Language of document : ECLI:EU:C:2021:439

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

3. Juni 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 1999/70/EG – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Paragraf 5 – Anwendbarkeit – Begriff ‚aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse‘ – Befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor – Maßnahmen zur Vermeidung und Ahndung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge – Begriff der solche Verträge rechtfertigenden ‚sachlichen Gründe‘ – Gleichwertige gesetzliche Maßnahmen – Verpflichtung, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen – Wirtschaftskrise“

In der Rechtssache C‑726/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Oberstes Gericht von Madrid, Spanien) mit Entscheidung vom 23. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Oktober 2019, in dem Verfahren

Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario

gegen

JN

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Kumin (Berichterstatter) sowie des Richters P. G. Xuereb und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, vertreten durch L. Santiago Lara, letrada,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz und S. Jiménez García als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Ruiz García, M. van Beek und I. Galindo Martín als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario (Madrider Institut für Forschung und Entwicklung des ländlichen Raums, der Landwirtschaft und des Lebensmittelbereichs der Autonomen Gemeinschaft Madrid, Spanien) (im Folgenden: Imidra) und JN wegen der Auflösung des zwischen dem Imidra und JN geschlossenen befristeten Arbeitsvertrags zur vorübergehenden Besetzung einer freien Planstelle.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Der 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 lautet:

„Bezüglich der in der Rahmenvereinbarung verwendeten, jedoch nicht genau definierten Begriffe überlässt es diese Richtlinie – wie andere im Sozialbereich erlassene Richtlinien, in denen ähnliche Begriffe vorkommen – den Mitgliedstaaten, diese Begriffe entsprechend ihrem nationalen Recht und/oder ihrer nationalen Praxis zu definieren, vorausgesetzt, diese Definitionen entsprechen inhaltlich der Rahmenvereinbarung.“

4        In Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 10. Juli 2001 nachzukommen, oder vergewissern sich spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass die Sozialpartner im Wege einer Vereinbarung die erforderlichen Vorkehrungen getroffen haben; dabei haben die Mitgliedstaaten alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch die Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.“

5        Nr. 7 der Allgemeinen Erwägungen dieser Rahmenvereinbarung lautet:

„Die aus objektiven Gründen erfolgende Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge hilft Missbrauch zu vermeiden.“

6        Gemäß Paragraf 1 der Rahmenvereinbarung soll diese zum einen durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern und zum anderen einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse verhindert.

7        Paragraf 5 („Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch“) der Rahmenvereinbarung lautet:

„1.      Um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zu vermeiden, ergreifen die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:

a)      sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;

b)      die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse;

c)      die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.

2.      Die Mitgliedstaaten, nach Anhörung der Sozialpartner, und/oder die Sozialpartner legen gegebenenfalls fest, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse:

a)      als ‚aufeinanderfolgend‘ zu betrachten sind;

b)      als unbefristete Verträge oder Verhältnisse zu gelten haben.“

 Spanisches Recht

8        Art. 9 Abs. 3 der Constitución española (spanische Verfassung) sieht vor:

„Die Verfassung gewährleistet das Legalitätsprinzip, die Normenhierarchie, die Bekanntmachung von Normen, das Verbot der Rückwirkung von Vorschriften, mit denen strengere Sanktionen verhängt oder individuelle Rechte beschränkt werden, die Rechtssicherheit, die Verantwortlichkeit und das Willkürverbot öffentlicher Stellen.“

9        In Art. 4 Abs. 1 des Real Decreto 2720/1998 por el que se desarrolla el artículo 15 del Estatuto de los Trabajadores en materia de contratos de duración determinada (Königliches Dekret 2720/1998 zur Anwendung von Art. 15 des Arbeitnehmerstatuts im Bereich befristeter Arbeitsverträge) vom 18. Dezember 1998 (BOE Nr. 7 vom 8. Januar 1999, S. 568) wird der Vertrag für eine Übergangszeit (contrato de interinidad por vacante) als Vertrag definiert, der geschlossen wird, um einen Arbeitnehmer zu ersetzen, der einen gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Anspruch auf Freihaltung seiner Stelle hat, oder um eine Stelle für die Dauer eines Auswahl- oder Beförderungsverfahrens zu ihrer späteren dauerhaften Besetzung zeitweise zu besetzen.

10      Nach Art. 4 Abs. 2 des Königlichen Dekrets muss der Vertrag u. a. den ersetzten Arbeitnehmer und den Grund der Ersetzung oder die Arbeitsstelle bezeichnen, die nach dem Auswahl- oder Beförderungsverfahren dauerhaft besetzt wird. Die Laufzeit eines zur Ersetzung eines Arbeitnehmers mit Anspruch auf Freihaltung seiner Arbeitsstelle geschlossenen Vertrags für eine Übergangszeit entspricht der Dauer der Abwesenheit dieses Arbeitnehmers. Die Laufzeit eines zur zeitweisen Besetzung einer Arbeitsstelle während eines Auswahl- oder Beförderungsverfahrens zur dauerhaften Besetzung dieser Stelle geschlossenen Vertrags für eine Übergangszeit entspricht der Dauer dieses Verfahrens. Sie darf drei Monate nicht überschreiten, und nach Ablauf dieser Höchstfrist darf kein neuer Vertrag zu demselben Zweck geschlossen werden. In Auswahlverfahren der öffentlichen Verwaltung zur Besetzung von Arbeitsstellen entspricht die Laufzeit der Verträge für eine Übergangszeit dem Zeitraum, der in den speziellen Rechtsvorschriften als Dauer dieser Verfahren vorgesehen ist.

11      Der Texto Refundido de la Ley del Estatuto Básico del Empleado Público (Neufassung des Gesetzes über das Grundstatut der öffentlichen Bediensteten), gebilligt durch das Real Decreto Legislativo 5/2015 (Königliches gesetzesvertretendes Dekret 5/2015) vom 30. Oktober 2015 (BOE Nr. 261 vom 31. Oktober 2015, S. 103105) (im Folgenden: EBEP), bestimmt in seinem Art. 70 („Öffentliche Stellenausschreibung“):

„1.      Der durch Einstellung neuer Mitarbeiter zu deckende Personalbedarf, der mit einer Budgetzuweisung verbunden ist, ist Gegenstand einer Ausschreibung einer öffentlichen Stelle oder eines anderen ähnlichen Instruments zur Steuerung der Deckung des Personalbedarfs, was die Verpflichtung mit sich bringt, die entsprechenden Auswahlverfahren für die vorgesehenen Stellen – bis zu zehn Prozent zusätzlich – zu organisieren und die maximale Frist für die Veröffentlichung der Ausschreibungen festzusetzen. In jedem Fall muss die Durchführung der Ausschreibung einer öffentlichen Stelle oder des ähnlichen Instruments innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren erfolgen, der nicht verlängert werden kann.

2.      Die Ausschreibung einer öffentlichen Stelle oder das ähnliche Instrument, die bzw. das jährlich von den Leitungsorganen der öffentlichen Verwaltung genehmigt wird, wird im jeweiligen Amtsblatt veröffentlicht.

…“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12      Am 23. Juni 2003 schloss das Imidra mit JN einen befristeten Vertrag zur Besetzung einer freien Stelle im Zusammenhang mit einer Ausschreibung einer öffentlichen Stelle im Jahr 2002. JN war damals als Kantinenassistentin tätig.

13      Im Jahre 2005 wurde ein Auswahlverfahren organisiert, um die mit JN besetzte Stelle dauerhaft zu vergeben. Diese Stelle wurde jedoch von keinem erfolgreichen Teilnehmer dieses Auswahlverfahrens in Anspruch genommen, so dass der von JN für eine Übergangszeit geschlossene Vertrag im Laufe des Jahres 2008 verlängert wurde.

14      Im Jahr 2009 führte die Consejería de Presidencia, Justicia e Interior de la Comunidad de Madrid (Regionalministerium für die Präsidentschaft, Justiz und Inneres der Autonomen Gemeinschaft Madrid, Spanien) ein neues Auswahlverfahren für den Zugang zu Vertragsstellen der Berufsgruppe von Kantinenassistenten durch.

15      Mit Entscheidung vom 27. Juli 2016 wies die Dirección General de la Función Pública (Generaldirektion für den öffentlichen Dienst, Spanien) den erfolgreichen Teilnehmern dieses Auswahlverfahrens die Stellen zu.

16      Am 3. Oktober 2016 erhielt JN ein Schreiben, in dem ihr die Auflösung ihres Arbeitsvertrags mit der Begründung mitgeteilt wurde, dass die freie Stelle, die sie besetze, an einen Dauerbeschäftigten vergeben worden sei.

17      Am 24. Mai 2017 focht JN ihre Kündigung beim Juzgado de lo Social n° 40 de Madrid (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 40 Madrid, Spanien) an.

18      Mit Entscheidung vom 26. September 2018 gab dieses Gericht der Klage von JN teilweise statt. Es vertrat im Wesentlichen die Auffassung, dass das in Rede stehende Arbeitsverhältnis zu einem unbefristeten, nicht dauerhaften Beschäftigungsverhältnis geworden sei, da es die in Art. 70 EBEP vorgesehene Frist von drei Jahren für die Vergabe der von JN besetzten freien Stelle an einen Dauerbeschäftigten überschritten habe. Das Imidra wurde daher verurteilt, an JN gemäß der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) eine Kündigungsentschädigung in Höhe von 3266,48 Euro, d. h. 20 Tagesentgelte pro Beschäftigungsjahr, zu zahlen.

19      Das Imidra legte gegen dieses Urteil beim vorlegenden Gericht, dem Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Oberstes Gericht von Madrid, Spanien), Berufung ein. Nach Ansicht dieses Gerichts ist der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag für eine Übergangszeit angesichts der Unvorhersehbarkeit seines Ablaufdatums in einen unbefristeten Vertrag umgedeutet worden. Diese Unvorhersehbarkeit stehe aber im Widerspruch zum eigentlichen Charakter eines befristeten Vertrags, dessen Ablaufdatum nach dem Gesetz bekannt sein müsse. Im Übrigen lasse sich die Verzögerung bei der Durchführung eines Auswahlverfahrens für die freie Stelle, die im vorliegenden Fall zu einem Arbeitsverhältnis von mehr als 13 Jahren geführt habe, nicht rechtfertigen.

20      Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass es nach der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) ausgeschlossen sei, dass ein Vertrag für eine Übergangszeit wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende in ein unbefristetes, nicht dauerhaftes Arbeitsverhältnis umgedeutet werden könne. Weder der Abschluss aufeinanderfolgender Verträge für eine Übergangszeit noch die Verlängerung solcher Verträge, die zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses während eines Zeitraums bis zu 20 Jahren führe, seien nämlich als missbräuchlich anzusehen. Daraus folge, dass ein Arbeitnehmer, der, nachdem er aufgrund dieser Verträge viele Jahre lang gearbeitet habe, seine Stelle unerwartet verliere, weil die freie Stelle nachbesetzt worden sei, keinen Anspruch auf eine Entschädigung habe.

21      Außerdem bestehe zwar die Möglichkeit, Art. 70 EBEP wie der Juzgado de lo Social n° 40 de Madrid (Arbeitsgericht Nr. 40 Madrid) dahin auszulegen, dass er eine Höchstdauer des Vertrags für eine Übergangszeit vorsehe, da diese Bestimmung eine Frist von drei Jahren für die Durchführung von Auswahlverfahren festlege, wodurch mittelbar verhindert werden könne, dass die vorübergehenden Arbeitsverhältnisse von Personen, die freie Stellen besetzten, fortdauerten, doch habe das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) mehrmals entschieden, dass dem nicht so sei. Das zuletzt genannte Gericht sei nämlich der Ansicht, dass die in Art. 70 EBEP vorgesehene Frist keine absolute Garantie gewähre und keinen automatischen Charakter aufweise. Insbesondere könne diese Frist aus verschiedenen Gründen sine die verlängert werden, was u. a. wegen der schweren Wirtschaftskrise im Jahr 2008 auch geschehen sei.

22      Daraus folge, so das vorlegende Gericht, dass der Vertrag für eine Übergangszeit oft Jahrzehnte dauere und dass seine Laufzeit von der Willkür des Arbeitgebers abhänge, d. h. im vorliegenden Fall der Verwaltung, die, ohne dies rechtfertigen zu müssen, entscheiden könne, ob sie das Auswahlverfahren einleiten wolle, um die freie Stelle zu besetzen, und den hierfür geeigneten Zeitpunkt wählen könne. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wie er in Art. 9 Abs. 3 der spanischen Verfassung garantiert sei.

23      In diesem Zusammenhang hegt das vorlegende Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit der nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) mit Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung.

24      Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Oberstes Gericht von Madrid) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist ein befristeter Vertrag wie der Vertrag für eine Übergangszeit zur Besetzung einer freien Stelle („contrato de interinidad por vacante“), bei dem die Entscheidung, ob und wann die freie Stelle besetzt wird und wie lange das entsprechende Verfahren dauert, und damit die Entscheidung über die Vertragslaufzeit dem Arbeitgeber überlassen ist, mit der praktischen Wirksamkeit der Paragrafen 1 und 5 der Richtlinie 1999/70 vereinbar?

2.      Ist die in Paragraf 5 der Richtlinie 1999/70 vorgesehene Verpflichtung, eine oder mehrere der dort vorgesehenen Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs durch befristete Arbeitsverträge zu ergreifen, in Bezug auf Verträge für eine Übergangszeit zur Besetzung einer freien Stelle als umgesetzt anzusehen, wenn das spanische Recht der Rechtsprechung zufolge keine Höchstgrenzen für die Dauer dieser befristeten Arbeitsverhältnisse vorsieht, keine sachlichen Gründe, die ihre Verlängerung rechtfertigen, verlangt und nicht festlegt, wie oft solche Verträge verlängert werden dürfen?

3.      Beeinträchtigt es den Zweck und die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung, wenn im spanischen Recht nach der Rechtsprechung keine wirksamen Maßnahmen zur Verhinderung und Ahndung des Missbrauchs gegenüber Arbeitnehmern mit Verträgen für eine Übergangszeit zur Besetzung einer freien Stelle bestehen, da die maximal zulässige Dauer der Arbeitsverhältnisse nicht begrenzt ist und die Arbeitnehmer, unabhängig von der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, niemals unbefristet oder unbefristet nicht dauerhaft beschäftigt sein werden und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Entschädigung erhalten, die Verwaltung die Verlängerung der Verträge für eine Übergangszeit jedoch nicht rechtfertigen muss, wenn sie die freie Stelle über Jahre hinweg nicht in das öffentliche Stellenangebot aufnimmt oder das Auswahlverfahren hinauszögert?

4.      Ist ein zeitlich nicht definiertes Arbeitsverhältnis, dessen Dauer nach dem Urteil der Großen Kammer des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Montero Mateos (C‑677/16, EU:C:2018:393), ungewöhnlich lang ist und ohne Einschränkung oder Rechtfertigung vollständig im Ermessen des Arbeitgebers liegt, ohne dass der Arbeitnehmer seine Beendigung vorhersehen kann, und das bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand andauern kann, mit dem Zweck der Richtlinie 1999/70 vereinbar oder ist ein solches Arbeitsverhältnis als missbräuchlich anzusehen?

5.      Kann nach dem Urteil der Zehnten Kammer des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2018, Sciotto (C‑331/17, EU:C:2018:859), das Fehlen jeglicher vorbeugender Maßnahmen gegen den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, die hätten verhindern oder dem entgegenwirken können, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Comunidad de Madrid (Autonome Gemeinschaft Madrid) von 2003 bis 2008 andauerte und anschließend bis 2016 verlängert wurde, die Übergangszeit also 13 Jahre betrug, abstrakt mit der Wirtschaftskrise von 2008 gerechtfertigt werden?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Anwendbarkeit von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung

25      Das Imidra und die spanische Regierung machen im Wesentlichen geltend, dass das Vorabentscheidungsersuchen hypothetischer Natur und daher unzulässig sei, da Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, der nicht durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse gekennzeichnet sei, sondern durch den Abschluss ein und desselben Vertrags für eine Übergangszeit, nicht anwendbar sei.

26      Zur Anwendbarkeit von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung auf die Rechtssache des Ausgangsverfahrens ist darauf hinzuweisen, dass dieser Paragraf 5 zur Umsetzung eines ihrer Ziele dient, das darin besteht, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse, in dem eine potenzielle Quelle des Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einzugrenzen, indem eine Reihe von Mindestschutzbestimmungen vorgesehen wird, die die Prekarisierung der Lage der Beschäftigten verhindern sollen (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a., C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Daher verpflichtet Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Vermeidung des Missbrauchs aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse dazu, effektiv und mit verbindlicher Wirkung mindestens eine der dort aufgeführten Maßnahmen zu ergreifen, sofern ihr innerstaatliches Recht keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen enthält (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Daher ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung der Rahmenvereinbarung sowie aus der ständigen Rechtsprechung, dass diese Bestimmung nur bei aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen oder ‑verhältnissen zur Anwendung kommt, so dass der allererste befristete Arbeitsvertrag oder ein einziger befristeter Arbeitsvertrag nicht in ihren Anwendungsbereich fällt (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Zudem bleibt es nach gefestigter Rechtsprechung nach Paragraf 5 Nr. 2 Buchst. a der Rahmenvereinbarung grundsätzlich den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern überlassen, festzulegen, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse als „aufeinanderfolgend“ zu betrachten sind (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Zwar lässt sich dieser Verweis auf die nationalen Stellen für die Zwecke der Definition der konkreten Anwendungsmodalitäten des Begriffs „aufeinanderfolgend“ im Sinne der Rahmenvereinbarung durch das Bestreben erklären, die unterschiedlichen nationalen Regelungen in diesem Bereich zu erhalten, doch ist der den Mitgliedstaaten damit belassene Spielraum nicht unbegrenzt, da er auf keinen Fall so weit reichen kann, dass das Ziel oder die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung in Frage gestellt wird. Insbesondere dürfen die nationalen Stellen diesen Spielraum nicht so nutzen, dass eine Situation entsteht, die zu Missbräuchen Anlass geben und damit diesem Ziel zuwiderlaufen kann (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Die Mitgliedstaaten müssen nämlich das unionsrechtlich vorgegebene Ergebnis erreichen, wie es sich nicht nur aus Art. 288 Abs. 3 AEUV, sondern auch aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 1999/70 im Lichte ihres 17. Erwägungsgrundes ergibt (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Die in Rn. 30 des vorliegenden Urteils genannten Grenzen des den Mitgliedstaaten belassenen Spielraums sind insbesondere dann angebracht, wenn es sich um einen Schlüsselbegriff wie den des Aufeinanderfolgens von Arbeitsverhältnissen handelt, der schon für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der nationalen Vorschriften zur Durchführung der Rahmenvereinbarung entscheidend ist (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der von JN 2003 geschlossene Vertrag für eine Übergangszeit im Jahr 2008 verlängert wurde, da die von ihr besetzte Stelle von keinem erfolgreichen Teilnehmer an dem im Jahr 2005 zur Besetzung dieser Stelle durchgeführten Auswahlverfahren in Anspruch genommen wurde. Somit handelt es sich nicht im engeren Sinne um eine Aufeinanderfolge von zwei oder mehr Arbeitsverträgen, die das Bestehen und den förmlichen Abschluss von zwei oder mehr verschiedenen Verträgen voraussetzt, von denen der eine auf den anderen folgt, sondern um eine automatische Verlängerung eines ursprünglichen befristeten Vertrags.

34      Außerdem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die fortbestehende Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers auf einer freien Stelle aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags darauf zurückzuführen sei, dass der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen sei, innerhalb der gesetzten Frist ein Auswahlverfahren zur endgültigen Nachbesetzung dieser freien Stelle durchzuführen. Da dieses Verfahren nämlich auf eine Dauer von drei Jahren beschränkt sei, komme jede Überschreitung dieser Dauer einer stillschweigenden Verlängerung des ursprünglichen Vertrags für eine Übergangszeit gleich. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass der Vertrag für eine Übergangszeit rechtlich neu erschaffen worden sei, wenn sich kein erfolgreicher Teilnehmer dieses Verfahrens dafür entschieden habe, auf die freie Stelle dauerhaft nachzurücken, und für diese Stelle ein neues Auswahlverfahren ausgeschrieben werde. Folglich sei im vorliegenden Fall das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängert worden, ja sogar über mehrere Jahre immer wieder rechtlich neu erschaffen worden, da die Ernennung eines erfolgreichen Teilnehmers auf diese Stelle erst im Jahr 2016 erfolgt sei.

35      Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Gefahr bestünde, das Ziel, den Zweck und die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung zu beeinträchtigen, wenn man zu dem Ergebnis käme, dass nur deswegen keine aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverhältnisse im Sinne von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung vorliegen, weil der erste befristete Arbeitsvertrag des betroffenen Arbeitnehmers automatisch und ohne formalen schriftlichen Abschluss eines oder mehrerer neuer befristeter Arbeitsverträge verlängert wurde, wobei er zudem dauerhaft auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsverhältnisses auf einer freien Stelle blieb, da der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung, fristgerecht ein Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung dieser Stelle durchzuführen, nicht nachkam, so dass sein Arbeitsverhältnis daher mehrere Jahre lang implizit verlängert wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 61, sowie vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 44).

36      Bei einer derart restriktiven Definition des Begriffs „aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse“ könnten Arbeitnehmer nämlich über Jahre hinweg in unsicheren Verhältnissen beschäftigt werden (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass diese restriktive Auslegung nicht nur dazu führt, dass de facto eine große Zahl befristeter Arbeitsverhältnisse von dem mit der Richtlinie 1999/70 und der Rahmenvereinbarung angestrebten Arbeitnehmerschutz ausgeschlossen würde, so dass das mit ihnen verfolgte Ziel weitgehend ausgehöhlt würde, sondern auch dazu, dass es den Arbeitgebern ermöglicht würde, solche Arbeitsverhältnisse in missbräuchlicher Weise zur Deckung eines ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarfs zu nutzen (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass der Begriff der „Dauer“ des Arbeitsverhältnisses ein wesentlicher Bestandteil jedes befristeten Vertrags ist. Nach Paragraf 3 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung „[wird das Ende des Vertrags] durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt“. Die Änderung des Enddatums eines befristeten Arbeitsvertrags stellt somit eine wesentliche Änderung dieses Vertrags dar, die zu Recht dem Abschluss eines neuen, auf das frühere Arbeitsverhältnis folgenden befristeten Arbeitsverhältnisses gleichgestellt werden kann und somit in den Anwendungsbereich von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung fällt (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 47).

39      Da im vorliegenden Fall die automatische Verlängerung des ursprünglichen befristeten Vertrags einer Verlängerung und damit dem Abschluss eines gesonderten befristeten Vertrags gleichgestellt werden kann, zeichnet sich der im Ausgangsverfahren fragliche Fall nicht durch den Abschluss ein und desselben Vertrags, sondern durch den Abschluss von Verträgen aus, die tatsächlich als „aufeinanderfolgend“ im Sinne von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung qualifiziert werden können, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

40      Daher ist davon auszugehen, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass der darin enthaltene Ausdruck „aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse“ auch die automatische Verlängerung der befristeten Arbeitsverträge der Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors wie etwa des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrags für eine Übergangszeit erfasst, auch wenn die grundsätzlich für den Abschluss aufeinanderfolgender Verträge vorgesehene Schriftform nicht eingehalten wurde.

41      Folglich steht der Anwendbarkeit von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung auf den Ausgangsrechtsstreit nichts entgegen, so dass die Vorlagefragen zu beantworten sind.

 Zu den Fragen 1 bis 4

42      Mit seinen Fragen 1 bis 4, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung in der Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die in Bezug auf Verträge für eine Übergangszeit weder Angaben zu den sachlichen Gründen, die die Verlängerung dieser Verträge rechtfertigen, oder zu ihrer Höchstdauer enthält, noch festlegt, wie oft sie höchstens verlängert werden dürfen, noch gleichwertige gesetzliche Maßnahmen beinhaltet und keine Entschädigung für Arbeitnehmer im Fall der Kündigung vorsieht.

43      Wie bereits in den Rn. 26 und 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, verpflichtet Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung, der zur Umsetzung eines ihrer Ziele dient, das darin besteht, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse einzugrenzen, in Nr. 1 die Mitgliedstaaten dazu, effektiv und mit verbindlicher Wirkung mindestens eine der dort aufgeführten Maßnahmen zu ergreifen, sofern ihr innerstaatliches Recht keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen enthält. Die hierfür in diesem Paragraf Nr. 1 Buchst. a bis c aufgeführten drei Maßnahmen betreffen sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse rechtfertigen, die maximal zulässige Gesamtdauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse und die zulässige Zahl ihrer Verlängerungen (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C-760/18, EU:C:2021:113, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen, da sie die Wahl haben, auf eine oder mehrere der in Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen oder auf bestehende gleichwertige gesetzliche Maßnahmen zurückzugreifen, und zwar unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Damit gibt Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung den Mitgliedstaaten ein allgemeines Ziel – Verhinderung solcher Missbräuche – vor, lässt ihnen jedoch zugleich die Wahl der Mittel zu seiner Erreichung, solange sie nicht das Ziel oder die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung in Frage stellen (Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Wenn das Unionsrecht zudem wie im vorliegenden Fall keine spezifischen Sanktionen für den Fall vorsieht, dass dennoch Missbräuche festgestellt worden sind, obliegt es den nationalen Stellen, Maßnahmen zu ergreifen, die nicht nur verhältnismäßig, sondern auch hinreichend effektiv und abschreckend sein müssen, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rahmenvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen (Urteil vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Zwar werden in Ermangelung einer einschlägigen Unionsregelung die Einzelheiten der Durchführung solcher Normen nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten durch ihr jeweiliges innerstaatliches Recht geregelt, doch dürfen sie nicht weniger günstig sein als bei entsprechenden Sachverhalten, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (Urteil vom 7. März 2018, Santoro, C‑494/16, EU:C:2018:166, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Wenn es zu einem missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse gekommen ist, muss die Möglichkeit bestehen, eine Maßnahme anzuwenden, die effektive und äquivalente Garantien für den Schutz der Arbeitnehmer bietet, um diesen Missbrauch angemessen zu ahnden und die Folgen des Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beseitigen. Denn nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 1999/70 haben die Mitgliedstaaten „alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch [diese] Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden“ (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof wiederholt hervorgehoben hat, die Rahmenvereinbarung keine allgemeine Verpflichtung der Mitgliedstaaten aufstellt, die Umwandlung befristeter in unbefristete Arbeitsverträge vorzusehen. Ihr Paragraf 5 Nr. 2 überlässt es nämlich grundsätzlich den Mitgliedstaaten, zu bestimmen, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse als unbefristet zu betrachten sind. Daraus ergibt sich, dass die Rahmenvereinbarung nicht vorschreibt, unter welchen Bedingungen von unbefristeten Verträgen Gebrauch gemacht werden darf (Urteil vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13 bis C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Im vorliegenden Fall ist zu den nationalen Rechtsvorschriften, die die Regelung für die Verträge für eine Übergangszeit aufstellen, darauf hinzuweisen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, sich zur Auslegung der Bestimmungen des nationalen Rechts zu äußern; diese Aufgabe kommt allein den zuständigen nationalen Gerichten zu, die festzustellen haben, ob die von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung aufgestellten Anforderungen durch die Bestimmungen der anwendbaren nationalen Regelung gewahrt werden (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Somit obliegt es dem vorlegenden Gericht, zu beurteilen, inwieweit die einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts unter Berücksichtigung ihrer Anwendungsvoraussetzungen und ihrer tatsächlichen Anwendung eine angemessene Maßnahme darstellen, um den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden (Urteil vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13 bis C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Der Gerichtshof kann jedoch, wenn er im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens entscheidet, gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um den vorlegenden Gerichten eine Richtschnur für ihre Auslegung zu geben (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zum Bestehen von Maßnahmen, die dem missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge vorbeugen

53      Was das Bestehen von Maßnahmen zur Verhinderung der Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Verträge im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung betrifft, ergibt sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung den Abschluss aufeinanderfolgender Verträge für eine Übergangszeit bis zur Durchführung eines Auswahlverfahrens und gegebenenfalls der Einstellung eines Dauerbeschäftigten auf der bisher gemäß diesen Verträgen besetzten Stelle erlaubt, ohne die Gesamtzahl dieser Verträge oder die Zahl ihrer Verlängerungen im Sinne von Nr. 1 Buchst. b und c dieses Paragrafen zu begrenzen.

54      Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die Verlängerung solcher Arbeitsverträge durch einen „sachlichen Grund“ im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung gerechtfertigt ist, wie das Imidra im Wesentlichen geltend macht, und gegebenenfalls, ob die nationalen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Regelung dieser Verträge „gleichwertige gesetzliche Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung“ im Sinne dieses Paragrafen darstellen, wie insbesondere die spanische Regierung geltend macht.

55      Was erstens das Vorliegen sachlicher Gründe im nationalen Recht, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung rechtfertigen, betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass, wie es in Nr. 7 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung heißt, die Unterzeichnerparteien der Rahmenvereinbarung nämlich der Auffassung waren, dass die aus objektiven Gründen erfolgende Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge helfe, Missbrauch zu vermeiden (Urteil vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13 bis C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Zudem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die vorübergehende Vertretung eines Arbeitnehmers, um im Wesentlichen einen zeitweiligen Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers zu decken, grundsätzlich einen „sachlichen Grund“ darstellen kann (Urteil vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13 bis C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Daraus folgt, dass eine nationale Regelung, die die Verlängerung befristeter Verträge zur vorübergehenden Besetzung einer Stelle in der Verwaltung der Autonomen Gemeinschaft Madrid bis zum Abschluss von Verfahren zur Einstellung eines Bediensteten auf Lebenszeit erlaubt, als solche nicht gegen die Rahmenvereinbarung verstößt.

58      Wie der Gerichtshof jedoch wiederholt entschieden hat, ist die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zur Deckung eines Bedarfs, der in Wirklichkeit kein zeitweiliger, sondern ein ständiger und dauerhafter ist, nicht im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung gerechtfertigt. Ein solcher Einsatz befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse läuft nämlich der Prämisse der Rahmenvereinbarung unmittelbar zuwider, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form der Beschäftigungsverhältnisse sind, auch wenn befristete Arbeitsverträge für die Beschäftigung in bestimmten Branchen oder für bestimmte Berufe und Tätigkeiten charakteristisch sind (Urteil vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13 bis C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Zur Beachtung von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung ist es somit erforderlich, dass konkret geprüft wird, ob die Verlängerung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zur Deckung eines zeitweiligen Bedarfs dient (Urteil vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13 bis C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Dazu sind stets alle Umstände des Einzelfalls zu prüfen und dabei namentlich die Zahl der mit derselben Person oder zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zurückgreifen, mögen diese auch dem Anschein nach zur Deckung eines Vertretungsbedarfs geschlossen worden sein (Urteil vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13 bis C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Auch wenn nach der in Rn. 51 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung jegliche Tatsachenbeurteilung im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte fällt, ist festzustellen, dass ausweislich der dem Gerichtshof vorliegenden Akte die nationalen Rechtsvorschriften, konkret Art. 70 EBEP, eine dreijährige Frist für die Abhaltung der Auswahlverfahren festsetzen. Daher lässt sich mit dieser Frist, wie das vorlegende Gericht ausführt, indirekt vermeiden, dass die vorübergehenden Arbeitsverhältnisse von Personen, die freie Stellen innehaben, auf Dauer fortbestehen. Diese Frist kann jedoch nach der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) aus verschiedenen Gründen verlängert werden, so dass diese Frist ebenso veränderlich wie ungewiss ist.

62      Daraus folgt, dass diese nationale Regelung, wie sie von der nationalen Rechtsprechung ausgelegt wird, vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen, in Ermangelung einer genauen Frist für die Organisation und den Abschluss von Auswahlverfahren, mit denen die bisher von einem Arbeitnehmer aufgrund eines befristeten Vertrags besetzte Stelle endgültig nachbesetzt werden soll, offensichtlich geeignet ist, unter Verstoß gegen Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung die befristete Verlängerung von solchen Arbeitsverträgen zur Deckung eines in Wirklichkeit nicht zeitweiligen, sondern im Gegenteil ständigen und dauerhaften Bedarfs zu ermöglichen.

63      Obwohl diese nationale Regelung den Einsatz von Verträgen für eine Übergangszeit, die bis zur Durchführung von Auswahlverfahren zur endgültigen Nachbesetzung der betreffenden Stelle geschlossen wurden, formal auf einen einzigen Zeitraum zu beschränken scheint, der mit Abschluss dieser Verfahren endet, vermag sie folglich dennoch nicht zu gewährleisten, dass die konkrete Anwendung dieses sachlichen Grundes den Anforderungen von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung entspricht, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

64      Was zweitens das Vorliegen „gleichwertiger gesetzlicher Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung“ im nationalen Recht im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung betrifft, hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine nationale Maßnahme, die die Durchführung von Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung der Stellen, die vorübergehend befristet beschäftigte Arbeitnehmer innehaben, innerhalb der erforderlichen Fristen vorsieht, geeignet ist, eine Perpetuierung der unsicheren Stellung dieser Arbeitnehmer zu vermeiden, indem sie sicherstellt, dass die von ihnen ausgefüllten Stellen rasch endgültig besetzt werden (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 94).

65      Somit ist die fristgerechte Durchführung solcher Verfahren grundsätzlich geeignet, Missbräuche durch den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse bis zur endgültigen Besetzung dieser Stellen zu verhindern (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 95).

66      Nach dieser Klarstellung geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass, wie in Rn. 61 des vorliegenden Urteils ausgeführt, diese Frist nach der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) trotz des Bestehens einer genauen Frist im spanischen Recht für die Durchführung der Auswahlverfahren keine feste Frist darstellt und daher in der Praxis nicht eingehalten zu werden scheint.

67      Eine nationale Regelung, die die Durchführung von Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung von vorübergehend mit befristet beschäftigten Arbeitnehmern besetzten Stellen sowie eine genaue Frist hierfür vorsieht, aber nicht sicherzustellen vermag, dass solche Verfahren tatsächlich durchgeführt werden, erscheint nicht geeignet, um zu verhindern, dass der betreffende Arbeitgeber missbräuchlich auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse zurückgreift (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 97).

68      Folglich scheint die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, wie sie von der nationalen Rechtsprechung ausgelegt wird, vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen keine „gleichwertige gesetzliche Maßnahme“ im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung darzustellen.

69      Daher ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung in der Auslegung durch die nationale Rechtsprechung vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen und entgegen den Anforderungen, an die in den Rn. 43 und 45 des vorliegenden Urteils erinnert worden ist, offensichtlich keine Maßnahmen im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung enthält, die dem missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge vorbeugen.

 Zum Bestehen von Maßnahmen, die den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge ahnden

70      Zum Bestehen von Maßnahmen zur Ahndung des Missbrauchs aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse geht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hervor, dass der Einsatz aufeinanderfolgender Verträge für eine Übergangszeit nach der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) nicht als missbräuchlich eingestuft wird. Folglich wird bei diesen Verträgen zum einen das Arbeitsverhältnis nicht in ein unbefristetes, nicht dauerhaftes Arbeitsverhältnis umgedeutet, und zum anderen hat der betreffende Arbeitnehmer nach Ablauf dieser Verträge keinen Anspruch auf eine Entschädigung. Eine solche Entschädigung werde daher nur nach Ablauf anderer befristeter Arbeitsverträge als der Verträge für eine Übergangszeit gezahlt.

71      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Anbetracht der in Rn. 48 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung klargestellt hat, dass eine nationale Regelung, die im öffentlichen Sektor die Umwandlung einer Reihe aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge in einen unbefristeten Arbeitsvertrag untersagt, nur dann als mit der Rahmenvereinbarung vereinbar angesehen werden kann, wenn das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats in diesem Bereich eine andere wirksame Maßnahme enthält, um den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden (Beschluss vom 30. September 2020, Câmara Municipal de Gondomar, C‑135/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:760, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Wenn das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass es in den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften keine andere wirksame Maßnahme gibt, um die eventuell festgestellten Missbräuche gegenüber den Beschäftigten des öffentlichen Sektors zu verhindern und zu ahnden, wäre folglich eine solche Situation geeignet, das Ziel und die praktische Wirksamkeit von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung zu beeinträchtigen, und stünde daher im Widerspruch zu diesem Paragrafen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 30. September 2020, Câmara Municipal de Gondomar, C‑135/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:760, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof entschieden, dass soweit es gegenüber dem Personal, das in den öffentlichen Verwaltungen nach dem Verwaltungsrecht beschäftigt ist, keine andere gleichwertige und wirksame Schutzmaßnahme gibt, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, die Gleichstellung dieses befristet beschäftigten Personals mit den „unbefristeten, nicht dauerhaft Beschäftigten“ eine Maßnahme darstellen könnte, die geeignet wäre, die missbräuchliche Verwendung befristeter Arbeitsverträge zu ahnden und die Folgen des Verstoßes gegen die Bestimmungen der Rahmenvereinbarung ungeschehen zu machen (Urteil vom 14. September 2016, Martínez Andrés und Castrejana López, C‑184/15 und C‑197/15, EU:C:2016:680, Rn. 53).

74      Zur Nichtgewährung einer Entschädigung am Ende der Verträge für eine Übergangszeit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof festgestellt hat, dass mit der Zahlung einer Entschädigung bei Vertragsende das mit Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verfolgte Ziel, das darin besteht, Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Verträge zu verhindern, nicht erreicht werden kann. Eine solche Zahlung scheint nämlich losgelöst von jeglichen Erwägungen zur Legitimität oder Missbräuchlichkeit befristeter Verträge (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 2018, de Diego Porras, C‑619/17, EU:C:2018:936, Rn. 94).

75      Eine solche Maßnahme ist daher offensichtlich nicht geeignet, einen Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse gebührend zu ahnden und die Folgen eines Verstoßes gegen Unionsrecht zu beseitigen. Folglich scheint sie alleine nicht wirksam und abschreckend genug zu sein, um im Sinne der oben in Rn. 46 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rahmenvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 2018, de Diego Porras, C‑619/17, EU:C:2018:936, Rn. 95).

76      Außerdem könnte der Umstand, dass diese Entschädigung nur nach Beendigung anderer befristeter Arbeitsverträge als der Verträge für eine Übergangszeit gezahlt wird, nur dann das Ziel und die praktische Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung beeinträchtigen, wenn es im nationalen Recht keine andere wirksame Maßnahme gäbe, um den Missbrauch gegenüber mittels Verträgen für eine Übergangszeit beschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern und zu ahnden, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 2018, de Diego Porras, C‑619/17, EU:C:2018:936, Rn. 100).

77      In Anbetracht der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen entspricht daher eine nationale Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung, die zum einen sowohl die Gleichstellung von Arbeitnehmern, die aufgrund aufeinanderfolgender Verträge für eine Übergangszeit eingestellt wurden, mit „unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmern“ als auch die Gewährung einer Entschädigung an diese Arbeitnehmer verbietet und zum anderen keine andere wirksame Maßnahme zur Verhinderung und Ahndung eventuell festgestellter Missbräuche in Bezug auf die Beschäftigten des öffentlichen Sektors vorsieht, vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen offensichtlich nicht den Anforderungen, die sich aus der in den Rn. 46 bis 49 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung ergeben.

78      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, sind die Verpflichtungen des nationalen Gerichts für den Fall näher zu bestimmen, dass die nationale Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung mit Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung nicht vereinbar ist.

79      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung nicht unbedingt und hinreichend genau ist, so dass er nicht von einem Einzelnen vor einem nationalen Gericht in Anspruch genommen werden kann (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Eine Bestimmung des Unionsrechts, die keine unmittelbare Wirkung hat, kann aber nicht als solche im Rahmen eines dem Unionsrecht unterliegenden Rechtsstreits geltend gemacht werden, um die Anwendung einer ihr entgegenstehenden Bestimmung des nationalen Rechts auszuschließen (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 119 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Daher ist ein nationales Gericht nicht verpflichtet, eine Bestimmung des nationalen Rechts, die nicht mit Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung im Einklang steht, unangewendet zu lassen (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Gerichte bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der fraglichen Richtlinie auslegen müssen, um das darin festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Das Gebot einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist nämlich dem System des AEU-Vertrags immanent, da es den nationalen Gerichten dadurch ermöglicht wird, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, wird zwar durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt; sie darf auch nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt jedoch, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und in Anwendung der darin anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteil vom 19. März 2020, Sánchez Ruiz u. a., C‑103/18 und C‑429/18, EU:C:2020:219, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung den nationalen Gerichten die Verpflichtung auferlegt, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des innerstaatlichen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie nicht vereinbar ist. Folglich darf ein nationales Gericht u. a. nicht davon ausgehen, dass es eine nationale Vorschrift nicht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen könne, nur weil sie in ständiger Rechtsprechung in einem nicht mit dem Unionsrecht vereinbaren Sinne ausgelegt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2018, Bauer und Willmeroth, C‑569/16 und C‑570/16, EU:C:2018:871, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      Demnach wird es im vorliegenden Fall dem vorlegenden Gericht obliegen, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung einer mit dem Paragraf 5 des Rahmenbeschlusses im Einklang stehenden Auslegung zugänglich ist.

88      Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 4 zu antworten, dass Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung in der Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die zum einen vor Beendigung der Auswahlverfahren zur endgültigen Nachbesetzung freier Stellen von Arbeitnehmern im öffentlichen Sektor die Verlängerung befristeter Verträge ohne Angabe einer genauen Frist für den Abschluss dieser Verfahren erlaubt und zum anderen sowohl die Gleichstellung dieser Arbeitnehmer mit „unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmern“ als auch die Gewährung einer Entschädigung an diese Arbeitnehmer untersagt. Es zeigt sich nämlich, dass diese nationale Regelung vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen keine Maßnahme zur Verhinderung und etwaigen Ahndung des missbräuchlichen Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Verträge enthält.

 Zu Frage 5

89      Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass rein wirtschaftliche Erwägungen im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise von 2008 rechtfertigen können, dass jegliche Maßnahme zur Verhinderung und Ahndung des Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge im nationalen Recht fehlt.

90      Im vorliegenden Fall macht das Imidra geltend, die Verzögerung bei der Organisation der Auswahlverfahren sei durch die Einhaltung von gesetzlichen Verpflichtungen zu erklären, die sich u. a. aus den Finanzgesetzen ergäben, die infolge der Wirtschaftskrise von 2008 erlassen worden seien, Haushaltsbeschränkungen vorgesehen hätten und in diesem Zusammenhang zwischen 2009 und 2017 verboten hätten, öffentliche Stellenausschreibungen durchzuführen. Daher könne der Verwaltung im Ausgangsverfahren kein Missbrauch hinsichtlich der Verwendung der Verträge für eine Übergangszeit vorgeworfen werden.

91      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Haushaltserwägungen zwar den sozialpolitischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats zugrunde liegen und Art oder Ausmaß der Maßnahmen, die er zu treffen gedenkt, beeinflussen können, aber für sich genommen kein sozialpolitisches Ziel darstellen. Solche Erwägungen können daher nicht das Fehlen von Maßnahmen zur Vermeidung eines missbräuchlichen Rückgriffs auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung rechtfertigen (Urteil vom 25. Oktober 2018, Sciotto, C‑331/17, EU:C:2018:859, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Daraus folgt, dass rein wirtschaftliche Erwägungen zwar den Erlass von Haushaltsgesetzen, die die Durchführung von Auswahlverfahren im öffentlichen Sektor verbieten, rechtfertigen können, dass sie aber den Schutz, den befristet beschäftigte Arbeitnehmer gemäß der Richtlinie 1999/70 genießen, und insbesondere die in Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Mindestvorschriften nicht einschränken oder sogar beseitigen dürfen.

93      Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass rein wirtschaftliche Erwägungen im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise von 2008 nicht rechtfertigen können, dass jegliche Maßnahme zur Verhinderung und Ahndung des Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge im nationalen Recht fehlt.

 Kosten

94      Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in der bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Paragraf 5 Nr. 1 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung in der Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die zum einen vor Beendigung der Auswahlverfahren zur endgültigen Nachbesetzung freier Stellen von Arbeitnehmern im öffentlichen Sektor die Verlängerung befristeter Verträge ohne Angabe einer genauen Frist für den Abschluss dieser Verfahren erlaubt und zum anderen sowohl die Gleichstellung dieser Arbeitnehmer mit „unbefristet, nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmern“ als auch die Gewährung einer Entschädigung für diese Arbeitnehmer untersagt. Es zeigt sich nämlich, dass diese nationale Regelung vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen keine Maßnahme zur Verhinderung und etwaigen Ahndung des missbräuchlichen Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Verträge enthält.

2.      Paragraf 5 Nr. 1 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 1999/70 ist dahin auszulegen, dass rein wirtschaftliche Erwägungen im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise von 2008 nicht rechtfertigen können, dass jegliche Maßnahme zur Verhinderung und Ahndung des Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge im nationalen Recht fehlt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Spanisch.