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Klage, eingereicht am 7. Juli 2021 – Norddeutsche Landesbank – Girozentrale/SRB

(Rechtssache T-403/21)

Verfahrenssprache: Deutsch

Parteien

Klägerin: Norddeutsche Landesbank – Girozentrale (Hannover, Deutschland) (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. Flore und J. Seitz)

Beklagter: Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB)

Anträge

Als Rechtsnachfolgerin der Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft) beantragt die Klägerin,

den Beschluss des Beklagten vom 14. April 2021 (Aktenzeichen: SRB/ES/2021/22) einschließlich der zugehörigen Anhänge, insbesondere des Anhangs I über die „Separat (pro Institut) in den Harmonisierten Anhängen ausgewiesenen Ergebnisse der Berechnung der für alle Institute, die der Berechnung der für 2021 im Voraus erhobenen Beiträge unterliegen“ - soweit sie jeweils Bedeutung in Bezug auf die Klägerin haben, für nichtig zu erklären;

die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Die Klage wird auf folgende Gründe gestützt.

Erster Klagegrund: Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör

Der Beklagte habe es unterlassen, die Deutsche Hypothekenbank vor Erlass des angefochtenen Beschlusses anzuhören, und damit gegen Art. 41 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verstoßen.

Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Verfahrensregeln

Der angefochtene Beschluss sei nichtig, weil er unter Verletzung allgemeiner Verfahrensanforderungen erlassen worden sei, die sich aus Art. 41 der Charta und Art. 298 AEUV allgemeinen Rechtsgrundsätzen und der Geschäftsordnung des Beklagten ergeben.

Dritter Klagegrund: Mangelnde Begründung des angefochtenen Beschlusses

Der angefochtene Beschluss enthalte entgegen Art. 296 AEUV keine ausreichende Begründung; insbesondere fehlten der Begründung der Einzelfallbezug sowie die Darstellung der tragenden Erwägungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und des Ermessens.

Die Berechnung des Jahresbeitrags sei zudem nicht nachvollziehbar, insbesondere aufgrund der Verwendung uneinheitlicher Begriffe und der fehlenden Darstellung wichtiger Zwischenschritte.

Vierter Klagegrund: Verstoß gegen das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz mangels Überprüfbarkeit des angefochtenen Beschlusses

Die mangelnde Begründung des angefochtenen Beschlusses erschwere der Klägerin die gerichtliche Überprüfung in nicht unerheblicher Weise.

Der Beklagte verstoße dabei insbesondere gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, wonach die Beteiligten sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen Umstände, die für den Ausgang des Verfahrens entscheidend seien, kontradiktorisch erörtern können müssten.

Fünfter Klagegrund: Die Anwendung des IPS (Institutional Protection Scheme)-Indikators verstoße gegen höherrangiges Recht

Bei der Anwendung des IPS-Indikators sei die Bedeutung der Mitgliedschaft der Deutschen Hypothekenbank in dem institutsbezogenen Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe verkannt worden.

Nach Art. 6 Abs. 5 Satz 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/631 hätte der Beklagte auch der geringen Wahrscheinlichkeit einer Abwicklung des betreffenden Instituts und damit der Inanspruchnahme des Einheitlichen Abwicklungsfonds Rechnung tragen und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten müssen

Sechster Klagegrund: Die Berücksichtigung der derivativen Gesamtrisikoposition im Rahmen des Risikoindikators „Handelstätigkeiten, außerbilanzielle Risiken, Derivate, Komplexität und Abwicklungsfähigkeit“ verstoße gegen die im Lichte höherrangigen Rechts auszulegende Delegierte Verordnung (EU) 2015/63

Der Beklagte hätte zudem im Einklang mit dem Gebot der Orientierung am Risikoprofil bei Berücksichtigung der derivativen Gesamtrisikoposition im Rahmen von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Buchst. a), Art. 6 Abs. 6 und Art. 7 Abs. 4 Satz 1 Buchst. 1 a) der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 berücksichtigen müssen, dass im Fall der Deutschen Hypothekenbank sämtliche Derivate dem Nichthandelsbestand zugeordnet seien, die ausschließlich Sicherungszwecken dienten und die Deutsche Hypothekenbank eine geringe Komplexität und hohe Abwicklungsfähigkeit aufweise.

Siebter Klagegrund: Die Nichtberücksichtigung der MREL (Minimum Requirements for own funds and Eligible Liabilities) im Rahmen des Risikofelds „Risikoexponierung“ verstoße gegen die Delegierte Verordnung (EU) 2015/63

Der Beklagte hätte im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Buchst. a der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 die überdurchschnittlich hohe MREL-Quote der Klägerin von 67,6 % berücksichtigen müssen, welche die vom Einheitlichen Abwicklungsausschuss festgesetzte Mindestquote von 8 % bei weitem überstiegen habe.

Achter Klagegrund: Die Anwendung des Risikoanpassungsmultiplikators verstoße gegen die im Lichte höherrangigen Rechts auszulegende Delegierte Verordnung (EU) 2015/63

Der Beklagte hätte bei Festsetzung des Risikoanpassungsmultiplikators die geringe Ausfallwahrscheinlichkeit und die überdurchschnittliche MREL-Quote der Klägerin im Einklang mit dem Gebot der Orientierung am Risikoprofil und dem Grundrecht auf unternehmerische Freiheit nach Art. 16 der Charta berücksichtigen müssen.

Neunter Klagegrund (hilfsweise): Art. 7 Abs. 4 Satz 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 verstoße gegen höherrangiges Recht

Indem Art. 7 Abs. 4 Satz 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 eine Relativierung des IPS-Indikators vorsehe, verletze diese Vorschrift den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 20 der Charta und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil Institute, die der gleichen Institutssicherung unterlägen und damit dieselbe Ausfallwahrscheinlichkeit besäßen, unterschiedlich behandelt werden könnten.

Zehnter Klagegrund: Die in Anhang I, Schritt 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 vorgesehene Definition von „Interbankeneinlagen“ verstoße gegen höherrangiges Recht

Die in Anhang I, Schritt 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 vorgesehene Definition von „Interbankeneinlagen“ sei rechtswidrig, weil eine Berücksichtigung risikoneutraler Wertpapiere, wie z.B. Namenspfandbriefen, aufgrund vorhandener Deckung nicht in die Berechnung des Risikoindikators „Interbankenkredite und -einlagen“ einfließen dürfe.

Elfter Klagegrund: Die Einteilung in Klassen gemäß Anhang I, Schritt 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 verstoße gegen höherrangiges Recht

Die in Anhang I, Schritt 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 festgelegte Klasseneinteilung sei rechtswidrig, weil die geringe Anzahl an Klassen und die identische Anzahl von Instituten pro Klasse es nicht erlaube, das Risikoprofil des jeweiligen Instituts, wie z.B. im Fall der Deutschen Hypothekenbank, ausreichend differenziert zu berücksichtigen.

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1 Delegierte Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen (ABl. 2015, L 11, S. 44).