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Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

6. Juni 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge – Richtlinie 89/665/EWG – Art. 2 Abs. 1 Buchst. c – Schadensersatz, der einem rechtswidrig von einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossenen Bieter gewährt wird – Umfang – Verlust einer Chance“

In der Rechtssache C‑547/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Okresný súd Bratislava II (Bezirksgericht Bratislava II, Slowakei) mit Entscheidung vom 22. Juli 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 17. August 2022, in dem Verfahren

INGSTEEL spol. s r. o.

gegen

Úrad pre verejné obstarávanie

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter Z. Csehi, M. Ilešič, I. Jarukaitis und D. Gratsias (Berichterstatter),

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des l’Úrad pre verejné obstarávanie, vertreten durch V. Országhová,

–        der slowakischen Regierung, vertreten durch E. V. Larišová und S. Ondrášiková als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch L. Halajová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der französischen Regierung, vertreten durch R. Bénard und A. Daniel als Bevollmächtigte,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll, M. Fruhmann und M. Winkler-Unger als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, R. Lindenthal und G. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Dezember 2023

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c sowie von Art. 2 Abs. 6 und 7 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge (ABl. 2007, L 335, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der INGSTEEL spol. s r. o. und der Slowakischen Republik, die durch den Úrad pre verejné obstarávanie (Amt für öffentliches Beschaffungswesen, Slowakei) handelt, über eine Schadensersatzklage, die diese Gesellschaft nach dem rechtswidrigen Ausschluss des Konsortiums, dem sie angehörte (im Folgenden: Bietergemeinschaft), von einem vom Slovenský futbalový zväz (Slowakischer Fußballverband, im Folgenden: öffentlicher Auftraggeber) eingeleiteten Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags erhoben hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 89/665

3        Im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665 heißt es:

„In allen Mitgliedstaaten müssen geeignete Verfahren geschaffen werden, um die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen und die Entschädigung der durch einen Verstoß Geschädigten zu ermöglichen.“

4        Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) der Richtlinie 89/665 bestimmt:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge [(ABl. 2004, L 134, S. 114)], sofern diese Aufträge nicht gemäß den Artikeln 10 bis 18 der genannten Richtlinie ausgeschlossen sind.

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie [2004/18] fallenden Aufträge die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Artikel 2 bis 2f der vorliegenden Richtlinie auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.

(2)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in dieser Richtlinie getroffene Unterscheidung zwischen einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und den übrigen innerstaatlichen Bestimmungen nicht zu Diskriminierungen zwischen Unternehmen führt, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einen Schaden geltend machen könnten.

(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.

…“

5        Art. 2 („Anforderungen an die Nachprüfungsverfahren“) der Richtlinie 89/665 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden, damit

a)      so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Verstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören auch Maßnahmen, um das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder die Durchführung jeder sonstigen Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen;

b)      die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann;

c)      denjenigen, die durch den Verstoß geschädigt worden sind, Schadensersatz zuerkannt werden kann.

(6)      Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass bei Schadensersatzansprüchen, die auf die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung gestützt werden, diese zunächst von einer mit den dafür erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Stelle aufgehoben worden sein muss.

(7)      Außer in den in den Artikeln 2d bis 2f genannten Fällen richten sich die Wirkungen der Ausübung der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Befugnisse auf den nach der Zuschlagsentscheidung geschlossenen Vertrag nach dem einzelstaatlichen Recht.

Abgesehen von dem Fall, in dem eine Entscheidung vor Zuerkennung von Schadensersatz aufgehoben werden muss, kann ein Mitgliedstaat ferner vorsehen, dass nach dem Vertragsschluss in Übereinstimmung mit Artikel 1 Absatz 5, Absatz 3 des vorliegenden Artikels oder den Artikeln 2a bis 2f die Befugnisse der Nachprüfungsstelle darauf beschränkt werden, einer durch einen Verstoß geschädigten Person Schadensersatz zuzuerkennen.

…“

 Richtlinie 2007/66

6        Im 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/66 heißt es:

„Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Sie soll namentlich die uneingeschränkte Achtung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren nach Artikel 47 Absätze 1 und 2 der Charta sicherstellen.“

 Slowakisches Recht

7        Nach § 3 Abs. 1 Buchst. a des Zákon č. 514/2003 Z. z. o zodpovednosti za škodu spôsobenú pri výkone verejnej moci (Gesetz Nr. 514/2003 über die Haftung für in Ausübung der öffentlichen Gewalt verursachte Schäden) vom 28. Oktober 2003 (Zbierka zákonov, Nr. 215, 2003, S. 3966) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 514/2003) haftet der Staat für Schäden, die durch eine rechtswidrige Entscheidung einer Behörde im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt verursacht worden sind.

8        Gemäß § 5 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 514/2003 hat die Partei eines Verfahrens, die durch die in diesem Verfahren getroffene rechtswidrige Entscheidung einen Schaden erlitten hat, Anspruch auf Schadensersatz.

9        Nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 514/2003 kann dieser Schadensersatzanspruch nur geltend gemacht werden, wenn eine solche Entscheidung von einer zuständigen Behörde wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben oder abgeändert wurde. Das Gericht, das über den Ersatz eines solchen Schadens entscheidet, ist an die Entscheidung dieser Behörde gebunden.

10      Nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 514/2003 ist der Anspruch auf Ersatz eines durch ein rechtswidriges Verwaltungsverfahren verursachten Schadens auf der Grundlage eines schriftlichen Antrags des Geschädigten auf Vorprüfung seines Anspruchs vorab bei der zuständigen Behörde zu prüfen.

11      Aus § 16 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 514/2003 ergibt sich zum einen, dass die betroffene Partei, wenn diese Behörde dem Antrag nicht stattgibt oder diese Behörde dem Geschädigten schriftlich mitteilt, dass sie ihm nicht stattgeben wird, ein Gericht mit der Entscheidung über den Antrag befassen kann, und zum anderen, dass diese Partei im Rahmen ihrer Klage Schadensersatz nur insoweit geltend machen kann, als der Antrag und das Recht, die Gegenstand der Vorprüfung waren, geltend gemacht worden sind.

12      § 17 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 514/2003 sieht vor, dass der tatsächliche Schaden und der entgangene Gewinn zu ersetzen sind, soweit nicht eine besondere Regelung etwas anderes bestimmt.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13      Mit Bekanntmachung vom 16. November 2013 schrieb der öffentliche Auftraggeber einen öffentlichen Auftrag über die Rekonstruktion, Modernisierung und den Bau von 16 Fußballstadien aus. Die Bietergemeinschaft nahm an dieser Ausschreibung teil.

14      Da der öffentliche Auftraggeber der Ansicht war, dass die Bietergemeinschaft die Anforderungen der Bekanntmachung insbesondere hinsichtlich seiner wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit nicht erfüllt habe, beschloss er, sie von der in Rede stehenden Auftragsvergabe auszuschließen. Diese Ausschlussentscheidung wurde durch eine Entscheidung des Beklagten des Ausgangsverfahrens vom 9. Mai 2014 und dann durch eine Entscheidung seines Obersten Rates vom 7. Juli 2014 bestätigt. Nachdem der Krajský súd Bratislava (Regionalgericht Bratislava, Slowakei) die Klage gegen letztere Entscheidung mit Urteil vom 13. Januar 2015 abgewiesen hatte, befasste die abgelehnte Bietergemeinschaft den Najvyšší súd Slovenskej republiky (Oberstes Gericht der Slowakischen Republik) mit einem Rechtsmittel gegen dieses Urteil.

15      Nachdem der Najvyšší súd Slovenskej republiky (Oberstes Gericht der Slowakischen Republik) dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt hatte, das zum Urteil vom 13. Juli 2017, Ingsteel und Metrostav (C‑76/16, EU:C:2017:549), führte, hob er die Entscheidungen vom 9. Mai und 7. Juli 2014 auf. Am 3. April 2018 erließ der Beklagte des Ausgangsverfahrens eine neue Entscheidung, mit der er dem öffentlichen Auftraggeber auftrug, den Ausschluss der Bietergemeinschaft von dem in Rede stehenden Vergabeverfahren aufzuheben.

16      Da dieses Verfahren in der Zwischenzeit durch den Abschluss eines Rahmenvertrags mit dem einzigen Bieter, der nach dem Ausschluss der Bietergemeinschaft noch verblieben war, beendet worden war, erhob die Klägerin des Ausgangsverfahrens beim vorlegenden Gericht, dem Okresný súd Bratislava II (Bezirksgericht Bratislava II, Slowakei), Klage auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die rechtswidrigen Entscheidungen des Beklagten des Ausgangsverfahrens und seines Obersten Rates entstanden sein soll.

17      Vor diesem Gericht macht die Klägerin des Ausgangsverfahrens geltend, dass sich dieser Schaden aus dem rechtswidrigen Ausschluss der Bietergemeinschaft von der in Rede stehenden Auftragsvergabe ergebe, da der Zuschlagsempfänger diesen Auftrag nur aufgrund dieses Ausschlusses erhalten habe. Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die Bietergemeinschaft diesen Zuschlag erhalten hätte, wenn sie nicht von dem in Rede stehenden Vergabeverfahren ausgeschlossen worden wäre, da ihr Angebot günstiger gewesen sei als das des Zuschlagsempfängers und sie alle Bedingungen der Bekanntmachung des betreffenden Auftrags erfüllt habe.

18      Um die Höhe des geltend gemachten Schadens zu bestimmen, ließ die Klägerin des Ausgangsverfahrens ein Gutachten zur Höhe des entgangenen Gewinns aus dem auf diese Weise verlorenen Auftrag erstellen. Auf der Grundlage dieses Gutachtens macht sie einen entgangenen Gewinn aus dem verlorenen Auftrag in Höhe von 819 498,10 Euro ohne Mehrwertsteuer sowie Schadensersatz in Höhe von 2 500 Euro, der den Kosten für die Erstellung dieses Gutachtens entspricht, geltend.

19      Vor dem vorlegenden Gericht macht der Beklagte des Ausgangsverfahrens geltend, dass die Bietergemeinschaft am Ende des ersten Abschnitts des betreffenden Vergabeverfahrens ausgeschlossen worden sei und dass ihre Wiederzulassung zu diesem Verfahren nicht automatisch zur Vergabe dieses Auftrags an die Bietergemeinschaft geführt hätte, da der öffentliche Auftraggeber ihr Angebot eingehender hätte bewerten und insbesondere hätte ermitteln müssen, ob dessen Preis ein ungewöhnlich niedriges Angebot darstelle.

20      Im Übrigen vertritt der Beklagte des Ausgangsverfahrens unter Berufung auf das Urteil vom 17. März 2005, AFCon Management Consultants u. a./Kommission (T‑160/03, EU:T:2005:107), die Auffassung, dass die Forderung der Klägerin des Ausgangsverfahrens rein hypothetisch sei. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten beruhe auf fiktiven Daten, da insbesondere der in der in Rede stehenden Ausschreibung vorgesehene Umfang der Bauarbeiten nicht notwendigerweise in Wirklichkeit durchgeführt worden wäre.

21      In diesem Zusammenhang weist die Klägerin des Ausgangsverfahrens darauf hin, dass ein Anspruch, der aus objektiven Gründen nicht mit Sicherheit belegt sei, nicht von vornherein als hypothetisch eingestuft werden könne. Im Gegensatz zum tatsächlichen Schaden bestehe der entgangene Gewinn nicht in einer Verringerung des Vermögens der geschädigten Partei, sondern in einem Verlust des erwarteten Gewinns, der im Hinblick auf den normalen Lauf der Dinge ohne die in Rede stehende rechtswidrige Handlung vernünftigerweise vorhersehbar sein müsse. Zur Ausführung des öffentlichen Auftrags führt die Klägerin des Ausgangsverfahrens aus, wenn der öffentliche Auftraggeber eine Ausschreibung durchführe, könne davon ausgegangen werden, dass er ein Interesse an der Ausführung des in Rede stehenden Auftrags habe und beabsichtige, einen Vertrag mit dem Zuschlagsempfänger zu schließen, wie dies im Übrigen vorliegend der Fall sei, da der öffentliche Auftraggeber mit diesem einen Vertrag über sämtliche in der in Rede stehenden Ausschreibung vorgesehenen Arbeiten geschlossen habe.

22      Angesichts des Vorbringens der Parteien des Ausgangsverfahrens fragt sich das vorlegende Gericht, ob § 17 des Gesetzes Nr. 514/2003 mit der Richtlinie 89/665 vereinbar ist. Es weist darauf hin, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht eine Entschädigung für eine entgangene Chance verlangt habe, indem sie sich auf den Begriff „entgangener Gewinn“ berufen habe, der dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des durch den Verlust einer Chance entstandenen Schadens am nächsten komme. Das slowakische Recht unterscheide nämlich nicht zwischen verschiedenen Kategorien ersatzfähiger Schäden, so dass der Verlust einer Chance in die Kategorie des entgangenen Gewinns falle. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens fügt hinzu, der Gerichtshof habe seit Langem und in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein Bieter im Fall eines rechtswidrigen Ausschlusses von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags berechtigt sei, Ersatz des Schadens zu verlangen, den er aufgrund des Verlusts einer Chance erlitten habe, die nicht mit entgangenem Gewinn gleichgesetzt werden könne und keine so hohe Wahrscheinlichkeit verlange, einen Vermögensvorteil zu erlangen. Es handele sich um eine Entschädigung für entgangene Gewinnchancen und nicht um eine Entschädigung für den Gewinn selbst.

23      Unter diesen Umständen hat der Okresný súd Bratislava II (Bezirksgericht Bratislava II) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Kann unter dem Gesichtspunkt der gesteigerten Effizienz der Nachprüfungsverfahren im Bereich des öffentlichen Auftragswesens davon ausgegangen werden, dass es mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Abs. 6 und 7 der Richtlinie 89/665 vereinbar ist, dass ein nationales Gericht, das über eine Klage auf Ersatz des Schadens entscheidet, der einem rechtswidrig von einem öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossenen Bieter entstanden ist, in der Weise vorgeht, dass es die Gewährung von Schadensersatz für entgangene Chancen (loss of opportunity) ablehnt?

2.      Kann unter dem Gesichtspunkt der gesteigerten Effizienz der Nachprüfungsverfahren im Bereich des öffentlichen Auftragswesens davon ausgegangen werden, dass es mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Abs. 6 und 7 der Richtlinie 89/665 vereinbar ist, dass ein nationales Gericht, das über eine Klage auf Ersatz des Schadens entscheidet, der einem rechtswidrig von einem öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossenen Bieter entstanden ist, in der Weise vorgeht, dass es den aufgrund des Verlusts der Möglichkeit, an der öffentlichen Ausschreibung teilzunehmen, entgangenen Gewinn nicht als Bestandteil des Schadensersatzanspruchs betrachtet?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit

24      Der Beklagte des Ausgangsverfahrens bestreitet die Zulässigkeit der Vorlagefragen und macht im Wesentlichen geltend, dass sie für die Beurteilung der Klage des Ausgangsverfahrens nicht erheblich seien, da das vorlegende Gericht weder die Zulässigkeit der Klage noch die Klagebefugnis der Klägerin des Ausgangsverfahrens festgestellt habe. Außerdem sei der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefragen nicht zuständig, da das vorlegende Gericht mit diesen Fragen in Wirklichkeit eine erneute Überprüfung des Ausgangsrechtsstreits durch den Gerichtshof oder Anweisungen für das Verfahren erhalten möchte, das zu befolgen sei, falls es entscheide, keinen Schadensersatz für eine entgangene Chance zu gewähren.

25      Insoweit ist es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 12. Oktober 2023, INTER CONSULTING, C‑726/21, EU:C:2023:764, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Daraus folgt, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und tatsächlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 12. Oktober 2023, INTER CONSULTING, C‑726/21, EU:C:2023:764, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Im vorliegenden Fall ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof jedoch nicht darum, die in den Vorlagefragen genannten Bestimmungen des Unionsrechts auf den Ausgangsrechtsstreit anzuwenden, sondern um deren Auslegung. Außerdem hat dieses Gericht, das nach der Rechtsprechung die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung übernehmen muss (Urteil vom 13. Januar 2022, Regione Puglia, C‑110/20, EU:C:2022:5, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung), mit hinreichender Klarheit die Gründe dargelegt, aus denen es der Auffassung ist, dass die Auslegung dieser Bestimmungen für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist.

28      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es zwar nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung je nach der Gestaltung des Falles von Vorteil sein kann, wenn zum Zeitpunkt der Vorlage an den Gerichtshof der Sachverhalt der Rechtssache und die nach nationalem Recht zu beurteilenden Fragen geklärt sind, dass aber die nationalen Gerichte ein unbeschränktes Recht zur Vorlage an den Gerichtshof haben, wenn sie der Auffassung sind, dass ein bei ihnen anhängiges Verfahren Fragen der Auslegung oder der Gültigkeit der unionsrechtlichen Bestimmungen aufwirft, über die diese Gerichte im konkreten Fall entscheiden müssen (Urteil vom 4. Juni 2015, Kernkraftwerke Lippe-Ems, C‑5/14, EU:C:2015:354, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher kann das Vorbringen des Beklagten des Ausgangsverfahrens, die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens erhobene Klage erfülle nicht die im slowakischen Recht vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen, nicht die Unzulässigkeit der Vorlagefragen begründen.

29      Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Vorlagefragen zulässig sind.

 Zu den Vorlagefragen

30      Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, nach der es ausgeschlossen ist, dass ein aufgrund einer rechtswidrigen Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossener Bieter für den Schaden entschädigt wird, der ihm durch den Verlust der Chance entstanden ist, an diesem Verfahren teilzunehmen, um den betreffenden Auftrag zu erhalten.

31      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof genauer um Klarstellung ersucht, ob diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass zu den Personen, die durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens geschädigt wurden und somit Anspruch auf Schadensersatz haben, nicht nur diejenigen gehören, denen dadurch ein Schaden entstanden ist, dass sie einen öffentlichen Auftrag nicht erhalten haben, nämlich ihren entgangenen Gewinn, sondern auch diejenigen, die einen Schaden im Zusammenhang mit der verlorenen Chance erlitten haben, an dem Verfahren zur Vergabe dieses Auftrags teilzunehmen und einen Gewinn aus einer solchen Teilnahme zu erzielen.

32      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in den sie sich einfügt, und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 20. April 2023, DIGI Communications, C‑329/21, EU:C:2023:303, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Was erstens den Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 betrifft, ist festzustellen, dass diese weit gefasste Bestimmung vorsieht, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass denjenigen, die durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens geschädigt worden sind, Schadensersatz zuerkannt wird, was mangels Angaben zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Schadenskategorien jede Art des diesen Personen entstandenen Schadens erfassen kann, einschließlich des Schadens, der sich aus dem Verlust der Chance ergibt, an dem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags teilzunehmen.

34      Diese Feststellung wird zweitens durch den Zusammenhang bestätigt, in den sich diese Bestimmung einfügt.

35      Nach ständiger Rechtsprechung haben nämlich die durch einen einem Mitgliedstaat zurechenbaren Verstoß gegen das Unionsrecht Geschädigten einen Ersatzanspruch, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen wurde, soll ihnen Rechte verleihen, der Verstoß gegen diese Norm ist hinreichend qualifiziert, und zwischen ihm und dem diesen Geschädigten entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (Urteil vom 29. Juli 2019, Hochtief Solutions Magyarországi Fióktelepe, C‑620/17, EU:C:2019:630, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Übrigen hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass der Ersatz der Schäden, die dem Einzelnen durch Verstöße gegen das Unionsrecht entstanden sind, dem erlittenen Schaden angemessen sein muss, und zwar in dem Sinne, dass damit die tatsächlich erlittenen Schäden gegebenenfalls in vollem Umfang ausgeglichen werden können (Urteil vom 28. Juni 2022, Kommission/Spanien [Verstoß des Gesetzgebers gegen das Unionsrecht], C‑278/20, EU:C:2022:503, Rn. 164 und die dort angeführte Rechtsprechung). Bei Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 handelt es sich um eine Konkretisierung dieser der Unionsrechtsordnung innewohnenden Grundsätze (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Dezember 2010, Combinatie Spijker Infrabouw-De Jonge Konstruktie u. a., C‑568/08, EU:C:2010:751, Rn. 87).

36      In dieser Hinsicht und gemäß Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 müssen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Nachprüfungsverfahren zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen vorgebrachten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Im Übrigen soll, wie sich aus dem 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/66 ergibt, das mit der Richtlinie 89/665 eingerichtete Nachprüfungssystem im Einklang mit Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta der Grundrechte die uneingeschränkte Achtung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht sicherstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2022, EPIC Financial Consulting, C‑274/21 und C‑275/21, EU:C:2022:565, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Die Richtlinie 89/665 sieht keine Möglichkeit vor, diesen Zugang zu beschränken. Vielmehr können die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 2 dieser Richtlinie vorsehen, dass nach dem Vertragsschluss im Anschluss an die Zuschlagserteilung die Befugnisse der Nachprüfungsstelle darauf beschränkt werden, einer durch einen Verstoß geschädigten Person Schadensersatz zuzuerkennen. Die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 vorgesehene Klage auf Schadensersatz hat der europäische Unionsgesetzgeber somit als letztes Mittel vorgesehen, das den durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht geschädigten Personen weiterhin zur Verfügung stehen muss, wenn diesen tatsächlich jede Möglichkeit genommen wird, die praktische Wirksamkeit eines der anderen in dieser Bestimmung vorgesehenen Rechtsbehelfe in Anspruch zu nehmen.

38      Dies gilt insbesondere für den Fall eines rechtswidrig ausgeschlossenen Bieters, der die Aufhebung seines Ausschlusses von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden beantragt und erwirkt hat, aber aufgrund des zwischenzeitlichen Abschlusses dieses Verfahrens trotzdem nicht mehr die Möglichkeit hat, von den Wirkungen dieser Aufhebung zu profitieren.

39      Zwar kann sich nämlich ein Schaden aus dem Umstand als solchem ergeben, dass man einen öffentlichen Auftrag nicht erhält, doch kann der rechtswidrig ausgeschlossene Bieter in einem Fall wie dem in der vorstehenden Randnummer genannten einen gesonderten Schaden erleiden, der dem Verlust der Chance entspricht, an dem betreffenden Vergabeverfahren teilzunehmen, um diesen Auftrag zu erhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, United Parcel Service/Kommission, C‑297/22 P, EU:C:2023:1027, Rn. 69). Im Licht der Erwägungen in Rn. 37 des vorliegenden Urteils muss ein solcher Schaden nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 ersetzt werden können.

40      Drittens wird die weite Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 durch das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel bestätigt, keinerlei Schäden vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszuschließen.

41      Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass zwar nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Richtlinie 89/665 eine vollständige Harmonisierung vornimmt und somit alle möglichen Rechtsbehelfe auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge erfasst (Urteil vom 26. März 2020, Hungeod u. a., C‑496/18 und C‑497/18, EU:C:2020:240, Rn. 73), doch ändert dies nichts daran, dass, wie es im sechsten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt, diese Richtlinie auf dem Willen des Unionsgesetzgebers beruht, sicherzustellen, dass in allen Mitgliedstaaten geeignete Verfahren nicht nur die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, sondern auch die Entschädigung der durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht Geschädigten ermöglichen.

42      Dieses Ziel würde jedoch gefährdet, wenn Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen wäre, dass von vornherein ausgeschlossen werden könnte, dass die in Art. 1 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Personen Schadensersatz für einen Schaden erhalten, der ihnen durch einen Verstoß gegen das Vergaberecht der Union entstanden sein soll.

43      Wie der Gerichtshof in Bezug auf den entgangenen Gewinn entschieden hat, kann nämlich der vollständige Ausschluss des Verlusts der Chance, an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags teilzunehmen, um diesen zu erhalten, vom ersatzfähigen Schaden bei einem Verstoß gegen das Unionsrecht nicht zulässig sein, da ein solcher vollständiger Ausschluss dieses Verlusts einer Chance, insbesondere bei Rechtsstreitigkeiten wirtschaftlicher oder kommerzieller Natur, geeignet ist, den Ersatz des Schadens tatsächlich unmöglich zu machen (vgl. entsprechend Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame, C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 87, vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 96 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 17. April 2007, AGM-COS.MET, C‑470/03, EU:C:2007:213, Rn. 95).

44      Folglich ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen, dass der Schadensersatz, den die durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge geschädigten Personen nach dieser Bestimmung verlangen können, den durch den Verlust einer Chance entstandenen Schaden umfassen kann.

45      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieser Art. 2 Abs. 1 Buchst. c zwar vorschreibt, dass den durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge geschädigten Personen Schadensersatz zuerkannt werden kann, dass es jedoch in Ermangelung einschlägiger Unionsvorschriften in diesem Bereich Sache jedes Mitgliedstaats ist, in seiner internen Rechtsordnung die Kriterien zu bestimmen, auf deren Grundlage der Schaden, der sich aus dem Verlust der Chance, an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags teilzunehmen, um diesen zu erhalten, ergibt, festzustellen und zu bemessen ist, sofern der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz beachtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Dezember 2010, Combinatie Spijker Infrabouw-De Jonge Konstruktie u. a., C‑568/08, EU:C:2010:751, Rn. 90 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass § 17 des Gesetzes Nr. 514/2003 als ersatzfähige Schäden ausdrücklich nur den „tatsächlichen Schaden“ und den „entgangenen Gewinn“ nennt. In der mündlichen Verhandlung hat die slowakische Regierung ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung slowakischer Gerichte „entgangener Gewinn“ ersetzt werden müsse, wenn es sehr wahrscheinlich oder sogar nahezu sicher sei, dass der Betroffene unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände des Einzelfalls einen Gewinn erzielt hätte. Unter Bezugnahme auf den Standpunkt der Europäischen Kommission, wonach die slowakischen Gerichte auf alle nationalen Mittel zurückgreifen müssten, um es einem rechtswidrig von einem öffentlichen Auftrag ausgeschlossenen Bieter zu ermöglichen, tatsächlich Schadensersatz wegen des Verlusts einer Chance zu fordern, hat diese Regierung in der mündlichen Verhandlung jedoch erklärt, dass nichts einen Kläger daran hindere, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Durchsetzung seines Rechts zu nutzen und Beweise vorzulegen, die dies belegten.

47      Insoweit genügt daher der Hinweis, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Gewährleistung der Wirksamkeit sämtlicher Bestimmungen des Unionsrechts der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts u. a. den nationalen Gerichten auferlegt, ihr nationales Recht so weit wie möglich unionsrechtskonform auszulegen (Urteil vom 4. März 2020, Bank BGŻ BNP Paribas, C‑183/18, EU:C:2020:153, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung), und dass dieses Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung den nationalen Gerichten die Verpflichtung auferlegt, eine gefestigte oder ständige Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des innerstaatlichen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie nicht vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C‑726/19, EU:C:2021:439, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Nach alledem ist auf die gestellten Fragen zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, nach der es grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass ein aufgrund einer rechtswidrigen Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossener Bieter für den Schaden entschädigt wird, der ihm durch den Verlust der Chance entstanden ist, an diesem Verfahren teilzunehmen, um den betreffenden Auftrag zu erhalten.

 Kosten

49      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, nach der es grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass ein aufgrund einer rechtswidrigen Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossener Bieter für den Schaden entschädigt wird, der ihm durch den Verlust der Chance entstanden ist, an diesem Verfahren teilzunehmen, um den betreffenden Auftrag zu erhalten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Slowakisch.