Language of document : ECLI:EU:T:2012:293

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

13. Juni 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke GAZI Hellim – Ältere Gemeinschaftskollektivwortmarke HALLOUMI – Relatives Eintragungshindernis – Ähnlichkeit der Zeichen – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑535/10

Organismos Kypriakis Galaktokomikis Viomichanias mit Sitz in Lefkosia (Zypern), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwältin C. Milbradt und Rechtsanwalt H. Van Volxem, dann Rechtsanwältinnen C. Milbradt und A. Schwarz,

Kläger,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Garmo AG mit Sitz in Stuttgart (Deutschland),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 20. September 2010 (Sache R 1497/2009‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen dem Organismos Kypriakis Galaktokomikis Viomichanias und der Garmo AG

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten L. Truchot, der Richterin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) und des Richters H. Kanninen,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 22. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 24. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der Entscheidung vom 26. April 2011, mit der es abgelehnt worden ist, die Einreichung einer Erwiderung zu gestatten,

auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2011

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 25. November 2005 meldete die Garmo AG gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

Image not found

3        Die Marke wurde u. a. für die Waren „Milch und Milchprodukte“ der Klasse 29 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Die Gemeinschaftsmarkenanmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 24/2006 vom 12. Juni 2006 veröffentlicht.

5        Am 17. Juli 2006 erhob der Kläger, der Organismos Kypriakis Galaktokomikis Viomichanias, nach Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die in Randnr. 3 des vorliegenden Urteils genannten Waren.

6        Der Widerspruch war auf die ältere Gemeinschaftskollektivmarke HALLOUMI gestützt, die am 22. Februar 1999 für die Ware „Käse“ der Klasse 29 angemeldet und am 14. Juli 2000 unter der Nr. 1082965 eingetragen wurde.

7        Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) geltend gemacht.

8        Mit Entscheidung vom 15. Oktober 2009 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass ungeachtet der Identität oder Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren keine Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen GAZI Hellim und HALLOUMI bestehe. Die Widerspruchsabteilung stellte fest, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen aufgrund des zusätzlichen Bestandteils „gazi“ in der angemeldeten Marke sowie deren grafischer Gestaltung schriftbildlich und klanglich nicht ähnlich seien. Begrifflich hätten die Zeichen eine gewisse Ähnlichkeit für die Verbraucher, die die ältere Marke und den Bestandteil „Hellim“ der angemeldeten Marke als Hinweis auf eine Käsespezialität verstünden. Im Übrigen sei die Kennzeichnungskraft der älteren Marke in Griechenland und in Zypern gering, weil der Begriff „halloumi“ eine zyprische Käsespezialität bezeichne. Aufgrund dieses beschreibenden Charakters der älteren Marke könne die begriffliche Ähnlichkeit die schriftbildlichen und klanglichen Unterschiede nicht aufwiegen, so dass keine Verwechslungsgefahr bestehe.

9        Am 4. Dezember 2009 legte der Kläger nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

10      Mit Entscheidung vom 20. September 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer die Beschwerde zurück. Erstens war sie in den Randnrn. 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung der Ansicht, dass in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht die einander gegenüberstehenden Zeichen nicht ähnlich seien. In begrifflicher Hinsicht stellte sie in Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung fest, dass Türkisch keine Amtssprache der Union sei, so dass die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht von der möglichen Bedeutung der Wörter „gazi“ und „hellim“ in der türkischen Sprache abhänge. Selbst wenn die Verkehrskreise im Bestandteil „hellim“ der angemeldeten Marke und in der älteren Marke HALLOUMI die Bezeichnung für eine zyprische Käsespezialität erkennen würden, hätte dies im Übrigen keine Auswirkungen, da es sich um eine rein beschreibende Bedeutung handele, die dem Zeichenvergleich nicht zugrunde gelegt werden könne. Der begriffliche Vergleich sei daher neutral. Zweitens nahm die Beschwerdekammer in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung an, dass mangels Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine der Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nicht erfüllt sei, so dass dieses Eintragungshindernis nicht vorliege. Damit erübrige sich eine Prüfung der weiteren Kriterien der Verwechslungsgefahr, nämlich der Warenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke.

 Anträge der Parteien

11      Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten einschließlich der im Laufe des Beschwerdeverfahrens angefallenen Kosten aufzuerlegen.

12      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

13      Zur Begründung der Klage macht der Kläger einen einzigen Klagegrund gestützt auf eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

14      Der Kläger rügt in erster Linie, dass die Beschwerdekammer zum einen davon ausgegangen sei, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen weder schriftbildlich noch klanglich ähnlich seien, und zum anderen davon, dass der begriffliche Vergleich neutral sei.

15      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, „wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird“.

16      Nach ständiger Rechtsprechung besteht Verwechslungsgefahr, wenn das Publikum glauben könnte, dass die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. September 2008, Boston Scientific/HABM – Terumo [CAPIO], T‑325/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch entsprechend Urteile des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 29, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg. 1999, I‑3819, Randnr. 17).

17      Ferner ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr für das Publikum unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. Urteil CAPIO, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch entsprechend Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, Slg. 1997, I‑6191, Randnr. 22, Canon, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 16, und Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 18).

18      Diese umfassende Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere zwischen der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziaria/HABM, C‑234/06 P, Slg. 2007, I‑7333, Randnr. 48; Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM – Hukla Germany [MATRATZEN], T‑6/01, Slg. 2002, II‑4335, Randnr. 25; vgl. auch entsprechend Urteil Canon, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 17). Die Wechselbeziehung zwischen diesen Faktoren kommt im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 zum Ausdruck, wonach der Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen ist, deren Feststellung ihrerseits von zahlreichen Faktoren abhängt, u. a. von dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die zwischen ihr und dem benutzten oder eingetragenen Zeichen hergestellt werden kann, und dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen sowie zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen (vgl. Urteil CAPIO, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Da außerdem die Verwechslungsgefahr umso größer ist, je höher sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt, genießen Marken, die von Haus aus oder wegen ihrer Bekanntheit auf dem Markt eine hohe Kennzeichnungskraft besitzen, einen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer ist (vgl. Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Aus der Rechtsprechung geht außerdem hervor, dass zwei Marken einander ähnlich sind, wenn sie aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte, d. h. bildlicher, klanglicher und begrifflicher Aspekte, mindestens teilweise übereinstimmen (Urteile MATRATZEN, oben in Randnr. 18 angeführt, Randnr. 30, und CAPIO, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 89; vgl. auch entsprechend Urteil SABEL, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 23).

21      Zudem bedeutet nach ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung des Bestehens von Verwechslungsgefahr die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken nicht, dass nur ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke zu berücksichtigen und mit einer anderen Marke zu vergleichen wäre. Vielmehr sind die fraglichen Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen (Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, Slg. 2007, I‑4529, Randnr. 41, und vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35).

22      Zwar können unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein (Urteile HABM/Shaker, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 41, und Nestlé/HABM, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 42).

23      Jedoch darf nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Ähnlichkeit nur dann allein unter Berücksichtigung des dominierenden Bestandteils vorgenommen werden, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind (Urteile HABM/Shaker, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 42, und Nestlé/HABM, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 43; Urteil des Gerichts vom 17. Februar 2011, Annco/HABM – Freche et fils [ANN TAYLOR LOFT], T‑385/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35).

24      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung zutreffend und vom Kläger unwidersprochen festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise von der breiten Öffentlichkeit in der Union gebildet würden, da die fraglichen Waren Lebensmittel des täglichen Bedarfs seien und die ältere Marke eine Gemeinschaftsmarke sei.

25      Erstens ist zur bildlichen Ähnlichkeit festzustellen, dass die angemeldete Marke neben einem Bildbestandteil zwei Wortbestandteile, nämlich „gazi“ und „hellim“, enthält, wohingegen die ältere Marke lediglich einen Wortbestandteil, nämlich „halloumi“, hat.

26      Der von der Beschwerdekammer in Randnr. 20 der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Beurteilung, dass die angemeldete Marke von dem farbigen Bestandteil „gazi“ dominiert werde, der durch den Farbkontrast der weißen Schrift auf rotem Grund und seine Anordnung oberhalb des weiteren Bestandteils „hellim“ deutlich hervortrete, kann nicht gefolgt werden, da sie, wie gerade aus dieser Randnummer hervorgeht, von der umfassenden Prüfung den Bestandteil „hellim“ der angemeldeten Marke ausgenommen hat.

27      Nach der in den Randnrn. 21 bis 23 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung kommt es nämlich, selbst unterstellt, dass der Bestandteil „gazi“ als dominierendes Element der angemeldeten Marke betrachtet werden könnte, für den Vergleich nur dann allein auf diesen Bestandteil an, wenn der andere Bestandteil der älteren Marke zu vernachlässigen ist (Urteil des Gerichts vom 9. September 2011, BVR/HABM – Austria Leasing [Austria Leasing Gesellschaft m.b.H. Mitglied der Raiffeisen-Bankengruppe Österreich], T‑197/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32).

28      Auch wenn sich der Bestandteil „hellim“ der angemeldeten Marke unter dem Bestandteil „gazi“ befindet, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er zu vernachlässigen sei. Folglich musste sich die Prüfung auf alle Bestandteile der angemeldeten Marke beziehen.

29      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich der erste Wortbestandteil der angemeldeten Marke, der in Großbuchstaben, in einer größeren Schrift und in einem roten Bildelement dargestellt ist, sehr von der älteren Marke unterscheidet. Obschon, wie der Kläger bemerkt, der Bestandteil „hellim“ und die ältere Marke ihren jeweils ersten Buchstaben, nämlich ein „h“, sowie die Buchstabenfolge „ll“ gemeinsam haben und am Wortende die Buchstaben „i“ und „m“ in umgekehrter Reihenfolge – „mi“ und „im“ –, enthalten, bewirken in bildlicher Hinsicht die sich aus dem jeweiligen Aufbau der Wörter ergebenden Unterschiede, die Verwendung unterschiedlicher Vokale, die Anordnung der Buchstaben und die Wortlänge außerdem, dass die Bestandteile „hellim“ und „halloumi“ insgesamt einander bildlich nicht ähnlich sind; das Vorhandensein des Bestandteils „gazi“ in der angemeldeten Marke verstärkt dabei die fehlende Ähnlichkeit erheblich (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 9. April 2003, Durferrit/HABM – Kolene [NU‑TRIDE], T‑224/01, Slg. 2003, II‑1589, Randnr. 46). Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer – auch wenn sie sich auf eine fehlerhafte Prämisse gestützt hat – zutreffend angenommen hat, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen bildlich unterschiedlich seien.

30      Zweitens gelten auch für die Prüfung der klanglichen Ähnlichkeit die in den Randnrn. 26 bis 28 des vorliegenden Urteils getroffenen Feststellungen, so dass festzustellen ist, dass die aus zwei Bestandteilen bestehende angemeldete Marke insgesamt vier Silben hat, die ältere Marke dagegen nur drei, und zwar unabhängig davon, in welcher Sprache der Union die Marken ausgesprochen werden. Außerdem sind die Klangbilder, die sich aus den jeweiligen Silben der einander gegenüberstehenden Zeichen ergeben, sehr unterschiedlich, so dass abgesehen von der ersten Silbe des zweiten Bestandteils der angemeldeten Marke und der ersten Silbe des einzigen Bestandteils der älteren Marke, also „he“ und „ha“, die eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen können, diese Zeichen aufgrund der weiteren Bestandteile, aus denen sie zusammengesetzt sind, und des Bestandteils „gazi“ in der angemeldeten Marke sehr unterschiedlich sind. Die Beschwerdekammer ist also – auch wenn sie sich auch hier auf eine fehlerhafte Prämisse gestützt hat – zutreffend davon ausgegangen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen klanglich nicht ähnlich seien (vgl. in diesem Sinne Urteil NU‑TRIDE, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 47).

31      Auch wenn unterstellt wird, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, wie der Kläger behauptet, nur einen Bestandteil aussprechen würden, ist ferner festzustellen, dass, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 20 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, die Verkehrskreise den ersten Bestandteil der angemeldeten Marke, d. h. das Element „gazi“, aussprechen werden, was sich eindeutig aus, erstens, seiner Positionierung an erster Stelle und, zweitens, aus dem Farbkontrast, den die weiße Schrift auf rotem Grund bewirkt, sowie, drittens, aus der Verwendung von Großbuchstaben ergibt.

32      Jedenfalls sind, auch wenn, wie der Kläger geltend macht, die maßgeblichen Verkehrskreise nur den zweiten Bestandteil der angemeldeten Marke aussprechen sollten, die sich aus den jeweiligen Silben der einander gegenüberstehenden Zeichen ergebenden Klangbilder unterschiedlich. Denn mit Ausnahme der ersten Silben der fraglichen Zeichen, d. h. „he“ und „ha“, die eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen können, sind die folgenden Silben dieser Zeichen angesichts der Verwendung der unterschiedlichen Vokale sowie der Anordnung und der Anzahl der Buchstaben, aus denen sie bestehen, sehr verschieden, so dass die einander gegenüberstehenden Zeichen umfassend betrachtet in klanglicher Hinsicht nicht ähnlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil NU-TRIDE, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 47).

33      Drittens ist die Beschwerdekammer in Bezug auf die begriffliche Ähnlichkeit in Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass der begriffliche Vergleich neutral sei. Hierbei hat sie zunächst festgestellt, dass Türkisch keine Amtssprache der Union sei, so dass es für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht auf die mögliche Bedeutung der Wörter „gazi“ und „hellim“ im Türkischen ankomme. Weiter hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass, selbst wenn man dem Kläger darin folgen wollte, dass die Verkehrskreise in dem Bestandteil „hellim“ und der älteren Marke HALLOUMI die Bezeichnung für eine zyprische Käsespezialität erkennten, sich dies auf die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit nicht auswirke, da es sich dann um eine rein beschreibende Bedeutung handele, die dem Zeichenvergleich nicht zugrunde gelegt werden könne.

34      Dieser Analyse, die die Bedeutung der Wörter „gazi“ und „hellim“ im Türkischen deshalb nicht berücksichtigt, weil Türkisch keine Amtssprache der Union ist, kann nicht gefolgt werden.

35      Auch wenn nämlich Türkisch nicht zu den Amtssprachen der Union zählt, steht, wie auch das HABM in seiner Klagebeantwortung einräumt, gleichwohl fest, dass es eine der Amtssprachen der Republik Zypern ist. Dies lässt folglich darauf schließen, dass Türkisch von einem Teil der zyprischen Bevölkerung verstanden und gesprochen wird.

36      Im Rahmen der begrifflichen Ähnlichkeit ist auf die Sicht des Verbrauchers in einem Gebiet der Union abzustellen, in dem die beiden Wörter eine Bedeutung haben.

37      Bei der Untersuchung der genauen Bedeutung der Wörter, aus denen die einander gegenüberstehenden Zeichen zusammengesetzt sind, ist festzustellen, dass der begriffliche Vergleich nicht neutral sein kann, da die Zeichen in der Sprache der maßgeblichen Verkehrskreise eine genaue Bedeutung haben (vgl. im Umkehrschluss Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Institut für Lernsysteme/HABM – Educational Services [ELS], T‑388/00, Slg. 2002, II‑4301, Randnr. 74).

38      Im vorliegenden Fall steht fest, dass das griechische Wort „halloumi“ begrifflich mit dem Wort „hellim“ ins Türkische übersetzt wird. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich nicht bestreiten, dass der Durchschnittsverbraucher in Zypern, wo Griechisch und Türkisch Amtssprachen sind, verstehen wird, dass die Wörter „halloumi“ und „hellim“ beide dieselbe zyprische Käsespezialität bezeichnen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 9. März 2005, Osotspa/HABM – Distribution & Marketing [Hai], T‑33/03, Slg. 2005, II‑763, Randnr. 51). Wie sich im Übrigen aus Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung ergibt, bedeutet das Wort „gazi“ im Türkischen „Krieger“ oder „Veteran“.

39      Somit besteht zwischen dem Bestandteil „hellim“ der angemeldeten Marke und dem einzigen Bestandteil der älteren Marke eine gewisse Ähnlichkeit in begrifflicher Hinsicht, die eine vorherige Übersetzung voraussetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil Hai, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 53), auch wenn die begriffliche Ähnlichkeit, die zwischen der älteren Marke und der angemeldeten Marke besteht, dadurch erheblich geschwächt ist, dass in Letzterer der Bestandteil „gazi“ enthalten ist.

40      Die Beschwerdekammer hat daher zu Unrecht gefolgert, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen überhaupt keine Ähnlichkeit bestehe, und hat keine Prüfung der Warenähnlichkeit und der Gefahr einer Verwechslung der fraglichen Zeichen vorgenommen.

41      Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

 Kosten

42      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Der Kläger hat beantragt, das HABM zur Tragung der Kosten des vorliegenden Verfahrens zu verurteilen. Da das HABM unterlegen ist, ist dem Antrag des Klägers stattzugeben, und dem HABM sind die dem Kläger im Verfahren vor dem Gericht entstandenen Kosten aufzuerlegen.

43      Der Kläger hat außerdem beantragt, dem HABM die ihm im Verfahren vor der Beschwerdekammer entstandenen Kosten aufzuerlegen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 136 § 2 der Verfahrensordnung die Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten gelten, so dass dem HABM auch die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendigen Aufwendungen des Klägers aufzuerlegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 24. November 2005, Simonds Farsons Cisk/HABM – Spa Monopole [KINJI by SPA], T‑3/04, Slg. 2005, II‑4837, Randnr. 77, und vom 12. Januar 2006, Devinlec/HABM – TIME ART [QUANTUM], T‑147/03, Slg. 2006, II‑11, Randnr. 115).

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 20. September 2010 (R 1497/2009‑4) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens vor der Beschwerdekammer.

Truchot

Martins Ribeiro

Kanninen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Juni 2012.

Unterschriften


*Verfahrenssprache: Deutsch.