Language of document : ECLI:EU:T:2013:295

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

5. Juni 2013(*)

„Zollunion – Einfuhr von Lactoglobulinkonzentraten aus Neuseeland – Nacherhebung von Eingangsabgaben – Antrag auf Erlass von Einfuhrabgaben – Art. 220 Abs. 2 Buchst. b und Art. 236 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92“

In der Rechtssache T‑65/11

Recombined Dairy System A/S mit Sitz in Horsens (Dänemark), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte T. Kristjánsson und T. Gønge,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A.‑M. Caeiros, L. Keppenne und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt P. Dyrberg,

Beklagte,

wegen Teilnichtigerklärung des Beschlusses K(2010) 7692 endg. der Kommission vom 12. November 2010 zur Feststellung, dass die nachträgliche buchmäßige Erfassung von bestimmten Einfuhrabgaben gerechtfertigt und der Erlass dieser Abgaben nicht gerechtfertigt ist (Sache REC 03/08),

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter F. Dehousse (Berichterstatter) und J. Schwarcz,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2012

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Recombined Dairy System A/S, führte Lactoglobulinkonzentrate (im Folgenden: LGK) aus Neuseeland in die Europäische Union ein. Es gibt verschiedene Formen von LGK, die sich durch ihren jeweiligen Gehalt an Molkenproteinen unterscheiden.

2        1993 und 1994 beantragte die Klägerin bei den dänischen Zollbehörden verbindliche Zolltarifauskünfte (im Folgenden: VZTA) für zehn LGK, darunter LGK 312, 392 und 472. Die VZTA für diese drei Waren wurden der Klägerin auf der Grundlage der erhaltenen Auskünfte und ohne Warenprüfung erteilt. Den von der Klägerin übermittelten und in den VZTA wiedergegebenen Angaben zufolge betrug der Anteil an Molkenproteinen, bezogen auf die Trockenmasse, mehr als 80 GHT und setzte sich zu 75 % aus Beta-Lactoglobulin und Immunoglobulin und zu 25 % aus anderen Molkenproteinen zusammen. Die fraglichen LGK wurden in die Tarifposition 3504 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in geänderter Fassung (im Folgenden: KN) eingereiht. Zur Tarifposition 3504 der KN gehören u. a. „Konzentrate aus Milcheiweiß“. Die VZTA für diese drei Waren galten vom 13. April 1994 bis zum 12. April 2000.

3        1995 beantragte die Klägerin bei den dänischen Zollbehörden eine VZTA für LGK 450. Die Behörden teilten der Klägerin mit, dass eine neue VZTA nicht erforderlich sei, da LGK 450 weitgehend LGK 472 entspreche, für das bereits eine VZTA erteilt worden sei. Die Klägerin zog ihren Antrag zurück. Für LGK 450 erhielt sie daher keine VZTA.

4        Für andere Warenarten, nämlich LGK 131 und 8471, beantragte die Klägerin keine VZTA.

5        Nach einer Probenanalyse, die einen Gehalt an Molkenproteinen ergab, der unter dem ursprünglich erklärten lag (d. h. einem Gehalt an Molkenproteinen von unter 80 GHT), nahmen die dänischen Zollbehörden Analysen aller von der Klägerin eingeführten LGK vor. Daraufhin beschlossen sie am 27. November 2000, LGK 131, 312, 392, 450 und 8471 in die Tarifposition 0404 der KN einzureihen und die Einfuhrabgaben für diese Waren nachträglich buchmäßig zu erfassen. Zu dieser Tarifposition gehört u. a. „Molke, auch eingedickt“. Sie wiesen in dieser Entscheidung auch darauf hin, dass sie die fraglichen Waren in die Tarifposition 3502 der KN eingereiht hätten, wenn der von der Klägerin ursprünglich erklärte Gehalt an Molkenproteinen (d. h. ein Gehalt an Molkenproteinen von über 80 GHT) zutreffend gewesen wäre. Zu dieser Tarifposition gehören u. a. „Konzentrate aus zwei oder mehr Molkenproteinen, die mehr als 80 GHT Molkenproteine, bezogen auf die Trockenmasse, enthalten“. Die Behörden lehnten es somit ab, die betreffenden Waren in die Tarifposition 3504 der KN einzureihen.

6        Nachdem sich die Klägerin gegen die zolltarifliche Einreihung und die verwendete Analysemethode gewandt hatte, änderten die dänischen Zollbehörden ihre Methode und gelangten schließlich zu dem Ergebnis, dass der von der Klägerin ursprünglich erklärte Proteingehalt der LGK (d. h. ein Gehalt an Molkenproteinen, bezogen auf die Trockenmasse, von mehr als 80 GHT) zutreffend gewesen sei. Sie beschlossen, die vorgenommene zolltarifliche Einreihung zu überprüfen, und änderten ihre Entscheidung ab, indem sie die LGK 131, 312, 392, 450 und 8471 in die Tarifposition 3502 der KN einreihten. Diese geänderte Tarifierung wirkte sich nicht auf ihre Entscheidung aus, die Einfuhrabgaben auf die betreffenden Waren nachträglich buchmäßig zu erfassen.

7        Am 13. Juni 2005 beantragte die Klägerin bei den dänischen Zollbehörden den Erlass der Einfuhrabgaben auf der Grundlage zum einen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b in Verbindung mit Art. 236 und zum anderen des Art. 239 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex oder ZK). Ihr Antrag bezog sich auf die Einfuhr von LGK im Zeitraum vom 1. September 1997 bis zum 2. August 2000, für die entweder nie VZTA erteilt worden waren oder die zuvor erteilten VZTA zum Zeitpunkt der Einfuhr ausgelaufen waren. Die dänischen Zollbehörden wiesen diesen Antrag mit Entscheidung vom 1. August 2005 ab.

8        Am 22. September 2005 focht die Klägerin diese Entscheidung vor dem Landsskatteret (dänisches Finanzgericht) an.

9        Am 13. September 2007 gab das Landsskatteret den dänischen Zollbehörden auf, den Antrag der Klägerin der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung vorzulegen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Voraussetzungen von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b oder Art. 239 ZK unter den Umständen des vorliegenden Falles gegeben seien.

10      Am 6. Oktober 2008 ersuchten die dänischen Zollbehörden die Kommission darum, nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK zu entscheiden, ob es gerechtfertigt sei, von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Einfuhrabgaben abzusehen, und hilfsweise, ob nach Art. 239 ZK der Erlass der Abgaben gerechtfertigt sei.

11      In dem Beschluss K(2010) 7692 endg. vom 12. November 2010 zur Feststellung, dass die nachträgliche buchmäßige Erfassung bestimmter Einfuhrabgaben gerechtfertigt und der Erlass dieser Abgaben nicht gerechtfertigt ist (Sache REC 03/08) (im Folgenden: angefochtener Beschluss), vertrat die Kommission erstens die Auffassung, dass es nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK gerechtfertigt sei, von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Einfuhrabgaben für die LGK 450 abzusehen, die vor dem 13. April 2000 eingeführt worden seien. Für die Einfuhren anderer Waren, nämlich von LGK 131, 312, 392 und 8471 sowie von ab dem 13. April 2000 eingeführtem LGK 450 seien die Einfuhrabgaben nachträglich buchmäßig zu erfassen. Zweitens sei der Erlass von Einfuhrabgaben gemäß Art. 239 ZK für die Einfuhren von LGK 312 und 392 sowie die ab dem 13. April 2000 erfolgten Einfuhren von LGK 450 gerechtfertigt. Dagegen sei ein Erlass von Einfuhrabgaben für die Einfuhren von LGK 131 und 8471 nicht gerechtfertigt. Insoweit hätten keine besonderen Umstände im Sinne von Art. 239 ZK vorgelegen, da die Klägerin für diese Waren nie eine VZTA beantragt habe.

 Verfahren und Anträge der Parteien

12      Mit Klageschrift, die am 28. Januar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

13      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

14      In der Sitzung vom 6. Dezember 2012 haben die Parteien mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

15      Die Klägerin beantragt,

–        Art. 1 Abs. 2 und 4 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

17      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass mit der vorliegenden Klage, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 2 und 4 des angefochtenen Beschlusses begehrt wird, soweit er die Einfuhren von LGK 131 und 8471 betrifft.

18      Die Klägerin macht zwei Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen die Art. 220 Abs. 2 Buchst. b und 236 ZK. Mit dem zweiten Klagegrund, der hilfsweise geltend gemacht wird, rügt sie einen Verstoß gegen Art. 239 ZK.

19      Das Gericht hält es für angebracht, zunächst den ersten Klagegrund zu prüfen.

20      Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Einreihung der fraglichen LGK in die Tarifposition 3504 der KN stelle unabhängig davon, ob für diese LGK eine VZTA erteilt worden sei oder nicht, einen Irrtum dar, der den dänischen Zollbehörden zuzurechnen sei.

21      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Die LGK seien in zolltariflicher Hinsicht im Allgemeinen nicht alle gleich. Außerdem sei für keine der im vorliegenden Rechtsstreit fraglichen Waren eine VZTA erteilt worden. Die Zahl der Einfuhren von LGK 131 und 8471 sei gering. Schließlich seien keine Unterlagen vorgelegt worden, aus denen sich ergeben hätte, dass die Bezeichnung der Ware in den Zollanmeldungen den Bezeichnungen in der KN entspreche.

22      Vorab ist daran zu erinnern, dass die in Art. 220 ZK und Art. 239 ZK vorgesehenen Verfahren das gleiche Ziel verfolgen, nämlich die Nachzahlung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben auf Fälle zu beschränken, in denen eine solche Zahlung gerechtfertigt und mit einem so wesentlichen Grundsatz wie dem des Vertrauensschutzes vereinbar ist. Die Erstattung oder der Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und in den eigens dafür vorgesehenen Fällen gewährt werden können, stellen eine Ausnahme vom gewöhnlichen Einfuhr- und Ausfuhrsystem dar, so dass die Vorschriften, die eine solche Erstattung oder einen solchen Erlass vorsehen, eng auszulegen sind (vgl. Beschluss des Gerichtshofs vom 1. Oktober 2009, Agrar-Invest-Tatschl/Kommission, C‑552/08 P, Slg. 2009, I‑9265, Randnrn. 52 und 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK können die Zollbehörden nur dann von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Einfuhrabgaben absehen, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Voraussetzung ist zunächst, dass die Abgaben wegen eines Irrtums der zuständigen Behörden nicht erhoben worden sind, sodann, dass deren Irrtum von einem gutgläubigen Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte, und schließlich, dass dieser alle für seine Zollanmeldung geltenden Bestimmungen beachtet hat. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat der Abgabenschuldner einen Anspruch darauf, dass von einer Nacherhebung abgesehen wird (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 18. Oktober 2007, Agrover, C‑173/06, Slg. 2007, I‑8783, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      In Bezug auf die erste dieser Voraussetzungen ist daran zu erinnern, dass Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK das berechtigte Vertrauen des Abgabenschuldners in die Richtigkeit aller Gesichtspunkte schützen soll, die bei der Entscheidung darüber, ob Zölle nacherhoben werden oder nicht, Berücksichtigung finden. Das berechtigte Vertrauen des Abgabenschuldners ist nur dann schutzwürdig im Sinne dieser Vorschrift, wenn es gerade die zuständigen Behörden waren, die die Grundlage für dieses Vertrauen geschaffen haben. Somit begründen lediglich solche Irrtümer, die auf ein Handeln der zuständigen Behörden zurückzuführen sind, einen Anspruch darauf, dass von der Nacherhebung der Zölle abgesehen wird (vgl. Urteil Agrover, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Diese Voraussetzung kann grundsätzlich nicht als erfüllt angesehen werden, wenn die zuständigen Behörden durch unrichtige Erklärungen des Ausführers, deren Gültigkeit sie nicht festzustellen oder zu überprüfen haben, irregeführt werden. In einem solchen Fall trägt der Abgabenschuldner das Risiko, dass sich ein Handelsdokument bei einer späteren Prüfung als falsch erweist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 14. November 2002, Ilumitrónica, C‑251/00, Slg. 2002, I‑10433, Randnrn. 43 und 44 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Dagegen ist nach der Rechtsprechung von einem Irrtum der zuständigen Behörden auszugehen, wenn sie keinerlei Einwände gegen die von dem betroffenen Unternehmen in seinen Zollanmeldungen vorgenommene Tarifierung der Ware erhoben haben und diese Anmeldungen alle für die Anwendung der einschlägigen Regelung erheblichen Tatsachen enthielten, so dass eine etwaige nachträgliche Überprüfung durch die zuständigen Behörden keine neue Tatsache ergeben kann. Das ist namentlich dann der Fall, wenn sämtliche Zollanmeldungen des betroffenen Unternehmens insofern vollständig waren, als sie insbesondere die Bezeichnung der Waren gemäß den im Tarifschema neben der angemeldeten Tarifposition abgedruckten Spezifizierungen enthielten, und wenn die in Rede stehenden Einfuhren relativ zahlreich waren und während eines verhältnismäßig langen Zeitraums stattgefunden haben, ohne dass die angegebene Tarifposition beanstandet worden ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 1. April 1993, Hewlett Packard France, C‑250/91, Slg. 1993, I‑1819, Randnrn. 19 und 20 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall hat die Kommission im angefochtenen Beschluss zu den Einfuhren von LGK 131 und 8471 ausgeführt, dass die dänischen Zollbehörden keinem Irrtum erlegen seien, da der Klägerin für diese Waren keine VZTA erteilt worden sei (31. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Im Übrigen hat die Kommission festgestellt, dass die Klägerin bei den Zollanmeldungen gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen eingehalten habe (39. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

27      Erstens ist das Vorbringen der Kommission im angefochtenen Beschluss und vor dem Gericht, dass aufgrund der fehlenden Erteilung von VZTA kein Irrtum der Zollbehörden festgestellt werden könne, von vornherein zurückzuweisen. Denn der Umstand, dass die Klägerin keine VZTA für die betreffenden Waren beantragt hat, bedeutet gleichwohl nicht, dass den Zollbehörden kein Irrtum unterlaufen wäre. Jede andere Auslegung würde Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK aushöhlen. In der Rechtsprechung ist im Übrigen anerkannt, dass den Zollbehörden auch dann ein Irrtum unterlaufen sein kann, wenn die Klägerin keine VZTA besaß oder beantragt hatte (Urteil des Gerichtshofs vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost, 314/85, Slg. 1987, 4199).

28      Zweitens ist festzustellen, dass den dänischen Zollbehörden, wie sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, bei der Erteilung der VZTA ein Irrtum bezüglich der zolltariflichen Einreihung unterlaufen ist (Erwägungsgründe 24 und 33 des angefochtenen Beschlusses).

29      Drittens hat die Kommission im 45. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die dänischen Zollbehörden seit November 1999, d. h. vor dem Ende des streitigen Zeitraums der Einfuhr von LGK 131 und 8471, der vom 1. September 1997 bis zum 2. August 2000 reicht, wussten, dass die Tarifposition der Waren, für die eine VZTA erteilt worden war, falsch war, diese VZTA jedoch nicht zurückzogen. Aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich weiter, dass die von den dänischen Zollbehörden durchgeführten Analysen nicht nur Waren betrafen, für die eine VZTA erteilt worden war, sondern auch LGK 131, für das keine VZTA erteilt worden war (Erwägungsgründe 9 und 10 des angefochtenen Beschlusses). Folglich wussten die dänischen Zollbehörden seit November 1999, dass die Tarifposition einer der beiden vom vorliegenden Rechtsstreit betroffenen Waren unzutreffend war. Sie warteten dennoch bis zum 27. November 2000, bevor sie ein Nacherhebungsverfahren einleiteten (13. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Sie widerriefen auch nicht – obwohl sie dies hätten tun können – die noch bis zum 12. April 2000 gültigen VZTA. Zwischen November 1999 und November 2000 führte die Klägerin unter der Tarifposition 3504 der KN ungefähr 240 t LGK 131 in 13 Einfuhrvorgängen und 40 t LGK 8471 in zwei Einfuhrvorgängen ein, obwohl die dänischen Zollbehörden wussten, dass die zolltarifliche Einreihung der LGK im weiteren Sinne, insbesondere von LGK 131, unzutreffend war. Schließlich ist speziell zu LGK 131 festzustellen, dass – anders als die Kommission in ihren Schriftsätzen ausführt – die Einfuhren dieser Ware durch die Klägerin im streitigen Einfuhrzeitraum durchaus erheblich waren, da es um mehrere Hundert Tonnen und 45 Einfuhrvorgänge ging. Hinzu kommt, dass die Parteien, wie dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, darüber einig sind, dass die betreffenden Waren, da sie aus Molkenproteinen bestehen, nicht in die Tarifposition 3504 der KN eingereiht werden konnten, wie dies die Zollbehörden in den VZTA jedoch taten. Die dänischen Zollbehörden haben dies im Übrigen eingeräumt, da sie in ihrer Entscheidung vom 27. November 2000 über die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben ausführten, dass „die Einreihung in den Warencode 3504 ausgeschlossen [sei], da es sich nicht um Milcheiweiße [handele], sondern um Molkenproteine“. Daraus ergibt sich, dass die Zollbehörden anhand der Beschreibung der fraglichen Waren in den Zollanmeldungen, in der spezifisch ein Molkenprotein, nämlich Lactoglobulin, genannt wurde, in der Lage hätten sein müssen, den Irrtum bei der zolltariflichen Einreihung zu bemerken.

30      Viertens ist darauf hinzuweisen, dass weder die dänischen Zollbehörden noch die Kommission im angefochtenen Beschluss Zweifel daran geäußert haben, dass sämtliche von der Klägerin vorgelegten Zollanmeldungen vollständig waren. Im Einzelnen hat die Kommission im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass „[a]us dem Antrag … [hervorgeht], dass davon auszugehen ist, dass der Beteiligte bei den Zollanmeldungen gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen eingehalten hat“ (39. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Das Vorbringen der Kommission in ihren Schriftsätzen, dass „die Bezeichnung der Waren in der Anmeldung nicht vollständig war“, findet daher keine Stütze im angefochtenen Beschluss. Die Kommission war im Übrigen in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, eine Rechtsgrundlage anzugeben, die die Annahme zuließe, dass die Zollanmeldungen der Klägerin nicht vollständig gewesen seien. Ferner ist zum Vorbringen der Kommission, die Klägerin habe keine technischen Unterlagen zu LGK 131 und 8471 vorgelegt, die die Ermittlung ihrer zolltariflichen Einreihung ermöglicht hätten, festzustellen, dass LGK 131 zu den Waren gehörte, die von den Zollbehörden 1999 technisch analysiert wurden (neunter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Weiter steht fest, dass von den dänischen Zollbehörden LGK 131 und 8471 nach einer Kontrolle in die gleiche Tarifposition wie die anderen LGK, einschließlich der LGK, für die eine VZTA erteilt worden war, eingereiht wurden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien darüber einig sind, dass die betreffenden Waren nicht in die Tarifposition 3504 der KN eingereiht werden konnten, da sie aus Molkenproteinen bestanden. Daher ist davon auszugehen, dass die Bezeichnung der Waren in den Zollanmeldungen der Klägerin, nämlich „Lactoglobulin“, d. h. ein Molkenprotein, so genau war, dass die Zollbehörden zumindest feststellen konnten, dass die fraglichen Waren nicht in diese Tarifposition einzureihen waren.

31      Fünftens teilten die dänischen Zollbehörden der Klägerin in einem Telefongespräch vom 2. November 1995 mit, dass es nicht erforderlich sei, eine VZTA für eine Ware – LGK 450 – einzuholen, die nach dem von der Klägerin gestellten Antrag „weitgehend identisch“ mit einer Ware – LGK 472 – sei, für die bereits eine VZTA erteilt worden sei. Dieses Telefongespräch wurde, wie die Kommission im 35. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, in einem Schreiben der Klägerin an die dänischen Zollbehörden vom 3. November 1995 bestätigt, ohne dass der Inhalt dieses Schreibens später in Frage gestellt worden wäre. Die Zollbehörden selbst erwähnen bei der Wiedergabe der von der Klägerin vorgebrachten Argumente in ihrem Ersuchen an die Kommission, dass ein Telefongespräch dieses Inhalts stattgefunden hat. Diese Sachlage hat die Kommission im Übrigen dazu veranlasst, im selben Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass den dänischen Zollbehörden bei den Einfuhren von LGK 450 vor dem 13. April 2000 ein Irrtum unterlaufen sei.

32      Zu den im vorliegenden Rechtsstreit fraglichen Waren hat die Kommission im 24. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass laut dem Antrag der dänischen Zollbehörden das Absehen von der buchmäßigen Erfassung und der Erlass der Einfuhrabgaben gerechtfertigt seien, da „die Erzeugnisse, für die keine VZTA erteilt wurde, … im Hinblick auf die zolltarifliche Einreihung identisch mit denen [seien], für die eine VZTA erteilt wurde“. Diese Tatsachenfeststellung wurde von der Kommission im angefochtenen Beschluss nicht in Frage gestellt.

33      Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche fraglichen LGK unabhängig von der Tarifposition, die die dänischen Zollbehörden in ihren Nacherhebungsbescheiden gewählt hatten, stets in dieselbe Tarifposition eingereiht wurden. Daraus ergibt sich, dass die LGK 131 und 8471 für die dänischen Zollbehörden Waren darstellten, die mit den anderen eingeführten LGK, auch denen, für die eine VZTA erteilt worden war, in zolltariflicher Hinsicht identisch waren. Diese Beurteilung wird auch durch den an die Kommission gerichteten Antrag der dänischen Zollbehörden bestätigt, in dem es heißt, dass „alle Proben einen Anteil an Proteinen von mindestens 80 GHT, bezogen auf die Trockenmasse, aufwiesen“ und dass die fraglichen Waren „aus Konzentraten verschiedener Molkenproteine mit über 80 GHT an Molkenproteinen“ bestanden. Diese Tatsachenfeststellung wird auch vom Landsskatteret in seiner Entscheidung vom 13. September 2007 wiedergegeben. Unter Berücksichtigung der Erläuterungen der Parteien in ihren Schriftsätzen wird bei der zolltariflichen Einreihung der fraglichen Waren jedoch nur zwischen Waren, die einen Gehalt an Molkenproteinen von über 80 GHT aufweisen, und solchen, die einen Gehalt an Molkenproteinen von unter 80 GHT aufweisen, unterschieden. Daraus folgt, dass die fraglichen Waren nach den Erläuterungen der dänischen Zollbehörden im Hinblick auf die zolltarifliche Einreihung tatsächlich identisch waren, was die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat. Insbesondere war die Kommission in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, maßgebliche Unterschiede zwischen den fraglichen LGK anzuführen, die die Annahme zuließen, dass es sich bei diesen LGK nicht um eine einzige Art von Waren im Sinne des Zollrechts handelt (Urteil des Gerichtshofs vom 2. Dezember 2010, Schenker, C‑199/09, Slg. 2009, I‑12311, Randnr. 24). Die Kommission hat außerdem die Feststellung der dänischen Zollbehörden zur Identität der fraglichen Waren in zolltariflicher Hinsicht nie in Frage gestellt oder zusätzliche Auskünfte angefordert. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 871 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zum Zollkodex (ABl. L 253, S. 1), wenn sich herausstellt, dass die von dem Mitgliedstaat mitgeteilten Angaben nicht ausreichen, um in voller Kenntnis der Sachlage über den unterbreiteten Entwurf zu entscheiden, von diesem Mitgliedstaat oder jedem anderen Mitgliedstaat zusätzliche Angaben anfordern kann. Demnach durfte die Klägerin im vorliegenden Fall davon ausgehen, dass die LGK 131 und 8471, auch wenn für sie keine VZTA erteilt worden war, in die gleiche Tarifposition einzureihen waren wie die Waren, für die eine VZTA erteilt worden war.

34      Nach alledem ist festzustellen, dass den dänischen Zollbehörden bei der zolltariflichen Einreihung der LGK 131 und 8471 ein Irrtum im Sinne von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK unterlaufen ist. Der angefochtene Beschluss ist daher rechtswidrig, soweit er darauf beruht, dass kein solcher Irrtum vorliegt.

35      Folglich ist, ohne dass der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte zweite Klagegrund zu prüfen wäre, dem ersten Klagegrund stattzugeben und Art. 1 Abs. 2 und 4 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit er die Einfuhren von LGK 131 und 8471 betrifft.

 Kosten

36      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 1 Abs. 2 und 4 des Beschlusses K(2010) 7692 endg. der Kommission vom 12. November 2010 zur Feststellung, dass die nachträgliche buchmäßige Erfassung bestimmter Einfuhrabgaben gerechtfertigt und der Erlass dieser Abgaben nicht gerechtfertigt ist (Sache REC 03/08), ist nichtig, soweit er die Einfuhren der Lactoglobulinkonzentrate 131 und 8471 betrifft.

2.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Recombined Dairy System A/S.

Forwood

Dehousse

Schwarcz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Juni 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Dänisch.