Language of document : ECLI:EU:T:2009:392

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

7. Oktober 2009(*)

„Pflanzenschutzmittel – Wirkstoff Chlorthalonil – Änderung der Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG – Richtlinie 2006/76/EG – Rückwirkung – Kein Übergangszeitraum – Rechtssicherheit – Berechtigtes Vertrauen – Grundsatz der Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑380/06

Vischim Srl mit Sitz in Cesano Maderno (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Mereu und K. Van Maldegem,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Parpala und B. Doherty als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung von Art. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/76/EG der Kommission vom 22. September 2006 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates im Hinblick auf die Spezifikation des Wirkstoffs Chlorthalonil (ABl. L 263, S. 9)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. W. H. Meij sowie der Richter F. Dehousse und V. Vadapalas (Berichterstatter),

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2008

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 91/414/EWG

1        Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1) „tragen [die Mitgliedstaaten] dafür Sorge, dass ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen wird, wenn … seine Wirkstoffe in Anhang I aufgeführt und die dort festgelegten Bedingungen erfüllt sind“.

2        Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 „[wird] ein Wirkstoff … nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse für einen anfänglichen Zeitraum von höchstens zehn Jahren in Anhang I aufgenommen, wenn angenommen werden kann, dass die diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmittel [die] Voraussetzungen erfüllen“, die in der Richtlinie im Anschluss festgelegt werden und die Unschädlichkeit dieser Mittel für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt betreffen.

3        Nach Art. 5 Abs. 4 erster und zweiter Gedankenstrich dieser Richtlinie kann die Aufnahme an Bedingungen in Bezug auf „den Mindestreinheitsgrad des Wirkstoffs“ und „die Art und den Höchstgehalt bestimmter Verunreinigungen“ geknüpft werden.

4        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 bestimmt:

„Die Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I wird nach dem Verfahren des Artikels 19 beschlossen.

Nach diesem Verfahren wird auch über Folgendes entschieden:

–        die etwaigen Voraussetzungen für diese Aufnahme,

–        die gegebenenfalls nötigen Änderungen an Anhang I,

…“

5        Nach Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 91/414 „kann ein Mitgliedstaat [abweichend von Art. 4] während eines Zeitraums von zwölf Jahren vom Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie an zulassen, dass in seinem Gebiet Pflanzenschutzmittel in den Verkehr gebracht werden, die nicht in Anhang I aufgeführte Wirkstoffe enthalten und zwei Jahre nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie bereits im Handel sind“.

6        Nach Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 91/414 beginnt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften innerhalb dieses Zeitraums von zwölf Jahren mit einem Arbeitsprogramm für die schrittweise Prüfung dieser Wirkstoffe.

7        Laut Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 91/414 kann „[n]ach der Prüfung eines Wirkstoffs durch den in Artikel 19 genannten Ausschuss … innerhalb [dieses] Zeitraums … nach dem Verfahren desselben Artikels entschieden werden, dass und unter welchen Voraussetzungen der Wirkstoff in Anhang I aufgenommen werden kann bzw. dass er, wenn die Anforderungen des Artikels 5 nicht erfüllt oder die angeforderten Informationen und Angaben nicht fristgerecht vorgelegt worden sind, nicht in Anhang I aufgenommen wird“. Dort heißt es weiter: „[D]ie Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die betreffenden Zulassungen in einem vorgeschriebenen Zeitraum erteilt, widerrufen bzw. geändert werden.“

8        Art. 19 der Richtlinie 91/414 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 des Rates vom 14. April 2003 (ABl. L 122, S. 1) geänderten Fassung sieht vor, dass die Kommission von einem Regelungsausschuss, dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit (im Folgenden: Ausschuss), unterstützt wird.

9        Hinsichtlich des Wirkstoffs Chlorthalonil wurde die in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/414 bezeichnete Frist, die am 26. Juli 2003 ablaufen sollte, zunächst durch die Verordnung (EG) Nr. 2076/2002 der Kommission vom 20. November 2002 (ABl. L 319, S. 3) bis zum 31. Dezember 2005 und sodann durch die Verordnung (EWG) Nr. 1335/2005 der Kommission vom 12. August 2005 (ABl. L 211, S. 6) bis zum 31. Dezember 2006 unter der Bedingung verlängert, dass nicht schon vorher eine Entscheidung über seine Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414 getroffen worden sei.

 Verordnung (EWG) Nr. 3600/92

10      Die Verordnung (EWG) Nr. 3600/92 der Kommission vom 11. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen für die erste Stufe des Arbeitsprogramms gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/414 (ABl. L 366, S. 10) regelt für mehrere Wirkstoffe das Bewertungsverfahren mit Blick auf ihre etwaige Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414.

11      Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3600/92 bestimmt, dass „Hersteller, die die Aufnahme eines … Wirkstoffs … in Anhang I der Richtlinie [91/414] wünschen, … bei der Kommission innerhalb von sechs Monaten vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung an einen entsprechenden Antrag [stellen]“.

12      Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 3600/92 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1199/97 der Kommission vom 27. Juni 1997 (ABl. L 170, S. 19) geänderten Fassung regelt die Durchführung der Prüfung der von den Antragstellern eingereichten Unterlagen.

13      Art. 8 Abs. 3 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 3600/92 in geänderter Fassung sieht vor:

„[D]ie Kommission [legt] dem Ständigen Ausschuss nach der Prüfung … einen der folgenden Entwürfe vor:

a)      den Entwurf einer Richtlinie, um den Wirkstoff in Anhang I der Richtlinie [91/414] aufzunehmen, wobei erforderlichenfalls die Bedingungen, einschließlich der Frist, für diese Aufnahme anzugeben sind;

…“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Aufnahme von Chlorthalonil in Anhang I der Richtlinie 91/414

14      Die Klägerin Vischim Srl, eine Gesellschaft italienischen Rechts, die Chlorthalonil herstellt, teilte der Kommission mit Schreiben vom 8. Juli 1993 mit, dass sie an der Aufnahme dieses Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 interessiert sei.

15      Nur zwei Antragsteller für Chlorthalonil reichten ihre Unterlagen fristgemäß ein, nämlich die Firma ISK Biotech Europe (die im Laufe des Bewertungsverfahrens durch die Firma Zeneca Agrochemicals ersetzt wurde, die ihrerseits zur Firma Syngenta wurde) und die Klägerin.

16      Im Anschluss an die Prüfung dieser Unterlagen erließ die Kommission am 16. September 2005 die Richtlinie 2005/53/EG zur Änderung der Richtlinie 91/414 zwecks Aufnahme der Wirkstoffe Chlorthalonil, Chlortoluron, Cypermethrin, Daminozid und Thiophanatmethyl (ABl. L 241, S. 51).

17      Gemäß Art. 1 der Richtlinie 2005/53 und ihres Anhangs wurde Chlorthalonil als Eintrag Nr. 102 in die Tabelle in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen. In der vierten Spalte („Reinheit“) dieser Tabelle heißt es: „Hexachlorbenzol: höchstens 0,01 g/kg“.

18      Aus dem Bericht über die Neubewertung von Chlorthalonil (Dokument SANCO/4343/2000 final vom 14. Februar 2005) geht hervor, dass diese Voraussetzung in Bezug auf den Höchstgehalt an Hexachlorbenzol (HCB) auf der Spezifikation von Chlorthalonil durch die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) vom Februar 2005 basiert.

19      Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/53 waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Chlorthalonil enthalten, gegebenenfalls bis zum 31. August 2006 zu ändern oder zu widerrufen, wobei sie zum einen zu prüfen hatten, ob die Bedingungen in Anhang I der Richtlinie 91/414 erfüllt waren, und zum anderen, ob der Zulassungsinhaber ein Dossier besaß, das die Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 gemäß den in ihrem Art. 13 aufgeführten Bedingungen erfüllte, oder Zugang dazu hatte.

20      Die Richtlinie 2005/53 trat am 1. März 2006 in Kraft. Nach ihrem Art. 2 Unterabs. 1 und 2 hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Bestimmungen zu erlassen, um dieser Richtlinie spätestens am 31. August 2006 nachzukommen, und diese Vorschriften ab 1. September 2006 anzuwenden.

21      Am 25. November 2005 erhob die Klägerin Klage u. a. auf Nichtigerklärung der Richtlinie 2005/53 (Rechtssache T‑420/05).

22      Im Rahmen der Klage stellte die Klägerin nacheinander zwei Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz, die durch Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 4. April 2006, Vischim/Kommission (T‑420/05 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), und vom 13. Oktober 2006, Vischim/Kommission (T‑420/05 R II, Slg. 2006, II‑4085), zurückgewiesen wurden, wobei letztgenannter Beschluss durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. April 2007, Vischim/Kommission (C‑459/06 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), bestätigt wurde.

 Änderung der Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414

23      Im Dezember 2005 veröffentlichte die FAO auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Informationen eine neue Spezifikation für Chlorthalonil, nach der dessen Höchstgehalt an HCB auf 0,04 g/kg heraufgesetzt wurde.

24      Die Klägerin unterrichtete die Kommission von dieser neuen Spezifikation mit Schreiben vom 16. Dezember 2005.

25      Im März 2006 bat die Kommission den Bericht erstattenden Mitgliedstaat, verschiedene der neuen Spezifikation der FAO entsprechende Versionen von Chlorthalonil – darunter das Erzeugnis der Klägerin – zu prüfen.

26      Gleichzeitig übersandten die Dienststellen der Kommission den Mitgliedstaaten eine E-Mail mit folgendem Wortlaut:

„[Der Bericht erstattende Mitgliedstaat] hat begonnen, die Gleichwertigkeit von Erzeugnissen verschiedener Herkunft (darunter Erzeugnisse von Vischim) zu prüfen. Ergibt sich, dass diese genauso sicher sind wie das Referenzerzeugnis, wird die Kommission eine Änderung der Richtlinie [91/414] in Bezug auf den zulässigen HCB-Gehalt in Erwägung ziehen. In einem solchen Fall könnte sich eine formelle Änderung des Textes vor dem 1. September 2006 als schwierig erweisen, so dass hinsichtlich dieses Zeitpunkts eine gewisse Flexibilität der Verwaltung notwendig sein könnte. Es wäre misslich, wenn Erzeugnisse vom nationalen Markt genommen würden, nur um kurz darauf wieder zugelassen zu werden. Es ist offensichtlich, dass die Rücknahme von Zulassungen noch erforderlich sein wird, wenn sich herausstellt, dass die Prüfung der Unterlagen eindeutig negativ ausfällt, oder wenn die einschlägigen Verwaltungsvorschriften nicht eingehalten sind.“

27      Der Bericht erstattende Mitgliedstaat stellte nach Abschluss seiner Prüfung im April 2006 fest, dass Chlorthalonil mit einem HCB-Gehalt von 0,04 g/kg keine weiteren Risiken berge als diejenigen, die bereits bei Erlass der Richtlinie 2005/53 in Betracht gezogen worden seien. Er schlug deshalb eine Änderung der in der Richtlinie 2005/53 enthaltenen Spezifikation für Chlorthalonil vor.

28      Diese Änderung wurde am 13. und 14. Juli 2006 vom Ausschuss gebilligt. Zur Frist für die Einführung der geänderten Spezifikation ist im Protokoll der Ausschusssitzung u. a. ausgeführt:

„[Ü]ber die Änderung der Spezifikation ist ein allgemeiner Konsens erzielt worden, und die Kommission hat zugesichert, unverzüglich einen Entwurf vorzulegen … Eine Verlängerung der Sechsmonatsfrist für die Vorlage fehlender wissenschaftlicher Studien erscheint nicht angebracht. Dies könnte einen Präzedenzfall schaffen und würde die Kommission dem Vorwurf einer Ungleichbehandlung von Antragstellern aussetzen … Aus diesen Gründen ist es nicht zweckmäßig, von der durch die Aufnahmerichtlinie gesetzten Regelfrist abzuweichen … Das Vereinigte Königreich bittet um eine Verlängerung der Umsetzungsfrist in diesem Fall, um Vischim Gelegenheit zu geben, ein Schlichtungsverfahren nach nationalem Recht einzuleiten, damit sie nach der Abstimmung über die Aufnahme des Stoffes Zugang zu Wirbeltierstudien erhält.“

29      Mit Schreiben vom 27. Juli 2006 teilte die Klägerin der Kommission mit, dass „die Änderung, um ihre Wirkung auf die Zulassungen [der Klägerin] entfalten zu können, erstens vor dem 31. August 2006 in Kraft treten und zweitens den Mitgliedstaaten eine neue Frist für die Prüfung einräumen muss, ob die Voraussetzungen für die Aufnahme in Anhang I vorliegen“. Die Kommission hat dieses Schreiben unbeantwortet gelassen.

30      Zwischen Juli und September 2006 wurde der Klägerin von den zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, des Königreichs Belgien und Irlands mitgeteilt, dass sie die Absicht hätten, das Erzeugnis der Klägerin vom Markt zu nehmen.

31      Im Einzelnen ist in dem Schreiben der Behörden des Vereinigten Königreichs an die Klägerin, das auf den 28. Juli 2006 datiert ist, ausgeführt:

„[Ihr Erzeugnis entspricht] der neuen [Reinheitsspezifikation] in der vom [Ausschuss] am 13. und 14. Juli 2006 geänderten Fassung, [doch] haben Sie noch nicht nachgewiesen, dass Sie für Ihre bereits zugelassenen Erzeugnisse, die Chlorthalonil enthalten, Zugang zu Daten des Anhangs II haben … Deshalb ist diesem Schreiben eine Ankündigung beigefügt, Ihre im Handel befindlichen Erzeugnisse, die Chlorthalonil enthalten, vom Markt zu nehmen.“

32      Am 22. September 2006 erließ die Kommission die Richtlinie 2006/76/EG zur Änderung der Richtlinie 91/414 im Hinblick auf die Spezifikation des Wirkstoffs Chlorthalonil (ABl. L 263, S. 9, im Folgenden: angefochtene Richtlinie).

33      Nach Art. 1 der angefochtenen Richtlinie wurde die in Anhang I der Richtlinie 91/414 vorgesehene Spezifikation für Chlorthalonil durch die Tabelle im Anhang ersetzt. In der vierten Spalte („Reinheit“) dieser Tabelle heißt es: „Hexachlorbenzol: höchstens 0,04 g/kg“.

34      Die angefochtene Richtlinie trat am 23. September 2006 in Kraft. Nach ihrem Art. 2 hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Bestimmungen zu erlassen, um dieser Richtlinie spätestens am 31. August 2006 nachzukommen, und sie ab 1. September 2006 anzuwenden.

 Verfahren und Anträge der Parteien

35      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 15. Dezember 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

36      Mit an demselben Tag eingegangenem gesonderten Schriftsatz hat die Klägerin einen Antrag auf beschleunigtes Verfahren nach Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts gestellt, der durch Entscheidung des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 24. Januar 2007 zurückgewiesen worden ist.

37      Am 27. Februar 2007 hat die Kommission mit gesondertem Schriftsatz eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Nach Stellungnahme der Klägerin hat das Gericht mit Beschluss vom 27. Juni 2007 die Entscheidung über die Unzulässigkeitseinrede dem Endurteil vorbehalten.

38      Nach Einreichung der Klagebeantwortung hat das Gericht gemäß Art. 47 § 1 seiner Verfahrensordnung entschieden, dass ein zweiter Schriftsatzwechsel nicht erforderlich ist.

39      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

40      Da ein Richter an der weiteren Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat der Präsident des Gerichts gemäß Art. 32 § 3 der Verfahrensordnung einen anderen Richter dazu bestimmt, den Spruchkörper zu vervollständigen.

41      Nach Anhörung der Parteien ist die vorliegende Rechtssache zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung mit der Rechtssache T‑420/05 verbunden worden.

42      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen schriftlich Fragen gestellt, die sie mit Schriftsätzen vom 16. Juni, 7. und 14. Juli 2008 beantwortet haben.

43      Die Parteien haben in der Sitzung vom 25. September 2008 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

44      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Richtlinie teilweise für nichtig zu erklären, insbesondere ihren Art. 2 Unterabs. 2;

–        die Kommission zu verurteilen, in Zusammenhang mit der angefochtenen Richtlinie künftig präzise, angemessene und rechtlich zulässige Fristen vorzusehen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

45      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig oder, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

46      Zunächst ist zum Antrag der Klägerin, das Gericht möge die Kommission verurteilen, in Zusammenhang mit der angefochtenen Richtlinie künftig präzise, angemessene und rechtlich zulässige Fristen vorzusehen, daran zu erinnern, dass der Gemeinschaftsrichter im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 230 EG nicht befugt ist, den Organen Weisungen zu erteilen (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2006, SELEX Sistemi Integrati/Kommission, T‑155/04, Slg. 2006, II‑4797, Randnr. 28).

47      Daher ist dieser zweite Antrag der Klägerin unzulässig.

48      Der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 Unterabs. 2 der angefochtenen Richtlinie ist nach Ansicht der Kommission unzulässig, weil erstens die von der Klägerin beantragte teilweise Nichtigerklärung nicht möglich sei und weil es sich bei der angefochtenen Richtlinie zweitens um einen Gesetzgebungsakt handele.

49      Die Klägerin hält ihren Antrag für zulässig.

50      Zum ersten Unzulässigkeitseinwand der Kommission ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts nur möglich ist, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt wird, vom Rest des Rechtsakts trennen lassen. Dieses Erfordernis der Abtrennbarkeit ist nicht erfüllt, wenn die teilweise Nichtigerklärung zur Folge hätte, dass der Wesensgehalt des angefochtenen Rechtsakts verändert würde (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2006, Parlament/Rat, C‑540/03, Slg. 2006, I‑5769, Randnrn. 27 und 28 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Nach Art. 2 Unterabs. 2 der angefochtenen Richtlinie wenden die Mitgliedstaaten die Bestimmungen, die sie erlassen haben, um dieser Richtlinie nachzukommen, ab 1. September 2006, also rückwirkend, an.

52      Die Klägerin betont, dass ihre Klage nicht auf die Nichtigerklärung der gesamten angefochtenen Richtlinie gerichtet sei, die für sie im Wesentlichen günstig sei, sondern nur ihre zeitliche Wirkung betreffe, die vor allem in der streitigen Bestimmung festgelegt sei.

53      Die Kommission trägt vor, dass sich die fragliche Bestimmung, in der der zeitliche Geltungsbereich der angefochtenen Richtlinie festgelegt werde, nicht von der Richtlinie abtrennen lasse, denn im Fall der Nichtigerklärung dieser Bestimmung werde die angefochtene Richtlinie unanwendbar.

54      Hierzu ist festzustellen, dass nichts daran hindert, die Rechtmäßigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts nur in Bezug auf seine zeitliche Wirkung und insbesondere seine Rückwirkung in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 11. Juli 1991, Crispoltoni, C‑368/89, Slg. 1991, I‑3695, und vom 1. April 1993, Diversinte und Iberlacta, C‑260/91 und C‑261/91, Slg. 1993, I‑1885).

55      Ferner kann der Gemeinschaftsrichter im Rahmen einer Klage, die nicht auf die Beseitigung einer für die Klägerseite günstigen materiellen Vorschrift gerichtet ist, sondern nur auf die Nichtigerklärung der Bestimmung, die ihre zeitliche Wirkung festlegt, nach Art. 231 Abs. 2 EG entscheiden, den angefochtenen Rechtsakt aufrechtzuerhalten, bis die zuständigen Organe die Maßnahmen ergriffen haben, die sich aus dem Urteil ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. Juni 2000, Medici Grimm/Rat, T‑7/99, Slg. 2000, II‑2671, Randnrn. 93 und 94 und die dort angeführte Rechtsprechung). Art. 231 Abs. 2 EG bezieht sich zwar nur auf Verordnungen, doch muss sich sein Anwendungsbereich auf Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane erstrecken, die, obwohl nicht in Form einer Verordnung ergangen, gleichartige Wirkungen wie eine Verordnung entfalten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 1992, Parlament/Rat, C‑295/90, Slg. 1992, I‑4193, Randnr. 26).

56      Daher ist der von der Kommission erhobene Unzulässigkeitseinwand, die teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Richtlinie, nämlich nur ihres Art. 2 Unterabs. 2, der ihre zeitliche Wirkung bestimme, sei nicht möglich, zurückzuweisen.

57      Zum zweiten Unzulässigkeitseinwand der Kommission, den sie auf die Natur der angefochtenen Richtlinie als Gesetzgebungsakt stützt, ist daran zu erinnern, dass der Umstand, dass Art. 230 Abs. 4 EG nicht ausdrücklich die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine Richtlinie behandelt, nicht ausreicht, um solche Klagen für unzulässig zu erklären (Urteil des Gerichts vom 17. Juni 1998, UEAPME/Rat, T‑135/96, Slg. 1998, II‑2335, Randnr. 63, und Beschluss des Gerichts vom 10. September 2002, Japan Tobacco und JT International/Parlament und Rat, T‑223/01, Slg. 2002, II‑3259, Randnr. 28).

58      Zudem ist die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Antragstellerin und Inhaberin von geltenden Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Chlorthalonil enthalten, von der in der Richtlinie 2005/53 vorgesehenen Aufnahme dieses Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 und somit von der angefochtenen Richtlinie, die die Voraussetzungen für die Aufnahme ändert, individuell und unmittelbar betroffen. Ferner ist zu bemerken, dass die angefochtene Richtlinie nach Abschluss einer Prüfung erlassen wurde, die von der Klägerin beantragt worden war und insbesondere ihr Erzeugnis betraf.

59      Demnach ist der Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung der angefochtenen Richtlinie, soweit es die in Art. 2 Unterabs. 2 festgelegte zeitliche Wirkung betrifft, zulässig.

 Zur Begründetheit

 Vorbringen der Parteien

60      Die Klägerin trägt einen ersten Klagegrund vor, mit dem sie einen Begründungsmangel rügt. Die angefochtene Richtlinie enthalte keine Begründung, die ihre Rückwirkung rechtfertige. Die Kommission habe nicht erläutert, wie diese Rückwirkung de iure und de facto funktionieren solle, um eine zweckmäßige Umsetzung der geänderten Spezifikation zu ermöglichen.

61      Mit dem zweiten Klagegrund macht die Klägerin Verstöße gegen Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/414 und Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 3600/92 geltend. Diese Bestimmungen gäben der Kommission auf, in einer Richtlinie über die Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 einen Übergangszeitraum für die Überprüfung der geltenden nationalen Zulassungen vorzusehen. Dass es eine solche Verpflichtung gebe, werde durch die Entscheidungspraxis der Kommission bestätigt. Um zweckdienlich und wirkungsvoll sein zu können, müsse dieser Übergangszeitraum notwendigerweise in der Zukunft liegen, also nach dem Inkrafttreten der angefochtenen Richtlinie beginnen. Die Kommission habe dadurch, dass sie einen solchen Übergangszeitraum im vorliegenden Fall nicht vorgesehen habe, eine wesentliche prozedurale Pflicht aus der Richtlinie 91/414 und aus der Verordnung Nr. 3600/92 verletzt.

62      Unter Beibehaltung der Ausrichtung ihrer Argumentation darauf, dass in der angefochtenen Richtlinie ein in der Zukunft liegender Übergangszeitraum fehle, rügt die Klägerin sodann einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot sowie gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung.

63      Sie beruft sich hierfür auf die Rechtsprechung, nach der eine Gemeinschaftsmaßnahme nur ausnahmsweise rückwirkend anwendbar sein könne, nämlich wenn ihr Ziel es verlange und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen beachtet sei. Im vorliegenden Fall sei keine dieser Voraussetzungen erfüllt.

64      Die Rückwirkung der angefochtenen Richtlinie könne nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Anwendung der strengeren Spezifikation gemäß der Richtlinie 2005/53 zu verhindern. Diese habe nämlich bereits Rechtswirkungen in Form der Rücknahme von Zulassungen der Klägerin entfaltet. Unter diesen Umständen habe die rückwirkende Änderung nur dann eine Wirkung, wenn sie mit einem in der Zukunft liegenden Übergangszeitraum verbunden werde, innerhalb dessen die Übereinstimmung mit der neuen Spezifikation nachgewiesen werden könne.

65      Dass kein neuer Übergangszeitraum vorgesehen worden sei, enttäusche zudem die berechtigten Erwartungen der Wirtschaftsteilnehmer, die von der einschlägigen Regelung und der Entscheidungspraxis der Kommission geweckt worden seien. Insbesondere werde mangels eines neuen Übergangszeitraums das berechtigte Vertrauen der Klägerin durch die Rückwirkung der angefochtenen Richtlinie verletzt, da es ihr nicht möglich gewesen sei, sich die Rechte aus der Änderung der Spezifikation für Chlorthalonil zunutze zu machen.

66      Ohne Übergangszeitraum habe sie nicht „die Zeit zurückdrehen“ können, um den nationalen Behörden ihr Dossier vorzulegen, damit diese die Übereinstimmung ihres Erzeugnisses mit der durch die angefochtene Richtlinie eingeführten geänderten Spezifikation überprüften. Die Mitgliedstaaten hätten ihrerseits die ihnen aus den neuen einschlägigen Bestimmungen erwachsenden Verpflichtungen, so insbesondere die zur Prüfung oder Überprüfung der nationalen Zulassungen der Klägerin im Licht der neuen Spezifikation, nicht erfüllen können. Somit fehle der angefochtenen Richtlinie die praktische Wirksamkeit, und sie verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

67      Außerdem habe die Kommission die Klägerin nicht genauso behandelt wie die Hersteller, die von den anderen Regelungen auf demselben Gebiet betroffen gewesen seien, in deren Rahmen nach einer Aufnahme von Wirkstoffen in Anhang I der Richtlinie 91/414 ein Übergangszeitraum gegolten habe. Vor allem sei sie damit nicht genauso behandelt worden wie die andere Antragstellerin für Chlorthalonil, Syngenta, die in den Genuss eines solchen in der Richtlinie 2005/53 vorgesehenen Übergangszeitraums gekommen sei.

68      Die Kommission weist das Vorbringen der Klägerin zurück.

 Würdigung durch das Gericht

69      Das Gericht hält es für angezeigt, zunächst die gerügten Verstöße gegen Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/414 und Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 3600/92 sowie gegen die frühere Entscheidungspraxis der Kommission, dann den Verstoß gegen die verschiedenen allgemeinen Rechtsgrundsätze, auf die sich die Klägerin beruft, und schließlich die Verletzung der Begründungspflicht zu prüfen.

–       Zur Rüge der Verstöße gegen Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/414 und Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 3600/92 sowie gegen die frühere Entscheidungspraxis der Kommission

70      Erstens ist zu den Bestimmungen, gegen die ein Verstoß vorliegen soll, festzustellen, dass keine von ihnen die Kommission verpflichtet, einen Übergangszeitraum für die Überprüfung der geltenden nationalen Zulassungen einzuräumen.

71      Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/414 legt ein Arbeitsprogramm mit verschiedenen Zeiträumen für die Prüfung von Wirkstoffen, die zwei Jahre nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bereits im Handel sind, mit Blick auf ihre etwaige Aufnahme in Anhang I dieser Richtlinie fest und behandelt demnach nicht die Festlegung eines Übergangszeitraums durch die Kommission nach der Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I.

72      Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 3600/92 sieht vor, dass die Kommission in einem Richtlinienvorschlag über die Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 gegebenenfalls die Bedingungen einschließlich der Frist für die Aufnahme festlegt. In dieser Bestimmung geht es also um bestimmte Modalitäten während der Aufnahmephase eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414. Eine Verpflichtung der Kommission, für die Überprüfung der geltenden nationalen Zulassungen nach der Aufnahme einen Übergangszeitraum einzuräumen, ergibt sich aus ihr nicht.

73      Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die angefochtene Richtlinie die Richtlinie 2005/53 nicht aufhebt, sondern nur die Spezifikation für den fraglichen Wirkstoff in Anhang I der Richtlinie 91/414 ändert. Sie stellt das gesamte Verfahren für die Aufnahme dieses Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 keineswegs in Frage. Im Rahmen dieses Aufnahmeverfahrens musste die Klägerin gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 933/94 der Kommission vom 27. April 1994 über die Festsetzung der Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln und die Bestimmung der Bericht erstattenden Mitgliedstaaten zur Durchführung der Verordnung Nr. 3600/92 (ABl. L 107, S. 8) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2230/95 der Kommission vom 21. September 1995 (ABl. L 225, S. 1) geänderten Fassung und Art. 6 der Verordnung Nr. 3600/92 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2266/2000 der Kommission vom 12. Oktober 2000 (ABl. L 259, S. 27) ergänzten Fassung eine Zusammenfassung der Unterlagen und die vollständigen Unterlagen vorlegen. Nach Abschluss dieses Verfahrens wurde die Richtlinie 2005/53 erlassen, durch die der Wirkstoff in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen wurde und in der ein Übergangszeitraum für das Wirksamwerden der Aufnahme vorgesehen war. An die Aufnahme von Chlorthalonil in Anhang I der Richtlinie 91/414 schloss sich also im vorliegenden Fall ordnungsgemäß ein Übergangszeitraum an, der es den nationalen Behörden ermöglichte, die geltenden nationalen Zulassungen zu überprüfen.

74      Dass in der angefochtenen Richtlinie kein solcher Übergangszeitraum vorgesehen ist, begründet daher keinen Verstoß gegen die von der Klägerin angeführten Bestimmungen.

75      Was, zweitens, das Vorbringen der Klägerin zur Entscheidungspraxis der Kommission angeht, ist festzustellen, dass eine schlichte Praxis der Verwaltung, die nicht gegen geltendes Recht verstößt und mit der keine Ermessensausübung einhergeht, ein berechtigtes Vertrauen der Betroffenen begründen kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 28. September 2004, MCI/Kommission, T‑310/00, Slg. 2004, II‑3253, Randnr. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Die Kommission macht im vorliegenden Fall geltend, dass ihre ständige Praxis darin bestehe, von den Mitgliedstaaten zu verlangen, bestimmte Entscheidungen innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 zu treffen.

77      Die Praxis der Kommission, eine solche Frist einzuräumen, damit sich die Interessierten auf die neuen Anforderungen vorbereiten und die Mitgliedstaaten die geltenden Zulassungen überprüfen können, ergibt sich auch aus dem neunten und zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/53.

78      Jedoch richtet sich eine solche Praxis vor allem an die Mitgliedstaaten, denen sie Verpflichtungen auferlegt, insbesondere hinsichtlich der ihnen für die Überprüfung zur Verfügung stehenden Zeit, und hat die erstmalige Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 zum Gegenstand.

79      Daher beruft sich die Klägerin auch zu Unrecht auf die Entscheidungspraxis der Kommission, um deren Verpflichtung zu postulieren, im vorliegenden Fall einen Übergangszeitraum für die Überprüfung der geltenden nationalen Zulassungen einzuräumen. Die von der Klägerin angeführte Praxis ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

80      Folglich hat die Kommission weder gegen Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/414 noch gegen Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 3600/92 verstoßen und ist nicht von ihrer vorherigen Praxis abgewichen, soweit sie in der angefochtenen Richtlinie keinen Übergangszeitraum für die Überprüfung der geltenden nationalen Zulassungen eingeräumt hat.

–       Zur Rüge von Verstößen gegen das Rückwirkungsverbot sowie gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung

81      Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass eine Gemeinschaftsregelung, die den Einzelnen auferlegt wird, klar und deutlich ist, damit diese ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und infolgedessen ihre Vorkehrungen treffen können (Urteil vom 9. Juli 1981, Gondrand und Garancini, 169/80, Slg. 1981, 1931, Randnr. 17).

82      Zudem verbietet es der Grundsatz der Rechtssicherheit im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Gemeinschaft auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen, außer in Ausnahmefällen, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist (Urteil des Gerichtshofs vom 25. Januar 1979, Racke, 98/78, Slg. 1979, 69, Randnr. 20; vgl. zur Rückwirkung einer Richtlinie auch Urteil des Gerichtshofs vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, Slg. 1990, I‑4023, Randnr. 45).

83      Im vorliegenden Fall ist deshalb zum einen zu prüfen, ob das angestrebte Ziel die Rückwirkung der angefochtenen Richtlinie rechtfertigt, und zum anderen, ob das berechtigte Vertrauen der Klägerin gebührend beachtet wurde und sie ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und infolgedessen ihre Vorkehrungen treffen konnte.

84      Hinsichtlich der ersten Voraussetzung ergibt sich aus dem ersten und dem zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Richtlinie, dass die Kommission die Spezifikation für Chlorthalonil geändert hat, um die neue Spezifikation der FAO zu berücksichtigen, die nach Erlass der Richtlinie 2005/53 verfügbar wurde. Mit dieser Spezifikation der FAO, die die Spezifikation ersetzte, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 2005/53 galt, wurde die Anforderung bezüglich des HCB-Gehalts geändert, indem der Höchstwert von 0,01 auf 0,04 g/kg heraufgesetzt wurde.

85      Hierzu hat die Kommission im vierten Erwägungsgrund der angefochtenen Richtlinie ausgeführt: „Da die Richtlinie 2005/53 … vorschreibt, dass die Mitgliedstaaten ihren Artikel 2 ab dem 1. September 2006 anwenden, muss auch die geänderte Spezifikation für Chlorthalonil ab diesem Datum gelten.“

86      Dem ist zu entnehmen, dass die Kommission durch die Anordnung einer Rückwirkung der geänderten Spezifikation vermeiden wollte, dass die Mitgliedstaaten, sei es auch nur für sehr kurze Zeit, gehalten sein würden, die strengere Spezifikation der Richtlinie 2005/53 anzuwenden. Mit Blick auf dieses Ziel musste vorgesehen werden, dass die geänderte Spezifikation für Chlorthalonil von dem Zeitpunkt an galt, ab dem die ursprüngliche Spezifikation gelten sollte.

87      Somit ist im vorliegenden Fall die erste von der oben in Randnr. 82 angeführten Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung, dass nämlich das angestrebte Ziel es verlangte, in der angefochtenen Richtlinie die rückwirkende Anwendung der neuen, weniger strengen Spezifikation vorzusehen, erfüllt. Im Übrigen bestreitet die Klägerin die Rückwirkung der angefochtenen Richtlinie nicht, soweit sie eine neue, weniger strenge Spezifikation festlegt.

88      Zur zweiten Voraussetzung – die Beachtung des berechtigten Vertrauens der Betroffenen – ist zunächst festzustellen, dass die Rückwirkung der in der angefochtenen Richtlinie enthaltenen geänderten Spezifikation als solche das berechtigte Vertrauen der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer nicht verletzen konnte, da die neue Spezifikation nur zu weniger strengen Aufnahmevoraussetzungen führte.

89      Die Klägerin ist gleichwohl der Auffassung, dass die angefochtene Richtlinie die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verletze, weil in ihr kein Übergangszeitraum eingeräumt worden sei, der es ihr ermöglicht hätte, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen, und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten eingeschlossen hätte, die geltenden nationalen Zulassungen zu überprüfen.

90      Hierzu ist in Erinnerung zu rufen (vgl. oben, Randnrn. 70 bis 80), dass weder die einschlägigen Bestimmungen noch die Entscheidungspraxis der Kommission dieser vorschreiben, einen solchen Übergangszeitraum im vorliegenden Fall einzuräumen.

91      Die Klägerin hat zudem keine Anhaltspunkte dafür dargetan, dass die Kommission bei ihr die begründete Erwartung geweckt hätte, dass die Änderung der Spezifikation von der Einräumung eines neuen Übergangszeitraums begleitet sein würde. Da die Klägerin selbst diese Änderung angeregt hatte (vgl. oben, Randnrn. 23 und 24), die die Anforderungen für die Zulassung ihrer Erzeugnisse verringert, kann es nicht den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes widersprechen, wenn kein Übergangszeitraum eingeräumt wird, um der Klägerin zu ermöglichen, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen.

92      Im vorliegenden Fall ist jedes Erzeugnis, das der Spezifikation der Richtlinie 2005/53 entspricht, erst recht mit der Spezifikation der angefochtenen Richtlinie vereinbar, so dass die Anpassung an die neuen Anforderungen sowohl von Seiten der Mitgliedstaaten als auch von Seiten der Klägerin keine besonderen Vorkehrungen oder Anstrengungen zu erfordern scheint, die ein berechtigtes Vertrauen in die Einräumung eines Übergangszeitraums zu diesem Zweck rechtfertigten.

93      Im Einzelnen ist unter dem Blickwinkel der Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit festzustellen, dass die Richtlinie 2005/53 und die im erheblichen Zeitraum geltenden klaren und deutlichen Bestimmungen, die nicht durch die angefochtene Richtlinie aufgehoben wurden, es der Klägerin erlaubten, den Umfang der ihr durch sie auferlegten Pflichten unzweideutig zu erkennen. Sie konnte infolgedessen ihre Vorkehrungen treffen und vor allem, wenn sie ihre geltenden Zulassungen behalten wollte, entsprechend den Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 zusammengestellte vollständige Unterlagen vorlegen. Während des Übergangszeitraums, der auf den Erlass der Richtlinie 2005/53 folgte, lag es klar im Interesse der Klägerin, solche Unterlagen vorzulegen oder den Zugang zu ihnen nachzuweisen, um im Besitz ihrer geltenden Zulassungen bleiben zu können.

94      Die Klägerin war nämlich gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/53 davon in Kenntnis gesetzt worden, dass ihre Zulassungen, sollte sie dieser Verpflichtung, die unabhängig von der Verpflichtung in Bezug auf die Übereinstimmung eines Erzeugnisses mit der Gemeinschaftsspezifikation besteht, nicht nachkommen, widerrufen würden.

95      Daneben ergibt sich bei näherer Betrachtung des Kontexts aus dem Sachverhalt des vorliegenden Falles, dass der Klägerin die Absicht der Kommission, die Spezifikation für Chlorthalonil zu ändern, um die im Dezember 2005 von der FAO verabschiedete Spezifikation zu berücksichtigen, sowie der Umstand bekannt waren, dass sich diese Änderung in den Rahmen der Überprüfung nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/53 einfügen würde.

96      Das Verfahren, das dem Erlass der angefochtenen Richtlinie vorausging, war nämlich auf der Grundlage der Informationen eröffnet worden, die von der Klägerin am 16. Dezember 2005 vorgelegt worden waren, und die Klägerin war sowohl über das Ergebnis des vom Bericht erstattenden Mitgliedstaats im April 2006 vorgelegten Berichts, in dem vorgeschlagen wurde, die Spezifikation der Richtlinie 2005/53 zu ändern, als auch über die Annahme dieses Vorschlags durch den Ausschuss am 13. und 14. Juli 2006 informiert worden.

97      Dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Behörden des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland vom 28. Juli 2006 (vgl. oben, Randnr. 31) sowie den Schreiben der Behörden Irlands vom 30. August 2006 und des Königreichs Belgien vom 7. September 2006, die von der Kommission vorgelegt wurden, ist zu entnehmen, dass einige Zulassungen der Klägerin nicht mangels Übereinstimmung mit der Spezifikation für Chlorthalonil der Richtlinie 2005/53 widerrufen wurden, sondern mangels Vorlage eines Dossiers, das den Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 entsprach, oder mangels Nachweises eines Zugangs zu einem solchen Dossier.

98      Die Klägerin kann daher nicht das Recht beanspruchen, in einer erneuten Prüfung ihrer Zulassungen innerhalb eines neuen Übergangszeitraums die Lücken in ihrem Dossier zu schließen, obwohl sie das Interesse daran, während des Übergangszeitraums, der auf den Erlass der Richtlinie 2005/53 folgte, ein den Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 entsprechendes Dossier vorzulegen, vollständig ermessen konnte. Die Anforderungen an die Vorlage dieses Dossiers sind unverändert geblieben. Jedes Dossier, das die Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 erfüllte, tat dies unter der Geltung der Richtlinie 2005/53 und gleichermaßen unter der Geltung der angefochtenen Richtlinie. Die Kommission hatte also bei Erlass der angefochtenen Richtlinie weder hinsichtlich der Spezifikation noch hinsichtlich der Vorlage eines ordnungsgemäßen Dossiers Veranlassung, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, eine erneute Prüfung der geltenden Zulassungen vorzunehmen, und hierfür einen Übergangszeitraum einzuräumen.

99      Demnach verletzt die rückwirkende Anwendung der durch die angefochtene Richtlinie eingeführten neuen Spezifikation nicht die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin fehlt der angefochtenen Richtlinie auch nicht die praktische Wirksamkeit. Sie ermöglicht nämlich die Aufrechterhaltung der geltenden Zulassungen für Erzeugnisse, die der von ihr eingeführten neuen Spezifikation entsprechen, sofern der Inhaber der Zulassung die anderen Anforderungen der Richtlinie 2005/53 erfüllt hat.

100    Was den Grundsatz der Gleichbehandlung angeht, so ist dieser nur verletzt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 1990, Hoche, C‑174/89, Slg. 1990, I‑2681, Randnr. 25).

101    Im vorliegenden Fall läuft aber das Vorbringen der Klägerin im Wesentlichen auf einen Vergleich unterschiedlicher Situationen hinaus. Die Aufnahme eines Stoffes in Anhang I der Richtlinie 91/414 ist nämlich nicht mit der bloßen Änderung der Spezifikation dieses – bereits aufgenommenen – Stoffes vergleichbar, so dass die angefochtene Richtlinie nicht zwangsläufig dieselben Übergangsmodalitäten vorsehen musste wie die Richtlinie 2005/53, die im Übrigen nicht aufgehoben wurde.

102    Da die Klägerin zudem wie die anderen Hersteller den Übergangszeitraum nutzen konnte, der auf den Erlass der Richtlinie 2005/53 und damit auf die Aufnahme von Chlorthalonil in Anhang I der Richtlinie 91/414 folgte, und insbesondere den nationalen Behörden in diesem Rahmen ein Dossier vorlegen konnte, das den Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 entsprach, kann sie keine Ungleichbehandlung mit den anderen Herstellern dieses Stoffes oder im Hinblick auf jeden anderen Stoff bei seiner Aufnahme in Anhang I dieser Richtlinie geltend machen. Die Klägerin hat darüber hinaus nicht dargetan, dass die Kommission bei der Änderung der Spezifikation eines bereits in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommenen Stoffes anderen Herstellern Übergangszeiträume eingeräumt hätte.

103    Folglich hat die Kommission nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, indem sie in der angefochtenen Richtlinie keinen Übergangszeitraum für die Überprüfung der geltenden Zulassungen nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/53 einräumte.

104    Ein Verstoß gegen die von der Klägerin angeführten allgemeinen Rechtsgrundsätze scheidet daher aus.

–       Zur Rüge der Verletzung der Begründungspflicht

105    Nach ständiger Rechtsprechung muss die in Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung die Überlegungen der Gemeinschaftsstelle, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen und damit ihre Rechte wahrnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. September 2002, Europe Chemi-Con [Deutschland]/Rat, T‑89/00, Slg. 2002, II‑3651, Randnr. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106    Zur Rüge eines Begründungsmangels bezüglich der Bestimmung der angefochtenen Richtlinie, die ihren zeitlichen Geltungsbereich regelt, ist zum einen festzustellen, dass die oben in den Randnrn. 84 und 85 angeführten Erwägungsgründe 1, 2 und 4 der angefochtenen Richtlinie die Gründe dafür, dass die Kommission die geänderte Spezifikation mit einer Rückwirkung versehen hat, klar erkennen lassen.

107    Zum anderen war die Kommission nicht gehalten, die Gründe anzugeben, aus denen sie keinen Übergangszeitraum für die Überprüfung der nationalen Zulassungen einräumte. Wie sich nämlich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, verpflichteten weder die einschlägigen Bestimmungen noch die frühere Entscheidungspraxis der Kommission oder die von der Klägerin angeführten allgemeinen Rechtsgrundsätze die Kommission, einen solchen Übergangszeitraum einzuräumen.

108    Daher macht die Klägerin zu Unrecht geltend, die angefochtene Richtlinie sei mit einem Begründungsmangel behaftet.

109    Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

110    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Vischim Srl trägt die Kosten.

Meij

Dehousse

Vadapalas

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Oktober 2009.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.