Language of document : ECLI:EU:C:2020:1

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 14. Januar 2020(1)

Rechtssache C78/18

Europäische Kommission

gegen

Ungarn

(Transparenz von Vereinigungen)

„Vertragsverletzungsklage – Freier Kapitalverkehr – Art. 63 und 65 AEUV – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Vereinigungsfreiheit – Transparenz – Art. 7, 8 und 12 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Ausländische Zuwendungen an nicht staatliche Organisationen, die ihre Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausüben – Nationale Rechtsvorschriften, die nicht staatlichen Organisationen, die ausländische Unterstützung erhalten, sanktionsbewehrte Registrierungs-, Melde- und Transparenzpflichten auferlegen“






1.        Der Gerichtshof hat auf Antrag der Kommission zu entscheiden, ob Ungarn dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV sowie den Art. 7, 8 und 12 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verstoßen hat, dass es durch Gesetz(2) bestimmte Beschränkungen für aus dem Ausland stammende Zuwendungen zugunsten sogenannter „Organisationen der Zivilgesellschaft“ eingeführt hat.

2.        Bei der Entscheidung über die von der Kommission erhobene Vertragsverletzungsklage sieht sich der Gerichtshof dabei erneut vor die Frage gestellt, wie die gerichtliche Kontrolle staatlichen Handelns so ausgeübt werden kann, dass sich im Rahmen seiner Prüfung ein harmonisches Zusammenspiel zwischen den in den Verträgen verankerten Grundfreiheiten und den durch die Charta geschützten Rechten ergibt.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      AEU-Vertrag

3.        Art. 63 AEUV lautet:

„(1)      Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

(2)      Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.“

4.        Art. 65 AEUV lautet:

„(1)      Artikel 63 berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten,

a)      die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln,

b)      die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern, sowie Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen oder Maßnahmen zu ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind.

(2)      Dieses Kapitel berührt nicht die Anwendbarkeit von Beschränkungen des Niederlassungsrechts, die mit den Verträgen vereinbar sind.

(3)      Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen und Verfahren dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 63 darstellen.

…“

2.      Charta

5.        Art. 7 bestimmt:

„Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“

6.        Art. 8 sieht vor:

„(1)      Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

(2)      Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.

(3)      Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.“

7.        Art. 12 Abs. 1 lautet:

„Jede Person hat das Recht, sich insbesondere im politischen, gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich auf allen Ebenen frei und friedlich mit anderen zu versammeln und frei mit anderen zusammenzuschließen, was das Recht jeder Person umfasst, zum Schutz ihrer Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten.“

8.        In Art. 52 heißt es:

„(1)      Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

(3)      Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.

…“

B.      Nationales Recht. Gesetz Nr. LXXVI von 2017

9.        In der Präambel heißt es:

„… Die im Rahmen der Vereinigungsfreiheit gegründeten Organisationen sind Ausdruck der Selbstorganisation der Gesellschaft, und ihre Tätigkeit trägt zur demokratischen Kontrolle und öffentlichen Debatte über öffentliche Angelegenheiten bei … Diesen Organisationen kommt eine entscheidende Rolle bei der öffentlichen Meinungsbildung zu.

–        … Die Transparenz der in der Gesellschaft wirkenden Vereinigungen und Stiftungen ist von erheblichem öffentlichem Interesse.

–        … Die den im Rahmen der Vereinigungsfreiheit gegründeten Organisationen aus unbekannten ausländischen Quellen zufließende Unterstützung kann dazu geeignet sein, dass ausländische Interessengruppen über den sozialen Einfluss dieser Organisationen eigene Interessen statt gemeinsinnorientierter Ziele im gesellschaftlichen und politischen Leben Ungarns verfolgen können, und … kann die politischen und wirtschaftlichen Interessen des Landes sowie das unbeeinflusste Funktionieren der gesetzmäßigen Einrichtungen gefährden.“

10.      In § 1 heißt es:

„(1)      Für die Zwecke dieses Gesetzes ist eine aus dem Ausland unterstützte Organisation jede Vereinigung oder Stiftung, die eine Zuwendung im Sinne der in Abs. 2 enthaltenen Definition erhält …

(2)      Als Unterstützung im Sinne dieses Gesetzes ist jede unmittelbar oder mittelbar aus dem Ausland stammende Zuwendung in Geld oder sonstigen Vermögensgegenständen, unabhängig aus welchem Rechtsgrund, anzusehen, die – einzeln oder kumulativ – in einem Steuerjahr das Doppelte des Betrages erreicht, der in § 6 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes Nr. LIII von 2017 über die Verhütung und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung [(im Folgenden: Pmt-Gesetz)] festgelegt ist[(3)].

(3)      Nicht in die Berechnung des Unterstützungsbetrags im Sinne von Abs. 2 einzubeziehen ist die Unterstützung, die die Vereinigung oder die Stiftung nach Maßgabe einer speziellen Vorschrift als von der Europäischen Union stammende Finanzierung erhält und die über eine Stelle des [ungarischen] Staatshaushalts abgewickelt wird.

(4)      Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf

a)      Vereinigungen und Stiftungen, die nicht als Organisationen der Zivilgesellschaft angesehen werden;

b)      Vereinigungen, die unter das Gesetz Nr. I von 2004 über den Sport fallen;

c)      Organisationen, die eine religiöse Tätigkeit ausüben;

d)      Organisationen und Vereinigungen von Volksgruppen, die unter das Gesetz Nr. CLXXIX von 2011 über die Rechte von Volksgruppen fallen, sowie Stiftungen, die nach Maßgabe ihres Gründungsakts eine Tätigkeit ausüben, die dem Schutz und der Vertretung der Interessen einer bestimmten Volksgruppe dient oder unmittelbar mit der kulturellen Selbständigkeit der Volksgruppe zusammenhängt.“

11.      § 2 bestimmt:

„(1)      Eine Vereinigung oder Stiftung im Sinne von § 1 Abs. 1 hat binnen 15 Tagen, nachdem der Betrag der im betreffenden Steuerjahr zugeflossenen Unterstützungen das Doppelte des in § 6 Abs. 1 Buchst. b des [Pmt-]Gesetzes festgelegten Betrags erreicht hat, zu melden, dass sie eine aus dem Ausland unterstützte Organisation geworden ist.

(2)      Eine aus dem Ausland unterstützte Organisation übermittelt dem für seinen Sitz zuständigen Gericht (im Folgenden: Registergericht) die in Abs. 1 genannte Meldung mit den in Anhang I genannten Angaben[(4)]. Das Registergericht nimmt die Meldung in die Eintragung der Vereinigung oder Stiftung im Register für Organisationen der Zivilgesellschaft und andere als nicht kommerziell angesehene Organisationen (im Folgenden: Register) auf und trägt die Vereinigung oder Stiftung als aus dem Ausland unterstützte Organisation ein.

(3)      In entsprechender Anwendung der in Abs. 1 aufgeführten Regeln übermittelt eine aus dem Ausland unterstützte Organisation dem Registergericht gleichzeitig mit dem Jahresbericht eine Meldung mit den in Anhang I genannten Angaben über die ihr während des letzten Jahres zugeflossenen Unterstützungen. In der Meldung für das betreffende Jahr sind anzugeben

a)      für eine Unterstützung, die 500 000 HUF[(5)] je Unterstützer nicht erreicht, die in Anhang I Teil II Buchst. A genannten Informationen,

b)      für eine Unterstützung, die 500 000 HUF je Unterstützer erreicht oder übersteigt, die in Anhang I Teil II Buchst. B genannten Informationen.

(4)      Vor dem 15. jedes Monats übermittelt das Registergericht dem mit der Leitung des Informationsportals betreffend Organisationen der Zivilgesellschaft betrauten Minister den Namen, den Sitz und die Steuernummer der Vereinigungen und Stiftungen, die es im Vormonat im Register als aus dem Ausland unterstützte Organisationen eingetragen hat. [Dieser] Minister veröffentlicht unverzüglich die so übermittelten Informationen, um sie auf der zu diesem Zweck eingerichteten elektronischen Plattform kostenlos öffentlich zugänglich zu machen.

(5)      Nachdem sie ihre Meldung im Sinne von Abs. 1 abgegeben hat, veröffentlicht die aus dem Ausland unterstützte Organisation auf ihrer Website sowie in ihren Presseerzeugnissen und sonstigen Publikationen … unverzüglich, dass sie eine aus dem Ausland unterstützte Organisation im Sinne dieses Gesetzes ist.

(6)      Eine aus dem Ausland unterstützte Organisation bleibt an die Verpflichtung gemäß Abs. 5 so lange gebunden, wie sie als [derartige] Organisation im Sinne dieses Gesetzes zu qualifizieren ist.“

12.      In § 3 heißt es:

„(1)      Erfüllt die Vereinigung oder Stiftung die ihr nach diesem Gesetz obliegenden Verpflichtungen nicht, so fordert der Staatsanwalt, sobald er hiervon Kenntnis erhält …, die Vereinigung oder Stiftung auf, ihren Verpflichtungen aus diesem Gesetz innerhalb von 30 Tagen nach der Aufforderung nachzukommen.

(2)      Kommt die aus dem Ausland unterstützte Organisation der Verpflichtung in der Aufforderung des Staatsanwalts nicht nach, fordert er sie erneut auf, in den darauffolgenden 15 Tagen ihren Verpflichtungen aus diesem Gesetz nachzukommen. Nach einem fruchtlosen Verstreichen dieser Frist beantragt der Staatsanwalt binnen 15 Tagen beim Registergericht die Verhängung eines Bußgelds nach § 37 Abs. 2 des Gesetzes Nr. CLXXXI von 2011 über die Registrierung der Organisationen der Zivilgesellschaft bei den Gerichten und die hierauf anwendbaren Verfahrensregeln[(6)].

(3)      Nachdem er eine erneute Aufforderung nach Abs. 2 an die Organisation gerichtet hat, geht der Staatsanwalt unter entsprechender Anwendung der Regeln des Gesetzes Nr. CLXXV von 2011 über das Vereinigungsrecht, die Gemeinnützigkeit sowie die Tätigkeit und die Finanzierung von Organisationen der Zivilgesellschaft[(7)] sowie des Gesetzes Nr. CLXXXI von 2011 über die Registrierung der Organisationen der Zivilgesellschaft bei den Gerichten und die hierauf anwendbaren Verfahrensregeln vor.“(8)

13.      § 4 lautet:

„(1)      Erreicht die der aus dem Ausland unterstützten Organisation im Jahr nach dem in § 2 Abs. 3 bezeichneten Steuerjahr zugeflossene Zuwendung in Geld oder sonstigen Vermögensgegenständen nicht das Doppelte des in § 6 Abs. 1 Buchst. b des [Pmt]-Gesetzes festgelegten Betrags, so ist die Vereinigung oder Stiftung nicht mehr eine aus dem Ausland unterstützte Organisation und meldet dies, unter entsprechender Anwendung der Regeln über die Meldung, binnen 30 Tagen nach der Annahme ihres Jahresberichts für das Jahr, in dem dieser Umstand eintritt. Das Registergericht übermittelt auch diesen Umstand nach § 2 Abs. 4 dem mit der Leitung des Informationsportals betreffend Organisationen der Zivilgesellschaft betrauten Minister, der in diesem Fall die Daten der betreffenden Organisation unverzüglich von der für diese Zwecke eingerichteten elektronischen Plattform löscht.

(2)      Nach der Meldung gemäß Abs. 1 löscht das Registergericht unverzüglich die Angabe, dass die Vereinigung oder Stiftung als aus dem Ausland unterstützte Organisation gilt, aus dem Register.“

II.    Vorverfahren

14.      Am 14. Juli 2017 richtete die Kommission im Hinblick auf das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 ein Aufforderungsschreiben an die ungarische Regierung, da sie der Auffassung war, dass dieses Gesetz gegen die Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV und den Art. 7, 8 und 12 der Charta verstoße.

15.      In dem Aufforderungsschreiben wurde der ungarischen Regierung eine Frist zur Stellungnahme von einem Monat eingeräumt. Die ungarische Regierung beantragte eine Fristverlängerung, die ihr die Kommission jedoch verweigerte.

16.      Die ungarische Regierung antwortete der Kommission mit zwei Schreiben vom 14. August und 7. September 2017, in denen sie die im Aufforderungsschreiben enthaltenen Verletzungsrügen zurückwies.

17.      Da die Kommission die Antwort der ungarischen Regierung für unbefriedigend hielt, gab sie am 5. Oktober 2017 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie

1.      feststellte, dass Ungarn mit dem Gesetz Nr. LXXVI von 2017 unter Verletzung der oben angeführten Vorschriften des Unionsrechts diskriminierende, nicht erforderliche und ungerechtfertigte Beschränkungen für ausländische Zuwendungen an Organisationen der Zivilgesellschaft in Ungarn geschaffen habe, und

2.      die ungarische Regierung aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen, oder binnen eines Monats zu ihr Stellung zu nehmen.

18.      Nachdem auch ihr zweiter Antrag auf Fristverlängerung zurückgewiesen worden war, antwortete die ungarische Regierung am 5. Dezember 2017 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission, wobei sie den ihr vorgeworfenen Verstoß zurückwies.

19.      Am 7. Dezember 2017 beschloss die Kommission, die vorliegende Klage zu erheben.

III. Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

20.      Die Vertragsverletzungsklage ist am 6. Februar 2018 beim Gerichtshof eingegangen.

21.      Die Kommission beantragt, festzustellen, dass Ungarn mit der Annahme des Gesetzes Nr. LXXVI von 2017 gegen seine Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV sowie den Art. 7, 8 und 12 der Charta verstoßen hat, indem es diskriminierende, nicht erforderliche und ungerechtfertigte Beschränkungen für ausländische Zuwendungen an ungarische Organisationen der Zivilgesellschaft festgelegt hat. Ferner beantragt sie, Ungarn die Kosten aufzuerlegen.

22.      Die ungarische Regierung beantragt, die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet, abzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

23.      Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 26. September 2018 ist das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

24.      Am 22. Oktober 2019 fand eine mündliche Verhandlung statt, an der die ungarische Regierung, die schwedische Regierung und die Kommission teilgenommen haben.

IV.    Analyse

A.      Zur Zulässigkeit der Klage

1.      Standpunkte der Parteien

25.      Die ungarische Regierung hält die Klage für unzulässig, weil es während des Vorverfahrens Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Die Kommission habe ihr für ihre Äußerungen kürzere Fristen als üblich eingeräumt und ihr die beantragten Fristverlängerungen zu Unrecht verweigert.

26.      Diese Unregelmäßigkeiten verletzten die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV), das Recht auf eine gute Verwaltung (Art. 41 der Charta), genauer gesagt den Anspruch auf rechtliches Gehör, sowie den allgemeinen Rechtsgrundsatz, sich verteidigen zu dürfen.

27.      Die Kommission trägt vor, die Fristen seien weder missbräuchlich noch unangemessen kurz gewesen und hätten die ungarische Regierung nicht daran gehindert, detaillierte schriftliche Erklärungen zu dem ihr vorgeworfenen Verstoß einzureichen.

28.      Hinsichtlich der Frist für die Stellungnahme zum Aufforderungsschreiben trägt die Kommission vor, deren Verlängerung sei an die Bedingung geknüpft worden, dass Ungarn dem Aufforderungsschreiben Folge leiste und hierfür einen realistischen Zeitplan mit entsprechenden Maßnahmen ausarbeite, an die es sich halten werde(9). Außerdem seien die Fristen seinerzeit in Anbetracht des Umstands festgesetzt worden, dass Ungarn beschlossen habe, den Dialog mit der Kommission nicht fortzuführen, so dass die Kürze der Frist auf das Verhalten dieses Mitgliedstaats zurückzuführen sei.

2.      Würdigung

29.      Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, „soll das Vorverfahren dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben, zum einen seinen sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen nachzukommen und zum anderen sich gegenüber den Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen“(10).

30.      Um diesem doppelten Ziel gerecht zu werden, ist die Kommission verpflichtet, „den Mitgliedstaaten eine angemessene Frist zu lassen, um auf das Aufforderungsschreiben zu antworten und einer mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen oder gegebenenfalls ihre Verteidigung vorzubereiten“(11).

31.      Die von der Kommission üblicherweise in Vorverfahren gesetzte Frist beträgt zwei Monate(12). Dies bedeutet allerdings nicht, dass sie sich daran in jedem Fall halten muss: Entscheidend ist wie gesagt, dass die Frist „angemessen“ ist.

32.      Nach alledem kann die Angemessenheit der Frist nicht abstrakt bestimmt werden, sondern allein mit Blick auf das doppelte Ziel, dem sie dienen soll(13). Konkret muss der Mitgliedstaat in der Lage sein, die Verteidigung seines Standpunkts gegen die Rügen der Kommission vorzubereiten.

33.      Ob die von der Kommission eingeräumte Frist im Einzelfall angemessen ist, „ist dabei unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen“(14). Beispielsweise können „sehr kurze Fristen … unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein, insbesondere, wenn einer Vertragsverletzung schnell begegnet werden muss oder wenn der betroffene Mitgliedstaat den Standpunkt der Kommission schon vor Einleitung des vorprozessualen Verfahrens vollständig kennt“(15).

34.      Die Kommission ist davon ausgegangen, dass in dieser Rechtssache die Verlängerung der Frist zur Beantwortung der mit Gründen versehenen Stellungnahme ausschließlich zu dem Zweck hätte bewilligt werden können, dass der Mitgliedstaat die notwendigen Maßnahmen ergreifen könne, um der Stellungnahme Folge zu leisten(16). Die ungarische Regierung habe in ihrem Verlängerungsantrag nicht angegeben, dass sie dies beabsichtige.

35.      Diese Argumentation berücksichtigt allerdings nicht das zweite Ziel des Vorverfahrens, nämlich dem Mitgliedstaat die Verteidigung gegen die ihm gegenüber erhobenen Rügen zu ermöglichen. Sie entspricht daher nicht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs.

36.      Hier kommt es jedoch letztlich darauf an, ob das Handeln der Kommission die Vorbereitung der Verteidigung des Mitgliedstaats erschwert hat. Es ist Sache des Mitgliedstaats, den Beweis dafür zu erbringen(17).

37.      Der ungarischen Regierung ist es nicht gelungen, nachzuweisen, dass sich die eingeräumten Fristen negativ auf die Verteidigung ihres Standpunkts ausgewirkt haben. Auch wenn sie möglicherweise zu Recht kritisiert, dass die Kommission ihr ohne die gebotene Rechtfertigung nur eine kürzere Frist (einen Monat) als die nach ihrer Praxis übliche (zwei Monate) eingeräumt habe, war dies de facto die Frist, die ihr für ihre Antwort sowohl auf das Aufforderungsschreiben als auch auf die mit Gründen versehene Stellungnahme zur Verfügung stand(18).

38.      Unter diesen Umständen bin ich der Auffassung, dass sich die ungarische Regierung in angemessener Weise verteidigen konnte, indem sie letzten Endes über die Frist verfügte, die sie ursprünglich beantragt hatte.

39.      Dass sich die Kommission kaum zwei Tage nach Erhalt der Antwort der ungarischen Regierung auf die mit Gründen versehene Stellungnahme zur Klageerhebung entschloss, ist für die Frage der Zulässigkeit dieser Klage nicht von Belang.

40.      Es ist Sache der Kommission, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie das Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat einleitet, „wobei die Erwägungen, die für diese Wahl bestimmend sind, die Zulässigkeit der Klage nicht beeinflussen“, da „[d]ie Kommission … in Bezug auf den Zeitpunkt der Klageerhebung über ein Ermessen [verfügt], das daher grundsätzlich nicht der Nachprüfung durch den Gerichtshof unterliegt“(19).

41.      Die ungarische Regierung führt an, zwei Tage seien nicht ausreichend gewesen, damit sich die Kommission ein Urteil über ihre Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme habe bilden können(20). Die Kommission entgegnet, sie habe sich zur Klageerhebung entschlossen, nachdem sie die Antwort der ungarischen Regierung mit aller Fachkompetenz geprüft habe(21).

42.      Ich habe bereits hervorgehoben, dass es der Kommission obliegt, den Zeitpunkt zu wählen, zu dem sie derartige Klagen erhebt. Von dieser Prämisse ausgehend sehe ich keinen Grund für die Annahme, dass die Kommission in diesem Fall ihre Entscheidung traf, ohne der Stellungnahme der ungarischen Regierung die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen.

43.      Die Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme stellt die letzte Phase eines Verfahrens dar, in dem den beteiligten Parteien die jeweiligen Standpunkte bereits gut bekannt sind. Da mithin die verschiedenen Etappen des Vorverfahrens abgeschlossen sind, können zwei Tage ausreichen, um den nächsten Schritt, d. h. die Erhebung der Vertragsverletzungsklage, durchzuführen.

44.      Eine Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme, die, wie dies hier der Fall ist, lediglich eine Wiederholung der von der ungarischen Regierung bereits von Anfang an vertretenen These darstellt, reicht aus, damit die Kommission zu dem Schluss kommt, dass sich an der von diesem Mitgliedstaat während des Vorverfahrens vertretenen, ihr bereits bekannten Rechtsauffassung keine Änderungen ergeben haben. Folglich ist der Entschluss zur Klageerhebung nichts, was einer eingehenderen Prüfung bedarf als derjenigen, die bereits während der vorgerichtlichen Phase stattgefunden hat.

45.      Obwohl die Entscheidung, wie gesagt, bereits am 7. Dezember 2017 fiel, ist die Klageschrift erst am 6. Februar 2018 beim Gerichtshof eingegangen. In ihr sind zahlreiche Bezugnahmen auf die Antwort der ungarischen Regierung enthalten, was beweist, dass ihr Vorbringen einer eingehenden Prüfung unterzogen wurde. Daher ist nicht anzunehmen, dass die Kommission die Prüfung der Antwort auf die begründete Stellungnahme nachlässig vorgenommen hat.

46.      Letztlich ist relevant, dass das Vorverfahren es der ungarischen Regierung erleichtert hat, ihre Argumente sowohl gegenüber der Kommission als auch letztlich vor dem Gerichtshof ohne Beeinträchtigung ihrer Verteidigungsrechte vorzubringen.

47.      Es bedarf kaum der Erwähnung, dass dem Gerichtshof bei der Entscheidung über die Klage sämtliche von der ungarischen Regierung im Vorverfahren vorgelegten Dokumente zur Verfügung stehen, und er kennt natürlich auch die von ihr im gerichtlichen Verfahren in der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung vorgebrachten Argumente. Unter diesen Umständen gehe ich davon aus, dass die Verteidigungsrechte dieses Mitgliedstaats gewahrt sind.

B.      Vorbringen der Parteien zur Sache

48.      Die Kommission wirft Ungarn in erster Linie eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) vor und in zweiter Linie die „gesondert“(22) zu prüfende Verletzung verschiedener durch die Charta anerkannter Rechte und Freiheiten.

49.      Aus noch darzulegenden(23) Gründen bin ich der Ansicht, dass die Prüfung dieser beiden Rügen keineswegs „gesondert“, sondern zusammen zu erfolgen hat.

1.      Vorbringen der Kommission und der schwedischen Regierung

50.      Die Kommission, der die schwedische Regierung folgt, trägt vor, die im Gesetz Nr. LXXVI von 2017 geregelten Zuwendungen seien eine Art von Kapitalverkehr (Kapitalübertragungen). Das Gesetz bringe eine mittelbar diskriminierende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit aufgrund der Staatsangehörigkeit mit sich, die, was die Transparenz und Kontrolle betreffe, nicht mit einem sachlichen Unterschied zwischen der Situation von Zuwendern mit Sitz in Ungarn und solchen mit Sitz im Ausland gerechtfertigt werden könne.

51.      Selbst wenn das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 in nicht diskriminierender Weise anwendbar wäre, würde es angesichts der Kostenpflichtigkeit der mit ihm auferlegten Melde-, Registrierungs- und Publizitätspflichten und der sich daraus ergebenden abschreckenden Wirkung gleichwohl eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen. Dass die Melde- und Publizitätspflichten erst im Nachhinein entstünden, ändere nichts an ihrem beschränkenden Charakter, auch wenn sie weniger belastend seien als eine ex ante bestehende Verpflichtung.

52.      Die von der ungarischen Regierung geltend gemachten Gründe der öffentlichen Ordnung und der Transparenz rechtfertigten keine gesetzliche Regelung, die a) Organisationen, die Unterstützung aus dem Ausland erhielten, stigmatisiere (nicht alle, da einige von ihnen, wie solche aus den Bereichen des Sports und der Religion, ohne sachlichen Grund ausgenommen seien) und b) grundsätzlich von der Rechtswidrigkeit der Tätigkeiten ausgehe, denen diese Unterstützung zugutekomme.

53.      Diese Maßnahmen seien zudem nicht geeignet, um die vom nationalen Gesetzgeber verfolgten Ziele zu erreichen:

–        Was den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betreffe, habe die ungarische Regierung, selbst wenn man den Mitgliedstaaten insoweit einen Wertungsspielraum einräume (Art. 4 Abs. 2 EUV), nicht dargelegt, dass die betroffenen Organisationen eine hinreichend schwere Bedrohung für die Souveränität und die verfassungsmäßige Ordnung darstellten.

–        Ebenso wenig sei dargelegt worden, dass die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung es erforderlich mache, die Finanzierung ungarischer nicht gewinnorientierter Organisationen publik zu machen, und auch nicht, in welcher Weise die in Rede stehenden Maßnahmen zu dieser Bekämpfung beitragen sollten.

54.      In jedem Fall seien diese Maßnahmen, die zu anderen, bereits für die Organisationen der Zivilgesellschaft geltenden hinzukämen, unverhältnismäßig, da andere, weniger beschränkende Maßnahmen hätten getroffen werden können.

55.      Was Art. 12 der Charta angehe, verletzten die im Gesetz Nr. LXXVI von 2017 festgelegten Anforderungen, Formalitäten und Sanktionen die Vereinigungsfreiheit der Organisationen der Zivilgesellschaft, indem sie deren Funktionsweise, Organisation und Finanzierung beeinflussten. Insbesondere die Sanktionen begründeten eine rechtliche Gefahr für ihre Existenz, da sie sogar ihre Auflösung ermöglichten.

56.      Diese Beschränkungen der Vereinigungsfreiheit seien schon deshalb ungerechtfertigt, weil sie den Zielen, denen sie dienen sollten, nicht entsprächen.

57.      Das vorgesehene Sanktionssystem verstoße zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Eine Maßnahme wie die Auflösung könne nur als letztes Mittel in außergewöhnlich schwerwiegenden Fällen in Betracht kommen, aber nicht bei geringeren Verstößen, insbesondere nicht bei solchen administrativer Art.

58.      Was die Art. 7 und 8 der Charta betreffe, stelle das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 einen ungerechtfertigten und unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz der personenbezogenen Daten der Zuwender dar.

59.      Die Transparenz der Organisationen der Zivilgesellschaft und die Bekämpfung anonymer Zuwendungen könnten zwar Ziele des Allgemeininteresses darstellen, doch erscheine es übertrieben, Zuwender, deren Zuwendungen 500 000 HUF überstiegen, als „öffentliche Akteure“ zu behandeln, deren personenbezogene Daten weniger schutzbedürftig seien (was es u. a. ermögliche, ihre Namen in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Register zu veröffentlichen). Damit werde dem Ziel der Transparenz automatisch Vorrang vor den Grundrechten der Zuwender eingeräumt.

2.      Antwort der ungarischen Regierung

60.      Die ungarische Regierung argumentiert, das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 füge sich in den Kontext des Bestrebens der Union ein, Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Kapitalverkehrs zu sichern, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu bekämpfen.

61.      Dieses Gesetz verursache keine mittelbar diskriminierende Beschränkung aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern richte das Augenmerk auf die Quelle, aus der die Unterstützung stamme. Es gelte deshalb auch für Unterstützungen aus dem Ausland durch ungarische Staatsangehörige. Die Kommission habe nicht nachweisen können, dass die Zuwender solcher Beträge in der Praxis vorwiegend Ausländer seien. Auf jeden Fall sei das Kriterium der Quelle gerechtfertigt, weil inländische Unterstützung leichter kontrollierbar sei als solche, die aus dem Ausland stamme.

62.      Die in Rede stehenden Maßnahmen hätten keine abschreckende Wirkung, da sie den Betroffenen keine neuen administrativen Verpflichtungen auferlegten. Außerdem seien die Offenlegungspflichten neutral und beträfen nicht den durchschnittlichen Zuwender, sondern nur Zuwender, deren Beiträge 500 000 HUF überstiegen. Im Nachhinein zu erfüllende Meldepflichten wie diese habe der Gerichtshof zugelassen.

63.      Was seine Rechtfertigung angehe, habe das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 folgende Ziele:

–        Es solle die Transparenz von Organisationen der Zivilgesellschaft erhöhen, und zwar wegen ihres wachsenden Einflusses auf die öffentliche Meinung und das öffentliche Leben als solches. Der Gesetzgeber habe nicht ihre Funktionsweise zensieren, sondern sie vielmehr anerkennen und stimulieren wollen, solange sie bei ihrer Tätigkeit die gesetzlichen Vorschriften beachteten. Sie erführen insoweit eine günstigere Behandlung als politische Parteien, die keinerlei Unterstützung aus dem Ausland erhalten dürften.

–        Es solle zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung beitragen.

64.      Das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 verfolge diese Ziele keineswegs in inkohärenter Weise: Es nehme bestimmte Arten der Unterstützung aus, da diese, wenn sie aus ungarischen Quellen stammten, anhand der bereits zuvor bestehenden Gesetzgebung kontrolliert werden könnten. Der Ausschluss religiöser Organisationen und von Sportvereinen sei rechtlichen Besonderheiten geschuldet.

65.      Was die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen betreffe, sei der Begriff „Unterstützung“ in einer Weise definiert, die nicht weniger unbestimmt sei als vergleichbare Begriffe, die im Unionsrecht verwendet würden.

66.      Es treffe nicht zu, dass die zuvor geltenden Rechtsvorschriften den Organisationen der Zivilgesellschaft bereits die Verpflichtung auferlegt hätten, erhaltene Zuwendungen mitzuteilen. Außerdem führten Maßnahmen wie diejenigen, die die Kommission vorgeschlagen habe, zu einem noch viel größeren Eingriff.

67.      Die Registrierungs- und Publizitätspflichten würden nicht flächendeckend angewandt, sondern lediglich oberhalb der vom Gesetz gezogenen Schwellenwerte. Diese Schwellenwerte seien festgelegt worden, um die Informationen auf die relevanten aus dem Ausland stammenden Finanzierungen zu beschränken, und sie seien sehr viel höher als der Durchschnitt der in der Praxis getätigten Zuwendungen.

68.      Die Sanktionen stellten eine Reihe von Maßnahmen mit aufsteigender Schwere dar, die schrittweise anwendbar seien und der gerichtlichen Kontrolle unterlägen, wobei die Auflösung das letzte Mittel für den Fall darstelle, dass ein klarer und andauernder Wille nachgewiesen werde, das Gesetz zu missachten.

69.      Das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 habe den materiellen Inhalt der Vereinigungsfreiheit nicht beschränkt, sondern regle – unter Beachtung dieser Freiheit – lediglich deren Ausübung. Die Registrierungs- und Publizitätspflichten seien erlassen worden, um eine neutrale Tatsache (den Erhalt finanzieller Hilfen aus dem Ausland von gewisser Größenordnung) bekannt zu machen, wiesen aber keineswegs die von der Kommission gerügten stigmatisierenden und abschreckenden Wirkungen auf.

70.      Das Ziel der Transparenz rechtfertige die Annahme von Maßnahmen deklarativer (nicht prohibitiver) Art, die ganz selbstverständlich auf politische Parteien anwendbar seien und damit auch auf Organisationen der Zivilgesellschaft, denen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vergleichbare Bedeutung beimesse.

71.      Die Angaben, auf die sich das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 beziehe – der Name des Zuwenders sowie die Stadt und das Land, in dem er seinen (Wohn‑)Sitz habe –, hätten keinen personenbezogenen Charakter, und die sie betreffenden Verpflichtungen bedeuteten jedenfalls keinen Eingriff in die durch die Charta geschützten Rechte. Veröffentlicht werde lediglich ein Teil der erhobenen Daten, die nur zu einem ganz geringen Prozentsatz natürliche Personen beträfen (3,6 % der Zuwender im Jahr 2015).

72.      Letztlich wäre selbst ein etwaiger Eingriff in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte durch von der Union anerkannte Ziele des Gemeinwohls wie die größere Transparenz der Finanzierung von Organisationen der Zivilgesellschaft und die Bekämpfung anonymer Zuwendungen gerechtfertigt.

73.      Zusammenfassend sei es daher erforderlich gewesen, den vorherigen Mangel an Regelungen in diesem Bereich zu beheben. Ein Beweis für die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sei, dass sie mit denen übereinstimmten, die das Unionsrecht für europäische politische Parteien vorsehe.

C.      Einleitende Beurteilung der Notwendigkeit, einen einheitlichen Kontrollmaßstab zu verwenden

1.      Standpunkt des Gerichtshofs

74.      In seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen)(24) hat Generalanwalt Saugmandsgaard Øe hervorgehoben, dass die Kommission erstmals vom Gerichtshof die Feststellung begehre, dass ein Mitgliedstaat – ebenfalls Ungarn – gegen eine Vorschrift der Charta verstoßen habe(25).

75.      Dieser Präzedenzfall warf keinerlei Probleme hinsichtlich der Zulässigkeit auf, da die Kommission, wie Generalanwalt Saugmandsgaard Øe ausführte, nach Art. 258 AEUV zweifellos auch die Verletzung einer Verpflichtung rügen kann, die sich aus den in der Charta garantierten Rechten herleitet(26).

76.      Die schwierige Frage war damals (wie heute), ob sich der Gerichtshof – so die Auffassung der Kommission – zu einem mutmaßlichen Verstoß gegen die Charta gesondert und unabhängig von einem Verstoß gegen die Verkehrsfreiheiten äußern muss, der Ungarn in jenem Verfahren gleichfalls vorgeworfen wurde.

77.      Der Generalanwalt vertrat demgegenüber die Ansicht, der Gerichtshof könne den möglichen Verstoß gegen die Charta „nicht unabhängig von der Frage des Verstoßes gegen die Verkehrsfreiheiten prüfen“(27). So habe es der Gerichtshof im Urteil SEGRO und Horváth(28) gesehen, wo er sich zu einer Rechtssache geäußert habe, in der „eine vollständige Überschneidung zwischen dem Eigentumsrecht und der Kapitalverkehrsfreiheit“ bestanden habe(29).

78.      In seinem Urteil vom 21. Mai 2019(30) hat es der Gerichtshof allerdings vorgezogen, die Verstöße gegen Art. 63 AEUV und gegen Art. 17 der Charta nacheinander zu prüfen:

–        Zu Art. 63 AEUV hat er festgestellt, dass die nationale Vorschrift das Recht der Betroffenen auf den durch Art. 63 AEUV garantierten freien Kapitalverkehr beschränkt(31).

–        Anschließend hat er sich der Frage zugewandt, ob diese Beschränkung gerechtfertigt ist, sei es aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses oder aus solchen nach Art. 65 AEUV(32).

–        Aus diesem Blickwinkel hat er ausgeführt, dass eine nationale Regelung, die sich auf Gründe beider Art stützt, die von der Charta garantierten Rechte beachten muss. Folglich muss ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht „unter Berücksichtigung sowohl der sich aus dem Vertrag und der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Ausnahmen als auch der durch die Charta garantierten Grundrechte“ festgestellt werden(33).

–        Er hat daher geprüft, ob die nationale Regelung auch eine Verletzung des in dieser Rechtssache geltend gemachten Grundrechts (des durch Art. 17 Abs. 1 der Charta garantierten Rechts auf Eigentum) darstellte(34).

79.      Nachdem er beide Verstöße – denjenigen gegen Art. 63 AEUV und denjenigen gegen Art. 17 der Charta – bejaht hatte, ging er zu der Prüfung über, ob sie gerechtfertigt waren.

–        Hinsichtlich der Verletzung von Art. 63 AEUV wies er nacheinander die Rechtfertigungen mit bestimmten Zielen des Allgemeininteresses(35), die sich auf den Verstoß gegen die nationalen Vorschriften über Devisenkontrollen(36) und den Schutz der öffentlichen Ordnung(37) stützten, zurück.

–        Im Hinblick auf Art. 17 der Charta verneinte er das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Interesses, die einen Entzug des Eigentums rechtfertigten, ohne dass die nationale Vorschrift die Zahlung einer angemessenen Entschädigung vorsah(38).

80.      Der Gerichtshof ist zweifellos bestrebt, eine Verbindung zwischen den durch die Verträge garantierten Grundfreiheiten und den Grundrechten der Charta herzustellen. Dabei besteht allerdings, wie Generalanwalt Saugmandsgaard Øe hervorgehoben hat, eine gewisse Gefahr, dass sich beide Prüfungen überschneiden(39).

81.      Obwohl diese Überschneidung wahrscheinlich keine übermäßigen praktischen Folgen hat, erscheint mir eine Verbindung zwischen den Freiheiten der Verträge und den Rechten der Charta möglich, die eine Einbeziehung beider in einen einzigen Kontrollmaßstab impliziert.

2.      Suche nach einem einheitlichen Kontrollmaßstab

82.      In dem traditionellen Aufbau, den der Gerichtshof für die Beurteilung der Frage verwendet, ob eine Verletzung der von den Verträgen geschützten Freiheiten vorliegt, spielen die Grundrechte nur dann eine Rolle, wenn die Mitgliedstaaten diese Freiheiten behindern oder beschränken und hierfür auf Gründe oder Motive zurückgreifen, die unionsrechtlich zulässig sind(40).

83.      Die Regel ist somit, dass der Gerichtshof „eine nationale Rechtsvorschrift nicht im Hinblick auf die Charta beurteilen kann, wenn sie nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt“(41). Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die in der Charta verankerten Rechte dieser Regelung entgegengehalten werden können.

84.      Vielleicht kann man diese traditionelle Sichtweise um eine andere ergänzen, die sich mehr auf die Anwendbarkeit der Charta in Fällen konzentriert, in denen der Gerichtshof die Freiheiten der Verträge auslegt, zu deren Inhalt notwendigerweise die durch die Charta selbst garantierten Grundrechte gehören.

85.      Wie soeben ausgeführt, kann der Gerichtshof „eine nationale Rechtsvorschrift nicht im Hinblick auf die Charta beurteilen …, wenn sie nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt“(42). Allerdings müssen bei der Auslegung des Unionsrechts (hier von Art. 63 AEUV) unbestreitbar die Auswirkungen der Charta einbezogen werden.

86.      Das gesamte Unionsrecht, sowohl das Primär- als auch das Sekundärrecht, sind vom Inhalt der in der Charta, die den Verträgen rechtlich gleichrangig ist (Art. 6 Abs. 1 EUV), verankerten Grundrechte geprägt. Diese Prägung setzt an seinen Grundfesten an, wie es in einer Union, die sich auf die Werte der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit und der Menschenrechte (Art. 2 EUV) gründet und die Person in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt (Präambel der Charta), geboten ist.

87.      Das Inkrafttreten der Charta bedeutete den definitiven Übergang vom vorherigen Rechtssystem zu einem anderen, das um die Person des Bürgers kreist, d. h. eines Akteurs, der Inhaber von Rechten ist, die ihm einen rechtlichen Rahmen sichern, in dem er frei leben und frei seine eigenen Ziele verfolgen kann.

88.      Deshalb können die klassischen, von den Verträgen geschützten Freiheiten heute nicht mehr getrennt von der Charta ausgelegt werden, deren Rechte in das Wesen der Grundfreiheiten eingegliedert worden sind. So gesehen garantiert die Union diese Freiheiten in einem normativen Kontext, der durch die Grundrechte der Charta definiert wird.

89.      Demzufolge ist die Charta, wenn die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit einer der klassischen Freiheiten auf dem Prüfstand steht, sowohl dann anzuwenden, wenn die Mitgliedstaaten einige der Ausnahmen, die die Verträge insoweit vorsehen, in Anspruch nehmen wollen, als auch in jedem anderen Fall, in dem Grundrechte betroffen sind. Letztere spielen, mit anderen Worten, nicht über Art. 65 AEUV eine Rolle, sondern direkt und in erster Linie über Art. 63 AEUV.

90.      Es mag den Anschein haben, als würde sich dieser Ansatz nicht allzu sehr von demjenigen unterscheiden, der herangezogen wird, wenn die Anwendbarkeit der Charta mit der Anwendung einer in den Verträgen ausdrücklich anerkannten Rechtfertigung verknüpft ist. Ich denke jedoch, dass es sich von der konzeptuellen Grundlage und den Folgen her um unterschiedliche Sichtweisen handelt.

91.      Die Einbeziehung der Grundrechte in den Inhalt der von den Verträgen garantierten Freiheiten (die, wie oben ausgeführt, seit dem Inkrafttreten der Charta verpflichtend ist) bedeutet, dass nicht nur nationale Regelungen, die das Unionsrecht in Anspruch nehmen wollen, um diese Freiheiten zu beschränken, die Rechte aus der Charta beachten müssen, sondern auch diejenigen, die gegen diese Freiheiten verstoßen oder sie beschränken, ohne vorzugeben, sich auf das Unionsrecht zu stützen. Sonst ergäbe sich das Paradox, dass die Mitgliedstaaten nur dann die Grundrechte beachten müssten, wenn sie eine Beschränkung der geschützten Freiheiten rechtfertigen wollten, nicht aber dann, wenn sie sie beschränken, ohne dafür eine Rechtfertigung in Anspruch zu nehmen.

92.      Ausgehend von dieser Prämisse muss man den Inhalt jeder von den Verträgen geschützten Freiheit als unter Einbeziehung der Rechte der Charta in ihre Konzeption neu definiert ansehen.

93.      Wenn wie hier die Kapitalverkehrsfreiheit im Raum steht, können Transaktionen, die diese Freiheit für sich in Anspruch nehmen, nicht nur diejenigen sein, die im Einklang mit den Art. 64 und 65 AEUV beschränkt werden können, sondern auch diejenigen, die einer anderen Beschränkung unterliegen, wofür nach den Verträgen zu prüfen ist, ob die betreffenden Grundrechte beachtet werden. Hierzu können natürlich das Recht auf Eigentum, die Ausübung des Rechts auf Arbeit oder die Vereinigungsfreiheit gehören.

94.      Die nach den Verträgen zulässigen Beschränkungen der Grundfreiheiten mussten vor dem Inkrafttreten der Charta den Voraussetzungen der Erforderlichkeit, der Angemessenheit und der Verhältnismäßigkeit gerecht werden, zu denen es umfangreiche Rechtsprechung gibt.

95.      Nach dem Inkrafttreten der Charta ist zu klären, wann die Prüfung eines hypothetischen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit anhand dieser traditionellen Technik (Beurteilung von Erforderlichkeit, Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit) vorzunehmen ist und wann sie im Licht der Grundrechte, d. h. nach einem strengeren Kontrollmaßstab, erfolgen muss.

96.      Meines Erachtens müsste der Beurteilungskanon, wenn eine nationale Regelung wegen eines Verstoßes gegen Art. 63 AEUV auf dem Prüfstand steht, ohne dass es eine ausdrückliche Bezugnahme auf eine mögliche Verletzung der Charta gibt (d. h., wenn lediglich die Kapitalverkehrsfreiheit als solche beschränkt wird, ohne dass diese Beschränkung an die Verletzung eines konkreten Grundrechts anknüpft), derjenige sein, den der Gerichtshof hierfür schon immer herangezogen hat, d. h. der klassische Kanon.

97.      Erscheint die Beschränkung dieser Freiheit dagegen als primäre oder unmittelbare Ursache einer Grundrechtsverletzung (d. h., die nationale Regelung, die die Kapitalverkehrsfreiheit einschränkt, zielt entweder auf die Beschränkung eines Rechts ab oder führt unweigerlich zu diesem Ergebnis), müsste der Beurteilungskanon dagegen derjenige sein, der für jeden Verstoß gegen Grundrechte gilt.

98.      So dürfte die Duplizität von „Verstößen gegen Art. 63 AEUV“ einerseits und „Verstößen gegen Grundrechte aufgrund einer nach den Verträgen zulässigen Beschränkung von Art. 63 AEUV“ andererseits aufgelöst werden.

99.      Die Freiheit aus Art. 63 AEUV ist einheitlich und einzig. Ihr Inhalt ist ebenfalls einheitlich und hat den freien Verkehr von Kapital ohne weitere als die nach den Verträgen erlaubten Beschränkungen zum Gegenstand; dies schließt die Achtung der Grundrechte mit ein, und zwar sowohl dann, wenn deren Ausübung durch die Ausübung dieser Freiheit ermöglicht wird, als auch dann, wenn sie aufgrund ihrer Beschränkung beeinträchtigt werden.

100. Folglich ist in jedem Fall zu klären, ob die Verletzung von Art. 63 AEUV auf eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zurückgeht, die sich in der bloßen Beschränkung des Kapitalverkehrs als solchem erschöpft, oder ob mit dieser Beschränkung in Wirklichkeit die Verletzung eines Grundrechts bezweckt wird(43). Der Kontrollkanon muss in beiden Fällen die klassischen Kriterien umfassen (Beurteilung der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit), aber die Anforderungen müssen höher sein, wenn der Kern der Frage den Verstoß gegen ein Grundrecht darstellt.

101. Ausgehend von diesen Prämissen prüfe ich nunmehr die Klage der Kommission.

D.      Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

102. Kern der Rügen der Kommission ist die Behandlung von Organisationen der Zivilgesellschaft, die ausländische Finanzierung erhalten, durch das Gesetz Nr. LXXVI von 2017. Diese Behandlung stelle aufgrund ihrer Merkmale und Folgen einen Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit (Art. 12 der Charta) dar, sowie flankierend einen Verstoß gegen die Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten (Art. 7 und 8 der Charta).

103. Betrachtet man die Klage aus dieser Sicht, ist die Regelung, gegen die sie sich richtet, auf den ersten Blick geeignet, Art. 63 AEUV zu verletzen. Würden ihre Vorschriften zu einer ungerechtfertigten Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit führen, wären sie mit diesem Artikel unvereinbar und könnten zugleich die in der Charta anerkannten Rechte verletzen.

104. Somit ist zu klären,

–        ob diese Regelung Kapitalverkehr zum Gegenstand hat und, wenn ja, unter welche Bedingungen sie ihn stellt;

–        ob, sollte sich herausstellen, dass die gesetzliche Regelung in der Tat Kapitalverkehr voraussetzt, die auferlegten Anforderungen zu einem Verstoß gegen die von der Kommission angeführten Grundrechte führen und damit eine Beschränkung der durch Art. 63 AEUV garantierten Freiheit darstellen;

–        ob diese Beschränkung schließlich eine Rechtfertigung im Unionsrecht finden kann, denn dann wäre sie nicht als unrechtmäßig einzustufen, was den von der Kommission gerügten Verstoß ausschließen würde.

1.      Zum Vorliegen von Kapitalverkehr und zu der Frage, ob er durch das nationale Gesetz unter Bedingungen gestellt wird

105. Das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 verpflichtet die aus dem Ausland unterstützten Vereinigungen oder Stiftungen – mit einigen Ausnahmen –, ihren Status als „aus dem Ausland unterstützte Organisation“ behördlich zu melden, sobald der Betrag der erhaltenen Unterstützung einen bestimmten Schwellenwert erreicht.

106. Diese Organisationen oder Stiftungen müssen außerdem eine Reihe von Angaben zu Art und Höhe der erhaltenen Unterstützung sowie zur Identität des Zuwenders machen. Die vorgeschriebene Meldung wird in ein Register aufgenommen, in dem die Eigenschaft als aus dem Ausland unterstützte Organisation eingetragen wird. Alle diese Angaben werden in dem amtlichen Register veröffentlicht, das kostenfrei zugänglich ist. Die aus dem Ausland unterstützte Organisation muss auf ihrer Homepage und in ihren Veröffentlichungen auf diese Eigenschaft hinweisen.

107. Wie nicht einmal die ungarische Regierung bestreitet, stellt die im Gesetz Nr. LXXVI von 2017 geregelte „Unterstützung“ – dessen § 1 Abs. 2 definiert sie als „Zuwendung in Geld oder sonstigen Vermögensgegenständen, unabhängig aus welchem Rechtsgrund“ – „Kapitalverkehr“ dar.

108. Derartige Transaktionen können nämlich ohne Schwierigkeit in die Kategorie „Kapitalverkehr“ eingeordnet werden, wie sich aus der Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG(44) ergibt, die nach der Rechtsprechung nach wie vor den Hinweischarakter hat, der ihr bei der Definition dieses Begriffs zukam(45).

109. Nach der streitgegenständlichen Regelung ist Kapitalverkehr in Form der Unterstützung einiger Vereinigungen und Stiftungen mit Sitz in Ungarn somit nicht vollkommen frei, sondern unterliegt bestimmten Bedingungen, insbesondere den bereits dargestellten: Die Empfänger der Unterstützung müssen sie den nationalen Behörden zwecks Eintragung und Veröffentlichung melden(46).

110. Diese Bedingungen sind je nach dem Ort des Sitzes bzw. Wohnsitzes des Zuwenders anwendbar, da das entscheidende Kriterium gemäß § 1 Abs. 2 des Gesetzes Nr. LXXVI von 2017 darin besteht, ob die Zuwendung „unmittelbar oder mittelbar aus dem Ausland stamm[t]“.

111. Die Voraussetzung, aus dem Ausland zu stammen, trifft jedoch mit erheblich größerer Wahrscheinlichkeit auf Angehörige anderer Mitgliedstaaten zu als auf ungarische Staatsangehörige, auch wenn diese ebenfalls außerhalb Ungarns wohnen und somit von den in Rede stehenden Maßnahmen betroffen sein können.

112. Ich möchte in diesem Kontext noch darauf hinweisen, dass der Gerichtshof eine nationale Regelung dann als mittelbar diskriminierend ansieht, wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf Angehörige anderer Mitgliedstaaten als auf Inländer auswirken kann(47).

113. Die Rügen der Kommission stellen in diesem Fall keine bloßen „Vermutungen“ dar, wie die ungarische Regierung geltend macht. Die Kommission stellt in ihrer Klageschrift nicht die Vereinbarkeit einer bloßen Verwaltungspraxis mit dem Unionsrecht in Frage, sondern von Rechtsvorschriften, deren Anwendung die Wirkungen hervorrufen kann, die sie in ihrer Klageschrift erläutert(48).

114. Abgesehen davon, dass die im Gesetz Nr. LXXVI von 2017 für Zuwendungen an bestimmte Vereinigungen und Stiftungen aufgestellten Bedingungen hauptsächlich Ausländer und insbesondere die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten treffen, führen sie meiner Ansicht nach zu einer Beschränkung des Kapitalverkehrs.

115. Diese Bedingungen sind, wie bereits ausgeführt, in folgender Weise geeignet, die Kapitalverkehrsfreiheit zu beschränken:

–        Sie können sich negativ auf die Finanzierung der in Ungarn ansässigen Vereinigungen und Stiftungen auswirken, die Gelder aus dem Ausland erhalten, wobei sie sich im selben Maß negativ auf die Ausübung der durch Art. 12 der Charta garantierten Vereinigungsfreiheit auswirken.

–        Ferner können sie sich negativ auf das Recht auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten (Art. 7 und 8 der Charta) von Personen auswirken, die aus dem Ausland Zuwendungen für die angeführten Organisationen der Zivilgesellschaft erbringen.

116. Die Beschränkung des Kapitalverkehrs erschöpft sich nicht darin, sondern stellt, wie ich anschließend ausführen werde, ein Mittel zur Verletzung bestimmter Grundrechte dar. Deshalb muss der Kontrollkanon, wie bereits vorweggenommen(49), der typische Kanon für diese Rechte sein und nicht derjenige für die klassischen, durch die Verträge geschützten Freiheiten: ein Kanon, der in seiner Intensität und seinen Anforderungen qualifiziert und verstärkt ist.

2.      Zum Eingriff in die durch die Art. 7, 8 und 12 der Charta garantierten Grundrechte

a)      Vereinigungsfreiheit

117. Mit Art. 12 der Charta wird jeder Person „das Recht, sich insbesondere im politischen, gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich auf allen Ebenen … frei mit anderen zusammenzuschließen“, zuerkannt.

118. Neben ihrer rein individuellen Ausrichtung hat diese Freiheit auch eine objektive Dimension, die sie zu einer der Säulen pluralistischer Gesellschaften macht, da ihre Ausübung die Gründung von Organisationen ermöglicht, die in einem demokratischen System essentiell sind. Zu diesen Organisationen gehören selbstverständlich die politischen Parteien, aber auch solche, die die Bildung und den Ausdruck des kulturellen, religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Pluralismus der Gesellschaft fördern.

119. Die vom Gesetz Nr. LXXVI von 2017 betroffenen Organisationen („Organisationen der Zivilgesellschaft“) gehören zur zweiten Gruppe, so dass politische Parteien und Gewerkschaften außen vor bleiben, da ihre Besonderheiten keinen Vergleich mit Ersteren zulassen(50).

120. Das erwähnte Gesetz wirkt sich, auch wenn es weder die Bildung dieser Organisationen verhindert noch deren Befugnisse zur Selbstorganisation beschränkt, negativ auf ihre Finanzierungsmöglichkeiten aus; dies bedeutet, dass es ihre wirtschaftliche Funktionsfähigkeit und Überlebensfähigkeit gefährdet, was wiederum die Erreichung ihrer korporativen Zwecke beeinträchtigt(51).

121. Die Publizitätsanforderungen für aus dem Ausland stammende Zuwendungen können eine psychologisch abschreckende Wirkung auf potenzielle Zuwender entfalten, mit der Folge einer entsprechenden Verringerung ihrer Zuwendungen an die Vereinigungen. Auch wenn diese Wirkung noch so gering sein mag, kann sie für die Finanzen der Organisationen der Zivilgesellschaft, deren Fortbestand von den Beiträgen ihrer Mitglieder und mit ihnen sympathisierender Personen abhängt, erheblich sein (einige dieser Organisationen erheben sogar den Verzicht auf jede öffentliche Finanzierung zur Grundsatzfrage, um ihre Unabhängigkeit zu wahren).

122. Insbesondere Zuwendungen aus dem Ausland stellen, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Relevanz, für die im Ausland ansässigen Zuwender die unmittelbarste, wenn nicht die einzige Art dar, an der Tätigkeit der Vereinigungen mitzuwirken, die sie mit ihrer Finanzierung unterhalten. Werden finanzielle Beiträge dieser Personen erschwert, bedeutet dies, dass sie de facto an der Ausübung der Vereinigungsfreiheit schlechthin gehindert werden: Durch die finanzielle Unterstützung der Vereinigung schließen sich diese Personen mit anderen zur gemeinsamen Verfolgung bestimmter Ziele zusammen, was letztlich gerade Gegenstand der Vereinigungsfreiheit ist.

123. Die Kommission erwähnt die stigmatisierende Wirkung, die von der Verpflichtung ausgeht, dass sich Vereinigungen, die Zuwendungen aus dem Ausland erhalten, als „aus dem Ausland unterstützte Organisation“ ausweisen müssen(52). Und ebendiese Wirkung wird erreicht, wenn das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 in seiner Präambel die möglichen mit diesen Zuwendungen verbundenen negativen Wirkungen, die die politischen und wirtschaftlichen Interessen des Landes gefährden könnten, drastisch hervorhebt(53). Auf diese Weise wird jedenfalls der Schatten eines Generalverdachts auf die Zuwender geworfen, der ausreicht, um einige oder sogar viele von ihnen davon abzuhalten, zur Finanzierung von Organisationen der Zivilgesellschaft beizutragen.

124. Außerdem ist zu unterstreichen, dass, wie die ungarische Regierung während der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, die Unionsbürger ein gesteigertes Interesse an der Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben aller Mitgliedstaaten haben und folglich daran, das Ideal einer „immer engeren Union“ zu verwirklichen. Ihr aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen (das vom Erfordernis der Staatsangehörigkeit des Wohnsitzstaats abgekoppelt ist) und bei den Wahlen zum Europäischen Parlament in jedem ihrer nationalen Wahlkreise stellen das institutionelle Korollarium eines gemeinsamen Interesses am öffentlichen Leben in sämtlichen Mitgliedstaaten dar. Die Freiheit, sich zusammenzuschließen und sich so an der öffentlichen Debatte ihrer jeweiligen Gesellschaft zu beteiligen, beschränkt sich häufig auf die Möglichkeit, in jedem dieser Staaten zur Finanzierung von Vereinigungen ihrer Präferenz beizutragen. Umso mehr ist dies ein Grund dafür, dass dieser Weg der kollektiven Teilnahme an bürgerrechtlichen Angelegenheiten weder beschränkt noch beeinträchtigt werden darf.

125. Das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 sieht außerdem die Möglichkeit einer zwangsweisen Auflösung von Vereinigungen und Stiftungen vor, die die Melde- und Publizitätspflichten für die erhaltenen Zuwendungen nicht einhalten, was den höchsten Grad eines Eingriffs in das Leben dieser Vereinigungen darstellt(54). Auch wenn ihre Anwendung stufenweise vorgesehen ist und von einer richterlichen Entscheidung abhängt, handelt es sich gleichwohl um einen Eingriff in die durch Art. 12 der Charta garantierte Freiheit.

b)      Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz der personenbezogenen Daten

126. Das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 verpflichtet die betroffenen Organisationen, dem Registergericht den Betrag der aus dem Ausland stammenden Zuwendung sowie den Namen, die Stadt und das Land des Zuwenders, sei es eine natürliche oder eine juristische Person, zu übermitteln(55). Das Register, in das diese Daten eingetragen werden, ist frei zugänglich.

127. Das Recht auf Achtung des Privatlebens im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten erstreckt sich auf jede Information, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betrifft(56).

128. Die Verordnung (EU) 2016/679(57) bestimmt in ihrem Art. 4 Nr. 1, dass als „identifizierbare natürliche Person … eine natürliche Person angesehen [wird], die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann“.

129. Demnach genügt schon allein der Name zur Identifizierung, weshalb das Argument der ungarischen Regierung, die bloße Meldung des Namens, der Stadt und des Wohnsitzstaats des Zuwenders reichten nicht aus, um ihn zu identifizieren, zurückzuweisen ist.

130. Die ungarische Regierung macht geltend, es handle sich dabei nicht um personenbezogene Daten (so dass sie nicht in den Anwendungsbereich von Art. 8 der Charta fielen), wobei sie sich auf zwei Urteile des Gerichtshofs beruft:

–        das Urteil vom 6. November 2003, Lindqvist(58), dem sie entnimmt, dass eine Person allein anhand des Namens nicht identifiziert werden könne, sondern dass hierfür andere, zusätzliche Daten vonnöten seien wie die Telefonnummer oder Informationen über ihr Arbeitsverhältnis oder ihre Freizeitbeschäftigungen(59);

–        das Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert(60), aus dem sie schließt, dass mangels einer Angabe über die Adresse des Zuwenders dessen Name, Stadt und Land nicht ausreichten, um ihn zu identifizieren(61).

131. Meines Erachtens sprechen diese beiden Entscheidungen des Gerichtshofs eher gegen den Ansatz der ungarischen Regierung. Im Urteil Lindqvist heißt es, dass der Ausdruck „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“ „eindeutig die Nennung des Namens einer Person in Verbindung mit deren Telefonnummern oder mit Informationen über ihr Arbeitsverhältnis oder ihre Freizeitbeschäftigungen [erfasst]“(62).

132. Die Verpflichtung nach dem Gesetz Nr. LXXVI von 2017 hat zur Folge, dass der Name des Zuwenders (der, wie gesagt, schon für sich genommen genügt, um ihn zu identifizieren(63)), untrennbar mit der Angabe über eine Zuwendung zugunsten einer bestimmten Vereinigung verbunden wird. Diese Verbindung zeigt schon allein eine Affinität zu dieser Vereinigung, die im weitesten Sinne zur Bestimmung des ideologischen Profils des Zuwenders beitragen kann(64).

133. Im Urteil Volker und Markus Schecke und Eifert hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die auf einer Website erfolgende Veröffentlichung der Namen und Wohnsitzgemeinden der Empfänger bestimmter öffentlicher Beihilfen sowie ihrer Beträge „einen Eingriff in ihr Privatleben im Sinne des Art. 7 der Charta dar[stellt]“(65). Was für Beihilfen, die eine Person erhält, gilt, muss meines Erachtens auch für die Unterstützung gelten, mit der sie zum Fortbestand einer Vereinigung beiträgt.

134. Folglich stellt die Veröffentlichung sowohl des Namens der natürlichen Personen, die aus dem Ausland verschiedene in Ungarn ansässige Vereinigungen mit Zuwendungen unterstützen, als auch des Betrags dieser Zuwendungen einen Eingriff in das Privatleben dieser Personen durch die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten dar.

135. Außerdem können, soweit die veröffentlichten Daten (Name und Zuwendung), wie soeben erläutert, die Erstellung eines ideologischen Profils der Zuwender erlauben, diese umgestimmt oder ihnen zumindest der Anreiz genommen werden, zum Fortbestand der Organisation der Zivilgesellschaft beizutragen, mit der sie im Rahmen der Vereinigungsfreiheit zusammenarbeiten möchten.

136. Die Veröffentlichung dieser Daten greift nicht nur in die mit den Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte ein, sondern auch in die Vereinigungsfreiheit, denn ihre abschreckende Wirkung kann sich auf die finanzielle Situation der Organisationen der Zivilgesellschaft auswirken und damit auf ihre Befähigung, ihre Tätigkeiten auszuüben(66).

3.      Zur Möglichkeit einer Rechtfertigung der in Rede stehenden Eingriffe

137. Gibt es für die soeben geprüften Eingriffe womöglich eine Rechtfertigung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta? Nach dieser Vorschrift muss „jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten … gesetzlich vorgesehen sein und ihren Wesensgehalt achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.“

138. Die streitgegenständlichen Maßnahmen erfüllen zweifelsfrei die Voraussetzung, gesetzlich vorgesehen zu sein. Außerdem gehe ich davon aus, dass sie sich nicht gegen den Wesensgehalt der betroffenen Rechte richten, auch wenn sie ihn durchaus beeinträchtigen.

139. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Eingriffe unerlässlich sind, um ein legitimes Gemeinwohlinteresse zu erfüllen, und ob dies in verhältnismäßiger Weise geschieht, ohne dass es weniger restriktive Maßnahmen und Lösungen gibt.

i)      Zur Erforderlichkeit und Wirksamkeit der in Rede stehenden Maßnahmen

140. Die ungarische Regierung macht geltend, die Transparenz der Finanzierung von Vereinigungen, die Unterstützung aus dem Ausland erhielten, sei ein Motiv, das im öffentlichen Interesse liege. Dieses Interesse sei eng mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung sowie der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verbunden.

141. Die Kommission führt aus, diese Ziele entsprächen grundsätzlich Zwecken, die einen Eingriff in die betroffenen Rechte rechtfertigen könnten. Ich teile diese Auffassung, die auch mit der Rechtsprechung des EGMR im Einklang steht(67).

142. Ferner ist einzuräumen, dass die Mitgliedstaaten über einen gewissen Spielraum verfügen, um festzulegen, welche Ziele des Gemeinwohls sie fördern wollen(68).

143. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Geltendmachung der öffentlichen Ordnung als Rechtfertigungsgrund für eine Einschränkung der Freiheiten der Verträge ist aber auch auf Beschränkungen der Grundrechte anwendbar. Deshalb sind „die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit … eng auszulegen, so dass ihre Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Europäischen Union bestimmt werden kann“, und „eine Berufung auf die öffentliche Sicherheit [ist] nur möglich, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“(69).

144. Ausgehend von dieser Prämisse könnte die Ordre-public-Klausel Maßnahmen rechtfertigen, die Vereinigungen und Stiftungen auferlegt werden können, die unter dem Verdacht stehen, die öffentliche Ordnung zu verletzen (d. h., die sie in tatsächlicher Weise schwer bedrohen), aber keine allgemeine Regelung, die ex ante allen Vereinigungen unabhängig von ihrem Zweck und ihrer Tätigkeit Publizitätspflichten hinsichtlich ihrer aus dem Ausland stammenden Zuwendungen auferlegt(70).

145. Was die Bekämpfung der Geldwäsche und insbesondere der Terrorismusfinanzierung betrifft, stimme ich der ungarischen Regierung zu, dass diese Ziele Maßnahmen zur Transparenz und Kontrolle der Finanzierung jeder Person rechtfertigen können, gleichgültig, ob es sich um eine natürliche oder eine juristische Person handelt(71). Konkret erscheint auch die Verpflichtung der in einem Mitgliedstaat ansässigen juristischen Personen, den Behörden objektiv verdächtige Finanzierungsquellen zu melden, grundsätzlich zur Verhinderung und Verfolgung von Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer Aktivitäten geeignet(72).

146. Ich glaube nicht, dass man all dies vernünftigerweise bezweifeln kann. Allerdings war die ungarische Regierung in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, hinreichend zu erläutern, warum die gemeinsamen Rechtsvorschriften im Bereich der Geldwäsche nicht ausreichen sollen(73).

147. Selbst wenn die Verbindung zwischen den in Rede stehenden Maßnahmen und der Bekämpfung der Geldwäsche erwiesen wäre (quod non), wäre die allgemeine und undifferenzierte Verpflichtung zur Veröffentlichung dieser Informationen, noch bevor sie den Behörden, die zu prüfen haben, ob Indizien für eine Geldwäsche vorliegen, zur Prüfung vorgelegt wurden, meines Erachtens nicht gerechtfertigt, weil dieser Eingriff über das zwingend erforderliche Maß hinausgeht.

148. Unter diesen Prämissen ist zu klären, ob die Maßnahmen des ungarischen Gesetzgebers einem anderen der vorgetragenen Ziele entsprechen, nämlich der Transparenz bei der Finanzierung von Organisationen der Zivilgesellschaft. Wie ich nachfolgend darlegen werde, ist dies meines Erachtens zu verneinen.

149. Bei diesen Maßnahmen bedürfen drei Faktoren der Aufmerksamkeit:

–        Erstens verpflichten sie nicht alle in Ungarn ansässigen Vereinigungen und Stiftungen. Sie betreffen keine Handelsgesellschaften, obwohl einigen von diesen (beispielsweise Gesellschaften, die Kommunikationsmedien betreiben) ebenfalls „eine entscheidende Rolle bei der öffentlichen Meinungsbildung zu[kommt]“(74).

–        Zweitens wird nicht nachgewiesen, dass die eingeholten Informationen tatsächlich zur Erreichung der Ziele dienen, die sie rechtfertigen sollen.

–        Drittens haben die Maßnahmen, abgesehen davon, dass sie im Hinblick auf den Kreis der zur Auskunft verpflichteten Organisationen und deren Funktionsfähigkeit nicht ausreichen, unverhältnismäßige Konsequenzen.

150. Das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 nimmt Organisationen aus, die im Inland finanziert werden, und ist ausschließlich auf die anwendbar, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten. Von Letzteren sind außerdem diejenigen ausgenommen, die „nicht als Organisationen der Zivilgesellschaft angesehen werden“(75), daneben Sportvereine, Vereinigungen, die eine religiöse Tätigkeit ausüben, und solche, die mit nationalen Minderheiten in Verbindung stehen.

151. Ich pflichte der Kommission bei, dass nicht ersichtlich ist, weshalb sich das Gesetz auf aus dem Ausland stammende Beiträge beschränkt, es sei denn, es beruht auf einer allgemeinen, gegen Personen mit Sitz im Ausland oder in anderen Mitgliedstaaten gerichteten Vermutung (in Wirklichkeit einem Generalverdacht) des Betrugs, was aber mit dem Unionsrecht unvereinbar wäre(76).

152. Das von der ungarischen Regierung angeführte Argument, dass es schwieriger sei, aus dem Ausland stammende Unterstützungen zu kontrollieren, verträgt sich schlecht mit der gleichfalls von der Kommission vorgetragenen Tatsache, dass der frühere Rechtsrahmen die Vereinigungen bereits verpflichtete, detaillierte Informationen über ihre Finanzierungsquellen anzugeben, einschließlich solcher aus dem Ausland(77). Dieses Problem hätte jedenfalls durch weniger einschränkende Maßnahmen behoben werden können, wie noch auszuführen sein wird.

153. Wenn es wirklich darum geht, die Finanzierung aus dem Ausland zu kontrollieren, erscheint es nicht allzu schlüssig, Sportvereine, eine religiöse Tätigkeit ausübende und mit nationalen Minderheiten verbundene Vereinigungen auszunehmen; jede von ihnen könnte ebenfalls „dazu geeignet sein, dass ausländische Interessengruppen über den sozialen Einfluss dieser Organisationen eigene Interessen statt gemeinsinnorientierter Ziele im gesellschaftlichen und politischen Leben Ungarns verfolgen können“, wie es in der Präambel des Gesetzes Nr. LXXVI von 2017 heißt.

154. Kein Merkmal dieser befreiten Vereinigungen knüpft an Besonderheiten ihrer Finanzierung an, aufgrund deren sie vor den Gefahren gefeit wären, die den unter die Maßnahmen fallenden Vereinigungen wegen des Erhalts finanzieller Mittel aus dem Ausland drohen(78).

155. Überdies hat die Kommission ernsthafte Zweifel an der Nützlichkeit der gesammelten Informationen: Nichts deutet darauf hin, dass sie den für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung Verantwortlichen zur Verfügung gestellt werden(79). Ich kann diesen Zweifeln, die die ungarische Regierung in der mündlichen Verhandlung nicht zu zerstreuen vermochte, nur beipflichten.

156. Unter diesen Umständen ist es wenig schlüssig, die geschaffene gesetzliche Regelung mit der Transparenz von Vereinigungen zu begründen. Und vor allem rechtfertigt sie nicht, dass die personenbezogenen Daten von Personen, die mit ihren Zuwendungen zur Finanzierung der jeweiligen Organisation beitragen, veröffentlicht werden.

157. Abgesehen davon, dass die in Rede stehenden Maßnahmen nicht ausreichen und von zweifelhafter Wirksamkeit sind, sind sie auch unverhältnismäßig.

ii)    Zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen

158. Ich halte es erstens für unverhältnismäßig, dass der Schwellenwert für die Meldepflicht aus dem Ausland bezogener Unterstützungen auf 500 000 HUF festgesetzt worden ist. Es handelt sich dabei um eine zu niedrige Schwelle für eine Verpflichtung, die aus den dargestellten Gründen die Ausübung der Vereinigungsfreiheit und die Rechte auf Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten schwer beeinträchtigt, zumal die erteilten Informationen veröffentlicht werden müssen.

159. Unverhältnismäßig ist zweitens die Gleichbehandlung aller ausländischen Beiträge einschließlich derjenigen, die aus den übrigen Mitgliedstaaten stammen, während, wie oben ausgeführt(80), die Unionsbürger ein Interesse daran haben können, am öffentlichen Leben jedes Mitgliedstaats teilzunehmen.

160. Drittens ist auch die Verpflichtung, die Eigenschaft als „aus dem Ausland unterstützte Organisation“ auf der Website und in den Veröffentlichungen anzugeben, meines Erachtens überzogen. Nicht so sehr wegen der materiellen Bürde, die die Angabe dieser Information bedeutet, sondern aufgrund der stigmatisierenden Wirkung, die, wie ich bereits ausgeführt habe, mit ihr einhergeht.

161. Viertens glaube ich, dass es unverhältnismäßig ist, dass die Verletzung der streitgegenständlichen Verpflichtungen letzten Endes zur Auflösung einer gegen sie verstoßenden Vereinigung führen kann. Es handelt sich zwar um eine extreme Maßnahme, die nach den Angaben der ungarischen Regierung der Schlusspunkt einer etappenweisen Antwort auf den Gesetzesverstoß ist(81). Diese Etappen bestehen in einem ersten Verstoß (auf den eine Aufforderung der Staatsanwaltschaft folgt), der etwaigen Nichtbefolgung dieser Aufforderung (mit der möglichen Auferlegung einer Geldbuße) und der Missachtung einer erneuten Aufforderung, die die Tür zu weiteren Sanktionen einschließlich der Auflösung öffnet.

162. Die ungarische Regierung trägt vor, die bewusste Missachtung der sukzessiven Aufforderungen sei nicht nur ein „geringfügiger administrativer Verstoß“ und rechtfertige daher die Auflösung(82). Meines Erachtens setzt jedoch eine derart drastische Sanktion erheblich mehr voraus als eine – selbst mehrfache – Weigerung, Informationen wie diejenigen zu übermitteln, die das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 fordert(83).

iii) Zur Möglichkeit verhältnismäßigerer beschränkender Maßnahmen

163. Art und Umfang der in Rede stehenden Maßnahmen bieten wenig Spielraum für gleichartige Alternativen, d. h. für Maßnahmen, die sich auf die öffentlich zu machenden Informationen konzentrieren.

164. Solche Alternativen würden einen anderen Ansatz bei der Verfolgung der Ziele des Gesetzes Nr. LXXVI von 2017 voraussetzen. Man müsste eher auf eine rigorose und detaillierte Beurteilung der Gefahr einer Instrumentalisierung der Vereinigungen abstellen, die es erlauben würde, diejenigen von ihnen zu ermitteln, die sich in einer diese Ziele gefährdenden Lage befinden(84).

165. Wenn es darum geht, die Quellen unrechtmäßiger Finanzierung zu kontrollieren, weist die Kommission beispielsweise auf den Einsatz von Benachrichtigungs- und Überwachungspflichten bei verdächtigen Transaktionen aus Ländern mit hohem Risiko hin. Ich sehe darin den Bereich, in dem die besten Resultate eines wirksamen Tätigwerdens der öffentlichen Gewalt zu erwarten sind.

166. Die Forderung, die Namen natürlicher Personen zu registrieren und zu veröffentlichen, die Zuwendungen an Vereinigungen ihrer Wahl leisten, scheint mir demgegenüber nicht durch eine alternative Maßnahme ersetzbar zu sein, da sie radikal in die von der Charta garantierte Privatsphäre eingreift.

167. Hinsichtlich der Verpflichtung, dass die Vereinigungen auf ihrer Website und in ihren Publikationen über ihre Eigenschaft als aus dem Ausland unterstützte Vereinigungen informieren müssen, gehe ich davon aus, dass sie gleichfalls unangebracht ist, da sie ein Hindernis für die Ausübung der Vereinigungsfreiheit darstellen kann(85).

168. Schließlich würde eine Ausnahme zugunsten der Mitgliedstaaten in Form einer Beschränkung der Regelung auf Drittstaaten zwar den Eingriff in das Recht der Unionsbürger, mittels Vereinigungen am öffentlichen Leben in allen Mitgliedstaaten teilzunehmen, verringern. Jedoch würde diese geografische Beschränkung den stigmatisierenden Beigeschmack nicht vollständig beseitigen, so dass die betroffenen Vereinigungen nach wie vor beeinträchtigt würden.

169. Soweit die Registrierungs- und Publizitätspflichten als solche nicht durch andere gleicher Art ersetzbar sind, ist die geschaffene Sanktionsregelung mit der Charta unvereinbar. Folglich würde auch die Streichung der Sanktion der Auflösung nicht genügen, um eine Regelung zu heilen, die, weil sie es erlaubt, Verstöße gegen mit der Charta unvereinbare Bedingungen zu ahnden, als solche nicht heilbar ist.

170. Schließlich bin ich der Ansicht, dass das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 den durch Art. 63 AEUV garantierten freien Kapitalverkehr in unrechtmäßiger Weise beschränkt, da es Vorschriften enthält, die einen ungerechtfertigten Eingriff in die durch die Art. 7, 8 und 12 der Charta geschützten Grundrechte darstellen.

V.      Kosten

171. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Beide Voraussetzungen sind bei dieser Klage gegeben.

VI.    Ergebnis

172. Aus den dargestellten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, der Klage der Kommission stattzugeben und

–        festzustellen, dass Ungarn gegen die Art. 7, 8 und 12 der Charta verstoßen und damit seine Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV verletzt hat, da mit dem A külföldről támogatott szervezetek átláthatóságáról szóló 2017. évi LXXVI. törvény (Gesetz Nr. LXXVI von 2017 über die Transparenz von aus dem Ausland unterstützten Organisationen) ungerechtfertigte Beschränkungen für aus dem Ausland stammende Zuwendungen, die bestimmten in Ungarn ansässigen Vereinigungen und Stiftungen zufließen, geschaffen werden;

–        Ungarn die Kosten aufzuerlegen.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      A külföldről támogatott szervezetek átláthatóságáról szóló 2017. évi LXXVI. törvény (Gesetz Nr. LXXVI von 2017 über die Transparenz von aus dem Ausland unterstützten Organisationen, im Folgenden: Gesetz Nr. LXXVI von 2017).


3      7,2 Mio. ungarische Forint (HUF) (ca. 24 000 Euro).


4      Diese Daten betreffen die Identität der aus dem Ausland unterstützten Organisation, die Identität des Zuwenders sowie die Höhe der Unterstützung unter Berücksichtigung der Schwellenwerte, die in Abs. 3 derselben Vorschrift festgelegt sind, einschließlich der Angabe, ob es sich um Zuwendungen in Geld oder in sonstigen Vermögenswerten handelt.


5      Ca. 1 500 Euro.


6      In dieser Vorschrift heißt es: „Ergibt sich aus dem Änderungsantrag, dass die Organisation bzw. bei einer Stiftung der oder die Stifter ihn nicht innerhalb der dafür geltenden Frist gestellt haben, kann das Gericht ein Bußgeld zwischen 10 000 und 900 000 HUF gegen die Organisation, gegen den Stifter oder, falls mehrere Stifter vorhanden sind, gegen alle Stifter gemeinsam verhängen.“


7      Gemäß Art. 3 des Gesetzes über die Organisationen der Zivilgesellschaft darf die Ausübung des Rechts, Vereinigungen zu bilden, nicht gegen Art. C Abs. 2 des Grundgesetzes verstoßen und darf keinen Gesetzesverstoß bzw. keinen Anreiz zur Begehung eines solchen Verstoßes darstellen oder zur Verletzung von Rechten und Freiheiten anderer Personen führen. Nach dieser Vorschrift schützt das Recht, Vereinigungen zu bilden, weder die Gründung bewaffneter Organisationen noch solcher, deren Zweck in der Durchführung einer öffentlichen Aufgabe besteht, die von Gesetzes wegen in den Zuständigkeitsbereich einer staatlichen Einrichtung fällt.


8      Im Rahmen der in diesem Gesetz festgelegten „Allgemeinen Regeln für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit“ sieht dessen § 71/G vor, dass das zuständige Gericht je nach den Umständen folgende Maßnahmen ergreifen kann: a) ein Bußgeld zwischen 10 000 und 900 000 HUF gegen die Organisation oder gegen ihren Vertreter verhängen; b) die rechtswidrige Entscheidung der Organisation aufheben und, falls erforderlich, unter Angabe einer angemessenen Frist den Erlass einer neuen Entscheidung anordnen; c) wenn die gesetzmäßige Arbeitsweise der Organisation durch Einberufung ihres höchsten Organs voraussichtlich wiederhergestellt werden kann, das Beschlussfassungsorgan der Organisation einberufen oder die Durchführung dieser Aufgabe auf Kosten der Organisation einer geeigneten Person oder Organisation übertragen; d) für höchstens 90 Tage einen Überwachungsbeauftragten ernennen, wenn die Wiederherstellung der gesetzmäßigen Arbeitsweise der Organisation nicht in anderer Weise wiederhergestellt werden kann und dies angesichts der Arbeitsweise der Organisation oder eines anderen Umstands und des zu erwartenden Ergebnisses in besonderer Weise gerechtfertigt ist; e) die Organisation auflösen.


9      Die ungarische Regierung weist dieses Argument in ihrer Gegenerwiderung zurück, indem sie vorträgt, mit ihm werde der Sinn und Zweck des Vorverfahrens verkannt, der darin bestehe, dem Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, der Verpflichtung, zu der er angehalten werde, nachzukommen oder seine Verteidigungsmittel dagegen vorzutragen.


10      Urteil vom 2. Februar 1988, Kommission/Belgien (293/85, EU:C:1988:40, im Folgenden: Urteil Kommission/Belgien, Rn. 13).


11      Ebd., Rn. 14.


12      Nrn. 9 und 18 der Klagebeantwortung der ungarischen Regierung.


13      So kam der Gerichtshof im Urteil vom 31. Januar 1984, Kommission/Irland (74/82, EU:C:1984:34, Rn. 12 und 13), zu dem Ergebnis, dass es, selbst wenn es „unsinnig [ist], einem Mitgliedstaat fünf Tage Zeit zu lassen, um Rechtsvorschriften zu ändern, die seit mehr als 40 Jahren in Kraft sind und hinsichtlich deren die Kommission außerdem seit dem Beitritt dieses Mitgliedstaats zur Gemeinschaft bisher keinen Anlass zum Eingreifen gesehen hat“, wobei keine besondere Dringlichkeit vorlag, nicht genügte, um die Klage als unzulässig abzuweisen (Hervorhebung nur hier).


14      Urteil vom 13. Dezember 2001, Kommission/Frankreich (C‑1/00, EU:C:2001:687, Rn. 65).


15      Urteil Kommission/Belgien, Rn. 14.


16      Nr. 16 der Erwiderung der Kommission.


17      Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Deutschland (C‑490/04, EU:C:2007:430, Rn. 26).


18      Das Aufforderungsschreiben vom 14. Juli 2017 wurde von der ungarischen Regierung mit zwei Schreiben vom 14. August und 7. September 2017 beantwortet. Die Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme vom 5. Oktober 2017 wurde am 5. Dezember 2017 übersandt.


19      Urteil vom 19. September 2017, Kommission/Irland (Zulassungssteuer) (C‑552/15, EU:C:2017:698, Rn. 34).


20      Nr. 25 der Klagebeantwortung der ungarischen Regierung.


21      Nr. 11 der Erwiderung der Kommission.


22      Nr. 90 der Klageschrift.


23      Siehe unten, Nrn. 93 bis 113.


24      Rechtssache C‑235/17 (EU:C:2018:971), im Folgenden: Schlussanträge Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen).


25      Schlussanträge Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen), Nr. 64.


26      Ebd., Nr. 66.


27      Ebd., Nr. 76; Hervorhebung im Original. Er hatte dies bereits in seinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2017:410, Nr. 121) aus der im Urteil vom 18. Juni 1991, ERT (C‑260/89, EU:C:1991:254), begründeten Rechtsprechung gefolgert.


28      Urteil vom 6. März 2018 (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, im Folgenden: Urteil SEGRO und Horváth, Rn. 127 und 128).


29      Schlussanträge Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen), Nr. 117; Hervorhebung im Original. In jedem Fall, fuhr Generalanwalt Saugmandsgaard Øe fort, beruhten „die Prüfungen, die vorzunehmen sind, um sowohl einen Eingriff in die in Art. 63 AEUV und Art. 17 der Charta garantierten Rechte als auch die Unmöglichkeit einer Rechtfertigung dieses Eingriffs zu belegen, … auf denselben Umständen, die zu einem im Wesentlichen identischen Ergebnis führen“ (ebd., Nr. 120, Hervorhebung im Original). Auf diese Weise würde „[eine gesonderte] Prüfung der streitigen Regelung in Bezug auf Art. 17 der Charta zusätzlich zu der zuvor vorgenommenen Prüfung in Bezug auf Art. 63 AEUV“ eine „Künstlichkeit“ darstellen (ebd., Nr. 121).


30      Rechtssache Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen) (C‑235/17, EU:C:2019:432, im Folgenden: Urteil Kommission/Ungarn [Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen]).


31      Urteil Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen), Rn. 58. Die Beschränkung ergab sich daraus, dass den Betroffenen sowohl die Möglichkeit genommen wurde, ihr Nießbrauchsrecht weiterhin auszuüben, als auch die Möglichkeit, es zu veräußern.


32      Ebd., Rn. 59 und 60.


33      Ebd., Rn. 66.


34      Ebd., Rn. 86.


35      Ebd., Rn. 90 bis 101.


36      Ebd., Rn. 102 bis 109.


37      Ebd., Rn. 110 bis 122.


38      Ebd., Rn. 123 bis 129.


39      Ich nehme Bezug auf das in Fn. 28 dieser Schlussanträge wiedergegebene Zitat. Tatsächlich entsprechen sowohl die jeweiligen Verstöße als auch deren mögliche Rechtfertigung einer im Wesentlichen gleich gearteten Prüfung. Der Sache nach hat der Gerichtshof im Urteil Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen), Rn. 124, bestätigt, dass Gründe des öffentlichen Interesses, die den Verstoß gegen Art. 17 der Charta rechtfertigen könnten, nicht bestehen, und zwar unter Verweis auf die Gründe, aus denen er zuvor das Bestehen einer Rechtfertigung im Hinblick auf den Verstoß gegen Art. 63 AEUV ausgeschlossen hatte.


40      Wenn ein Mitgliedstaat sich auf die Verträge beruft, „um eine Regelung zu rechtfertigen, die geeignet ist, die Ausübung [einer Grundfreiheit] zu behindern, ist diese im [Unions]recht vorgesehene Rechtfertigung im Lichte der allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere der Grundrechte auszulegen“, so dass die „vorgesehenen Ausnahmen … für die betreffende nationale Regelung nur dann gelten [können], wenn sie im Einklang mit den Grundrechten steht, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat“ (Urteil vom 18. Juni 1991, ERT, C‑260/89, EU:C:1991:254, Rn. 43).


41      Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 19).


42      Urteil Åkerberg Fransson, Rn. 19.


43      Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit kann unter dem Gesichtspunkt der Grundrechte schwerlich neutral sein. Beispielsweise wird durch eine selektive Beschränkung das Recht, nicht diskriminiert zu werden, unabwendbar beeinträchtigt, ebenso wie generell alle Rechte, deren Ausübung das Kapital, dessen Verkehr beschränkt wird, ermöglicht. Neben dieser strukturellen oder grundsätzlichen Betroffenheit der Kapitalverkehrsfreiheit gibt es noch die für speziell instrumentalisierte Rechtsbeschränkungen charakteristische Betroffenheit, bei dem die Beeinträchtigung keinen bloßen Kollateralschaden darstellt, sondern die direkte Konsequenz.


44      Richtlinie des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages [der Artikel ist durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben worden] (ABl. 1988, L 178, S. 5).


45      Da es in den Verträgen keine Definition des Begriffs „Kapitalverkehr“ gab, hat der Gerichtshof der Nomenklatur im Anhang der Richtlinie 88/361 Hinweischarakter zuerkannt, wobei ausweislich seiner Einleitung die dort enthaltene Liste keine erschöpfende Aufzählung darstellt. Vgl. Urteil vom 27. Januar 2009, Persche (C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 24). In der Rubrik XI dieses Anhangs sind unter der Überschrift „Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“ unter Buchst. B „Schenkungen und Stiftungen“ aufgeführt.


46      Die ungarische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung Art. 65 AEUV angesprochen, dabei aber außer Acht gelassen, dass es nach dessen Abs. 1 Buchst. b zulässig ist, „Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen“, nicht aber zu Publizitätszwecken im Sinne der hier in Rede stehenden Regelung.


47      Urteil vom 11. September 2008, Petersen (C‑228/07, EU:C:2008:494, Rn. 54 und 55).


48      Urteil vom 19. Dezember 2012, Kommission/Belgien (C‑577/10, EU:C:2012:814, Rn. 35).


49      Siehe oben, Nr. 113.


50      Politische Parteien wirken bei der Bildung und dem Ausdruck des Willens des Volkes mit, und zwar als Medien für eine staatliche Willensbildung. Ohne Staatsorgane zu sein, tragen sie zur Auswahl der Träger öffentlicher Gewalt bei und sind in diesem Sinne außerordentlich relevant für die Stabilität des Staates selbst. Dieser Charakter rechtfertigt es, dass einige Verfassungssysteme Bedingungen und Garantien festlegen, die für andere Vereinigungen nicht gelten (und auch nicht gerechtfertigt wären). Letztere nehmen zwar am öffentlichen Leben teil, versuchen aber weniger, Macht zu übernehmen, als ihre Tätigkeit unter dem Schutz der öffentlichen Gewalt frei zu entfalten bzw. allenfalls Einfluss auf die Ausübung öffentlicher Gewalt zu nehmen. Deshalb beschäftigt sich Art. 12 der Charta gesondert mit den Vereinigungen „im politischen, gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich“. Wie es in der Präambel des Gesetzes Nr. LXXVI von 2017 heißt, tragen die Organisationen der Zivilgesellschaft „zur demokratischen Kontrolle und öffentlichen Debatte über öffentliche Angelegenheiten bei“, haben jedoch nicht den Zweck, Macht zu übernehmen. Dasselbe gilt für die Gewerkschaften, deren Tätigwerden im Bereich arbeitsrechtlicher Rechtsverhältnisse eine Sonderregelung für sie erfordert.


51      Wie der EGMR ausgeführt hat, kann die Auswirkung bestimmter Maßnahmen der öffentlichen Gewalt auf die Finanzkraft, die Vereinigungen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zur Verfügung steht, einen Eingriff in die Ausübung der durch Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierten Vereinigungsfreiheit bedeuten. Vgl. EGMR, Urteil vom 7. Juni 2007, Parti Nationaliste Basque – Organisation Régionale d’Iparralde gegen Frankreich (CE:ECHR:2007:0607JUD007125101, §§ 37 und 38).


52      Hiervon geht auch die Venedig-Kommission in ihrem Gutachten über das Gesetzesvorhaben (Gutachten Nr. 889/2017 vom 20. Juni 2017 über das Gesetzesvorhaben über die Transparenz von aus dem Ausland unterstützten Organisationen [CDL‑AD(2017)015], im Folgenden: Gutachten der Venedig-Kommission, Nrn. 54 bis 56) aus. Trotz des relativ neutral erscheinenden Charakters dieser Kennzeichnung warnt die Venedig-Kommission vor ihrem stigmatisierenden Charakter im ungarischen Kontext, der aufgrund klarer politischer Positionierungen gegen Vereinigungen, die aus dem Ausland finanziert werden, eine Sonderstellung einnimmt (ebd., Nr. 65).


53      „… Die den im Rahmen der Vereinigungsfreiheit gegründeten Organisationen aus unbekannten ausländischen Quellen zufließende Unterstützung kann dazu geeignet sein, dass ausländische Interessengruppen über den sozialen Einfluss dieser Organisationen eigene Interessen statt gemeinsinnorientierter Ziele im gesellschaftlichen und politischen Leben Ungarns verfolgen können, und … kann die politischen und wirtschaftlichen Interessen des Landes sowie das unbeeinflusste Funktionieren der gesetzmäßigen Einrichtungen gefährden.“


54      EGMR, Urteil vom 11. Oktober 2011, Verein Rhino u. a. gegen die Schweiz  (CE:ECHR:2011:1011JUD004884807, § 54).


55      Die ungarische Regierung trägt vor, die große Mehrheit der Zuwender seien juristische Personen, was jeden Eingriff in die Rechte natürlicher Personen ausschließe. Ich stimme mit der Kommission darin überein, dass abgesehen von der praktischen Realität die fragliche Verpflichtung keinen Unterschied zwischen juristischen und natürlichen Personen macht; Letztere werden eindeutig von ihr erfasst.


56      Gutachten 1/15 (PNR-Abkommen EU-Kanada) vom 26. Juli 2017, Rn. 122.


57      Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO, ABl. 2016, L 119, S. 1). Hervorhebung nur hier.


58      Rechtssache C‑101/01 (EU:C:2003:596), im Folgenden: Urteil Lindqvist.


59      Nr. 155 der Klagebeantwortung der ungarischen Regierung.


60      Rechtssachen C‑92/09 und C‑93/09 (EU:C:2010:662), im Folgenden: Urteil Volker und Markus Schecke und Eifert.


61      Nr. 154 der Klagebeantwortung der ungarischen Regierung.


62      Urteil Lindqvist, Rn. 24.


63      Der Name identifiziert eine Person per definitionem, auch wenn es, wie die ungarische Regierung in Nr. 156 ihrer Klagebeantwortung vorträgt, möglich ist, dass es in ein und derselben Stadt viele Personen mit dem gleichen Namen gibt.


64      Nach Art. 4 Nr. 4 der DSGVO bedeutet Profiling jede Art der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, dass diese Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, insbesondere um Aspekte bezüglich Arbeitsleistung, wirtschaftliche Lage, Gesundheit, persönliche Vorlieben, Interessen, Zuverlässigkeit, Verhalten, Aufenthaltsort oder Ortswechsel dieser natürlichen Person zu analysieren oder vorherzusagen.


65      Urteil Volker und Markus Schecke und Eifert, Rn. 58; dort wird das Urteil vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a. (C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294), angeführt, in dessen Rn. 74 es heißt, dass die Weitergabe „personenbezogener Daten über die an das Personal gezahlten Gehälter … eine Beeinträchtigung des Rechts der Betroffenen auf Achtung ihres Privatlebens und damit einen Eingriff im Sinne von Artikel 8 EMRK dar[stellt]“.


66      Siehe oben, Nrn. 140 und 141.


67      EGMR, Urteil vom 17. Februar 2004, Gorzelik u. a. gegen Polen (CE:ECHR:2004:0217JUD004415898, §§ 94 und 95).


68      Urteil vom 16. Juni 2011, Kommission/Österreich (C‑10/10, EU:C:2011:399, Rn. 32).


69      Urteil vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal (C‑171/08, EU:C:2010:412, Rn. 73).


70      Die ungarische Regierung hat sich auch auf den Schutz der öffentlichen Sicherheit im engeren Sinne berufen und insbesondere auf die Notwendigkeit, den Einfluss des organisierten Verbrechens auf einige humanitäre Organisationen auszuschalten, deren Ziele mit Interessen der internationalen Netzwerke des Menschenhandels zusammenfallen könnten (Nrn. 84 und 85 der Klagebeantwortung der ungarischen Regierung). Dieses Interesse könnte wiederum den Erlass spezifischer Maßnahmen gegen einzelne Organisationen rechtfertigen, nicht aber von Maßnahmen mit allgemeiner Geltung wie den hier in Rede stehenden Maßnahmen gegenüber sämtlichen Organisationen der Zivilgesellschaft.


71      Nach Ansicht der Kommission (Nrn. 62 bis 64 ihrer Klageschrift) hat Ungarn nicht nachgewiesen, dass insofern eine konkrete Gefahr bestehe. Aber selbst wenn dem so wäre, könnte man diese Gefahr als allen Mitgliedstaaten gemeinsam ansehen. Die Empfehlungen der Groupe d’Action Financière (GAFI) im Bereich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung identifizieren nicht gewinnorientierte Organisationen als mögliche Instrumente zur Begehung rechtswidriger Tätigkeiten (GAFI [20122017], Recommandations du GAFI – Normes internationales sur la lutte contre le blanchiment de capitaux et le financement du terrorisme et de la prolifération, Stand: November 2017 (im Folgenden: GAFI-Empfehlungen, Nr. 8). Davon zu unterscheiden ist, dass die Studien zu den Gefahren, die bekämpft werden sollen, möglicherweise nicht ausreichen, um die Notwendigkeit, Geeignetheit und Wirksamkeit einer Maßnahme des nationalen Gesetzgebers zu legitimieren.


72      Nicht zulässig ist es dagegen, jede Zuwendung aus einem Mitgliedstaat oder Drittstaat implizit als verdächtig einzuordnen.


73      Die Kommission verweist auf die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. 2015, L 141, S. 73) auf die Organisationen der Zivilgesellschaft zu erstrecken. Diese Regelung basiert auf einer laufenden, rigorosen Risikobewertung.


74      Anhand dieses Faktors definiert die Präambel des Gesetzes Nr. LXXVI die Organisationen der Zivilgesellschaft.


75      So § 1 Abs. 4 Buchst. a des Gesetzes Nr. LXXVI von 2017. Um zu erfahren, welche Organisationen „nicht als Organisationen der Zivilgesellschaft angesehen werden“, muss man, wie die ungarische Regierung in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, auf das Gesetz Nr. CLXXV von 2011 über das Vereinigungsrecht, die Gemeinnützigkeit sowie die Tätigkeit und die Finanzierung von Organisationen der Zivilgesellschaft zurückgreifen. Aus dessen § 2 Abs. 6 geht hervor, dass „nicht staatliche Organisationen“ die in Ungarn registrierten Vereinigungen mit Ausnahme von Parteien, Stiftungen sowie in mancher Hinsicht Versicherungen und Gewerkschaften sind. Die Definition erscheint mir nicht sonderlich hilfreich, um die unter das Gesetz Nr. LXXVI von 2017 fallenden Organisationen präzise abzugrenzen. Diese Unbestimmtheit des persönlichen Anwendungsbereichs ist mit der Objektivität, die von einer Regelung mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Ausübung verschiedener Grundrechte erwartet werden kann, nicht vereinbar.


76      Urteil vom 6. Oktober 2009, Kommission/Spanien (C‑153/08, EU:C:2009:618, Rn. 39).


77      Nrn. 75 bis 77 der Klageschrift der Kommission und Nrn. 74 bis 76 ihrer Erwiderung.


78      So sieht es auch die schwedische Regierung (Rn. 39 ihres Streithilfeschriftsatzes).


79      Nr. 66 der Klageschrift der Kommission.


80      Siehe oben, Nr. 144.


81      Nr. 122 der Klagebeantwortung der ungarischen Regierung.


82      Ebd.


83      Ich weise nochmals darauf hin, dass die Auflösung nach der Rechtsprechung des EGMR eine Maßnahme ist, die nur in „schwersten Fällen“ angewandt werden darf. EGMR, Urteil vom 13. Februar 2003, Refah Partisi (Wohlstandspartei) u. a.  gegen Türkei (CE:ECHR:2003:0213JUD004134098, § 100).


84      In diese Richtung gehen die GAFI-Empfehlungen (Nr. 8). Da solche Beurteilungen fehlen, schert die streitgegenständliche Regelung sämtliche Organisationen der Zivilgesellschaft – mit Ausnahme von drei Kategorien, die anders behandelt werden, was, wie ausgeführt, unter dem Gesichtspunkt des Zwecks der Regelung durch nichts gerechtfertigt ist – über einen Kamm.


85      So auch das Gutachten der Venedig-Kommission, Nr. 67, vierter Gedankenstrich.