Language of document : ECLI:EU:T:2014:92

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

27. Februar 2014(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Weltmarkt für Flüssigkristallanzeigen (LCD) – Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen bezüglich der Preisfestsetzung und der Produktionskapazitäten – Räumliche Zuständigkeit – Interne Verkäufe – Verkäufe von Endprodukten, in denen die kartellbefangenen Produkte eingebaut sind – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbußen – Rundungsmethode – Unbeschränkte Nachprüfung“

In der Rechtssache T‑91/11

InnoLux Corp., vormals Chimei InnoLux Corp., mit Sitz in Zhunan (Taiwan), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt J.‑F. Bellis und R. Burton, Solicitor,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch P. Van Nuffel, F. Ronkes Agerbeek und A. Biolan als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung des Beschlusses K (2010) 8761 endg. der Kommission vom 8. Dezember 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.309 – LCD) und Herabsetzung der mit diesem Beschluss gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richter G. Berardis (Berichterstatter) und C. Wetter,

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2013

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1.     Betroffene Unternehmen

1        Die Chi Mei Optoelectronics Corp. (im Folgenden: CMO) war eine Gesellschaft taiwanesischen Rechts, die eine weltweit präsente Gruppe von in der Herstellung von Aktiv-Matrix-Flüssigkristallanzeigen (im Folgenden: LCD) tätigen Unternehmen kontrollierte.

2        Am 20. November 2009 schloss CMO einen Fusionsvertrag mit der InnoLux Display Corp. und der TPO Displays Corp. Aufgrund dieses Vertrags verloren TPO Displays und CMO am 18. März 2010 ihre rechtliche Existenz. Die überlebende juristische Person wurde zweimal umbenannt, und zwar zunächst von InnoLux Display Corp. in Chimei InnoLux Corp. und dann in InnoLux Corp., die Klägerin.

2.     Verwaltungsverfahren

3        Am [vertraulich](1) stellte die Gesellschaft koreanischen Rechts Samsung Electronics Co., Ltd (im Folgenden: Samsung) bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Kronzeugenregelung von 2002).

4        Dabei zeigte Samsung der Kommission das Bestehen einer Absprache zwischen mehreren Unternehmen, u. a. der Klägerin, über bestimmte LCD-Typen an.

5        Am 23. November 2006 gewährte die Kommission Samsung einen bedingten Geldbußenerlass nach Ziff. 15 der Kronzeugenregelung von 2002, wohingegen sie einen solchen Erlass einem anderen Kartellmitglied, der Gesellschaft koreanischen Rechts LG Display Co. Ltd, vormals LG Philips LCD Co. Ltd (im Folgenden: LGD), verweigerte.

6        Am 27. Mai 2009 leitete die Kommission das Verwaltungsverfahren ein und erließ eine Mitteilung der Beschwerdepunkte nach Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 [EG] und 82 [EG] durch die Kommission (ABl. L 123, S. 18). Diese Mitteilung der Beschwerdepunkte war an 16 Unternehmen, darunter CMO und zwei ihrer 100%igen europäischen Tochtergesellschaften, die Chi Mei Optoelectronics BV und die Chi Mei Optoelectronics UK Ltd, gerichtet. In den Erwägungsgründen 281 bis 285 der Mitteilung der Beschwerdepunkte wies die Kommission insoweit insbesondere auf die Rechtsprechung hin, nach der erstens gemäß den Wettbewerbsvorschriften des Rechts der Europäischen Union verschiedene Gesellschaften, die zum selben Konzern gehörten, eine wirtschaftliche Einheit und daher ein Unternehmen im Sinne der Art. 101 AEUV und 102 AEUV darstellten, wenn sie ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimmten (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Rn. 290), und es zweitens für die Vermutung, dass das Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf das Marktverhalten des Tochterunternehmens ausübe, genüge, dass die Kommission beweise, dass das gesamte Kapital dieses Tochterunternehmens von seinem Mutterunternehmen gehalten werde (Urteil des Gerichts vom 31. März 2009, ArcelorMittal Luxembourg u. a./Kommission, T‑405/06, Slg. 2009, II‑771, Rn. 91). Weiter erläuterte die Kommission in den Erwägungsgründen 327 bis 329 der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Gründe, weshalb die beiden vorstehend genannten Tochterunternehmen von CMO nach der angeführten Rechtsprechung für die von CMO begangenen Zuwiderhandlungen gesamtschuldnerisch hafteten.

7        Der Mitteilung der Beschwerdepunkte war eine CD-ROM mit den zugänglichen Teilen der Akten der Kommission beigefügt. Die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte machten von ihrem Recht auf Zugang zu den Teilen der Akten der Kommission Gebrauch, die nur in den Räumen der Kommission zur Verfügung standen.

8        Die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte nahmen zu den ihnen gegenüber erhobenen Einwänden gegenüber der Kommission fristgerecht schriftlich Stellung.

9        Mehrere Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, darunter die Klägerin, übten ihr Recht auf eine mündliche Anhörung aus, die am 22. und 23. September 2009 stattfand.

10      Mit Auskunftsersuchen vom 4. März 2010 und Schreiben vom 6. April 2010 wurden die Parteien u. a. aufgefordert, die für die Berechnung der Geldbußen relevanten Angaben über den Umsatz vorzulegen und zu dieser Frage Stellung zu nehmen.

11      CMO beantwortete dieses Schreiben am 23. April 2010.

3.     Angefochtener Beschluss

12      Am 8. Dezember 2010 erließ die Kommission den Beschluss K (2010) 8761 endg. in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.309 – LCD) (im Folgenden: angefochtener Beschluss), von dem eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 7. Oktober 2011 (ABl. C 295, S. 8) veröffentlicht ist.

13      Der angefochtene Beschluss ist an sechs der 16 Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, darunter die Klägerin, gerichtet. Deren Tochterunternehmen, an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet war, gehören indessen nicht mehr dazu.

14      Die Kommission stellte in dem angefochtenen Beschluss die Existenz eines Kartells fest, an dem sechs große internationale LCD-Hersteller, darunter die Klägerin, beteiligt gewesen seien und das die beiden folgenden Kategorien dieser Produkte ab Größe zwölf Zoll aufwärts betroffen habe: LCD für den Informationstechnologiebereich, beispielsweise für kompakte tragbare Computer und Computer-Bildschirme (im Folgenden: IT‑LCD), und LCD für Fernsehgeräte (im Folgenden: TV-LCD) (im Folgenden zusammen: kartellbefangene LCD).

15      Nach dem angefochtenen Beschluss stellte dieses Kartell eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen dar, die vom 5. Oktober 2001 bis mindestens zum 1. Februar 2006 (im Folgenden: Zuwiderhandlungszeitraum) stattgefunden habe. In diesem Zeitraum hätten die Kartellmitglieder – hauptsächlich in taiwanesischen Hotels – zahlreiche multilaterale Zusammenkünfte abgehalten, die von ihnen sogenannten „Crystal-Meetings“ (Kristalltreffen). Diese Zusammenkünfte hätten einen eindeutig wettbewerbswidrigen Zweck gehabt, da sie den Teilnehmern u. a. Gelegenheit geboten hätten, Mindestpreise für die kartellbefangenen LCD festzusetzen, ihre Prognosen für die Preise zu erörtern, um deren Rückgang zu vermeiden und Preiserhöhungen sowie Produktionsmengen zu koordinieren. Während des Zuwiderhandlungszeitraums hätten sich die Kartellmitglieder auch regelmäßig bilateral getroffen und hätten häufig Informationen über die bei den „Kristalltreffen“ behandelten Themen ausgetauscht. Im Übrigen hätten sie Maßnahmen getroffen, um die Umsetzung der bei diesen Treffen gefassten Beschlüsse nachzuprüfen (Erwägungsgründe 70 bis 74 des angefochtenen Beschlusses).

16      Obwohl die Klägerin geltend gemacht habe, dass es sich bei dem TV-LCD-Markt und dem IT‑LCD-Markt um zwei unterschiedliche Märkte handele und nur für die zuletzt genannten LCD ein Kartell existiere, ging die Kommission gleichwohl von einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung aus, die sämtliche Produkte erfasse (Erwägungsgründe 281 und 283 bis 290 des angefochtenen Beschlusses).

17      Die Kommission setzte die durch den angefochtenen Beschluss verhängten Geldbußen gemäß den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) fest.

18      Entsprechend den Leitlinien von 2006 bestimmte die Kommission erstens den von der Zuwiderhandlung unmittelbar oder mittelbar betroffenen Umsatz mit kartellbefangenen LCD. Hierzu teilte sie den Umsatz der Kartellmitglieder in die drei folgenden Kategorien ein:

–        „Unmittelbare Verkäufe im EWR“, d. h. Verkäufe von kartellbefangenen LCD an ein anderes Unternehmen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR);

–        „Unmittelbare Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“, d. h. Verkäufe von kartellbefangenen LCD als Bestandteil von an ein anderes Unternehmen im EWR verkauften Endprodukten, wobei der Einbau innerhalb des Konzerns, zu dem der Hersteller gehöre, erfolgt sei;

–        „Mittelbare Verkäufe“, d. h. Verkäufe von kartellbefangenen LCD an ein anderes, außerhalb des EWR ansässiges Unternehmen, das die Bildschirme dann in Endprodukte einbaue, die es im EWR verkaufe (380. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

19      Die Kommission meinte jedoch, sie brauche nur die ersten beiden der in Rn. 18 des vorliegenden Urteils genannten Kategorien zu berücksichtigen, da die Einbeziehung der dritten Kategorie nicht erforderlich sei, um Geldbußen in ausreichend abschreckender Höhe verhängen zu können (381. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

20      Statt den Umsatz eines Unternehmens im letzten vollständigen Geschäftsjahr seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung zu verwenden, wie dies Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 als Regelfall vorsieht, hielt es die Kommission vor allem angesichts des exponentiellen Wachstums der Umsätze der meisten betroffenen Unternehmen in den Jahren, auf die sich der angefochtene Beschluss bezieht, für angebracht, im vorliegenden Fall den durchschnittlichen Jahresumsatz während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung heranzuziehen (384. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

21      In Bezug auf die Klägerin wies die Kommission deren Einwendungen zurück, dass erstens der relevante Umsatz ohne Berücksichtigung ihrer „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ und ihrer „Unmittelbaren Verkäufe im EWR“ an andere Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte hätte berechnet werden müssen, dass zweitens LCD-Lieferungen hätten ausgeschlossen werden müssen, die nicht europäischen Unternehmen in Rechnung gestellt worden seien, und dass drittens zwischen Verkäufen von IT‑LCD und TV-LCD hätte unterschieden werden müssen. So sei der relevante Umsatz im Zuwiderhandlungszeitraum für die Klägerin auf insgesamt 1 555 111 603 Euro festgesetzt worden, was einem Jahresdurchschnitt – errechnet durch Division dieses Betrags durch die Kartelldauer von 4,33 Jahren – von 359 148 176 Euro entspreche (Erwägungsgründe 388, 394, 398 bis 401 und Tabelle 4 des angefochtenen Beschlusses).

22      Zweitens stellte die Kommission fest, dass in Anbetracht der Schwere der Zuwiderhandlung der bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße zu berücksichtigende Anteil des Umsatzes der fraglichen Produkte für alle Kartellmitglieder auf 16 % festzusetzen sei (416. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

23      Drittens wandte die Kommission auf die Klägerin einen Multiplikator von 4,25 für die Dauer der Zuwiderhandlung an, da die Klägerin während der gesamten in dem angefochtenen Beschluss festgestellten Dauer des Kartells, d. h. vier Jahren und drei Monaten, an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei (Erwägungsgründe 417 und 418 sowie Tabelle 5 des angefochtenen Beschlusses).

24      Viertens war die Kommission der Ansicht, dass der Sachverhalt es rechtfertige, nach Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 den Grundbetrag der Geldbuße für alle Kartellmitglieder um 16 % des relevanten Durchschnittsumsatzes zu erhöhen, um die abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherzustellen (im Folgenden: Eintrittsgebühr) (Erwägungsgründe 419 und 424 des angefochtenen Beschlusses).

25      Fünftens stellte die Kommission bei keinem der Kartellmitglieder erschwerende oder mildernde Umstände im Sinne der Leitlinien von 2006 fest. Insbesondere wies sie die Argumente der Klägerin zurück, mit denen diese geltend machte, sie habe in dem Kartell eine passive Rolle gespielt, fahrlässig daran teilgenommen und mit der Kommission schließlich über den Rahmen der Kronzeugenregelung von 2002 hinaus zusammengearbeitet, und zwar obwohl die Kommission ihr keine ebenso detaillierten Auskunftsersuchen habe zukommen lassen wie anderen Kartellmitgliedern (Erwägungsgründe 426, 430, 433, 434, 438, 439 und 442 bis 444 des angefochtenen Beschlusses).

26      Sechstens bestätigte die Kommission zunächst den vollständigen Geldbußenerlass gegenüber Samsung nach der Kronzeugenregelung von 2002. Ferner war sie der Auffassung, dass die von der Klägerin geleistete Zusammenarbeit dieser keinen Anspruch auf eine Herabsetzung der Geldbuße verleihe (Erwägungsgründe 455 bis 458 und 472 des angefochtenen Beschlusses).

27      Aufgrund dieser Erwägungen erlegte die Kommission der Klägerin in Art. 2 des angefochtenen Beschlusses eine Geldbuße von 300 000 000 Euro auf.

 Verfahren und Anträge der Parteien

28      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 21. Februar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

29      Das Gericht (Sechste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts den Parteien schriftlich Fragen gestellt, die diese fristgerecht beantwortet haben.

30      In der Sitzung vom 24. April 2013 haben die Parteien mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

31      Die Klägerin beantragt im Wesentlichen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

–        die mit dem angefochtenen Beschluss gegen sie festgesetzte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

32      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

33      Die Klägerin macht drei Klagegründe geltend:

–        Erstens habe die Kommission bei der Bestimmung des für die Berechnung der Geldbuße relevanten Umsatzes ein rechtsfehlerhaftes Konzept, das Konzept der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ angewandt;

–        zweitens habe die Kommission mit der Feststellung, dass sich die Zuwiderhandlung auf TV-LCD erstreckt habe, gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen;

–        drittens habe der relevante Umsatz, den die Kommission ihr gegenüber zugrunde gelegt habe, zu Unrecht Verkäufe einbezogen, die keine Verkäufe kartellbefangener LCD gewesen seien.

1.     Zum ersten Klagegrund: Anwendung eines rechtsfehlerhaften Konzepts, des Konzepts der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“, bei der Bestimmung des für die Berechnung der Geldbuße relevanten Umsatzes

34      Der erste Klagegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Erstens stehe die Verwendung des Konzepts der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ im Widerspruch dazu, dass bezüglich Endprodukten, in denen kartellbefangene LCD eingebaut seien, keine Zuwiderhandlung festgestellt worden sei, und zweitens wohnten diesem Konzept Inkohärenzen inne.

 Zum ersten Teil des Klagegrundes: Widerspruch der Verwendung des Konzepts der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ dazu, dass bezüglich Endprodukten, in denen kartellbefangene LCD eingebaut seien, keine Zuwiderhandlung festgestellt worden sei

35      Die Klägerin macht zum einen geltend, die Verwendung des Konzepts der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ stehe nicht mit Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 in Einklang, da die Kommission Endprodukte berücksichtigt habe, bezüglich derer in dem angefochtenen Beschluss keine Zuwiderhandlung festgestellt worden sei und die daher nicht in einem unmittelbaren oder auch nur mittelbaren Zusammenhang mit der in diesem Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung stünden. Zum anderen weist die Klägerin darauf hin, dass die Preise der kartellbefangenen LCD keine Referenzpreise für die Endprodukte seien, in denen diese LCD eingebaut seien.

36      Nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 „[verwendet die Kommission z]ur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße … den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen“.

37      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass aus dieser Bestimmung nicht hervorgeht, dass bei der Berechnung des relevanten Umsatzes allein der Umsatz aus Geschäften, die tatsächlich von den rechtswidrigen Verhaltensweisen betroffen sind, berücksichtigt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission, T‑211/08, Slg. 2011, II‑3729, Rn. 58).

38      Die Formulierung in Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 erfasst nämlich den Umsatz, der auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen relevanten Markt erzielt worden ist. Erst recht bezieht sich diese Ziffer nicht nur auf Fälle, in denen die Kommission über schriftliche Beweise für die Zuwiderhandlung verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil Putters International/Kommission, Rn. 59).

39      Diese Auslegung wird durch das Ziel der Wettbewerbsregeln der Union bestätigt. Die von der Klägerin vorgeschlagene Auslegung würde nämlich bedeuten, dass die Kommission für die Bestimmung des Grundbetrags der in Kartellsachen zu verhängenden Geldbußen in jedem Fall die einzelnen Vorgänge benennen müsste, die von dem Kartell betroffen waren. Die Unionsgerichte haben ihr eine solche Pflicht nie auferlegt, und nichts weist darauf hin, dass sich die Kommission in den Leitlinien von 2006 eine solche Pflicht selbst auferlegen wollte (Urteil Putters International/Kommission, Rn. 60).

40      Im Übrigen kann nach ständiger Rechtsprechung der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß einer Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefern. Insbesondere stellt der Umsatz, der mit den Waren erzielt wurde, die Gegenstand einer beschränkenden Verhaltensweise waren, ein objektives Kriterium dar, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Verhaltensweise auf den normalen Wettbewerb auswirkt (Urteil Putters International/Kommission, Rn. 61; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Rn. 121, und Urteil des Gerichts vom 11. März 1999, British Steel/Kommission, T‑151/94, Slg. 1999, II‑629, Rn. 643).

41      Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass die Kommission im 380. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die in Rn. 18 des vorliegenden Urteils beschriebenen Umsatzkategorien definiert hat.

42      Die „Unmittelbaren Verkäufe im EWR“ erfüllen unstreitig die Voraussetzungen nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 in Verbindung mit der einschlägigen Rechtsprechung.

43      Zu den „Unmittelbaren Verkäufen im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ macht die Klägerin mit dem ersten Teil des ersten Klagegrundes geltend, diese stünden weder in unmittelbarem noch in mittelbarem Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung, da sie sich auf Verkäufe von Endprodukten, in denen kartellbefangene LCD eingebaut seien, nicht aber auf Verkäufe dieser LCD bezögen.

44      Hierzu ist zunächst zu beachten, dass in der Fußnote zu Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 zwar festgestellt wird, dass von einem Verkauf, der mit einem Verstoß in einem mittelbaren Zusammenhang steht, ausgegangen werden kann, wenn der Preis des Produkts, das Gegenstand horizontaler Preisabsprachen ist, als Referenzpreis für Produkte höherer oder geringerer Qualität genommen wird, darin jedoch zum Ausdruck kommt, dass dieser Fall beispielhaft angeführt wird. Daher ist der Hinweis der Klägerin, dass im vorliegenden Fall Endprodukte, in denen kartellbefangene LCD eingebaut seien, keine Produkte höherer oder geringerer Qualität als die LCD seien, ohne jede Relevanz.

45      Was das weitere Argument der Klägerin betrifft, dass in dem angefochtenen Beschluss keine Zuwiderhandlung bezüglich Endprodukten, in denen kartellbefangene LCD eingebaut seien, festgestellt worden sei, ist zu beachten, dass die Kommission den Wert des Umsatzes mit diesen Endprodukten nicht insgesamt, sondern nur insoweit berücksichtigt hat, als er dem Wert der in die Endprodukte eingebauten kartellbefangenen LCD entsprechen konnte, unterstellt, die Endprodukte wären von der Klägerin an im EWR ansässige Drittunternehmen verkauft worden. Es steht zwar außer Frage, dass die Kommission den Gesamtwert nicht hätte berücksichtigen dürfen, ohne zuvor einen Verstoß bezüglich der Endprodukte festgestellt zu haben, doch kann eine solche Feststellung nicht als unerlässlich angesehen werden, um den Wert insoweit berücksichtigen zu können, als er dem Wert der in die Endprodukte eingebauten kartellbefangenen LCD entspricht.

46      Im Übrigen hätte die Kommission ohne die Heranziehung des Konzepts der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ einen erheblichen Teil der Verkäufe kartellbefangener LCD, die von Kartellmitgliedern vertikal integrierter Unternehmen durchgeführt worden sind, bei der Festsetzung der Geldbuße nicht berücksichtigen können, auch wenn diese Verkäufe dem freien Wettbewerb im EWR geschadet hätten.

47      Daher musste die Kommission nach der in den Rn. 37 bis 40 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung das Ausmaß der Zuwiderhandlung auf dem fraglichen Markt berücksichtigen und konnte zu diesem Zweck den Umsatz der Klägerin mit kartellbefangenen LCD als objektives Kriterium berücksichtigen, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Verhaltensweise auf den normalen Wettbewerb auswirkt, vorausgesetzt, dass dieser Umsatz auf Verkäufe zurückzuführen war, die einen Zusammenhang mit dem EWR aufwiesen. Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch, wenn kartellbefangene LCD von der Klägerin an ihre Tochtergesellschaften – unabhängig vom Ort ihrer Niederlassung – geliefert werden, die sie in Endprodukte einbauen, die im EWR an Dritte verkauft werden.

48      Die Entscheidung der Kommission, „Unmittelbare Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ zu berücksichtigen, ist im vorliegenden Fall umso mehr gerechtfertigt, als der angefochtene Beschluss Beweise dafür enthält (vgl. u. a. 394. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), dass zwischen den an dem Kartell beteiligten Unternehmen interne Verkäufe kartellbefangener LCD zu Kartellpreisen stattgefunden haben, was die Klägerin nicht in Frage stellt.

49      Im Übrigen war es, wie sich insbesondere den Erwägungsgründen 92 und 93 des angefochtenen Beschlusses entnehmen lässt, den Kartellmitgliedern bewusst, dass der Preis der kartellbefangenen LCD den Preis der Endprodukte, in die diese eingebaut waren, beeinflusste.

50      Zum Argument der Klägerin, dass das Urteil des Gerichts vom 10. September 2008, JSC Kirovo-Chepetsky Khimichesky Kombinat/Rat (T‑348/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 62), jeder Gleichsetzung von Verkäufen von Endprodukten mit einem eingebauten Bestandteil mit Verkäufen dieser Bestandteile als solchen entgegenstehe, ist schließlich festzustellen, dass der Kontext, in dem, und der Zweck, zu dem die Kommission die in Endprodukte eingebauten kartellbefangenen LCD berücksichtigt hat, nicht mit dem Kontext und dem Zweck vergleichbar sind, die die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, kennzeichnen.

51      In der dem Urteil JSC Kirovo-Chepetsky Khimichesky Kombinat/Rat zugrunde liegenden Rechtssache (Rn. 54, 55, 57 und 58) wollte der Rat der Europäischen Union nämlich, nachdem er auf der Grundlage einer Antidumpinguntersuchung betreffend bestimmte Produkte, u. a. Ammoniumnitrat, entsprechende Antidumpingmaßnahmen ergriffen hatte, den Anwendungsbereich dieser Maßnahmen auf andere Produkte erweitern, ohne eine neue Untersuchung einzuleiten, da diese anderen Produkte, u. a. im Hinblick auf ihren Ammoniumnitratgehalt, den von dieser Untersuchung betroffenen ähnlich waren.

52      Insoweit befand das Gericht mit den folgenden Ausführungen, dass diese Ausdehnung rechtswidrig sei:

„62      … Ein Bestandteil eines Endprodukts kann selbstverständlich Gegenstand von Antidumpingmaßnahmen sein, ist in diesem Fall jedoch als ein Produkt anzusehen, das als solches [Gegenstand eines Dumpings] ist. Wird der Bestandteil nicht als solcher, sondern als Teil eines anderen Produkts betrachtet, stellt dieses andere Produkt mit allen seinen Bestandteilen das betroffene Produkt dar, und die Antidumpinguntersuchung muss sich daher unabhängig von den Bestandteilen auf dieses Produkt beziehen. Nur Waren, die Gegenstand einer Antidumpinguntersuchung waren, können, sofern festgestellt wurde, dass die fraglichen Waren zu einem niedrigeren Preis als dem Preis, zu dem ‚gleichartige Waren‘ im Sinne von Art. 1 der Verordnung [(EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 1996, L 56, S. 1)] in die Gemeinschaft ausgeführt werden, Antidumpingmaßnahmen unterworfen werden. Steht folglich fest, dass sich die neuartigen Waren im Sinne der angefochtenen Verordnung von der fraglichen Ware im Sinne der ursprünglichen Verordnungen unterscheiden, kann ein Antidumpingzoll erst dann erhoben werden, wenn zuvor untersucht worden ist, ob auch sie Gegenstand eines Dumpings auf dem Gemeinschaftsmarkt sind.“

53      Nichts dergleichen hat in der vorliegenden Sache stattgefunden, da die Kommission mit ihrer Untersuchung zu kartellbefangenen LCD hier keine Zuwiderhandlung bezüglich Endprodukten, in die diese LCD eingebaut sind, feststellen wollte. Sie hat nämlich die kartellbefangenen LCD keineswegs den Endprodukten gleichgesetzt, sondern ist ausschließlich zur Berechnung der Geldbuße davon ausgegangen, dass bei vertikal integrierten Unternehmen wie der Klägerin der Verkaufsort der Endprodukte mit dem Verkaufsort des kartellbefangenen Bestandteils an einen Dritten, der also nicht zu dem Unternehmen, das diesen Bestandteil angefertigt hat, gehört, zusammenfällt.

54      Aufgrund dieser Erwägungen ist der erste Teil des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des Klagegrundes: vermeintliche Inkohärenzen des Konzepts der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“

55      Der zweite Teil des ersten Klagegrundes enthält zwei Rügen gegenüber dem Konzept der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“: Erstens habe die Kommission die Grenzen ihrer räumlichen Zuständigkeit verletzt, und zweitens habe sie die Klägerin gegenüber anderen Kartellmitgliedern benachteiligt und diskriminiert.

 Zur räumlichen Zuständigkeit der Kommission

56      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe durch die Einbeziehung der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ den Ort, wo diese Verkäufe tatsächlich erfolgt seien, künstlich verlegt und damit die Grenzen ihrer räumlichen Zuständigkeit überschritten.

57      Es sind zunächst die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur räumlichen Zuständigkeit der Kommission für die Feststellung von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht ins Gedächtnis zu rufen.

58      Wenn sich außerhalb des EWR ansässige Hersteller, deren Produkte jedoch an Dritte im EWR verkauft werden, über die Preise abstimmen, die sie ihren im EWR ansässigen Kunden bewilligen werden, und diese Abstimmung durchführen, indem sie zu tatsächlich koordinierten Preisen verkaufen, sind sie, wie der Gerichtshof erkannt hat, an einer Abstimmung beteiligt, die eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts im Sinne von Art. 101 AEUV bezweckt oder bewirkt und für deren Verfolgung die Kommission räumlich zuständig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 27. September 1988, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, „Zellstoff I“, 89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, Slg. 1988, 5193, Rn. 13 und 14).

59      Außerdem weist ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV nach ständiger Rechtsprechung zwei Verhaltensmerkmale auf, und zwar die Bildung des Kartells und seine Durchführung. Würde man die Anwendbarkeit der wettbewerbsrechtlichen Verbote vom Ort der Bildung des Kartells abhängig machen, so liefe dies offensichtlich darauf hinaus, dass den Unternehmen ein einfaches Mittel an die Hand gegeben würde, sich diesen Verboten zu entziehen. Entscheidend ist daher der Ort, an dem das Kartell durchgeführt wird. Für die Feststellung, ob dieser Ort im EWR gelegen ist, ist es im Übrigen unerheblich, ob die Kartellmitglieder im EWR ansässige Tochterunternehmen, Agenten, Unteragenten oder Zweigniederlassungen eingeschaltet haben, um Kontakte zu den dort ansässigen Abnehmern zu knüpfen, oder ob sie das nicht getan haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Zellstoff I, Rn. 16 und 17).

60      Soweit die Voraussetzung der Durchführung des Kartells erfüllt ist, ist die Zuständigkeit der Kommission für die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften der Union auf derartige Verhaltensweisen durch das Territorialitätsprinzip gedeckt, das im Völkerrecht allgemein anerkannt ist (Urteil Zellstoff I, Rn. 18).

61      Die im Urteil Zellstoff I entwickelte Rechtsprechung wurde im Urteil des Gerichts vom 25. März 1999, Gencor/Kommission (T‑102/96, Slg. 1999, II‑753), wieder aufgegriffen, in dem es um eine Entscheidung über einen Zusammenschluss im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 1990, L 257, S. 13), ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 24, S. 1), ging.

62      Dabei hat das Gericht zwar darauf hingewiesen, dass die Anwendung der unionsrechtlichen Vorschriften über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen völkerrechtlich gerechtfertigt ist, wenn vorherzusehen ist, dass ein geplanter Zusammenschluss in der Union eine unmittelbare und wesentliche Auswirkung haben wird (Urteil Gencor/Kommission, Rn. 90).

63      In Rn. 87 des Urteils Gencor/Kommission hat das Gericht jedoch im Wesentlichen festgestellt, dass das Kriterium der Durchführung eines Kartells als Kriterium für dessen Verknüpfung mit dem Gebiet der Union durch den bloßen Verkauf des kartellbefangenen Produkts in der Union unabhängig von der Lage der Versorgungsquellen oder der Produktionsanlagen erfüllt ist. Das Gericht hat damit das Argument zurückgewiesen, das die Klägerin in der ihm vorliegenden Rechtssache daraus ableiten wollte, dass der Zusammenschluss, um den es in dem Fall ging, nicht im Unionsgebiet entstanden oder durchgeführt worden war, sondern in Südafrika, und daher die Voraussetzungen für die räumliche Zuständigkeit gemäß dem Urteil Zellstoff I nicht erfüllte (Urteil Gencor/Kommission, Rn. 56, 61 und 87).

64      Die Argumentation des Gerichts im Urteil Gencor/Kommission stellt daher die mit dem Urteil Zellstoff I begründete Rechtsprechung nicht in Frage.

65      Im vorliegenden Fall genügt es daher, sich auf die Frage zu konzentrieren, ob die Kommission die Kategorie „Unmittelbare Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ verwenden durfte, ohne deswegen die im Urteil Zellstoff I aufgestellten Grundsätze zu verletzen.

66      Hierzu ist erstens festzustellen, dass ein international operierendes Kartell dann, wenn es einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, aus dem einfachen Grund im Sinne des Urteils Zellstoff I im Binnenmarkt durchgeführt wird, dass die kartellbefangenen Produkte auf diesem Markt vertrieben werden.

67      Die Durchführung eines Kartells ist nämlich nicht zwangsläufig mit realen Auswirkungen verbunden (Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, T‑30/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 110; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P, C‑135/07 P und C‑137/07 P, Slg. 2009, I‑8681, Rn. 116 und 117). In Wirklichkeit ist die Frage, ob das Kartell konkrete Auswirkungen auf die Preise der Mitglieder hatte, allenfalls bei der Bestimmung der Schwere des Kartells zur Bemessung der Geldbuße relevant, vorausgesetzt, die Kommission möchte von allen Kriterien, die sie in diesem Zusammenhang berücksichtigen kann, dieses heranziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a., C‑8/08, Slg. 2009, I‑4529, Rn. 31). Vorliegend ist dies jedoch nicht der Fall (vgl. 416. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

68      Es spielt auch keine Rolle, dass sich die Kartellmitglieder nicht immer an die Preisbeschlüsse gehalten haben. Die Festsetzung eines Preises, sei es auch nur eines Richtpreises, beeinträchtigt nämlich den Wettbewerb dadurch, dass er sämtlichen Kartellmitgliedern die Möglichkeit gibt, mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen, welche Preispolitik ihre Konkurrenten verfolgen werden. Allgemein bedeuten derartige Kartelle einen unmittelbaren Eingriff in die wesentlichen Wettbewerbsparameter auf dem betreffenden Markt. Durch die Äußerung eines gemeinsamen Willens, ein bestimmtes Preisniveau bei ihren Produkten anzuwenden, hören die betreffenden Hersteller nämlich auf, autonom über ihre Marktpolitik zu bestimmen, und verstoßen so gegen den Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des Vertrags (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Zweitens beruht das Konzept der Durchführung im Sinne des Urteils Zellstoff I im Wesentlichen auf dem wettbewerbsrechtlichen Unternehmensbegriff, wie er sich aus der in Rn. 6 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung ergibt (vgl. in diesem Sinne auch Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juli 1984, Hydrotherm Gerätebau, 170/83, Slg. 1984, 2999, Rn. 11, sowie vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, Slg. 2011, I‑2239, Rn. 95), der eine entscheidende Rolle bei der Festsetzung der Grenzen der räumlichen Zuständigkeit der Kommission für die Anwendung des Wettbewerbsrechts zuzuerkennen ist.

70      Insbesondere muss die Kommission, auch wenn das Unternehmen, zu dem die Klägerin gehört, an einem Kartell außerhalb des EWR beteiligt war, die Auswirkungen des Verhaltens dieses Unternehmens auf den Wettbewerb im Binnenmarkt verfolgen und gegen das Unternehmen eine Geldbuße verhängen können, die in angemessenem Verhältnis zur Schädlichkeit dieses Kartells für den Wettbewerb auf diesem Markt steht. Sind die von der Klägerin hergestellten kartellbefangenen LCD von Gesellschaften, die zum selben Unternehmen gehören, in Endprodukte eingebaut und die Endprodukte von diesem Unternehmen im EWR verkauft worden, ist demnach davon auszugehen, dass das Kartell die Geschäfte bis zu diesem Verkauf, einschließlich des Verkaufs selbst, beeinträchtigt hat.

71      Dabei ist unerheblich, ob die internen Verkäufe an dieses Unternehmen wegen des Kartells zu höheren Preisen erfolgt sind. In diesem Fall käme die Schädlichkeit des Kartells in diesen höheren Preisen zum Ausdruck. Im anderen Fall läge die Schädlichkeit in dem Wettbewerbsvorteil des Unternehmens, das an dem Kartell beteiligt ist, gegenüber den anderen Unternehmen, die Endprodukte, in die kartellbefangene LCD eingebaut sind, herstellen, diese LCD jedoch zu einem nicht den normalen Marktbedingungen entsprechenden Preis kaufen. Bliebe der Wert interner Lieferungen eines Unternehmens außer Betracht, so würden nach ständiger Rechtsprechung vertikal integrierte Unternehmen zwangsläufig ungerechtfertigt begünstigt, da der aus dem Kartell gezogene Nutzen in einem solchen Fall unberücksichtigt bliebe, so dass das fragliche Unternehmen einer Sanktion entgehen würde, die seiner Bedeutung auf dem Markt der den Gegenstand der Zuwiderhandlung bildenden Produkte angemessen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Europa Carton/Kommission, T‑304/94, Slg. 1998, II‑869, Rn. 127 und 128).

72      Die Klägerin stellt diese Rechtsprechung nicht in Frage, weist aber darauf hin, dass die Kommission den Zweck, vertikal integrierte Unternehmen nicht zu begünstigen, allein mit der Übertragung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall hätte erreichen können. So sei es, anders als die Kommission in dem angefochtenen Beschluss behaupte, hierzu nicht erforderlich gewesen, das Konzept der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ zu verwenden. Die Kommission könne nicht das Urteil Europa Carton/Kommission heranziehen, um den Wert kartellbefangener LCD zu berücksichtigen, die außerhalb des EWR in Endprodukte eingebaut worden seien, die im EWR verkauft worden seien. Verkäufe eines Endprodukts könnten Verkäufen eines kartellbefangenen LCD nicht gleichgestellt werden. Dagegen müssten interne Verkäufe eines vertikal integrierten Unternehmens wie Verkäufe an Dritte behandelt und daher berücksichtigt werden, wenn sie im EWR erfolgten.

73      Die sich aus dem Urteil Europa Carton/Kommission ergebende Rechtsprechung ist, wie die Kommission hervorhebt, nicht dahin auszulegen, dass die Kommission räumlich nicht zuständig ist, wenn die kartellbefangenen Produkte – bevor sie den Binnenmarkt erreichen – zunächst Gegenstand eines Geschäfts zwischen zwei Unternehmen sind, die außerhalb des EWR ansässig sind und zu dem Unternehmen gehören, das an dem Kartell beteiligt war.

74      Im vorliegenden Fall bauten die Kartellmitglieder, bei denen es sich, wie bei der Klägerin, um vertikal integrierte Unternehmen handelte, kartellbefangene LCD außerhalb des EWR in Endprodukte ein, die im EWR verkauft wurden. Die mit dem Urteil Europa Carton/Kommission begründete Rechtsprechung ließ sich daher nicht ohne Weiteres auf den der Kommission vorliegenden Fall übertragen. Die Kommission durfte folglich die Grundsätze aus dieser Rechtsprechung den Umständen des vorliegenden Falls anpassen, um das mit dieser Rechtsprechung verfolgte Ziel, vertikal integrierten Kartellmitgliedern keine günstigere Behandlung zukommen zu lassen, zu erreichen.

75      Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission mit der Einbeziehung „Unmittelbarer Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ ihre räumliche Zuständigkeit nicht unzulässig erweitert hat, um Zuwiderhandlungen gegen die sich aus den Verträgen ergebenden Wettbewerbsvorschriften zu verfolgen.

 Zu den angeblichen Diskriminierungen aufgrund des Konzepts der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“

76      Die Klägerin macht geltend, die Rechtswidrigkeit des Konzepts der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ zeige sich darin, dass sie aufgrund der Verwendung dieses Konzepts gegenüber den anderen Kartellmitgliedern benachteiligt und diskriminiert worden sei.

–       Vorbemerkungen

77      Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist.

78      Nach ständiger Rechtsprechung verlangt dieser Grundsatz, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission u. a., C‑550/07 P, Slg. 2010, I‑8301, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Was die Bemessung der Geldbuße angeht, verbietet dieser Grundsatz, dass die Kommission durch die Anwendung verschiedener Berechnungsmethoden die Unternehmen, die an einer gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, ungleich behandelt (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 19. Juli 2012, Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission und Kommission/Alliance One International u. a., C‑628/10 P und C‑14/11 P, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Im vorliegenden Fall setzte die Kommission die gegen die Kartellmitglieder jeweils zu verhängende Geldbuße auf der Grundlage derselben drei Umsatzkategorien fest, die in Rn. 18 des vorliegenden Urteils genannt werden. Dass die Kategorie der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ nur für bestimmte Kartellmitglieder galt, ist keine Diskriminierung, da die Kommission die Anwendbarkeit dieser Kategorie für die einzelnen Mitglieder auf der Grundlage derselben objektiven Kriterien beurteilt hat. Entsprechend ist es auch keine Diskriminierung, dass sich die Nichteinbeziehung „Mittelbarer Verkäufe“ zugunsten einiger Mitglieder weitaus mehr ausgewirkt haben könnte als zugunsten der Klägerin (vgl. in diesem Sinne Urteil Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission und Kommission/Alliance One International u. a., Rn. 135 und 138, sowie Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in dieser Rechtssache, Nr. 87).

–       Zur angeblichen Diskriminierung gegenüber Samsung

81      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe sie schlechter behandelt als Samsung, obwohl sich die beiden Unternehmen in einer vergleichbaren Lage befunden hätten. Die Lieferungen der kartellbefangenen LCD von Samsung an deren Tochtergesellschaften im EWR, die diese in Endprodukte eingebaut hätten, seien nur dann als „Unmittelbare Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ erfasst worden, wenn die Endprodukte im EWR verkauft worden seien. Die von der Klägerin an dieselben europäischen Tochterunternehmen von Samsung verkauften kartellbefangenen LCD seien dagegen sämtlich als „Unmittelbare Verkäufe im EWR“ berücksichtigt worden, auch wenn die Endprodukte von diesen Tochtergesellschaften nach Orten außerhalb des EWR verkauft worden seien. In Anbetracht dieser Umstände weist die Klägerin darauf hin, dass kartellbefangene LCD beim Verkauf an Samsung nicht den Kreis der Kartellmitglieder verließen und daher nicht in den Verkehr gebracht würden.

82      Zunächst ist festzuhalten, dass die Kommission auf Samsung und die Klägerin dieselben Kriterien angewandt hat. Zum einen wurden Verkäufe kartellbefangener LCD zwischen der Klägerin oder Samsung und Dritten, die im EWR ansässig waren, als „Unmittelbare Verkäufe im EWR“ angesehen. Zum anderen wurden die Fälle, in denen die Klägerin oder Samsung die kartellbefangenen LCD zunächst an andere zu ihrem Konzern gehörende Unternehmen geliefert hatten, die sie in Endprodukte einbauten, die an unabhängige Dritte verkauft wurden, als „Unmittelbare Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ berücksichtigt, wenn diese Verkäufe an Dritte im EWR stattfanden.

83      Ferner ist nicht zu beanstanden, dass die Kommission die Verkäufe der Klägerin an die europäischen Tochtergesellschaften von Samsung als „Unmittelbare Verkäufe im EWR“ verstanden hat, wenn die betroffenen kartellbefangenen LCD an Abnehmer im EWR verkauft wurden, was zwangsläufig den Wettbewerb im Binnenmarkt verfälschte. Wie schädlich diese Verhaltensweise war, ist nach der in Rn. 37 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung anhand des Umsatzes einzuschätzen, den die Klägerin u. a. mit diesen Verkäufen erzielt hat.

84      Dem Argument der Klägerin, dass die Kommission die Verkäufe, die den Kreis der Kartellmitglieder nicht verlassen hätten, nicht hätte berücksichtigen dürfen, kann nicht gefolgt werden. Wird ein Produkt, das Gegenstand eines Kartells ist, im Binnenmarkt verkauft, wird der Wettbewerb im Binnenmarkt verfälscht, und die Kommission muss dies bei Bemessung der Geldbuße, die sie gegen das Unternehmen, das einen Vorteil aus diesem Verkauf gezogen hat, verhängt, berücksichtigen. Art. 101 AEUV ist, wie auch die übrigen Wettbewerbsregeln der Verträge, nicht nur dazu bestimmt, die unmittelbaren Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher zu schützen, sondern die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen (Urteile des Gerichtshofs T‑Mobile Netherlands u. a., Rn. 38, und vom 6. Oktober 2009, GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission u. a., C‑501/06 P, C‑513/06 P, C‑515/06 P und C‑519/06 P, Slg. 2009, I‑9291, Rn. 63). Im vorliegenden Fall findet die Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt ihren Ursprung in dem Kaufgeschäft zwischen der Klägerin und Samsung.

85      Auch wenn einige der kartellbefangenen LCD, die die europäischen Tochterunternehmen von Samsung bei der Klägerin gekauft haben, in Endprodukte eingebaut worden sein könnten, die nach Orten außerhalb des EWR verkauft wurden, ändert dies im Übrigen nichts daran, dass effektiv ein Kaufgeschäft zwischen zwei verschiedenen Unternehmen im EWR stattgefunden hat, als die europäischen Tochtergesellschaften von Samsung die LCD der Klägerin gekauft haben. Die Kommission durfte daher davon ausgehen, dass es sich um Verkäufe handelte, die den Wettbewerb im Binnenmarkt beeinträchtigten.

86      Was den Umstand betrifft, dass die Kommission bei Samsung nur Verkäufe kartellbefangener LCD berücksichtigt hat, die von den europäischen Tochterunternehmen von Samsung in im EWR verkaufte Endprodukte eingebaut wurden, ist festzustellen, dass der Erstverkauf dieser kartellbefangenen LCD an ein drittes Unternehmen mit dem Verkauf des Endprodukts erfolgte. Um nur Verkäufe zu berücksichtigen, die in Zusammenhang mit dem EWR standen, war die Kommission daher berechtigt oder sogar verpflichtet, nur die Verkäufe kartellbefangener LCD zu berücksichtigen, die in Endprodukte eingebaut worden waren, die im EWR verkauft wurden.

87      Zum Argument der Klägerin, dass es nicht im Einklang mit der sich aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 1974, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission (6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, Rn. 33), ergebenden Rechtsprechung stehe, eine Unterscheidung nach der Bestimmung des Endprodukts vorzunehmen, ist darauf hinzuweisen, dass sich in der Rechtssache, in der jenes Urteil ergangen ist, eine andere Frage gestellt hat als im vorliegenden Fall. Es ging nämlich darum, ob das Verbot des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung gemäß Art. 102 AEUV anzuwenden ist, wenn der im Binnenmarkt ansässige Inhaber dieser Stellung durch deren missbräuchliche Ausnutzung einen ebenfalls in diesem Markt ansässigen Wettbewerber auszuschalten sucht. Nur insoweit war der Gerichtshof der Auffassung, dass es unerheblich ist, ob das fragliche Verhalten dieses Wettbewerbers seinen Export oder seinen Handel im Binnenmarkt betrifft. Der Gerichtshof hat auch hervorgehoben, dass die Ausschaltung dieses Wettbewerbers selbst Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt haben wird (Urteil Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Rn. 33). Dagegen durfte im vorliegenden Fall die Kommission die Kategorie der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ in der Weise definieren, dass sie allein auf Verkäufe kartellbefangener LCD beschränkt sei, die sich in Endprodukten wiederfänden, die im EWR verkauft würden. Hätte dieser Erstverkauf der kartellbefangenen Produkte an einen Dritten nicht im EWR stattgefunden, wäre nämlich der Bezug zwischen dem Binnenmarkt und der Zuwiderhandlung zu schwach gewesen.

88      Auch wenn schließlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch die LCD, die in andere, von Samsung an außerhalb des EWR ansässige Dritte verkaufte Endprodukte eingebaut wurden, anschließend in den EWR zurückgekehrt sind und daher dort den Wettbewerb verfälscht haben, ist zu beachten, dass der Kommission nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich der Methode zur Festsetzung der Geldbußen ein weites Ermessen zusteht. Diese in den Leitlinien von 2006 umschriebene Methode enthält verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 3. September 2009, Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission, C‑322/07 P, C‑327/07 P und C‑338/07 P, Slg. 2009, I‑7191, Rn. 112, und vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission, C‑280/08 P, Slg. 2010, I‑9555, Rn. 271). Darüber hinaus ist die Kommission nicht verpflichtet, jedes wettbewerbswidrige Verhalten festzustellen und zu ahnden (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 369). Da die Kommission im Übrigen das Konzept der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“, das – unabhängig vom Ort ihrer Herstellung – nicht die Verkäufe von kartellbefangenen LCD erfasst, die in nach Orten außerhalb des EWR verkaufte Endprodukte eingebaut wurden, gegenüber allen vertikal integrierten Unternehmen anwandte, wurde keine ungerechtfertigte Diskriminierung vorgenommen.

–       Zu den angeblichen Diskriminierungen gegenüber zwei weiteren Adressaten des angefochtenen Beschlusses

89      Die Klägerin macht geltend, sie sei gegenüber zwei weiteren Kartellmitgliedern, und zwar gegenüber LGD und der Gesellschaft taiwanesischen Rechts AU Optronics Corp. (im Folgenden: AUO), die zu Konzernen mit einem vergleichbaren Grad vertikaler Integration wie sie gehörten, benachteiligt worden. Da die Kommission gegenüber diesen Mitgliedern nur das Konzept der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR“ angewandt habe, seien nämlich deren Verkäufe kartellbefangener LCD an verbundene Unternehmen nur dann berücksichtigt worden, wenn der Käufer im EWR ansässig gewesen sei. Durch die Verwendung des Konzepts der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ seien dagegen die internen Verkäufe der Klägerin auch dann in die Berechnung einbezogen worden, wenn sie an außerhalb des EWR ansässige Tochterunternehmen erfolgt seien, vorausgesetzt, dass die Endprodukte, die von diesen Tochterunternehmen unter Verwendung kartellbefangener LCD hergestellt worden seien, im EWR verkauft worden seien. Der diskriminierende Charakter der von der Kommission getroffenen Unterscheidung trete umso mehr zutage, als sie, wie aus den Erwägungsgründen 394 und 396 des angefochtenen Beschlusses hervorgehe, im Wesentlichen dieselben Beweise herangezogen habe, um einerseits den Einfluss des Kartells auf die Verkäufe der Klägerin an ihre Tochterunternehmen und andererseits seinen Einfluss auf die Verkäufe von LGD und AUO an die jeweils mit ihnen verbundenen Gesellschaften nachzuweisen.

90      Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission in dem angefochtenen Beschluss nicht davon ausgegangen ist, dass LGD mit der Gesellschaft koreanischen Rechts LG Electronics, Inc. (im Folgenden: LGE) und der Gesellschaft niederländischen Rechts Koninklijke Philips Electronics NV (im Folgenden: Philips) ein einziges Unternehmen im Sinne der in den Rn. 6 und 69 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung bilde. Auch hielt sie AUO und die Gesellschaft taiwanesischen Rechts BenQ Corp. (im Folgenden: BenQ) nicht für ein einziges Unternehmen. Daher sah sie die Verkäufe von LGD an LGE und Philips sowie von AUO an BenQ als „Unmittelbare Verkäufe im EWR“ und nicht als „Unmittelbare Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ an. Die unterschiedliche Behandlung der Verkäufe der Klägerin ist dadurch gerechtfertigt, dass die Klägerin kartellbefangene LCD zunächst innerhalb desselben Unternehmens an außerhalb des EWR ansässige Unternehmen veräußert hat, die die LCD sodann in Endprodukte einbauten, die sie an im EWR ansässige Dritte verkauften. Dieser objektive Unterschied rechtfertigt es, die Verkäufe der Klägerin einer anderen Kategorie als die Verkäufe von LGD an LGE und Philips zuzuordnen.

91      Soweit ferner die in Rn. 89 des vorliegenden Urteils dargestellte Rüge der Klägerin dahin verstanden werden kann, dass der Kommission zum Vorwurf gemacht wird, sie habe entweder LGD, LGE und Philips oder AUO und BenQ nicht als ein einziges Unternehmen angesehen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung eine Rüge, die sich auf einen Nichtigkeitsgrund bezieht, wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig ist, wenn die Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtshandlung aufgrund dieses Klagegrundes, selbst wenn er begründet wäre, nicht geeignet wäre, dem Kläger Genugtuung zu verschaffen (Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juni 2011, Evropaïki Dynamiki/EZB, C‑401/09 P, Slg. 2011, I‑4911, Rn. 49; vgl. in diesem Sinne auch Urteile des Gerichtshofs vom 15. März 1973, Marcato/Kommission, 37/72, Slg. 1973, 361, Rn. 2 bis 8, und vom 21. September 2000, EFMA/Rat, C‑46/98 P, Slg. 2000, I‑7079, Rn. 38).

92      Im vorliegenden Fall ist die Rüge der Klägerin deswegen unzulässig, weil – unterstellt, die Kommission hätte zu Unrecht verneint, dass LGD, LGE und Philips bzw. AUO und BenQ jeweils ein einziges Unternehmen bildeten − dies der Klägerin in keiner Weise hätte zum Vorteil gereichen können. Entgegen ihrer Argumentation zeigten diese angeblichen Fehler der Kommission, selbst wenn sie erwiesen wären, nämlich nicht, dass das Konzept der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ seinerseits fehlerhaft ist, da die Definition dieses Konzepts unabhängig davon ist, auf welche Fälle es angewandt wurde. Hätte die Kommission die vorstehend genannten Unternehmensgruppen jeweils als ein einziges Unternehmen angesehen, hätte sie Veräußerungen kartellbefangener LCD innerhalb desselben Unternehmens ganz einfach nicht als „EWR-Direktverkäufe“ erfassen können. Vielmehr hätte sie festgestellt, welche dieser Verkäufe die Voraussetzungen der „Unmittelbaren Verkäufe im EWR durch Verarbeitungsprodukte“ und damit genau die Bedingungen erfüllten, die auf die Verkäufe der Klägerin, die in diese Kategorie einbezogen wurden, angewandt wurden.

93      Selbst wenn sich die Klägerin auf die in Rn. 89 des vorliegenden Urteils angeführte Rüge sollte berufen können, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zum einen mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf einen gegenüber anderen begangenen Rechtsverstoß berufen kann; zum anderen kann ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, nicht deshalb jeder Sanktion entgehen, weil gegen andere Wirtschaftsteilnehmer, mit deren Situation der Gemeinschaftsrichter – wie im vorliegenden Fall – nicht befasst ist, keine Geldbuße verhängt wurde (vgl. Urteil des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, Slg. 2006, II‑4441, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94      Auch aus diesen Gründen hätte die Klägerin keinen Vorteil aus etwaigen Fehlern der Kommission im Zusammenhang mit der Frage, ob es sich bei LGD, LGE und Philips sowie AUO und BenQ jeweils um ein einziges Unternehmen handele, ziehen können.

95      Zu dem von der Klägerin vorgetragenen Umstand, dass die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Auffassung vertreten habe, dass es sich bei LGD, LGE und Philips um ein einziges Unternehmen handele, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufigen Charakter hat und Änderungen anlässlich der späteren Beurteilung zugänglich ist, die die Kommission auf der Grundlage der von den Beteiligten vorgelegten Stellungnahmen und weiterer Tatsachenfeststellungen vornimmt. Die Kommission muss nämlich die Ergebnisse des gesamten Verwaltungsverfahrens berücksichtigen, sei es, um bestimmte Beschwerdepunkte fallen zu lassen, die nicht ausreichend begründet sind, sei es, um ihre Argumente, auf die sie die aufrechterhaltenen Beschwerdepunkte stützt, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht neu zu ordnen oder zu ergänzen. Daher hindert die Mitteilung der Beschwerdepunkte die Kommission keineswegs, ihre Haltung zugunsten der betroffenen Unternehmen zu ändern (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, Slg. 2008, I‑4951, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96      Somit ist die Kommission nicht an ihre tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilungen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte gebunden. Im Gegenteil, sie muss ihre abschließende Entscheidung mit ihrer endgültigen Beurteilung, die auf den Ergebnissen ihrer gesamten Untersuchung beruht, wie sie beim Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorliegen, begründen. Im Übrigen ist die Kommission nicht verpflichtet, eventuelle Unterschiede ihrer endgültigen Beurteilung gegenüber ihrer vorläufigen Beurteilung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu erläutern (vgl. Urteil Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, Rn. 64 und 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

97      Daher war die Kommission nicht verpflichtet, in dem angefochtenen Beschluss zu erklären, aus welchen Gründen sie schließlich der Auffassung war, dass LGD nicht ein einziges Unternehmen mit LGE und Philips bilde.

98      Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin, das darauf abhebt, dass die von der Kommission sowohl in Bezug auf die Verkäufe von kartellbefangenen LCD innerhalb von Unternehmen als auch auf solche an mit den Mitgliedern in besonderer Weise verbundene Unternehmen angestellten Erwägungen und von ihr herangezogenen Beweismittel im Wesentlichen dieselben seien, als ins Leere gehend zurückzuweisen. Dieser Umstand ändert nämlich nichts daran, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines einzigen Unternehmens im Sinne der in den Rn. 6 und 69 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung genügt, um zu rechtfertigen, dass die Kommission die Verkäufe, die in jedem der beiden Fälle getätigt wurden, zum Zweck der Geldbuße unterschiedlich einstuft.

99      Aufgrund dieser Erwägungen ist auch der zweite Teil des ersten Klagegrundes und folglich dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.     Zum zweiten Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen die Art. 101 AEUV und 53 EWR-Abkommen durch die Feststellung, dass sich die Zuwiderhandlung auf TV-LCD erstreckt habe

100    Mit dem vorliegenden Klagegrund stellt die Klägerin im Wesentlichen in Abrede, dass ihr wettbewerbswidriges Verhalten in Bezug auf TV-LCD und IT‑LCD als ein und dieselbe einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung verstanden werden könne. Darüber hinaus wirft sie der Kommission vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass sich die koreanischen Mitglieder des in dem angefochtenen Beschluss festgestellten Kartells mit den japanischen TV-LCD-Lieferanten über diese Produkte abgestimmt hätten.

 Vorbemerkungen

101    Zunächst ist zu beachten, dass der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung eine Situation erfasst, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung, die aus einem fortgesetzten Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder aber an einzelnen Zuwiderhandlungen beteiligt waren, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (ein und dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der beteiligten Unternehmen, die sich der Beteiligung am gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren (vgl. Urteil des Gerichts vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, Slg. 2010, II‑1255, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben kann. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift darstellen könnten. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts in einen Gesamtplan ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (vgl. Urteil Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

103    Es ist auch klarzustellen, dass das einzige Ziel des Gesamtplans, das für eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung kennzeichnend ist, nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt bestimmt werden kann, da die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Ziel oder Wirkung jedem von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfassten Verhalten eigen ist. Eine solche Definition des Begriffs des einzigen Ziels könnte dem Begriff der einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilweise ihren Sinn nehmen, da sie zur Folge hätte, dass mehrere einen Wirtschaftssektor betreffende Verhaltensweisen, die nach Art. 101 Abs. 1 EG verboten sind, systematisch als Bestandteile einer einheitlichen Zuwiderhandlung eingestuft werden müssten. Es ist somit bei der Einstufung unterschiedlicher Vorgänge als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zu prüfen, ob zwischen ihnen insofern ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf ein einziges Ziel gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die diese Verbindung nachweisen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und im Zusammenhang damit das Ziel der verschiedenen fraglichen Handlungen (vgl. Urteil Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

104    Das Vorbringen der Klägerin ist nach einer Zusammenfassung der insoweit maßgeblichen Feststellungen der Kommission im angefochtenen Beschluss im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

 Feststellungen im angefochtenen Beschluss

105    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Zuwiderhandlung, die die Kommission den Adressaten des angefochtenen Beschlusses vorgeworfen hat, darin besteht, dass sie zum einen an den „Kristalltreffen“, bei denen sie die Mindestpreise für die kartellbefangenen LCD festgesetzt, ihre Prognosen für die Preise zur Vermeidung eines Preisrückgangs erörtert sowie Preiserhöhungen und Produktionsmengen koordiniert hätten, und zum anderen an bilateralen Zusammenkünften, bei denen es um bei den „Kristalltreffen“ erörterte Themen gegangen sei, teilgenommen hätten (siehe oben, Rn. 15).

106    Im Einzelnen führte die Kommission in dem angefochtenen Beschluss aus, dass sich die Kartellmitglieder erstens an einem einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Kartell für IT‑LCD und TV-LCD, das aus mehreren zusammenhängenden und voneinander abhängigen Handlungen bestanden habe, die während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung angedauert hätten, betätigt hätten, damit die Preise dieser LCD auf dem Weltmarkt und im EWR angehoben und beibehalten würden (283. Erwägungsgrund).

107    Zweitens gehörten dem angefochtenen Beschluss zufolge die Festsetzung der Preise im Wege der Preiserhöhung, die Festsetzung von Preisklassen und von Mindest- oder Zielpreisen sowie die Annahme einer gemeinsamen Haltung und einer künftigen Strategie bezüglich der preisbildenden Parameter, wie Produktion, Kapazitäten, Lieferung und Nachfrage, in Verbindung mit einem Überwachungssystem zur Sicherstellung der Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen zu den Elementen, die Teil eines Gesamtplans mit dem gemeinsamen Ziel seien, die Preise für den weltweiten Absatz, und damit auch den Absatz im EWR, sowohl von IT‑LCD als auch von TV-LCD zu kontrollieren (284. Erwägungsgrund).

108    Drittens stellte die Kommission fest, dass die Merkmale der Zuwiderhandlung, die Handlungsschwerpunkte und die Organisation während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung dem gleichen Muster gefolgt seien. Die Art des Zusammenwirkens habe sich im Lauf der Zeit geändert, doch dies sei bei einem lange währenden Kartell, dessen Teilnehmer sich, u. a. um nicht entdeckt zu werden, den veränderten Umständen angepasst hätten, als normal anzusehen. Daher wird in dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die Teilnahme von Sekretariats- statt – wie zuvor – Leitungspersonal an den ab Mai 2005 durchgeführten Kartelltreffen nicht zu einer Änderung der Art der Zusammenkünfte geführt habe, die weiterhin auf die Festsetzung der Preise und die Kontrolle der Parameter wie der Herstellung kartellbefangener LCD gerichtet gewesen seien (287. Erwägungsgrund).

109    Viertens stellte die Kommission fest, dass sich die Gespräche im ersten Kartelljahr auf IT‑LCD konzentriert hätten, und wies darauf hin, dass TV-LCD ab September 2002 in diese Gespräche einbezogen worden seien. Als jedoch mehr Kartellmitglieder die Herstellung von TV-LCD aufgenommen hätten, hätten sie auch mit dem gegenseitigen Austausch ihrer entsprechenden Daten begonnen. Seitdem seien zum einen bei den auf IT‑LCD bezogenen Treffen systematisch TV-LCD Gesprächsgegenstand gewesen; zum anderen hätten die Teilnehmer die Kapazitäten zwischen den verschiedenen Anwendungen der kartellbefangenen LCD aufteilen können, um die Nachfrage und dadurch auch den Preis dieser Produkte zu beeinflussen. Aufgrund dieser Erwägungen kam die Kommission zu dem Schluss, dass dieselben Unternehmen in Bezug auf TV-LCD im Rahmen desselben Gesamtplans dasselbe Ziel verfolgten und in derselben Weise vorgingen wie bei den Gesprächen über IT‑LCD, die seit 2001 stattgefunden hätten (Erwägungsgründe 288 und 289).

 Würdigung der Einwände gegen die Feststellungen im angefochtenen Beschluss

110    Aus zahlreichen Unterlagen, die die Kommission zusammengetragen hat, ergibt sich, dass die Kartellmitglieder in der Lage waren, ihre Produktionskapazitäten zwischen IT‑LCD und TV-LCD neu aufzuteilen, um die Nachfrage und damit die Preise dieser Produkte zu beeinflussen.

111    Insoweit zitiert erstens der 154. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus den Aufzeichnungen eines Teilnehmers des „Kristalltreffens“ vom 11. Juni 2003, an dem die Klägerin teilnahm, und gibt eine Erklärung von [vertraulich] wie folgt wieder:

„[W]enn die derzeitigen Kunden im Monitor- und Notebook-Sektor ihre Bestellungen reduzieren, wird die Produktionskapazität entsprechend auf die Herstellung von Fernsehgeräten verlagert …“

112    Zweitens ergibt sich aus einer im 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnten E-Mail zu dem „Kristalltreffen“ vom 9. Juli 2003, dass die Klägerin ihre Prioritäten bei der Verteilung ihrer LCD-Produktionskapazitäten zwischen TV-LCD und IT‑LCD nach den erwarteten Gewinnspannen festlege. In dieser E-Mail ist auch von einer Verlagerung der Produktionskapazitäten von [vertraulich] von IT‑LCD auf TV-LCD die Rede. Im Übrigen werde in dem Protokoll, das einer der Teilnehmer dieses Treffens erstellt habe, darauf hingewiesen, dass – wie im 156. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nochmals aufgegriffen – die Herstellung von Monitoren für die Klägerin eine Möglichkeit dargestellt habe, alle verfügbaren Produktionskapazitäten auszuschöpfen.

113    Drittens heißt es in einer internen E-Mail von [vertraulich] über das Protokoll des „Kristalltreffens“ vom 5. Februar 2004, das bei der Klägerin stattgefunden habe, dass [vertraulich] ihre Produktionskapazitäten u. a. auf TV-LCD verlagere.

114    Viertens bezog sich die Kommission im 187. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf die Aufzeichnungen eines Teilnehmers des „Kristalltreffens“ vom 4. November 2004, in denen von Gesprächen über die Umverteilung der Produktionskapazitäten zwischen den verschiedenen Anwendungen der kartellbefangenen LCD zur Beeinflussung der Nachfrage die Rede gewesen sei. Insbesondere habe [vertraulich] „ihre Absicht [bestätigt], die Produktion des MEP 17″ nur zu starten, wenn die Nachfrage des Marktes nach Fernsehapparaten beschränkt ist und sie keine Alternative hat“. Nach diesen Aufzeichnungen war das Angebot der Klägerin an bestimmten TV-LCD mittlerweile unzureichend, da sie ihre Produktionskapazitäten auf andere LCD [vertraulich] gelenkt habe, nämlich, wie die Klägerin auf eine schriftliche Frage des Gerichts bestätigt hat, auf IT‑LCD.

115    Fünftens zitiert die Kommission im 192. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus Aufzeichnungen zum „Kristalltreffen“ vom 7. Januar 2005, an dem die Klägerin teilgenommen habe; nach diesen Aufzeichnungen hat ein weiteres Kartellmitglied seine Produktionskapazitäten für Monitore auf Notebooks und Fernsehgeräte verlagert.

116    Sechstens erwähnt die Kommission im 220. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Klägerin nach dem Protokoll von [vertraulich] über das „Kristalltreffen“ vom 4. November 2005 ihre Verkaufsmengen und Produktionskapazitäten bei dieser Gelegenheit vorgestellt habe. Insoweit wird in dem Protokoll festgestellt, dass die Klägerin im November 2005 fast 100 % der Produktionskapazitäten bestimmter Fertigungsstätten für die Herstellung von TV-LCD verwendet habe.

117    Siebtens nahm die Kommission im 223. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Bezug auf Unterlagen des „Kristalltreffens“ vom 6. Dezember 2005, an dem die Klägerin teilgenommen hat. Es heiße darin, eines der Kartellmitglieder habe einen Teil seiner Produktionskapazitäten auf Fernsehgeräte und Notebooks verlagert.

118    Diese Beweismittel belegen, dass die Kartellmitglieder, einschließlich der Klägerin, ihre Produktionskapazitäten von IT‑LCD auf TV-LCD und umgekehrt verlagern konnten und mehrfach verlagert haben, um die Preise der verschiedenen Produkte auf dem vorgesehenen Niveau zu halten oder zumindest einen Preisverfall zu begrenzen. Sie rechtfertigen daher die Schlussfolgerung, dass zwischen den Beschlüssen und Informationen, die zu den beiden Arten der kartellbefangenen LCD gefasst und ausgetauscht worden sind, ein Komplementaritätsverhältnis im Sinne der in Rn. 103 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung bestand.

119    Zum Vorbringen der Klägerin, der Informationsaustausch zwischen den Kartellmitgliedern über die TV-LCD sei flüchtig gewesen und habe nur sporadisch stattgefunden, ist festzustellen, dass die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Beweise zunächst zeigen, dass die Teilnehmer der Kartelltreffen mehrfach übereingekommen sind, das Preisniveau der TV-LCD konstant zu halten. Wie im 154. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, wurden bei dem „Kristalltreffen“ vom 11. Juni 2003 Informationen u. a. zur Preisstrategie (price policies) ausgetauscht, die eines der Kartellmitglieder u. a. für TV-LCD verfolgt habe. Ferner wurden Tabellen zur Preisentwicklung verschiedener Typen kartellbefangener LCD in den Monaten Mai, Juni und Juli 2003 untersucht. Eine dieser Tabellen enthält Daten zu TV-LCD. Sodann nahm die Kommission im 165. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf Unterlagen zum „Kristalltreffen“ vom 7. November 2003 Bezug, wonach die Teilnehmer sich das Ziel der Preiserhöhung bei den für Notebooks bestimmten LCD und die Beibehaltung des Preisniveaus für die anderen kartellbefangenen LCD unter ausdrücklicher Erwähnung der TV-LCD gesetzt hätten. Einem Protokoll dieses Treffens sind Tabellen mit den Preisen mehrerer Kategorien kartellbefangener LCD, darunter TV-LCD, des Jahres 2003 beigefügt. Weitere Beispiele dafür, dass bei den Kartelltreffen Daten, u. a. Preise und Produktionskapazitäten, nicht nur in Bezug auf die IT‑LCD, sondern auch auf die TV-LCD erörtert worden sind, enthalten die Erwägungsgründe 167, 171, 173, 174, 202 und 214 des angefochtenen Beschlusses sowie die Unterlagen der Kommission, auf die in diesen Erwägungsgründen verwiesen wird.

120    Auch wenn die Kartellmitglieder über IT‑LCD in größerem Umfang oder sensiblere Informationen ausgetauscht haben sollten als über TV-LCD, können die von der Kommission zusammengetragenen Beweise belegen, dass alle diese Informationen gleichzeitig, häufig durch dieselben Unterlagen und vor allem mit demselben Ziel ausgetauscht wurden. Der sensible Charakter und die Detailliertheit der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Informationen ergibt sich im Übrigen aus dem 202. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach einem Dokument über das „Kristalltreffen“ vom 5. Mai 2005 zu entnehmen sei, dass für die Klägerin angesichts der Kapazitätsengpässe der Preis eines Segments von TV-LCD im Mai von 5 auf 10 US-Dollar (USD) gestiegen sei, was zum Preis von 230 USD geführt habe.

121    Was das Vorbringen der Klägerin betrifft, in den Gesprächen über TV-LCD sei eine fortgesetzte Abwärtsentwicklung der Preise für diese Produkte zutage getreten, ist festzustellen, dass eine Reihe von Unterlagen, auf die sich die Kommission in dem angefochtenen Beschluss gestützt hat, belegt, dass die Kartellmitglieder die Absicht verfolgten, die Preise dieser LCD konstant zu halten, und dass in absehbarer Zukunft keine Preissenkungen vorherzusehen waren (vgl. Erwägungsgründe 165, 167, 173 und 207 des angefochtenen Beschlusses). Auch wenn die Kartellgespräche in vielen Fällen nur zu Preissenkungsbeschlüssen geführt haben sollten, hätte dieses abgestimmte Verhalten gleichwohl den Wettbewerb verfälscht, da die Preissenkungen jedenfalls abgestimmt waren und ohne ein konzertiertes Zusammenwirken umfangreicher hätten sein können. Zudem erlaubte es die Möglichkeit, die Produktionskapazitäten zu verlagern, die Gegenstand der Kartelldiskussionen war, den Kartellmitgliedern, auf Preissenkungen von TV-LCD in abgestimmter Weise im Rahmen eines Gesamtplans zu reagieren.

122    Was das weitere Vorbringen der Klägerin betrifft, das von den Kartellmitgliedern zu den Kartelltreffen entsandte Personal sei im IT‑LCD-, nicht aber im TV-LCD-Bereich spezialisiert gewesen, so kann dieser Umstand zwar dahin verstanden werden, dass die IT‑LCD aus Sicht der betroffenen Unternehmen wichtiger gewesen seien, doch bedeutet es nicht, dass die TV-LCD nur Gegenstand flüchtiger und sporadischer Gespräche waren. Wie die Kommission zu Recht feststellt, zeigt dieser Umstand nämlich, dass der Informationsaustausch über TV-LCD geplant war, da sich das Personal, das an den Treffen teilnahm, für dieses nicht zu seinem Haupttätigkeitsbereich gehörende Thema vorbereiten musste.

123    Nach alledem gehörte der Datenaustausch über TV-LCD und über IT‑LCD zum selben Gesamtplan und daher zur selben einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung.

124    Die übrigen Argumente der Klägerin stellen die Feststellung, dass eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, die sich sowohl auf IT‑LCD als auch auf TV-LCD bezog und die die Kommission mit einer Gesamtgeldbuße ahnden konnte, nicht in Frage.

125    Erstens ist völlig unerheblich, dass die Kartellmitglieder mit den Gesprächen über TV-LCD-Daten erst nach einer ersten Phase begonnen haben, in dem sich das Kartell nur auf IT‑LCD bezogen hatte. Da nämlich der Informationsaustausch und die bei den Kartelltreffen gefassten Beschlüsse zu TV-LCD nachweislich auf demselben Gesamtplan beruhten wie demjenigen für IT‑LCD, ist der Zeitpunkt, zu dem das Kartell in Bezug auf die einzelnen Mitglieder ausgeweitet wurde, ohne Bedeutung. Zudem hat die Kommission für die Festsetzung der Geldbuße den relevanten Durchschnittsumsatz der Adressaten des angefochtenen Beschlusses während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung berücksichtigt. Dieser Durchschnittswert wird zugunsten der Klägerin dadurch beeinflusst, dass sie zu Beginn des Zeitraums der Zuwiderhandlung keine TV-LCD herstellte.

126    Im Übrigen ändert der Umstand, dass die Klägerin bei Beginn des Datenaustauschs über TV-LCD in den „Kristalltreffen“ keine TV-LCD herstellte, nichts daran, dass sie sich bei der Ausweitung ihrer Tätigkeit auf TV-LCD die Informationen zunutze machen konnte, die ihr hinsichtlich der früheren Preise und Produktionskapazitäten der anderen Kartellmitglieder in diesem Bereich zur Verfügung standen. Insoweit kann nach ständiger Rechtsprechung ein Unternehmen auch dann für eine abgestimmte Verhaltensweise verantwortlich gemacht werden, wenn sich seine Teilnahme nur auf die Entgegennahme von Informationen über das künftige Verhalten seiner Wettbewerber beschränkt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 459 und 460 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist auch möglich, dass sich ein Unternehmen nur an einem Teil des wettbewerbswidrigen Verhaltens, das die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildet, unmittelbar beteiligt hat, aber von dem gesamten übrigen rechtswidrigen Verhalten, das die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. In einem solchen Fall darf die Kommission diesem Unternehmen die Verantwortlichkeit für das gesamte wettbewerbswidrige Verhalten, das eine solche Zuwiderhandlung bildet, und folglich für diese insgesamt auferlegen (Urteil des Gerichtshofs vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, Rn. 43).

127    Unter diesen Umständen braucht der von der Klägerin in Abrede gestellte Beweiswert des Dokuments, auf das die Kommission ihre Annahme gestützt hat, dass die Ausweitung des Kartells auf die TV-LCD im September 2002 begonnen habe, nicht geprüft zu werden.

128    Zweitens ist unerheblich, dass IT‑LCD und TV-LCD, wie die Klägerin behauptet, womöglich jeweils zu unterschiedlichen Märkten gehören. Eine einheitliche Zuwiderhandlung muss nicht notwendigerweise ein und dasselbe Produkt oder substituierbare Produkte betreffen. Insoweit sind auch andere Kriterien maßgeblich, beispielsweise die Identität oder die Verschiedenartigkeit der Ziele der betreffenden Praktiken, die Identität der daran beteiligten Unternehmen, die Identität der Durchführungsmodalitäten dieser Praktiken, die Identität der natürlichen Personen, die für die Unternehmen tätig wurden, und die Identität des räumlichen Anwendungsbereichs der betreffenden Praktiken (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2012, Almamet/Kommission, T‑410/09, Rn. 172 und 174 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Kriterien sind, wie aus den Rn. 110 bis 127 des vorliegenden Urteils hervorgeht, im vorliegenden Fall erfüllt.

129    Im Übrigen ist nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV der relevante Markt zu definieren, um zu bestimmen, ob eine Vereinbarung den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezweckt oder bewirkt. Folglich muss die Kommission in einer Entscheidung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV nur dann den relevanten Markt abgrenzen, wenn ohne eine solche Abgrenzung nicht bestimmt werden kann, ob die Vereinbarung, der Beschluss der Unternehmensvereinigung oder die abgestimmte Verhaltensweise, um die es geht, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt (Urteile des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Rn. 99, und vom 6. Dezember 2005, Brouwerij Haacht/Kommission, T‑48/02, Slg. 2005, II‑5259, Rn. 58; vgl. in diesem Sinne auch Beschluss des Gerichtshofs vom 16. Februar 2006, Adriatica di Navigazione/Kommission, C‑111/04 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 31).

130    Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht bestritten, dass das Kartell den Wettbewerb zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet war und eine Einschränkung und Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt bezweckte.

131    Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung auch klargestellt worden, dass der Markt, auf den sich eine Entscheidung der Kommission bezieht, mit der ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird, durch die Kartellvereinbarungen und ‑aktivitäten bestimmt wird (vgl. Urteil des Gerichts vom 24. März 2011, IBP und International Building Products France/Kommission, T‑384/06, Slg. 2011, II‑1177, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall haben die Kartellmitglieder, wie von der Kommission zutreffend festgestellt, ihr wettbewerbswidriges Verhalten aus freien Stücken sowohl auf IT‑LCD als auch auf TV-LCD konzentriert.

132    Sodann ist das Argument zu prüfen, das die Klägerin aus dem Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 2003, Adriatica di Navigazione/Kommission (T‑61/99, Slg. 2003, II‑5349, Rn. 36), herzuleiten versucht, um zu belegen, dass die Kommission die relevanten Märkte nicht ausreichend bestimmt und damit die genaue Art und den genauen Umfang der in dem angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung falsch verstanden habe.

133    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Rn. 30 des Urteils Adriatica di Navigazione/Kommission Rügen zur Abgrenzung des relevanten Marktes durch die Kommission auch andere Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV als die Einschränkung des Wettbewerbs im Binnenmarkt und die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten betreffen können, wie z. B. die Reichweite des fraglichen Kartells, seinen einheitlichen oder umfassenden Charakter oder das Ausmaß der individuellen Beteiligung jedes der betroffenen Unternehmen. Ebenso hat das Gericht in den Rn. 31 und 32 des genannten Urteils hervorgehoben, dass eine Entscheidung, in der die Kommission die Beteiligung an einem Kartell feststellt, Folgen für die Beziehungen der Adressaten dieser Entscheidung zu Dritten haben kann. Es ist auch wünschenswert, dass die Kommission, wenn sie eine Entscheidung erlässt, in der die Beteiligung eines Unternehmens an einer komplexen, kollektiven und ununterbrochenen Zuwiderhandlung festgestellt wird, über die Prüfung der besonderen Tatbestandsmerkmale des Art. 101 Abs. 1 AEUV hinaus berücksichtigt, dass eine solche Entscheidung nur insoweit zur persönlichen Verantwortlichkeit jedes ihrer Adressaten führen kann, als deren Beteiligung an den geahndeten kollektiven Verhaltensweisen nachgewiesen ist und diese zutreffend umrissen sind.

134    Auch im Licht dieser Rechtsprechung kann das Vorbringen der Klägerin jedoch im vorliegenden Fall nicht durchgreifen. Aus den Rn. 110 bis 127 des vorliegenden Urteils ergibt sich nämlich, dass die Kommission die Klägerin nur für die Begehung der Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht hat, die sich durch die Teilnahme an den „Kristalltreffen“ und den mit diesen zusammenhängenden bilateralen Treffen konkretisiert hat, mit denen das Ziel verfolgt wurde, die Preise und Produktionskapazitäten sowohl von IT‑LCD als auch von TV-LCD abzustimmen. Daher hat das Fehlen einer genaueren Bestimmung der von dem Kartell betroffenen Märkte die Klägerin nicht den Risiken ausgesetzt, auf die das Gericht in dem in Rn. 133 des vorliegenden Urteils genannten Urteil Adriatica di Navigazione/Kommission hingewiesen hat.

 Nichtberücksichtigung der Kontakte mit japanischen Lieferanten

135    Die Klägerin rügt, die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass sich die koreanischen Teilnehmer an der im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung mit japanischen TV-LCD-Lieferanten abgestimmt hätten, die – zusammen mit diesen koreanischen Teilnehmern – die Hauptakteure auf diesem Markt seien, wohingegen die Klägerin dort nur eine untergeordnete Rolle spiele. Die tatsächliche Zuwiderhandlung, gegen die die Kommission bezüglich dieser LCD hätte vorgehen müssen, bestehe im Zusammenwirken zwischen den Hauptakteuren dieses Marktes. Die Kommission habe daher die Begründungspflicht verletzt und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen.

 Vorbemerkungen

136    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung zum Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung es der Kommission zwar ermöglicht, mit einem einzigen Verfahren und einer einzigen Entscheidung gleichzeitig mehrere Verhaltensweisen zu verfolgen, gegen die auch einzeln hätte vorgegangen werden können, sie jedoch nicht dazu führt, dass die Kommission verpflichtet wäre, so zu verfahren. Selbst wenn die vermeintliche Abstimmung zwischen den japanischen TV-LCD-Herstellern und den koreanischen Mitgliedern des Kartells, dem der angefochtene Beschluss gegolten hat, einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV dargestellt und dieser Verstoß auf derselben einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, die in dem angefochtenen Beschluss festgestellt worden ist, beruht haben sollte, wäre die Kommission daher doch nicht verpflichtet gewesen, alle diese Verhaltensweisen gleichzeitig zu verfolgen.

137    Die Kommission verfügt nämlich über ein Ermessen hinsichtlich des Umfangs der Verfahren, die sie einleitet. Nach der Rechtsprechung kann sie hierbei nicht verpflichtet sein, jedes wettbewerbswidrige Verhalten festzustellen und zu ahnden, noch könnten die Unionsgerichte entscheiden – wenn auch nur zur Herabsetzung der Geldbuße –, dass die Kommission angesichts der ihr zur Verfügung stehenden Beweise das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eines bestimmten Unternehmens während eines bestimmten Zeitraums hätte feststellen müssen (vgl. in diesem Sinne Tokai Carbon u. a./Kommission, Rn. 369 und 370).

138    Die Ausübung dieses Ermessens unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Jedoch kann nach der Rechtsprechung nur dann, wenn sich erweisen sollte, dass die Kommission einen einheitlichen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund zwei getrennten Verfahren zugeordnet hat, ihre Entscheidung als ermessensmissbräuchlich angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2010, Kommission/Alrosa, C‑441/07 P, Slg. 2010, I‑5949, Rn. 89).

139    Im vorliegenden Fall war die Kommission der Auffassung, sie verfüge nicht oder noch nicht über hinreichende Beweise gegen die japanischen Lieferanten und beschloss daher, sie nicht gleichzeitig mit der Klägerin und den anderen Adressaten des angefochtenen Beschlusses zu verfolgen, gegen die sie demgegenüber, wie vorstehend (Rn. 110 bis 134) festgestellt, über zahlreiche Beweise für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung, und zwar sowohl in Bezug auf IT‑LCD als auch in Bezug auf TV-LCD, verfügte. Dies stellt einen objektiven Grund dar, der die Entscheidung der Kommission rechtfertigt. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Rahmen eines gegen die japanischen Lieferanten eingeleiteten Verfahrens gegenüber der Klägerin insbesondere den Grundsatz ne bis in idem zu beachten haben wird.

 Zum angeblichen Verstoß gegen die Begründungspflicht

140    Die Klägerin macht geltend, die Kommission hätte in dem angefochtenen Beschluss die Gründe erläutern müssen, aus denen sie die japanischen TV-LCD-Lieferanten von dem Verfahren, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt habe, ausgeschlossen habe.

141    Insoweit ist zu beachten, dass die Kommission nicht verpflichtet war, in dem angefochtenen Beschluss zu begründen, warum die japanischen Lieferanten im Rahmen dieses Verfahrens nicht verfolgt wurden. Nach der Rechtsprechung kann nämlich die Pflicht zur Begründung eines Rechtsakts das Organ, das ihn erlässt, nicht zur Angabe der Gründe verpflichten, aus denen es nicht gleichartige Rechtsakte gegenüber Dritten erließ (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Rn. 414, und vom 4. Juli 2006, Hoek Loos/Kommission, T‑304/02, Slg. 2006, II‑1887, Rn. 63).

 Zum angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

142    Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, nach der in Rn. 93 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nicht deshalb jeder Sanktion entgehen kann, weil, wie im vorliegenden Fall, gegen andere Wirtschaftsteilnehmer, mit deren Situation das Unionsgericht nicht befasst ist, keine Geldbuße verhängt wurde. Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission zwar die an demselben Kartell beteiligten Unternehmen nicht unterschiedlich behandeln darf, die der Klägerin vorgeworfene Zuwiderhandlung jedoch in den Absprachen besteht, die bei den „Kristalltreffen“ und den mit diesen zusammenhängenden bilateralen Treffen zwischen den taiwanesischen und koreanischen Lieferanten kartellbefangener LCD getroffen wurden. Da die japanischen Lieferanten an diesen Absprachen nicht teilgenommen haben, ist der angefochtene Beschluss insoweit nicht mit dem Mangel einer Ungleichbehandlung behaftet.

143    Zum Vorbringen der Klägerin, die einzig wichtigen Gespräche über TV-LCD seien die mit den japanischen Lieferanten gewesen, an denen die Klägerin nicht teilgenommen habe, genügt der Hinweis, dass die Kommission ausreichend Beweise dafür beigebracht hat, dass sich die Adressaten des angefochtenen Beschlusses im Rahmen eines Gesamtplans sowohl über IT‑LCD als auch über TV-LCD abgestimmt haben (siehe oben, Rn. 105 bis 134). Diese Abstimmung stellt eine Zuwiderhandlung dar, die die Kommission unabhängig davon verfolgen kann, ob es andere Zuwiderhandlungen bezüglich TV-LCD gibt, an denen womöglich bestimmte andere Adressaten des angefochtenen Beschlusses als die Klägerin beteiligt waren.

144    Zur Argumentation, die die Klägerin aus der Verwaltungspraxis der Kommission, insbesondere aus der Entscheidung K (2008) 5955 endg. der Kommission vom 15. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] (Sache COMP/39.188 – Bananen) (im Folgenden: Bananen-Entscheidung), herleiten möchte, ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden kann und Entscheidungen in anderen Fällen nur Hinweischarakter in Bezug auf das eventuelle Vorliegen einer Diskriminierung haben, da es wenig wahrscheinlich ist, dass die für sie kennzeichnenden Umstände wie die Märkte, die Waren, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Carbone-Lorraine/Kommission, T‑73/04, Slg. 2008, II‑2661, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

145    Um die Unterschiede zwischen dem der Bananen-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und demjenigen des vorliegenden Falls zu verdeutlichen, ist zu beachten, dass einem der Beteiligten an der Zuwiderhandlung, um die es in jener Entscheidung ging, eine Herabsetzung der Geldbuße um 10 % wegen mildernder Umstände gewährt wurde, da sich aus den Akten nicht ergeben habe, dass er von bestimmten Aspekten dieser Zuwiderhandlung Kenntnis besessen habe, an denen er nicht unmittelbar beteiligt gewesen sei oder die er vernünftigerweise nicht habe voraussehen können (vgl. Erwägungsgründe 465 und 466 der Bananen-Entscheidung).

146    Da die Klägerin, die sehr wohl an allen Aspekten der in dem angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung beteiligt war, sich darauf berufen will, dass sie nicht an einer Zuwiderhandlung mitgewirkt habe, an der andere Unternehmen beteiligt gewesen seien, sind die Umstände des vorliegenden Falls dagegen nicht vergleichbar.

147    Auch wenn die bilateralen Kontakte zwischen den koreanischen und japanischen TV-LCD-Lieferanten eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung mit der in dem angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung dargestellt hätten und die Klägerin von der Existenz dieser bilateralen Kontakte keine Kenntnis besessen hätte, würde dies, wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, keinesfalls bedeuten, dass den Beschwerdepunkten, die insoweit gegenüber der Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung an der in dem angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung geltend gemacht werden, ihre Grundlage entzogen wird oder dass die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße herabgesetzt werden müsste. Nichts lässt nämlich die Behauptung zu, dass die Geldbuße, die im Fall eines größeren Kartells unter Einbeziehung der japanischen Lieferanten verhängt worden wäre, für die Klägerin niedriger gewesen wäre. Insoweit hätte die etwaige Herabsetzung, die die Kommission der Klägerin wegen mildernder Umstände möglicherweise gewährt hätte, durch eine Erhöhung aufgrund der Anwendung höherer Prozentsätze wegen der Schwere der Zuwiderhandlung und der „Eintrittsgebühr“ aufgehoben oder sogar überschritten werden können.

 Zum angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

148    Die Klägerin macht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend, da die Kommission nicht berücksichtigt habe, dass das wettbewerbswidrige Verhalten hinsichtlich der TV-LCD weniger gravierend als dasjenige hinsichtlich der IT‑LCD gewesen sei.

149    Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission zu Recht von einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung ausgegangen ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kommission insoweit nicht verpflichtet, jeden Teil einer einheitlichen Zuwiderhandlung getrennt zu untersuchen, vor allem weil es eine von allen Mitgliedern des Kartells befolgte Gesamtstrategie gibt (vgl. in diesem Sinne Urteil Carbone-Lorraine/Kommission, Rn. 49).

150    Was im Einzelnen die Angemessenheit der Koeffizienten betrifft, die die Kommission in Bezug auf die Schwere der Zuwiderhandlung und als „Eintrittsgebühr“ verwendet hat (siehe oben, Rn. 24), ist sodann darauf hinzuweisen, dass nach den Leitlinien von 2006 und der Rechtsprechung, auf denen sie beruhen, die Schwere der Zuwiderhandlung in einem ersten Schritt anhand der Merkmale der Zuwiderhandlung selbst, wie etwa ihrer Art, dem kumulierten Marktanteil aller beteiligten Unternehmen, dem räumlichen Ausmaß der Zuwiderhandlung und ihrer etwaigen Umsetzung in der Praxis, beurteilt wird. In einem zweiten Schritt wird diese Beurteilung jeweils entsprechend den erschwerenden oder mildernden Umständen, die jedem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen zuzurechnen sind, modifiziert (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2011, Aragonesas Industrias y Energía/Kommission, T‑348/08, Slg. 2011, II‑7583, Rn. 264 und die dort angeführte Rechtsprechung).

151    Im ersten Schritt soll der Grundbetrag der gegen jedes betroffene Unternehmen verhängten Geldbuße in der Weise bestimmt werden, dass auf den Umsatz mit den fraglichen Waren oder Dienstleistungen in ihrem relevanten räumlichen Markt ein erster Multiplikationsfaktor, der die Schwere der Zuwiderhandlung widerspiegelt, und ein zweiter Multiplikationsfaktor, der von der Beteiligung an solchen rechtswidrigen Verhaltensweisen abschrecken soll, angewandt werden. Jeder dieser Multiplikationsfaktoren wird anhand von Umständen bestimmt, die die Merkmale der Zuwiderhandlung als Gesamtheit betrachtet widerspiegeln, d. h. die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen aller an ihr Beteiligten insgesamt (vgl. in diesem Sinne Urteil Aragonesas Industrias y Energía/Kommission, Rn. 265).

152    Selbst wenn die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen in Bezug auf TV-LCD weniger gravierend gewesen sein sollten als in Bezug auf IT‑LCD, durfte die Kommission daher den Koeffizienten der Schwere und den der „Eintrittsgebühr“ unter Berücksichtigung des Gesamtplans der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung bestimmen, der diese Verhaltensweisen insgesamt umfasste.

153    Was den Umstand betrifft, dass die Kommission in der Bananen-Entscheidung geringere Prozentsätze als die des angefochtenen Beschlusses angewandt und eine stärkere Herabsetzung wegen mildernder Umstände gewährt hat, genügt zudem der Hinweis auf die in Rn. 144 des vorliegenden Urteils genannte Rechtsprechung und die Feststellung, dass die Kommission in dieser Entscheidung eine Herabsetzung in Anbetracht der besonderen Lage gewährt hat, die vor allem durch den für den Bananenhandel geltenden Rechtsrahmen geschaffen worden ist (vgl. 460. Erwägungsgrund und den dort angeführten Hinweis sowie 467. Erwägungsgrund der Bananen-Entscheidung).

154    Aufgrund dieser Überlegungen ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

3.     Zum dritten Klagegrund: zu Unrecht erfolgte Einbeziehung von anderen Verkäufen als solchen kartellbefangener LCD in den von der Kommission bezüglich der Klägerin zugrunde gelegten relevanten Umsatz

155    Zur Stützung ihres Antrags auf Abänderung der Höhe der gegen sie in dem angefochtenen Beschluss verhängten Geldbuße durch das Gericht macht die Klägerin mit dem dritten Klagegrund im Wesentlichen geltend, die Höhe der Geldbuße sei auf der Grundlage eines unrichtigen Umsatzes berechnet worden, in den die Klägerin irrtümlich Verkäufe anderer Kategorien von LCD einbezogen habe als die Verkäufe, die von dem angefochtenen Beschluss erfasst seien.

156    Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von der Kommission erlassenen Entscheidungen wird durch die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ergänzt, die den Unionsgerichten in Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 261 AEUV eingeräumt ist. Diese Befugnis ermächtigt die Gerichte über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch ihre eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen.

157    Das Gericht hat daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Entscheidung erlässt, zu bewerten, ob gegen die Klägerin eine Geldbuße verhängt wurde, deren Höhe die Schwere der in Rede stehenden Zuwiderhandlung zutreffend widerspiegelt (vgl. Urteil des Gerichts vom 27. September 2012, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑343/06, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

158    Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien unstreitig, dass aufgrund von Fehlern, die die Klägerin begangen hat, der Grundbetrag der gegen diese verhängten Geldbuße nicht gerundet 301 684 468 Euro betrug und dass sich der auf die fraglichen Fehler zurückzuführende Anteil auf 13 246 618 Euro belief. Zwischen den Parteien ist dagegen streitig, wie diese Beträge zu runden sind.

159    Die Klägerin hat in der Klageschrift beantragt, von der gegen sie mit dem angefochtenen Beschluss verhängten Geldbuße in Höhe von 300 000 000 Euro einen Betrag von 13 250 000 Euro abzuziehen. Der neue Betrag müsse sich daher auf 286 750 000 Euro belaufen.

160    Die Kommission hat in der Klagebeantwortung ausgeführt, sie habe – abgesehen von den Fällen, in denen die Ermäßigung mehr als 2 % des nicht gerundeten Betrags dargestellt habe, in welchem Fall die Kommission diesen Betrag auf die drei ersten Ziffern gerundet habe – den Grundbetrag für alle Adressaten des angefochtenen Beschlusses auf die ersten beiden Ziffern abgerundet.

161    Hierzu ist festzustellen, dass die Rundung in dem angefochtenen Beschluss auf die ersten beiden Ziffern der Klägerin zugutekam. Der nicht gerundete Grundbetrag betrug nämlich 301 684 468 Euro, während sich dieser gerundete Betrag, wie in Tabelle 6 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, auf 300 000 000 Euro belief.

162    Die von der Klägerin vorgeschlagene Berechnung ist nach Auffassung der Kommission falsch, da sie eine zweifache Rundung enthalte: die Rundung, die die Kommission bereits auf den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Grundbetrag angewandt habe, und die Rundung, nach der der wegen des Ausschlusses von Verkäufen anderer Produkte als der kartellbefangenen LCD abzuziehende Betrag von 13 246 618 auf 13 250 000 Euro angehoben werde.

163    Werde dagegen mit der Kommission die in dem angefochtenen Beschluss angewandte Methode auf den Grundbetrag angewandt, der sich aus dem berichtigten Wert des Umsatzes, nämlich 288 437 850 Euro, ergebe, führe dies zu einem gerundeten Betrag von 288 000 000 Euro. Eine Rundung auf die beiden ersten Ziffern führte nämlich zu einer Herabsetzung um 8 437 850 Euro, d. h. um mehr als 2 % (2,9 %) des nicht gerundeten Grundbetrags.

164    Die Klägerin macht in der Erwiderung geltend, die Rundung des neuen Betrags ihrer Geldbuße auf die ersten drei statt der ersten zwei Ziffern führe dazu, dass sie die Adressatin des angefochtenen Beschlusses sei, die am wenigsten in den Genuss der Rundung komme. Sie beantragt daher eine stärkere Herabsetzung der Geldbuße.

165    Hierzu ist festzustellen, dass es zwar Sache des Gerichts ist, selbst die Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, um die Höhe der Geldbuße festzusetzen, die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße jedoch nicht zu einer Ungleichbehandlung der Unternehmen führen darf, die an einem gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßenden Kartell beteiligt waren (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Verhuizingen Coppens, Rn. 80).

166    Im vorliegenden Fall hat die Kommission die oben in Rn. 160 beschriebene Rundungsmethode auf alle Kartellmitglieder angewandt. Diese Methode ist objektiv und lässt allen Mitgliedern eine Herabsetzung im Rahmen der 2%-Grenze zugutekommen. Zwar trifft es zu, dass, wenn das Gericht dieselbe Methode anwendet, einige Herabsetzungen stärker als andere sind und die Herabsetzung für die Klägerin prozentual die geringste ist, doch enthält jede Rundungsmethode Anpassungen, die sich für jedes Unternehmen unterschiedlich auswirken und zu einer mehr oder weniger starken Herabsetzung führen. Da die von der Kommission gewählte Methode allen Adressaten des angefochtenen Beschlusses – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – zugutekommt und dieses Ausmaß auf 2 % beschränkt ist, ist es angezeigt, sie anzuwenden, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 17. Mai 2011, Elf Aquitaine/Kommission, T‑299/08, Slg. 2011, II‑2149, Rn. 307 und 308).

167    Allerdings ist die Kommission um der Erhaltung der praktischen Wirksamkeit von Art. 18 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 willen berechtigt, ein Unternehmen zu verpflichten, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihm eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen und ihr erforderlichenfalls die in seinem Besitz befindlichen Schriftstücke, die sich hierauf beziehen, zu übermitteln; sie darf dem Unternehmen nur nicht die Verpflichtung auferlegen, Antworten zu erteilen, durch die es das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingestehen müsste, für die die Kommission den Beweis zu erbringen hat (Urteil des Gerichtshofs vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, 374/87, Slg. 1989, 3283, Rn. 34 und 35). Ein Unternehmen, an das die Kommission ein Auskunftsverlangen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 richtet, ist somit zu aktiver Mitwirkung verpflichtet; macht es vorsätzlich oder fahrlässig unrichtige oder irreführende Angaben, kann gegen es eine besondere Geldbuße gemäß Art. 23 Abs. 1 dieser Verordnung festgesetzt werden, die bis zu 1 % seines Gesamtumsatzes betragen kann (Urteil Shell Petroleum u. a./Kommission, Rn. 118).

168    Folglich kann das Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Nichtmitwirkung eines Unternehmens gegebenenfalls berücksichtigen und die wegen eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV oder Art. 102 AEUV gegen dieses verhängte Geldbuße entsprechend erhöhen, unter der Bedingung, dass dieses Verhalten nicht bereits durch eine besondere Geldbuße gemäß Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 geahndet worden ist (Urteil Shell Petroleum u. a./Kommission, Rn. 118).

169    Das käme z. B. in Betracht, wenn ein Unternehmen es in seiner Antwort auf ein entsprechendes Auskunftsverlangen vorsätzlich oder fahrlässig unterließe, im Verwaltungsverfahren maßgebliche Beweismittel für die Festlegung des Betrags der Geldbuße vorzulegen, über die es zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses verfügte oder hätte verfügen können. Das Gericht ist zwar nicht daran gehindert, solche Beweismittel zu berücksichtigen; das Unternehmen, das sie erst im Stadium des gerichtlichen Verfahrens mitteilt und somit den Zweck und den ordnungsgemäßen Ablauf des Verwaltungsverfahrens behindert, muss aber damit rechnen, dass dieser Umstand bei der Bemessung der Geldbuße durch das Gericht berücksichtigt wird (Urteil Shell Petroleum u. a./Kommission, Rn. 119).

170    Im vorliegenden Fall räumt die Klägerin ein, bei der Übermittlung der für die Bestimmung des relevanten Umsatzes erforderlichen Daten an die Kommission Fehler begangen zu haben, da sie darin den Verkauf anderer Produkte als den kartellbefangener LCD einbezogen habe. Die Kommission bestätigt, dass diese Produkte nicht in die Berechnung hätten einbezogen werden sollen.

171    Ferner ergibt sich aus den Akten, dass diese Fehler darauf zurückzuführen sind, dass die Klägerin dem Unternehmen, das sie für die Berechnung der der Kommission zu übermittelnden Daten ausgewählt hatte, die spezifischen Merkmale bestimmter LCD nicht näher erläutert hat.

172    Dieser Umstand lässt nicht die Annahme zu, dass die Klägerin gegen ihre Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 in einem Maße verstoßen hat, dass dem bei der Festsetzung der Geldbuße Rechnung zu tragen ist. Die Klägerin hat nämlich weder versucht, die Kommission irrezuführen, noch hat sie ihr Bruttowerte vorgelegt, anhand deren die Kommission den relevanten Umsatz hätte berechnen müssen, ohne ihr gleichzeitig die notwendigen Präzisierungen zur Verfügung zu stellen, um daraus die Nettowerte abzuleiten. Die Klägerin hat zwei externe Fachberater in Anspruch genommen, um der Kommission die erforderlichen Angaben liefern zu können, handelte aber sorgfaltswidrig, indem sie diesen Beratern nicht die Unterschiede erklärte, die zwischen bestimmten Kategorien von LCD bestehen. Insoweit ist zu beachten, dass seitens der Klägerin offensichtlich kein Interesse daran bestand, dass die Kommission falsche Daten erhalte, die den Verkauf anderer Produkte als den kartellbefangener LCD umfassten, da diese Ungenauigkeiten sich dadurch, dass die Höhe der von der Kommission gegen sie verhängten Geldbuße erhöht würde, nur zu ihrem Nachteil auswirken konnten.

173    Es erscheint daher bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falls geboten, die Höhe der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße auf der Grundlage des berichtigten Wertes des Umsatzes zu berechnen und darauf dieselbe Methode – einschließlich der Rundung – anzuwenden, die die Kommission im angefochtenen Beschluss angewandt hat. Der auf diese Weise errechnete Betrag beläuft sich auf 288 000 000 Euro (siehe oben, Rn. 163).

174    Nach alledem ist die Höhe der Geldbuße auf 288 000 000 Euro herabzusetzen; im Übrigen sind die Anträge der Klageschrift zurückzuweisen.

 Kosten

175    Gemäß Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

176    Im vorliegenden Fall ist die Kommission nur insoweit unterlegen, als sie den Verkauf von anderen Produkten als den kartellbefangenen LCD in den relevanten Umsatz für die Berechnung der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße einbezogen hat. Dieser Fehler beruht jedoch ausschließlich auf einer Fahrlässigkeit der Klägerin, die der Kommission falsche Daten übermittelt hat. Daher erscheint es bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falls geboten, der Klägerin gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T‑322/01, Slg. 2006, II‑3137, Rn. 338 und 339).

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Betrag der in Art. 2 des Beschlusses K (2010) 8761 endg. der Kommission vom 8. Dezember 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.309 – LCD) gegen die InnoLux Corp., vormals Chimei InnoLux Corp., verhängten Geldbuße wird auf 288 000 000 Euro festgesetzt.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      InnoLux trägt die Kosten.

Kanninen

Berardis

Wetter

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Februar 2014.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.


1 – Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.