Language of document : ECLI:EU:F:2011:4

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION (Zweite Kammer)

20. Januar 2011(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Art. 17, 17a und 19 des Statuts – Antrag auf Genehmigung der Verbreitung von Dokumenten – Antrag auf Genehmigung der Veröffentlichung eines Textes – Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur Verwendung von Tatsachen vor nationalen Justizbehörden – Zulässigkeit“

In der Rechtssache F‑132/07

betreffend eine Klage nach den Art. 236 EG und 152 EA,

Guido Strack, Beamter der Europäischen Kommission, wohnhaft in Köln (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt H. Tettenborn,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch J. Currall und B. Eggers als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Tagaras sowie des Richters S. Van Raepenbusch (Berichterstatter) und der Richterin M. I. Rofes i Pujol,

Kanzler: J. Tomac, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2010

folgendes

Urteil

1        Mit Klageschrift, die am 30. November 2007 mit Fernkopie bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (die Urschrift ist am 4. Dezember 2007 eingegangen), beantragt Herr Strack,

–        die Entscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Juli, 9. August, 11. September und 9. November 2007 aufzuheben, soweit mit ihnen Anträge abgelehnt wurden, ihm die Veröffentlichung verschiedener Dokumente und ihre Verwendung zu strafrechtlichen Zwecken gegen bestimmte Mitglieder und Beamte der Kommission zu gestatten;

–        die Kommission zu verurteilen, ihm mindestens 10 000 Euro als Ersatz des ihm durch diese Entscheidungen entstandenen Schadens zu zahlen.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 17 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) bestimmt:

„(1)      Der Beamte enthält sich jeder nicht genehmigten Verbreitung von Informationen, von denen er im Rahmen seiner Aufgaben Kenntnis erhält, es sei denn, diese Informationen sind bereits veröffentlicht oder der Öffentlichkeit zugänglich.

(2)      Diese Verpflichtung besteht für den Beamten auch nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst.“

3        Art. 17a des Statuts sieht vor:

„(1)      Der Beamte hat das Recht auf freie Meinungsäußerung unter gebührender Beachtung der Grundsätze der Loyalität und Unparteilichkeit.

(2)      Der Beamte, der die Absicht hat, eine Angelegenheit, die die Arbeit der [Europäischen Union] betrifft, der Öffentlichkeit bekannt zu machen oder bekannt machen zu lassen, unterrichtet unbeschadet der Artikel 12 und 17 hierüber zuvor die Anstellungsbehörde.

Kann die Anstellungsbehörde nachweisen, dass diese Angelegenheit den Interessen der [Europäischen Union] ernstlich schaden könnte, unterrichtet sie den Beamten innerhalb von 30 Arbeitstagen schriftlich über ihre Entscheidung. Ist dem Beamten innerhalb des angegebenen Zeitraums eine solche Entscheidung nicht zugegangen, gilt dies als Nichterhebung von Einwänden seitens der Anstellungsbehörde.“

4        Art. 19 des Statuts lautet:

„Der Beamte darf die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen nicht ohne Zustimmung seiner Anstellungsbehörde vor Gericht vorbringen oder über sie aussagen. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die Interessen der [Europäischen Union] es erfordern und die Versagung für den Beamten keine strafrechtlichen Folgen haben kann. Diese Verpflichtung besteht für den Beamten auch nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst.

Absatz 1 gilt nicht für Beamte oder ehemalige Beamte, die in Sachen eines Bediensteten oder ehemaligen Bediensteten der [Europäischen Union] vor dem Gerichtshof der [Europäischen Union] oder vor dem Disziplinarrat eines Organs als Zeuge aussagen.“

 Sachverhalt

5        Der Kläger trat am 1. September 1995 in den Dienst der Kommission. Vom 1. September 1995 bis 31. März 2002 übte er seinen Dienst im Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Amt für Veröffentlichungen) aus. Am 1. Januar 2001 wurde er nach Besoldungsgruppe A 6 befördert. Vom 1. April 2002 bis 15. Februar 2003 arbeitete er in der Generaldirektion (GD) „Unternehmen“ der Kommission, und ab 16. Februar 2003 war er Eurostat zugewiesen. Im Jahr 2005 wurde er wegen Dienstunfähigkeit mit Wirkung vom 1. April 2005 in den Ruhestand versetzt.

6        Am 9. April 2007 stellte der Kläger nach Art. 90 Abs. 1 des Statuts den Antrag, ihm u. a. gemäß den Art. 17 und 17a des Statuts in erster Linie die Veröffentlichung einer von ihm am selben Tag nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts eingereichten Beschwerde gegen frühere Entscheidungen samt ihren Anlagen, hilfsweise von Auszügen dieser Beschwerde und ihren Anlagen, zu gestatten. Höchst hilfsweise beantragte er zudem, ihm die Veröffentlichung der genannten Dokumente vollständig oder in Auszügen wenigstens ab dem Zeitpunkt zu gestatten, zu dem das mit dieser Beschwerde eingeleitete Vorverfahren und ein gegebenenfalls nachfolgendes Gerichtsverfahren abgeschlossen sein werden. Die Anlagen zu der Beschwerde waren in einer beigefügten CD‑ROM enthalten.

7        Am 11. Mai 2007 beantragte der Kläger die Genehmigung, die von seinem Antrag vom 9. April 2007 erfassten Informationen sowie die im Rahmen einer Untersuchung des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) vorgelegten Dokumente und alle Unterlagen im Zusammenhang mit zwei von ihm eingereichten Klagen, über die nunmehr endgültig entschieden wurde (durch Beschluss des Gerichts erster Instanz vom 22. März 2006, Strack/Kommission, T‑4/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2-83 und II‑A‑2-361, und durch Beschluss des Gerichtshofs vom 8. März 2007, Strack/Kommission, C‑237/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), an Strafverfolgungsbehörden mehrerer Mitgliedstaaten zu dem Zweck weiterzuleiten, in jedem dieser Mitgliedstaaten Strafanzeigen gegen mehrere Beamte des OLAF und des Amts für Veröffentlichungen sowie gegen den Generalsekretär und einige Mitglieder der Kommission zu erstatten. Der Kläger führte aus, dass sich die Strafanzeigen, die er gegen die von ihm genannten Beamten des Amts für Veröffentlichungen erstatten wolle, auf die von ihm in einem Vermerk vom 16. April 2004 dargelegten Straftatbestände bezögen, während die Strafanzeigen gegen die anderen in seinem Antrag bezeichneten Beamten und Personen die Tatbestände der Strafvereitelung, Verleitung von Untergebenen zu einer Straftat und Rechtsbeugung beträfen.

8        Mit dienstlichem Schreiben vom 19. Juni 2007 bat der Direktor der Direktion „Statut: Politik, Verwaltung und Beratung“ der GD „Personal und Verwaltung“ den Kläger unter Bezugnahme auf dessen Anträge vom 9. April und 11. Mai 2007, die betreffenden Dokumente einzeln zu identifizieren und „mitzuteilen, was genau [er] mit den näher zu bestimmenden Unterlagen vorhab[e], insbesondere welche [er] im Rahmen eines Verfahrens vor nationalen Gerichten zu verwenden gedenk[e]“.

9        Der Kläger erwiderte, dass die fraglichen Dokumente hinreichend bestimmt seien, und bestätigte unter vorsorglichem Hinweis auf seine Hilfsanträge seine Absicht, u. a. den gesamten Inhalt der seiner Beschwerde vom 9. April 2007 beigefügten CD‑ROM zu verwenden. Die Parteien beharrten so auf ihren Standpunkten.

10      Mit Entscheidung vom 20. Juli 2007, die dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2007 mitgeteilt wurde, wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde vom 9. April 2007 und den auf die Art. 17 und 17a des Statuts gestützten Antrag vom selben Tag zurück und fügte dem hinzu: „Dies gilt mangels Bestimmtheit auch für [den] Antrag [des Beschwerdeführers] gemäß Artikel 17 und 19 [des Statuts] insofern, als dieser nicht Unterlagen betrifft, über die Herr Strack ohnehin frei verfügen kann.“ In dieser Entscheidung schlug die Anstellungsbehörde dem Kläger darüber hinaus vor, die Dokumente, die er zu veröffentlichen und im Rahmen von Strafverfahren zu verwenden beabsichtigte, nach vier Kriterien auszuwählen, um ihr nur eine begrenzte Zahl von Unterlagen vorzulegen.

11      Mit Schreiben vom 11. Oktober 2007 legte der Kläger nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts Beschwerde gegen die in der Entscheidung vom 20. Juli 2007 enthaltene Ablehnung seiner Anträge vom 9. April 2007 und vom 11. Mai 2007 ein. Soweit diese Entscheidung nicht als ausdrückliche Ablehnung dieser Anträge verstanden werden sollte, richtete der Kläger seine Beschwerde auch gegen die stillschweigenden ablehnenden Entscheidungen vom 9. August und 11. September 2007 über seine Anträge.

12      Mit Entscheidung vom 9. November 2007 wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde vom 11. Oktober 2007 mit der Begründung als unzulässig zurück, dass der Kläger unmittelbar gegen die Entscheidung vom 20. Juli 2007 hätte Klage erheben müssen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

13      Am 4. Dezember 2007 hat das Gericht eine Güteverhandlung abgehalten, um in anderen Rechtssachen zwischen dem Kläger und der Kommission eine gütliche Einigung herbeizuführen. In dieser Verhandlung ist auch versucht worden, eine gütliche Einigung im Rahmen der vorliegenden Rechtssache zu erreichen.

14      Nach der Verhandlung vom 4. Dezember 2007 haben die Parteien zu dem im Protokoll der Güteverhandlung enthaltenen Entwurf einer Einigung Stellung genommen, ohne sich jedoch auf den Wortlaut des Entwurfs einigen zu können.

15      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 14. Januar 2008 ist die vorliegende Rechtssache der Ersten Kammer des Gerichts zugewiesen worden.

16      Die Parteien sind zu einer zweiten Güteverhandlung geladen worden, die für den 6. März 2008, nach Rückkehr des Klägers aus dem Urlaub, anberaumt war. Der Kläger hat jedoch die Teilnahme abgesagt, da er angesichts des Standpunkts der Kommission in einer erneuten Güteverhandlung keinen Sinn sah. Die Kommission hat bedauert, dass die Güteverhandlung wegen des Ausbleibens des Klägers nicht habe stattfinden können; gleichzeitig hat sie die Hoffnung geäußert, dass es zu einer Einigung komme, und sich bereit erklärt, an einer gütlichen Einigung mitzuwirken.

17      Mit besonderem Schriftsatz, der am 29. Mai 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission nach Art. 78 der Verfahrensordnung gegen die Klage eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

18      Am 12. Juni 2008 hat das Gericht den Kläger aufgefordert, bis zum 7. Juli 2008 zu dieser Unzulässigkeitseinrede Stellung zu nehmen.

19      Mit Schreiben, das am 19. Juni 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger geltend gemacht, dass die Unzulässigkeitseinrede der Kommission ihrerseits unzulässig sei, da sie nicht innerhalb der in Art. 78 Abs. 1 der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist von einem Monat nach Zustellung der Klageschrift erhoben worden sei. Er hat daher beantragt, die Entscheidung des Gerichts, mit der ihm eine Frist zur Stellungnahme zu dieser Einrede bis zum 7. Juli 2008 gesetzt worden war, aufzuheben. Da die Kommission auch ihre Klagebeantwortung nicht innerhalb der in Art. 39 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verfahrensordnung festgelegten Frist von zwei Monaten eingereicht habe, hat der Kläger zudem Versäumnisurteil beantragt. Hilfsweise hat er um Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu der Unzulässigkeitseinrede ersucht.

20      Mit Schreiben vom 1. Juli 2008 hat das Gericht den Parteien mitgeteilt, dass das Schreiben des Klägers vom 19. Juni 2008 zu den Akten zu nehmen und als Antrag auf Verlängerung der Frist für die Einreichung der Stellungnahme zur Unzulässigkeitseinrede anzusehen war. Es hat dem Kläger sodann eine neue Frist bis zum 2. September 2008 gesetzt. Am 1. September 2008 hat der Kläger bei der Kanzlei des Gerichts seine Stellungnahme eingereicht, in der er seine Anträge aus dem Schreiben vom 19. Juni 2008 aufrechterhalten hat. Hilfsweise hat er geltend gemacht, dass die von der Kommission erhobene Unzulässigkeitseinrede unbegründet und die Klage zulässig sei.

21      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 8. Oktober 2008 ist die vorliegende Rechtssache der Zweiten Kammer des Gerichts zugewiesen worden.

22      Mit Beschluss vom 17. September 2009 hat das Gericht die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 78 Abs. 3 der Verfahrensordnung dem Endurteil vorbehalten, nachdem es den Antrag der Kommission auf Entscheidung über die Unzulässigkeit der Klage für zulässig erklärt und den Antrag des Klägers auf Versäumnisurteil zurückgewiesen hatte.

23      Mit Schreiben vom 15. Januar 2010 hat der Kläger beantragt, die vorliegende Rechtssache mit seinen anhängigen Klagen F‑118/07, F‑119/07, F‑120/07, F‑121/07 und F‑62/09 zu verbinden. Das Gericht hat es am 26. Januar 2010 abgelehnt, diesem Antrag stattzugeben, und dies dem Kläger mit Schreiben der Kanzlei vom 18. März 2010 mitgeteilt.

24      Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 hat der Kläger die Übermittlung aller Entscheidungen im Zusammenhang mit der Zuweisung der vorliegenden Rechtssache an die Zweite Kammer des Gerichts beantragt und zum Ablauf des Verfahrens und zum vorbereitenden Sitzungsbericht, der ihm am 9. Juni 2010 übermittelt worden war, Stellung genommen.

25      In einem Schreiben vom 2. Juli 2010 hat der Kläger den Inhalt skizziert, den ein möglicher Vergleich seines Erachtens haben sollte, gleichzeitig jedoch darum gebeten, dem Verfahren Fortgang zu geben, da ein Vergleich weder sehr nahe noch sehr wahrscheinlich erscheine.

26      Der Kläger beantragt,

–        die Entscheidungen der Kommission vom 20. Juli 2007 und vom 9. November 2007 sowie die stillschweigenden Entscheidungen vom 9. August 2007 und 11. September 2007 aufzuheben, soweit mit ihnen seine Anträge vom 9. April, 11. Mai und 11. Oktober 2007 auf Genehmigung zur Veröffentlichung bestimmter Dokumente und zur Erstattung von Strafanzeigen gegen Kommissionsmitglieder und Kommissionsbeamte abgelehnt wurden;

–        die Kommission zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von mindestens 10 000 Euro für den ihm durch die erwähnten Entscheidungen entstandenen immateriellen Gesundheits‑ und moralischen Schaden zu zahlen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Verfahren

28      In seinem Schreiben vom 24. Juni 2010 (vgl. Randnr. 24 des vorliegenden Urteils) hat der Kläger die Übermittlung aller Entscheidungen beantragt, die im Zusammenhang mit dem Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 8. Oktober 2008 stehen, die vorliegende Rechtssache von der Ersten auf die Zweite Kammer des Gerichts zu übertragen. In diesem Schreiben hat der Kläger zudem den Ablauf des Verfahrens vor dem Gericht beanstandet, die Durchführung einer Güteverhandlung vor der mündlichen Verhandlung beantragt und das Gericht ersucht, den vorbereitenden Sitzungsbericht in mehreren Punkten zu ändern.

29      Bezüglich der Übermittlung von das Verfahren betreffenden Entscheidungen weist das Gericht darauf hin, dass die Kanzlei gemäß Art. 20 Abs. 1 der Verfahrensordnung unter Aufsicht des Kanzlers ein Register führt, in das u. a. alle schriftlichen Vorgänge der einzelnen Rechtssachen einzutragen sind. Zudem kann der Klägervertreter gemäß Art. 6 Abs. 5 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts vom 19. September 2007 (ABl. L 249, S. 3) die Originalakten der Rechtssache in der Kanzlei des Gerichts einsehen und Abschriften der Verfahrensvorgänge und des Registers oder Auszüge daraus verlangen. Es ist Sache des Klägers, der die Verfahrensakten einsehen möchte, sich nach diesen Vorschriften zu richten. Außerdem hat die Kanzlei des Gerichts dem Kläger mit Schreiben vom 17. November 2008 die Gründe für die Zuweisung der vorliegenden Klage an die Zweite Kammer des Gerichts mitgeteilt.

30      Soweit der Ablauf des Verfahrens vor dem Gericht beanstandet wird, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Gericht Anträge auf Erlass einer Zwischenentscheidung, Bemerkungen oder Beanstandungen in Bezug auf den Verfahrensablauf in anderen Rechtssachen, auf die der Kläger lediglich – noch dazu in einer oft konfusen Art und Weise – verweist, nicht berücksichtigen kann, ohne dass der durch die Klageschrift gezogene Rahmen des Rechtsstreits verlassen und der Gegenstand der gerichtlichen Verhandlung unbestimmt wird.

31      Soweit der Kläger ausdrücklich rügt, dass die der Kommission für die Einreichung ihrer Klagebeantwortung gesetzte Frist unter Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens wiederholt verlängert worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 39 Abs. 2 der Verfahrensordnung der Präsident des Gerichts solche Fristverlängerungen auf begründeten Antrag des Beklagten gewähren kann. Dass über diesen – begrenzten – Aspekt des Verfahrens nicht streitig verhandelt worden ist, stellt entgegen der Ansicht des Klägers keine Missachtung seines Rechts auf ein faires Verfahren dar. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Verfahren fair ist, das gesamte Verfahren zu berücksichtigen (vgl. EGMR, Urteil Vidal/Belgien vom 22. April 1992, Nr. 12351/86, Serie A Nr. 235 B, § 33, und Urteil Bonifacio/Frankreich vom 10. Oktober 2006, Nr. 18113/02, § 22). Die streitigen Fristverlängerungen haben die Situation der Parteien nicht wesentlich verändert; mehrere dieser Fristverlängerungen sind während des Versuchs einer gütlichen Einigung gewährt worden, der durch eine Fortsetzung eines streng kontradiktorischen Verfahrens naturgemäß hätte beeinträchtigt werden können. Zudem ist dem Kläger selbst eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu der Unzulässigkeitseinrede, die die Kommission nach dem Scheitern des oben erwähnten Versuchs der gütlichen Einigung erhoben hat, gewährt worden, ohne dass die Kommission zu dieser Verlängerung gehört worden ist. Schließlich hat der Kläger seine Argumente jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vorbringen können.

32      Im Übrigen ist auf die Rüge des Klägers hinsichtlich der Behandlung eines Schreibens, das er am 2. April 2009 in einer anderen seiner Rechtssachen an das Gericht gesandt hat, nicht einzugehen, da sie für das vorliegende Verfahren irrelevant ist.

33      Soweit der Kläger den Beschluss des Gerichts vom 17. September 2009 beanstandet, mit dem die von der Kommission erhobene Unzulässigkeitseinrede für zulässig erklärt und die Entscheidung über den Zwischenstreit dem Endurteil vorbehalten worden ist, wird auf die Begründung dieses Beschlusses verwiesen. Im Übrigen stellt die Zulässigkeit von Klagen eine Frage zwingenden Rechts dar, die gegebenenfalls von Amts wegen zu prüfen ist.

34      Soweit der Kläger rügt, dass die Verbindung mehrerer seiner Klagen abgelehnt worden ist, wird auf die Entscheidung des Gerichts vom 26. Januar 2010 verwiesen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass nach Art. 46 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Verbindung von zwei oder mehr Rechtssachen nur im Interesse einer geordneten Rechtspflege angeordnet werden kann und das Gericht insoweit über ein weites Ermessen verfügt. Im vorliegenden Fall hätte die beantragte Verbindung nach Auffassung der Präsidenten der Zweiten Kammer das Erfassen und die Behandlung der verschiedenen betroffenen Rechtssachen erschwert.

35      Was die Durchführung einer Güteverhandlung angeht, stellt das Gericht fest, dass bereits zu Beginn des Verfahrens vergeblich auf diesem Weg nach einer Lösung gesucht wurde; der Rechtsstreit eignet sich nicht für einen erneuten Versuch. In seinem Schreiben vom 2. Juli 2010 hat der Kläger im Übrigen selbst eingeräumt, dass ein Vergleich weder sehr nahe noch sehr wahrscheinlich erscheine.

36      Hinsichtlich des Antrags des Klägers, den vorbereitenden Sitzungsbericht in mehreren Punkten zu berichtigen, wird darauf hingewiesen, dass ein solches Dokument, wie aus seiner Bezeichnung hervorgeht, dazu dient, die mündliche Verhandlung vorzubereiten und den Parteien zu ermöglichen, ihre etwaigen Bemerkungen zu den Gegebenheiten des Rechtsstreits und den in diesem Bericht aufgeworfenen Fragen im Hinblick auf die Abfassung des Urteils vorzubringen. Außerdem hätte die Änderung dieses Dokuments als solche keine Auswirkung auf den Ablauf des Gerichtsverfahrens und den Inhalt des Urteils, da die von den Parteien in Bezug auf den vorbereitenden Sitzungsbericht geltend gemachten Rügen bei der Urteilsfindung nur berücksichtigt werden können, soweit sie relevant sind. Im vorliegenden Fall hat der Kläger in seinem Schreiben vom 24. Juni 2010 zwar solche Rügen erhoben, diese betrafen aber den vorbereitenden Sitzungsbericht in der Rechtssache F‑121/07. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger jedoch weitere Einwendungen vorgebracht, die einen Bezug zur vorliegenden Rechtssache aufweisen und im vorliegenden Urteil Berücksichtigung finden.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Aufhebungsantrag

 Vorbringen der Parteien

37      Die Kommission hält die Aufhebungsklage im Hinblick auf Art. 91 Abs. 2 des Statuts für unzulässig, da es an einer den Kläger beschwerenden Maßnahme im Sinne des Art. 90 Abs. 1 des Statuts und an einer Entscheidung über eine Beschwerde im Sinne des Art. 90 Abs. 2 des Statuts fehle.

38      Wie sich aus der Antwort der Anstellungsbehörde vom 20. Juli 2007 ergebe, seien die Anträge des Klägers nicht abschlägig beschieden worden. Der Kläger sei vielmehr gebeten worden, sie hinreichend zu präzisieren. Nach ständiger Rechtsprechung sei nämlich der Gegenstand eines Antrags nach Art. 90 Abs. 1 des Statuts hinreichend genau anzugeben, damit die angerufene Behörde in Kenntnis der Sache darüber befinden könne (Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 1975, Küster/Parlament, 23/74, Slg. 1975, 353, Randnr. 11).

39      Gemäß den Art. 17, 17a und 19 des Statuts müsse die Kommission prüfen, ob eine Verbreitung der betreffenden Informationen den Interessen der Union ernstlich schaden oder diese gefährden würde, und eine Abwägung zwischen den Interessen des Organs und den Interessen des Klägers vornehmen.

40      Strafanzeigen gegen ein ehemaliges Kommissionsmitglied, ein amtierendes Kommissionsmitglied, einen ehemaligen Generalsekretär, die Generaldirektoren des OLAF und des Amts für Veröffentlichungen sowie weitere Direktoren dieser Dienste seien prima facie geeignet, den Interessen der Union erheblichen und ernstlichen Schaden zuzufügen. Zugleich sei ein solcher Schaden gegen das Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung und seine rechtsstaatlichen Rechte abzuwägen.

41      Angesichts der Schwere der vom Kläger erhobenen Vorwürfe und angesichts des von ihm verfolgten Ziels, bestimmte Dokumente zur Erstattung von Strafanzeigen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu nutzen, sei es unbedingt erforderlich gewesen, dass der Kläger in seinem Antrag jedes Dokument genau benenne und kurz erkläre, in welcher Form es zur Erstattung dieser Strafanzeigen notwendig sei.

42      Die CD-ROM, die der Kläger der Verwaltung übermittelt habe, sei nicht ausreichend gewesen, da sie eine Flut von unübersichtlich gespeicherten Dokumenten enthalte, wobei einige von ihnen zu ihrer Veröffentlichung keiner Genehmigung bedürften.

43      Ferner verstieße es gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn die Dienststellen der Kommission erhebliche Ressourcen aufwenden müssten, um zunächst eine Flut von Dokumenten auf einer CD‑ROM zu sichten und dann zu mutmaßen, wozu jedes einzelne Dokument dienen könnte, ohne dass derjenige, der den Antrag auf Genehmigung der Veröffentlichung dieser Dokumente oder ihrer Weiterleitung an Justizbehörden gestellt habe, hierzu Angaben gemacht habe. Die Kommission stützt sich auf Art. 17a des Statuts, wonach die Genehmigung der Veröffentlichung nach Ablauf einer Frist von 30 Tagen als erteilt gelte, was voraussetze, dass der Antrag innerhalb von etwa 20 Arbeitstagen durch verschiedene Dienste behandelt werde.

44      Die Anstellungsbehörde habe dem Kläger in ihrer Antwort vom 20. Juli 2007 verschiedene Kriterien genannt, anhand deren er die Dokumente hätte ordnen und dann – verbunden mit einer kurzen Erklärung – einen Genehmigungsantrag bei der Kommission hätte einreichen können, der lediglich eine geringere Anzahl von Dokumenten betroffen hätte, die als die wichtigsten angesehen worden seien.

45      Der Standpunkt der Kommission beeinträchtige nicht ungebührlich das Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung oder das Rechtsstaats- und Transparenzprinzip. Diese Grundrechte gälten nämlich nicht schrankenlos; sie seien im Interesse des Dienstes durch die Regelungen des Statuts begrenzt (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 19. Mai 1999, Connolly/Kommission, T‑34/96 und T‑163/96, Slg. ÖD 1999, I‑A‑87 und II‑463, Randnr. 129), insbesondere soweit sie vorsähen, dass ein Beamter dem Organ Tatsachen, von denen er im Zusammenhang mit seiner Arbeit Kenntnis erhalten habe, vor Veröffentlichung angeben und dessen Genehmigung einholen müsse. Diese Regelungen entsprächen überdies der auch in Art. 287 EG – jetzt Art. 339 AEUV – niedergelegten Loyalitäts- und Diskretionspflicht von Beamten sowie dem Interesse des Organs.

46      Im Übrigen entbinde auch die Fürsorgepflicht der Verwaltung den Kläger nicht von seiner Verpflichtung, einen hinreichend bestimmten Antrag zu stellen und damit seiner Pflicht nachzukommen, in loyaler Weise mit der Anstellungsbehörde zu kooperieren.

47      Die vom Kläger vorgenommene Auslegung der Fürsorgepflicht würde das Gleichgewicht der Rechte und Pflichten, wie es in den Art. 17, 17a und 19 des Statuts niedergelegt sei, zugunsten des Beamten verschieben, da die Kommission, folgte man dem Kläger, nicht in der Lage wäre, eine Entscheidung zu treffen, die auch das Interesse des Organs hinreichend schütze.

48      Aus diesen Gründen liegt nach Ansicht der Kommission keine den Kläger beschwerende Maßnahme der Anstellungsbehörde vor, so dass die Klage unzulässig sei.

49      Der Kläger bestreitet, dass die CD-ROM mit den Anlagen zur Beschwerde vom 9. April 2007 eine unübersehbare Flut wahllos gespeicherter Dokumente enthalte. Der Lektüre der Beschwerde hätte die Kommission ohne Weiteres den Gegenstand jedes dieser Dokumente, die sorgfältig nummeriert gewesen seien, entnehmen können. Außerdem werde in den Anträgen vom 9. April 2007 und 11. Mai 2007 genau bestimmt, was mit ihnen bezweckt werde, nämlich auf die Praxis der Betrugsbekämpfung innerhalb der Kommission und deren Umgang mit Informationen aufmerksam zu machen. Weder Art. 17 noch Art. 19 des Statuts verpflichte den betreffenden Beamten, die Motive für seinen Antrag im Detail darzulegen; das Erfordernis der Bestimmtheit beziehe sich nur auf den Genehmigungsgegenstand. Indem er alle von dem Genehmigungsantrag erfassten Dokumente auf einer CD‑ROM gespeichert habe, sei er mit äußerster Genauigkeit vorgegangen.

50      Im Rahmen von Art. 17a des Statuts sei es keinesfalls nötig, dass der Beamte den Wortlaut seiner Meinungsäußerungen vorher genehmigen lasse, da eine solche Auslegung mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit unvereinbar wäre. Selbst wenn dies so wäre, hätte die Kommission die Anträge des Klägers aber nicht rundweg ablehnen dürfen, sondern hätte zunächst entscheiden müssen, welche Genehmigungen sie erteile, um dann gegebenenfalls die Auflage zu erteilen, dass die Strafanzeigen vor Absendung nochmals im Wortlaut vorgelegt werden müssten. Nur ein solches Verhalten wäre mit den Grundsätzen einer guten Verwaltung und dem Fürsorgeprinzip vereinbar gewesen. Jedenfalls gelte Art. 17a des Statuts nicht für Beamte, die aus dem Dienst ausgeschieden seien.

51      Zudem habe die Anstellungsbehörde in ihrer Entscheidung vom 20. Juli 2007 sehr wohl über die Anträge des Klägers vom 9. April 2007 und 11. Mai 2007 entschieden, wie sich aus dem Wortlaut am Ende dieser Entscheidung und dem Wortlaut der Entscheidung vom 9. November 2007 ergebe, mit der die Beschwerde gegen die genannte Entscheidung vom 20. Juli 2007 zurückgewiesen worden sei.

52      Im Übrigen solle die Meinungsfreiheit gewährleisten, dass weder jedes Wort der Zensurbehörde vorgelegt noch die individuellen Motive der Meinungsäußerung im Detail gerechtfertigt werden müssten. Ferner nähmen Art. 17 und – implizit – Art. 19 des Statuts veröffentlichte Informationen oder solche, die der Öffentlichkeit zugänglich seien, von der Genehmigungspflicht aus, erlaubten also auch ihre freie Verbreitung.

53      Selbst hinsichtlich der vier Dokumentengruppen, auf die in der Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 20. Juli 2007 Bezug genommen werde, nämlich die Dokumente, zu denen der Zugang bereits nach der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) gewährt worden sei, die ärztlichen Unterlagen des Klägers, seine eigenen Unterlagen und die Unterlagen, die ihn in seiner Eigenschaft als Beamter beträfen, habe die Kommission seine Anträge, die sich auf Dokumente aus jeder dieser Gruppen bezögen, abgelehnt.

 Würdigung durch das Gericht

–       Einleitende Bemerkungen

54      Da der Kläger seine Anträge vom 9. April 2007 und 11. Mai 2007 „nach Art. 90 Abs. 1 i.V.m. Art. 17, 17a des Beamtenstatuts“ eingereicht hat, sind vor der Prüfung der Zulässigkeit der Klage zunächst der Anwendungsbereich dieser Vorschriften und ihr Verhältnis zueinander zu untersuchen.

55      Erstens stellt sich die Frage, ob Art. 17a des Statuts auf den Kläger, der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden war, anwendbar war.

56      Hierzu trägt der Kläger vor, in Art. 17a des Statuts sei im Gegensatz zu den Art. 17 und 19 des Statuts nicht angegeben, dass die Beamten nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst weiterhin den in dieser Bestimmung aufgestellten Verpflichtungen unterlägen.

57      Aus dem 16. Erwägungsgrund der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 723/2004 des Rates vom 22. März 2004 zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften (ABl. L 124, S. 1) ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung von Art. 17a in das Statut bezweckt hat, für Fälle, in denen die legitimen Interessen der Union gefährdet sein könnten, die Offenlegung von sich auf die Tätigkeit der Union beziehenden Sachverhalten durch Beamte klar zu regeln. Wie die Kommission vorträgt, ergänzt Art. 17a daher Art. 17 des Statuts, der auch die ehemaligen Beamten verpflichtet, sich jeder nicht genehmigten Verbreitung von Informationen, von denen sie im Rahmen ihrer Aufgaben Kenntnis erhalten haben, zu enthalten.

58      Gleichwohl hat der Gesetzgeber unterschieden zwischen der Verbreitung von „privilegierten“ – weil im Rahmen der Aufgaben erlangten – Informationen (Art. 17 Abs. 1 des Statuts) und der Bekanntmachung eines Textes („Angelegenheit“ im Sinne des Art. 17a Abs. 2 des Statuts), dessen einzige Besonderheit darin besteht, dass er die Arbeit der Union betrifft.

59      Im vorliegenden Fall ist im Übrigen unstreitig, dass die Verpflichtung, die Anstellungsbehörde über die Absicht zu unterrichten, einen Text, der die Arbeit der Union betrifft, bekannt zu machen, einen Eingriff in die Ausübung des Rechts des Beamten auf freie Meinungsäußerung darstellt. Dieser Eingriff ist daher am Maßstab von Art. 10 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) zu beurteilen, die die Grundrechte gewährleistet, die gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV als allgemeine Grundsätze Bestandteil des Unionsrecht sind. Nach Art. 10 Abs. 2 EMRK ist die Ausübung der Freiheit der Meinungsäußerung „mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden“, sofern diese „gesetzlich vorgesehen“ sind (Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, Slg. 2001, I‑1611, Randnrn. 40 bis 42). Zudem ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass eine Norm das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht wirksam beschränken kann, wenn sie nicht so präzise formuliert ist, dass der Bürger sein Verhalten danach einrichten kann (EGMR, Urteil Sunday Times/Vereinigtes Königreich vom 26. April 1979, Nr. 6538/74, Serie A Nr. 30, Ziff. 49), was im Übrigen auch der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet (vgl. etwa Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juni 2008, Intertanko u. a., C‑308/06, Slg. 2008, I‑4057, Randnr. 69).

60      Folglich kann Art. 17a des Statuts, da er sich nicht – wie die Art. 17 und 19 des Statuts – ausdrücklich auf die ehemaligen Beamten bezieht, nicht dahin ausgelegt werden, dass diese verpflichtet sind, die Anstellungsbehörde von ihrer Absicht zu unterrichten, einen Text, der die Arbeit der Union betrifft, bekannt zu machen.

61      Zwar ist die Verbindung zwischen einem Organ und einem Beamten, der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde, nicht völlig abgebrochen, da dieser Beamte nach Art. 14 Abs. 2 des Anhangs VIII des Statuts wieder verwendet werden kann, wenn er die Voraussetzungen für die Gewährung des Invalidengelds nicht mehr erfüllt. Im Statut selbst werden die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten jedoch trotz dieser Möglichkeit der Wiederverwendung als „ehemalige Beamte“ bezeichnet. Es kann daher schwerlich behauptet werden, dass das Statut ihnen mit hinreichender Klarheit eine Verpflichtung auferlege, die Anstellungsbehörde über jede Veröffentlichungsabsicht zu unterrichten.

62      Aus dem Vorstehenden folgt daher, dass Art. 17a des Statuts auf den Kläger nicht anwendbar war.

63      Gemäß Art. 17 des Statuts müssen ehemalige Beamte jedoch eine Genehmigung beantragen, bevor sie – etwa in einem Text, dessen Veröffentlichung sie beabsichtigen – Informationen verbreiten, von denen sie im Rahmen ihrer Aufgaben Kenntnis erhalten haben, es sei denn, diese Informationen sind der Öffentlichkeit bereits zugänglich.

64      Nach alledem durfte der Kläger Texte, die die Arbeit der Union betreffen, bekannt machen, ohne zuvor die Anstellungsbehörde davon zu unterrichten; er war jedoch verpflichtet, nicht nur vor der Verbreitung von Informationen, von denen er im Rahmen seiner Aufgaben Kenntnis erhalten hatte, sondern auch vor der Veröffentlichung von Texten, die er selbst verfasst oder an denen er mitgewirkt hatte und die solche Informationen enthalten, eine Genehmigung im Sinne von Art. 17 des Statuts zu beantragen.

65      Was zweitens den Anwendungsbereich des Art. 19 des Statuts angeht, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung alle Situationen erfasst, in denen ein Beamter oder ehemaliger Beamter die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen vor Gericht aus welchem Grund auch immer vorbringen oder über sie aussagen muss, insbesondere im Zusammenhang mit der Erstattung einer Strafanzeige (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 13. Juni 2002, Ferrer de Moncada/Kommission, T‑74/01, Slg. ÖD 2002, I‑A‑87 und II‑411, Randnr. 48). Der vom Kläger am 11. Mai 2007 eingereichte Antrag auf Genehmigung der Weiterleitung von Dokumenten an Justizbehörden der Mitgliedstaaten konnte von der Anstellungsbehörde daher nur im Hinblick auf diese Vorschrift geprüft werden.

66      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber Anträge von Beamten, mit denen diese die Genehmigung beantragen, Informationen, von denen sie im Rahmen ihrer Aufgaben Kenntnis erhalten haben, zu verbreiten oder Tatsachen, die ihnen in diesem Rahmen bekannt geworden sind, vor Gericht zu verwenden, keinem besonderen Verfahren unterworfen hat. Folglich sind diese von Art. 17 und Art. 19 Abs. 1 des Statuts erfassten Anträge unter den in Art. 90 Abs. 1 des Statuts festgelegten Verfahrensbedingungen zu prüfen.

67      Die Zulässigkeit der Klage ist vor diesem Hintergrund zu prüfen.

–       Zur Zulässigkeit der Klage

68      Das Gericht hat zu prüfen, ob die Klage, wie die Kommission im Wesentlichen vorgetragen hat, unzulässig ist, weil der Anstellungsbehörde eine Entscheidung über die Anträge des Klägers wegen deren Unbestimmtheit und der für sie bestehenden Notwendigkeit, unverhältnismäßige Ressourcen aufzuwenden, um die Anträge positiv oder negativ zu bescheiden, faktisch unmöglich war.

69      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass ein Antrag nach Art. 90 Abs. 1 des Statuts seinen Gegenstand hinreichend genau angeben muss, damit die angerufene Behörde in Kenntnis der Sache darüber befinden kann, und dass in Ermangelung einer genau bestimmten Aufforderung zur Entscheidung kein Antrag im Sinne dieser Bestimmung vorliegen kann (Urteil Küster/Parlament, Randnr. 11; Urteile des Gerichts erster Instanz vom 11. Juni 1996, Sánchez Mateo/Kommission, T‑110/94, Slg. ÖD 1996, I‑A‑275 und II‑805, Randnr. 26, und Ouzounoff Popoff/Kommission, T‑111/94, Slg. ÖD 1996, I‑A‑277 und II‑819, Randnr. 28). Ein Antrag kann seinen Zweck nämlich nicht erreichen, wenn die Anstellungsbehörde nicht in der Lage ist, seinen Gegenstand hinreichend zu erfassen.

70      Dieses Bestimmtheitsgebot wird durch die Systematik der Art. 17 und 19 des Statuts noch verstärkt.

71      Art. 17 des Statuts verbietet es den Beamten grundsätzlich, Informationen, von denen sie im Rahmen ihrer Aufgaben Kenntnis erhalten haben, zu verbreiten, und macht eine solche Verbreitung von einer vorherigen Genehmigung abhängig. Diese Genehmigungsregelung soll es der Anstellungsbehörde ermöglichen, sich zu vergewissern, dass diese Verbreitung den Interessen der Union insbesondere nicht dadurch schadet, dass sie das Funktionieren der Union und ihren Ruf beeinträchtigt. Die Regelung soll die Anstellungsbehörde zudem in die Lage versetzen, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass die Beamten bei der Festlegung ihres Verhaltens die Interessen der Organe und ihre Verpflichtungen nach Art. 339 AEUV im Blick haben. Mit Art. 17 des Status soll also insbesondere das Vertrauensverhältnis geschützt werden, das zwischen den Organen und ihren Bediensteten bestehen muss.

72      Nach dieser Regelung ist die Frage, ob die Verbreitung von Informationen zu genehmigen ist, im Licht der konkreten Umstände des Einzelfalls und ihrer Auswirkungen auf das Organ und die Ausübung des öffentlichen Dienstes zu beurteilen. Dabei ist auch eine Abwägung der verschiedenen betroffenen Interessen vorzunehmen, um zu bestimmen, ob den Interessen der Union oder dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang gebührt. Dies kann auch gar nicht anders sein, da die Freiheit der Meinungsäußerung die Freiheit der Verbreitung von Informationen umfasst und es mit den Bedingungen, unter denen ein Eingriff in diese Freiheit zulässig ist, nicht zu vereinbaren wäre, die Genehmigung einer solchen Verbreitung auf der Grundlage einer allgemeinen und abstrakten Beurteilung zu verweigern.

73      Daraus folgt, dass die Genehmigungsregelung des Art. 17 des Statuts, die es der Anstellungsbehörde erlauben soll, nach einer Einzelfallprüfung in voller Kenntnis der Sache zu entscheiden, nicht funktionieren kann, ohne dass der Beamte verpflichtet ist, hinreichend genaue Angaben insbesondere bezüglich der zu verbreitenden Informationen, den Umfang ihrer Verbreitung und den verfolgten Zweck zu machen.

74      Auch nach Art. 19 des Statuts muss jeder Beamte eine Zustimmung einholen, bevor er Tatsachen, die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind, vor den nationalen Gerichten verwendet. Im Übrigen ergibt sich aus der restriktiven Formulierung von Art. 19 Satz 2, dass die „Interessen der [Union]“ die eine Versagung der Zustimmung rechtfertigen können, schwerwiegende, vitale Interessen der Union sein müssen (Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven in der Rechtssache Weddel/Kommission, C‑54/90, Urteil vom 18. Februar 1992, Slg. 1992, I‑871, I‑881, Nr. 11; Urteil Ferrer de Moncada/Kommission, Randnr. 58).

75      Im Übrigen könnte das durch Art. 6 EMRK gewährleistete Recht jedes Rechtsuchenden auf Zugang zu einem Gericht in seinem Wesensgehalt beeinträchtigt werden, wenn die Anstellungsbehörde allgemein und abstrakt entscheiden müsste, ohne zuvor eine vollständige und eingehende Prüfung durchgeführt zu haben.

76      Nach alledem ist der Beamte, der Informationen, von denen er im Rahmen seiner Aufgaben Kenntnis erlangt hat, verbreiten oder Tatsachen, die ihm in diesem Rahmen bekannt geworden sind, vor den nationalen Gerichten verwenden will, verpflichtet, einen hinreichend bestimmten Antrag bei der Anstellungsbehörde zu stellen.

77      Die Fürsorgepflicht und der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, auf die sich der Kläger beruft, ändern an diesem Ergebnis nichts.

78      Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Fürsorgepflicht der Verwaltung für ihre Bediensteten ihre Grenzen immer in der Beachtung der geltenden Vorschriften finden muss (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 27. März 1990, Chomel/Kommission, T‑123/89, Slg. 1990, II‑131, Randnr. 32) und daher das Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten, das das Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und den öffentlichen Bediensteten geschaffen hat, nicht verändern kann (Urteil des Gerichts vom 16. April 2008, Doktor/Rat, F‑73/07, Slg. ÖD 2008, I‑A‑1‑91 und II‑A‑1‑479, Randnr. 42). Sie vermag also nichts daran zu ändern, dass der Beamte, der die Genehmigung beantragt hat, Informationen, die er im Rahmen seiner Aufgaben erhalten hat, zu verbreiten oder vor Gericht zu verwenden, bei der Anstellungsbehörde hinreichend genaue Angaben machen muss, um ihr eine Entscheidung zu ermöglichen. Diese Verpflichtung ergibt sich im Übrigen auch aus der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit der Behörde, die Art. 11 Abs. 1 des Statuts den Beamten auferlegt.

79      Der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, der allgemeiner anwendbar ist, befreit den Beamten ebenso wenig von der Informations‑ und Loyalitätspflicht gegenüber den Organen, die ihm obliegt, wenn er bei ihnen einen Antrag stellt (vgl. in diesem Sinne für Antragsteller und Empfänger finanzieller Zuschüsse Urteile des Gerichts erster Instanz vom 17. Oktober 2002, Astipesca/Kommission, T‑180/00, Slg. 2002, II‑3985, Randnr. 93, und vom 11. März 2003, Conserve Italia/Kommission, T‑186/00, Slg. 2003, II‑719, Randnr. 50; vgl. auch für Bewerber eines Auswahlverfahrens, Urteil des Gerichts erster Instanz vom 23. Januar 2002, Gonçalves/Parlament, T‑386/00, Slg. ÖD 2002, I‑A‑13 und II‑55, Randnr. 74).

80      Vorliegend ergibt sich aus den Akten, dass der Kläger erstens die Genehmigung beantragt hat, die in einer Beschwerde und in ihren auf einer beigefügten CD‑ROM gespeicherten Anlagen enthaltenen Informationen vollständig oder in Auszügen zu verbreiten und zu veröffentlichen. Zweitens hat er zum einen die Genehmigung beantragt, die oben genannte Beschwerde samt ihrer Anlagen sowie Dokumente, die im Rahmen einer Untersuchung des OLAF vorgelegt wurden und Dokumente, die die Rechtssachen T‑4/05 und C‑237/06 P betreffen, an die Strafverfolgungsbehörden mehrerer Mitgliedstaaten weiterzuleiten, und zum anderen die Genehmigung, Strafanzeigen gegen Beamte des OLAF und des Amts für Veröffentlichungen sowie gegen den Generalsekretär und mehrere Kommissionsmitglieder zu erstatten. Auf Aufforderung der Verwaltung, seine Anträge näher zu bestimmen, bekräftigte der Kläger am 25. Juni 2007 seine Absicht, grundsätzlich die gesamte CD‑ROM zu verbreiten und vor Gericht zu verwenden.

81      Die Art. 17 und 19 des Statuts verpflichten den Beamten zwar nicht, die Zahl und den Umfang der Dokumente zu beschränken, für deren Verbreitung oder Vorlage vor Gericht er eine Genehmigung beantragt, wenn er die Verbreitung jedes dieser Dokumente oder ihre Vorlage vor Gericht für gerechtfertigt hält. Nach der dem Beamten obliegenden Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit, hat er jedoch der Verwaltung die Arbeit zu erleichtern. Daraus ergibt sich umso zwingender, dass er insbesondere zum Gegenstand der fraglichen Dokumente und zu ihrer Bedeutung im Hinblick auf den allgemein von ihm verfolgten Zweck hinreichend bestimmte Angaben zu machen hat. Der Beamte kann daher gehalten sein, die Dokumente nach geeigneten und kohärenten Kriterien zu ordnen, um ihre Prüfung zu erleichtern, und gegebenenfalls eine Zusammenfassung dieser Dokumente vorzulegen.

82      Die Beschwerde vom 9. April 2007 umfasste 77 Seiten und verfolgte eher den Zweck, frühere Entscheidungen zu beanstanden als den Antrag zu erläutern, der die Verbreitung von Dokumenten und ihre Verwendung vor Gericht betraf. Die ihr beigefügte CD‑ROM enthielt 233 Dateien, die nicht im Hinblick auf einen Antrag nach den Art. 17 und 19 des Statuts zusammengestellt, sondern unübersichtlich und nicht geordnet nach verschiedenen Kriterien, die hätten relevant sein können, gespeichert waren. Darüber hinaus enthielt jede Datei ein oder mehrere Dokumente, manchmal sogar eine große Zahl von Dokumenten. Der Kläger fügte seiner Beschwerde vom 11. Oktober 2007 eine Liste der auf der CD‑ROM enthaltenen Dateien bei; diese Liste war jedoch ebenfalls nicht nach Kriterien erstellt, die einen Zusammenhang mit den Anträgen aufweisen. Zudem ist zwar bei jeder Datei ihr Gegenstand angegeben; diese Angabe ist aber summarisch und ermöglicht meist keine konkrete Vorstellung vom Inhalt der betreffenden Datei.

83      Der Antrag vom 11. Mai 2007 auf Genehmigung, Dokumente an die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Mitgliedstaaten weiterzuleiten und Strafanzeigen zu erstatten, die sich auf diese Dokumente stützen, bezog sich zum Teil auf Unterlagen, die der Kläger dem OLAF im Zusammenhang mit einer Untersuchung übergeben hatte, oder auf solche, die das OLAF oder die Kommission ihm seither übermittelt hatten. Es ist erneut festzustellen, dass in dem Antrag weder genau angegeben wurde, welche Dokumente der Kläger zum Zweck der von OLAF durchgeführten Untersuchung tatsächlich übermittelt hatte, noch, welche Dokumente das OLAF und die verschiedenen Dienststellen der Kommission ihm in diesem Rahmen übermittelt hatten. Der Antrag vom 11. Mai 2007 betraf auch „alle Unterlagen im Zusammenhang mit den … Gerichtsverfahren T‑4/05 und C‑237/06 P“ und war ebenfalls unbestimmt, da er offen ließ, ob er sich auf die Verfahrensschriftsätze, ihre Anlagen oder alle sonstigen Stellungnahmen, Vermerke oder Schreiben im Zusammenhang mit diesen Gerichtsverfahren bezog.

84      Letztlich hat der Kläger, der als einziger genaue Kenntnis davon hatte, was er verbreiten oder verwenden wollte und welchen Inhalt jedes Dokument, um das es ihm ging, hatte, sich nicht einmal die Mühe gemacht, der Verwaltung diese Angaben zu übermitteln, um ihr die Arbeit zu erleichtern, und sie so zu einer umfangreichen vorbereitenden Recherchearbeit gezwungen.

85      Außerdem enthielt der Antrag vom 9. April 2007 auf Genehmigung der Verbreitung von Dokumenten keine Angabe zu dem vom Kläger verfolgten Zweck und zum Umfang dieser Verbreitung.

86      Im Antrag vom 11. Mai 2007 heißt es, der Kläger beabsichtige, im „öffentlichen Interesse“ Anzeigen gegen Beamte und Mitglieder der Kommission zu erstatten. Angesichts der Bedeutung des verfolgten Ziels und der Zahl der Dokumente, auf die der Kläger Bezug genommen hat, durfte die Kommission es gleichwohl als unbedingt erforderlich ansehen, dass der Kläger jedes Schriftstück, das er verwenden wollte, zusammenfassend beschreibt und kurz erläutert, inwiefern es für die Erstattung der Anzeigen erforderlich war. Eine solche Beschreibung und eine solche Erläuterung fehlen jedoch. Überdies ist festzustellen, dass der Kläger zwar seine Absicht erwähnt hat, wegen Strafvereitelung, Verleitung von Untergebenen zur Begehung von Straftaten und Rechtsbeugung Strafanzeigen gegen Beamte des OLAF, den Generalsekretär der Kommission und Mitglieder der Kommission zu erstatten, hinsichtlich der Strafanzeigen gegen Beamte des Amts für Veröffentlichungen aber lediglich angegeben, diese hätten Straftatbestände erfüllt, die er in einem Vermerk vom 16. April 2004 dargelegt habe, wobei dieser Vermerk seinem Antrag nicht einmal beigefügt war.

87      In seiner Beschwerde vom 11. Oktober 2007 hat der Kläger – allerdings auf unklare Weise – mitgeteilt, „mittels der [in den Anträgen vom 9. April und vom 11. Mai 2007] genau bezeichneten bzw. beigefügten Dokumente, die in den Anträgen selbst und den Dokumenten von [ihm] gemachten Aussagen nunmehr auch gegenüber der Öffentlichkeit bzw. gegenüber den Strafverfolgungsbehörden tätigen und durch die ebenfalls beigefügten Fremddokumente belegen zu wollen“.

88      Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles ergibt sich aus alledem, dass die Schreiben des Klägers an die Kommission vom 9. April 2007 und 11. Mai 2007 keine Anträge im Sinne der Art. 17, 19 und 90 Abs. 1 des Statuts darstellen konnten.

89      Soweit erforderlich, ist schließlich darauf hinzuweisen, dass die Kommission ihrer Fürsorgepflicht dadurch nachgekommen ist, dass sie den Kläger zum einen am 19. Juni, 26. Juni und 20. Juli 2007 auf die Unbestimmtheit seiner Anträge hingewiesen und ihm zum anderen in ihrer Entscheidung vom 9. November 2007 eine Vorgehensweise vorgeschlagen hat.

90      Da das in Art. 90 Abs. 1 des Statuts vorgesehene Verfahren nicht eingehalten wurde, ist die Klage folglich unzulässig.

 Zum Antrag auf Schadensersatz

 Vorbringen der Parteien

91      Nach Ansicht des Klägers begründet die rechtswidrige Ablehnung seiner Anträge auf Genehmigung einen Amtsfehler, der die außervertragliche Haftung der Kommission begründen könne. Die Ablehnung sei willkürlich; der Kommission sei es möglicherweise genau darum gegangen, eine öffentliche Diskussion über ihr Vorgehen zu unterdrücken. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Strafanzeigen wegen eingetretener Verjährung sinnlos würden und eine Veröffentlichung von Dokumenten, die auf zurückliegende interne Missstände bei der Kommission aufmerksam machten, auf wesentlich geringeres öffentliches Interesse stoßen werde. Dies beeinträchtige die Aufklärungsinteressen des Klägers und auch demokratische und rechtsstaatliche Kontrollmechanismen erheblich.

92      Die angefochtenen Entscheidungen hätten wegen der Beeinträchtigung der Äußerungsfreiheit des Klägers zu einem immateriellen Schaden des Klägers und zu einer Verschärfung der Symptomatik seiner Erkrankung geführt.

93      Die Höhe des Schadensersatzes müsse dem Wiederholungsaspekt und der kumulativen Wirkung der Schäden ebenso Rechnung tragen wie der Verwerflichkeit der begangenen rechtswidrigen Handlungen. Sie müsse abschreckende Wirkung haben. Daher sei der Schadensersatz auf mindestens 10 000 Euro festzusetzen.

94      Nach Ansicht der Kommission ist der Schadensersatzantrag wegen der Unzulässigkeit des Aufhebungsantrags unzulässig oder mangels eines Amtsfehlers zumindest unbegründet.

95      Der Kläger habe zudem weder das Vorliegen eines Schadens noch eines Kausalzusammenhangs zwischen dem angeblichen Amtsfehler und dem behaupteten Schaden nachgewiesen.

 Würdigung durch das Gericht

96      Nach ständiger Rechtsprechung im Bereich des öffentlichen Dienstes sind Anträge auf Schadensersatz zurückzuweisen, wenn sie in engem Zusammenhang mit Aufhebungsanträgen stehen, die ihrerseits als unzulässig oder als unbegründet zurückgewiesen wurden (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Dezember 1967, Collignon/Kommission, 4/67, Slg. 1967, 497, und Urteil des Gerichts erster Instanz vom 5. April 2005, Christensen/Kommission, T‑336/02, Slg. ÖD 2005, I‑A‑75 und II‑341, Randnrn. 117 und 118).

97      Im vorliegenden Fall besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Schadensersatzantrag und dem Aufhebungsantrag, da der Kläger geltend macht, dass der behauptete Schaden eine Folge der Entscheidungen sei, deren Aufhebung er beantragt.

98      Folglich ist der Schadensersatzantrag ebenfalls als unzulässig abzuweisen.

 Kosten

99      Für den Fall, dass seine Klage als teilweise unzulässig oder unbegründet abgewiesen werde, beantragt der Kläger, der Kommission die Kosten aufzuerlegen, weil sie die Rechtsbehelfsbelehrung in der Entscheidung vom 20. Juli 2007 nicht eindeutig genug formuliert und es unterlassen habe, dem Kläger eine der Entscheidung vom 9. November 2007 entsprechende Entscheidung früher, nämlich innerhalb der noch laufenden Klagefrist in Bezug auf die Entscheidung vom 20. Juli 2007, zuzustellen.

100    Die Kommission beantragt, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

101    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Verfahrensordnung des Gerichts nach ihrem Art. 121 am 1. November 2007 in Kraft getreten ist.

102    Nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des Achten Kapitels des Zweiten Titels der Verfahrensordnung auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

103    Das Gericht kann jedoch gemäß Art. 87 Abs. 2 der Verfahrensordnung aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei zur Tragung nur eines Teils der Kosten oder gar nicht zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist. Außerdem kann das Gericht eine Partei, auch wenn sie obsiegt, nach Art. 88 der Verfahrensordnung verurteilen, der Gegenpartei die Kosten zu erstatten, die sie ihr verursacht hat und die wegen ihres Verhaltens, auch vor Klageerhebung, unangemessen oder böswillig erscheinen.

104    Im vorliegenden Fall ist die Klage wegen der erheblichen Unbestimmtheit der Schreiben vom 9. April und 11. Mai 2007, auf die die Kommission den Kläger mehrfach hingewiesen hat, unzulässig. Darüber hinaus lässt das Schreiben der Anstellungsbehörde vom 9. November 2007 kein unangemessenes oder böswilliges Verhalten erkennen. Schließlich liegen keine Billigkeitsgründe vor, die ein Abweichen von dem in Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung niedergelegten Grundsatz rechtfertigen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Herr Strack trägt sämtliche Kosten.

Tagaras

Van Raepenbusch

Rofes i Pujol

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. Januar 2011.

Die Kanzlerin

 

       Der Präsident

W. Hakenberg

 

       H. Tagaras


* Verfahrenssprache: Deutsch.