Language of document : ECLI:EU:T:1998:48

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

3. März 1998 (1)

„Entscheidung, den Zugang zu bestimmten Dokumenten zu verweigern - Stellungnahme des Juristischen Dienstes - Schutz des öffentlichen Interesses - Antrag auf einstweilige Anordnungen - Antrag auf Übermittlung von Dokumenten an ein nationales Gericht“

In der Rechtssache T-610/97 R

Hanne Norup Carlsen, wohnhaft in Kokkedal (Dänemark),

Ingeborg Fangel, wohnhaft in Kopenhagen,

Nicolas Fischer, wohnhaft in Kopenhagen,

Jørgen Erik Hansen, wohnhaft in Frederiksberg (Dänemark),

Marianne Henriksen, wohnhaft in Karrebæksminde (Dänemark),

Ole Donbæk Jensen, wohnhaft in Kopenhagen,

Yvonne Petersen, wohnhaft in Kopenhagen,

Iver Reedtz-Thott, wohnhaft in Kopenhagen,

Lars Ringholm, wohnhaft in Ringsted (Dänemark),

Arne Würgler, wohnhaft in Hellerup (Dänemark),

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen Karen Dyekjær-Hansen und - in der mündlichen Verhandlung - Katja Høegh, Kopenhagen, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Aloyse May, 31, Grand-rue, Luxemburg,

Antragsteller,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch Jean-Claude Piris, Generaldirektor des Juristischen Dienstes, Bjarne Hoff-Nielsen, Abteilungsleiter, und Martin Bauer, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Alessandro Morbilli, Leiter der Direktion für Rechtsfragen der Europäischen Investitionsbank, 100, boulevard Konrad Adenauer, Luxemburg,

Antragsgegner,

wegen einstweiliger Anordnungen, durch die zum einen dem Rat aufgegeben wird, dem Højesteret und den Parteien einer bei diesem Gericht anhängigen Rechtssache die Dokumente DOK.R/2026/77 (ENV.118) (AGRI 563) und DOK.R/1867/77 (JUR.95) (ENV.106) zu übermitteln, und durch die zum anderen das Højesteret und die Parteien des Verfahrens verpflichtet werden, den Inhalt der übermittelten Dokumente in einer öffentlichen Sitzung nicht bekanntzugeben,

erläßt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluß

Sachverhalt und Verfahren

1.
    Mit Klageschrift, die am 23. Dezember 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragsteller Hanne Norup Carlsen, Sozialarbeiterin, Ingeborg Fangel, Studentin, Nicolas Fischer, Informatiker, Jørgen Erik Hansen, Nachtwächter, Marianne Henriksen, Verkäuferin, Ole Donbæk Jensen, Werftarbeiter, Yvonne Petersen, arbeitslos, Iver Reedtz-Thott, Landwirt, Lars Ringholm, Student der Journalistik, und Arne Würgler, Musiker, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Rates vom 3. November 1997, mit der dieser die Übermittlung der Dokumente DOK.R/2026/77 (ENV.118) (AGRI 563), DOK.R/1867/77 (JUR.95) (ENV.106) und DOK.R/2048 dk/77 (ENV.119) (AGRI 568), die die Stellungnahmen der Juristischen Dienste des Rates und der Kommission enthalten, verweigert hat.

2.
    Mit besonderem Schriftsatz, der am 6. Januar 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragsteller gemäß Artikel 186 des Vertrages einen Antrag auf einstweilige Anordnungen gestellt, durch die zum einen dem Rat aufgegeben wird, die genannten Dokumente dem Højesteret und den Parteien einer bei diesem Gericht anhängigen Rechtssache zu übermitteln, und durch die zum anderen das Højesteret und die Parteien des Verfahrens verpflichtet werden, den Inhalt der übermittelten Dokumente in einer öffentlichen Sitzung nicht bekanntzugeben.

3.
    Der Rat hat zu diesem Antrag am 22. Januar 1998 Stellung genommen. Die Parteien haben am 4. Februar 1998 mündlich verhandelt.

4.
    Vorab ist auf die Vorgeschichte des Rechtsstreits hinzuweisen, wie sie sich aus den von den Parteien eingereichten Schriftsätzen ergibt.

5.
    Am 17. Mai 1993 erhoben die Antragsteller beim Østre Landsret eine Klage, die die Frage betrifft, „ob der dänische Ministerpräsident ... berechtigt war, den Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 zu ratifizieren“, und mit der sie geltend machten, daß „der Beitritt gegen § 20 der dänischen Verfassung verstieß“. § 20 der dänischen Verfassung lautet wie folgt: „Befugnisse, die den Reichsbehörden nach dieser Verfassung zustehen, können durch Gesetz in näher bestimmtem Umfang zur Förderung der internationalen Rechtsordnung und Zusammenarbeit an zwischenstaatliche Behörden übertragen werden, die durch gegenseitige Vereinbarungen mit anderen Staaten errichtet worden sind.“

6.
    Das Østre Landsret wies die Klage mit Urteil vom 27. Juni 1997 ab.

7.
    Mit Schriftsatz vom 22. Juli 1997 legten die Antragsteller gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel beim Højesteret ein.

8.
    Im Rahmen des Verfahrens vor dem Højesteret beantragten die Antragsteller beim Rat Zugang zu bestimmten Dokumenten, in deren Besitz er war. Genauer gesagt, wies die Anwältin der Antragsteller den Rat mit Schreiben vom 26. September 1997 zunächst darauf hin, daß dieser „ihr mit Schreiben vom 16. Januar 1997 eine Reihe von Protokollen des Rates und andere Dokumente, darunter eine Einleitende Aufzeichnung des COREPER an den Rat vom 30. März 1979, übersandt“ habe. Diese Aufzeichnung enthielt eine Erklärung der dänischen Delegation, wonach diese es für fraglich hielt, ob die Bestimmungen der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1) „den in Artikel 2 EWG-Vertrag festgelegten Zielen entsprechen und ob Artikel 235 Anwendung finden kann. Auch wenn die dänische Regierung es in der konkreten Angelegenheit nicht gewünscht hat, das diesbezügliche Vorbringen der acht übrigen Mitgliedstaaten und der Juristischen Dienste zurückzuweisen, macht sie doch darauf aufmerksam, daß ihrer Ansicht nach der Erlaß dieser Richtlinie keinen Präzedenzfall für den Erlaß weiterer gleichartiger Rechtsakte der Gemeinschaft darstellen kann.“ Unter Berufung auf den Inhalt dieser Erklärungen ersuchte die Anwältin der Antragsteller sodann den Rat, ihr die darin genannten „Erwägungen der übrigen acht Mitgliedstaaten sowie der Juristischen Dienste“ mitzuteilen.

9.
    Außerdem ersuchte die Anwältin der Antragsteller den Rat mit Schreiben vom 30. September 1997 um Einsichtnahme in Protokolle zu verschiedenen Rechtsakten des Rates.

10.
    Mit Entscheidung vom 3. November 1997 (im folgenden: Entscheidung) gab der Rat diesen Anträgen der Antragsteller statt, wobei er lediglich die Stellungnahmen der Juristischen Dienste von Rat und Kommission zur Rechtsgrundlage der Richtlinie 79/409 von der Übersendung ausschloß. Er begründete diese Ablehnung damit, daß „[diese Stellungnahmen] nach ständiger Praxis ... nicht ausgehändigt werden, da die Weitergabe der Stellungnahmen des Juristischen Dienstes zu vom Rat behandelten Fragen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit und an der Beständigkeit des Gemeinschaftsrechts sowie das öffentliche Interesse daran verletzen könnte, daß der Rat Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung hat“.

11.
    Mit Beschluß vom selben Tag gab der Højesteret der dänischen Regierung - ohne ausdrücklichen Hinweis auf die von den Antragstellern beim Rat angeforderten Dokumente - auf, eine Reihe von andere Rechtsakte der Gemeinschaft betreffenden Dokumenten vorzulegen.

Entscheidungsgründe

12.
    Nach Artikel 186 des Vertrages in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der durch die Beschlüsse 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni1993 (ABl. L 144, S. 21) und 94/149/EGKS, EG des Rates vom 7. März 1994 (ABl. L 66, S. 29) geänderten Fassung kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, in den bei ihm anhängigen Sachen die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

13.
    Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Die beantragten Maßnahmen dürfen der Entscheidung zur Hauptsache nicht vorgreifen (vgl. Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 10. Dezember 1997 in der Rechtssache T-260/97 R, Camar/Kommission, Slg. 1997, II-2357, Randnr. 27).

Zum Gegenstand des Antrags auf einstweilige Anordnungen

14.
    Mit dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnungen wird begehrt, dem Rat aufzugeben, dem Højesteret und den Parteien des vor diesem Gericht anhängigen Verfahrens die drei Dokumente DOK.R/2026/77 (ENV.118) (AGRI 563), DOK.R/1867/77 (JUR.95) (ENV.106) und DOK.R/2048 dk/77 (ENV.119) (AGRI 568) zu übermitteln.

15.
    In seiner Stellungnahme zu diesem Antrag auf einstweilige Anordnungen hat der Rat darauf verwiesen, daß die Antragsteller mit Schreiben vom 3. November 1997 alle zuvor angeforderten Dokumente erhalten hätten „mit Ausnahme derjenigen, die in vollem Umfang die schriftlichen Stellungnahmen der Juristischen Dienste des Rates und der Kommission enthielten, darunter auch einen Auszug aus dem Dokument R/2048/77, nämlich die Seiten 1 und 2“. Der Rat hat außerdem erklärt, er sei bereit, den Antragstellern den übrigen Teil des Dokuments DOK.R/2048 dk/77 (ENV.119) (AGRI 568) zu übermitteln.

16.
    In der mündlichen Verhandlung haben die Antragsteller anerkannt, den vom Rat bezeichneten Auszug erhalten zu haben, und in Anbetracht des vom Rat erklärten Einverständnisses, ihnen Einsicht in das von ihnen im Antrag auf einstweilige Anordnung bezeichnete Dokument DOK.R/2048 dk/77 (ENV.119) (AGRI 568) zu gewähren, ihren Antrag insoweit zurückgenommen, als er dieses Dokument betrifft, während sie ihn im übrigen aufrechterhalten haben.

17.
    Mithin betrifft der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnungen nur die beiden Dokumente DOK.R/2026/77 (ENV.118) (AGRI 563) und DOK.R/1867/77 (JUR.95) (ENV. 106).

Vorbringen der Parteien

Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der beantragten Anordnungen

18.
    In ihrem Antrag auf einstweilige Anordnungen verweisen die Antragsteller lediglich auf ihr Vorbringen in der Klageschrift, in der sie zwei Klagegründe anführen, mit denen sie einen Begründungsmangel und einen Verstoß gegen den von Rat und Kommission am 6. Dezember 1993 gebilligten Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. 1993, L 340, S. 41; im folgenden: Verhaltenskodex) und den Beschluß 93/731/EG des Rates vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (ABl. L 340, S. 43) geltend machen.

- Zum ersten Antragsgrund: Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages

19.
    Nach Ansicht der Antragsteller genügt die angefochtene Entscheidung nicht der Begründungspflicht aus Artikel 190 des Vertrages, da sie zur Rechtfertigung der Weigerung, ihnen die Stellungnahmen der Juristischen Dienste zur Rechtsgrundlage der Richtlinie 79/409 zu übermitteln, nur einen einzigen Grund, nämlich die Verletzung des „öffentlichen Interesses“, anführe. Eine Entscheidung dieses Inhalts erfordere jedoch „eine konkrete und individuelle Begründung dafür, warum die Übermittlung der speziell in Frage stehenden rechtlichen Beurteilungen konkret das öffentliche Interesse verletzen würde“.

20.
    Der Rat hält diesen Antragsgrund unter Hinweis darauf für unbegründet, daß, wie sich aus dem Urteil des Gerichts vom 5. März 1997 in der Rechtssache T-105/95 (WWF UK/Kommission, Slg. 1997, II-313, Randnr. 65) ergebe, das betreffende Organ nicht verpflichtet sei, „für jedes Dokument die .zwingenden Gründe' anzugeben, die die Anwendung der Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses rechtfertigen“, da es sonst Gefahr liefe, „den Inhalt [des] Dokuments bekanntzumachen und ... der Ausnahme damit ihre wesentliche Zweckbestimmung zu nehmen“.

21.
    Wenn also die Begründung für die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten darauf beschränkt werden könne, daß allgemein der Gegenstand des betreffenden Dokuments bezeichnet und die allgemeinen Erwägungen angeführt würden, aufgrund deren der Zugang zu dem Dokument abgelehnt werden müsse, habe er seine Begründungspflicht erfüllt und somit nicht gegen Artikel 190 des Vertrages verstoßen.

- Zum zweiten Antragsgrund: Verstoß gegen den Verhaltenskodex und den Beschluß 93/731

22.
    Mit ihrem zweiten Antragsgrund machen die Antragsteller geltend, der Rat habe insoweit gegen den Verhaltenskodex und den Beschluß 93/731 verstoßen, als er die darin vorgesehenen Ausnahmen von dem fundamentalen Grundsatz der Transparenz weit ausgelegt habe.

23.
    Der Rat habe nämlich für seine Ablehnung Gründe angeführt, die nicht in diesen Rechtsakten genannt seien. Zum einen habe er sich auf den Ursprung derDokumente berufen, d. h. darauf, daß es sich hierbei um Stellungnahmen der Juristischen Dienste handele, und zum anderen auf die „Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit und [die] Beständigkeit des Gemeinschaftsrechts sowie das öffentliche Interesse daran ..., daß der Rat Zugang zu unabhängiger rechtlicher Beratung hat“. Keiner dieser Gründe sei in der Liste der im Verhaltenskodex und im Beschluß 93/731 vorgesehenen Ausnahmen vom Zugang zu den Dokumenten aufgeführt.

24.
    Die Beachtung fundamentaler Grundsätze wie derjenigen der „Transparenz und Offenheit, der Gewährleistung und Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit und der Stabilität des Gemeinschaftsrechts“ werde gerade durch das Recht auf Zugang zu allen Dokumenten, die sich auf den Erlaß von Akten des abgeleiteten Rechts bezögen, also auch den Stellungnahmen des Juristischen Dienstes, gesichert. Diese Stellungnahmen stellten keine unabhängige Rechtsberatung, sondern von einer internen Dienststelle des Organs vorgenommene Beurteilungen dar. Wenn solche Beurteilungen geheimgehalten würden, würde der fundamentale Grundsatz der Waffengleichheit verletzt, da den Gemeinschaftsorganen ein weiter gehendes Geheimhaltungsrecht zustünde als Privatpersonen (vgl. hierzu Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1982 in der Rechtssache 155/79, AM & S/Kommission, 1982, 1575).

25.
    Zudem hätten die Stellungnahmen der Juristischen Dienste im vorliegenden Fall nur historische Bedeutung, da sie einen schon 1979 erlassenen Rechtsakt beträfen.

26.
    Der Rat führt zunächst aus, die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung sei nicht der Beschluß 93/731, sondern Artikel 5 Absatz 2 seiner (mit Beschluß 93/662/EG vom 6. Dezember 1993, ABl. L 304, S. 1, erlassenen) Geschäftsordnung, wonach er „die Vorlage einer Abschrift oder eines Auszugs seiner Protokolle vor Gericht genehmigen [kann]“. Jedenfalls seien die Gründe dafür, die Vorlage einer Stellungnahme seines Juristischen Dienstes zu verweigern, bei beiden Rechtsakten - Artikel 5 Absatz 2 der Geschäftsordnung und Beschluß 93/731 - die gleichen.

27.
    Dazu trägt der Rat vor, nicht für alle Dokumente des Juristischen Dienstes müsse die Vertraulichkeit im Sinne von Artikel 4 des Beschlusses 93/731 gewahrt werden. Dokumente des Juristischen Dienstes, die wie hier Stellungnahmen zu Rechtsfragen enthielten, seien jedoch ihrer Natur nach Dokumente, zu denen er nach Artikel 4 Absatz 1 den Zugang ablehnen müsse. Diese Bestimmung enthalte eine Aufzählung von Ausnahmen, derentwegen der Zugang zu einem Dokument von ihm „nicht gewährt werden [darf]“. Diese Stellungnahmen stellten nämlich „ein wichtiges Instrument zur Absicherung der Rechtmäßigkeit seiner Rechtsakte und zum Voranbringen der Beratung der rechtlichen Aspekte einer Angelegenheit“ dar. Wenn er diese Stellungnahmen weitergäbe, verlöre dieses Instrument jeden Wert und würden die Wirksamkeit seiner Arbeit und die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen beeinträchtigt. Es wäre dann nämlich unmöglich, die Unabhängigkeit des Juristischen Dienstes in dessen Stellungnahmen zu vom Rat zu erlassendenRechtsakten zu wahren. Eine Infragestellung dieser Interessen des Rates würde letztlich einer Verletzung des Interesses der Öffentlichkeit an der Rechtssicherheit und der Beständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung gleichkommen. Eben um den Schutz dieses Interesses sicherzustellen, verfüge er über eine unabhängige Rechtsberatung, ungeachtet der Tatsache, daß sich die fünfzehn Mitgliedstaaten von den Rechtsabteilungen ihrer eigenen Verwaltungen beraten lassen könnten.

28.
    Entgegen der Auffassung der Antragsteller sei der Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen, auch wenn Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses 93/731 nur auf die Begriffe öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten Bezug nehme. Durch eine Auslegung, bei der bestimmte Aspekte des öffentlichen Interesses von vornherein ausgenommen wären, könnte nämlich das Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Rechts auf Zugang zu Dokumenten und dem Schutz dieses öffentlichen Interesses verzerrt werden.

29.
    Was schließlich die angeblich bloß historische Bedeutung der Stellungnahmen der Juristischen Dienste zur Rechtsgrundlage der Richtlinie 79/409 angehe, so könne die Rechtswidrigkeit eines Rechtsakts auch dann noch - im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens oder einer Einrede der Rechtswidrigkeit - geltend gemacht werden, wenn diese Stellungnahmen einen 1979 erlassenen Rechtsakt beträfen. Da zudem Artikel 235 des Vertrages, der die Rechtsgrundlage für die Richtlinie darstelle, seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Rom unverändert geblieben sei, seien die in den fraglichen Stellungnahmen vorgebrachten Argumente im Rahmen eines Rechtsstreits über die Rechtmäßigkeit dieser Richtlinie weiterhin relevant.

Zur Dringlichkeit

30.
    Die Antragsteller machen geltend, der Termin zur mündlichen Verhandlung im Verfahren vor dem Højesteret sei auf den 5. März 1998 anberaumt worden. Da es bei dieser Rechtssache um die Frage gehe, ob die Übertragung von Befugnissen, die sich aus dem Beitritt des Königreichs Dänemark zu den Europäischen Gemeinschaften im Jahr 1972 ergebe, gegen die dänische Verfassung verstoße und ob der dänische Premierminister berechtigt gewesen sei, den Vertrag über die Europäische Union im Namen Dänemarks zu ratifizieren, sei es für sie äußerst wichtig, Zugang zu den fraglichen Dokumenten zu erhalten, um den Verstoß der dänischen Behörden gegen die Verfassung zu erhellen, der in der „Zustimmung zu der Zuständigkeit der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes“ bestehe.

31.
    Diese Umstände genügen nach Ansicht des Rates zur Begründung der Dringlichkeit offensichtlich nicht.

32.
    Die Antragsteller hätten weder nachgewiesen noch auch nur behauptet, daß die einstweiligen Anordnungen notwendig seien, um zu verhindern, daß ihnen ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehe. Sie wiesen lediglichdarauf hin, daß die mündliche Verhandlung vor dem Højesteret auf den 5. März 1998 anberaumt sei, ohne jedoch zu erklären, inwieweit die Stellungnahmen der Juristischen Dienste für die Rechtssache vor dem Højesteret von Bedeutung seien. Ebensowenig hätten sie geltend gemacht, daß zwischen der Ablehnung des Zugangs zu den genannten Dokumenten und einem etwaigen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehe. Jedenfalls hätte der Højesteret die fraglichen Dokumente vom Rat selbst anfordern können, wenn er der Auffassung gewesen wäre, daß sie wichtige Elemente zur Beurteilung der bei ihm anhängigen Rechtssache darstellten.

Zur Vorläufigkeit der beantragten Maßnahmen

33.
    Der Rat weist darauf hin, daß die im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung getroffenen Maßnahmen vorläufig sein müßten, d. h. sie dürften nicht im voraus die Wirkungen der später im Verfahren zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung aufheben.

34.
    Die mit dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung begehrte Maßnahme hätte jedoch endgültige Wirkungen, da sie die Wirkungen der Entscheidung über die Klage im Verfahren zur Hauptsache aufheben würde. Eine solche Maßnahme würde über die Tragweite dieser Entscheidung sogar noch hinausgehen, da dem Rat damit aufgegeben würde, bestimmte Dokumente zu übermitteln, obwohl das Gericht, wenn es über die nach Artikel 173 des Vertrages erhobene Klage im Verfahren zur Hauptsache entscheide, keine solche Anordnung treffen könnte. Es könnte nämlich nur die angefochtene Entscheidung für nichtig erklären, jedoch nicht die Übermittlung der fraglichen Dokumente anordnen.

35.
    Die Antragsteller erwidern, ihr Interesse an einer Sicherstellung des „allgemeinen Zugangs“ zu diesen Dokumenten würde auch bei Erlaß der beantragten Maßnahme fortbestehen, da dieser Zugang nur nach Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung hergestellt werden könne. Die beantragten Maßnahmen hätten einen anderen Gegenstand als die Klage im Verfahren zur Hauptsache, da sie lediglich die Übermittlung der Dokumente an das Højesteret und die betroffenen Parteien beträfen und mit ihnen das Verbot ausgesprochen würde, die Dokumente bekanntzugeben, während die Klage im Verfahren zur Hauptsache darauf ziele, die Entscheidung für nichtig zu erklären, die gerade den Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Dokumenten betreffe.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

Zur Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der beantragten Anordnungen

- Zum ersten Antragsgrund: Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages

36.
    Was den ersten Antragsgrund angeht, der auf einen Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages gestützt wird, so ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der Rat die Entscheidung über die Ablehnung des Antrags auf Zugang zu den Dokumenten, deren Übermittlung an das Højesteret und die Parteien des bei diesem Gericht anhängigen Verfahrens die Antragsteller begehren, damit begründet hat, daß diese Dokumente Stellungnahmen der Juristischen Dienste und als solche vertraulich seien. Er hat erklärt, daß diese Schriftstücke nach „ständiger Praxis“ nicht ausgehändigt werden könnten, da ihre Offenlegung zum einen das „öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit und an der Beständigkeit des Gemeinschaftsrechts“ und zum anderen das „öffentliche Interesse daran verletzen könnte, daß der Rat Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung hat“.

37.
    Die Antragsteller halten die Begründung der angefochtenen Entscheidung für allgemein gehalten und daher unzureichend.

38.
    Nach ständiger Rechtsprechung muß die nach Artikel 190 des Vertrages vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepaßt sein. Sie muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann (vgl. zuletzt Urteile des Gerichtshofes vom 4. Februar 1997 in den verbundenen Rechtssachen C-9/95, C-23/95 und C-156/95, Belgien und Deutschland/Kommission, Slg. 1997, I-645, Randnr. 44, und in den verbundenen Rechtssachen C-71/95, C-155/95 und C-271/95, Belgien und Deutschland/Kommission, Slg. 1997, I-687, Randnr. 53).

39.
    Im vorliegenden Fall stellt der Richter der einstweiligen Anordnung erstens fest, daß der Rat in der Entscheidung den Zugang zu den beiden fraglichen Dokumenten nicht wegen ihres besonderen Inhalts, sondern deshalb ablehnt, weil es sich um Stellungnahmen handele, die von den Juristischen Diensten der Gemeinschaftsorgane stammten. In Anbetracht des Inhalts der Entscheidung und insbesondere der Tatsache, daß die beiden fraglichen Dokumente Rechtsauffassungen interner Verwaltungsdienststellen enthalten, ist jedoch der Hinweis in der Begründung auf die besonderen Wirkungen der von den Antragstellern begehrten Verbreitung von Schriftstücken dieses Inhalts im vorliegenden Fall entbehrlich, so daß der Umstand, daß der Rat nicht den Inhalt jedes einzelnen Schriftstücks geprüft hat, als solcher prima facie keinen Begründungsmangel bedeutet. Dies wird durch die Rechtsprechung des Gerichts bestätigt, wonach die Begründung einer Entscheidung, den Zugang zu Dokumenten zu verweigern, für „jede Gruppe von Dokumenten“ die besonderen Gründe angeben muß, aus denen die Weitergabe der angeforderten Dokumente unter eine der einer solchen Mitteilung entgegenstehenden Ausnahmen (insbesondere derjenigen von Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 und von Absatz 1 der „Regelung der Ausnahmen“ überschriebenen Bestimmung des Verhaltenskodex) fällt; dabei braucht diese Begründung jedoch nicht für jedes Dokument die „zwingenden Gründe“ anzugeben, die die Anwendung der Ausnahme zum Schutzdes öffentlichen Interesses rechtfertigen, da es sich als unmöglich erweisen könnte, die Gründe für die vertrauliche Behandlung jedes Dokuments anzugeben, ohne den Inhalt dieses Dokument bekanntzumachen und ohne der Ausnahme damit ihre wesentliche Zweckbestimmung zu nehmen (vgl. Urteil WWF UK/Kommission, a. a. O., Randnrn. 64 und 65).

40.
    Zweitens ist festzustellen, daß der Rat in der Begründung der Entscheidung das öffentliche Interesse erwähnt, das im Fall der Verbreitung der Stellungnahmen des Juristischen Dienstes verletzt sein könnte. Dieses Interesse bestehe sowohl an „der Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit und an der Beständigkeit des Gemeinschaftsrechts“ als auch „daran ..., daß der Rat Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung hat“. Aus dem Wortlaut der Entscheidung geht eindeutig hervor, daß nach Ansicht des Rates, wie er sie auch in seinen schriftlichen und mündlichen Erklärungen vertreten hat, die Weitergabe der juristischen Stellungnahmen als von Dokumenten, die bloße technische Meinungsäußerungen enthalten, Unsicherheit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Gemeinschaftsrechtsakte schaffen und damit die „Rechtssicherheit“ sowie die „Beständigkeit des Gemeinschaftsrechts“ beeinträchtigen könnte. Die Weitergabe könnte mithin zu Schwierigkeiten bei der Beratungstätigkeit dieser Dienststellen und somit zur Verkümmerung eines wichtigen Instruments für die Tätigkeit des Rates führen.

41.
    Aufgrund dieser Erwägungen erscheint die Begründung der Entscheidung prima facie als hinreichend klar und hat daher keineswegs die Antragsteller daran gehindert, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Handlung geltend zu machen, oder es dem Richter der einstweiligen Anordnung unmöglich gemacht, die Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der beantragten Anordnung zu prüfen.

42.
    Nach alledem ist der Antragsgrund eines Verstoßes gegen Artikel 190 zurückzuweisen.

- Zum zweiten Antragsgrund: Verstoß gegen den Verhaltenskodex und den Beschluß 93/731

43.
    Die Antragsteller führen einen Verstoß gegen den Verhaltenskodex und den Beschluß 93/731 an und machen geltend, entgegen dem Inhalt der Entscheidung könne ein Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten, deren Übermittlung begehrt werde, nicht schon deshalb verwehrt werden, weil diese Dokumente rechtliche Stellungnahmen enthielten; auch enthalte weder der Verhaltenskodex noch der Beschluß 93/731 Ausnahmen, die ausdrücklich die in der Entscheidung angesprochenen öffentlichen Interessen beträfen, nämlich das öffentliche Interesse „an der Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit und an der Beständigkeit des Gemeinschaftsrechts“ sowie „daran ..., daß der Rat Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung hat“.

44.
    Insoweit ist zunächst die Bedeutung der fraglichen Dokumente zu prüfen, um im Anschluß daran beurteilen zu können, ob die Weigerung des Rates unter Berücksichtigung der nach Ansicht der Antragsteller verletzten Bestimmungen gerechtfertigt ist.

45.
    Der Richter der einstweiligen Anordnung stellt fest, daß die Stellungnahmen der Juristischen Dienste offensichtlich interne Dokumente sind - was grundsätzlich für eine vertrauliche Behandlung nicht genügt - und daß der Hauptzweck dieser Dokumente darin besteht, dem Organ gegenüber, das einen Rechtsakt zu erlassen hat, zu Rechtsfragen Stellung zu nehmen. Es handelt sich also dabei um bloße Arbeitsinstrumente.

46.
    Der Richter der einstweiligen Anordnung stellt außerdem fest, daß die Weitergabe derartiger Dokumente zur Folge hätte, daß die Erörterung und der Meinungsaustausch innerhalb des Organs über Rechtmäßigkeit und Tragweite des zu erlassenden Rechtsakts publik gemacht würden, so daß, wie der Rat bemerkt hat, das Organ jedes Interesse daran verlieren könnte, die Juristischen Dienste um schriftliche Stellungnahmen zu bitten. Zumindest nach einer ersten Prüfung zeigt sich also, daß die Weitergabe dieser Dokumente eine Unsicherheit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Gemeinschaftsrechtsakte schaffen und negative Folgen für das Funktionieren der Gemeinschaftsorgane haben könnte. Daraus folgt, daß darunter die Stabilität der Gemeinschaftsrechtsordnung und das ordnungsgemäße Funktionieren der Organe leiden würden, die öffentliche Interessen darstellen, deren Wahrung zweifellos gewährleistet werden muß.

47.
    Wegen der besonderen Natur der beiden fraglichen Dokumente ergibt sich daher prima facie, daß die vom Rat angeführten Ablehnungsgründe - das Erfordernis, für die „Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit und [die] Beständigkeit des Gemeinschaftsrechts“ sowie dafür zu sorgen, daß „der Rat Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung hat“ - auch im Hinblick auf Wortlaut und Zweck der von den Antragstellern angeführten Bestimmungen als stichhaltig anzusehen sind.

48.
    Was speziell die Frage angeht, ob der Schutz dieser Interessen im Verfahrenskodex und im Beschluß 93/731 verankert ist, so bestimmen diese Rechtsakte, daß der „Zugang zu einem Ratsdokument ... nicht gewährt werden [darf], wenn durch die Verbreitung des Dokuments folgendes verletzt werden könnte: - der Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten)“ (Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 und Absatz 1 der „Regelung der Ausnahmen“ überschriebenen Bestimmung des Verfahrenskodex). Der Formulierung der Bestimmung ist zu entnehmen, daß dort zum einen im ersten Gedankenstrich in Klammern fünf Gruppen von Interessen genannt werden, die einen absoluten Schutz genießen, daß aber zum anderen am Anfang dieses Gedankenstrichs der allgemeine Begriff des „öffentlichen Interesses“ steht. Nach dem Inhalt der Bestimmung ist es jedoch der Schutz des öffentlichen Interesses im allgemeinen, der die Ablehnung des Zugangs zu Dokumenten rechtfertigen kann,so daß es unzutreffend wäre, die Bedeutung des Begriffes des öffentlichen Interesses entgegen dem Wortlaut der Bestimmung auf die fünf in Klammern stehenden Fälle zu beschränken.

49.
    Die Antragsteller machen geltend, nach der Rechtsprechung des Gerichts sei die Liste der Ausnahmen vom allgemeinen Recht auf Zugang zu Dokumenten eng auszulegen (vgl. Urteil WWF UK/Kommission, Randnr. 56). Diese Rechtsprechung kann jedoch nicht die oben dargestellte Deutung von Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 und von Absatz 1 der „Regelung der Ausnahmen“ überschriebenen Bestimmung des Verhaltenskodex in Frage stellen, die auf einer wörtlichen Auslegung dieser Bestimmungen beruht. Diese sind nämlich zuallererst durch die ausdrückliche Nennung des allgemeinen Erfordernisses des Schutzes des öffentlichen Interesses gekennzeichnet und führen danach einige besondere Anwendungsfälle in Klammern an, wobei sie ihnen klar und unzweideutig geringere Bedeutung beimessen.

50.
    Die Antragsteller behaupten weiter, daß die Stellungnahmen, deren Übermittlung an das Højesteret und die betroffenen Parteien sie beantragen, nunmehr nur noch historische Bedeutung hätten und infolgedessen nicht mehr als vertraulich angesehen werden könnten. Hierzu ist festzustellen, daß angesichts der besonderen Natur der Stellungnahmen der Juristischen Dienste nicht davon ausgegangen werden kann, daß diese Dokumente ihren vertraulichen Charakter im Laufe der Jahre grundsätzlich zwangsläufig verlieren. Ihre Weitergabe könnte nämlich immer noch das öffentliche Interesse an der Beständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung und am ordnungsgemäßen Funktionieren der Gemeinschaftsorgane verletzen, da sich die obengenannten Gründe, die eine solche Ausnahme vom Recht auf Zugang rechtfertigen, nicht unbedingt durch Zeitablauf ändern. Außerdem ist den Akten kein Anhaltspunkt für die Richtigkeit dieses Arguments der Antragsteller zu entnehmen, der unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung zuließe, daß überhaupt kein Rechtfertigungsgrund für eine vertrauliche Behandlung der fraglichen Dokumente besteht.

51.
    Abschließend machen die Antragsteller geltend, im vorliegenden Fall werde in diskriminierender Weise differenziert zwischen der vertraulichen Behandlung von rechtlichen Stellungnahmen interner Dienststellen der Gemeinschaftsorgane und der vertraulichen Behandlung von rechtlichen Stellungnahmen innerhalb von Einrichtungen anderer Art, die über eine eigene Organisation und eigene Dienststellen einschließlich eines Juristischen Dienstes verfügten. Interne Stellungnahmen von Gemeinschaftsorganen würden nämlich als vertraulich angesehen, während nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nur dem die Verteidigung des Mandanten betreffenden Schriftverkehr mit einem unabhängigen Rechtsanwalt, der „nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden“ sei, eine solche vertrauliche Behandlung zuteil werde (Urteil AM & S/Kommission, a. a. O.).

52.
    Die Berufung auf diese Rechtsprechung geht im vorliegenden Fall fehl. Das Urteil AM & S betrifft nämlich nicht den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten von Privatpersonen, sondern vielmehr die Mitteilung von Dokumenten eines Unternehmens, das Gegenstand einer Untersuchung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft ist, an die Kommission. Es betrifft mit anderen Worten die Auslegung der Vorschriften über das Verwaltungsverfahren in Wettbewerbssachen, insbesondere die Untersuchungsbefugnisse der Kommission. Außerdem unterscheiden sich die Interessen, die der Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen Rechtsanwalt und Mandant im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission zugrunde liegen, völlig von denjenigen, die die Ablehnung des Zugangs der Öffentlichkeit zu rechtlichen Stellungnahmen von Dienststellen der Organe rechtfertigen. Nach demselben Urteil wird nämlich im Rahmen des Schutzes des Schriftverkehrs zwischen Anwalt und Mandant „dafür Sorge getragen, daß die volle Ausübung der Rechte der Verteidigung [des Unternehmens] ... gewährleistet ist“; dieser Schutz betrifft nur den Rechtsanwalt, der insoweit unabhängig ist, als er als „Mitgestalter[...] der Rechtspflege [anzusehen ist], der in völliger Unabhängigkeit und in deren vorrangigem Interesse dem Mandanten die rechtliche Unterstützung zu gewähren hat, die dieser benötigt“ (Urteil AM & S/Kommission, Randnrn. 23 und 24). Im vorliegenden Fall geht es dagegen darum, angesichts des allgemeinen Rechts auf Zugang zu den Dokumenten der Verwaltung den Schutz des öffentlichen Interesses an der Beständigkeit der Rechtsordnung und am ordnungsgemäßen Funktionieren der Organe zu gewährleisten. Aus den bereits dargelegten Gründen verlangt dieses Erfordernis eine vertrauliche Behandlung der Stellungnahmen der Juristischen Dienste. Infolgedessen ist auch diese Rüge der Antragsteller unbegründet.

53.
    Nach alledem ist der zweite Antragsgrund, mit dem ein Verstoß gegen den Beschluß 93/731 und den Verhaltenskodex gerügt wird, zurückzuweisen.

Zur Vorläufigkeit der beantragten Maßnahmen

54.
    Darüber hinaus hält der Richter der einstweiligen Anordnung den Einwand des Rates, daß die beantragten Maßnahmen endgültig seien, nicht für völlig unbegründet. Nach Ansicht des Rates würde die Übermittlung an das Højesteret und die Parteien des bei diesem Gericht anhängigen Verfahrens die Wirkungen der später im Verfahren zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung von vornherein aufheben.

55.
    Insoweit ist an die ständige Rechtsprechung zu erinnern, wonach zum einen die Maßnahmen, die der Richter der einstweiligen Anordnung treffen kann, in dem Sinn vorläufig sind, daß sie grundsätzlich mit der Verkündung des Endurteils außer Kraft treten und der Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache nicht vorgreifen dürfen, und wonach zum anderen diese Maßnahmen akzessorisch in dem Sinn sind, daß sie nur darauf gerichtet sind, die Interessen einer Partei des Verfahrens im Verfahren vor dem Gericht zu schützen, damit dem Endurteil nicht die praktische Wirksamkeit genommen und es dadurch sinnlos gemacht wird (vgl. Beschluß desPräsidenten des Gerichtshofes vom 17. Mai 1991 in der Rechtssache C-313/90 R, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1991, I-2557, Randnrn. 23 und 24, sowie die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 17. Dezember 1996 in der Rechtssache T-164/96 R, Moccia Irme/Kommission, Slg. 1996, II-2261, Randnr. 29, und vom 3. März 1997 in der Rechtssache T-6/97 R, Comafrica und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, Slg. 1997, II-291, Randnr. 51).

56.
    Auch wenn im vorliegenden Fall nicht auszuschließen ist, daß die Antragsteller, wie sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, selbst bei Erlaß der beantragten Maßnahmen noch ein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens zur Hauptsache hätten - dessen Gegenstand, wie sie sagen, nicht völlig der gleiche sei -, liegt doch auf der Hand, daß zum einen die Übermittlung der fraglichen Dokumente an das Højesteret und die betroffenen Parteien der Entscheidung des Gerichts über die Nichtigkeitsklage vorgreifen würde, deren Gegenstand gerade die Entscheidung ist, den Antrag auf Zugang zu diesen Dokumenten abzulehnen, und daß zum anderen diese Übermittlung Wirkungen zeitigen würde, die zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Entscheidung endgültig nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.

57.
    Aus all diesen Gründen ist der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen, ohne daß die Dringlichkeitsvoraussetzung geprüft zu werden braucht.

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.    Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2.    Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 3. März 1998

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

A. Saggio


1: Verfahrenssprache: Dänisch.