungen von Hotelzimmern offline vorgenommen worden.

16.      Die widerklagenden Hotels sind hingegen der Ansicht, dass die Online-Buchungsplattformen auf einem gesonderten Produktmarkt tätig seien, da sie Such‑, Vergleichs- und Buchungsdienstleistungen anböten. Der Offline-Vertrieb von Hoteldienstleistungen und die direkten Vertriebskanäle der Hotels seien daher nicht Teil desselben relevanten Produktmarkts.

17.      Nach Auffassung der Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam) gibt es offenbar einen Widerspruch zwischen dem Vorbringen, wonach die direkten Vertriebskanäle der Hotels einen gesonderten Produktmarkt darstellten, und der Behauptung, die engen Bestpreisklauseln schränkten den Wettbewerb zwischen Online-Buchungsplattformen wie Booking.com und den direkten Vertriebskanälen der Hotels ein. Die Rechtbank Amsterdam weist außerdem darauf hin, dass der Beschluss C(2011) 3913 final der Kommission vom 30. Mai 2011 (Sache Nr. COMP/M.6163 – AXA/PERMIRA/OPODO/GO VOYAGES/EDREAMS), in dem es heiße, dass der relevante Produktmarkt den Onlinevertrieb von Flugtickets durch Online-Reisebüroplattformen und die Websites von Fluggesellschaften umfasse, die Auffassung von Booking.com zu stützen scheine.

18.      Laut der Zusammenfassung der Konsultation der Beteiligten zur Bekanntmachung über die Beurteilung der Marktabgrenzung vom 18. Dezember 2020 (im Folgenden: Zusammenfassung der Konsultation der Beteiligten)(7) besteht in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur und in der Entscheidungspraxis der Wettbewerbsbehörden keine Einigkeit darüber, wie mehrseitige Märkte abzugrenzen sind. Es ist umstritten, ob diese als mehrere relevante Märkte abzugrenzen sind (ein Markt für jede Seite der Plattform) oder als ein einziger Markt (so dass er alle Seiten der Plattform umfasst)(8).

19.      Unter diesen Umständen hat die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam) beschlossen, das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind die weite und die enge Bestpreisklausel im Rahmen von Art. 101 Abs. 1 AEUV als eine Nebenabrede anzusehen?

2.      Wie ist bei der Anwendung der Verordnung Nr. 330/2010 der relevante Markt abzugrenzen, wenn Transaktionen über eine Online-Reisebüroplattform abgewickelt werden, auf der Unterkünfte Zimmer anbieten und mit Reisenden in Kontakt treten können, die ein Zimmer über die Plattform buchen können?

20.      Booking.com, die widerklagenden Hotels, die deutsche, die griechische und die spanische und die österreichische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. In der Sitzung vom 29. Februar 2024 haben Booking.com, die widerklagenden Hotels, die deutsche und die spanische Regierung sowie die Kommission mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

 III.      Würdigung

 A.      Zulässigkeit

21.      Die widerklagenden Hotels und die deutsche Regierung stellen die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens in Abrede.

22.      Erstens tragen sie vor, dass das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig sei, weil es die Voraussetzungen von Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs nicht erfülle. Es enthalte nicht alle relevanten Tatsachen, insbesondere, dass die beiden durch das vorlegende Gericht aufgeworfenen Fragen Gegenstand des Booking.com-Beschlusses und des HRS-Beschlusses gewesen seien. Die deutschen Gerichte hätten diese Beschlüsse bestätigt, und diese seien bestandskräftig geworden. Während die widerklagenden Hotels der Auffassung sind, dass das vorlegende Gericht an die in diesen Beschlüssen getroffenen Feststellungen gebunden sei, macht die deutsche Regierung geltend, dass diese Beschlüsse zumindest einen Anscheinsbeweis für das Vorliegen einer Verletzung darstellten.

23.      Zweitens tragen die widerklagenden Hotels vor, die Fragen seien rein hypothetischer Natur, weil das vorlegende Gericht durch die Entscheidungen der deutschen Gerichte gebunden sei. Mit einer vergleichbaren Argumentation ist die deutsche Regierung der Auffassung, dass die Fragen nicht erforderlich seien, da der Booking.com-Beschluss und der HRS-Beschluss, die von den deutschen Gerichten bestätigt worden seien, jeden Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts ausräumen würden.

24.      Drittens seien die Fragen unzulässig, soweit sie nicht die Auslegung des Unionsrechts beträfen, sondern vielmehr dessen Anwendung. Es sei nicht möglich, die Frage, ob es sich bei weiten und engen Bestpreisklauseln um Nebenabreden handele, abstrakt und losgelöst von ihrem sachlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Kontext zu beantworten. Die Abgrenzung des relevanten Produktmarkts sei kein Rechtsbegriff, sondern sie erfordere vielmehr eine Tatsachenwürdigung.

25.      Nach ständiger Rechtsprechung ist das Verfahren nach Art. 267 AEUV ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen(9).

26.      Daraus folgt, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen eines nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in einem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(10).

27.      Was den ersten Einwand gegen die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens betrifft, so enthält die Vorlageentscheidung ausreichende sachliche, rechtliche und verfahrensrechtliche Angaben, um dem Gerichtshof die Beantwortung der aufgeworfenen Vorlagefragen zu ermöglichen. Insbesondere enthält sie Einzelheiten des HRS-Beschlusses, des Booking.com-Beschlusses und der nachfolgenden Entscheidungen der deutschen Gerichte über diese Beschlüsse.

28.      Was die Relevanz dieser Beschlüsse und der nachfolgenden Entscheidungen der deutschen Gerichte für die vor dem vorlegenden Gericht anhängige Rechtssache betrifft, so ist der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union(11) auf Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln beschränkt. Er erstreckt sich nicht auf andere Arten von Klagen, mit denen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht geltend gemacht werden(12), wie Klagen auf Feststellung des Nichtvorliegens einer Zuwiderhandlung, sofern solche Klagen nach nationalem Recht bestehen. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass, während Booking.com von dem vorlegenden Gericht die Feststellung begehrt, dass seine Bestpreisklauseln keine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln darstellten, die widerklagenden Hotels gegen Booking.com eine Schadensersatzklage vor diesem Gericht erhoben haben. Durch diese Widerklage fällt der vor dem vorlegenden Gericht anhängige Rechtsstreit in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/104.

29.      Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 gilt eine in einer Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde oder einer Rechtsmittelinstanz festgestellte Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht für die Zwecke eines Verfahrens über eine Klage auf Schadensersatz vor einem Gericht dieses Mitgliedstaats als unwiderlegbar festgestellt(13). Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 regelt die Situation, die sich im Zusammenhang mit der vorliegenden Rechtssache ergibt. Wird bei den Gerichten eines Mitgliedstaats eine Schadensersatzklage wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht erhoben, so haben diese Gerichte in einem anderen Mitgliedstaat ergangene rechtskräftige Entscheidungen als Anscheinsbeweis für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht zu berücksichtigen; dies lässt die Möglichkeit unberührt, den Gegenbeweis zu erbringen(14). Das vorlegende Gericht ist daher nicht an die im Booking.com-Beschluss, im HRS-Beschluss oder in den nachfolgenden Entscheidungen der deutschen Gerichte getroffenen Feststellungen gebunden. Dass diese Entscheidungen einen Anscheinsbeweis für die Tatsache, dass eine Zuwiderhandlung erfolgt ist, darstellen können, führt nicht zur Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens.

30.      Der zweite Einwand gegen die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens kann aus ähnlichen Gründen zurückgewiesen werden. Die Fragen des vorlegenden Gerichts sind nicht hypothetischer Natur, da das Gericht durch die vorstehend genannten Beschlüsse und Entscheidungen nicht gebunden ist. Das Vorhandensein dieser Beschlüsse und Entscheidungen bedeutet auch nicht, dass es für den Gerichtshof nicht erforderlich wäre, die Vorlagefragen zu beantworten, da der Gerichtshof für die letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts zuständig ist(15).

31.      Schließlich ist der Gerichtshof im Verfahren nach Art. 267 AEUV nicht befugt, die Normen des Unionsrechts auf den Sachverhalt eines konkreten Falls anzuwenden; dies ist Sache des vorlegenden Gerichts. Jedoch kann der Gerichtshof das Unionsrecht unter Berücksichtigung der Akten auslegen, soweit dies dem vorlegenden Gericht bei der Beurteilung der Wirkungen einer unionsrechtlichen Bestimmung dienlich sein könnte(16).

32.      Im vorliegenden Fall betreffen die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen die Auslegung des Unionsrechts, insbesondere des Begriffs der Nebenabreden und die Rechtsgrundsätze, die für die Definition der relevanten Produktmärkte, auf denen Online-Reisebüroplattformen im Hotelgewerbe tätig sind, maßgeblich sind.

33.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die verschiedenen Einwände gegen die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens zurückzuweisen.

 B.      Beantwortung der Fragen

 1.      Zur ersten Frage

–       Vorbringen der Beteiligten

34.      Soweit weite Bestpreisklauseln betroffen sind, ist die Kommission der Auffassung, dass der HRS-Beschluss und die HRS-Entscheidung Anzeichen dafür darstellten, dass solche Klauseln grundsätzlich gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen, da sie den Wettbewerb sowohl zwischen Online-Reisebüroplattformen als auch zwischen Hotels beschränkten. Dies sei der Fall, auch wenn Booking.com nicht Partei dieses Verfahrens gewesen sei und Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 folglich keine Anwendung finde.

35.      In Bezug auf enge Bestpreisklauseln macht die Kommission geltend, dass der Booking.com-Beschluss und die nachfolgende Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in denen festgestellt worden sei, dass diese Klauseln den Wettbewerb zwischen Hotels und Online-Reisebüroplattformen beschränkten, einen Anscheinsbeweis im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 für das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht darstellten. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Feststellungen der deutschen Behörden zu weiten und engen Bestpreisklauseln eine unzutreffende rechtliche Beurteilung enthielten oder dass sie die Beweise verfälscht hätten.

36.      Eine Beschränkung sei als Nebenabrede anzusehen, wenn zwei Bedingungen erfüllt seien. Zum einen müsse die Beschränkung für die Durchführung der Hauptmaßnahme, die ohne die Nebenabrede nicht möglich wäre, objektiv notwendig sein. Diese Hauptmaßnahme müsse aus wettbewerblicher Sicht eine positive Wirkung haben oder zumindest neutral sein. Zum anderen müsse die Nebenabrede zu den Zielen der Hauptmaßnahme in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Ausführungen der Kommission konzentrieren sich auf die erste dieser Bedingungen. Nach Ansicht der Kommission hat die Hauptaktivität im vorliegenden Fall, nämlich die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten durch Online-Reisebüroplattformen an Hotels, eine positive Wirkung. Sie verstärke den Wettbewerb zwischen den Hotels und erlaube es den Endkunden, nach konkurrierenden Angeboten von Hoteldienstleistungen zu suchen und diese miteinander zu vergleichen. Außerdem hätten die deutschen Behörden offenbar den korrekten rechtlichen Prüfungsmaßstab angewandt, indem sie versucht hätten, die objektive Notwendigkeit der Bestpreisklauseln zu ermitteln. Auch wenn die Kommission die Beurteilung durch die nationalen Wettbewerbsbehörden und die nationalen Gerichte im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen nicht durch ihre eigene Beurteilung ersetzen dürfe, scheine es keinen Anhaltspunkt dafür zu geben, dass das wirtschaftliche Überleben von Booking.com ohne Bestpreisklauseln gefährdet wäre. Obwohl enge Bestpreisklauseln sinnvoll sein könnten, um das Trittbrettfahren zu verhindern, sei diese Beurteilung im Rahmen der Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV auf die individuellen Gegebenheiten vorzunehmen(17).

37.      Nach Auffassung der widerklagenden Hotels sowie der deutschen, der griechischen und der österreichischen Regierung könnten die Bestpreisklauseln nur dann als Nebenabreden anzusehen sein, wenn sie unverzichtbar seien, um den Fortbestand von Booking.com sicherzustellen. Der Nachweis, dass die Tätigkeit von Booking.com weniger rentabel sein könne, genüge nicht. Bestpreisklauseln seien keine Nebenabreden, da sie nicht objektiv notwendig seien. Erstens habe Booking.com die Bestpreisklauseln einige Jahre nach dem erfolgreichen Eintritt des Unternehmens in den deutschen Markt eingeführt. Zweitens habe Booking.com seine Marktposition in Deutschland weiterhin gestärkt, nachdem das Unternehmen auf die Verwendung dieser Klauseln verzichtet habe(18). Drittens behaupte Booking.com, dass das Unternehmen nicht versuche, die Bestpreisklauseln durchzusetzen, obwohl viele Hotels diese nicht einhielten.

38.      Die widerklagenden Hotels und die griechische Regierung machen ferner geltend, dass die Bestpreisklauseln unverhältnismäßig seien, da Booking.com seine berechtigten geschäftlichen Interessen mit anderen Mitteln schützen könnte. So könnte das Unternehmen von den Hotels eine Listungsgebühr oder von den Endkunden eine Preis-per-Klick-Gebühr verlangen.

39.      Die deutsche und die griechische Regierung sind der Auffassung, dass es sich bei weiten Bestpreisklauseln um nicht freigestellte Beschränkungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. d der neuen Vertikal-GVO handele. Diese Bestimmung zeige, dass solche Klauseln keine Nebenabreden seien und dass ihre Vereinbarkeit mit dem Wettbewerbsrecht eine individuelle Prüfung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV erfordere. Hingegen könnten enge Bestpreisklauseln in den Anwendungsbereich der neuen Vertikal-GVO fallen, soweit die Marktanteilsschwellen und die übrigen geltenden Bedingungen erfüllt seien.

40.      Die spanische Regierung schlägt eine andere Beurteilung der weiten und der engen Bestpreisklauseln vor. Da die weite Bestpreisklausel besonders schädliche Wirkungen auf den Wettbewerb habe, könne sie eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen, was dazu führen müsse, sie als Kernbeschränkungen im Sinne von Art. 4 der neuen Vertikal-GVO zu behandeln. Hingegen könnten enge Bestpreisklauseln nach der neuen Vertikal-GVO in Fällen freigestellt sein, in denen die betreffenden Unternehmen die Marktanteilsschwellen von 30 % nicht überschritten. Würden diese Marktanteilsschwellen überschritten, sei eine individuelle Prüfung der Vereinbarkeit der engen Bestpreisklauseln erforderlich. Die spanische Regierung schließt nicht aus, dass solche Klauseln in diesem Fall insoweit als Nebenabreden angesehen werden könnten, als sie erforderlich seien, um ein Trittbrettfahren zu verhindern, sofern es keine alternativen, weniger einschränkenden Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels gebe.

41.      Booking.com führt zwei Gründe an, weshalb es sich bei der weiten und der engen Bestpreisklausel um Nebenabreden handeln soll. Zum einen seien die Bestpreisklauseln unmittelbar mit der Durchführung der Hauptverträge zwischen Booking.com und den Hotels verbunden, die eine positive Wirkung auf den Wettbewerb hätten und den Hotels sowie den Endkunden Vorteile gebracht hätten. Durch die Plattform von Booking.com hätten die Hotels eine größere Sichtbarkeit erlangt und eine größere Zahl von Endkunden weltweit erreichen können. Die Endkunden erlangten Zugang zu einem weiter gefassten Angebot von Hotels und könnten Unterkünfte auf einfache und effektive Weise vergleichen und buchen. Die Plattform von Booking.com habe den Wettbewerb zwischen den Hotels verstärkt, was zu niedrigeren Preisen für die Endkunden geführt habe.

42.      Zum anderen seien die Bestpreisklauseln aufgrund der bedeutenden Investitionen von Booking.com bei der Erstellung, Entwicklung und Vermarktung der Plattform objektiv notwendig gewesen, um das Geschäftsmodell des Unternehmens zu schützen. Die Hotels bezahlten keine Gebühr, um ihre Unterkünfte auf der Plattform von Booking.com anzubieten. Sie bezahlten nur dann, wenn ein Kunde über Booking.com eine Unterkunft buche und sie nicht storniere. Die Endkunden nutzten die Dienstleistungen von Booking.com kostenfrei. Die Bestpreisklauseln seien unverzichtbar, um die Hotels am Trittbrettfahren zu hindern, indem sie ihre Unterkünfte auf der Plattform von Booking.com anböten, während sie gleichzeitig versuchten, die Zahlung der Buchungsgebühr zu vermeiden, indem sie dieselben Unterkünfte zu einem niedrigeren Preis über andere Vertriebskanäle anböten. Booking.com ist der Ansicht, dass die Bestpreisklauseln i) eine angemessene Maßnahme darstellten, um den Erfolg des Geschäftsmodells von Booking.com zu sichern, ii) mit ihnen ein legitimes Ziel verfolgt werde und iii) sie die am wenigsten einschränkende Maßnahme zur Bekämpfung des Trittbrettfahrens darstellten(19).

–       Würdigung

43.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob weite und enge Bestpreisklauseln, die eine Online-Reisebüroplattform Hotels als Teil ihrer Geschäftsbedingungen auferlegen will, als Nebenabreden im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen sind.

44.      Infolge von Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 hat das vorlegende Gericht den Booking.com-Beschluss und die nachfolgenden Entscheidungen der deutschen Gerichte zumindest als Anscheinsbeweis dafür zu behandeln, dass die enge Bestpreisklausel von Booking.com gegen das Wettbewerbsrecht verstieß. Das vorlegende Gericht kann sich auch mit dem HRS-Beschluss, der nicht an Booking.com gerichtet war, und den nachfolgenden Entscheidungen der deutschen Gerichte hierzu als „allen anderen … vorgelegten Beweismitteln“ befassen, wenn sie von den Parteien vorgelegt werden, um zu prüfen, ob die weite Bestpreisklausel von Booking.com gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. Das vorlegende Gericht ist nicht an rechtskräftige Entscheidungen gebunden, die in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurden, wenn diese Entscheidungen mit einem Rechtsfehler oder einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sind, was festzustellen aber Sache des vorlegenden Gerichts ist.

45.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs fällt dann, wenn eine bestimmte Maßnahme oder Tätigkeit wegen ihrer Neutralität oder ihrer positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht von dem grundsätzlichen Verbot von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst wird, auch eine Beschränkung der geschäftlichen Selbständigkeit eines oder mehrerer an dieser Maßnahme oder Tätigkeit Beteiligten nicht unter dieses grundsätzliche Verbot, wenn sie für die Durchführung dieser Maßnahme oder Tätigkeit objektiv notwendig ist und zu den Zielen der einen oder der anderen in einem angemessenen Verhältnis steht(20).

46.      Bei der Prüfung, ob eine wettbewerbswidrige Beschränkung dem Verbot von Art. 101 Abs. 1 AEUV entgehen kann, weil sie eine Nebenabrede zu einer Hauptmaßnahme bildet, die keinen wettbewerbswidrigen Charakter hat, muss ermittelt werden, ob die Durchführung dieser Maßnahme ohne diese Beschränkung unmöglich wäre. Der Umstand, dass eine Maßnahme ohne Rückgriff auf eine Beschränkung schwerer durchführbar oder sogar weniger rentabel wäre, reicht nicht aus, um dieser Beschränkung den für ihre Qualifizierung als Nebenabrede erforderlichen Charakter einer „objektiv notwendigen“ Beschränkung zu verleihen. Andernfalls würde der Inhalt von Nebenabreden Beschränkungen umfassen, die für die Durchführung der Hauptmaßname nicht strikt unerlässlich sind. Ein solches Ergebnis würde die praktische Wirksamkeit des in Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgesprochenen Verbots beeinträchtigen(21). Das Kriterium der objektiven Notwendigkeit betrifft die Frage, ob bei einer Hauptmaßnahme oder Haupttätigkeit, die nicht unter das Verbot von Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt, ohne eine im Verhältnis zu ihr sekundäre Beschränkung der geschäftlichen Selbständigkeit die Gefahr besteht, dass sie nicht durchgeführt oder fortgeführt werden kann(22).

47.      Um eine Vermengung der Voraussetzungen, die die Rechtsprechung für die Qualifizierung einer Beschränkung als Nebenabrede im Hinblick auf die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV aufstellt, mit dem Kriterium der Unerlässlichkeit, das eine verbotene Beschränkung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen muss, um in den Genuss einer Freistellung zu kommen, zu vermeiden, erfolgt die Prüfung der objektiven Notwendigkeit einer Beschränkung auf einer verhältnismäßig abstrakten Ebene. Während die Abwägung der wettbewerbsfördernden und wettbewerbswidrigen Wirkungen einer Vereinbarung im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV stattfindet, können nur die Beschränkungen, die notwendig sind, damit die Hauptmaßnahme überhaupt funktionieren kann(23), als in den Anwendungsbereich der Nebenabreden fallend angesehen werden(24).

48.      Im vorliegenden Fall ist eindeutig, dass die Bereitstellung von Online-Buchungsdienstleistungen für Unterkünfte durch Online-Reisebüroplattformen wie Booking.com wettbewerbsfördernde Wirkungen gehabt hat, soweit diese Tätigkeit den Wettbewerb zwischen den Hotels verstärkt und es den Endkunden erlaubt, konkurrierende Angebote für Beherbergungsdienstleistungen zu suchen und zu vergleichen. Die eigentliche Frage geht dahin, ob weite und/oder enge Bestpreisklauseln für die Ausführung der von dem vorlegenden Gericht zu prüfenden Haupttätigkeit objektiv notwendig und verhältnismäßig sind. Wie die Mehrzahl der Verfahrensbeteiligten vorträgt, erscheinen weite und enge Bestpreisklauseln nicht unverzichtbar. Es besteht offenbar kein innerer Zusammenhang zwischen der Haupttätigkeit der Online-Reisebüroplattformen und der Auferlegung von Bestpreisklauseln. Auch scheinen diese nicht für die Sicherstellung der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit von Online-Reisebüroplattformen notwendig zu sein. Die Akten des Gerichtshofs legen nahe, dass die Online-Reisebüroplattformen ihre Dienstleistungen weiterhin erbringen und in mehreren Mitgliedstaaten sogar florieren, seit sie nicht mehr auf Bestpreisklauseln zurückgreifen dürfen. Wie mehrere Beteiligte im Verfahren vor dem Gerichtshof geltend gemacht haben, können andere alternative und weniger einschränkende Maßnahmen zur Erreichung des legitimen Ziels, das Trittbrettfahren zu verhindern, in Betracht gezogen werden, beispielsweise indem von den Hotels eine Listungsgebühr erhoben wird. Es ist daher fraglich, ob weite und enge Bestpreisklauseln das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllen, dem Nebenabreden genügen müssen.

49.      Die vorstehenden Erwägungen gelten unbeschadet der im Rahmen der individuellen Beurteilung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV vorzunehmenden Abwägung der wettbewerbsfördernden und der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen dieser Beschränkungen. Die Vermeidung des Trittbrettfahrens ist ein legitimes Ziel, das Wettbewerbsbeschränkungen rechtfertigen kann, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt sind(25). Daher können Online-Reisebüroplattformen dieses Vorbringen in dem durch Art. 101 Abs. 3 AEUV zur Verfügung gestellten Rahmen geltend machen und nicht schon bei der Feststellung des Vorliegens einer Nebenabrede(26).

50.      Da diese Frage in der mündlichen Verhandlung zur Sprache gebracht wurde, möchte ich hinzufügen, dass es sich bei weiten und engen Bestpreisklauseln nicht um Kernbeschränkungen im Sinne von Art. 4 der alten Vertikal-VGO handelt. Die alte Vertikal-GVO nimmt nicht auf weite und enge Bestpreisklauseln Bezug. Die Kernbeschränkung in Art. 4 Buchst. a der alten Vertikal-GVO(27) betrifft die „vertikale Preisbindung bzw. Preisbindung der zweiten Hand“, d. h. Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen, die unmittelbar oder mittelbar die Festsetzung eines Fest- oder Mindestpreises für den Weiterverkauf bezwecken. Der Begriff der Preisbindung der zweiten Hand bezieht sich auf eine Beschränkung der Möglichkeiten des Abnehmers zur Festlegung seines Verkaufspreises(28). Weite und enge Bestpreisklauseln funktionieren auf ganz unterschiedliche Weise. Erstens erbringen die Online-Reisebüroplattformen Vermittlungsdienstleistungen an die Hotels. Sie erbringen keine Beherbergungsdienstleistungen, die die Hotels an die Endkunden weiterverkaufen. Der Begriff der Preisbindung der zweiten Hand lässt sich nicht ohne Weiteres in dieses Vertragsgefüge einordnen. Zweitens würden selbst dann, wenn eine Analogie zwischen der Preisbindung der zweiten Hand und der Auferlegung eines Fest- oder Mindestverkaufspreises durch die Online-Reisebüroplattform zu ziehen wäre(29), weite und enge Bestpreisklauseln Hotels nicht daran hindern, den durch diese Online-Reisebüroplattform bestimmten Verkaufspreis für durch sie durchgeführte Transaktionen zu senken(30).

51.      Der Ansatz, dass es sich bei Bestpreisklauseln nicht um Kernbeschränkungen im Sinne der alten Vertikal-GVO handelt, wird durch zwei zusätzliche Erwägungen bestätigt, die sich aus der neuen Vertikal-GVO und aus den Leitlinien für vertikale Beschränkungen ergeben(31). Zum einen sieht Art. 5 Abs. 1 Buchst. d der neuen Vertikal-GVO ausdrücklich vor, dass es sich bei weiten Bestpreisklauseln um „nicht freigestellte Beschränkungen“(32) statt um Kernbeschränkungen nach Art. 4 der neuen Vertikal-GVO handelt(33). Dies bedeutet offenbar, dass enge Bestpreisklauseln, die den Wettbewerb weniger beschränken, nach der neuen Vertikal-GVO freigestellt sind(34). Zum anderen bestätigen die neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen ausdrücklich, dass enge Bestpreisklauseln für die durch die neue Vertikal-GVO vorgesehene Freistellung in Betracht kommen können(35).

52.      Da die alte Vertikal-GVO keine Art. 5 Abs. 1 Buchst. d der neuen Vertikal-GVO entsprechende Vorschrift enthält und es sich bei Bestpreisklauseln nicht um Kernbeschränkungen handelt, scheint der Anwendung der alten Vertikal-GVO sowohl auf weite als auch auf enge Bestpreisklauseln grundsätzlich nichts entgegenzustehen, sofern die anderen in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen erfüllt sind.

53.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die erste Frage dahin zu beantworten, dass es sich bei weiten und engen Bestpreisklauseln, die eine Online-Reisebüroplattform Hotels als Bestandteil ihrer Geschäftsbedingungen auferlegen will, nicht um Nebenabreden im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV handelt, es sei denn, sie sind unverzichtbar und angemessen, um die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Online-Reisebüroplattform zu gewährleisten, was das vorlegende Gericht unbeschadet seiner Prüfung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV zu beurteilen hat.

 2.      Zur zweiten Frage

–       Vorbringen der Beteiligten

54.      Die Kommission ist der Ansicht, dass der relevante Produktmarkt nach dem Booking.com-Beschluss, der bestandskräftig geworden sei, der Markt für die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten durch Plattformen an Hotels sei. Die direkten Vertriebskanäle der Hotels und die Meta-Suchmaschinen seien nicht Teil dieses relevanten Produktmarkts. Die Kommission macht, unterstützt durch die deutsche Regierung, geltend, dass es keinen Hinweis darauf gebe, dass diese Feststellungen mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet seien(36). Dieser Beschluss stelle daher zumindest einen Anscheinsbeweis für die Definition des relevanten Marktes durch das vorlegende Gericht dar.

55.      Die Kommission betont, dass sich die Marktanteilsschwelle in Art. 3 Abs. 1 der alten Vertikal-GVO auf den relevanten Markt beziehe, auf dem der Anbieter die Vertragswaren oder ‑dienstleistungen verkaufe. Die Kommission und die deutsche Regierung stützen sich im Wege der Analogie auf Rn. 67 der neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen.

56.      Die widerklagenden Hotels scheinen den vertikalen Charakter des Verhältnisses zwischen Booking.com und den Hotels in Frage zu stellen, indem sie auf das Vorbringen von Booking.com verweisen, wonach die direkten Vertriebskanäle der Hotels mit der Plattform von Booking.com im Wettbewerb stünden. Aufgrund dieser Argumentation finde die alte Vertikal-GVO keine Anwendung. Jedenfalls bringen die widerklagenden Hotels, unterstützt von der griechischen, der spanischen und der österreichischen Regierung, vor, dass Meta-Suchmaschinen nicht Teil des relevanten Produktmarkts seien, weil die Nutzer über diese keine Buchung vornehmen könnten. Die direkten Vertriebskanäle der Hotels seien nicht Teil des relevanten Produktmarkts, weil sie keine Such- und Vergleichsfunktionen zur Verfügung stellten.

57.      Booking.com macht geltend, dass der relevante Produktmarkt den durch die Offline- und Online-Vertriebskanäle einschließlich der Websites der Hotels unmittelbar und mittelbar ausgeübten Wettbewerbsdruck umfassen müsse. Die Tatsache, dass die Kunden Multihoming betrieben, indem sie die Hotelunterbringung über Offline- und Onlinevertriebskanäle einschließlich Online-Reisebüroplattformen, Meta-Suchmaschinen und der direkten Vertriebskanäle der Hotels buchen würden, stütze diesen Ansatz. Unabhängig von dem Vertriebskanal sei die den Endkunden angebotene Dienstleistung die gleiche, nämlich ein Hotelzimmer. Wenn nicht das Risiko bestünde, dass die Kunden Hotelzimmer über andere Vertriebskanäle buchen könnten, wären die Bestpreisklauseln aus wirtschaftlicher Sicht nicht notwendig.

–       Würdigung

58.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, wie der relevante Produktmarkt in Bezug auf die Tätigkeiten einer Online-Reisebüroplattform, die zwischen Hotels und Endkunden vermittelt, für die Zwecke der Anwendung von Art. 3 Abs. 1 der alten Vertikal-GVO abzugrenzen ist.

59.      Vorab weise ich darauf hin, dass das Vorbringen der widerklagenden Hotels, wonach das Verhältnis zwischen den Hotels und Booking.com nicht vertikal sei und die alte Vertikal-GVO auf diese Art von Sachverhalt keine Anwendung finde, offenbar auf einem Missverständnis beruht.

60.      In Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der alten Vertikal-GVO wird eine „vertikale Vereinbarung“ als eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise definiert, die zwischen zwei oder mehr Unternehmen, von denen jedes für die Zwecke der Vereinbarung oder der abgestimmten Verhaltensweise auf einer anderen Ebene der Produktions- oder Vertriebskette tätig ist, geschlossen wird und die die Bedingungen betrifft, zu denen die beteiligten Unternehmen Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen(37). Ein Unternehmen wie Booking.com, das Vermittlungsdienste an Hotels erbringt, um Endkunden zu erreichen, die nach Beherbergungsdienstleistungen suchen, ist eindeutig von dieser Definition erfasst, da Booking.com und die Hotels für die Zwecke dieser Vereinbarung auf anderen Ebenen der Produktions- und Vertriebsketten tätig sind.

61.      Eine andere Rechtsfrage geht dahin, ob die alte Vertikal-GVO anwendbar ist oder nicht, weil die Plattform von Booking.com mit den direkten Vertriebskanälen der Hotels im Wettbewerb steht. Nach Art. 2 Abs. 4 der alten Vertikal-GVO gilt die Freistellung in Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung nicht für vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern. Es gibt eine Ausnahme zu dieser Bestimmung: Die Gruppenfreistellung findet Anwendung, wenn Wettbewerber eine nicht gegenseitige vertikale Vereinbarung treffen und der Anbieter ein auf mehreren Handelsstufen tätiger Dienstleister ist, der Abnehmer dagegen Waren oder Dienstleistungen auf der Einzelhandelsstufe anbietet und auf der Handelsstufe, auf der er die Vertragsdienstleistungen bezieht, kein Wettbewerber ist(38). Diese Ausnahme erfasst auch den zweigleisigen Betrieb („dual distribution“), d. h. Fälle, in denen ein Lieferant seine Dienste nicht nur durch unabhängige Vertriebshändler erbringt, sondern sie im Wettbewerb mit seinen unabhängigen Vertriebshändlern direkt an die Endkunden verkauft(39). Folglich fällt die Situation, in der Hotels ihre Zimmer über Online-Reisebüroplattformen sowie über ihre eigenen Websites verkaufen, selbst dann in den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 4 der alten Vertikal-GVO, wenn man davon ausgeht, dass die Plattform von Booking.com und die direkten Vertriebskanäle der Hotels als tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber auf demselben relevanten Produktmarkt sind(40). Daher findet die alte Vertikal-GVO entgegen dem Vorbringen der widerklagenden Hotels Anwendung.

62.      Dieses Ergebnis wird noch deutlicher, wenn man es im Rahmen der neuen Vertikal-GVO und der neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen betrachtet. Art. 1 Buchst. e Ziff. ii der neuen Vertikal-GVO definiert „Online-Vermittlungsdienste“ als Dienste der Informationsgesellschaft, die es Unternehmen ermöglichen, Waren oder Dienstleistungen anzubieten, indem sie die Einleitung direkter Transaktionen zwischen diesen Unternehmen und Endverbrauchern vermitteln. Art. 2 Abs. 4 Buchst. b der neuen Vertikal-GVO, der den zweigleisigen Vertrieb betrifft, hat den gleichen Wortlaut wie Art. 2 Abs. 4 Buchst. b der alten Vertikal-GVO. Die neue Vertikal-GVO enthält jedoch einen neuen Art. 2 Abs. 6, wonach die Ausnahmen nach Art. 2 Abs. 4 der neuen Vertikal-GVO nicht für vertikale Vereinbarungen in Bezug auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten gelten, wenn der Anbieter dieser Dienste ein Wettbewerber auf dem relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen ist(41).

63.      Aus den Rn. 104 bis 106 der neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen geht eindeutig hervor, dass der Zweck von Art. 2 Abs. 6 der neuen Vertikal-GVO darin besteht, den Anwendungsbereich des Safe Harbour in Bezug auf Plattformen einzuschränken, die eine Hybridstellung innehaben(42). Diese kann sich in Fällen ergeben, in denen Verkäufer von Lebensmitteln ihre Produkte auf einem Online-Marktplatz anbieten, während der Betreiber des Online-Marktplatzes gleichzeitig seine eigenen Produkte in Konkurrenz zu diesen Verkäufern anbietet. Der Sinn und Zweck dieser Ausnahme besteht darin, dass Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten unter solchen Umständen einen Anreiz haben können, ihren eigenen Absatz zu begünstigen, und in der Lage sein können, das Ergebnis des Wettbewerbs zu beeinflussen. Daraus folgt, dass die neue Vertikal-GVO weiterhin eine Ausnahme für die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten vorsieht, die keine Hypbridstellung innehaben, wie beispielsweise eine Online-Reisebüroplattform, die über ihre Plattform keine eigenen Hotelzimmer anbietet.

64.      In Bezug auf die zweite Frage sei darauf hingewiesen, dass die Definition des Marktes der genauen Abgrenzung des Gebiets dient, auf dem Unternehmen miteinander in Wettbewerb stehen. Hauptzweck der Marktdefinition ist die systematische Ermittlung der wirksamen und unmittelbaren Wettbewerbskräfte, denen sich die beteiligten Unternehmen beim Verkauf bestimmter Produkte zu stellen haben(43).

65.      Nach der Rechtsprechung umfasst der sachlich relevante Produktmarkt sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die die Verbraucher hinsichtlich ihrer Eigenschaften, ihres Preises und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar ansehen. Der Begriff des relevanten Marktes setzt die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen oder Dienstleistungen voraus. Daher ist ein hinreichender Grad an Austauschbarkeit zwischen allen zum gleichen Markt gehörenden Erzeugnissen oder Dienstleistungen im Hinblick auf die gleiche Verwendung erforderlich. Die Austauschbarkeit oder Ersetzbarkeit beurteilt sich nicht allein mit Blick auf die objektiven Eigenschaften der fraglichen Erzeugnisse und Dienstleistungen. Zu berücksichtigen sind auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt(44). Die Austauschbarkeit oder Ersetzbarkeit von Produkten ist naturgemäß dynamisch und kann sich im Lauf der Zeit weiterentwickeln(45).

66.      Zweiseitige Märkte sind solche, bei denen ein Wirtschaftsteilnehmer, oft eine Online-Plattform, zwei verschiedene Nutzergruppen miteinander verbindet. Unter solchen Umständen beeinflusst die Nachfrage einer Nutzergruppe die Nachfrage der anderen Nutzergruppen, was zu indirekten Netzwerkeffekten führt(46). Zu den Beispielen für solche zweiseitigen Märkte gehört ein Online-Marktplatz, auf dem eine Plattform Anbieter eines Produkts und Abnehmer eines Produkts zusammenbringt, sowie ein professionelles soziales Netzwerk, das Endnutzer und potenzielle Arbeitgeber miteinander verbindet(47).

67.      Nach der neuen Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes kann es im Fall von mehrseitigen Plattformen angebracht sein, einen sachlich relevanten Markt für sämtliche von einer Plattform angebotenen Produkte abzugrenzen, der alle Nutzergruppen umfasst. Es kann zweckmäßig sein, für die auf jeder Seite der Plattform angebotenen Produkte getrennte – wenn auch miteinander verbundene – sachlich relevante Märkte abzugrenzen(48). Diese Entscheidung wird durch mehrere Faktoren beeinflusst, einschließlich der Frage, ob es sich um eine Transaktionsplattform oder um eine Nicht-Transaktionsplattform handelt(49).

68.      Wie die Kommission und die deutsche Regierung zutreffend geltend machen, stellen der Booking.com-Beschluss und die nachfolgenden Entscheidungen der deutschen Gerichte entsprechend den in Nr. 29 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Erwägungen für das vorlegende Gericht zumindest einen Anscheinsbeweis für die Definition des relevanten Marktes nach Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 dar. Die nationalen Gerichte sind jedoch nicht an Entscheidungen gebunden, die in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurden, insbesondere, wenn die Entscheidungen mit einem Rechtsfehler oder einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sind, was festzustellen aber Sache des vorlegenden Gerichts ist.

69.      In der vorliegenden Rechtssache ist unstreitig, dass Booking.com auf einem zweiseitigen Markt als Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten sowohl an Hotels als auch an Endkunden tätig ist(50). Zwar ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob es angebracht ist, einen einzigen relevanten Produktmarkt abzugrenzen, der Nutzer auf beiden Seiten der Plattform umfasst, oder zwei gesonderte relevante Produktmärkte – einen auf jeder Seite der Plattform –, doch geht aus den neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen hervor, dass für die Zwecke der Marktanteilsschwellen in Art. 3 Abs. 1 der neuen Vertikal-GVO(51) ein Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten – wie Booking.com – als Anbieter dieser Dienste und ein Unternehmen – wie ein Hotel – das Waren oder Dienstleistungen über einen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten erbringt, in Bezug auf Online-Vermittlungsdienste als Abnehmer eingestuft wird(52). Der Marktanteil des Unternehmens, das die Online-Vermittlungsdienste erbringt, wird daher unter Bezugnahme auf den für die Erbringung dieser Dienste an die als Abnehmer eingestuften Unternehmen relevanten Markt berechnet(53). Weiter geht aus den neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen hervor, dass der Umfang des relevanten Produktmarkts vom Grad der Substituierbarkeit zwischen Online- und Offline-Vermittlungsdiensten, zwischen Vermittlungsdiensten, die für verschiedene Kategorien von Waren oder Dienstleistungen genutzt werden, sowie zwischen Vermittlungsdiensten und direkten Vertriebskanälen abhängt(54).

70.      Um Art. 3 Abs. 1 der alten Vertikal-GVO auf die vorliegende Rechtssache anzuwenden, wird es erforderlich sein, den Marktanteil von Booking.com als Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten für Hotels zu berechnen. In diesem Zusammenhang kann es sachdienlich sein, zu berücksichtigen, ob aus der Sicht der Hotels (auf der Seite der Nachfrage für diese Vermittlungsdienste) und der Endkunden (die sich auf der anderen Seite dieser zweiseitigen Plattform befinden) andere Arten von Vermittlungsdiensten oder andere Vertriebskanäle die Vermittlungsdienste ersetzen können(55). Es mag daher angebracht sein, die Substituierbarkeit von Offline-Reisebürodiensten, direkten Vertriebskanälen der Hotels und sogar anderen Onlinediensten wie denen, die durch Meta-Suchmaschinen erbracht werden, zu berücksichtigen. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass alle Beteiligten des Verfahrens vor dem vorlegenden Gericht mit Ausnahme von Booking.com der Ansicht sind, dass es keine Substituierbarkeit zwischen Online-Vermittlungsdiensten und den zuvor genannten Vertriebskanälen gebe, im Wesentlichen deshalb, weil diese Vertriebskanäle nicht die gleichen Such- und Vergleichsfunktionen zusammen mit der Möglichkeit, eine Buchung vorzunehmen, erbrächten(56).

71.      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, den relevanten Produktmarkt im Licht der vorstehenden Erwägungen unter Berücksichtigung des Booking.com-Beschlusses und der nachfolgenden Entscheidungen der deutschen Gerichte, die als Anscheinsbeweis fungieren, sowie etwaiger anderer relevanter Beweise abzugrenzen. Hinzugefügt sei, dass Booking.com nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Booking.com-Beschluss während jenes gerichtlichen Verfahrens keine Einwände gegen die Definition des relevanten Marktes erhob.

72.      Das vorlegende Gericht kann sich auch an Präzedenzfällen anderer Wettbewerbsbehörden orientieren, z. B. an dem Beschluss C(2023) 6376 final der Kommission vom 25. September 2023 zur Feststellung der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR‑Abkommen (Rechtssache M.10615 – Booking Holdings/Etraveli Group), der in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist. Zwar hat Booking.com vor dem Gericht eine Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss erhoben(57), doch haben die Vertreter des Unternehmens auf Fragen des Gerichtshofs geantwortet, es habe die in diesem Beschluss vorgenommene Marktdefinition trotz bestimmter Vorbehalte nicht speziell angegriffen.

73.      Schließlich besteht, wie die Kommission zutreffend geltend macht, kein Widerspruch zwischen dem Argument, dass die direkten Vertriebskanäle der Hotels einen gesonderten Produktmarkt darstellen, und dem Vorbringen, dass enge Bestpreisklauseln den Wettbewerb zwischen Online-Reisebüroplattformen wie Booking.com und den direkten Vertriebskanälen der Hotels einschränken. Mit der Definition des relevanten Produktmarkts soll zwar der unmittelbarste Wettbewerbsdruck ermittelt werden, der von den betroffenen Unternehmen empfunden wird, doch können bei der wettbewerblichen Beurteilung auch weniger direkte Formen von Wettbewerbsdruck berücksichtigt werden, wie z. B. Wettbewerbskräfte außerhalb des Marktes.

74.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die zweite Frage dahin zu beantworten, dass für die Zwecke der Anwendung von Art. 3 Abs. 1 der alten Vertikal-GVO zur Berechnung des Marktanteils einer Online-Reisebüroplattform als Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten für Hotels der relevante Produktmarkt in Bezug auf die Tätigkeiten einer Online-Reisebüroplattform, die zwischen Hotels und Endkunden vermittelt, abzugrenzen ist, indem geprüft wird, ob andere Vertriebskanäle aus der Sicht von Hotels und Endkunden substituierbar sind.

 IV.      Ergebnis

75.      Ich schlage dem Gerichtshof vor, die von der Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass

es sich bei weiten und engen Bestpreisklauseln, die eine Online-Reisebüroplattform Hotels als Teil ihrer Geschäftsbedingungen auferlegen will, nicht um Nebenabreden handelt, es sei denn, sie sind unverzichtbar und angemessen, um die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Online-Reisebüroplattform zu gewährleisten, was das vorlegende Gericht unbeschadet seiner Prüfung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV zu beurteilen hat.

2.      Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen ist dahin auszulegen, dass

zur Berechnung des Marktanteils einer Online-Reisebüroplattform als Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten für Hotels der relevante Produktmarkt in Bezug auf die Tätigkeiten einer Online-Reiseplattform, die zwischen Hotels und Endkunden vermittelt, abzugrenzen ist, indem geprüft wird, ob andere Vertriebskanäle aus der Sicht von Hotels und Endkunden substituierbar sind.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Online-Plattformen für Hotelbuchungen sind oft als „Online-Reisebüroplattform“ bekannt und werden auch in den vorliegenden Schlussanträgen als solche bezeichnet.


3      Nach Auffassung des Bundeskartellamts hatten die Hotels kaum einen Anreiz, Zimmer über andere Online-Reisebüroplattformen zu geringeren Preisen anzubieten. Die von Booking.com auferlegten engen Bestpreisklauseln bewirkten, dass diese Zimmer über die direkten Vertriebskanäle der Hotels zu einem höheren Preis angeboten werden mussten, um dem auf Booking.com angebotenen Preis zu entsprechen.


4      ABl. 2010, L 102, S. 1. Art. 2 Abs. 1 der alten Vertikal-GVO bestimmte, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV nach Art. 101 Abs. 3 AEUV und nach Maßgabe dieser Verordnung nicht für vertikale Vereinbarungen galt, soweit diese Vereinbarungen vertikale Beschränkungen enthielten. Diese Freistellung galt nur, wenn der Anteil eines Anbieters an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder ‑dienstleistungen anbot, und der Anteil des Abnehmers an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder ‑dienstleistungen bezog, jeweils nicht mehr als 30 % betrug (Art. 3 Abs. 1 der alten Vertikal-GVO). Die Verordnung (EU) 2022/720 der Kommission vom 10. Mai 2022 über die Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. 2022, L 134, S. 4, im Folgenden: neue Vertikal-GVO) hat die alte Vertikal-GVO ersetzt.


5      ABl. 1997, C 372, S. 5.


6      Ersetzt durch die neue Bekanntmachung der Kommission über die Abgrenzung des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union (ABl. C, C/2024/1645, im Folgenden: neue Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes).


7      Ares(2020)7730543.


8      Zusammenfassung der Konsultation der Beteiligten, S. 8. Zwar nimmt die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam) Bezug auf das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen mit dem Titel „Evaluation of the Commission Notice on the definition of relevant market for the purposes of Community competition law“ („Bewertung der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“) vom 9. Dezember 1997, SWD(2021) 199 final vom 12. Juli 2021 (im Folgenden: Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen), in dem eine ähnliche Feststellung getroffen wird (vgl. S. 54), das genaue Zitat findet sich jedoch in der Zusammenfassung der Konsultation der Beteiligten.


9      Vgl. Urteil vom 8. Dezember 2016, Eurosaneamientos u. a. (C‑532/15 und C‑538/15, EU:C:2016:932, Rn. 26 und 27 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


10      Ebd. (Rn. 28).


11      ABl. 2014, L 349, S. 1.


12      Urteil vom 20. April 2023, Repsol Comercial de Productos Petrolíferos (C‑25/21, EU:C:2023:298, Rn. 31).


13      Ebd. (Rn. 38 und 43).


14      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella in der Rechtssache Repsol Comercial de Productos Petrolíferos (C‑25/21, EU:C:2022:659, Nr. 107).


15      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Bot zum Gutachten 1/17 (CETA EU-Kanada) (EU:C:2019:72, Nr. 116).


16      Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 132).


17      Die griechische Regierung macht außerdem geltend, dass der Begriff der Nebenabreden, der sich auf die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV beziehe, nicht mit der Gewährung einer Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV verwechselt werden dürfe.


18      Die österreichische Regierung fügt hinzu, dass Online-Reisebüroplattformen trotz des seit 2017 geltenden Verbots der Verwendung von Bestpreisklauseln als unlautere Geschäftspraktiken im österreichischen Staatsgebiet ihre Marktanteile in Österreich weiter vergrößert hätten.


19      Booking.com habe davon abgesehen, den Hotels zu diesem Zweck Ausschließlichkeitsrabatte aufzuerlegen, bei denen es sich um eine restriktivere Maßnahme gehandelt hätte.


20      Urteile vom 11. September 2014, MasterCard u a./Kommission (C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 89), vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a. (C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 69), und vom 26. Oktober 2023, EDP – Energias de Portugal u. a. (C‑331/21, EU:C:2023:812, Rn. 88).


21      Urteile vom 11. September 2014, MasterCard u a./Kommission (C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 91), vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a. (C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 71), und vom 26. Oktober 2023, EDP – Energias de Portugal u. a. (C‑331/21, EU:C:2023:812, Rn. 90).


22      Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u a./Kommission (C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 93).


23      Die Erwägungen, die sich auf die Wettbewerbssituation auf dem betreffenden Markt beziehen, gehören daher nicht zur Untersuchung des Charakters der Beschränkung als Nebenabrede, sondern sind vielmehr bei der Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV zu berücksichtigen.


24      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. September 2001, M6 u. a./Kommission (T‑112/99, EU:T:2001:215, Rn. 107 und 109), sowie vom 24. Mai 2012, MasterCard u a./Kommission (T‑111/08, EU:T:2012:260, Rn. 89).


25      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Mazák in der Rechtssache Pierre Fabre Dermo-Cosmétique (C‑439/09, EU:C:2011:113, Nrn. 39 und 40) sowie Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:1958, Nr. 123).


26      Die Rn. 372 bis 375 der neuen Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen (ABl. 2022, C 248, S. 1) (im Folgenden: neue Leitlinien für vertikale Beschränkungen) geben Hinweise zur Beurteilung von Bestpreisklauseln nach Art. 101 Abs. 3 AEUV im Zusammenhang mit der Behebung des Trittbrettfahrerproblems.


27      Art. 4 Buchst. a der neuen Vertikal-GVO hat den gleichen Wortlaut.


28      Vgl. Rn. 48 der alten Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen (ABl. 2010, C 130, S. 1) und Rn. 185 der neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen. Ein Beispiel für die Preisbindung der zweiten Hand ist der Fall, dass ein Anbieter den Preis festlegt, zu dem ein Händler die von ihm gelieferten Produkte weiterverkaufen muss.


29      Vgl. in diesem Sinne Rn. 67 Buchst. c und Rn. 194 der neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen.


30      Eine enge Bestpreisklausel hindert das Hotel X nicht daran, den über Booking.com für das Zimmer Y angebotenen Preis zu senken. Sie verlangt lediglich, dass das Hotel X, wenn es den Zimmerpreis Y über seinen direkten Vertriebskanal (beispielsweise auf seiner Website) senkt, den Preis für dieses Zimmer auch auf Booking.com senkt. In ähnlicher Weise hindert eine weite Bestpreisklausel das Hotel X nicht daran, den über Booking.com angebotenen Zimmerpreis Y herabzusetzen. Danach muss das Hotel X, wenn es Zimmerpreis Y auf der Plattform einer anderen Online-Reisebüroplattform senkt, den Preis dieses Zimmers auch auf Booking.com senken.


31      Um jeden Zweifel auszuschließen: Die Definition der Kernbeschränkung in Art. 4 Buchst. a der alten Vertikal-GVO ist identisch mit derjenigen in Art. 4 Buchst. a der neuen Vertikal-GVO.


32      Art. 5 Abs. 1 der neuen Vertikal-GVO schließt die Anwendung der Gruppenfreistellungsverordnung auf unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen aus, die einen Abnehmer von Online-Vermittlungsdiensten veranlassen, Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen nicht über konkurrierende Online-Vermittlungsdienste zu günstigeren Bedingungen anzubieten, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen.


33      Rn. 67 Buchst. d und Rn. 253 der neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen bestätigen diesen Ansatz ausdrücklich.


34      Vgl. in diesem Sinne Rn. 360 und 374 der neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen.


35      Vgl. Rn. 254 Buchst. a und Rn. 359 der [neuen] Leitlinien für vertikale Beschränkungen.


36      Die Kommission weist ferner darauf hin, dass die französischen, die italienischen und die schwedischen Wettbewerbsbehörden den relevanten Produktmarkt mit ähnlichen Worten abgegrenzt hätten.


37      Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der neuen Vertikal-GVO hat den gleichen Wortlaut.


38      Art. 2 Abs. 4 Buchst. b der alten Vertikal-GVO.


39      Vgl. in diesem Sinne Rn. 28 der alten Leitlinien für vertikale Beschränkungen.


40      Es ist Sache des nationalen Gerichts, diese Beurteilung unter Berücksichtigung der in den Nrn. 64 bis 74 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Erwägungen vorzunehmen.


41      Die Ausnahme von der Ausnahme bedeutet, dass die neue Vertikal-GVO in diesen Fällen keine Anwendung findet.


42      Vgl. in diesem Sinne Erläuterung der Kommission zu der neuen Vertikal-GVO und zu den Leitlinien für vertikale Beschränkungen, abrufbar auf der Website der Kommission: https://competition-policy.ec.europa.eu/system/files/2022-05/explanatory_note_VBER_and_Guidelines_2022.pdf. Vgl. auch Rn. 67 Buchst. e der neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen.


43      Vgl. Rn. 6 der neuen Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes.


44      Urteile vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a. (C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 50 und 51), und vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 129).


45      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 130).


46      Vgl. in diesem Sinne Rn. 94 der neuen Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes.


47      Das Phänomen der indirekten Netzwerkeffekte ergibt sich daraus, dass, je mehr Verkäufer ihre Produkte über den Online-Marktplatz anbieten, umso mehr Abnehmer sich für diesen Online-Marktplatz interessieren werden und umgekehrt.


48      Vgl. Rn. 95 der neuen Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes.


49      Ebd. Es sei darauf hingewiesen, dass in der neuen Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes nicht der in der Lehre teilweise vertretenen Auffassung gefolgt wird, wonach im Fall von Transaktionsplattformen (z. B. einem Online-Marktplatz) grundsätzlich ein einziger relevanter Markt abzugrenzen sei, der alle Nutzergruppen umfasse, und im Fall von Nicht-Transaktionsplattformen (z. B. einem sozialen Netzwerk) auf jeder Seite der Plattform gesonderte relevante Märkte. Nach der neuen Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes handelt es sich dabei nur um einen von mehreren zu berücksichtigenden Faktoren. Der Grund für diesen Ansatz scheint im fehlenden Konsens in der wissenschaftlichen Literatur und in der Praxis der Wettbewerbsbehörden zu liegen. Vgl. in diesem Sinne das Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, S. 54. Zu weiteren Einzelheiten zu dieser Auffassung vgl. Filistrucchi, L., Geradin, D., van Damme, E., Affeld, P., „Market Definition in Two-sided Markets: Theory and Practice“, Journal of Competition Law & Economics, 2014, Bd. 10(2), S. 293 bis 339.


50      Aus der Sicht der Endkunden bestehen diese Vermittlungsdienste in der Möglichkeit, Hotels zu suchen, Hotelangebote zu vergleichen und schließlich eine Buchung vorzunehmen.


51      Art. 3 Abs. 1 der neuen Vertikal-GVO hat den gleichen Wortlaut wie Art. 3 Abs. 1 der alten Vertikal-GVO.


52      Rn. 67 der neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen.


53      Rn. 67 Buchst. b der neuen Leitlinien für vertikale Beschränkungen.


54      Ebd.


55      Wie ich bereits dargestellt habe, sind beide Seiten des Marktes, selbst wenn für jede Seite gesonderte relevante Märkte abgegrenzt werden, dennoch miteinander verbunden, und ihre Merkmale müssen bei der Definition des relevanten Marktes wechselseitig berücksichtigt werden. Vgl. Filistrucchi, L., Geradin, D., van Damme, E., Affeld, P., „Market Definition in Two-sided Markets: Theory and Practice“, Journal of Competition Law & Economics, 2014, Bd. 10(2), S. 293 bis 339.


56      Meines Erachtens liegt es auf der Hand, dass Offline-Reisebürodienstleistungen, die von stationären Reisebüros erbracht werden, ganz andere Merkmale und Funktionen aufweisen. Die direkten Vertriebskanäle bieten den Kunden ihrerseits nicht die Möglichkeit, nach Angeboten anderer Anbieter zu suchen und diese miteinander zu vergleichen. Meta-Suchmaschinen verfügen offenbar auch insofern über andere Merkmale und Funktionen, als sie Angebote von Online-Reisebüroplattformen und Anbietern von Hoteldienstleistungen suchen und der Kunde, wenn er auf die Ergebnisse klickt, zur Durchführung einer Buchung auf die Website der betreffenden Online-Reisebüroplattform oder des betreffenden Hotels weitergeleitet wird.


57      Rechtssache T‑1139/23, Booking Holdings/Kommission (anhängig).