Language of document : ECLI:EU:T:2006:200

Rechtssache T‑253/02

Chafiq Ayadi

gegen

Rat der Europäischen Union

„Gemeinsame Außen‑ und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen – Zuständigkeit der Gemeinschaft – Einfrieren von Geldern – Subsidiaritätsprinzip – Grundrechte – Ius cogens – Gerichtliche Nachprüfung – Nichtigkeitsklage“

Leitsätze des Urteils

1.      Verfahren – Streithilfe – Antrag, der nicht auf die Unterstützung der Anträge einer Partei gerichtet ist

(Satzung des Gerichtshofes, Artikel 40 Absatz 4; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 113 und 116 § 3)

2.      Nichtigkeitsklage – Klage gegen einen Rechtsakt, mit dem ein früherer nicht fristgerecht angefochtener Rechtsakt bestätigt wird

(Artikel 230 EG)

3.      Nichtigkeitsklage – Befugnisse des Gemeinschaftsrichters

(Artikel 5 Absatz 2 EG, 60 EG, 230 EG, 301 EG und 308 EG)

4.      Völkerrecht – Charta der Vereinten Nationen – Beschlüsse des Sicherheitsrats

5.      Europäische Gemeinschaften – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe

(Verordnung Nr. 881/2002 des Rates)

6.      Europäische Gemeinschaften – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe

(Verordnung Nr. 881/2002 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 561/2003 des Rates geänderten Fassung, Artikel 2a)

7.      Europäische Gemeinschaften – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe

(Verordnung Nr. 881/2002 des Rates)

8.      Nichtigkeitsklage – Handlung der Gemeinschaft, mit der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen Wirkung verliehen wird – Verordnung Nr. 881/2002

(Artikel 230 EG; Verordnung Nr. 881/2002 des Rates)

9.      Europäische Gemeinschaften – Handlung, mit der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen Wirkung verliehen wird – Verordnung Nr. 881/2002

(Artikel 6 EU; Verordnung Nr. 881/2002 des Rates)

10.    Handlungen der Organe – Begründungspflicht – Umfang

(Artikel 253 EG; Verordnung Nr. 881/2002 des Rates)

1.      Gemäß Artikel 40 Absatz 4 der Satzung des Gerichtshofes können mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden. Außerdem muss der Streithelfer nach Artikel 116 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet. Einem Streithelfer ist es daher verwehrt, eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, die die von ihm unterstützte Partei nicht erhoben hat. Jedoch kann das Gericht nach Artikel 113 seiner Verfahrensordnung jederzeit von Amts wegen prüfen, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen einschließlich der von den Streithelfern geltend gemachten fehlen. Eine Einrede der Unzulässigkeit wirft eine solche Frage nach einer unverzichtbaren Prozessvoraussetzung auf.

(vgl. Randnrn. 64, 67-68)

2.      Eine Nichtigkeitsklage gegen einen Rechtsakt, mit dem lediglich ein früherer, nicht fristgerecht angefochtener Rechtsakt bestätigt wird, ist unzulässig. Ein Rechtsakt bestätigt lediglich einen früheren Rechtsakt, wenn er gegenüber diesem kein neues Element enthält und ihm auch keine erneute Prüfung der Lage des Adressaten des früheren Rechtsakts vorausgegangen ist.

(vgl. Randnr. 70)

3.      Der Gemeinschaftsrichter überprüft die Rechtsakte der Gemeinschaft im Hinblick auf den in Artikel 5 Absatz 2 EG niedergelegten Grundsatz der Subsidiarität. Jedoch kann dieser allgemeine Grundsatz im Anwendungsbereich der Artikel 60 EG und 301 EG selbst dann nicht angeführt werden, wenn für diesen die Gemeinschaft nicht ausschließlich zuständig sein sollte. Denn in Bezug auf die Aussetzung oder Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen mit Drittländern sehen diese Vorschriften selbst ein Tätigwerden der Gemeinschaft für den Fall vor, dass dieses in einem gemeinsamen Standpunkt oder einer gemeinsamen Aktion, die nach den Bestimmungen des EU-Vertrags über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (im Folgenden: GASP) angenommen worden sind, „für erforderlich erachtet“ wird. Im Anwendungsbereich der Artikel 60 EG und 301 EG verleiht der EG-Vertrag der Union demnach die Befugnis, über die Erforderlichkeit eines Tätigwerdens der Gemeinschaft zu entscheiden. Eine solche Entscheidung ist Teil der Ausübung eines Ermessens der Union. Sie schließt es aus, dass Einzelne die Rechtmäßigkeit der Tätigkeit, die die Gemeinschaft dann gemäß dem gemeinsamen Standpunkt oder der gemeinsamen Aktion auf dem Gebiet der GASP der Union ausübt, im Hinblick auf das in Artikel 5 Absatz 2 EG aufgestellte Subsidiaritätsprinzip in Frage stellen können. Außerdem ergibt sich daraus, dass der Anwendungsbereich der Artikel 60 EG und 301 EG im Rahmen des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus durch Rückgriff auf die ergänzende Rechtsgrundlage des Artikels 308 EG auf die Verhängung wirtschaftlicher und finanzieller Sanktionen gegenüber Privatpersonen ausgedehnt werden kann, ohne dass ein Zusammenhang mit den Drittländern hergestellt wird, zwangsläufig, dass die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der Gemeinschaft, die insoweit gemäß einem gemeinsamen Standpunkt oder einer gemeinsamen Aktion im Rahmen der GASP der Union erlassen worden sind, von Einzelnen nicht mehr im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip in Frage gestellt werden kann.

Auch unter der Annahme, dass das Subsidiaritätsprinzip im Anwendungsbereich der Artikel 60 EG und 301 EG gilt, lassen sich Resolutionen des Sicherheitsrats, die für alle Mitglieder der Organisation der Vereinten Nationen gleichermaßen verbindlich sind, auf Gemeinschaftsebene jedenfalls besser als auf nationaler Ebene einheitlich umsetzen.

(vgl. Randnrn. 107-112)

4.      Aus völkerrechtlicher Sicht haben die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen aufgrund der Charta der Vereinten Nationen Vorrang vor allen anderen Verpflichtungen des innerstaatlichen Rechts oder des Völkervertragsrechts; dies gilt, soweit sie Mitglieder des Europarats sind, auch für ihre Verpflichtungen aufgrund der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und, soweit sie auch Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sind, für ihre Verpflichtungen aufgrund des EG-Vertrags. Dieser Vorrang erstreckt sich nach Artikel 25 der Charta der Vereinten Nationen auch auf die in einer Resolution des Sicherheitsrats enthaltenen Beschlüsse.

Obwohl die Gemeinschaft nicht Mitglied der Vereinten Nationen ist, ist sie schon nach dem Vertrag zu ihrer Gründung in der gleichen Weise wie ihre Mitgliedstaaten an die Verpflichtungen aufgrund der Charta der Vereinten Nationen gebunden. Sie darf weder die Verpflichtungen, die ihren Mitgliedstaaten aufgrund der Charta der Vereinten Nationen obliegen, verletzen noch die Erfüllung dieser Verpflichtungen behindern, und sie muss schon nach ihrem Gründungsvertrag bei der Ausübung ihrer Befugnisse alle erforderlichen Bestimmungen erlassen, um es ihren Mitgliedstaaten zu ermöglichen, diesen Verpflichtungen nachzukommen.

(vgl. Randnr. 116)

5.      Im Hinblick auf den Vorrang des Rechts der UNO vor dem Gemeinschaftsrecht lässt sich eine Zuständigkeit des Gerichts für die inzidente Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des Sicherheitsrats oder des Sanktionsausschusses nach dem Standard des Schutzes der in der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannten Grundrechte weder auf der Grundlage des Völkerrechts noch auf der des Gemeinschaftsrechts herleiten.

Die nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen erlassenen Resolutionen des Sicherheitsrats unterliegen daher grundsätzlich nicht der Kontrolle durch das Gericht, und dieses ist nicht berechtigt, ihre Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht – und sei es auch nur inzident – in Frage zu stellen. Das Gericht ist vielmehr verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht so weit wie möglich in einer Weise auszulegen und anzuwenden, die mit den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Charta der Vereinten Nationen vereinbar ist.

Dagegen kann das Gericht die Rechtmäßigkeit der fraglichen Resolutionen des Sicherheitsrats im Hinblick auf das Ius cogens, verstanden als internationaler Ordre public, der für alle Völkerrechtssubjekte einschließlich der Organe der UNO gilt und von dem nicht abgewichen werden darf, inzident prüfen.

(vgl. Randnr. 116)

6.      Das Einfrieren von Geldern, das durch die Verordnung Nr. 881/2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, in der durch die Verordnung Nr. 561/2003 geänderten Fassung vorgesehen ist, verstößt nach dem Standard des universellen Schutzes der zum Ius cogens gehörenden Menschenrechte weder gegen das Grundrecht der Betroffenen auf Verfügung über ihr Eigentum noch gegen den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Verordnung Nr. 881/2002 und die durch diese umgesetzten Resolutionen des Sicherheitsrats hindern die Betroffenen nicht daran, ein zufrieden stellendes persönliches, familiäres und gesellschaftliches Leben zu führen, da die Verwendung der eingefrorenen wirtschaftlichen Ressourcen durch diese Rechtsakte nicht für sich genommen verboten ist. Auch hindern sie für sich genommen die Betroffenen nicht an der Ausübung einer abhängigen oder selbständigen Berufstätigkeit, sondern betreffen ihrem Wesen nach den Bezug von Einkünften aus einer solchen Tätigkeit. Insbesondere gestattet Artikel 2a der genannten Verordnung unter den darin festgelegten Voraussetzungen, Artikel 2 dieser Verordnung für unanwendbar auf alle Arten von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen einschließlich der zur Ausübung einer abhängigen oder selbständigen Berufstätigkeit erforderlichen wirtschaftlichen Ressourcen und der im Rahmen einer solchen Betätigung eingenommenen oder zur Einnahme anstehenden Gelder zu erklären. Denn obwohl es sich bei Artikel 2a um eine Ausnahmebestimmung zu Artikel 2 handelt, ist er angesichts des mit ihm verfolgten humanitären Zieles nicht eng auszulegen. Es obliegt den zuständigen nationalen Behörden, die am besten zur Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls in der Lage sind, in erster Linie, unter Beachtung des Einfrierens der Gelder des Betroffenen darüber zu entscheiden, ob eine solche Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann, und diese dann zu überwachen und durchzuführen.

(vgl. Randnrn. 116, 126-127, 130, 132)

7.      Der Anspruch der Betroffenen auf Anhörung ist nicht verletzt worden, da die Resolutionen des Sicherheitsrats, mit denen Sanktionen gegen Osama bin Laden, das Al-Qaida-Netzwerk und die Taliban sowie andere mit ihnen verbundene Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen eingeführt wurden, keinen solchen Anspruch der Betroffenen auf Anhörung durch den Sanktionsausschuss vor ihrer Aufnahme in die Liste der Personen, deren Gelder eingefroren werden sollen, vorsehen und keine zwingende Völkerrechtsnorm eine solche vorherige Anhörung gebietet. Insbesondere erfordert es in einer Situation, in der es um eine Sicherungsmaßnahme geht, die die Verfügbarkeit des Vermögens der Betroffenen einschränkt, die Beachtung von deren Grundrechten nicht, dass ihnen die ihnen zur Last gelegten Tatsachen und Beweiselemente mitgeteilt werden, wenn der Sicherheitsrat oder sein Sanktionsausschuss der Meinung ist, dass Gründe, die mit der Sicherheit der Völkergemeinschaft zusammenhängen, dem entgegenstehen.

Die Gemeinschaftsorgane waren auch nicht verpflichtet, die Betroffenen vor dem Erlass der Verordnung Nr. 881/2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, oder im Zusammenhang mit deren Erlass oder Durchführung anzuhören.

(vgl. Randnr. 116)

8.      Im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 881/2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, prüft das Gericht deren Rechtmäßigkeit umfassend daraufhin, ob die Gemeinschaftsorgane die Zuständigkeitsregeln sowie die Vorschriften über die formale Rechtmäßigkeit und die wesentlichen Formvorschriften beachtet haben, die für ihr Handeln gelten. Das Gericht prüft ferner die Rechtmäßigkeit der genannten Verordnung im Hinblick auf die Resolutionen des Sicherheitsrats, die mit ihr umgesetzt werden sollen, insbesondere unter dem Aspekt der formellen und materiellen Angemessenheit, der inneren Kohärenz und der Verhältnismäßigkeit der Verordnung gegenüber den Resolutionen. Außerdem überprüft das Gericht die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung und mittelbar die Rechtmäßigkeit der fraglichen Resolutionen des Sicherheitsrats anhand der zum Ius cogens gehörenden übergeordneten Normen des Völkerrechts und insbesondere auch der zwingenden Normen zum universellen Schutz der Menschenrechte.

Dagegen kann das Gericht nicht mittelbar die Vereinbarkeit der fraglichen Resolutionen des Sicherheitsrats selbst mit den durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten prüfen. Es kann auch nicht feststellen, ob bei der Beurteilung der Tatsachen und Beweiselemente, auf die der Sicherheitsrat seine Maßnahmen gestützt hat, ein Fehler begangen wurde, oder, unbeschadet des begrenzten Rahmens der Überprüfung anhand des Ius cogens, mittelbar kontrollieren, ob diese Maßnahmen zweckmäßig und verhältnismäßig sind. Die Betroffenen verfügen in dem genannten Umfang über keinen gerichtlichen Rechtsbehelf, da der Sicherheitsrat es nicht für angebracht gehalten hat, ein unabhängiges internationales Gericht zu schaffen, das in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht über Klagen gegen die Einzelfallentscheidungen des Sanktionsausschusses zu befinden hat.

Diese Lücke im gerichtlichen Rechtsschutz der Kläger verstößt jedoch für sich genommen nicht gegen das Ius cogens. Denn das Recht auf Zugang zu den Gerichten gilt nicht uneingeschränkt. Die Beschränkung des Rechts der Betroffenen auf Zugang zu einem Gericht, das sich aus der Immunität von der Gerichtsbarkeit ergibt, von der in der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten die Resolutionen des Sicherheitsrats nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen grundsätzlich profitieren, ist als diesem Recht immanent anzusehen. Eine solche Beschränkung ist überdies sowohl aufgrund des Wesens der Entscheidungen, zu deren Erlass der Sicherheitsrat sich nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen veranlasst sieht, als auch aufgrund des verfolgten berechtigten Zieles gerechtfertigt. Mangels eines für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte des Sicherheitsrats zuständigen internationalen Gerichts stellen schließlich die Schaffung einer Einrichtung wie des Sanktionsausschusses und die in den Vorschriften vorgesehene Möglichkeit, sich jederzeit zur Überprüfung jedes Einzelfalls in einem formalisierten Verfahren unter Einbeziehung der betroffenen Regierungen an diesen Ausschuss zu wenden, einen anderen sachgerechten Weg für einen angemessenen Schutz der den Betroffenen durch das Ius cogens zuerkannten Grundrechte dar.

(vgl. Randnr. 116)

9.      Das Recht der Betroffenen, bei der Regierung des Landes, in dem sie wohnen oder ansässig sind oder aber dessen Staatsangehörigkeit oder ‑zugehörigkeit sie besitzen, einen Antrag auf Überprüfung ihres Falles zu stellen, mit dem ihre Streichung von der Liste der Personen und Einrichtungen erreicht werden soll, deren Gelder eingefroren werden sollen, ist als nicht nur durch die Resolutionen des Sicherheitsrats in ihrer Auslegung durch den Sanktionsausschuss, sondern auch durch die Gemeinschaftsrechtsordnung gewährleistet anzusehen.

Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten sowohl im Rahmen der Prüfung eines solchen Antrags auf Überprüfung als auch im Rahmen der daraus möglicherweise resultierenden zwischenstaatlichen Konsultationen und Schritte gemäß Artikel 6 EU verpflichtet sind, die Grundrechte der Betroffenen, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu beachten, da die Wahrung dieser Grundrechte der ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen offenbar nicht entgegenstehen kann. Die Mitgliedstaaten müssen daher im Rahmen des Möglichen darauf achten, dass die Betroffenen in die Lage versetzt werden, im Rahmen eines Antrags auf Überprüfung ihres Falles ihren Standpunkt zweckdienlich gegenüber den zuständigen nationalen Stellen geltend zu machen. Auch muss das Ermessen, das den genannten Stellen in diesem Zusammenhang zuzuerkennen ist, so ausgeübt werden, dass den Schwierigkeiten gebührend Rechnung getragen wird, die sich für die Betroffenen bei der Sicherung eines effektiven Schutzes ihrer Rechte in Bezug auf den besonderen Zusammenhang und das besondere Wesen der sie betreffenden Maßnahmen ergeben können. So dürfen die Mitgliedstaaten die Einleitung des in den Leitlinien vorgesehenen Überprüfungsverfahrens nicht aus dem alleinigen Grund ablehnen, dass die Betroffenen keine genauen und erheblichen Informationen zur Stützung ihres Antrags beibringen können, denn diese haben von den Gründen für ihre Eintragung in die streitige Liste und den diese Gründe untermauernden Beweisen wegen deren Vertraulichkeit keine Kenntnis erlangen können. Außerdem haben sich die Mitgliedstaaten angesichts des Umstands, dass die Einzelnen keinen Anspruch auf eine persönliche Anhörung durch den Sanktionsausschuss haben, so dass sie im Wesentlichen von dem diplomatischen Schutz abhängig sind, den die Staaten ihren Staatsangehörigen gewähren, dafür einzusetzen, dass der Fall der Betroffenen unverzüglich auf loyale und unparteiische Art dem Sanktionsausschuss zur Überprüfung unterbreitet wird, wenn dies unter Berücksichtigung der beigebrachten Informationen objektiv gerechtfertigt erscheint.

Ferner haben die Betroffenen die Möglichkeit, gestützt auf das innerstaatliche Recht des Staates der Regierung, an die ihr Streichungsantrag gerichtet war, oder auch unmittelbar auf die Verordnung Nr. 881/2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, und die mit ihr umgesetzten einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats, in jedem Fall Klage dagegen zu erheben, dass die zuständige nationale Behörde ihr Recht verletzt, mit dem Ziel ihrer Streichung aus der Liste der durch die Sanktionen betroffenen Personen einen Antrag auf Überprüfung ihres Falles zu stellen. Im Rahmen eines Verfahrens aufgrund einer solchen Klage ist es Sache des nationalen Gerichts, grundsätzlich sein nationales Recht anzuwenden, wobei es dafür Sorge zu tragen hat, dass die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gewährleistet wird, was es dazu veranlassen kann, falls erforderlich, eine nationale Vorschrift, die dem entgegensteht, außer Acht zu lassen. Dies gilt z. B. für eine Vorschrift, die die Weigerung der nationalen Behörden, zur Sicherung des diplomatischen Schutzes der Staatsangehörigen ihres Staates tätig zu werden, von der gerichtlichen Kontrolle ausschließt.

(vgl. Randnrn. 145-150, 152)

10.    Die nach Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung muss die Überlegungen des Rates so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die getroffenen Maßnahmen entnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann. Ob die Begründungspflicht gewahrt ist, ist außerdem nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Rechtsakts zu beurteilen, sondern auch anhand seines Kontextes und sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln. Handelt es sich um einen Rechtsakt, der allgemein gelten soll, so kann sich die Begründung darauf beschränken, die Gesamtlage anzugeben, die zu seinem Erlass geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die er erreichen will.

Die Bezugsvermerke der Verordnung Nr. 881/2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, und insbesondere ihre erste bis siebte Begründungserwägung genügen voll und ganz diesen Anforderungen. Der Umstand, dass die Behauptung, dass die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen bestehe, die die fragliche Verordnung nach ihrer Präambel habe verhindern sollen, nicht überzeugen kann, vermag diese Feststellung nicht in Frage zu stellen. Denn ein Formfehler, der darin besteht, dass eine Verordnung in einer ihrer Begründungserwägungen einen tatsächlichen Irrtum enthält, kann nicht zu deren Nichtigerklärung führen, wenn ihre übrigen Erwägungen bereits für sich genommen eine ausreichende Begründung enthalten.

(vgl. Randnrn. 164-167)