Language of document : ECLI:EU:T:2024:353

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

5. Juni 2024(*)

„Wirtschafts- und Währungspolitik – Aufsicht über Kreditinstitute – Der EZB übertragene besondere Aufsichtsaufgaben – Festlegung der Aufsichtsanforderungen – Unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen – Rechtskraft – Überschreitung von Befugnissen – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Grundsatz der guten Verwaltung – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑186/22,

BNP Paribas mit Sitz in Paris (Frankreich), vertreten durch Rechtsanwalt A. Gosset-Grainville und Rechtsanwältin M. Trabucchi,

Klägerin,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch E. Yoo, D. Segoin und F. Bonnard als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten F. Schalin (Berichterstatter) sowie der Richterin P. Škvařilová-Pelzl, des Richters I. Nõmm, der Richterin G. Steinfatt und des Richters D. Kukovec,

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2023,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, BNP Paribas, die Nichtigerklärung zum einen von Abschnitt 1.10 sowie der Abschnitte 3.10.1 bis 3.10.8 des Beschlusses ECB‑SSM‑2022‑FRBNP‑7 der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 2. Februar 2022 (im Folgenden: Beschluss vom 2. Februar 2022) einschließlich seiner Anhänge, soweit darin Maßnahmen zu den unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen (im Folgenden: IPC) betreffend Einlagensicherungssysteme oder Abwicklungsfonds vorgeschrieben werden, und zum anderen von Abschnitt 1.10 sowie der Abschnitte 3.9.1 bis 3.9.8 des Beschlusses ECB‑SSM‑2022‑FRBNP‑86 der EZB vom 21. Dezember 2022 (im Folgenden: Beschluss vom 21. Dezember 2022) einschließlich seiner Anhänge, soweit darin Maßnahmen zu den IPC betreffend Einlagensicherungssysteme oder Abwicklungsfonds vorgeschrieben werden.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin unterliegt als bedeutendes Unternehmen im Sinne von Art. 6 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB (ABl. 2013, L 287, S. 63) der direkten Aufsicht der EZB.

3        Am 31. März 2021 übermittelte die EZB der Klägerin im Rahmen ihrer Aufsichtsaufgabe einen Fragebogen über ihre Behandlung von IPC, die eine Möglichkeit darstellen, die Beitragspflicht in Bezug auf Abwicklungsfonds oder Sicherungssysteme durch Abschluss eines Vertrags zu erfüllen, in dem vereinbart wird, dass der geschuldete Betrag auf erste Aufforderung der für die Abwicklungsfonds oder Sicherungssysteme zuständigen Behörde entrichtet wird, wobei mit diesem Vertrag eine Garantie der ausschließlichen Bereitstellung der Gelder, in der Praxis in Form einer Bareinlage, in Höhe des geschuldeten Beitrags verbunden ist.

4        Am 29. April 2021 übermittelte die Klägerin ihre Antworten auf den Fragebogen.

5        Am 10. November 2021 übersandte die EZB der Klägerin nach Abschluss des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) den Entwurf eines Beschlusses, der u. a. eine Aufsichtsanforderung enthielt, wonach der aggregierte Betrag ausstehender IPC vom harten Kernkapital abzuziehen sei. Die Klägerin wurde aufgefordert, zu diesem Entwurf Stellung zu nehmen.

6        Die Klägerin übersandte ihre Stellungnahme am 22. November 2021.

7        Die EZB erließ gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. f und Art. 16 der Verordnung Nr. 1024/2013 den Beschluss vom 2. Februar 2022.

8        In diesem Beschluss stellte die EZB fest, dass gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1024/2013 die von der Klägerin angewandten Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen sowie ihre Eigenmittelausstattung und Liquidität kein solides Risikomanagement und keine solide Risikoabdeckung gewährleisteten, da die Klägerin die Höhe ihres harten Kernkapitals überbewerte.

9        Zur Deckung dieses Risikos schrieb die EZB zum einen eine Maßnahme nach Art. 16 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 (im Folgenden: Abzugsmaßnahme) und zum anderen eine Pflicht nach Art. 16 Abs. 2 Buchst. j dieser Verordnung (im Folgenden: Meldepflicht) vor.

10      Die vorgeschriebene Abzugsmaßnahme entspricht nach der Berechnungsformel in Abschnitt 1.10 des Beschlusses vom 2. Februar 2022 dem Wert der als Sicherheit gestellten und auf der Aktivseite der Bilanz der Klägerin ausgewiesenen Beträge, abzüglich risikomindernder Komponenten, d. h. dem von der Klägerin in Bezug auf die als Sicherheit gestellten Beträge gehaltenen harten Kernkapital und gegebenenfalls dem positiven wirtschaftlichen Wert, der den bilanzierten Vermögenswerten unter Berücksichtigung der für die IPC als Sicherheit gestellten dienenden Beträge zuerkannt wurde.

11      Die Meldepflicht soll die EZB in die Lage versetzen, die ordnungsgemäße Berücksichtigung des der Klägerin vorgeschriebenen Abzugs sicherzustellen.

 Anträge der Parteien und Sachverhalt nach Klageerhebung

12      Die Klägerin hat am 12. April 2022 die vorliegende Klage erhoben.

13      Im Rahmen eines neuen SREP-Zyklus erließ die EZB den Beschluss vom 21. Dezember 2022, der den Beschluss vom 2. Februar 2022 (im Folgenden zusammen: angefochtene Beschlüsse) ab dem 1. Januar 2023 ersetzte und die Abzugsmaßnahme und die Meldepflicht aufrechterhält.

14      Um diesen Beschluss erlassen zu können, folgte die EZB dem oben in den Rn. 3 bis 6 beschriebenen Verfahren.

15      Die Klägerin hat am 15. Februar 2023 bei der Kanzlei des Gerichts einen Schriftsatz zur Anpassung der Klageschrift eingereicht, in dem sie ebenfalls die teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses vom 21. Dezember 2022 beantragt und dabei dieselben Klagegründe geltend macht, die ursprünglich in der Klageschrift gegen den Beschluss vom 2. Februar 2022 geltend gemacht worden waren.

16      Die EZB hat am 14. März 2023 Erklärungen zu dem Anpassungsschriftsatz abgegeben.

17      Die Klägerin beantragt,

–        den Beschluss vom 2. Februar 2022 teilweise für nichtig zu erklären;

–        den Beschluss vom 21. Dezember 2022 teilweise für nichtig zu erklären;

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

18      Die EZB beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

19      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtskraft und eine Überschreitung von Befugnissen, zweitens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung, drittens einen Rechtsfehler, weil der für den Einsatz von IPC geltenden Regelung die praktische Wirksamkeit genommen werde, und viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend macht.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtskraft und Überschreitung von Befugnissen

20      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die EZB habe die ihr durch die Verordnung Nr. 1024/2013 übertragenen Befugnisse überschritten, wie sie in den Urteilen vom 9. September 2020, Société Générale/EZB (T‑143/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:389), vom 9. September 2020, Crédit Agricole u. a./EZB (T‑144/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:390), vom 9. September 2020, Confédération nationale du Crédit Mutuel u. a./EZB (T‑145/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:391), vom 9. September 2020, BPCE u. a./EZB (T‑146/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:392), vom 9. September 2020, Arkéa Direct Bank u. a./EZB (T‑149/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:393), und vom 9. September 2020, BNP Paribas/EZB (T‑150/18 und T‑345/18, EU:T:2020:394) (im Folgenden: Urteile von 2020) präzisiert worden seien, indem sie eine allgemeine Maßnahme vorschreibe, die ihrer individuellen aufsichtlichen Lage nicht Rechnung trage. Damit habe die EZB gegen Art. 266 AEUV sowie gegen Art. 4 Abs. 1 Buchst. f und Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 Buchst. d und j der Verordnung Nr. 1024/2013 verstoßen.

21      Im Einzelnen wirft die Klägerin der EZB vor, ihren Beschluss auf eine Argumentation gestützt zu haben, die nur zu einem vollständigen Abzug des Betrags der mit den IPC verbundenen Sicherheiten führen könne. Daher sei die EZB ihren Verpflichtungen aus Art. 266 AEUV nicht nachgekommen.

22      Insoweit macht die Klägerin geltend, ein Vergleich zwischen den vom Gericht in den Urteilen von 2020 für nichtig erklärten Beschlüssen und den angefochtenen Beschlüssen zeige, dass diese Beschlüsse auf im Wesentlichen identische Gründe gestützt seien.

23      Außerdem habe die EZB keine besondere Prüfung ihrer individuellen Situation vorgenommen. Insoweit macht die Klägerin geltend, die EZB habe den Eindruck einer Einzelfallprüfung erwecken wollen, indem sie auf die Posten Bezug genommen habe, die sie in ihren Antworten vom 29. April 2021 auf den Fragebogen angeführt habe, der ihr von der EZB am 31. März 2021 übersandt worden sei, und indem sie ihre Begründung der angefochtenen Beschlüsse formal erweitert habe. Der Teil der angefochtenen Beschlüsse, der sich mit der Quantifizierung der Risiken der IPC befasse, sei jedoch vollständig standardisiert und beruhe nicht auf speziell die Klägerin betreffenden Erwägungen, sondern auf allgemeinen Feststellungen, die auf jedes Kreditinstitut, das sich dafür entscheide, IPC als außerbilanzielle Posten zu behandeln, Anwendung finden könnten.

24      Die EZB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

25      Im vorliegenden Fall wirft die Klägerin der EZB im Wesentlichen vor, nicht nur gegen Art. 4 Abs. 1 Buchst. f und Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013, die in den Urteilen von 2020 näher erläutert sind, sowie gegen Art. 16 Abs. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 1024/2013 verstoßen zu haben, sondern auch gegen Art. 266 AEUV, weil sie der sich aus diesen Urteilen ergebenden Auslegung dieser Verordnung nicht gefolgt sei. Die EZB habe erneut eine Abzugsmaßnahme erlassen und nicht wirklich eine Einzelfallprüfung vorgenommen.

26      Nach Art. 266 Abs. 1 AEUV haben die Organe, denen das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Diese Vorschrift sieht eine Zuständigkeitsverteilung zwischen Justiz und Verwaltung vor, der zufolge das Organ, von dem die für nichtig erklärte Handlung ausgegangen ist, zu bestimmen hat, welche Maßnahmen zur Durchführung eines Nichtigkeitsurteils erforderlich sind (vgl. Urteil vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑471/11, EU:T:2014:739, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Nach ständiger Rechtsprechung kommt insoweit das betroffene Organ einem Nichtigkeitsurteil nur dann nach und führt es nur dann vollständig durch, wenn es nicht nur den Tenor des Urteils beachtet, sondern auch die Gründe, die zu diesem geführt haben und die ihn in dem Sinne tragen, dass sie zur Bestimmung seiner genauen Bedeutung unerlässlich sind. Diese Gründe benennen nämlich zum einen exakt die Bestimmung, die als rechtswidrig angesehen wird, und lassen zum anderen die spezifischen Gründe der im Tenor festgestellten Rechtswidrigkeit erkennen, die das betreffende Organ bei der Ersetzung des für nichtig erklärten Akts zu beachten hat (Urteile vom 26. April 1988, Asteris u. a./Kommission, 97/86, 99/86, 193/86 und 215/86, EU:C:1988:199, Rn. 27; vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 29, und vom 13. September 2005, Recalde Langarica/Kommission, T‑283/03, EU:T:2005:315, Rn. 50).

28      Art. 266 AEUV verpflichtet das betroffene Organ, anstelle der für nichtig erklärten Handlung keine Handlung zu setzen, die eben die Fehler aufweist, die im Nichtigkeitsurteil festgestellt wurden (Urteile vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 30, und vom 13. September 2005, Recalde Langarica/Kommission, T‑283/03, EU:T:2005:315, Rn. 51).

29      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 266 AEUV das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, nur innerhalb der Grenzen dessen verpflichtet, was erforderlich ist, um das Nichtigkeitsurteil durchzuführen (Urteile vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 30, und vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑471/11, EU:T:2014:739, Rn. 57). Das Verfahren zur Ersetzung einer solchen Handlung kann daher genau an dem Punkt aufgenommen werden, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten ist (vgl. Urteil vom 29. November 2007, Italien/Kommission, C‑417/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:733, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑471/11, EU:T:2014:739, Rn. 58).

30      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die EZB kein Rechtsmittel gegen die Urteile von 2020 eingelegt hat, mit denen ihre in diesen Urteilen genannten Beschlüsse teilweise für nichtig erklärt worden waren. Die in der vorliegenden Rechtssache angefochtenen Beschlüsse sollen die mit dem Urteil vom 9. September 2020, BNP Paribas/EZB (T‑150/18 und T‑345/18, EU:T:2020:394), für nichtig erklärten Beschlüsse jedoch nicht ersetzen. Die EZB erlässt im Rahmen des SREP nämlich jedes Jahr einen Beschluss, der zu dem in diesem Beschluss genannten Zeitpunkt in Kraft tritt. Am selben Tag tritt der SREP-Beschluss des Vorjahrs außer Kraft, es sei denn, der neue SREP-Beschluss sieht etwas anderes vor. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 266 AEUV geltend macht, kann der vorliegende Klagegrund somit keinen Erfolg haben. Es ist jedoch zu prüfen, ob die EZB ihre Befugnisse überschritten hat, indem sie unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 Buchst. f und Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 Buchst. d und j der Verordnung Nr. 1024/2013, die in den Urteilen von 2020 näher erläutert sind, eine Abzugsmaßnahme erlassen hat, ohne tatsächlich eine Einzelfallprüfung vorgenommen zu haben.

31      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass mit der Verordnung Nr. 1024/2013 der einheitliche Aufsichtsmechanismus eingeführt wurde und die Sicherheit und Solidität der Kreditinstitute gewährleistet werden soll. Diese Verordnung überträgt der EZB die Zuständigkeit für die Wahrnehmung der in ihrem Art. 4 Abs. 1 genannten Aufsichtsaufgaben. Nach Art. 6 dieser Verordnung nimmt die EZB ihre Aufgaben innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus wahr, der aus der EZB und den nationalen zuständigen Behörden besteht. Die EZB ist insbesondere für die Aufsicht über die als „bedeutend“ eingestuften Kreditinstitute der Eurozone zuständig. In diesem Rahmen bewertet sie jedes Jahr die bedeutenden Institute auf der Grundlage des SREP, um insbesondere festzustellen, „ob die von Instituten angewandten Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen sowie ihre Eigenmittelausstattung und Liquidität ein solides Risikomanagement und eine solide Risikoabdeckung gewährleisten“. Die EZB erlässt daher, wie bereits in der vorstehenden Randnummer ausgeführt, jedes Jahr oder zumindest in regelmäßigen Abständen einen Beschluss im Rahmen des SREP, der zu dem in diesem Beschluss genannten Zeitpunkt in Kraft tritt.

32      Der Umstand, dass die EZB gegen die Urteile von 2020 kein Rechtsmittel eingelegt hat, bedeutet, dass diese rechtskräftig geworden sind. Auch wenn die EZB die für nichtig erklärten Beschlüsse streng genommen nicht durch neue SREP-Beschlüsse für das in diesen Rechtssachen relevante Jahr ersetzt hat, hat die EZB in den neuen Zyklen der SREP-Beschlüsse gleichwohl den Inhalt der Urteile des Gerichts zu beachten, um zu verhindern, dass die neuen Beschlüsse die gleichen Fehler aufweisen, die in den Urteilen von 2020 festgestellt worden sind (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 26. April 1988, Asteris u. a./Kommission, 97/86, 99/86, 193/86 und 215/86, EU:C:1988:199, Rn. 27 und 29, und vom 23. Oktober 2008, People’s Mojahedin Organization of Iran/Rat, T‑256/07, EU:T:2008:461, Rn. 62).

33      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Urteilen von 2020 entschieden hat, dass

–        Art. 36 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1, berichtigt in ABl. 2013, L 208, S. 68, und ABl. 2013, L 321, S. 6), einer Verordnung, die allgemeine Anforderungen enthält, die in diesem Zusammenhang ebenfalls als zur „ersten Säule“ gehörend eingestuft werden, der Ermittlung eines Risikos nicht entgegensteht, dem durch eine nach der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassene Maßnahme abgeholfen werden kann, nämlich im Rahmen der Befugnisse der EZB im Rahmen der „zweiten Säule“;

–        nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1024/2013 die EZB zur Wahrnehmung der ihr durch Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 übertragenen Aufgaben über die in Art. 16 Abs. 2 dieser Verordnung genannte Befugnis verfügt, jedes Kreditinstitut zu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, etwaigen Problemen zu begegnen, wenn bestimmte Situationen vorliegen (Urteil vom 9. September 2020, BNP Paribas/EZB, T‑150/18 und T‑345/18, EU:T:2020:394, Rn. 58);

–        eine dieser Situationen vorliegt, wenn die EZB im Rahmen einer aufsichtlichen Überprüfung gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1024/2013 feststellt, dass die von dem Kreditinstitut angewandten Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen sowie seine Eigenmittelausstattung und Liquidität kein solides Risikomanagement und keine solide Risikoabdeckung gewährleisten (Urteil vom 9. September 2020, BNP Paribas/EZB, T‑150/18 und T‑345/18, EU:T:2020:394, Rn. 58);

–        nach Art. 16 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 die EZB insbesondere die Befugnis hat, Instituten eine bestimmte Rückstellungspolitik oder eine bestimmte Behandlung ihrer Aktiva vorzuschreiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2020, BNP Paribas/EZB, T‑150/18 und T‑345/18, EU:T:2020:394, Rn. 49 bis 60);

–        das von der EZB in diesen Rechtssachen (wie in der vorliegenden Rechtssache) ermittelte Risiko in der Überbewertung des harten Kernkapitals bestand. Dieses Risiko beruhte darauf, dass die IPC als außerbilanzielle Posten behandelt wurden, also nicht als in der Bilanz des Kreditinstituts ausgewiesene Passiva, und dass die Garantie, durch die sie abgesichert waren, bis zur Begleichung der IPC nicht verfügbar war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2020, BNP Paribas/EZB, T‑150/18 und T‑345/18, EU:T:2020:394, Rn. 63);

–        unter Berücksichtigung insbesondere der Bedeutung des harten Kernkapitals für die finanzielle Solidität der Institute und allgemeiner für die Stabilität des Finanzsektors nicht in Abrede gestellt werden kann, dass das Risiko, das die EZB auf diese Weise ermittelt hat, tatsächlich besteht (Urteil vom 9. September 2020, BNP Paribas/EZB, T‑150/18 und T‑345/18, EU:T:2020:394, Rn. 67);

–        die EZB rechtsfehlerfrei davon ausgehen konnte, dass die aufsichtliche Behandlung der IPC und mithin der damit untrennbar verbundenen Garantie zur Anwendung einer der in Art. 16 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 vorgesehenen Maßnahmen führen konnte, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die IPC als solche buchhalterisch als außerbilanzielle Posten behandelt wurden (Urteil vom 9. September 2020, BNP Paribas/EZB, T‑150/18 und T‑345/18, EU:T:2020:394, Rn. 70);

–        da es die EZB jedoch unterlassen hat, die nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. f und Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 erforderliche Einzelfallprüfung der Klägerinnen vorzunehmen, gegen diese Vorschriften verstoßen wurde und die in diesen Rechtssachen angefochtenen Beschlüsse insoweit für nichtig erklärt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2020, BNP Paribas/EZB, T‑150/18 und T‑345/18, EU:T:2020:394, Rn. 77 bis 84).

34      Daraus geht somit hervor, dass die EZB von ihren Befugnissen (im Rahmen der „zweiten Säule“) wie einer Abzugsmaßnahme Gebrauch machen kann, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich, wenn ein Kreditinstitut einem Risiko ausgesetzt ist und dieses Risiko nicht hinreichend abgedeckt ist. Ob ein solches Risiko besteht und ob dieses Risiko abgedeckt ist, ist jedoch anhand einer Einzelfallprüfung festzustellen.

35      In den Urteilen von 2020 hat das Gericht befunden, dass die angefochtenen Beschlüsse keinen Hinweis auf eine Einzelfallprüfung der EZB mit dem Ziel der Feststellung, ob die Klägerinnen die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. f und Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1024/2013 vorgesehenen Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen angewandt haben, um die für die Finanzaufsicht relevanten Risiken abzudecken, die sich aus der Behandlung der IPC als außerbilanzielle Posten ergeben, sowie gegebenenfalls mit dem Ziel der Vergewisserung ihrer Wirksamkeit gegenüber diesen Risiken enthalten.

36      Daher hat das Gericht befunden, dass sich aus der Vorgehensweise der EZB ergibt, dass sie angenommen hat, dass dann, wenn ein Institut sich für den Einsatz von IPC und für deren Behandlung als außerbilanzielle Posten entscheide, ein Risiko gegeben sei, das jede eingehendere Prüfung der diesem Institut eigenen Situation überflüssig mache.

37      Daher ist festzustellen, dass das Gericht in den Urteilen von 2020 die ihm vorgelegten Beschlüsse für nichtig erklärt hat, weil die EZB die nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. f und Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 erforderliche individuelle aufsichtliche Prüfung der Klägerinnen nicht vorgenommen hat.

38      Das Gericht hat weder die Bedeutung des harten Kernkapitals noch das von der EZB in den genannten Beschlüssen ermittelte Risiko, nämlich das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals, noch die Möglichkeit, eine Abzugsmaßnahme vorzuschreiben, in Frage gestellt.

39      Ebenso wenig bedeutet der Umstand, dass die EZB in den angefochtenen Beschlüssen eine Abzugsmaßnahme vorgeschrieben hat, die mit derjenigen nahezu identisch war, die in den mit den Urteilen von 2020 für nichtig erklärten Beschlüssen vorgeschrieben worden war, dass die EZB diesen Urteilen nicht nachgekommen wäre oder dass sie eine Grundsatzposition gemäß der „ersten Säule“ eingenommen hätte.

40      Das Gericht hat nämlich nicht entschieden, dass die Maßnahme als solche rechtswidrig ist. Es hat vielmehr entschieden, dass die EZB befugt war, eine solche Maßnahme vorzuschreiben. Die Frage, ob die den Klägerinnen vorgeschriebene Maßnahme gerechtfertigt war oder nicht, während die angefochtenen Beschlüsse, die Gegenstand der Urteile von 2020 waren, aufgrund fehlender Einzelfallprüfung für nichtig erklärt wurden, hat das Gericht offengelassen. Daher kann das Vorbringen der Klägerin, die EZB sei der Verpflichtung nicht nachgekommen, alle Maßnahmen auszuschließen, die denselben Inhalt wie die für rechtswidrig befundene hätten, keinen Erfolg haben.

41      Im Übrigen hat das Gericht auch anerkannt, dass identische Risiken durch identische Maßnahmen abgedeckt werden können (Urteil vom 9. September 2020, BNP Paribas/EZB, T‑150/18 und T‑345/18, EU:T:2020:394, Rn. 80).

42      Außerdem bedeutet der Umstand, dass das in den angefochtenen Beschlüssen ermittelte Risiko dasselbe ist wie dasjenige, das in den durch die Urteile von 2020 für nichtig erklärten Beschlüssen ermittelt wurde, für sich genommen nicht, dass die EZB die sich aus diesen Urteilen ergebenden Erkenntnisse nicht beachtet hat.

43      Daher ist zu prüfen, ob die EZB eine Einzelfallprüfung der Situation der Klägerin vorgenommen hat.

44      Hierzu ist festzustellen, dass die EZB nach der Nichtigerklärung der Beschlüsse, die Gegenstand der Urteile von 2020 waren, eine Methodik entwickelt hat, um im Rahmen ihrer SREP-Bewertung für die folgenden Jahre eine konkretere Prüfung der Situation von Kreditinstituten, die IPC eingehen, vorzunehmen.

45      Die Prüfung wurde im vorliegenden Fall anhand dieser Methodik der EZB durchgeführt und besteht aus einem Fragebogen, der der EZB als Grundlage für die Prüfung diente, ob unter Berücksichtigung der Antworten der Institute, die der Aufsicht unterlagen und durch das Eingehen von IPC zur Finanzierung des einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) und der Einlagensicherungssysteme beitrugen, für diese Institute ein Risiko der Überbewertung des harten Kernkapitals bestand und ob dieses Risiko gegebenenfalls abgedeckt war.

46      Zu diesem Zweck wurden Fragen zur Höhe der eingegangenen IPC, den gestellten Sicherheiten, der buchhalterischen und aufsichtlichen Behandlung der IPC und der Sicherheiten sowie zu möglichen Szenarien des Zugriffs auf Sicherheiten oder des Abrufs der IPC, einschließlich der Verbindungen zwischen diesen verschiedenen Szenarien, gestellt. Zur Bewertung der Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen, die das betreffende Kreditinstitut im Hinblick auf das Risikomanagement sowie die Eigenmittelausstattung und Liquidität zur Deckung dieses Risikos anwendet, ersuchte die EZB um zusätzliche Informationen insbesondere über die buchhalterische und aufsichtliche Behandlung, die Risikominderungsmaßnahmen, Liquiditäts- und Eigenmittelmaßnahmen sowie alle sonstigen Maßnahmen zur Minderung des Risikos einer Überbewertung des harten Kernkapitals.

47      Die EZB stellte in einer ersten Phase der Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und Art. 16 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 fest, ob für die Klägerin das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals bestand, und nahm in einer zweiten Phase eine Prüfung der individuellen Situation der Klägerin vor, um festzustellen, ob die von ihr angewandten Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen sowie ihre Eigenmittelausstattung und Liquidität ein solides Risikomanagement und eine solide Abdeckung des Risikos der Überbewertung des harten Kernkapitals gewährleisteten.

48      Somit beurteilte die EZB nach der Quantifizierung des Risikos in der zweiten Phase, ob das harte Kernkapital der Klägerin ein solides Risikomanagement und eine solide Abdeckung des Risikos der Überbewertung des harten Kernkapitals gewährleisteten, und dabei folgte sie einem Ansatz in fünf Schritten.

49      Als Erstes beurteilte die EZB, ob die Klägerin das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals teilweise durch hartes Kernkapital abgesichert hatte, das sie bereits im Rahmen der geltenden Eigenmittelvorschriften halten musste und das zur Deckung dieses Risikos beitragen könnte. Als Zweites prüfte sie, ob die Höhe des von der Klägerin gehaltenen harten Kernkapitals, das über die für sie geltenden allgemeinen Eigenmittelanforderungen hinausging, geeignet war, das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals abzudecken. Als Drittes beurteilte die EZB, ob den für die IPC gestellten Sicherheiten aus aufsichtlicher Sicht ein positiver wirtschaftlicher Wert zugewiesen werden konnte und somit die Auswirkungen des Eingehens von IPC und der Stellung entsprechender Sicherheiten auf die Risikotragfähigkeit des harten Kernkapitals verringert werden konnten. Als Viertes beurteilte die EZB, ob es latente Vermögenswerte oder Steuerschulden gab, die geeignet waren, die Höhe der Überbewertung des harten Kernkapitals zu verringern, und als Fünftes prüfte die EZB, ob es andere Umstände oder andere von der Klägerin angewandte besondere Maßnahmen gab, die das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals verringern konnten.

50      Nach der oben beschriebenen Prüfung der Eigenmittel prüfte die EZB, ob die von der Klägerin gehaltenen liquiden Mittel ein solides Risikomanagement und eine solide Abdeckung des ermittelten Risikos gewährleisteten.

51      Außerdem prüfte die EZB, ob und wie die von der Klägerin angewandten Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen ein solides Risikomanagement und eine solide Abdeckung des Risikos einer Überbewertung des harten Kernkapitals gewährleisteten.

52      Die EZB gelangte schließlich zu dem Ergebnis, dass die angewandten Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen sowie die Eigenmittelausstattung und Liquidität der Klägerin kein solides Risikomanagement und keine solide Abdeckung des ermittelten Risikos gewährleisteten, so dass die Abzugsmaßnahme gerechtfertigt war.

53      Es ist festzustellen, dass die EZB folglich die relevanten Gesichtspunkte im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. f und Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1024/2013 berücksichtigt und eine Einzelfallprüfung der Situation der Klägerin vorgenommen hat.

54      Außerdem ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die EZB keinen Nachweis für ein der Klägerin eigenes Risiko erbracht habe, da das ermittelte Risiko allen Instituten, die IPC einsetzten, „eigen“ sei, so dass die von der EZB durchgeführte Prüfung in Wirklichkeit nur eine Fassade sei, mit der eine allgemein gültige Regel geschaffen werden solle.

55      Als Erstes ist zu beachten, dass die EZB entgegen dem Vorbringen der Klägerin sehr wohl ein der Klägerin eigenes Risiko ermittelt hat. Bei ihrer Aufsichtsaufgabe hat die EZB als Ausgangspunkt nämlich die von der Klägerin vorgenommene buchhalterische Behandlung als einen von mehreren tatsächlichen Gesichtspunkten berücksichtigt, um zu ermitteln, ob und wie die Klägerin die aufsichtlichen Risiken, denen sie durch das Eingehen von IPC und die Stellung von Sicherheiten ausgesetzt war, verwaltete und abdeckte.

56      So hat die EZB festgestellt, dass sich die Klägerin für eine kombinierte buchhalterische Behandlung entschieden habe, die in der Behandlung der IPC als außerbilanzielle Posten bestanden habe, während sie auf der Aktivseite ihrer Bilanz als Erstattungsforderung die als Sicherheit gestellten Beträge zu ihrem vollen Nennwert ausgewiesen habe. Diese Entscheidung bedeutete für die EZB, dass sich der Beitrag zur Finanzierung des Abwicklungsfonds und der Einlagensicherung in der Bilanz nicht widerspiegelte, was das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals zur Folge hatte.

57      Als Zweites ist festzustellen, dass die EZB keine allgemein gültige Regel aufgestellt hat, da die buchhalterische Behandlung der IPC und die damit verbundene Sicherheit jedem Institut eigen ist und die geltenden Rechnungslegungsvorschriften der Klägerin einen gewissen Spielraum bzw. sogar eine gewisse Wahlmöglichkeit lassen.

58      Insoweit bestehen, wie die EZB geltend gemacht hat, mehrere Wahlmöglichkeiten, um dieses Risiko entweder zu vermeiden oder ihm mit anderen Mitteln zu begegnen, was im Übrigen nur auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung festgestellt werden kann.

59      So ist es möglich, die Zahlungsverpflichtung in der Bilanz als Verbindlichkeit oder den Sicherungsvertrag in der Gewinn- und Verlustrechnung anzugeben. Ein Institut, das eine solche Behandlung vornimmt, würde einen Verlust verzeichnen, so dass ein entsprechender Betrag zum Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung von seinem harten Kernkapital abgezogen würde. Es ist auch möglich, die IPC in der Bilanz nicht als Verbindlichkeit auszuweisen, also sie als außerbilanzielle Posten zu behandeln, und gleichzeitig die als Sicherheit bereitgestellten Barmittel auf der Aktivseite der Bilanz als Erstattungsforderung gegenüber dem SRF zu verbuchen. Eine solche buchhalterische Behandlung führt nicht zu einer Verringerung der Komponenten des harten Kernkapitals, obwohl die Sicherheiten dem betreffenden Institut nicht zur Verfügung stehen. Ebenso ist es unter dem Gesichtspunkt der aufsichtlichen Behandlung möglich, eine freiwillige Reduktion gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 575/2013 vorzunehmen oder aber anzunehmen, dass der in der Bilanz ausgewiesene Vermögenswert, der den Anspruch auf Erstattung der als Sicherheit gestellten Beträge darstellt, eine Risikoposition darstellt, der ein spezifisches Gewicht zugewiesen werden muss, was zu Eigenmittelanforderungen führen und somit das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals teilweise abdecken würde.

60      All diese Möglichkeiten spiegeln sich u. a. in den im Rahmen des SREP für das Jahr 2022 erlassenen Beschlüssen wider, die die EZB im Anschluss an eine prozessleitende Maßnahme vorgelegt hat und die zeigen, dass die Prüfung der individuellen Situation der verschiedenen Institute, die IPC eingehen, zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen geführt hat. Tatsächlich wurden die als Sicherheit gestellten und damit nicht mehr zur Verfügung stehenden Beträge teilweise abgezogen, vollständig abgezogen oder gar nicht abgezogen, je nachdem, welche Einrichtungen betroffen waren.

61      Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung

62      Die Klägerin wirft der EZB vor, gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen und eine Grundsatzentscheidung erlassen zu haben, die der besonderen Situation des Instituts insbesondere in Bezug auf die aufsichtliche Sicherheit und die Liquidität nicht wirklich Rechnung trage, und damit einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung der aufsichtlichen Behandlung der IPC begangen zu haben. Indem die EZB bei der Beurteilung, ob die Klägerin in der Lage war, einem etwaigen Risiko der IPC zu begegnen, „Sicherheitspuffer“ ausgeschlossen habe, habe sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen. Ebenso habe die EZB dadurch, dass sie angenommen habe, dass das Liquiditätsrisiko untrennbar mit der außerbilanziellen Erfassung der IPC verbunden sei und dass keine Alternative zur Abzugsmaßnahme – insbesondere eine Anforderung zusätzlicher Liquidität – Abhilfe schaffen könne, eine Grundsatzposition eingenommen, ohne das Bestehen eines Risikos für die Klägerin beurteilt zu haben. Außerdem habe die EZB die Beweislast umgekehrt und die Antworten auf den Fragebogen nicht berücksichtigt, da diese ihre endgültige Position nicht beeinflusst hätten.

63      Die EZB weist darauf hin, dass sich das Vorbringen der Klägerin auf das Risiko stütze, dem sie im Fall eines Abrufs der IPC ausgesetzt wäre, während das von ihr ermittelte Risiko in der Überbewertung des harten Kernkapitals der Klägerin bestehe. Sie habe auch die Angemessenheit der Eigenmittel und der Liquidität der Klägerin im Hinblick auf das ermittelte Risiko zutreffend beurteilt.

64      Im vorliegenden Fall geht aus den Schriftsätzen der Klägerin hervor, dass sie der EZB vorwirft, dadurch gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen zu haben, dass sie sich auf abstrakte Überlegungen und Risiken gestützt habe, deren Wahrscheinlichkeit nicht geprüft worden sei. Die EZB habe nicht geprüft, ob der Abruf der IPC geeignet sei, die Klägerin in eine prekäre Lage zu versetzen, und eine allgemeine und stereotype Begründung angegeben.

65      Nach ständiger Rechtsprechung darf, wenn das zuständige Organ über ein Ermessen verfügt, die richterliche Kontrolle, die das Gericht über die Stichhaltigkeit der Gründe des angefochtenen Beschlusses ausüben muss, nicht dazu führen, dass es seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung durch das zuständige Organ setzt; vielmehr soll mit der Kontrolle überprüft werden, ob der angefochtene Beschluss nicht auf unzutreffenden Tatsachenfeststellungen beruht und ob er nicht mit einem Rechtsfehler, einem offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2023, EZB/Crédit lyonnais, C‑389/21 P, EU:C:2023:368, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Nach ständiger Rechtsprechung muss der Unionsrichter insbesondere nicht nur die sachliche Richtigkeit, die Zuverlässigkeit und die Kohärenz der angeführten Beweise prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. Urteil vom 4. Mai 2023, EZB/Crédit lyonnais, C‑389/21 P, EU:C:2023:368, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Aus ständiger Rechtsprechung ergibt sich auch, dass, wenn die Organe über einen solchen Beurteilungsspielraum verfügen, der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, eine umso größere Bedeutung zukommt. Zu diesen Garantien, die durch die Rechtsordnung der Union in Verwaltungsverfahren gewährt werden, gehört u. a. der Grundsatz der guten Verwaltung, der die Verpflichtung des zuständigen Organs umfasst, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, und vom 29. März 2012, Kommission/Estland, C‑505/09 P, EU:C:2012:179, Rn. 95).

68      Es ist darauf hinzuweisen, dass das von der EZB ermittelte Risiko das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals ist und dass der Zweck der Abzugsmaßnahme darin besteht, diesem Risiko abzuhelfen, und nicht darin, den Risiken abzuhelfen, die durch einen möglichen Abruf der IPC entstehen. Das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals besteht darin, dass die Beträge, die als Absicherung für die von der Klägerin eingegangene Verpflichtung dienen, nicht verfügbar sind. Im Übrigen hat die Klägerin in ihren Schriftsätzen weder jemals die Nichtverfügbarkeit dieser Beträge noch das ermittelte Risiko als solches bestritten. Obwohl ein Zusammenhang zwischen dem ermittelten Risiko und dem Eingehen der IPC besteht, ist das Risiko der Überbewertung des harten Kernkapitals ein anderes Risiko als das Risiko eines Abrufs der IPC. Das Risiko, das durch den Abruf der IPC entsteht, ist für das betreffende Institut das Risiko von Verlusten, sobald die IPC abgerufen und die außerbilanziellen IPC zu einer tatsächlichen Ausgabe werden, die zu Verlusten führt, die in der Gewinn- und Verlustrechnung des Instituts ausgewiesen werden müssen.

69      Folglich musste die EZB nicht prüfen, ob die Klägerin in der Lage war, das Risiko eines Abrufs der IPC zu tragen. Der auf den Grundsatz der guten Verwaltung gestützte Vorwurf der Klägerin, die EZB habe nicht geprüft, ob ihre individuelle Situation die Abdeckung eines anderen als das von der EZB ermittelte Risiko gewährleiste, geht daher ins Leere.

70      Das Vorbringen, die EZB habe die Beweislast umgekehrt und die von der Klägerin im Fragebogen gemachten Angaben nicht berücksichtigt, ist zurückzuweisen.

71      Zwar obliegt es der EZB, das Bestehen eines Risikos nachzuweisen. Sie kann dies jedoch nur auf der Grundlage spezifischer Informationen tun, die jedem einzelnen Kreditinstitut „eigen“ sind. Aus diesem Grund wurde ein detaillierter Fragebogen übermittelt, um die für die Beurteilung der individuellen Situation der Klägerin erforderlichen Informationen einzuholen. Dieser Fragebogen gehört nämlich zu der Kooperationspflicht gemäß Art. 28 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der EZB vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung) (ABl. 2014, L 141, S. 1). Diese Bestimmung sieht vor, dass die Klägerin im Rahmen eines Aufsichtsverfahrens wie im vorliegenden Fall verpflichtet ist, an der Aufklärung der Tatsachen durch die EZB mitzuwirken. Der Fragebogen führte daher weder zu einer Befreiung der EZB von der Durchführung einer Einzelfallprüfung noch zu einer Umkehr der Beweislast. Vielmehr hat die EZB auf der Grundlage der erhaltenen Informationen ihre Prüfung durchgeführt, das Risiko ermittelt und ist in Bezug auf die Klägerin zu dem Ergebnis gelangt, dass dieses Risiko nicht abgedeckt sei, was somit die Abzugsmaßnahme und die Meldepflicht rechtfertige.

72      Zur Meldepflicht ist festzustellen, dass eine solche Maßnahme auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 1024/2013 möglich ist. Aus der Tatsache, dass die Bereitstellung der eingeholten Informationen unter Verwendung des in Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) 2021/451 der Kommission vom 17. Dezember 2020 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 auf die aufsichtlichen Meldungen der Institute und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 (ABl. 2021, L 97, S. 1) enthaltenen COREP-Meldebogens C 01.00, Zeile 0529, ID 1.1.1.28 „Bestandteile des harten Kernkapitals oder Abzüge vom harten Kernkapital – sonstige“ erfolgen muss, kann entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht geschlossen werden, dass es sich um eine Maßnahme der „ersten Säule“ handelt. Wie sich aus den angefochtenen Beschlüssen ergibt, ist die Verwendung dieses Anhangs dadurch zu erklären, dass in diesem Stadium diese Durchführungsverordnung keinen konkreten Punkt vorsieht, um Auskünfte aufgrund von Anforderungen zu erteilen, die von der EZB in Ausübung der in Art. 16 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 genannten Befugnis vorgeschrieben werden.

73      Zu dem Vorbringen, die EZB habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie die Bedeutung der „Sicherheitspuffer“ für die Beurteilung der Frage verneint habe, ob die Klägerin in der Lage sei, dem Risiko zu begegnen, dem sie aufgrund des Eingehens der IPC und ihrer außerbilanziellen Behandlung ausgesetzt sein könnte, ist anzumerken, dass die EZB diesen Aspekt geprüft hat. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Puffer, d. h. die über die gesetzlichen Mindestanforderungen und die Empfehlungen für Eigenmittel nach der „zweiten Säule“ hinausgehenden Eigenmittel der Klägerin, nicht als Eigenmittel zur Abdeckung des Risikos der Überbewertung des harten Kernkapitals angesehen werden könnten. Wie aus den angefochtenen Beschlüssen hervorgeht, steht es der Klägerin insoweit frei, „Sicherheitspuffer“ für jedes beliebige Risiko und nicht speziell für das mit den IPC verbundene Risiko zu verwenden, was die Klägerin nicht bestritten hat. Ebenso steht es ihr frei, die „Sicherheitspuffer“ jederzeit vor Eintritt des Risikos mit Hilfe genehmigter Gewinnausschüttungen auszuschütten, es sei denn, die EZB verlangt einen Abzug oder untersagt die Gewinnausschüttung. Außerdem hat die Klägerin keine rechtsverbindliche Verpflichtung angegeben, die sie daran gehindert hätte, frei über ihren „Sicherheitspuffer“ zu anderen Zwecken als die Abdeckung des Risikos der IPC zu verfügen. Im Übrigen ist mit der EZB festzustellen, dass die Klägerin das Risiko einer Überbewertung mit den möglichen Folgen dieses Risikos zu verwechseln scheint. Das Risiko der Überbewertung von hartem Kernkapital besteht in einer potenziellen Überbewertung des harten Kernkapitals im Hinblick auf die tatsächliche Verlustabsorptionskapazität der Klägerin, was es ihr ermöglichen könnte, Risikopositionen einzugehen, die nicht durch Eigenmittel abgedeckt sind. Obwohl die aus hartem Kernkapital bestehenden „Sicherheitspuffer“ die Verluste aus diesen Risikopositionen abdecken können, decken sie nicht das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals selbst ab.

74      Das Vorbringen der Klägerin zu den „Sicherheitspuffern“ und das Vorbringen, die EZB habe sie nicht berücksichtigt, können daher keinen Erfolg haben.

75      Auch der die Liquidität betreffende Vorwurf kann keinen Erfolg haben. Nach Ansicht der Klägerin hat die EZB eine Grundsatzposition eingenommen, ohne geprüft zu haben, ob für sie ein Risiko bestehe. Die EZB habe die Ansicht vertreten, dass das Liquiditätsrisiko untrennbar mit der außerbilanziellen Erfassung der IPC verbunden sei und dass keine Alternative zur Abzugsmaßnahme – insbesondere eine Anforderung zusätzlicher Liquidität – Abhilfe schaffen könne.

76      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die EZB in den angefochtenen Beschlüssen die Ansicht vertreten hat, dass die von der Klägerin gehaltenen liquiden Mittel für die Gewährleistung eines soliden Risikomanagements und einer guten Abdeckung des mit den IPC verbundenen Risikos nicht relevant seien. Wie aus Abschnitt 3.10.4 des Beschlusses vom 2. Februar 2022 und Abschnitt 3.9.4 des Beschlusses vom 21. Dezember 2022 hervorgeht, hat sie festgestellt, dass im Fall eines Abrufs der IPC die betreffenden beaufsichtigten Unternehmen entweder Barmittel im Austausch für den Zugriff auf Sicherheiten als Ausgleich transferieren würden oder der SRF, der nationale Abwicklungsfonds oder das Einlagensicherungssystem die Sicherheiten unmittelbar einziehen würden. Dies hätte jedenfalls keinen Einfluss auf die Nettoliquidität des Kreditinstituts. Jedenfalls sei der Liquiditätsabfluss bereits bei der ursprünglichen Bereitstellung der Sicherheiten erfolgt und das Liquiditätsrisiko daher bereits eingetreten, wie sich im Liquiditätsrisikomanagement der Sicherheiten durch die betreffenden Unternehmen widerspiegle.

77      Es ist jedoch festzustellen, dass die Beurteilung, dass in Anbetracht dessen, dass die Stellung der Sicherheit bereits erfolgt sei, die Folgen dieser Transaktion für die Liquidität von der Klägerin bereits berücksichtigt worden seien und die Auswirkungen auf die Liquiditätsquoten bereits eingetreten seien, nicht irrelevant ist. Im Übrigen geht aus den Schriftsätzen der Klägerin auch hervor, dass sie einräumt, dass der Umstand, dass die IPC durch eine Sicherheit in Form einer Bareinlage abgesichert seien, bedeutet, dass die Zahlungsabflüsse bereits stattgefunden hatten und dass die gestellte Sicherheit daher nicht zu weiteren Abflüssen seitens der Klägerin im Hinblick auf die IPC führt.

78      Die EZB hat auch geprüft, ob das Halten zusätzlicher liquider Mittel die Bedenken hinsichtlich der mit den IPC verbundenen Risiken mindern würde.

79      Insoweit ist die EZB in den angefochtenen Beschlüssen unter Berücksichtigung der von der Klägerin übermittelten Informationen zu dem Ergebnis gekommen, dass die zusätzlichen liquiden Mittel das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals nicht abdeckten. Das Halten zusätzlicher liquider Mittel hätte einen mittelbaren Einfluss auf das Kapitalrisiko, da der Liquidität für gewöhnlich ein niedriges Risikogewicht zugeschrieben werde. Diese positiven Auswirkungen würden jedoch bereits automatisch in den Systemen der Klägerin erfasst, die risikogewichtete Aktiva ermittelten. Würden diese Auswirkungen bei der Berechnung des Abzugs für das Risiko der IPC berücksichtigt, liefe das darauf hinaus, dass die positiven Auswirkungen des Haltens zusätzlicher liquider Mittel doppelt gezählt würden.

80      Unter Berücksichtigung des ermittelten Risikos ist diese Argumentation fehlerfrei.

81      Der Umstand, dass diese Argumentation auch für andere Kreditinstitute gilt, die IPC eingehen, bedeutet nicht, dass die EZB keine Prüfung der individuellen Situation der Klägerin vorgenommen und unter Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung eine allgemeine und stereotype Begründung gegeben hätte.

82      Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Rechtsfehler, weil der für den Einsatz von IPC geltenden Regelung die praktische Wirksamkeit genommen werde

83      Die Klägerin macht geltend, die angefochtenen Beschlüsse nähmen den IPC jede praktische Wirksamkeit.

84      Erstens stehe die differenzierte buchhalterische und aufsichtliche Behandlung der IPC (die in ihren Büchern nicht als Aufwand erfasst werden) im Vergleich zu direkten Barzahlungen (die in ihren Büchern als Aufwand erfasst werden) im Einklang mit dem Ziel des Gesetzgebers, die Fähigkeit der beitragenden Institute zur Finanzierung der Realwirtschaft aufrechtzuerhalten. Indem die angefochtenen Beschlüsse eine undifferenzierte aufsichtliche Behandlung der IPC und der Barzahlungen vorschrieben, gefährdeten sie das vom Gesetzgeber geschaffene Gleichgewicht zwischen der Finanzierung von Abwicklungsfonds und Einlagensicherungssystemen einerseits und der Finanzierung der Realwirtschaft andererseits und ließen die unterschiedliche Natur dieser beiden Beitragskategorien außer Acht.

85      Zweitens laufe die Abzugsmaßnahme den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen der Flexibilität, der Schnelligkeit und der Effektivität zuwider, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Rechtsvorschriften, mit denen die Bankenunion gegründet worden sei, und der Lektüre der parlamentarischen Debatten ergebe, da sie die Einführung der im Voraus erhobenen Beiträge zu den Abwicklungsfonds und zu den Einlagensicherungssystemen schwieriger machen würde.

86      Die EZB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

87      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 26. Januar 2012, ADV Allround, C‑218/10, EU:C:2012:35, Rn. 26; vgl. auch Urteil vom 19. Juli 2012, A, C‑33/11, EU:C:2012:482, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88      Der Umstand, dass IPC neben im Voraus erhobenen Barbeiträgen auch für Beiträge zu Abwicklungsfonds und Einlagensicherungssystemen verwendet werden können, ist angesichts des klaren Wortlauts folgender Rechtsakte nicht umstritten:

–        der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1);

–        der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190);

–        der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 2014, L 173, S. 149).

89      Insoweit heißt es in Art. 70 Abs. 3 der Verordnung Nr. 806/2014, dass „[d]ie verfügbaren Finanzmittel, die mit Blick auf die Erreichung der Zielausstattung gemäß Artikel 69 zu berücksichtigen sind, … [IPC] umfassen [können], die in vollem Umfang durch Sicherheiten mit niedrigem Risiko abgesichert sind, die nicht durch Rechte Dritter belastet, frei verfügbar und ausschließlich der Verwendung durch den Ausschuss für die in Artikel 76 Absatz 1 genannten Zwecke vorbehalten sind“, und dass „[d]er Anteil dieser [IPC] … 30 % des Gesamtbetrags der gemäß diesem Artikel erhobenen Beiträge nicht übersteigen [darf]“. Der Wortlaut von Art. 103 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 stimmt inhaltlich mit dem von Art. 70 Abs. 3 der genannten Verordnung überein. Was schließlich die Einlagensicherungssysteme betrifft, so sieht Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2014/49 ebenfalls die Möglichkeit vor, die Beiträge durch IPC zu leisten.

90      Es ist jedoch festzustellen, dass Gegenstand der oben genannten Bestimmungen nicht die buchhalterische und aufsichtliche Behandlung der IPC ist.

91      Die Frage der praktischen Wirksamkeit der einschlägigen Bestimmungen betrifft somit das Zusammenspiel der Regelung, mit der Abwicklungsfonds und Einlagensicherungssysteme errichtet und die Verwendung der IPC als Beitrag zu diesen erlaubt werden, und der Verordnung Nr. 575/2013 sowie der Verordnung Nr. 1024/2013, die Aufsichtsanforderungen vorgesehen beziehungsweise den einheitlichen Aufsichtsmechanismus eingeführt haben. Es geht also um die Frage, ob die Anwendung der Verordnung Nr. 575/2013 und der Verordnung Nr. 1024/2013 zur Folge kann, dass bestimmten Vorschriften der Verordnung Nr. 806/2014, darunter Art. 70 Abs. 3, die praktische Wirksamkeit genommen wird. Gleiches gilt für die Richtlinie 2014/59, insbesondere ihren Art. 103 Abs. 3, und für die Richtlinie 2014/49, u. a. ihren Art. 10 Abs. 3.

92      Insoweit kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber gewollt hätte, dass der Einsatz von IPC es den sie eingehenden Instituten ermöglichen könnte, Risiken einzugehen, die nicht durch Eigenmittel gedeckt sind.

93      Eine solche Auslegung stünde nämlich im Widerspruch zu den strengeren Maßnahmen, die als Reaktion auf die Finanzkrise von 2008 ergriffen wurden, die der Auslöser für eine Stärkung des Regelungsrahmens und der Aufsicht gewesen ist. In diesem Zusammenhang wurden auch Abwicklungsmechanismen eingeführt, mit denen die nachteiligen Folgen von in der Vergangenheit eingetretenen Bankenzusammenbrüchen vermieden und in Zukunft besser bewältigt werden sollen.

94      Insoweit ist bereits im Rahmen des ersten und zweiten Klagegrundes festgestellt worden, dass die EZB auf der Grundlage der Einzelfallprüfung zu Recht zu dem Schluss gelangen konnte, dass die Klägerin dem Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals ausgesetzt war, das sich aus der Art und Weise ergab, wie die Klägerin die IPC und die damit verbundene Garantie verbuchte, und bedeutete, dass die Klägerin Tätigkeiten finanzieren konnte, die nicht durch ihre Eigenmittel abgedeckt waren.

95      Ebenso wenig überzeugen können die Zitate aus den Erwägungsgründen der Rechtsvorschriften, mit denen die Bankenunion gegründet wurde, oder die parlamentarischen Debatten, auf die sich die Klägerin in ihren Schriftsätzen beruft. Sie zeigen zwar, dass der Gesetzgeber versucht hat, ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Anforderungen an eine solide Bankenunion und dem Handlungsspielraum zu finden, der den Banken bei ihrer Geschäftstätigkeit belassen wird. Die von der Klägerin angeführten Erwägungsgründe haben jedoch allgemeine Geltung und beziehen sich nicht auf die IPC. Außerdem ist festzustellen, dass die von ihr zitierten Passagen selektiv und unvollständig sind und sich daraus keine Schlussfolgerungen in Bezug auf die buchhalterische Behandlung und etwaige aufsichtliche Folgen ziehen lassen.

96      Beispielsweise ist der Verweis der Klägerin auf den 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013, mit dem sie ihr Vorbringen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes und vor allem das Vorbringen zur buchhalterischen Behandlung untermauert, nicht stichhaltig, da der zitierte Auszug aus diesem Erwägungsgrund diesen nicht vollständig wiedergibt. Zwar ergibt sich aus dem angeführten Satz, dass die EZB den jeweiligen makroökonomischen Bedingungen in den Mitgliedstaaten, insbesondere der Stabilität der Kreditversorgung und der Erleichterung der Produktionstätigkeiten für die Volkswirtschaften insgesamt, in vollem Umfang Rechnung tragen sollte. Im vorangehenden Satz heißt es jedoch, dass die EZB bei der Ausübung ihrer Aufgaben „sorgloses Verhalten und die daraus resultierende übermäßige Risikobereitschaft [von Kreditinstituten vermeiden sollte]“.

97      Der Umstand, dass die EZB bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die jeweiligen makroökonomischen Bedingungen berücksichtigen muss, bedeutet nicht, dass sie daran gehindert wäre, Korrekturmaßnahmen auf individueller Ebene zu ergreifen, wenn dies aus aufsichtlicher Sicht erforderlich ist.

98      Auch zu dem von der Klägerin in ihren Schriftsätzen angeführten Verweis auf den 15. Erwägungsgrund einer Fassung des Vorschlags für eine Durchführungsverordnung zur Verordnung Nr. 806/2014 (jetzt Durchführungsverordnung [EU] 2015/81 des Rates vom 19. Dezember 2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung Nr. 806/2014 im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zum SRF [ABl. 2015, L 15, S. 1]) ist festzustellen, dass er unerheblich ist. Sein Inhalt wurde nämlich nicht in die endgültige Fassung der Durchführungsverordnung übernommen, was darauf hindeutet, dass der Gesetzgeber ihn nicht für angebracht gehalten hat.

99      Ferner ist zu dem Vorbringen, dass eine undifferenzierte Behandlung die praktische Wirksamkeit von IPC zunichtemachen würde, anzumerken, dass aus den von der EZB erlassenen und oben in Rn. 60 angeführten Beschlüssen hervorgeht, dass andere Bankinstitute, die ebenfalls IPC eingegangen sind, eine andere buchhalterische Behandlung ihrer IPC und der als Sicherheit gestellten Beträge vorgesehen haben, die aus aufsichtlicher Sicht kein Problem darstellte. Im Übrigen deutet dies darauf hin, dass die IPC für Letztere nicht uninteressant sind.

100    Insoweit ist unabhängig von der buchhalterischen Behandlung der IPC zu beachten, dass die als Sicherheit gestellten Beträge beim Abwicklungsfonds oder beim Einlagensicherungssystem zugunsten der Institute, die IPC eingehen, verzinst werden, was einen Vorteil gegenüber einem Barbeitrag darstellt.

101    Darüber hinaus werden die vorstehenden Schlussfolgerungen dadurch bestätigt, dass es in der Verordnung Nr. 575/2013 keine Vorschrift gibt, die ausdrücklich eine spezifische buchhalterische und aufsichtliche Behandlung von IPC vorsieht.

102    Der Umstand, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Instruments der IPC nicht die Absicht hatte, Instituten, die solche Verpflichtungen eingehen, einen Präferenzvorteil zu gewähren, geht im Übrigen auch aus der Stellungnahme der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hervor.

103    Insoweit vertrat die EBA entsprechend ihren Antworten auf die Stellungnahmen im Rahmen der Konsultation zum Entwurf der Leitlinien der EBA zu den IPC gemäß der Richtlinie 2014/49 die Ansicht, dass weder die Erwägungsgründe noch die Artikel der Richtlinie 2014/49 vorsähen, dass das vom Unionsgesetzgeber bei der Einführung der IPC verfolgte Ziel darin bestanden habe, Kreditinstituten eine bevorzugte buchhalterische Behandlung zu gewähren. Außerdem können nach Ansicht der EBA anders als bei direkten Bareinlagen die Institute, die IPC eingehen, von diesen Verpflichtungen profitieren, indem sie die Erträge der als Sicherheit transferierten Beträge behalten. Darüber hinaus bieten IPC nach Ansicht der EBA den Kreditinstituten eine bevorzugte Behandlung der liquiden Mittel (die sich in der Tabelle der Cashflows widerspiegle).

104    Auch wenn die Auslegung der EBA nicht verbindlich ist, kann es im vorliegenden Fall relevant sein, sie zu berücksichtigen, da die EBA im Bereich der Bankenunion eine Referenzquelle ist.

105    Darüber hinaus wird auch in den Leitlinien zu den IPC, die die EBA gemäß Art. 10 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/49 und Art. 16 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer EBA, zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. 2010, L 331, S. 12) erstellt hat, bestätigt, dass die buchhalterische Behandlung der IPC und der als Sicherheit gestellten Beträge zu aufsichtlichen Maßnahmen führen kann.

106    Die von der Klägerin befürwortete Auslegung ist daher zurückzuweisen. Somit ist der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

107    Zunächst weist die Klägerin darauf hin, dass sich das Risikopotenzial der IPC nur im Fall eines Abrufs realisieren könne und dass dieses Risiko, dessen Realisierung hypothetisch sei, da die Wahrscheinlichkeit, dass die IPC abgerufen würden, gering sei, jedenfalls durch die korrekte Anwendung der Aufsichtsanforderungen, wie beispielsweise risikogewichtete Aktiva (risk weighted assets), abgedeckt werde. Daraus folge, dass die EZB ihre besondere Situation nicht berücksichtigt habe, dass die Abzugsmaßnahme ungerechtfertigt sei und allein deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

108    Sodann habe die EZB aufgrund einer Grundsatzposition jede Alternative zur Abzugsmaßnahme unter dem Vorwand ausgeschlossen, dass der den Marktteilnehmern mitgeteilte Betrag des harten Kernkapitals ohne Abzug nicht die tatsächliche Verlustabsorptionskapazität widerspiegele.

109    Die Klägerin ist daher der Ansicht, dass die Anordnung der Abzugsmaßnahme, die negative Auswirkungen auf sie habe, im Hinblick auf das erklärte Ziel, für die Zwecke der Aufsicht hinreichende Auskünfte über die Risiken zu erhalten, offensichtlich ungeeignet und unverhältnismäßig sei.

110    Schließlich habe die EZB im Zusammenhang mit den Antworten auf ihre Erklärungen eingeräumt, dass die Angemessenheit ihrer Eigenmittel, die im vorliegenden Fall mit „mittleres – niedriges Risiko“ bewertet worden sei, ein irrelevanter Parameter sei. Daraus schließt sie, dass die EZB folglich einräume, dass auch auf ein Institut, dessen Kapitalsituation angemessen sei, dieselbe Abzugsmaßnahme angewandt werde, was in völligem Widerspruch zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehe.

111    Die EZB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

112    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 5 Abs. 4 EUV nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen. Die Organe der Union wenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit im Anhang des AEUV an.

113    Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (vgl. Urteil vom 16. Mai 2017, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, T‑122/15, EU:T:2017:337, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

114    Darüber hinaus ist dem Gerichtshof zufolge die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme mit der Beachtung des Ermessensspielraums, der den Unionsorganen bei ihrem Erlass eventuell eingeräumt wird, in Einklang zu bringen (vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

115    Im vorliegenden Fall hat die EZB nach der Feststellung, dass das Bestehen des ermittelten und nicht abgedeckten Risikos zu der in Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1024/2013 beschriebenen problematischen Situation führe und dass sie zur Lösung dieses Problems in Ausübung der ihr durch Art. 16 Abs. 2 Buchst. d dieser Verordnung eingeräumten Befugnisse dem betreffenden Institut eine bestimmte Rückstellungspolitik oder eine bestimmte Behandlung seiner Eigenmittel habe vorschreiben können, die Verhältnismäßigkeit der Abzugsmaßnahme geprüft.

116    Als Erstes hat die EZB festgestellt, dass das Abzugserfordernis geeignet sei, das Risiko einer Überbewertung des harten Kernkapitals zu bewältigen, da es speziell den bereits eingetretenen Verlust wirtschaftlicher Ressourcen behebe. Als Zweites hat die EZB geprüft, ob das Abzugserfordernis erforderlich war und ob es insbesondere andere, weniger kostspielige Maßnahmen gab, mit denen das Ziel, nur das harte Kernkapital zu melden, das imstande sei, die Risiken zu tragen, in gleicher Weise erreicht werden konnte.

117    Die EZB hat die Ansicht vertreten, dass dieses Ziel durch den Einsatz anderer Maßnahmen im Rahmen der „zweiten Säule“ gemäß die Erhöhung der Eigenmittelanforderungen betreffenden Art. 16 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1024/2013 und die Einschränkung der Dividendenausschüttung betreffenden Art. 16 Abs. 2 Buchst. i der Verordnung nicht erreicht werde.

118    Es ist festzustellen, dass die von der EZB durchgeführte Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Abzugsmaßnahme ordnungsgemäß strukturiert und durchgeführt wurde. Sie weist keinen Rechtsverstoß und keine Fehler auf. Diese Argumentation der EZB wird auch durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

119    Erstens ist das Argument, dass der Eintritt des Abrufs der IPC sehr hypothetisch sei, im Hinblick auf das ermittelte Risiko unerheblich.

120    Zweitens kann die Klägerin aus dem Umstand, dass die EZB Alternativmaßnahmen zur Abzugsmaßnahme geprüft und anschließend abgelehnt hat, nicht den Schluss ziehen, dass die vorgeschriebene Maßnahme ungeeignet und unverhältnismäßig gewesen sei, um Auskünfte über die Risiken zu erhalten. Jedenfalls hat die Klägerin nicht erläutert, warum die Argumentation der EZB in dieser Hinsicht fehlerhaft sein soll. Außerdem soll durch die Abzugsmaßnahme dem bereits eingetretenen Verlust wirtschaftlicher Ressourcen begegnet werden, da die Unterrichtung des Markts oder der Aufsichtsorgane über die genaue Höhe der Verlustabsorptionskapazität des harten Kernkapitals der Klägerin nur eine mittelbare Folge der angeordneten Maßnahme ist, nicht aber ein Ziel an sich.

121    Drittens bedeutet der Umstand, dass die Angemessenheit der Eigenmittel zu einer Bewertung als „mittlere – niedrige Risiken“ geführt hat, nicht, dass die vorgeschriebene Abzugsmaßnahme unverhältnismäßig wäre, und es ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass sich durch diese Einstufung das ermittelte Risiko einer Überbewertung nicht bewältigen lässt.

122    Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

 Kosten

123    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der EZB die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      BNP Paribas trägt die Kosten.

Schalin

Škvařilová-Pelzl

Nõmm

Steinfatt

 

      Kukovec

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Juni 2024.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.