Language of document : ECLI:EU:T:2004:373

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

22. Dezember 2004(*)

„Ausschreibung öffentlicher Dienstleistungsaufträge – Gemeinschaftliches Ausschreibungsverfahren – Vorläufiger Rechtsschutz – Antrag auf Aussetzung des Vollzugs – Dringlichkeit – Neuer Antrag – Keine neuen Tatsachen“

In der Rechtssache T‑303/04 R II

European Dynamics SA mit Sitz in Athen (Griechenland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Pappas,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Parpala und E. Manhaeve als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt J. Stuyck, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung DIGIT/R2/CTR/mas D (2004) 811 der Kommission vom 4. Juni 2004, mit der das von dem Konsortium, zu dem die Antragstellerin gehört, auf eine Ausschreibung für Datenverarbeitungsdienstleistungen hin eingereichte Angebot nur auf den zweiten Platz gesetzt wurde, und der Entscheidung DIGIT/R2/CTR/mas D (2004) 811 der Kommission vom 14. Juli 2004, mit der die Beschwerden der Antragstellerin vom 21. Juni 2004 sowie vom 1., 5. und 8. Juli 2004 gegen die Zuschlagserteilung an ein anderes Konsortium zurückgewiesen wurden,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt, Verfahren und Anträge der Parteien

1       Die Antragstellerin European Dynamics SA ist u. a. für die Gemeinschaftsorgane auf dem Gebiet der Informations- und der Kommunikationstechnologie tätig.

2       Die Kommission schloss nach der Ausschreibung ADMIN/DI/0005 ESP (External Service Providers) vom 16. März 2001 mehrere Rahmenverträge über die Erbringung externer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Informationssystemen, wobei sie das Zuschlagssystem anwandte, das in Artikel 1.4 der von ihr am 11. Juni 1998 veröffentlichten Allgemeinen Bedingungen für Datenverarbeitungsverträge für den Fall der Zuschlagserteilung an mehrere Bieter (im Folgenden: Rangfolge) vorgesehen ist. Der Gesamtauftrag wurde in neun Lose aufgeteilt, darunter das Los 4 für externe Dienstleistungen im Zusammenhang mit Software-Programmen und Informationssystemen (im Folgenden: Los ESP 4) und das Los 5 für externe Dienstleistungen im Zusammenhang mit Internet- und Intranet-Programmen (im Folgenden: Los ESP 5).

3       Am 5. November 2001 schloss die Kommission unter dem Aktenzeichen DI‑02432-00 einen Rahmenvertrag mit dem Auftragnehmer, der nach dem Zuschlagssystem für das Los ESP 5 als Erster ausgewählt worden war, nämlich mit einem Konsortium, das die Antragstellerin sowie die Firmen IRIS SA, Datacep SA, Primesphere SA und Reggiani SpA bildeten (im Folgenden: Konsortium ESP 5).

4       Am 16. Oktober 2001 schloss die Kommission unter dem Aktenzeichen DI‑02432-00 einen Rahmenvertrag mit dem Auftragnehmer, der nach dem Zuschlagssystem für das Los ESP 4 als Erster ausgewählt worden war, nämlich mit einem Konsortium, das die Trasys SA und die Cronos Luxembourg SA umfasste, aus der sich später die Sword Technologies SA bildete (im Folgenden: Konsortium ESP 4).

5       Am 27. Dezember 2003 veröffentlichte die Kommission unter dem Aktenzeichen ADMIN/DI2/PO/2003/192 ESP-DIMA eine Ausschreibung über die „Erbringung von Dienstleistungen vor Ort und andernorts im Zusammenhang mit Datenverarbeitungs- und Informationssystemen der Europäischen Kommission [unter Einschluss von] Entwicklung, Wartung und sonstigen damit verbundenen Tätigkeiten“ (im Folgenden: Ausschreibung ESP-DIMA).

6       Im Anschluss an diese Ausschreibung fanden zwischen den Abteilungen der Kommission und der Antragstellerin Schriftwechsel und Gespräche statt, in denen sich die Antragstellerin über die Durchführung der Lose ESP 5 und ESP 4 beunruhigt zeigte, im Wesentlichen, weil das Los ESP 5 zugunsten des Loses ESP 4 unzureichend genutzt worden sei. Weiter befassten sie sich mit den Anträgen der Antragstellerin auf Nichtigerklärung des Ausschreibungsverfahrens ESP-DIMA. Nach Auffassung der Antragstellerin war das Verfahren nicht gerechtfertigt, da die Kommission auf das Los ESP 5 hätte zurückgreifen müssen, anstatt die Ausschreibung ESP-DIMA durchzuführen, mit der das Los ESP 4, dessen Haushaltsobergrenze erreicht worden sei, hätte ersetzt werden sollen.

7       Für eine genauere Darstellung des Sachverhalts, der dem Rechtsstreit zwischen der Kommission und der Antragstellerin über die Berechtigung der Ausschreibung ESP-DIMA und der Durchführung der Lose ESP 4 und ESP 5 zugrunde liegt, wird auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 10. November 2004 in der Rechtssache T‑303/04 R (European Dynamics/Kommission, Slg. 2004, II‑0000, im Folgenden: Beschluss vom 10. November) verwiesen, mit dem der erste in diesem Verfahren gestellte Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen wurde.

8       Am 20. Februar 2004 reichten die Antragstellerin sowie die Firmen IRIS, Datacep und Reggiani (also die Firmen des Konsortiums ESP 5 mit Ausnahme der Firma Primesphere, im Folgenden: Konsortium ED) im Hinblick auf die Ausschreibung ESP-DIMA ein gemeinsames Angebot ein.

9       Am 2. Juni 2004 erteilte die Kommission den Auftrag ESP-DIMA. Der auf den ersten Platz in der Rangfolge kommende Zuschlagsempfänger war ein Konsortium, das von den Firmen Trasys, Sword Technologies, Intrasoft International SA und TXT SpA gebildet wurde (d. h. vom Konsortium ESP 4 zusammen mit zwei weiteren Partnern, im Folgenden: Konsortium ESP-DIMA). Das Konsortium ED gelangte bei der Auswahl der Vertragspartner auf den zweiten Platz in der Rangfolge, gefolgt von weiteren Bietern, die auf den dritten und den vierten Platz kamen.

10     Mit Schreiben vom 4. Juni 2004 wurden diese Ergebnisse allen Bietern mitgeteilt, darunter auch dem Konsortium ED (im Folgenden: Entscheidung über die Zuschlagserteilung).

11     Mit Telefax vom 8. Juni 2004 bat die Antragstellerin um zusätzliche Angaben über die Entscheidung über die Zuschlagserteilung. Die Kommission antwortete mit Schreiben vom 9. Juni 2004, in dem sie genauere Angaben über die Ergebnisse der technischen Beurteilung jedes einzelnen maßgeblichen Kriteriums machte.

12     Mit Schreiben vom 14. Juli 2004 (im Folgenden: Begründungsschreiben) antwortete die Kommission auf die von der Antragstellerin in den genannten Schreiben aufgeworfenen Punkte und lehnte es ab, eine Kopie des Bewertungsberichts zu übermitteln, weil dies die Mitteilung von Geschäftsgeheimnissen anderer Bieter bedeutete. Zu den Zweifeln an der Erforderlichkeit der Ausschreibung ESP-DIMA und zum Vorschlag, für die Erbringung von Dienstleistungen des Loses ESP 4 das Los ESP 5 zu verwenden, erklärte die Kommission, dass die Generaldirektion (GD) Informatik in ihrem Schreiben vom 30. Januar 2004 darauf hingewiesen habe, dass es nicht möglich sei, allein deshalb von einem Los auf das andere überzugehen, weil die Haushaltsobergrenze für eines der beiden noch nicht erreicht sei, denn die beiden Lose beträfen separate, sich erheblich voneinander unterscheidende Aufträge. Eine Ausschreibung für das Los, für das die Haushaltsobergrenze nicht mehr habe erhöht werden können, sei daher das einzige angemessene Mittel und stehe in Einklang mit der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1).

13     Am 15. Juli 2004 sandte die Kommission die aus der Entscheidung über die Zuschlagserteilung resultierenden Verträge den vier ausgewählten Konsortien – darunter dem Konsortium ED als zweitem Auftragnehmer (Rahmenvertrag DIGIT‑04551-00) – mit dem Hinweis zu, dass ihr die Verträge bis zum 30. Juli 2004 unterzeichnet zurückzusenden seien.

14     Mit Klageschrift, die am 29. Juli 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG Klage erhoben auf Nichtigerklärung zum einen der Ausschreibung ESP-DIMA, d. h. der Vergabebekanntmachung 2003/S249-221337 ESP-DIMA und der Ausschreibung ESP-DIMA, und zum anderen der Entscheidungen der Kommission über die Rangfolge der Angebote, d. h. der Entscheidung über die Zuschlagserteilung und des Begründungsschreibens.

15     Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag in der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß Artikel 76a der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, im beschleunigten Verfahren zu entscheiden.

16     Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag in der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweilige Anordnung in Form der Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung über die Zuschlagserteilung und des Begründungsschreibens gestellt, um den Vertragsschluss mit dem Konsortium ESP-DIMA bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache zu verhindern (im Folgenden: erster Antrag).

17     Am 30. Juli 2004 wurde der Kommission der vom Konsortium ED unterzeichnete Vertrag zugestellt. Einige fehlende Vollmachten wurden der Kommission am 4. August 2004 nachgereicht. Zu diesem Zeitpunkt lagen der Kommission alle von den Vertragspartnern unterzeichneten Originalfassungen der den Auftrag ESP-DIMA betreffenden Verträge vor.

18     Da die Antragstellerin jedoch einen Antrag auf einstweilige Anordnung in Form der Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung über die Zuschlagserteilung gestellt hatte, beschloss die Kommission am 4. August 2004, die Unterzeichnung der vier den Auftrag ESP-DIMA betreffenden Verträge zu verschieben.

19     Nach Eingang des ersten Antrags hat die Kommission am 26. August 2004 Erklärungen eingereicht. Die Antragstellerin und die Kommission haben Gelegenheit erhalten, weitere Schriftsätze einzureichen, und sie haben ihre Erklärungen am 23. September bzw. am 15. Oktober 2004 übermittelt.

20     In ihren Erklärungen vom 23. September 2004 hat die Antragstellerin beantragt, der Kommission aufzugeben, bestimmte Unterlagen vorzulegen, nämlich die Aufforderungen zur Angebotsabgabe und die Statistiken über die Durchführung des Loses ESP 4 (im Folgenden: die fraglichen Unterlagen).

21     Mit Schreiben vom 2. November 2004 hat die Antragstellerin der Kanzlei des Gerichts eine Reihe von Zusatzerklärungen zu den Erklärungen der Kommission vom 15. Oktober 2004 übersandt und den Präsidenten des Gerichts ersucht, diese bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Die Antragstellerin hat insbesondere ausgeführt, die beiden den Erklärungen der Kommission vom 15. Oktober 2004 als Anhänge beigefügten Berichte zur finanziellen Situation der Antragstellerin, von denen der eine am 22. März 2004 von der Kanzlei EuroDB und der andere am 26. Juli 2004 von der Kanzlei Dun & Bradstreet erstellt worden ist, seien „überholt und unzutreffend“. Dieses Schreiben ist zu den Akten genommen und der Kommission gemäß Artikel 105 § 1 der Verfahrensordnung zugestellt worden.

22     Mit Schreiben vom 9. November 2004 hat der Kanzler des Gerichts die Antragstellerin von der Entscheidung des Gerichts in Kenntnis gesetzt, dem Antrag auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens nicht stattzugeben.

23     Mit Beschluss vom 10. November hat der Präsident des Gerichts den ersten Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Antragstellerin habe rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass sie ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden würde, und folglich habe die Antragstellerin nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt sei, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen sei, wobei die Zulässigkeit des Antrags und die Frage dahingestellt bleiben könnten, ob die anderen Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung vorlägen.

24     In jenem Beschluss hat der Präsident des Gerichts ferner den Antrag der Antragstellerin bezüglich der fraglichen Unterlagen zurückgewiesen, da Letztere für die Prüfung des vorliegenden Antrags auf Erlass einstweiliger Anordnungen ohne Belang und deshalb die von der Antragstellerin beantragten Maßnahmen nicht zu ergreifen seien.

25     Am 18. November 2004 schloss die Kommission einen Vertrag mit dem Konsortium ESP-DIMA.

26     Die Antragstellerin hat daraufhin mit besonderem Schriftsatz, der am 22. November 2004 in der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 242 EG sowie Artikel 104, 108 und 109 der Verfahrensordnung den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, mit dem sie die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung über die Zuschlagserteilung und des Begründungsschreibens beantragt. Die Antragstellerin hat beim Präsidenten des Gerichts erneut beantragt, der Kommission die Vorlage der fraglichen Unterlagen aufzugeben.

27     Am 1. Dezember 2004 hat die Kommission zum vorliegenden Antrag Erklärungen eingereicht. Sie hat beantragt, den vorliegenden Antrag als unzulässig und hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen. Die Kommission hat die Zurückweisung des Antrags auf Vorlage der fraglichen Unterlagen mit der Begründung beantragt, die Antragstellerin habe keine Informationen vorgelegt, die die Bedeutung dieser Unterlagen für dieses Verfahren begründeten.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Antrag auf einstweilige Anordnung

28     Nach den Artikeln 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Artikel 225 Absatz 1 EG kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für erforderlich hält, die Durchführung des angefochtenen Rechtsakts aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

29     Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung bestimmt, dass Anträge auf einstweilige Anordnung den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen müssen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C‑268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30). Außerdem nimmt das Gericht im Verfahren der einstweiligen Anordnung gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 29. Juni 1999 in der Rechtssache C‑107/99 R, Italien/Kommission, Slg. 1999, I‑4011, Randnr. 59).

30     Die beantragten Maßnahmen müssen außerdem vorläufig in dem Sinne sein, dass sie den Rechts- und Tatsachenfragen des Rechtsstreits nicht vorgreifen und die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisieren (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C‑149/95 P[R], Kommission/Atlantic Container Line u. a., Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22).

31     Weiter verfügt das Gericht im Verfahren der einstweiligen Anordnung im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen und kann im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., Randnr. 23).

32     Artikel 109 der Verfahrensordnung lautet: „Die Abweisung eines Antrags auf einstweilige Anordnung hindert den Antragsteller nicht, einen weiteren, auf neue Tatsachen gestützten Antrag zu stellen.“

33     In Anbetracht des Akteninhalts ist das Gericht der Auffassung, dass es über alle erforderlichen Angaben verfügt, um über den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung zu entscheiden, ohne dass eine vorherige mündliche Anhörung der Parteien zweckdienlich wäre.

 Vorbringen der Parteien

34     Die Antragstellerin beantragt, ihren Antrag für begründet zu erklären, da neue Tatsachen ihr im ersten Antrag dargelegtes Vorbringen stützten.

35     Der Beschluss vom 10. November stütze sich auf fehlerhafte Daten, insbesondere angesichts der Ungenauigkeiten, mit denen die beiden Berichte der Kanzleien EuroDB und Dun & Bradstreet vom 22. März bzw. 26. Juli 2004 behaftet seien (im Folgenden: alte Berichte), die die Kommission im Rahmen des Verfahrens zum ersten Antrag vorgelegt habe, obgleich die Kommission über korrigierte Versionen der Berichte verfügt habe, von denen sie das Gericht nicht informiert habe.

36     Zum Verhalten der Kommission trägt die Antragstellerin allgemein vor, diese führe einen „unerklärten Krieg“ gegen sie, im Zuge dessen die Antragstellerin in eine „schwarze Liste“ von Bietern auf Ausschreibungen der Antragsgegnerin aufgenommen worden sei. Die für die Lose 2, 4 und 7 der ESP-Verträge von der Kommission gezahlten Beträge verdeutlichten, dass alle Lose, die von den die Firmen Trasys SA oder Sword Technologies SA (beide gehören dem Konsortium ESP 4 an) erfassenden Konsortien beherrscht würden, einen ungewöhnlich hohen Nutzungsgrad aufwiesen. Dieser ungewöhnlich hohe Nutzungsgrad könne aus den von der Kommission herausgegebenen Aufforderungen zur Angebotsabgabe im Rahmen der ESP-Ausschreibung hervorgehen, deren Offenlegung die Antragstellerin beantragt habe.

37     Schließlich impliziere die Durchführung des Auftrags ESP-DIMA in Wahrheit das Ende des Loses ESP 5, da der Auftrag ESP-DIMA an die Stelle des Loses ESP 4 trete, welches von der Kommission zulasten des Loses ESP 5 falsch genutzt worden sei.

38     Angesichts dieses Sachverhalts und ihrer derzeitigen finanziellen Situation macht die Antragstellerin geltend, sie werde einen nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden, wenn die beantragten einstweiligen Anordnungen nicht erlassen würden.

39     Insbesondere der Beschluss vom 10. November stütze sich vor allem auf fehlerhafte Informationen zu ihrer finanziellen Situation, nämlich auf die Annahme, dass die Antragstellerin viele Kunden habe, darunter Gemeinschaftsorgane, nationale öffentliche Einrichtungen und internationale Gesellschaften, und dass ihre Finanzlage als „gut“ bezeichnet werde, mit positiven Anmerkungen zu Absatz, Rentabilität und Gesamtvermögen (Randnr. 79 des Beschlusses vom 10. November).

40     Aus den neuen Versionen der Berichte, die dem vorliegenden Antrag in Form eines Berichts der Kanzlei Dun & Bradstreet vom 2. November 2004 und eines Berichts der Kanzlei EuroDB als Anhänge beigefügt sind (im Folgenden: neue Berichte), gehe hingegen hervor, dass laut den im Dezember 2003 festgestellten Zahlen der Jahresumsatz der Antragstellerin von 16 Millionen Euro im Jahr 2001 auf 14 Millionen Euro im Jahr 2002 und auf 10 Millionen Euro im Jahr 2003 gesunken sei. Die neuen Berichte verdeutlichten im Übrigen, dass zahlreiche der in den alten Berichten erwähnten Gesellschaften keine Lieferanten oder Kunden der Antragstellerin mehr seien. Die Zahl ihrer Kunden sei von 200 auf 15 gesunken, mit Ausnahme der die Kommission betreffenden Projekte, wie ESEM, das Los ESP 5 und die Rahmenverträge der GD „Haushalt“, sei sie an keinen „Großprojekten“ beteiligt und sie besitze keine Immobilien.

41     Ferner werde die Art und Weise der Durchführung des Loses ESP 5 durch die Kommission und der übrigen mit ihr geschlossenen Verträge dazu führen, dass sie bis Ende des Jahres 30 % ihrer Mitarbeiter entlassen müsse.

42     Was die mit der fehlerhaften Umsetzung des Loses ESP 5 verbundenen gesunkenen Einnahmen und die Kündigung ihrer Mitarbeiter betreffe, könnten die Folgen der gesunkenen Einnahmen nur dann ohne weiteres bewältigt werden, wenn eine Besserung ihrer Finanzlage eintrete. Jedenfalls wäre der erlittene Schaden, der nicht nur finanzieller Art wäre, nicht wieder gutzumachen. Dies ergebe sich aus dem Ausmaß des betreffenden Schadens, den beträchtlichen Ausgaben, die der Antragstellerin durch die Erbringung der mit Los ESP 5 verbundenen Dienstleistungen entstünden, sowie der Tatsache, dass dieses Los das Hauptprojekt der Antragstellerin darstelle und den größten Finanzposten bilde, der sich verringert habe.

43     Die Kommission weist die Behauptungen der Antragstellerin hinsichtlich ihrer Parteilichkeit sowie die Andeutungen, denen zufolge sie im Rahmen des ersten Antrags absichtlich fehlerhafte Informationen als Beweismittel angeführt habe, entschieden zurück. Die Behauptungen, die außerordentlich schwerwiegend seien und als Ehrverletzung bewertet werden könnten, entbehrten jeglicher Grundlage und seien unzutreffend. Die Kommission bestreitet insbesondere nachdrücklich, im Besitz der neuen Berichte gewesen zu sein, als sie dem Gericht die alten Berichte vorgelegt habe. Tatsächlich habe sie die neuen Berichte erst erhalten, als ihr der vorliegende Antrag am 24. November 2004 zugestellt worden sei. Die Behauptung der Antragstellerin, dass die alten Berichte fehlerhafte oder überholte Angaben enthielten, sei absurd, da sich diese auf Gespräche stützten, die mit Vertretern der Antragstellerin geführt worden seien, und sie als Nachweis für die Finanzkraft der Antragstellerin im Rahmen der Ausschreibung des Auftrags ESP-DIMA vorgelegt worden seien.

44     Der vorliegende Antrag sei offensichtlich unzulässig.

45     Erstens sei der Antrag gegenstandslos, da die Antragstellerin nicht die Aussetzung des Vollzugs des mit dem Konsortium ESP-DIMA geschlossenen Vertrages bezwecke.

46     Zweitens sei der vorliegende Antrag tatsächlich als Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 10. November und nicht als neuer Antrag auf einstweilige Anordnung zu bewerten.

47     Drittens erfülle der Antrag die Voraussetzungen des Artikels 104 der Verfahrensordnung nicht, da die Bedingungen für die einstweiligen Anordnungen, nämlich Dringlichkeit, Fumus boni iuris und ein Überwiegen der Interessen der Antragstellerin, nicht gegeben seien.

48     Viertens stütze sich der Antrag zwar auf die Artikel 108 und 109 der Verfahrensordnung, doch lägen keine die Zulässigkeit begründenden neuen Tatsachen oder veränderten Umstände im Sinne dieser Bestimmungen vor. Die neuen Berichte stellten keine „neuen Tatsachen“ oder „veränderten Umstände“ im Sinne der Artikel 108 und 109 der Verfahrensordnung dar. Wenn dem so wäre und soweit die Berichte in „Echtzeit“ erstellt worden seien, nämlich auf Anforderung des Kunden, könnten die Parteien allein durch Anforderung neuer derartiger Berichte eine Wiederaufnahme des Verfahrens herbeiführen.

49     Zudem könnten die Berichte deshalb keine neuen Tatsachen darstellen, weil sie nicht nach dem Beschluss vom 10. November entstanden seien (der Bericht von Dun & Bradstreet stamme vom 2. November 2004 und der Bericht von EuroDB sei nicht datiert) und sie sich auf Finanzdaten stützten, die Ende 2003 festgestellt worden seien; außerdem enthielten sie keine neuen Tatsachen, die die im Beschluss vom 10. November enthaltene Beurteilung der Dringlichkeit durch den Präsidenten des Gerichts ändern könnten. Vielmehr ergebe sich auch aus den neuen Berichten, dass die finanzielle Situation der Antragstellerin deren Existenz nicht gefährden könne. Der aus den neuen Berichten hervorgehende Kundenrückgang ändere nichts an der Tatsache, dass die Antragstellerin weiterhin über zahlreiche Kunden verfüge, wie der Website der Antragstellerin zu entnehmen sei. Schließlich werde die Behauptung der Antragstellerin über die Kündigung von Mitarbeitern unmittelbar durch die Tatsache widerlegt, dass sie ihrer Website zufolge aktiv um die Einstellung einer Vielzahl von Personen bemüht sei, insbesondere zur „Mitarbeit an den neuesten Projekten der Europäischen Kommission“.

50     Hilfsweise führt die Kommission an, soweit das Gericht den Antrag für zulässig halte, gehe aus den oben dargelegten Tatsachen eindeutig hervor, dass weiterhin keine Dringlichkeit gegeben sei, wie dies der Präsident des Gerichts in seinem Beschluss vom 10. November zutreffend festgestellt habe.

51     Schließlich falle eine Interessenabwägung klar zugunsten der Kommission aus, da eine Aussetzung des Vollzugs die Interessen der übrigen Bieter berühre, mit denen die Kommission Verträge geschlossen habe.

 Würdigung durch das Gericht

52     Mit dem vorliegenden Antrag, der einen neuen Antrag auf einstweilige Anordnung im Rahmen des Ausgangsverfahrens des ersten Antrags darstellt, beruft sich die Antragstellerin auf die Artikel 108 und 109 der Verfahrensordnung und beantragt einstweilige Anordnungen, die sich mit den dem ersten Antrag zugrunde liegenden einstweiligen Anordnungen decken, nämlich die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung über die Zuschlagserteilung und des Begründungsschreibens.

53     Der erste Antrag wurde jedoch mit Beschluss vom 10. November zurückgewiesen.

54     Soweit sich die Antragstellerin im vorliegenden Fall ohne Begründung auf Artikel 108 der Verfahrensordnung beruft, ist zu beachten, dass gemäß dieser Bestimmung eine einstweilige Anordnung jederzeit auf Antrag einer Partei wegen veränderter Umstände abgeändert oder aufgehoben werden kann. Die Bestimmung ist jedoch nur anwendbar, wenn einstweilige Anordnungen getroffen worden sind. Wurde der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen, ist die Bestimmung nicht anwendbar, da dieser Fall unter Artikel 109 der Verfahrensordnung fällt (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofes vom 14. Februar 2002 in der Rechtssache C‑440/01 P[R], Kommission/Artedogan, Slg. 2002, I‑1489, Randnrn. 62 bis 64).

55     Artikel 109 der Verfahrensordnung lautet: „Die Abweisung eines Antrags auf einstweilige Anordnung hindert den Antragsteller nicht, einen weiteren, auf neue Tatsachen gestützten Antrag zu stellen.“

56     Da der erste Antrag zurückgewiesen wurde und sich der vorliegende Antrag auf das angebliche Vorliegen neuer Tatsachen stützt, ist er nur zulässig, wenn der Tatbestand des Artikels 109 der Verfahrensordnung erfüllt ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 8. Oktober 2001 in der Rechtssache T‑236/00 R II, Stauner u. a./Parlament und Kommission, Slg. 2001, II‑2943, Randnr. 46).

57     Der entsprechende Nachweis obliegt der Antragstellerin.

58     Die Antragstellerin hat jedoch nicht nachgewiesen, dass der Tatbestand im vorliegenden Fall erfüllt wäre.

59     Zunächst hat die Antragstellerin nicht den Versuch unternommen, klar darzulegen, wieso die dem vorliegenden Antrag zugrunde liegenden Tatsachen als „neue Tatsachen“ im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung angesehen werden müssten.

60     Unter „neuen Tatsachen“ im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung sind Tatsachen zu verstehen, die nach Verkündung des Beschlusses, mit dem der erste Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen wurde, entstanden sind oder die der Antragsteller in seinem ersten Antrag oder während des dem ersten Beschluss vorangehenden Verfahrens nicht geltend machen konnte und die für die Beurteilung des fraglichen Falls relevant sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss Stauner u. a./Parlament und Kommission, Randnr. 49; vgl. entsprechend bezüglich des Begriffs der „veränderten Umstände“ im Sinne von Artikel 108 der Verfahrensordnung Beschluss Kommission/Artedogan, Randnrn. 63 und 64; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 4. April 2002 in der Rechtssache T‑198/01 R, Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission, Slg. 2002, II‑2153, Randnr. 123, und vom 21. Januar 2004 in der Rechtssache T‑245/03 R, FNSEA u. a./Kommission, Slg. 2004, II‑0000, Randnr. 129).

61     Keine der Angaben, auf die sich die Antragstellerin im Rahmen des vorliegenden Antrags stützt, kann als neue Tatsache im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung angesehen werden.

62     Im Wesentlichen stützt sich die Antragstellerin auf die neuen Berichte, und darüber hinaus wiederholt sie einige bereits im ersten Antrag vorgebrachten Argumente zur Bedeutung des Loses ESP 5 für die Gesamtheit ihrer Tätigkeiten und ihrer Finanzmittel sowie zu den möglichen Auswirkungen der angeblich fehlerhaften Durchführung des Loses ESP 5 auf ihre Tätigkeiten, ihre Mitarbeiter und ihre Finanzmittel.

63     Das Vorbringen in Nummer 3 des vorliegenden Antrags, die Einnahmen der Antragstellerin seien von 16 Millionen Euro im Jahr 2001 auf 10 Millionen Euro im Jahr 2003 gesunken, war bereits im ersten Antrag enthalten und wurde im Beschluss vom 10. November ausdrücklich nicht als Nachweis für die behauptete mögliche Gefährdung der Existenz der Antragstellerin angesehen (Randnrn. 51 und 75 bis 76). Abgesehen davon, dass die Antragstellerin ebenso wenig wie im ersten Antrag den Versuch einer Erklärung unternimmt, inwiefern die gesunkenen Einnahmen ihre Existenz gefährden könnten, können die Finanzinformationen aus dem Jahr 2003, die bereits im ersten Antrag vorgelegt wurden, offensichtlich keine neuen Tatsachen im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung darstellen.

64     Diese Erwägungen gelten auch für das Vorbringen in den Punkten 3, 5 und 6 des vorliegenden Antrags zur Durchführung des Loses ESP 5 und zu den Folgen, die sich hieraus für die Tätigkeiten, Mitarbeiter und Finanzmittel der Antragstellerin ergeben könnten, insbesondere bezüglich einer möglichen Entlassung zahlreicher Mitarbeiter der Antragstellerin. Aus diesem Vorbringen ergeben sich keine neuen Tatsachen. Sie wurden nämlich bereits im ersten Antrag vorgebracht und durch den Beschluss vom 10. November ausdrücklich zurückgewiesen (Randnrn. 49 bis 52 und 81).

65     Das Vorbringen in Punkt 4 des vorliegenden Antrags ist für die Bewertung der Voraussetzung der Dringlichkeit nicht relevant und kann daher keine Zweifel am Ergebnis des Beschlusses vom 10. November wecken. Jedenfalls betrifft dieses Vorbringen den Nutzungsgrad, den die verschiedenen Lose der ESP-Aufträge in der Vergangenheit aufwiesen. Weder behauptet die Antragstellerin, noch geht aus den Akten hervor, dass diese Informationen neue Tatsachen darstellten, die nach dem Beschluss vom 10. November entstanden wären oder während des dem Beschluss vorangehenden Verfahrens nicht von der Antragstellerin hätten geltend gemacht werden können. Daher können sie keine neuen Tatsachen im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung begründen.

66     Bezüglich der neuen Berichte, die dem vorliegenden Antrag als Anhänge beigefügt sind, trägt die Antragstellerin vor, ihre finanzielle Situation sei schlechter als in den alten Berichten dargestellt; insbesondere hätten sich ihre Einnahmen bis 2003 verringert, die in den alten Berichten aufgeführte Zahl ihrer Kunden und Lieferanten sei falsch, und sie besitze keine Immobilien.

67     Wie die Kommission jedoch zutreffend in ihren Erklärungen festgestellt hat, können die neuen Berichte weder als „neue Tatsachen“ im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung noch als veränderte Umstände betrachtet werden.

68     Erstens handelt es sich nicht um neue Berichte, da die Antragstellerin diese bereits während des Verfahrens, das dem Beschluss vom 10. November vorausging, hätte geltend machen können. Der Bericht von Dun & Bradstreet vom 2. November 2004 wurde vor dem Beschluss vom 10. November verfasst, während der Bericht von EuroDB nicht datiert ist. Im Übrigen stützen sich diese beiden Berichte auf Daten, die sich auf die Zeit vor dem 10. November beziehen, insbesondere auf Gespräche mit Angehörigen der Leitung der Antragstellerin, die am 1. November 2004 stattfanden (Bericht Dun & Bradstreet, S. 2) und auf Finanzinformationen hinsichtlich der Lage der Gesellschaft Ende des Kalenderjahres 2003 (Bericht Dun & Bradstreet, S. 4, und Bericht Euro DB, S. 3). Daher war die Antragstellerin in der Lage, sich in ihrem Schriftsatz vom 2. November 2004 auf die neuen Berichte zu berufen. Auf Ersuchen der Antragstellerin hat das Gericht deren Schriftsatz vom 2. November 2004 berücksichtigt.

69     Zweitens enthalten die neuen Berichte keine Informationen, die die Antragstellerin nicht während des dem Beschluss vom 10. November vorangehenden Verfahrens hätte geltend machen können. Die Finanzberichte sowie die fraglichen Berichte enthalten lediglich eine Untersuchung der finanziellen Situation der Gesellschaft auf Grundlage der Informationen, die den Verfassern der Berichte zur Verfügung standen. Sie können einen zusätzlichen Nachweis für die finanzielle Situation der Antragstellerin liefern, aber die realen Tatsachen, die diese Situation begründen, werden durch sie nicht verändert. Wenn das bloße Vorliegen der Berichte (im Gegensatz zur realen finanziellen Situation, die von den Berichten untersucht wird), die „in Echtzeit“ auf Verlangen eines Kunden erstellt werden und sich weitgehend auf Informationen stützen, die der Kunde liefert, als „neue Tatsache“ im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung angesehen würde, könnte eine Partei, wie die Kommission in ihren Erklärungen zutreffend hervorhebt, sich in unbegrenztem Maß auf neue Tatsachen berufen, indem sie einfach einen neuen Bericht erstellen ließe, ohne dass sich ihre finanzielle Situation tatsächlich geändert hätte.

70     Die Antragstellerin war uneingeschränkt in der Lage, die Informationen zu ihrer tatsächlichen finanziellen Situation im Rahmen ihres ersten Antrags oder ihrer Erwiderung auf die Erklärungen der Kommission zum ersten Antrag einzureichen. Sie benötigte keine extern verfassten Finanzberichte, um nachzuweisen, dass sie über eine bestimmte Anzahl an Kunden verfügte oder keine Immobilien besaß. Soweit die fraglichen Berichte auf Verlangen eines Kunden in Echtzeit erstellt werden konnten, kann man darüber hinaus nicht davon ausgehen, dass die Antragstellerin nicht in der Lage war, aktuelle Berichte vorzulegen, um ihre im ersten Antrag enthaltenen Behauptungen zur Dringlichkeit zu untermauern.

71     Wie aus dem Beschluss vom 10. November hervorgeht, hat die Antragstellerin jedoch in ihrem ersten Antrag keine Angaben zur Stützung ihres Vorbringens erbracht, dass die Ablehnung der beantragten einstweiligen Anordnungen zu einer finanziellen Situation führen würde, die eine Gefährdung ihrer Existenz zur Folge hätte. Das bloße Vorliegen neuer Berichte stellt keine Veränderung gegenüber der finanziellen Situation der Antragstellerin dar, wie sie zum Zeitpunkt der Stellung des ersten Antrags oder der Unterzeichnung des Beschlusses vom 10. November gegeben war. In diesem Zusammenhang ist es schwer vorstellbar, dass in dem kurzen Zeitraum von zwei Wochen, der zwischen der Verkündung des Beschlusses vom 10. November und der Stellung des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung liegt, oder seit dem ersten Antrag eine hinreichende Änderung der finanziellen Situation der Antragstellerin eingetreten ist. Im Übrigen macht die Antragstellerin auch keine solche Änderung geltend.

72     Damit ist festzustellen, dass die beiden Berichte nicht als neue Tatsachen im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung angesehen werden können.

73     Die Prüfung des Inhalts der beiden Berichte, die wohlgemerkt die finanzielle Situation der Antragstellerin in einem vor dem 10. November 2004 liegenden Zeitraum untersuchen, ergibt im Übrigen, dass sich die Gesamtbewertung ihrer finanziellen Situation nicht wesentlich von der in den alten Berichten enthaltenen Bewertung unterscheidet. Daher sind sie nicht geeignet, das Ergebnis des Beschlusses vom 10. November in Frage zu stellen, wonach die Antragstellerin nicht nachgewiesen hat, dass ohne die beantragten Anordnungen ihre Existenz gefährdet oder ihre Position auf dem Markt irreversibel verändert werden könnte (Randnr. 73 des Beschlusses vom 10. November).

74     Wie die Kommission in ihren Erklärungen zutreffend hervorgehoben hat, wird die allgemeine finanzielle Situation der Antragstellerin im Bericht von Dun & Bradstreet vom 26. Juli 2004 und im neuen Bericht derselben Kanzlei vom 2. November 2004 mit der Formulierung „ausreichend“ (fair) und dem Rating „2A3“ identisch beurteilt. Der alte Bericht von EuroDB beurteilt die finanzielle Situation der Antragstellerin als „gut“ (good), während der neue Bericht dieser Kanzlei keine Beschreibung dieser Art enthält. Der neue Bericht von Dun & Bradstreet vom 2. November 2004 fügt hinzu, dass die Antragstellerin „als hinreichend eigenfinanziert beschrieben werden kann“. Der Inhalt dieses Berichts ändert auch nichts an der im Beschluss vom 10. November enthaltenen Erwägung, dass die Antragstellerin über eine Vielzahl von Kunden verfüge und an verschiedenen Projekten beteiligt sei. Auch wenn sie sich auf eine geringere Zahl von Kunden beziehen, weisen die neuen Berichte für die Antragstellerin ein Portfolio von 27 Kunden auf (neuer Bericht Dun & Bradstreet, S. 3), darunter Großkunden wie die Kommission, das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat), das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften und das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) (Bericht EuroDB, S. 2). Die Antragstellerin erkennt selbst an, dass sie weiterhin an Großprojekten der Kommission beteiligt ist. Wie die Kommission in ihren Erklärungen hervorhebt, bestätigt die Website der Antragstellerin diese Sachlage.

75     Letztlich kann weder das Vorliegen neuer Berichte noch deren Inhalt das Ergebnis des Beschlusses vom 10. November berühren.

76     Das Vorliegen neuer Berichte kann keine Zweifel an der Erwägung des Beschlusses vom 10. November begründen, die Antragstellerin habe rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass sich der angebliche Schaden aus den streitigen Rechtsakten ergebe oder dass dieser als schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden im Sinne der Rechtsprechung des Gerichts angesehen werden könne (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 20. Juli 2000 in der Rechtssache T‑169/00 R, Esedra/Kommission, Slg. 2000, II‑2951, Randnr. 43, und vom 27. Juli 2004 in der Rechtssache T‑148/04 R, TQ3 Travel Solutions Belgium/Kommission, Slg. 2004, II‑0000, Randnr. 41 sowie die dort zitierte Rechtsprechung). Der Beschluss stützt sich nicht auf den Inhalt der alten Berichte, sondern zuvörderst auf die Tatsache, dass die Antragstellerin keinen Kausalzusammenhang zwischen dem angeblichen Schaden und dem Rechtsakt, dessen Vollstreckung auszusetzen sie beantragt hat, nachgewiesen hat (Randnrn. 66 bis 70 des Beschlusses vom 10. November), und ferner auf die Tatsache, dass die Antragstellerin zu ihrer finanziellen Situation nichts vorgetragen hat, was das Gericht zu der Annahme bringen könnte, dass ihre Existenz in Gefahr stünde, bis das Gericht zur Hauptsache entschieden hat (Randnrn. 75 und 76), und nicht den Nachweis erbracht hat, dass sich ihre Position auf dem Markt irreversibel verändern könnte (Randnr. 81).

77     Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der vorliegende Antrag neue Tatsachen im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung darlegt oder doch Tatsachen enthält, die die Erwägungen des Beschlusses vom 10. November in Frage stellen könnten.

78     Folglich ist der vorliegende Antrag mangels neuer Tatsachen als unzulässig zurückzuweisen.

 Zum Antrag auf Beweiserhebung durch die Vorlage von Unterlagen durch die Kommission

 Vorbringen der Parteien

79     Die Antragstellerin stellt erneut den Antrag, den sie in ihren Erklärungen vom 23. September 2004 im Rahmen des ersten Antrags gestellt hatte, dass nämlich der Präsident des Gerichts der Kommission aufgeben möge, die fraglichen Unterlagen vorzulegen, weil sie zeigen könnten, dass die Durchführung der Lose ESP 4 und ESP 5 rechtswidrig und parteiisch zugunsten des Konsortiums ESP 4 gewesen sei und sie daher für die Einhaltung ihrer Verfahrensrechte wesentlich und dem Gericht nützlich seien. Es sei für das Gericht sogar entscheidend wichtig, die Unterlagen zu erhalten.

80     Die Kommission meint, dass der Beweiserhebungsantrag zurückzuweisen sei, weil die Antragstellerin entgegen den Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht dargelegt habe, wozu die Vorlage der fraglichen Unterlagen nützlich sein sollte.

 Würdigung durch das Gericht

81     Wie bereits im Beschluss vom 10. November festgestellt, ist der Antrag der Antragstellerin auf Vorlage der fraglichen Unterlagen als ein Antrag auf Beweisaufnahme oder auf eine prozessleitende Maßnahme anzusehen.

82     Gemäß Artikel 105 § 2 der Verfahrensordnung kann der Präsident des Gerichts eine Beweisaufnahme anordnen. Die Beweisaufnahme umfasst gemäß Artikel 65 der Verfahrensordnung u. a. die Vorlage von Urkunden. Das Gericht kann gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung prozessleitende Maßnahmen beschließen, darunter die Vorlage von Unterlagen oder Beweisstücken im Zusammenhang mit der Rechtssache.

83     Da der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnung wegen fehlenden Vorliegens der Voraussetzungen von Artikel 109 der Verfahrensordnung zurückzuweisen ist, sind die fraglichen Unterlagen für die Prüfung des vorliegenden Antrags ohne Belang, und deshalb sind die von der Antragstellerin in Bezug auf die fraglichen Unterlagen beantragten Maßnahmen nicht zu ergreifen.

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 22. Dezember 2004

Der Kanzler

 

       Der Präsident

H. Jung

 

      B. Vesterdorf


* Verfahrenssprache: Englisch.