Language of document : ECLI:EU:T:2015:41

Rechtssache T‑140/12

Teva Pharma BV
und

Teva Pharmaceuticals Europe BV

gegen

Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA)

„Humanarzneimittel – Arzneimittel für seltene Leiden – Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums des Arzneimittels für seltene Leiden Imatinib – Entscheidung der EMA, mit der es abgelehnt wird, den Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen zu validieren – Marktexklusivitätsrecht“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 22. Januar 2015

1.      Gerichtliches Verfahren – Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens – Voraussetzungen – Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das auf Gründe gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 48 § 2)

2.      Einrede der Rechtswidrigkeit – Tragweite – Handlungen, deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden kann – Rechtsakt mit allgemeiner Tragweite, auf den die angefochtene Entscheidung gestützt ist – Notwendigkeit eines rechtlichen Zusammenhangs zwischen der angefochtenen Handlung und dem beanstandeten allgemeinen Rechtsakt – Einrede der Rechtswidrigkeit gegen Handlungen, mit der eine Entscheidung der Kommission, mit der das Inverkehrbringen eines Arzneimittels für seltene Leiden genehmigt wird, vorbereitet wird – Unzulässigkeit

(Art. 277 AEUV; Verordnung Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 5)

3.      Rechtsangleichung – Einheitliche Rechtsvorschriften – Humanarzneimittel – Arzneimittel für seltene Leiden – Arzneimittel, die einem bereits zugelassenen und für dasselbe therapeutische Anwendungsgebiet bestimmten Arzneimittel für seltene Leiden ähnlich sind – Inverkehrbringen – Marktexklusivitätsrecht – Umfang

(Verordnung Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 8 Abs. 1 und 3; Verordnung Nr. 847/2000 der Kommission)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 35-37)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 49-51, 53)

3.      Was das Inverkehrbringen von ähnlichen Arzneimitteln im Sinne der Verordnung Nr. 847/2000 zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe „ähnliches Arzneimittel“ und „klinische Überlegenheit“ betrifft, greift Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/2000 über Arzneimittel für seltene Leiden den Voraussetzungen, unter denen eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines solchen Arzneimittels erteilt werden kann, nicht vor, sondern sieht vor, dass abweichend von Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung diesem Arzneimittel die genannte Genehmigung in drei Fällen erteilt werden kann. Keine Bestimmung findet sich zu der Frage, ob diese Genehmigung dem ähnlichen Arzneimittel ein Marktexklusivitätsrecht verleiht oder nicht.

Ein ähnliches Arzneimittel kann nämlich selbst ein Arzneimittel für seltene Leiden oder ein Arzneimittel für nicht seltene Leiden sein. Wenn es für nicht seltene Leiden ist, impliziert seine Genehmigung für das Inverkehrbringen kein Marktexklusivitätsrecht aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 141/2000. Wenn das Arzneimittel hingegen selbst ein Arzneimittel für seltene Leiden ist, darf das ihm nach Art. 8 Abs. 1 verliehene zehnjährige Marktexklusivitätsrecht nicht deshalb verkürzt werden, weil es ein Arzneimittel für seltene Leiden gibt, dessen Inverkehrbringen für dieselben therapeutischen Anwendungsgebiete genehmigt wurde und das in den Genuss eines Marktexklusivitätsrechts für diese therapeutischen Anwendungsgebiete kommt.

Daher zieht die Genehmigung für das Inverkehrbringen, die einem Arzneimittel für seltene Leiden mit denselben therapeutischen Anwendungsgebieten wie denjenigen erteilt wird, für die das Inverkehrbringen eines zuerst als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesenen Arzneimittels genehmigt wurde, selbst aus einem der in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 141/2000 vorgesehenen Gründe kraft Gesetzes ein zehnjähriges Marktexklusivitätsrecht gemäß Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung nach sich. Das Marktexklusivitätsrecht muss jedoch gerade deshalb, um das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel, nämlich Anreize zur Investition in Erforschung und Entwicklung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln für seltene Leiden zu schaffen, zu erreichen, in allen Fällen gewährt werden, in denen ein Arzneimittel für seltene Leiden Gegenstand einer Genehmigung für das Inverkehrbringen ist. Der zehnjährige Zeitraum des Marktexklusivitätsrechts, der in der Verordnung Nr. 141/2000 als Anreizmaßnahme zur Entwicklung und zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln für seltene Leiden vorgesehen ist, kann insoweit nicht als mit den Zeiträumen des Datenschutzes gleichwertig angesehen werden, in deren Genuss die Unterlagen eines jeden Arzneimittels kommen, dessen Inverkehrbringen genehmigt wurde, da die Wirkungen und die Tragweite jedes dieser Mechanismen unterschiedlich sind.

(vgl. Rn. 73, 74, 78, 80, 81)