Language of document : ECLI:EU:C:2010:584

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

6. Oktober 2010(*)

„Elektronische Kommunikation – Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) – Art. 2 Buchst. g, 3 und 4 – Nationale Regulierungsbehörde – Nationaler Gesetzgeber als nationale Regulierungsbehörde – Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie) – Netze und Dienste – Art. 12 – Berechnung der Kosten der Universaldienstverpflichtungen – Soziale Komponente des Universaldienstes – Art. 13 – Finanzierung der Universaldienstverpflichtungen – Bestimmung der unzumutbaren Belastung“

In der Rechtssache C‑389/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Grondwettelijk Hof (Belgien) mit Entscheidung vom 1. September 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 8. September 2008, in dem Verfahren

Base NV u. a.

gegen

Ministerraad,

Beigeladene:

Belgacom NV,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Richterin C. Toader sowie der Richter K. Schiemann, P. Kūris und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Base NV u. a., vertreten durch D. Arts und T. De Cordier, advocaten,

–        der Belgacom NV, vertreten durch F. Vandendriessche und H. Viaene, advocaten,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von S. Depré, advocaat,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch H. van Vliet und A. Nijenhuis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Juni 2010

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. L 108, S. 51).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage der Base NV u. a. (im Folgenden: Base u. a.) auf Nichtigerklärung der Art. 173 Nrn. 4 und 5, 200, 202 und 203 des Gesetzes vom 25. April 2007 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen (IV) (Belgisch Staatsblad vom 8. Mai 2007, S. 25103, im Folgenden: Gesetz vom 25. April 2007), durch das das Gesetz vom 13. Juni 2005 über die elektronische Kommunikation (Belgisch Staatsblad vom 20. Juni 2005, S. 28070, im Folgenden: Gesetz vom 13. Juni 2005) geändert wurde, das insbesondere die Voraussetzungen festlegt, unter denen die Entschädigung für die sogenannten unzumutbaren Belastungen bestimmt wird, die den Betreibern, die einen öffentlichen Telefondienst anbieten, aufgrund der Universaldienstverpflichtungen entstehen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Rahmenrichtlinie

3        Der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33, im Folgenden: Rahmenrichtlinie) lautet:

„Nach dem Grundsatz der Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen sollten die Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit ihrer Regulierungsbehörde(n) garantieren, um die Unparteilichkeit ihrer Beschlüsse sicherzustellen. Die Anforderung der Unabhängigkeit berührt weder die institutionelle Autonomie und die verfassungsmäßigen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten noch den Grundsatz der Neutralität im Hinblick auf die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten nach Artikel 295 [EG]. Die nationalen Regulierungsbehörden sollten in Bezug auf Personal, Fachwissen und finanzielle Ausstattung über die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendigen Mittel verfügen.“

4        Art. 2 Buchst. g der Rahmenrichtlinie definiert „nationale Regulierungsbehörde“ als „eine oder mehrere Stellen, die von einem Mitgliedstaat mit einer der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten Regulierungsaufgaben beauftragt werden“.

5        Art. 3 („Nationale Regulierungsbehörden“) der Rahmenrichtlinie bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle den nationalen Regulierungsbehörden mit dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien übertragenen Aufgaben von einer zuständigen Stelle wahrgenommen werden.

(2)      Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden, indem sie dafür sorgen, dass sie rechtlich und funktional von allen Unternehmen unabhängig sind, die elektronische Kommunikationsnetze, -geräte oder -dienste anbieten. Wenn Mitgliedstaaten weiterhin an Unternehmen beteiligt sind, die elektronische Kommunikationsnetze und/oder -dienste bereitstellen, oder diese kontrollieren, müssen sie eine wirksame strukturelle Trennung der hoheitlichen Funktion von Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Eigentum oder der Kontrolle sicherstellen.

(3)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden ihre Befugnisse unparteiisch und transparent ausüben.

…“

6        Art. 4 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass es auf nationaler Ebene wirksame Verfahren gibt, nach denen jeder Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze und/oder -dienste, der von einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffen ist, bei einer von den beteiligten Parteien unabhängigen Beschwerdestelle Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen kann. Diese Stelle, die auch ein Gericht sein kann, muss über den angemessenen Sachverstand verfügen, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Umständen des Falles angemessen Rechnung getragen wird und wirksame Einspruchsmöglichkeiten gegeben sind. Bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens bleibt der Beschluss der nationalen Regulierungsbehörde in Kraft, sofern nicht die Beschwerdeinstanz anders entscheidet.“

 Richtlinie 2002/22

7        Nach dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/22 kann „[z]u der Gewährleistung des Universaldienstes (d. h. der Bereitstellung eines festgelegten Mindestangebots an Diensten für alle Endnutzer zu einem erschwinglichen Preis) … auch die Bereitstellung von einigen Diensten für bestimmte Endnutzer zu Preisen gehören, die von denen, die sich aus den üblichen Marktbedingungen ergeben, abweichen. Die Entschädigung der Unternehmen, die für die Bereitstellung solcher Dienste unter diesen Voraussetzungen benannt werden, müssen jedoch nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen, sofern die benannten Unternehmen für die entstandenen spezifischen Nettokosten entschädigt werden und sofern die Nettokostenbelastung wettbewerbsneutral angelastet wird.“

8        Art. 3 („Verfügbarkeit des Universaldienstes“) der Richtlinie 2002/22 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in diesem Kapitel beschriebenen Dienste mit der angegebenen Qualität allen Endnutzern in ihrem Hoheitsgebiet, unabhängig von ihrem geografischen Standort und, unter Berücksichtigung der landesspezifischen Gegebenheiten, zu einem erschwinglichen Preis zur Verfügung gestellt werden.

(2)      Die Mitgliedstaaten legen den effizientesten und am besten geeigneten Ansatz fest, mit dem der Universaldienst sichergestellt werden kann, wobei die Grundsätze der Objektivität, Transparenz, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit einzuhalten sind. Sie tragen dafür Sorge, Marktverfälschungen zu minimieren, insbesondere die Erbringung von Diensten zu Preisen oder sonstigen Bedingungen, die von normalen wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichen, und berücksichtigen dabei die Wahrung des öffentlichen Interesses.“

9        Art. 8 („Benennung von Unternehmen“) der Richtlinie 2002/22 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können ein oder mehrere Unternehmen benennen, die die Erbringung des Universaldienstes … gewährleisten …

(2)      Verpflichten die Mitgliedstaaten eines oder mehrere Unternehmen zu Universaldiensten im gesamten Hoheitsgebiet oder einem Teil davon, erfolgt dies unter Anwendung eines effizienten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Benennungsverfahrens, wobei kein Unternehmen von vornherein von der Benennung ausgeschlossen wird. Diese Benennungsverfahren gewährleisten, dass der Universaldienst auf kostengünstige Weise erbracht wird, und können für die Ermittlung der Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen gemäß Artikel 12 herangezogen werden.“

10      Art. 9 („Erschwinglichkeit der Tarife“) der Richtlinie 2002/22 sieht vor:

„(1)      Die nationalen Regulierungsbehörden überwachen die Entwicklung und Höhe der Endnutzertarife der Dienste, die gemäß den Artikeln 4, 5, 6 und 7 unter die Universaldienstverpflichtungen fallen und von benannten Unternehmen erbracht werden, insbesondere im Verhältnis zu den nationalen Verbraucherpreisen und Einkommen.

(2)      Die Mitgliedstaaten können unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten verlangen, dass die benannten Unternehmen den Verbrauchern Tarifoptionen oder Tarifbündel anbieten, die von unter üblichen wirtschaftlichen Gegebenheiten gemachten Angeboten abweichen, insbesondere um sicherzustellen, dass einkommensschwache Personen oder Personen mit besonderen sozialen Bedürfnissen Zugang zum öffentlichen Telefondienst haben und diesen nutzen können.

…“

11      Art. 12 Abs. 1 („Berechnung der Kosten der Universaldienstverpflichtungen“) der Richtlinie 2002/22 bestimmt:

„Wenn nach Auffassung der nationalen Regulierungsbehörden die Bereitstellung des Universaldienstes gemäß den Artikeln 3 bis 10 möglicherweise eine unzumutbare Belastung für die Unternehmen darstellt, die zur Erbringung des Universaldienstes benannt sind, berechnen sie die Nettokosten für die Bereitstellung des Universaldienstes.

Zu diesem Zweck

a)      berechnet die nationale Regulierungsbehörde die Nettokosten der Universaldienstverpflichtung gemäß Anhang IV Teil A, wobei der den zur Bereitstellung des Universaldienstes benannten Unternehmen entstehende Marktvorteil berücksichtigt wird, oder

b)      wendet die nationale Regulierungsbehörde die nach dem Benennungsverfahren gemäß Artikel 8 Absatz 2 ermittelten Nettokosten für die Bereitstellung des Universaldienstes an.“

12      Art. 13 („Finanzierung der Universaldienstverpflichtungen“) der Richtlinie 2002/22 sieht vor:

„Wenn die nationalen Regulierungsbehörden auf der Grundlage der Berechnung der Nettokosten nach Artikel 12 feststellen, dass ein Unternehmen unzumutbar belastet wird, beschließen die Mitgliedstaaten auf Antrag eines benannten Unternehmens,

a)      ein Verfahren einzuführen, mit dem das Unternehmen für die ermittelten Nettokosten unter transparenten Bedingungen aus öffentlichen Mitteln entschädigt wird, und/oder

b)      die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen unter den Betreibern von elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten aufzuteilen.

…“

13      In Anhang IV Teil A der Richtlinie 2002/22 wird die Art und Weise, in der die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen zu berechnen sind, wie folgt beschrieben:

„…

Die nationalen Regulierungsbehörden ziehen alle Mittel in Erwägung, um (benannten und nicht benannten) Unternehmen angemessene Anreize zu geben, die Universaldienstverpflichtungen auf kosteneffiziente Weise zu erfüllen. Bei der Berechnung sind die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen als Differenz zwischen den Nettokosten eines benannten Unternehmens für den Betrieb unter Einhaltung der Universaldienstverpflichtungen und den Nettokosten für den Betrieb ohne Universaldienstverpflichtungen zu ermitteln. Dies gilt unabhängig davon, ob das Netz in einem bestimmten Mitgliedstaat voll ausgebaut ist oder sich noch im Ausbau befindet. Die Kosten, die ein benanntes Unternehmen vermieden hätte, wenn die Universaldienstverpflichtungen nicht bestanden hätten, sind ordnungsgemäß zu ermitteln. Bei der Nettokostenberechnung sollten die Vorteile für den Universaldienstbetreiber, einschließlich der immateriellen Vorteile, berücksichtigt werden.

…“

 Nationales Recht

14      Art. 74 des Gesetzes vom 13. Juni 2005 in der Fassung des Gesetzes vom 25. April 2007 lautet wie folgt:

„Die soziale Komponente des Universaldienstes besteht in der Bereitstellung von besonderen Tarifbedingungen an bestimmte Kategorien von Begünstigten seitens aller Betreiber, die Verbrauchern einen öffentlich zugänglichen Telefondienst anbieten.

Die in Absatz 1 erwähnten Kategorien von Begünstigten und Tarifbedingungen und die Verfahren zum Erhalt solcher Tarifbedingungen sind in der Anlage festgelegt.

Das Institut [Belgisches Institut für Post und Fernmeldewesen, im Folgenden: Institut] übermittelt dem Minister jährlich einen Bericht über den relativen Anteil der Betreiber an der Gesamtanzahl sozial schwacher Teilnehmer im Verhältnis zu ihrem Marktanteil, der auf der Grundlage des Umsatzes auf dem Markt der öffentlichen Telefondienste festgelegt wird.

Für Universaldienste in Bezug auf den Sozialtarif wird ein Fonds eingerichtet, aus dem die Anbieter von Sozialtarifen, die zu diesem Zweck beim Institut einen Antrag eingereicht haben, entschädigt werden. Dieser Fonds besitzt Rechtspersönlichkeit und wird vom Institut verwaltet.

Der König bestimmt nach Stellungnahme des Instituts durch einen im Ministerrat beratenen Erlass die Funktionsweise dieses Mechanismus.

Stellt sich heraus, dass die Anzahl der von einem Betreiber gewährten Tarifermäßigungen die Anzahl Tarifermäßigungen, die seinem Anteil am Gesamtumsatz des Marktes der öffentlichen Telefondienste entsprechen würden, unterschreitet, muss er diese Differenz ausgleichen.

Stellt sich heraus, dass die Anzahl der von einem Betreiber gewährten Tarifermäßigungen die Anzahl Tarifermäßigungen, die seinem Anteil am Gesamtumsatz des Marktes der öffentlichen Telefondienste entsprechen würden, überschreitet, erhält dieser Betreiber eine Entschädigung, die diese Differenz ausgleicht.

Die in den vorangehenden Absätzen erwähnten Ausgleichszahlungen sind sofort fällig. Der tatsächliche Ausgleich über den Fonds erfolgt, sobald dieser seine Arbeit aufnehmen kann, und spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des vorliegenden Artikels.

Das Institut berechnet gemäß der in der Anlage definierten Methode die Nettokosten der Sozialtarife für alle Betreiber, die zu diesem Zweck beim Institut einen Antrag eingereicht haben.

Das Institut kann die Modalitäten der Berechnung der Kosten und Ausgleichszahlungen innerhalb der durch vorliegendes Gesetz und seine Anlage bestimmten Grenzen festlegen.“

15      Art. 45bis der Anlage zu dem Gesetz vom 13. Juni 2005, der durch Art. 200 des Gesetzes vom 25. April 2007 eingefügt wurde, definiert die zur Berechnung der Nettokosten der Sozialtarife anzuwendende Methode und bestimmt:

„Die Nettokosten der Sozialtarife des Universaldienstes ergeben sich aus der Differenz der Einnahmen, die Anbieter von Sozialtarifen unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen verzeichnen würden, und der Einnahmen, die sie aufgrund der in vorliegendem Gesetz vorgesehenen Ermäßigungen zugunsten der Begünstigten des Sozialtarifs verzeichnen.

Während der ersten fünf Jahre ab Inkrafttreten des Gesetzes werden Ausgleichszahlungen, die etablierte Anbieter von Sozialtarifen gegebenenfalls erhalten, um einen vom Institut festgelegten Prozentsatz verringert.

Der in vorhergehendem Absatz erwähnte Prozentsatz wird auf der Grundlage des indirekten Gewinns festgelegt. Das Institut berücksichtigt in diesem Zusammenhang die Berechnungen, die es bei der Festlegung der Nettokosten des etablierten Anbieters von Sozialtarifen bereits gemacht hat.“

16      Art. 202 des Gesetzes vom 25. April 2007 bestimmt:

„In Art. 74 letzter Absatz des Gesetzes vom 13. Juni 2005 … sind die Wörter ‚Die in den vorangehenden Absätzen erwähnten Ausgleichszahlungen sind sofort fällig‘ wie folgt auszulegen:

Bei der Vorbereitung des Gesetzes vom 13. Juni 2005 … unter Berücksichtigung der in der europäischen Richtlinie [2002/22] vorgesehenen Bedingungen und aufgrund eines diesbezüglichen Antrags des etablierten Anbieters des Universaldienstes und nach Festlegung der Nettokosten für den Universaldienst durch das Institut hat der Gesetzgeber als nationale Regulierungsbehörde den unzumutbaren Charakter der Belastung beurteilt. Diesbezüglich war der Gesetzgeber, wie übrigens vom Staatsrat festgestellt worden ist, der Ansicht, dass – sofern alle indirekten Gewinne berücksichtigt werden, einschließlich der immateriellen Gewinne, die aufgrund der Erbringung dieses Dienstes verzeichnet werden können – jede aus dieser Berechnung hervorgehende defizitäre Situation tatsächlich eine unzumutbare Belastung ist.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

17      Base u. a. sind im Telekommunikationssektor tätige Unternehmen, die den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation anbieten können.

18      Sie erhoben am 6. November 2007 eine Klage beim Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof) auf Nichtigerklärung der Art. 173 Nrn. 3 und 4, 200, 202 und 203 des Gesetzes vom 25. April 2007. Sie rügten, dass diese Bestimmungen, die die Regeln für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Belastung aus den Universaldienstverpflichtungen, insbesondere der Bereitstellung von Sozialtarifen, festlegen, gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot verstießen. Diese Bestimmungen versetzten nämlich die Belgacom NV, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 13. Juni 2005 einziger Anbieter des Universaldienstes gewesen sei, in eine günstigere Situation als diejenige von Base u. a., denn der Gesetzgeber habe grundsätzlich angenommen, dass das Anbieten des Universaldienstes für die Belgacom NV eine „unzumutbare Belastung“ darstelle, während das Bestehen einer solchen Belastung für Base u. a. vom Institut festgestellt werde, das diese Feststellung in Zukunft revidieren könne. Weiter rügten sie, dass sich der Gesetzgeber zur Bestimmung der Nettokosten der Universaldienstverpflichtung bei der Belgacom NV auf Buchführungsangaben aus dem Jahr 2001 gestützt habe, während sich das Institut für die Klägerinnen auf aktuelle Angaben stütze.

19      Der Grondwettelijk Hof ist der Ansicht, dass die Auslegung von Art. 12 der Richtlinie 2002/22 erforderlich sei, um ihm die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu ermöglichen. Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Lässt sich Art. 12 der Richtlinie 2002/22 dahin gehend auslegen, dass er es erlaubt, dass der als nationale Regulierungsbehörde handelnde zuständige Gesetzgeber eines Mitgliedstaats allgemein und anhand der Berechnung der Nettokosten des Anbieters des Universaldienstes, der vorher der einzige Anbieter war, feststellt, dass die Bereitstellung des Universaldienstes eine unzumutbare Belastung für die Unternehmen darstellen kann, die zur Erbringung des Universaldienstes benannt sind?

 Zur Vorlagefrage

20      Vorab ist festzustellen, dass die vorgelegte Frage zwei Gesichtspunkte umfasst. Zum einen wird damit Auskunft darüber begehrt, ob Art. 12 der Richtlinie 2002/22, soweit er die Beurteilung der Frage, ob die Bereitstellung des Universaldienstes möglicherweise eine unzumutbare Belastung für die hierzu benannten Unternehmen darstellt, den nationalen Regulierungsbehörden überlässt, es untersagt, dass diese Beurteilung in formaler Hinsicht vom nationalen Gesetzgeber vorgenommen wird. Zum anderen soll in Erfahrung gebracht werden, ob Art. 12 es untersagt, dass diese Beurteilung in materieller Hinsicht allgemein, für sämtliche Unternehmen, nach Maßgabe der Nettokosten des etablierten Betreibers, der zuvor der ausschließliche Anbieter des Universaldienstes war, vorgenommen wird.

21      Der Gerichtshof hat diese beiden Gesichtspunkte der Frage getrennt zu prüfen.

 Zum Tätigwerden des nationalen Gesetzgebers als nationale Regulierungsbehörde

22      Art. 2 Buchst. g der Rahmenrichtlinie definiert die nationale Regulierungsbehörde als eine oder mehrere Stellen, die von einem Mitgliedstaat mit einer der in dieser Richtlinie und in Einzelrichtlinien festgelegten Regulierungsaufgaben beauftragt werden. Diese Begriffsbestimmung gilt nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2002/22 für die Zwecke dieser Richtlinie, die eine der Einzelrichtlinien im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Rahmenrichtlinie darstellt.

23      Weder die Rahmenrichtlinie noch die Richtlinie 2002/22 regeln, welche ihrer Organe die Mitgliedstaaten mit den Regulierungsaufgaben zu betrauen haben, die der Regulierungsbehörde zugewiesen sind.

24      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 249 EG verpflichtet sind, bei der Umsetzung einer Richtlinie deren vollständige Wirksamkeit zu gewährleisten, wobei sie aber über einen weiten Wertungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Mittel verfügen (vgl. insbesondere Urteil vom 9. November 2006, Kommission/Irland, C-216/05, Slg. 2006, I‑10787, Randnr. 26).

25      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Freiheit bei der Wahl der Mittel und Wege zur Durchführung einer Richtlinie die Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten unberührt lässt, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten (vgl. insbesondere Urteil vom 15. April 2008, Impact, C-268/06, Slg. 2008, I‑2483, Randnr. 40).

26      Zwar verfügen die Mitgliedstaaten demnach in diesem Bereich bei der Organisation und Strukturierung der Regulierungsbehörden im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Rahmenrichtlinie über eine institutionelle Autonomie, doch kann diese nur unter vollständiger Beachtung der in dieser Richtlinie festgelegten Ziele und Pflichten ausgeübt werden (Urteil vom 6. März 2008, Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones, C‑82/07, Slg. 2008, I-1265, Randnr. 24).

27      Somit kann ein Mitgliedstaat dem nationalen Gesetzgeber die Aufgaben, die nach der Rahmenrichtlinie und der Richtlinie 2002/22 den nationalen Regulierungsbehörden obliegen, nur dann zuweisen, wenn das Gesetzgebungsorgan bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben die organisatorischen und funktionellen Voraussetzungen erfüllt, die diese Richtlinien für die Regulierungsbehörden aufstellen.

28      Insoweit geht aus dem elften Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie hervor, dass die Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde(n) garantieren sollten, um die Unparteilichkeit ihrer Beschlüsse sicherzustellen, und dass diese Behörden in Bezug auf Personal, Fachwissen und finanzielle Ausstattung über die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendigen Mittel verfügen sollten.

29      So haben die Mitgliedstaaten nach Art. 3 der Rahmenrichtlinie insbesondere dafür zu sorgen, dass alle den nationalen Regulierungsbehörden übertragenen Aufgaben von einer zuständigen Stelle wahrgenommen werden; außerdem haben sie die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden zu gewährleisten, indem sie dafür sorgen, dass sie rechtlich und funktional von allen Unternehmen unabhängig sind, die elektronische Kommunikationsnetze, ‑geräte oder ‑dienste anbieten, und dafür zu sorgen, dass die Regulierungsbehörden ihre Befugnisse unparteiisch und transparent ausüben. Ferner müssen nach Art. 4 dieser Richtlinie gegen die Entscheidungen der Regulierungsbehörden wirksame Rechtsbehelfe bei einer von den Parteien unabhängigen Beschwerdestelle gegeben sein.

30      Es ist daher festzustellen, dass es die Richtlinie 2002/22 für sich genommen nicht grundsätzlich untersagt, dass der nationale Gesetzgeber als nationale Regulierungsbehörde im Sinne der Rahmenrichtlinie tätig wird, sofern er bei der Erfüllung dieser Aufgabe die in den genannten Richtlinien vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf Fachwissen, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Transparenz erfüllt und gegen die Entscheidungen, die er im Rahmen dieser Aufgabe erlässt, wirksame Rechtsbehelfe bei einer von den Beteiligten unabhängigen Beschwerdestelle gegeben sind.

31      Es ist daher Sache des Grondwettelijk Hof, zu prüfen, ob der belgische Gesetzgeber, wenn er im Bereich der elektronischen Kommunikationsdienste als nationale Regulierungsbehörde tätig wird, als eine nationale Regulierungsbehörde betrachtet werden kann, die alle in der Rahmenrichtlinie und der Richtlinie 2002/22 aufgestellten Voraussetzungen erfüllt.

 Zur Art und Weise, in der die nationale Regulierungsbehörde die Frage beurteilt, ob die Bereitstellung des Universaldienstes möglicherweise eine unzumutbare Belastung darstellt

32      Es ist darauf hinzuweisen, dass mit der Richtlinie 2002/22 ein harmonisierter Rechtsrahmen geschaffen werden soll, der im Sektor der elektronischen Kommunikation die Bereitstellung eines Universaldienstes garantiert, also eines festgelegten Mindestangebots an Diensten für alle Endnutzer zu einem erschwinglichen Preis. Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie besteht eines ihrer Ziele darin, in der gesamten Europäischen Gemeinschaft die Verfügbarkeit hochwertiger, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt zu gewährleisten (Urteil vom 19. Juni 2008, Kommission/Frankreich, C‑220/07, Randnr. 28).

33      Nach Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie legen die Mitgliedstaaten den effizientesten und am besten geeigneten Ansatz fest, mit dem der Universaldienst sichergestellt werden kann, wobei die Grundsätze der Objektivität, Transparenz, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit einzuhalten sind; sie tragen dafür Sorge, Marktverfälschungen zu minimieren, und berücksichtigen dabei die Wahrung des öffentlichen Interesses (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 29).

34      Zur Gewährleistung des Universaldienstes kann, wie es im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/22 heißt, auch die Bereitstellung einiger Dienste für bestimmte Endnutzer zu Preisen gehören, die von denen, die sich aus den üblichen Marktbedingungen ergeben, abweichen. Deshalb hat der Gemeinschaftsgesetzgeber, wie aus dem 18. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten bei Bedarf Verfahren für die Finanzierung der Nettokosten von Universaldienstverpflichtungen in den Fällen einrichten sollten, in denen nachgewiesen wird, dass die Verpflichtungen nur mit Verlust oder zu Nettokosten, die außerhalb der üblichen geschäftlichen Standards liegen, erfüllt werden können.

35      Daher haben die nationalen Regulierungsbehörden, wenn ihrer Auffassung nach die Bereitstellung des Universaldienstes gemäß den Art. 3 bis 10 der Richtlinie 2002/22 möglicherweise eine unzumutbare Belastung für die Unternehmen darstellt, die zur Erbringung des Universaldienstes benannt sind, nach Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie die Nettokosten für die Bereitstellung des Universaldienstes zu berechnen.

36      Es ist festzustellen, dass mit den Bestimmungen des Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 sowie des Anhangs IV der Richtlinie 2002/22 zwar die Regeln festgelegt werden, nach denen die Nettokosten für die Bereitstellung des Universaldienstes zu berechnen sind, wenn die nationalen Regulierungsbehörden zu der Auffassung gelangt sind, dass diese möglicherweise eine unzumutbare Belastung darstellt, dass sich aber weder aus Art. 12 Abs. 1 noch aus irgendeiner anderen Bestimmung dieser Richtlinie ergibt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst die Voraussetzungen festlegen wollte, unter denen diese Behörden zuvor zu dem Schluss zu kommen haben, dass die Bereitstellung des Universaldienstes möglicherweise eine solche unzumutbare Belastung darstellt.

37      Hingegen ergibt sich aus Art. 13 der Richtlinie 2002/22, dass die nationalen Regulierungsbehörden nur auf der Grundlage der Berechnung der Nettokosten für die Bereitstellung des Universaldienstes gemäß Art. 12 dieser Richtlinie feststellen können, dass ein Unternehmen, das zur Erbringung des Universaldienstes benannt ist, tatsächlich einer unzumutbaren Belastung ausgesetzt ist, und dass die Mitgliedstaaten dann auf Antrag des entsprechenden Unternehmens über den Erlass von Entschädigungsmodalitäten nach Maßgabe dieser Kosten zu entscheiden haben.

38      In Anbetracht dieser Erwägungen ist, auch wenn das vorlegende Gericht seine Frage der Form nach auf die Auslegung von Art. 12 der Richtlinie 2002/22 beschränkt hat, darauf hinzuweisen, dass dies den Gerichtshof nicht daran hindert, diesem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat (vgl. insbesondere Urteil vom 8. November 2007, ING. AUER, C‑251/06, Slg. 2007, I‑9689, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Daher ist in Anbetracht des Inhalts der Kontroverse, mit der der Grondwettelijk Hof im Rahmen der bei ihm erhobenen Klage befasst ist, zu prüfen, ob Art. 13 der Richtlinie 2002/22 den Modalitäten entgegensteht, nach denen ein nationaler Gesetzgeber wie der belgische im Rahmen seines Tätigwerdens als nationale Regulierungsbehörde festgestellt hat, dass die Bereitstellung des Universaldienstes eine unzumutbare Belastung darstellt.

40      Dabei ist darauf hinzuweisen, dass nach den Bestimmungen des Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a und des Anhangs IV der Richtlinie 2002/22 die Berechnung der Nettokosten für jedes der Unternehmen vorgenommen werden muss, die zur Erbringung des Universaldienstes benannt sind.

41      Da die Feststellung, dass die Erbringung dieses Dienstes für eines oder mehrere dieser Unternehmen eine unzumutbare Belastung darstellt, eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass die Mitgliedstaaten Verfahren zur Entschädigung nach Maßgabe der von diesem oder diesen Unternehmen getragenen Kosten einführen, ist außerdem zu klären, was unter einer „unzumutbaren Belastung“ zu verstehen ist, da dieser Begriff in der Richtlinie 2002/22 nicht definiert wird.

42      Insoweit geht aus dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/22 hervor, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Mechanismen zur Anlastung der Nettokosten, die die Bereitstellung des Universaldienstes einem Unternehmen verursachen kann, vom Vorliegen einer unzumutbaren Belastung für dieses Unternehmen abhängig machen wollte. Indem er in diesem Zusammenhang den Standpunkt vertreten hat, dass die Nettokosten des Universaldienstes nicht unbedingt für alle betroffenen Unternehmen eine unzumutbare Belastung darstellen, wollte er ausschließen, dass alle Nettokosten des Universaldienstes automatisch ein Recht auf Entschädigung eröffnen. Die unzumutbare Belastung, deren Vorliegen die nationale Regulierungsbehörde vor jeder Entschädigung feststellen muss, ist demnach die Belastung, die sich für das einzelne betroffene Unternehmen angesichts seiner Belastungsfähigkeit aufgrund aller ihm eigenen Merkmale, insbesondere des Stands seiner Einrichtungen, seiner wirtschaftlichen und finanziellen Situation sowie seines Marktanteils, als unzumutbar im Sinne von übermäßig darstellt.

43      In Ermangelung einer entsprechenden Präzisierung in der Richtlinie 2002/22 ist es zwar Sache der nationalen Regulierungsbehörde, in allgemeiner und von konkreten Personen unabhängiger Weise die Kriterien festzulegen, mit denen die Schwellen bestimmt werden können, bei deren Überschreitung eine Belastung unter Berücksichtigung der in der vorstehenden Randnummer genannten Merkmale als unzumutbar angesehen werden kann, doch kann diese Behörde nur dann feststellen, dass die Belastung durch die Bereitstellung des Universaldienstes im Hinblick auf die Anwendung von Art. 13 dieser Richtlinie unzumutbar ist, wenn sie die Situation jedes betroffenen Unternehmens anhand dieser Kriterien gesondert prüft.

44      Wenn die nationale Regulierungsbehörde feststellt, dass ein oder mehrere Unternehmen, die zur Erbringung des Universaldienstes benannt sind, einer unzumutbaren Belastung ausgesetzt sind, und von diesem oder diesen Unternehmen eine Entschädigung beantragt wird, hat der entsprechende Mitgliedstaat die dazu erforderlichen Verfahren nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2002/22 einzuführen, wobei aus dieser Vorschrift im Übrigen hervorgeht, dass die Entschädigung sich auf die in Anwendung von Art. 12 dieser Richtlinie berechneten Nettokosten beziehen muss.

45      Nach alledem können die Mitgliedstaaten nicht ohne Verstoß gegen die sich aus der Richtlinie 2002/22 ergebenden Verpflichtungen feststellen, dass die Bereitstellung des Universaldienstes tatsächlich eine zu entschädigende unzumutbare Belastung darstellt, ohne die Nettokosten berechnet zu haben, die diese Bereitstellung für jedes damit betraute Unternehmen bedeutet, und ohne beurteilt zu haben, ob diese Kosten für dieses Unternehmen eine unzumutbare Belastung darstellen. Sie können auch keine Entschädigungsregelung vorsehen, bei der sich die Entschädigung nicht auf die Nettokosten bezieht.

46      Aus Art. 74 des Gesetzes vom 13. Juni 2005 in seiner Auslegung durch das Gesetz vom 25. April 2007 geht hervor, dass der belgische Gesetzgeber den Schluss, dass die Bereitstellung der sozialen Komponente des Universaldienstes eine unzumutbare Belastung darstelle, auf die Annahme gestützt hat, dass, sofern bei der Berechnung der Nettokosten dieses Dienstes alle indirekten Gewinne einschließlich der immateriellen Gewinne, die aufgrund der Erbringung dieses Dienstes verzeichnet werden könnten, berücksichtigt würden, „jede aus dieser Berechnung hervorgehende defizitäre Situation … eine unzumutbare Belastung ist“. Aus diesem Art. 74 geht auch hervor, dass der belgische Gesetzgeber entschieden hat, dass ein Betreiber, wenn sich herausstellt, dass die Anzahl der von ihm gewährten Tarifermäßigungen die Anzahl Tarifermäßigungen, die seinem Anteil am Gesamtumsatz des Marktes der öffentlichen Telefondienste entsprechen würden, überschreitet, eine Entschädigung erhält, die diese Differenz ausgleicht.

47      Für diese im Jahr 2005 vorgenommene Beurteilung der Unzumutbarkeit der Belastung, die die Bereitstellung von Sozialtarifen im Rahmen des Universaldienstes bedeutet, hat sich der belgische Gesetzgeber auf eine Stellungnahme des Instituts aus dem Jahr 2002 über die von dem etablierten Betreiber – der Belgacom NV – getragenen Kosten ausgehend von Vorausschätzungen für das Jahr 2003 gestützt.

48      Wie sich aus der in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils getroffenen Feststellung ergibt, ist eine nationale Regulierungsbehörde durch nichts daran gehindert, aufgrund von Daten wie den oben erwähnten den Standpunkt einzunehmen, dass die Kosten für die Bereitstellung des Universaldienstes „möglicherweise“ eine unzumutbare Belastung im Sinne von Art. 12 der Richtlinie 2002/22 darstellen – auch wenn die Rechtsvorschriften nunmehr alle Betreiber von Telekommunikationsdiensten zum Anbieten von Sozialtarifen verpflichten.

49      Dagegen stehen die in einem Gesetz wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vorgesehenen Modalitäten zur Bestimmung der zu entschädigenden unzumutbaren Belastung nicht im Einklang mit den in Art. 13 der Richtlinie 2002/22 niedergelegten Erfordernissen.

50      Erstens eröffnet nämlich eine nationale Regulierungsbehörde wie im Rahmen des Ausgangsverfahrens der belgische Gesetzgeber in der Erwägung, dass jede aus der Berechnung der Nettokosten hervorgehende defizitäre Situation tatsächlich eine „unzumutbare Belastung“ sei, unmittelbar einen Entschädigungsanspruch zugunsten von Betreibern, für die die Nettokosten, die sie wegen der ihnen obliegenden Universaldienstverpflichtungen tragen, deswegen noch keine unzumutbare Belastung darstellen, während sich aus den Ausführungen in Randnr. 42 des vorliegenden Urteils ergibt, dass eine defizitäre Situation zwar eine Belastung ist, aber nicht unbedingt für jeden Betreiber eine unzumutbare Belastung bedeutet.

51      Zweitens bedingt die Beurteilung dieser Unzumutbarkeit der mit der Bereitstellung des Universaldienstes verbundenen Belastung, wie aus den Randnrn. 40 und 42 des vorliegenden Urteils hervorgeht, eine besondere Prüfung sowohl der Nettokosten, die diese Bereitstellung für jeden betroffenen Betreiber bedeutet, als auch aller dem jeweiligen Betreiber eigenen Merkmale wie des Stands seiner Einrichtungen, seiner wirtschaftlichen und finanziellen Situation sowie seines Marktanteils. Indessen geht aus den beim Gerichtshof eingereichten Akten an keiner Stelle hervor, dass der nationale Gesetzgeber im vorliegenden Fall bei seinem Schluss darauf, dass die Bereitstellung des Universaldienstes eine unzumutbare Belastung darstelle, alle diese Merkmale berücksichtigt hätte.

52      Drittens schafft ein Gesetz wie das Gesetz vom 13. Juni 2005 mit der Maßgabe, dass alle Kosten aufgrund des Umstands, dass die Zahl der von einem Betreiber gewährten Tarifermäßigungen proportional seinen Marktanteil übersteigt, automatisch zu entschädigen sind, einen Mechanismus, der zu einer Entschädigung führt, die nicht im Verhältnis zu den Nettokosten der Bereitstellung des Universaldienstes, wie sie unter den in Randnr. 40 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen berechnet werden sollten, steht.

53      Nach allem ist auf die Frage des vorlegenden Gerichts zu antworten,

–        dass es die Richtlinie 2002/22 für sich genommen nicht grundsätzlich untersagt, dass der nationale Gesetzgeber als nationale Regulierungsbehörde im Sinne der Rahmenrichtlinie tätig wird, sofern er bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe die in den genannten Richtlinien vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf Fachwissen, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Transparenz erfüllt und gegen die Entscheidungen, die er im Rahmen dieser Aufgabe erlässt, wirksame Rechtsbehelfe bei einer von den Beteiligten unabhängigen Beschwerdestelle gegeben sind, was zu prüfen Sache des Grondwettelijk Hof ist,

–        dass Art. 12 der Richtlinie 2002/22 die nationale Regulierungsbehörde nicht hindert, allgemein und auf der Grundlage der Berechnung der Nettokosten des Universaldienstanbieters, der zuvor der einzige Anbieter dieses Dienstes war, davon auszugehen, dass die Bereitstellung dieses Dienstes möglicherweise eine unzumutbare Belastung für die nunmehr zur Erbringung des Universaldienstes benannten Unternehmen darstellt, und

–        dass nach Art. 13 der Richtlinie 2002/22 diese Behörde daran gehindert ist, in gleicher Weise und auf der Grundlage derselben Berechnung festzustellen, dass diese Unternehmen aufgrund dieser Bereitstellung tatsächlich unzumutbar belastet sind, ohne zuvor eine besondere Untersuchung der Situation jedes dieser Unternehmen vorgenommen zu haben.

 Kosten

54      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) untersagt es für sich genommen nicht grundsätzlich, dass der nationale Gesetzgeber als nationale Regulierungsbehörde im Sinne der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) tätig wird, sofern er bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe die in diesen Richtlinien vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf Fachwissen, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Transparenz erfüllt und gegen die Entscheidungen, die er im Rahmen dieser Aufgabe erlässt, wirksame Rechtsbehelfe bei einer von den Beteiligten unabhängigen Beschwerdestelle gegeben sind, was zu prüfen Sache des Grondwettelijk Hof ist.

2.      Art. 12 der Richtlinie 2002/22 hindert die nationale Regulierungsbehörde nicht, allgemein und auf der Grundlage der Berechnung der Nettokosten des Universaldienstanbieters, der zuvor der einzige Anbieter dieses Dienstes war, davon auszugehen, dass die Bereitstellung dieses Dienstes möglicherweise eine unzumutbare Belastung für die nunmehr zur Erbringung des Universaldienstes benannten Unternehmen darstellt.

3.      Nach Art. 13 der Richtlinie 2002/22 ist diese Behörde daran gehindert, in gleicher Weise und auf der Grundlage derselben Berechnung festzustellen, dass diese Unternehmen aufgrund dieser Bereitstellung tatsächlich unzumutbar belastet sind, ohne zuvor eine besondere Untersuchung der Situation jedes dieser Unternehmen vorgenommen zu haben.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.