Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 24. November 2021 –
LTTE/Rat
(Rechtssache T‑160/19)
„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik - Restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Einfrieren von Geldern – Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden – Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste – Grundlage der Beschlüsse über das Einfrieren von Geldern – Beurteilungsfehler – Begründungspflicht – Verteidigungsrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz“
1. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Klagebefugnis – Klage einer Organisation ohne Rechtspersönlichkeit, die restriktiven Maßnahmen unterliegt – Zulässigkeit
(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Beschlüsse [GASP] 2019/25, [GASP] 2019/1341 und [GASP] 2020/1132 des Rates; Verordnungen des Rates 2020/19 und 2020/1128)
(vgl. Rn. 57, 59)
2. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Zulässigkeitsvoraussetzungen – Rechtsschutzinteresse – Klage, die geeignet sein muss, dem Kläger einen Vorteil zu verschaffen
(Art. 263 AEUV)
(vgl. Rn. 68‑70, 75)
3. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Beschluss zur Überprüfung der Liste der betroffenen Personen, Vereinigungen oder Körperschaften – Klage eines Teils einer in der Entscheidung genannten Einrichtung – Zulässigkeit
(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Beschlüsse [GASP] 2019/25, [GASP] 2019/1341 und [GASP] 2020/1132 des Rates; Verordnungen des Rates 2020/19 und 2020/1128)
(vgl. Rn. 76-78, 80, 83-86)
4. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen – Beschluss über das Einfrieren von Geldern – Klage von Personen, die in die Liste der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen und Organisationen aufgenommen wurden – Handlungen mit allgemeiner Geltung und Bündel von Einzelfallentscheidungen – Zulässigkeit
(Art. 263 AEUV)
(vgl. Rn. 81)
5. Gerichtliches Verfahren – Beschluss oder Verordnung, der bzw. die den angefochtenen Rechtsakt während des Verfahrens ersetzt – Neue Tatsache – Erweiterung der ursprünglichen Anträge und des ursprünglichen Vorbringens – Voraussetzung – Ursprüngliche Anträge, die sich gegen die ersetzte Handlung richten – Fehlen – Unzulässigkeit
(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 86 Abs. 1; Beschluss [GASP] 2020/1132 des Rates; Verordnung 2020/19 des Rates)
(vgl. Rn. 89-92, 96)
6. Gerichtliches Verfahren – Unzulässigkeit der Klagen – Beurteilung nach der Lage zum Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift – Beschluss, der den angefochtenen Beschluss während des laufenden Verfahrens ersetzt – Anpassung der ursprünglichen Anträge und Klagegründe – Von der Zulässigkeit des ursprünglichen Antrags abhängende Möglichkeit
(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 86)
(vgl. Rn. 94, 95)
7. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Beschluss über das Einfrieren von Geldern – Erlass oder Aufrechterhaltung aufgrund eines nationalen Beschlusses über die Aufnahme von Ermittlungen, Strafverfolgung oder eine Verurteilung – Für den Erlass dieses nationalen Beschlusses zuständige Behörde – Begriff – Verwaltungsbehörde – Einbeziehung – Voraussetzungen
(Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates, Art. 1 Abs. 4)
(vgl. Rn. 112, 114-118)
8. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Beschluss über das Einfrieren von Geldern – Erlass oder Aufrechterhaltung aufgrund eines nationalen Beschlusses über die Aufnahme von Ermittlungen, Strafverfolgung oder eine Verurteilung – Kein Erfordernis eines nationalen Beschlusses, der im Rahmen eines Strafverfahrens im engeren Sinne ergeht – Voraussetzungen
(Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates, Art. 1 Abs. 4)
(vgl. Rn. 119, 120)
9. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Organen der Europäischen Union – Beschluss über das Einfrieren von Geldern – Erlass oder Aufrechterhaltung aufgrund eines nationalen Beschlusses über die Aufnahme von Ermittlungen, Strafverfolgung oder eine Verurteilung – Begründungspflicht – Umfang – Nationaler Beschluss über eine Verurteilung – Keine Pflicht zur Angabe der ernsthaften und schlüssigen Beweise oder Indizien, auf die sich der nationale Beschluss stützt
(Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates, Art. 1 Abs. 4; Beschlüsse [GASP] 2019/25 und [GASP] 2019/1341 des Rates)
(vgl. Rn. 148-156, 158, 165)
10. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Beschluss über das Einfrieren von Geldern – Aufrechterhaltung auf der Grundlage eines nationalen Beschlusses über das Einfrieren von Geldern – Nationaler Beschluss, der für sich allein nicht mehr die Schlussfolgerung erlaubt, dass die Gefahr einer Beteiligung an terroristischen Aktivitäten fortbesteht – Pflicht des Rates, neuere Tatsachen zu berücksichtigen, die das Fortbestehen dieser Gefahr belegen
(Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates, Art. 1 Abs. 6; Beschlüsse [GASP] 2019/25 und [GASP] 2019/1341 des Rates)
(vgl. Rn. 168‑171, 176, 177, 185‑187, 191, 204, 208, 215‑217, 231, 276, 283)
11. Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Beschluss über das Einfrieren von Geldern, der sich gegen bestimmte Personen und Organisationen richtet, die terroristischer Handlungen verdächtigt werden – Mindestanforderungen
(Art. 296 Abs. 2 AEUV; Beschlüsse [GASP] 2019/25 und [GASP] 2019/1341 des Rates)
(vgl. Rn. 173, 194-199, 273-275, 277)
12. Europäische Union – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Organe – Spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Beschluss über das Einfrieren von Geldern – Aufrechterhaltung auf der Grundlage einer von einer zuständigen Behörde erlassenen nationalen Entscheidung – Umfang der Kontrolle – Kontrolle sämtlicher Angaben zum Beleg des Fortbestehens der Gefahr einer Beteiligung an terroristischen Aktivitäten – Angaben, von denen nicht alle einem innerstaatlichen Beschluss einer zuständigen Behörde entstammen – Keine Auswirkung
(Art. 296 AEUV; Beschlüsse [GASP] 2019/25 und [GASP] 2019/1341 des Rates)
(vgl. Rn. 174, 175)
13. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Einfrieren von Geldern – Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 – Geltungsbereich – Bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts – Einbeziehung
(Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates; Verordnung Nr. 2580/2001 des Rates)
(vgl. Rn. 294, 295)
14. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Einfrieren von Geldern – Geltungsbereich – Grundsatz der Selbstbestimmung – Unterscheidung zwischen den mit der Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung verbundenen Zielen und den zur Erreichung dieses Rechts an den Tag gelegten Verhaltensweisen
(Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates, Erwägungsgründe 5 bis 7 und Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 1 Ziff. i bis iii; Verordnung Nr. 2580/2001 des Rates, Erwägungsgründe 3, 5 und 6)
(vgl. Rn. 296-300)
15. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Einfrieren von Geldern einer in den Terrorismus verwickelten Organisation – Beschränkungen des Eigentumsrechts, der Freiheit der Meinungsäußerung und des Versammlungsrechts – Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Fehlen
(Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates, Art. 1 Abs. 6; Beschlüsse [GASP] 2019/25 und [GASP] 2019/1341 des Rates; Verordnung Nr. 2580/2001 des Rates, Art. 5 und 6)
(vgl. Rn. 311-319)
16. Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Verteidigungsrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Beschluss über das Einfrieren von Geldern – Verpflichtung zur Mitteilung der belastenden Umstände – Umfang
(Beschlüsse [GASP] 2019/25 und [GASP] 2019/1341 des Rates; Verordnung Nr. 2580/2001, Art. 2 Abs. 3)
(vgl. Rn. 352-355, 357, 358, 360-366)
17. Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Verteidigungsrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Beschluss über das Einfrieren von Geldern – Recht auf Zugang zu Dokumenten – Recht, das einen entsprechenden Antrag an den Rat voraussetzt – Kein Verstoß
(Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates; Beschlüsse [GASP] 2019/25 und [GASP] 2019/1341 des Rates)
(vgl. Rn. 367-371, 380)
Gegenstand
Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung erstens des Beschlusses (GASP) 2019/25 des Rates vom 8. Januar 2019 zur Änderung und Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus Anwendung finden, und zur Aufhebung des Beschlusses (GASP) 2018/1084 (ABl. 2019, L 6, S. 6), zweitens des Beschlusses (GASP) 2019/1341 des Rates vom 8. August 2019 zur Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus Anwendung finden, und zur Aufhebung des Beschlusses 2019/25 (ABl. 2019, L 209, S. 15), drittens der Durchführungsverordnung (EU) 2020/19 des Rates vom 13. Januar 2020 zur Durchführung des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1337 (ABl. 2020, L 8 I, S. 1) sowie viertens der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1128 des Rates vom 30. Juli 2020 zur Durchführung des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung 2020/19 (ABl. 2020, L 247, S. 1) und des Beschlusses (GASP) 2020/1132 des Rates vom 30. Juli 2020 zur Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus Anwendung finden, und zur Aufhebung des Beschlusses (GASP) 2020/20 (ABl. 2020, L 247, S. 18)
Tenor
1. | | Die Klage wird abgewiesen. |
2. | | Die europäische politische Unterdivision der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten des Rates der Europäischen Union. |
3. | | Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten. |