Language of document : ECLI:EU:C:2023:676

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 14. September 2023(1)

Rechtssache C115/22

SO,

Beteiligte:

Nationale Anti-Doping Agentur Austria GmbH (NADA),

Österreichischer Leichtathletikverband (ÖLV),

World Anti-Doping Agency (WADA)

(Vorabentscheidungsersuchen der Unabhängigen Schiedskommission [Österreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 267 AEUV – Definition des Begriffs ‚Gericht‘ – Vorlage eines nationalen Anti-Doping-Gerichts – Schutz personenbezogener Daten – Verordnung (EU) 2016/679 – Art. 5 – Art. 6 – Rechtmäßigkeit und Erforderlichkeit der Online-Veröffentlichung personenbezogener Daten einer Person, die gegen Anti-Doping-Regeln verstoßen hat – Art. 9 – Stellen Verstöße gegen Anti-Doping-Regeln ‚Gesundheitsdaten‘ dar – Art. 10 – Stellen Verstöße gegen Anti-Doping-Regeln ‚personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen‘ dar – Stellt ein nationales Gericht eine ‚Behörde‘ dar“






I.      Einleitung

1.        Citius, Altius, Fortius; schneller, höher, stärker. Das olympische Motto steht wie kaum etwas anderes für das menschliche Streben nach immer neuen Höchstleistungen. Der Erfolgsdruck kann jedoch zur Versuchung führen, die Leistung durch die Einnahme bestimmter verbotener Substanzen zu steigern.

2.        Die vorliegende Rechtssache betrifft einen solchen Kontext. Die Antragstellerin ist eine österreichische Profisportlerin. Sie wurde eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regelungen für schuldig befunden. Infolgedessen veröffentlichte die österreichische nationale Anti-Doping-Behörde ihren Namen, Einzelheiten des betreffenden Verstoßes gegen die Regelungen und den Zeitraum der Sperre auf ihrer öffentlich zugänglichen Website.

3.        Ist diese Praxis mit der Datenschutz-Grundverordnung (im Folgenden: DS-GVO)(2) vereinbar? Dies ist, kurz gesagt, die materiell-rechtliche Hauptfrage an den Gerichtshof. Da die Vorlage jedoch von einer Einrichtung herrührt, die kein „klassisches“ Gericht innerhalb der österreichischen Justizorganisation ist, wirft diese Rechtssache auch eine Zulässigkeitsfrage auf.

II.    Hintergrund der Rechtssache und der Vorlagefragen

4.        Während die Einnahme von Aufputschmitteln zur Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit seit Beginn der Geschichtsschreibung Bestandteil des menschlichen Wettkampfs ist(3), gibt es das Anti-Doping-Kontrollsystem, wie wir es kennen, erst seit 1999, als die Welt-Anti-Doping-Agentur (im Folgenden: WADA) gegründet wurde, und 2004, als der Welt-Anti-Doping-Code (im Folgenden: WADC)(4) in Kraft trat. Dessen jüngste Ausgabe datiert aus dem Jahr 2021.

5.        Obwohl der WADC ein privatrechtliches Regelwerk ist, wird seine Wirksamkeit durch das Internationale UN-Übereinkommen gegen Doping im Sport von 2005 gewährleistet(5). Alle Mitgliedstaaten haben dieses Übereinkommen unterzeichnet. Dessen Art. 4 sieht vor, dass die Bestimmungen des WADC kein integraler Bestandteil des Übereinkommens sind und keine unmittelbare Wirkung im nationalen Recht entfalten. In diesem Artikel verpflichten sich die Vertragsstaaten jedoch, die Grundsätze des WADC zu beachten. Diese Verpflichtung, die die im WADC vorgeschriebene Online-Veröffentlichung von Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln mit einschließt, wurde in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten auf unterschiedliche Weise umgesetzt(6).

6.        Die vorliegende Rechtssache hat ihren Ursprung in Österreich, wo die Dopingbekämpfung im Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 (im Folgenden: ADBG) geregelt ist.

7.        SO (im Folgenden: Antragstellerin) war von 1998 bis 2015 als Profisportlerin in Österreich aktiv. Sie vertrat als Mitglied des Österreichischen Leichtathletikverband-Teams ihr Land bei internationalen Wettkämpfen. Außerdem nahm sie in verschiedenen österreichischen Sportvereinen Führungs- und Repräsentationsaufgaben wahr.

8.        2021 stellte die Unabhängige Dopingkontrolleinrichtung (Österreich) (im Folgenden: NADA) aufgrund von Ermittlungsergebnissen des Bundeskriminalamts (Österreich) bei der Österreichischen Anti-Doping-Rechtskommission (im Folgenden: ÖADR) einen Prüfantrag.

9.        Mit Beschluss vom 31. Mai 2021 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) erklärte die ÖADR die Antragstellerin für schuldig, gegen Rule 32.2 (b) und (f) der International Association of Athletics Federations (Internationaler Verband der Leichtathletikverbände, im Folgenden: IAAF) Competition Rules (Wettkampfregeln) von 2015 sowie gegen die Art. 2.2 und 2.6 der IAAF Anti-Doping Rules (Anti-Doping-Regeln) von 2017 verstoßen zu haben. Nach diesen Regeln sind die „Anwendung oder versuchte Anwendung eines verbotenen Wirkstoffs oder einer verbotenen Methode“ und der „Besitz eines verbotenen Wirkstoffs oder einer verbotenen Methode“ verboten(7). Die ÖADR stellte konkret fest, dass die Antragstellerin zwischen Mai 2015 und April 2017 die Substanzen Erythropoietin (auch bekannt als EPO), Genotropin bzw. Omnitropin und Testosterol (in Form von Androgel) besessen und zumindest teilweise im Jahr 2015 angewandt habe. Diese Substanzen waren alle auf den WADA-Verbotslisten von 2015 bis 2017 aufgeführt. Profisportlerinnen und ‑sportler, die den IAAF‑Wettkampfregeln unterlagen, durften sie daher nicht anwenden.

10.      Infolgedessen erklärte die ÖADR im angefochtenen Beschluss alle zwischen dem 10. Mai 2015 und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses von der Antragstellerin erzielten Ergebnisse für ungültig und erkannte alle Start- und/oder Preisgelder ab. Weiter verhängte sie über die Antragstellerin eine vierjährige Sperre mit Wirkung vom 31. Mai 2021 für die Teilnahme an jeglicher Art von sportlichen Wettkämpfen.

11.      In dem Verfahren vor der ÖADR hatte die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss nicht der Allgemeinheit durch eine frei zugängliche Online-Veröffentlichung bekannt zu geben. Dieser Antrag wurde von der ÖADR in der angefochtenen Entscheidung abgewiesen.

12.      Die Antragstellerin beantragte bei der Unabhängigen Schiedskommission (Österreich) (im Folgenden: USK) eine Überprüfung des angefochtenen Beschlusses.

13.      Mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 bestätigte die USK die inhaltlichen Feststellungen der ÖADR, die Verstöße der Antragstellerin gegen die Anti-Doping-Regelungen sowie die verhängte Strafe.

14.      Zugleich behielt sich die USK ihre Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Unterlassung, den angefochtenen Beschluss online zu veröffentlichen und ihn dadurch der Allgemeinheit bekannt zu geben, vor(8).

15.      Diese Veröffentlichungspflicht beruht auf § 21 Abs. 3 und § 23 Abs. 14 ADBG. Nach diesen Bestimmungen muss die ÖADR bzw. die USK „die [Österreichische Bundes-Sportorganisation], Sportorganisationen, Sportlerinnen bzw. Sportler, sonstige Personen und Wettkampfveranstalterinnen und ‑veranstalter sowie die Allgemeinheit über ihre Entscheidungen“ unter Angabe des Namens der jeweils betroffenen Person, der Dauer der Sperre und der Gründe hierfür informieren, ohne dass auf Gesundheitsdaten der jeweils betroffenen Person rückgeschlossen werden kann.

16.      Die Veröffentlichung dieser Angaben ist bei Profisportlerinnen und ‑sportlern sowie in einigen Fällen auch bei Freizeitsportlerinnen und ‑sportlern zwingend vorgeschrieben. In anderen Fällen kann die Veröffentlichung unterbleiben, sofern der Verstoß von Freizeitsportlern, Freizeitsportlerinnen, Minderjährigen oder schutzbedürftigen Personen begangen wurde.

17.      Während die Verpflichtung zur Information der Allgemeinheit den Entscheidungsträgern, also der ÖADR und der USK, obliegt, sieht das ADBG vor, dass die NADA diese Aufgabe im Auftrag der ÖADR und der USK wahrnimmt(9). Um dieser Verpflichtung nachzukommen, veröffentlicht die NADA auf ihrer Website eine (10). Der entsprechende Eintrag in dieser Tabelle besteht aus dem Vor- und Nachnamen der betreffenden Person, der von ihr ausgeübten Sportart, der Art des Regelverstoßes, der Art der gegen sie verhängten Sperre sowie deren Beginn und Ende.

18.      Ich gehe davon aus, dass diese Informationen auf der NADA-Website nur für die Dauer der Sperre der betreffenden Sportlerinnen und Sportler abrufbar sind.

19.      Die USK hat Zweifel, ob die Praxis, personenbezogene Daten der Antragstellerin durch eine allgemein zugängliche Online-Veröffentlichung auf der NADA-Website der Allgemeinheit bekannt zu geben, mit der DS-GVO vereinbar ist. Um über den Antrag der Antragstellerin, ihre personenbezogenen Daten nicht auf dieser Website zu veröffentlichen, entscheiden zu können, hat sie daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Handelt es sich bei der Information, dass eine bestimmte Person einen bestimmten Dopingverstoß begangen hat und wegen dieses Verstoßes an der Teilnahme an (nationalen und internationalen) Wettkämpfen gesperrt ist, um „Gesundheitsdaten“ im Sinne von Art. 9 DS-GVO?

2.      Steht die DS-GVO – insbesondere im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 zweiter Unterabsatz DS-GVO – einer nationalen Regelung entgegen, welche die Veröffentlichung des Namens der von der Entscheidung der USK betroffenen Personen, der Dauer der Sperre und Gründe hierfür vorsieht, ohne dass auf Gesundheitsdaten der betroffenen Person rückgeschlossen werden kann? Spielt es dabei eine Rolle, dass eine Veröffentlichung dieser Informationen gegenüber der Allgemeinheit laut der nationalen Regelung nur dann unterbleiben kann, wenn es sich beim Betroffenen um einen Freizeitsportler, eine minderjährige Person oder eine Person handelt, die durch die Bekanntgabe von Informationen oder sonstigen Hinweisen wesentlich zu der Aufdeckung von potenziellen Anti-Doping-Verstößen beigetragen hat?

3.      Verlangt die DS-GVO – insbesondere im Hinblick auf die Grundsätze des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und c DS-GVO – vor der Veröffentlichung in jedem Fall eine Interessenabwägung der mit einer Veröffentlichung für den Betroffenen berührten Persönlichkeitsinteressen einerseits und dem Interesse der Allgemeinheit an der Information über den von einem Sportler begangenen Anti-Doping-Verstoß andererseits?

4.      Handelt es sich bei der Information, dass eine bestimmte Person einen bestimmten Dopingverstoß begangen hat und wegen dieses Verstoßes an der Teilnahme an (nationalen und internationalen) Wettkämpfen gesperrt ist, um eine Verarbeitung persönlicher Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten im Sinne von Art. 10 DS-GVO?

5.      Bei Bejahung der Frage 4: Handelt es sich bei der gemäß § 8 des ADBG 2021 eingerichteten USK um eine Behörde im Sinne von Art. 10 DS-GVO?

20.      Die Antragstellerin, die NADA, die WADA, die belgische, die französische, die lettische, die luxemburgische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme der belgischen, der französischen, der luxemburgischen und der polnischen Regierung haben diese Verfahrensbeteiligten auch in der Sitzung vom 2. Mai 2023 mündliche Ausführungen gemacht.

III. Zulässigkeit

21.      Die Hauptfunktion des Vorabentscheidungsverfahrens besteht darin, eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Selbst wenn verschiedene nationale Einrichtungen (Verwaltungsstellen, Regulierungsstellen oder andere Arten von Einrichtungen) das Unionsrecht anzuwenden haben und sich über dessen Bedeutung im Unklaren sein können, dürfen nach Art. 267 AEUV dennoch nur „Gerichte“ den Gerichtshof um eine Auslegung des Unionsrechts ersuchen. Geht ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts ein, das der rechtsprechenden Gewalt des betreffenden Mitgliedstaats zugerechnet wird, so erachtet der Gerichtshof dieses Ersuchen grundsätzlich für zulässig. Ersucht hingegen eine Einrichtung, die nicht zur Gerichtsbarkeit im klassischen Sinne gehört, unter Berufung auf Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung, so weist der Gerichtshof das Ersuchen nicht automatisch zurück. Vielmehr prüft er, ob die vorlegende Einrichtung gleichwohl als „Gericht“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann.

22.      Die vorliegende Rechtssache ist dem Gerichtshof von der USK vorgelegt worden. Letztere ist keine der Einrichtungen, die prima facie der österreichischen Gerichtsbarkeit angehört. Die Kommission hat denn auch in ihren schriftlichen Erklärungen an den Gerichtshof in Zweifel gezogen, ob die USK die Voraussetzungen erfüllt, um als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV behandelt zu werden. Daher ist die erste Frage, die der Gerichtshof zu klären hat, bevor er sich mit der Sache selbst befassen kann, ob er überhaupt mit der USK „sprechen“ darf.

23.      Meines Erachtens ist die USK ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV. Zur Begründung meiner Ansicht werde ich zunächst kurz die Regeln für die Organisation und die Aufgaben der USK skizzieren (III.A). Vor diesem Hintergrund werde ich darlegen, dass die USK die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Voraussetzungen für eine Behandlung als „Gericht“ erfüllt (III.B).

A.      Organisation und Struktur der USK

24.      Die USK ist eine gemäß § 8 ADBG errichtete ständige Einrichtung.

25.      Laut ihrem Vorlagebeschluss ist die USK funktional als „oberstes“ österreichisches Sportschiedsgericht für Dopingverstöße tätig. Sie ist die höhere Instanz in dem durch das ADBG geschaffenen zweistufigen System zur Sanktionierung von Dopingverstößen. In erster Instanz ist es Aufgabe der ÖADR, auf Initiative der NADA Verstöße gegen die geltenden Anti-Doping-Regelungen festzustellen und Sanktionen zu verhängen(11). Bei der USK kann ein Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung der ÖADR gestellt werden. In diesem Fall sind Parteien des Verfahrens die von der ÖADR-Entscheidung betroffenen Sportlerinnen oder Sportler (oder andere Personen) auf der einen und die NADA auf der anderen Seite(12).

26.      Die USK entscheidet mit Stimmenmehrheit(13) in einem durch die österreichische Zivilprozessordnung(14) und ihre eigene Verfahrensordnung geregelten Verfahren. Die Verfahrensordnung ist veröffentlicht(15).

27.      § 8 Abs. 1 ADBG sieht ausdrücklich vor, dass die USK von staatlichen Organen, Privaten und der NADA unabhängig ist. Darin heißt es weiter, dass die Mitglieder der USK nicht an Ermittlungen der NADA zu etwaigen Verstößen gegen die geltenden Anti-Doping-Regelungen, an der abschließenden Entscheidung der NADA, an der Entscheidung, ob ein Prüfantrag bei der ÖADR eingebracht werden sollte, oder am Überprüfungsverfahren selbst beteiligt sein dürfen. Die USK muss ihre Funktion unabhängig und weisungsfrei ausüben(16).

28.      Nach § 8 Abs. 2 ADBG besteht die USK aus einer oder einem Vorsitzenden und sieben Mitgliedern. Die bzw. der Vorsitzende und deren bzw. dessen Stellvertretung müssen die Richteramts- oder Rechtsanwaltsprüfung aufweisen. Zwei Kommissionsmitglieder müssen ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften und Erfahrung in der Durchführung förmlicher Ermittlungsverfahren aufweisen. Zwei weitere Mitglieder müssen Expertinnen oder Experten der analytischen Chemie oder Toxikologie sein. Schließlich müssen zwei Mitglieder Expertinnen oder Experten der Sportmedizin sein.

29.      In dieser Bestimmung heißt es weiter, dass sich die USK für jedes Verfahren neu zusammensetzt: Die bzw. der Vorsitzende oder deren bzw. dessen Stellvertretung hat aus den Mitgliedern der USK zumindest ein Mitglied mit abgeschlossenem Studium der Rechtswissenschaften und Erfahrung in der Durchführung förmlicher Ermittlungsverfahren, zumindest eine Expertin oder einen Experten der analytischen Chemie oder Toxikologie und zumindest ein Mitglied als Expertin oder Experten der Sportmedizin zu benennen(17).

30.      Gemäß § 8 Abs. 3 ADBG und laut Vorlagebeschluss werden die bzw. der Vorsitzende und die ständigen Mitglieder der USK auf vier Jahre vom Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (im Folgenden: Minister für Sport) bestellt, wobei Wiederbestellungen zulässig sind(18). Der Minister für Sport kann die Bestellung eines Mitglieds der USK nur „aus wichtigen Gründen“ vorzeitig widerrufen(19).

31.      Streitfälle, die österreichische Sportveranstaltungen zum Gegenstand haben oder österreichische Sportlerinnen oder Sportler betreffen, müssen vor der USK verhandelt werden(20). Mit anderen Worten kann eine Entscheidung der ÖADR in diesen Fällen nur vor der USK angefochten werden(21).

32.      Nach § 23 Abs. 3 ADBG hat die USK bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der ÖADR die geltenden Anti-Doping-Regelungen des zuständigen internationalen Sportfachverbands anzuwenden. Stellt sie die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung fest, kann sie diese aufheben, abändern oder durch eine eigene Entscheidung ersetzen(22).

33.      Wie in der mündlichen Verhandlung erläutert wurde, können Rechtsmittel gegen Entscheidungen der USK bei den zuständigen österreichischen Zivilgerichten eingelegt werden – sofern sie zivilrechtliche Angelegenheiten betreffen. In solchen Fällen ist die USK nicht Partei im Verfahren vor dem zuständigen Zivilgericht. Vielmehr sind die Parteien weiterhin die NADA und die Sportlerinnen oder Sportler (oder andere Personen).

34.      Allerdings scheint – wie in der mündlichen Verhandlung ebenfalls erläutert und von keiner Partei in Abrede gestellt worden ist – die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung der die personenbezogenen Daten der Antragstellerin enthaltenden USK-Entscheidung auf der NADA-Website nicht in die Zuständigkeit der österreichischen Zivilgerichte zu fallen. Außerdem ist erklärt worden, dass gegen USK-Entscheidungen kein Rechtsmittel zu österreichischen Verwaltungsgerichten eingelegt werden könne. Daher scheint in Österreich die USK bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über die Veröffentlichung personenbezogener Daten von Sportlerinnen oder Sportlern die letzte Streitschlichtungsinstanz zu sein.

35.      Sportlerinnen oder Sportler können einen anderen Weg ohne Befassung der USK beschreiten, indem sie eine Beschwerde bei der österreichischen Datenschutzbehörde einreichen. Gegen deren Entscheidungen kann vor den Verwaltungsgerichten in Österreich geklagt werden.

36.      Schließlich dürfte – auch wenn dies aus den Akten des Gerichtshofs nicht ganz klar hervorgeht – eine Sportlerin oder ein Sportler die USK-Entscheidung vor dem CAS anfechten können, wenn die Beschwerde Fragen im Zusammenhang mit der korrekten Anwendung der Anti-Doping-Regeln des jeweiligen internationalen Sportverbands und/oder des WADC betrifft(23).

37.      Vor diesem Hintergrund werde ich nun prüfen, ob es sich bei der USK um ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV handelt.

B.      Ist die USK ein „Gericht“?

38.      Bereits seit einiger Zeit – seit dem Urteil in der Rechtssache Vaassen-Göbbels – hat der Gerichtshof entschieden, dass die Bedeutung des Begriffs „Gericht“ in (dem heutigen) Art. 267 AEUV ausschließlich anhand des Unionsrechts zu klären ist(24). Dieser Ansatz gestattet es dem Gerichtshof, Vorabentscheidungsersuchen von Einrichtungen zuzulassen, die wie die USK im Rahmen der „klassischen“ staatsrechtlichen Gewaltenteilung in einem Mitgliedstaat zwischen Legislative, Exekutive und Judikative nicht als Gerichte gelten, aber dennoch Rechtsstreitigkeiten durch die Anwendung des Unionsrechts entscheiden dürfen. Dadurch, dass ein größerer Kreis von Einrichtungen als Gerichte im „herkömmlichen“ Sinn solche Ersuchen vorlegen darf, wird das mit dem Vorabentscheidungsverfahren verfolgte Hauptziel gefördert, die einheitliche Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen. Daher hat der Gerichtshof schon frühzeitig auch Vorabentscheidungsersuchen von Einrichtungen zugelassen, die üblicherweise nicht als „klassische“ Gerichte beschrieben würden. Allerdings wurde dieses Verfahren nicht allen Einrichtungen eröffnet, die Unionsrecht anzuwenden haben, sondern nur solchen, die als „Gerichte“ angesehen werden können.

39.      Der Gerichtshof hat den Begriff „Gericht“ in Art. 267 AEUV nie definiert(25). Er hat jedoch im Lauf der Zeit mehrere Kriterien entwickelt, die er bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Vorlage berücksichtigt. Zu diesen Kriterien gehören: die gesetzliche Grundlage der vorlegenden Einrichtung, ihr ständiger Charakter, die obligatorische Gerichtsbarkeit, ein streitiges Verfahren, die Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie ihre Unabhängigkeit (im Innen- und Außenverhältnis)(26). Während diese Kriterien über die Jahre mit unterschiedlicher Konsequenz Anwendung fanden, wurde in letzter Zeit das Erfordernis der Unabhängigkeit – möglicherweise unter dem Einfluss der Urteile zur Rechtsstaatlichkeit(27) – strenger gefasst. So hielt es der Gerichtshof z. B. im Urteil in der Rechtssache Banco de Santander(28) für geboten, seine Haltung zur Zulässigkeit von Vorlagen des spanischen Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrale Rechtsbehelfsbehörde in Verwaltungssachen, Spanien, im Folgenden: TEAC) zu ändern, da er – anders als noch einige Jahre zuvor(29) – befunden hat, dass diese Einrichtung dem Erfordernis der Unabhängigkeit nicht genügt.

40.      In der Tat ist das Erfordernis der Unabhängigkeit in Bezug auf die USK problematisch. Bevor ich erläutere, warum die in unserem Fall vorlegende Einrichtung diesem Kriterium meines Erachtens gerecht wird, werde ich zunächst darlegen, dass sie andere Kriterien erfüllt, auf die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Begriff „Gericht“ in Art. 267 AEUV zurückgreift.

1.      „Gesetzliche Grundlage“ und „ständiger Charakter“

41.      Das Erfordernis, dass die vorlegende Einrichtung durch Gesetz errichtet wurde, bedeutet, dass ihre Rechtsgrundlage im nationalen Recht zu finden ist, sei es auf primärer oder auf sekundärer Ebene(30). Das Kriterium des ständigen Charakters setzt voraus, dass es sich um eine dauerhafte Einrichtung handelt, auch wenn sie für jedes Verfahren neu gebildet wird oder sich in ihrer Zusammensetzung ändert(31).

42.      Im vorliegenden Fall sind diese Kriterien eindeutig erfüllt: Wie bereits dargelegt, beruht die USK auf dem ADBG, einem österreichischen Bundesgesetz. Ihre ständigen Mitglieder werden für einen Zeitraum von vier Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit benannt, und wenngleich sich die Besetzung der Beschlusskammer ändert, wird diese nach den gesetzlichen Vorschriften und aus der Liste der ständigen Mitglieder der USK zusammengesetzt (siehe Nrn. 28 und 29 dieser Schlussanträge).

2.      „Obligatorische Gerichtsbarkeit“

43.      Das Erfordernis der obligatorischen Gerichtsbarkeit einer vorlegenden Einrichtung wurde in der Rechtsprechung auf zweierlei Weise angewandt. Der Gerichtshof hat entweder verlangt, dass die Parteien des bei ihm anhängigen Verfahrens nicht wählen können, ob der Fall vor dieser Einrichtung verhandelt werden soll(32), oder der Gerichtshof hat verlangt, dass deren Entscheidungen für die Parteien verbindlich sind(33). Das Kriterium der obligatorischen Gerichtsbarkeit wurde auch dann als erfüllt angesehen, wenn das nationale Recht den Parteien die Wahl ließ, sich an die fragliche Einrichtung oder an die zuständigen „ordentlichen“ Gerichte zu wenden(34). Wichtig ist, dass die Zuständigkeit der vorlegenden Einrichtung nicht von der Einigkeit der Streitparteien über deren Zuständigkeit abhängt, da die Zuständigkeit automatisch durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs einer Partei begründet wird.

44.      Die USK erfüllt das Kriterium der obligatorischen Gerichtsbarkeit hinsichtlich beider Anwendungsfälle. Hierzu sei darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser Einrichtung trotz ihres Namens um kein „Schiedsgericht“ in dem Sinne handelt, dass ihre Zuständigkeit auf eine Vereinbarung zwischen den Parteien gestützt wäre. Wie ich in den Nrn. 24 und 31 dieser Schlussanträge dargelegt habe und wie sich sowohl aus dem Vorlagebeschluss als auch aus dem Vorbringen der Parteien ergibt, fungiert die USK in Österreich vielmehr auf der Grundlage eines Bundesgesetzes als zwingend vorgeschriebene Instanz für Anträge auf Überprüfung von Entscheidungen der ÖADR.

45.      USK-Entscheidungen sind für die Prozessparteien bindend. Es lässt sich vertreten, dass das österreichische Recht genau aus diesem Grund vorsieht, dass USK-Entscheidungen in zivilrechtlichen Angelegenheiten vor den österreichischen Zivilgerichten und in Angelegenheiten der internationalen Anti-Doping-Regeln vor den österreichischen Zivilgerichten oder vor dem CAS angefochten werden können. Es scheint jedoch nach österreichischem Recht kein Gericht zweiter Instanz zu geben, bei dem eine USK-Entscheidung über die DS-GVO-Konformität einer Entscheidung über die Veröffentlichung personenbezogener Daten einer Sportlerin oder eines Sportlers angefochten werden könnte. Daher dürfte die USK als „Gericht“ zu betrachten sein, das gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens verpflichtet ist, wenn ihm die Anwendung der DS-GVO auf die Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits unklar erscheint.

3.      „Streitiges Verfahren“

46.      Das Erfordernis eines streitigen Verfahrens stellt kein absolutes Kriterium dar(35). Es muss aber möglich sein, dass die Parteien gehört werden(36), ohne dass das Verfahren streitigen Charakter haben müsste(37).

47.      Auch dieses Kriterium ist für das vorliegende Verfahren erfüllt: Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass bei der USK ein umfangreicher Austausch von Schriftsätzen zwischen den Parteien sowie vor der ÖADR zwei mündliche Anhörungen im März und Mai 2021 stattgefunden haben.

4.      „Auf Rechtsnormen gestützte Entscheidungen“

48.      Eine vorlegende Einrichtung kann als „Gericht“ qualifiziert werden, wenn sie aufgrund von Rechtsnormen zu entscheiden hat. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf materiell-rechtliche Vorschriften(38) als auch auf die das Verfahren vor der fraglichen Einrichtung betreffenden Vorschriften(39).

49.      Im vorliegenden Fall gelten für das Entscheidungsverfahren der USK vorgegebene materiell- und verfahrensrechtliche Vorschriften. Die USK hat bei der Überprüfung von Entscheidungen der ÖADR die einschlägigen Anti-Doping-Regelungen des ADBG und des zuständigen internationalen Sportverbands bzw. der zuständigen internationalen Sportverbände (hier: der IAAF und des WADC) anzuwenden(40). Als Einrichtung eines Mitgliedstaats muss die USK auch die einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften anwenden. Gerade wegen dieser Verpflichtung hat die USK beschlossen, den vorliegenden Fall dem Gerichtshof vorzulegen, um die DS-GVO auslegen zu lassen.

50.      Was die anwendbaren Verfahrensvorschriften betrifft, so richtet sich das Verfahren vor der USK, wie in Nr. 26 dieser Schlussanträge beschrieben, nach der österreichischen Zivilprozessordnung sowie nach ihrer eigenen Verfahrensordnung. Die USK hat die Verteidigungsrechte der Parteien zu achten(41). Ihre Entscheidung muss innerhalb einer bestimmten Frist ergehen(42). Die Befugnisse der USK sind also durch mehrere vorgegebene verfahrens- und materiell-rechtliche Vorschriften geregelt, die sie zu beachten hat.

5.      „Unabhängigkeit“

51.      Das einzige Kriterium, das bei der Entscheidung, ob der Gerichtshof das vorliegende Ersuchen der USK annehmen sollte, zweifelhaft erscheint, ist das Erfordernis der Unabhängigkeit.

52.      Auch wenn der Begriff der Unabhängigkeit mit der richterlichen Tätigkeit wesensmäßig verbunden ist(43), hat der Gerichtshof erst 1987 in seinem Urteil in der Rechtssache X (die auch als der Fall Pretore di Salò bezeichnet wird)(44) verlangt, dass eine vorlegende Einrichtung unabhängig agieren muss, um mit dem Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren in Dialog treten zu können.

53.      Obwohl die Unabhängigkeit eine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung einer Einrichtung als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV ist, hat der Gerichtshof dann, wenn ein Gericht in der etablierten mitgliedstaatlichen Justizorganisation um Vorabentscheidung ersuchte, dessen Unabhängigkeit nicht in Zweifel gezogen. Unabhängigkeit wurde automatisch vorausgesetzt. Die Frage der Unabhängigkeit wurde also nur geprüft, wenn die Ersuchen von nicht zur Judikative eines Mitgliedstaats gehörenden Einrichtungen stammten. Unter diesen Umständen bedurfte es keiner näheren Erläuterung des genauen Inhalts des unionsrechtlichen Erfordernisses der Unabhängigkeit(45).

54.      Dies war zumindest bis vor Kurzem der Fall, als in einigen Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit der Justiz aufgrund geplanter oder tatsächlicher Gesetzesänderungen in Frage gestellt wurde. Wegen des „Rückschritts im Bereich der Rechtsstaatlichkeit“, wie dies oft genannt wurde(46), musste der Gerichtshof sehr viel ausführlicher erläutern, was unter dem Erfordernis der richterlichen „Unabhängigkeit“ zu verstehen ist. In den einschlägigen Urteilen, die entweder auf Vertragsverletzungsverfahren oder auf Vorabentscheidungsersuchen beruhten(47), wurde gefragt, ob das Recht der Mitgliedstaaten auf dem Papier und in der praktischen Anwendung ausreichende Garantien für eine autonome und unabhängige richterliche Entscheidungsfindung bot. Bei der Entscheidung über diese Frage hatte der Gerichtshof den Begriff der Unabhängigkeit näher zu erläutern.

55.      Diese Rechtsprechung eröffnete eine Diskussion(48) über die Frage, ob die Kriterien für die Unabhängigkeit stets dieselben sind (und sein sollten), (i) wenn der Gerichtshof darüber entscheidet, ob es sich bei einer Einrichtung um ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV handelt, oder (ii) wenn der Gerichtshof über die Unabhängigkeit in unterschiedlichen Zusammenhängen wie etwa bei angeblichen Verstößen eines Mitgliedstaats gegen Art. 19 EUV entscheidet oder in einem Fall, in dem es um das Erfordernis der Unabhängigkeit in bestimmten Rechtsakten der Union geht(49). Im Urteil in der Rechtssache Associação Sindical dos Juízes Portugueses(50) hat der Gerichtshof das in Art. 19 EUV, Art. 47 der Charta und Art. 267 AEUV vorgesehene Kriterium der „Unabhängigkeit“ ausdrücklich miteinander verknüpft. Das Urteil in der Rechtssache Banco de Santander ist wohl dahin auszulegen, dass die im Rahmen von Art. 19 EUV entwickelten Kriterien auch für die Bestimmung des Begriffs der „Unabhängigkeit“ in Art. 267 AEUV gelten(51).

56.      Einige Autoren haben die Befürchtung geäußert, dass die Verknüpfung der Rechtsprechung zu Art. 19 EUV und der Rechtsprechung zum Begriff „Gericht“ in Art. 267 AEUV die Möglichkeit weiteren Dialogs beseitigen könnte, wenn Gerichte aus Mitgliedstaaten, in denen systemische Mängel hinsichtlich der Garantie der Unabhängigkeit der Justiz festgestellt worden seien, Vorlagen einreichten(52). Gleichzeitig haben einige Generalanwälte darauf hingewiesen, dass es bei der Beurteilung der Unabhängigkeit auf den Kontext ankomme(53).

57.      Es ist sicherlich richtig, dass der Kontext, d. h. der Grund, aus dem der Gerichtshof die für eine Einrichtung geltenden Vorschriften beurteilt, eine Rolle spielt. Ich sehe jedoch nicht, wieso dies automatisch dazu führen sollte, für die verschiedenen genannten Szenarien jeweils einen anderen materiellen Unabhängigkeitsstandard gelten zu lassen. Während sich das Verständnis des Begriffs der Unabhängigkeit im Unionsrecht weiterentwickelt hat, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass verschiedene Begriffe der Unabhängigkeit bestünden. Meines Erachtens gilt für jede Einrichtung, die als „Gericht“ eingestuft werden will, das gleiche Erfordernis der Unabhängigkeit, egal, ob es um die Erfüllung der Kriterien von Art. 19 EUV oder um die Erfüllung der Kriterien von Art. 267 AEUV geht.

58.      Aus meiner Sicht wäre der justizielle Dialog im Rahmen von Art. 267 AEUV nicht gefährdet, wenn dieselben Anforderungen, die in den Fällen zu Art. 19 EUV entwickelt wurden, auch bei der Prüfung, ob eine Einrichtung ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV ist, angewandt würden. Wie ich anhand der Umstände des vorliegenden Falles erläutern werde, ist eine solche Anwendung vielmehr notwendig, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten durch die Schaffung spezialisierter Einrichtungen, die mit der Entscheidung bestimmter begrenzter Kategorien von Rechtsstreitigkeiten betraut werden, nicht das wichtige Erfordernis der Unabhängigkeit umgehen, das die Unionsrechtsordnung für die nationalen Rechtsprechungsorgane vorschreibt. Die Unabhängigkeit gewährleistet gleiche Bedingungen für die Streitparteien in Bezug auf interne wie auch externe Aspekte(54). Sie ist daher ein notwendiges Merkmal eines wirksamen gerichtlichen Schutzes, und zwar im Sinne eines Grundrechts, das jeder Person in jeder Art von Streitigkeiten zusteht, die mit justiziellen Mitteln entschieden werden können. Das bedeutet nicht, dass sich die Methode des Gerichtshofs zur Prüfung der Zulässigkeit von Vorabentscheidungsersuchen ändern sollte. Stammt die Vorlage von einem „klassischen“ Rechtsprechungsorgan, gilt nach wie vor die Vermutung, dass es sich hierbei um ein Gericht handelt, weshalb es keiner weiteren Prüfung bedarf. Nur dann, wenn von einer Partei des Verfahrens Zweifel an der Unabhängigkeit seiner Mitglieder geäußert werden oder dem Gerichtshof anderweitig zur Kenntnis gelangen, muss dessen Unabhängigkeit überprüft werden. Dagegen muss bei anderen vorlegenden Einrichtungen deren Unabhängigkeit nachgewiesen werden, bevor ihre Vorlage zugelassen werden kann.

59.      Nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung umfasst die Unabhängigkeit sowohl einen „externen“ als auch einen „internen“ Aspekt(55) Der Erstere verlangt, dass ein Richter autonom entscheiden kann(56), ohne Weisungen von außen zu erhalten. Um dies zu ermöglichen, stellt das Unionsrecht bestimmte Anforderungen an die Ernennung und die Abberufung der Mitglieder des „Gerichts“. Auch wenn die Mitglieder des Entscheidungsgremiums der betreffenden Einrichtung von einer externen Person oder Einrichtung, einschließlich eines Regierungsministers, ernannt werden können, müssen sie nach ihrer Ernennung dem Einfluss dieser Person oder Einrichtung entzogen sein. Entscheidend ist, dass der Gerichtshof insoweit verlangt, dass die Unabsetzbarkeit in gesetzlichen Garantien verankert ist, die über bloße Regelungen des Verwaltungs- oder Arbeitsrechts hinausgehen(57). Mit anderen Worten müssen die die Mitglieder der betreffenden Einrichtung ernennenden Personen oder Einrichtungen daran gehindert sein, solche Mitglieder nur deshalb zu ersetzen, weil sie mit deren Standpunkt nicht einverstanden sind.

60.      Dies bedeutet nicht, dass eine Abberufung völlig unmöglich sein müsste oder dass die solche Mitglieder ernennenden Personen oder Einrichtungen nicht auch befugt sein dürfen, sie abzusetzen. Vielmehr müssen die Gründe für die Abberufung eines Mitglieds vor Ablauf seines oder ihres Mandats darauf gestützt sein, dass dies „durch legitime und zwingende Gründe gerechtfertigt ist und dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wird“(58). Außerdem müssen die Gründe für solch eine Abberufung und das hierfür angemessene Verfahren klar geregelt sein.

61.      Die Mitglieder der USK werden vom Minister für Sport auf vier Jahre mit der Möglichkeit einer Verlängerung ihres Mandats benannt(59). Die Ernennung durch einen Minister sollte an sich kein Problem darstellen, vorausgesetzt, die Mitglieder schulden nach ihrer Ernennung diesem Minister keine Loyalität. Das scheint hier nicht der Fall zu sein. Nach dem ADBG dürfen die USK-Mitglieder keine Weisungen von der Regierung, von administrativen Anti-Doping-Einrichtungen wie der NADA oder von Teilnehmern an Sportveranstaltungen empfangen. Auch hat der Gerichtshof bisher die bloße Tatsache, dass ein Mandat erneuerbar ist, nicht als mit der richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar angesehen.

62.      Im vorliegenden Fall könnte der Minister für Sport mittelbar Einfluss auf die Entscheidungsverfahren der USK nehmen, wenn er oder sie die relevanten Mitglieder vorzeitig abberufen könnte. Wie ich jedoch dargelegt habe, dürfen die USK-Mitglieder nicht vor Ablauf ihres Mandats abberufen werden, nur weil der Minister für Sport sie nicht mag oder ihre Ansichten nicht teilt. Nach § 8 Abs. 3 ADBG ist solch eine Abberufung nur aus „wichtigen Gründen“ zulässig. Aus den Verfahrensakten geht nicht hervor, welche Gründe als „wichtig“ eingestuft werden können. Bei der Erörterung des Umfangs der Abberufungsbefugnisse des Ministers für Sport nach dem ADBG hat die NADA jedoch erklärt, dass nach österreichischem Recht nur wenige Gründe so eingestuft werden könnten. Zudem hat die Antragstellerin nahegelegt, dass nur vorsätzliche Straftaten oder solche, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht seien, als „wichtig“ eingestuft werden könnten. Daher scheinen die Parteien darin übereinzustimmen, dass die USK-Mitglieder nicht nach dem Belieben oder willkürlichen Ermessen des Ministers für Sport oder einer anderen Einrichtung abberufen werden können.

63.      Diese Art des Schutzes der USK-Mitglieder vor willkürlicher Abberufung ist von der im Urteil Banco de Santander behandelten Situation der Mitglieder des TEAC zu unterscheiden. Diese konnten abgesetzt werden, weil es insoweit keine besonderen Regelungen gab(60). Das Fehlen solcher Regelungen äußerte sich, wie Generalanwalt Hogan in jener Rechtssache angemerkt hat, darin, dass die Ernennung von Mitgliedern des TEAC „aus Gründen widerrufen worden ist, die der jeweiligen Regierung opportun erschienen“(61).

64.      Schließlich ist auch zu klären, auf welche Angaben sich der Gerichtshof bei der Beurteilung der Unabhängigkeit der vorlegenden Einrichtung stützen sollte. Nach meiner Meinung kann der Gerichtshof allein auf die für diese Einrichtung geltenden Rechtsvorschriften zurückgreifen. Werden jedoch in dem bei ihm anhängigen Verfahren Bedenken hinsichtlich deren praktischer Anwendung geäußert, muss der Gerichtshof die einschlägigen Umstände genauer prüfen. Im vorliegenden Fall sind solche Bedenken jedoch nicht geltend gemacht. Es wurde vielmehr bestätigt, dass von der in § 8 Abs. 3 ADBG vorgesehenen theoretischen Befugnis zur Abberufung bisher kein Gebrauch gemacht worden ist(62).

65.      Im vorliegenden Fall halte ich daher das Kriterium der „externen“ Unabhängigkeit für erfüllt.

66.      Damit komme ich zum zweiten Aspekt des Unabhängigkeitskriteriums, dem „internen“ Aspekt. Dieses Erfordernis hängt mit der Unparteilichkeit der vorlegenden Einrichtung zusammen(63). Es verlangt, dass diese Einrichtung in dem bei ihr anhängigen Verfahren als unabhängiger Dritter agiert(64).

67.      Die Mitglieder des Entscheidungsgremiums dürfen, kurz gesagt, keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben. Das bedeutet zunächst, dass Personen, die mit dessen Parteien verbunden sind, keine Mitglieder dieses Gremiums sein können. Um diesen Aspekt der Unabhängigkeit zu beurteilen, ist es wichtig, die Vorschriften zu prüfen, die für die Organisation des „Gerichts“ gelten, um festzustellen, ob zwischen dem Streitbeilegungsgremium und der Verwaltung, deren Entscheidungen es überprüft, eine funktionale Verbindung besteht(65). Mit anderen Worten muss der Gerichtshof prüfen, ob die Aufgaben der fraglichen Einrichtung und diejenigen der Verwaltung klar voneinander getrennt oder miteinander verflochten sind. Im letzteren Fall gilt die betreffende Einrichtung nicht als hinreichend „unabhängig“ von der Verwaltung(66).

68.      In diesem Zusammenhang weist die Kommission darauf hin, dass die USK derselben institutionellen Struktur wie die NADA und die ÖADR angehöre. Konkret sei die USK gemäß § 8 Abs. 1 ADBG „bei der [NADA] eingerichtet“. Daher wird argumentiert, dass die USK über genau die Institution urteile, bei der sie organisatorisch angesiedelt sei.

69.      Diese Einwände halte ich nach der Aktenlage für nicht gerechtfertigt. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt, dass bloß institutionelle Verflechtungen nicht ausreichen, um die Unabhängigkeit der um Vorabentscheidung ersuchenden Einrichtung in Frage zu stellen, sofern nicht zusätzliche Elemente hinzukommen. So hat der Gerichtshof z. B. im Urteil in der Rechtssache MT Højgaard und Züblin(67) das Argument zurückgewiesen, der Klagenævnet for Udbud (dänischer Beschwerdeausschuss für Verfahren zur Auftragsvergabe) sei allein deshalb nicht unabhängig, weil er sein Sekretariat mit dem dänischen Ministerium für Unternehmen und Wachstum teile. Ebenso hat der Gerichtshof im Urteil in der Rechtssache Dorsch Consult ungeachtet des Vorbringens der Kommission, der in Rede stehende Vergabeüberwachungsausschuss sei offensichtlich „in die Organisationsstruktur des Bundeskartellamts (Deutschland) eingebunden“(68), festgestellt, dass „der Vergabeüberwachungsausschuss … seine Tätigkeit unabhängig und in eigener Verantwortung ausübt“(69).

70.      Im vorliegenden Fall kann ich weder den Verfahrensakten noch dem Parteivorbringen einen Hinweis auf eine funktionale Verflechtung zwischen der USK und der NADA, der ÖADR, der österreichischen Regierung oder gar irgendeinem Sportverband entnehmen.

71.      In der Tat agiert die USK, wie in Nr. 27 dieser Schlussanträge dargelegt, unabhängig von der NADA und der ÖADR. Wie die NADA in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, darf die USK keine Überprüfung der ÖADR-Entscheidungen von Amts wegen einleiten. In entscheidendem Unterschied zum Urteil in der Rechtssache Banco de Santander fehlt es auch an Nachweisen dafür, dass die Mitglieder der NADA oder von Sportverbänden an der Entscheidung über Verfahren beteiligt wären, in denen sie als Parteien auftreten(70). Es wurde auch nicht behauptet, dass diese Stellen den Ablauf von Verfahren vor der USK anderweitig beeinflussen könnten.

72.      Im vorliegenden Fall halte ich daher auch das Kriterium der „internen“ Unabhängigkeit für erfüllt.

73.      Schließlich muss ich auf die letzten Bedenken der Kommission eingehen, die sich auf die Zusammensetzung der USK beziehen, welcher neben Juristen auch Experten aus anderen verwandten Gebieten (Chemie, Toxikologie und Sportmedizin) angehören. Der Gerichtshof hat bereits Vorlagen von zum Teil aus Experten ihres jeweiligen Fachgebiets bestehenden Gremien angenommen(71), solange sie ihre Aufgabe unabhängig wahrnahmen(72). Keiner der Verfahrensbeteiligten hat vor dem Gerichtshof behauptet, die Mitglieder der USK, die keine Juristen sind, wären bei ihrer Entscheidungsfindung Weisungen von außen unterworfen oder befangen. Aus meiner Sicht begründet die gemischte Zusammensetzung der USK daher an sich keine Bedenken hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit(73).

6.      Die USK als letztinstanzliches „Gericht“

74.      Bevor ich die Prüfung der Zulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens abschließe, möchte ich anregen, die USK unter den Umständen unseres Falles nicht nur als „Gericht“, sondern auch als „Gericht“ zu behandeln, gegen dessen Entscheidungen keine Rechtsmittel eingelegt werden können und das daher gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zu einer Vorlage an den Gerichtshof nicht nur befugt, sondern sogar verpflichtet ist.

75.      Wie in den Nrn. 33 und 34 dieser Schlussanträge dargelegt, können einige USK-Entscheidungen vor den österreichischen Zivilgerichten angefochten werden. Anscheinend haben jedoch die österreichischen Zivilgerichte keinerlei Zuständigkeit für Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verletzung von Datenschutzvorschriften, einschließlich der DS-GVO und des österreichischen Datenschutzgesetzes. Vermutlich hat dies auch die Antragstellerin gemeint, als sie erklärte, die Veröffentlichung ihrer Daten unterliege nicht der gerichtlichen Überprüfung durch die zuständigen Zivilgerichte.

76.      Die Entscheidung der USK kann aber auch nicht vor einem Verwaltungsgericht angefochten werden. Die NADA hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, grundsätzlich sei das Bundesverwaltungsgericht (Österreich) für datenschutzrechtliche Beschwerden gegen Verwaltungsbehörden zuständig. Das ADBG sieht aber offenbar nicht die Möglichkeit vor, vor diesem Gericht Beschwerde gegen eine USK-Entscheidung einzulegen.

77.      Sollte dies tatsächlich der Stand des österreichischen Rechts sein, wäre die USK die einzige und letzte gerichtliche Einrichtung, vor der die Frage erörtert werden kann, ob die Veröffentlichung von Entscheidungen der ÖADR oder der USK auf der NADA-Website mit der DS-GVO vereinbar ist. Dies würde bedeuten, dass nur im Wege des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens der USK die einheitliche Auslegung der DS-GVO im Rahmen von Anti-Doping-Verfahren in Österreich gewährleistet werden kann. Damit käme der USK für diese Rechtsfrage die Aufgabe eines „einzelstaatlichen [Gerichts], dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können“, im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV zu.

78.      Dass von der Antragstellerin (wie auch von einer Reihe anderer ehemaliger Sportlerinnen und Sportler) parallel zunächst vor der österreichischen Datenschutzbehörde Beschwerde eingelegt und nunmehr vor dem Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben worden ist, kann einer vom Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache gewährten Orientierungshilfe nicht den Nutzen nehmen(74). Dieser parallelen Anfechtung liegt ein Rechtsbehelf im Sinne der Art. 77 und 78 DS-GVO zugrunde, der sich gegen eine Beschwerdeentscheidung der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde richtet. Was die Antragstellerin hingegen im Rahmen des vorliegenden Vorlageverfahrens begehrt, ist ein „[gerichtlicher] Rechtsbehelf gegen Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter“ im Sinne von Art. 79 DS-GVO. Wie der Gerichtshof kürzlich in seinem Urteil in der Rechtssache Nemzeti Adatvédelmi és Információszabadság Hatóság ausgeführt hat, muss es möglich sein, die in den Art. 77, 78 und 79 DS-GVO vorgesehenen Rechtsbehelfe „nebeneinander und unabhängig voneinander auszuüben“, wobei in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten sicherzustellen ist, dass diese gleichzeitige Anwendung zu keiner Inkohärenz führt(75). Gerade weil diese Möglichkeit eines zweigleisigen Verfahrens in der DS-GVO selbst vorgesehen ist und als solche in das österreichische Recht offenbar umgesetzt wurde(76), unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Fällen, in denen der Gerichtshof befunden hat, dass für den gerichtlichen Schutz unionsrechtlich begründeter Rechte nur ein einziger Weg offensteht(77). Mit anderen Worten: Eine Beschwerde bei der österreichischen Datenschutzbehörde kann die unmittelbare Durchsetzung der Rechte der Antragstellerin aus der DS-GVO vor den zuständigen nationalen Gerichten nicht ersetzen.

79.      Der österreichische Gesetzgeber scheint sich dafür entschieden zu haben, die USK als einziges „Gericht“ mit der Zuständigkeit für Ansprüche einzusetzen, die in Anti-Doping-Streitigkeiten über angebliche Verletzungen von Rechten nach der DS-GVO geltend gemacht werden. Keine andere Einrichtung besitzt offenbar eine solche Zuständigkeit. Aufgrund der Verfahrensautonomie zur Organisation seines Justizsystems kann der nationale Gesetzgeber dies sicherlich tun. Um mein Argument, dass für die Unabhängigkeit im Rahmen von Art. 267 AEUV oder Art. 19 EUV die gleichen Anforderungen gelten sollten, wieder aufzugreifen: Es würde daher nicht der Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers, die USK in seine Gerichtsorganisation zu integrieren, entsprechen, wenn bei der Entscheidung über die Zulässigkeitsfrage im vorliegenden Fall der USK gestattet würde, einem geringeren Unabhängigkeitsstandard zu genügen.

7.      Zwischenergebnis

80.      Aus den vorstehenden Gründen bin ich der Ansicht, dass die USK die Voraussetzungen erfüllt, um gemäß Art. 267 AEUV als „Gericht“ angesehen zu werden. Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher für zulässig zu erachten.

IV.    Beantwortung der Vorlagefragen

81.      Im vorliegenden Fall wendet sich die Antragstellerin unter Berufung auf die DS-GVO gegen eine Datenverarbeitung, durch die ihr Name sowie u. a. der von ihr begangene Verstoß gegen die Anti-Doping-Regelungen und die sich daraus ergebende Sperre auf dem allgemein zugänglichen Teil der NADA-Website in Form eines Eintrags in einer Tabelle mit Angaben zu den Personen, die Verstöße gegen die Anti-Doping-Regeln begangen haben, veröffentlicht werden (im Folgenden: streitige Datenverarbeitung).

82.      Wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt worden ist, bezieht sich ihr Fall nicht auf die beiden ergänzenden und hiermit verbundenen Datenverarbeitungen, nämlich (i) die Veröffentlichung derselben personenbezogenen Daten auf der allgemein zugänglichen NADA-Website in Form einer Pressemitteilung oder (ii) die per E‑Mail erfolgte Verbreitung dieser Pressemitteilung an eine begrenzte, aber offenbar frei zugängliche Verteilerliste.

A.      Anwendbarkeit der DS-GVO auf die Umstände des vorliegenden Falles

83.      Die von der Antragstellerin gerügten Tätigkeiten entsprechen der Beschreibung der Tätigkeiten, auf die die DS-GVO anwendbar ist: Es handelt sich um (i) die Verarbeitung (ii) personenbezogener Daten, die (iii) ganz oder teilweise automatisiert durchgeführt wird(78). Erstens stellt die Online-Veröffentlichung personenbezogener Daten eine „Verarbeitung“ dar(79). Zweitens werden bei der streitigen Datenverarbeitung „personenbezogene Daten“ verwendet, denn es ist der Name der Antragstellerin, der neben der gegen sie verhängten Sanktion und dem in Rede stehenden Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln von der NADA öffentlich bekannt gegeben wird(80). Drittens werden die personenbezogenen Daten der Antragstellerin beim Hochladen auf die NADA-Website über einen Server geleitet. Dieser Transfer stellt eine „automatisierte“ Verarbeitung dar(81).

84.      Ist die DS-GVO aber unter den Gegebenheiten des vorliegenden Falles auf diese Datenverarbeitungen anwendbar?

85.      Die DS-GVO wurde auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 2 AEUV erlassen, der Rechtsgrundlage, die den Unionsgesetzgeber ermächtigt, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten „im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten“ zu regeln, „die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen“. Die gleiche Begrenzung der Unionskompetenz kommt in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DS-GVO zum Ausdruck, wonach die DS-GVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit findet, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.

86.      Generalanwalt Szpunar hat nahegelegt, der „Anwendungsbereich des Unionsrechts“ im Sinne von Art. 16 Abs. 2 AEUV müsse über die Fälle der „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta hinausgehen(82). Dem stimme ich zu. Gerade weil die Charta den Kompetenzbereich der Union nicht ausdehnen soll, wurde eine ausdrückliche Zuständigkeit für die Regelung zum Schutz der Privatsphäre und zum Datenschutz in gleichem Umfang wie für die Grundrechte der Union in den Vertragstext aufgenommen. Mit dieser Aufnahme wurde der Union jedoch keine allgemeine Zuständigkeit für die Regelung der Datenverarbeitung in den Mitgliedstaaten übertragen. Sie wurde ermächtigt, die Tätigkeiten der Mitgliedstaaten nur im Anwendungsbereich des Unionsrechts zu regeln. Dieser im Vertrag und in der DS-GVO selbst zum Ausdruck gebrachten Begrenzung der Unionskompetenzen muss eine gewisse Bedeutung beigemessen werden. Lässt sich eine Verarbeitung von Daten in einem Mitgliedstaat nicht in eine (auch nur lose) Verbindung mit einem durch das Unionsrecht geregelten Bereich bringen, kommt die DS-GVO meines Erachtens nicht zur Anwendung.

87.      Die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Durchführung des Anti-Doping-Rechts eines Mitgliedstaats halte ich nicht für eine Tätigkeit, die nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts in dessen Anwendungsbereich fällt.

88.      Die Europäische Union hat keine Kompetenz, Regelungen für den Sport zu erlassen. Daran hat auch die Einführung der Zuständigkeit für die Förderung des Sports gemäß Art. 165 AEUV nichts geändert(83). Der Gerichtshof hat allerdings entschieden, dass das Unionsrecht im Sport insoweit zur Anwendung kommt, als er als zum Wirtschaftsleben gehörend verstanden wird(84). In allen einschlägigen Fällen wurde das Primärrecht der Union zur Kontrolle von Beschränkungen der grenzüberschreitenden Freizügigkeit oder des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt angewandt(85). Zwar kann das nationale Anti-Doping-Recht als ein Hindernis für die Freizügigkeit aufgefasst werden. Der vorliegende Fall betrifft jedoch keine solche Sachlage.

89.      Das Anti-Doping-Recht regelt vorrangig den Sport als Sport. Es bezieht sich eher auf die sozialen und erzieherischen Funktionen des Sports als auf seine wirtschaftlichen Aspekte, auch wenn Erstere die Letzteren beeinflussen können. Doch auch ohne Regelungskompetenz für den Sport könnte die Union theoretisch nationales Anti-Doping-Recht harmonisieren, wenn dies dadurch gerechtfertigt sein sollte, dass es notwendig ist, um Hindernisse für den grenzüberschreitenden Verkehr zu beseitigen. Beim derzeitigen Stand des Rechts gibt es aber keine unionsrechtlichen Vorschriften, die auch nur mittelbar die Anti-Doping-Politik der Mitgliedstaaten beträfen.

90.      In einer solchen Situation finde ich es schwierig, die erforderliche Verbindung zum Unionsrecht herzustellen, um die Umstände des vorliegenden Falles als Handlung eines Mitgliedstaats zu betrachten, die unter das Unionsrecht fällt. Ich bin daher der Ansicht, dass die DS-GVO auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

91.      Für den Fall, dass der Gerichtshof die DS-GVO jedoch für anwendbar halten sollte, werde ich mich nun der von der USK gewünschten Auslegung der entsprechenden Bestimmungen zuwenden.

92.      Im Wesentlichen geht es der USK erstens darum, ob das österreichische Recht – das ADBG –, wonach Entscheidungen, mit denen Verstöße gegen Anti-Doping-Regeln festgestellt werden, im Fall von Profisportlerinnen und ‑sportlern der Allgemeinheit ohne einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung zugänglich gemacht werden müssen, mit der DS-GVO im Einklang steht, und zweitens darum, ob die Entscheidung der NADA, dieser Veröffentlichungspflicht durch die Aufnahme der Daten in den allgemein zugänglichen Teil ihrer Website nachzukommen, erforderlich ist.

93.      Deshalb stellt die USK mehrere Fragen nach der Auslegung der DS-GVO. Ich halte die Fragen 2 und 3, die zusammen behandelt werden sollten, für die wichtigsten und komplexesten. Ich werde daher zunächst die anderen Fragen behandeln und mich dann den Fragen der USK zur Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit zuwenden.

B.      Frage 1

94.      Mit ihrer ersten Frage möchte die USK im Wesentlichen wissen, ob die Veröffentlichung der Information, dass jemand einen bestimmten Dopingverstoß begangen hat, „Gesundheitsdaten“ im Sinne von Art. 9 DS-GVO enthält.

95.      Die Antwort auf diese Frage ergibt sich meines Erachtens sowohl aus der Definition des Begriffs „Gesundheitsdaten“ als auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

96.      „Gesundheitsdaten“ sind nach der Definition in Art. 4 Nr. 15 DS-GVO „personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen“.

97.      Alle Verfahrensbeteiligten außer der Antragstellerin weisen zutreffend darauf hin, dass diese Definition zwei Elemente aufweist. Erstens müssen sich die fraglichen personenbezogenen Daten auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person beziehen. Zweitens müssen diese Daten Informationen über den Gesundheitszustand der natürlichen Person enthalten. Die fraglichen personenbezogenen Daten müssen, mit anderen Worten, nicht nur irgendetwas mit der Gesundheit der betroffenen Person (also im Sinne einer losen Verbindung) zu tun haben, sondern auch Rückschlüsse auf deren Gesundheitszustand zulassen (was einen individualisierten Aspekt dieser Informationen beinhaltet).

98.      Im vorliegenden Fall ist das letztere Kriterium, das in Bezug auf den individuellen Gesundheitszustand der betroffenen Person maßgeblich ist, nach meiner Überzeugung nicht erfüllt.

99.      Die Feststellung, dass die Antragstellerin bestimmte verbotene Substanzen konsumiert oder besessen hat, sagt nämlich nichts über ihren körperlichen oder geistigen Gesundheitszustand aus. Ähnlich wie sich aus dem Genuss von Alkohol nicht schließen lässt, ob eine Person alkoholabhängig ist, kann dem Konsum oder dem Besitz der hier in Rede stehenden Substanzen durch die Antragstellerin kein schlüssiger oder eindeutiger Hinweis auf deren körperlichen oder geistigen Gesundheitszustand entnommen werden.

100. Meiner Ansicht nach lässt auch der 35. Erwägungsgrund der DS-GVO(86) keine andere Schlussfolgerung zu. Dessen erster Satz enthält im Wesentlichen die Klarstellung, dass es für die Kategorie der „Gesundheitsdaten“ kein „Ablaufdatum“ gibt. Der zweite Satz listet dann die Informationen auf, welche zu dieser Kategorie gehören können, ohne jedoch anzudeuten, dass der Anwendungsbereich von Art. 4 Nr. 15 DS-GVO anders zu verstehen wäre.

101. Zwar hat der Gerichtshof im Urteil in der Rechtssache Lindqvist entschieden, dass die Wendung „Daten über die Gesundheit“ weit auszulegen ist(87), doch erfolgte diese Auslegung vor dem Hintergrund der Datenschutzrichtlinie(88), der Vorgängerin der DS-GVO, die keine eigene Definition des Begriffs „Gesundheitsdaten“ enthielt. Der Gerichtshof hat bei seiner Auslegung auch nicht die Anforderung aufgestellt, dass die fraglichen Daten mit dem Gesundheitszustand der betroffenen Person verknüpft werden müssten. Das Urteil in der Rechtssache Lindqvist mag daher zwar eine gewisse Orientierungshilfe für die Auslegung des Begriffs bieten, kann aber gewiss nicht die vom Unionsgesetzgeber eigens getroffene Entscheidung außer Kraft setzen, mit der die Verknüpfung der Gesundheitsdaten der betroffenen Person mit ihrem Gesundheitszustand in den Gesetzestext eingefügt wurde(89).

102. Folglich schlage ich dem Gerichtshof vor, als Antwort auf die erste Frage zu entscheiden, dass die Information, dass eine Profisportlerin oder ein Profisportler einen Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln begangen hat, der mit der Anwendung oder versuchten Anwendung oder dem Besitz einer verbotenen Substanz oder Methode zusammenhängt, als solche keine „Gesundheitsdaten“ im Sinne von Art. 9 DS-GVO darstellt.

C.      Frage 4

103. Mit ihrer vierten Frage möchte die USK im Wesentlichen wissen, ob die öffentliche Bekanntgabe des Namens der Antragstellerin, des von ihr begangenen Verstoßes gegen Anti-Doping-Regeln und der gegen sie verhängten Sanktion eine Verarbeitung von „personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten“ im Sinne von Art. 10 DS-GVO darstellt.

104. Die NADA, die WADA sowie die belgische, die französische und die polnische Regierung beanstanden die Einstufung der gegen die Antragstellerin verhängten Sanktionen als „strafrechtlich“. Daher sei Art. 10 DS-GVO auf die Umstände des vorliegenden Falles nicht anwendbar.

105. Die Antragstellerin, die lettische Regierung und die Kommission sind gegenteiliger Auffassung. Sie machen im Wesentlichen geltend, die der Antragstellerin auferlegte Dopingsperre habe erhebliche persönliche Auswirkungen. Die Sanktion habe nicht nur finanzielle Folgen und ein verhältnismäßig gravierendes Berufsverbot zur Folge, sondern auch mittelbare Folgen aufgrund der Anprangerung und Stigmatisierung, die mit der (uneingeschränkten) Veröffentlichung des Namens der Antragstellerin zusammen mit den Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln und der verhängten Sanktion verbunden seien. Diese Kombination verleihe der hier fraglichen Sanktion „strafrechtlichen“ Charakter. Deshalb hält die Antragstellerin die ÖADR auch für eine „Behörde“ im Sinne von Art. 10 DS-GVO.

106. Ich stimme mit der Antragstellerin, der lettischen Regierung und der Kommission darin überein, dass im vorliegenden Fall die für den streitigen Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln verhängte Sanktion strafrechtlicher Natur im Sinne von Art. 10 DS-GVO ist.

107. Es liegt auf der Hand, dass jeder der beiden „Straf“-Begriffe in Art. 10 DS-GVO („strafrechtliche Verurteilungen“ und „Straftaten“) autonom auszulegen ist(90). Da beide Begriffe zudem eine gemeinsame etymologische Grundlage haben (das spätlateinische Wort „criminalis“) und der Unionsgesetzgeber den verstärkten Schutz in Art. 10 DS-GVO allein auf den strafrechtlichen Bereich beschränken wollte(91), hängt die Anwendbarkeit dieser Bestimmung im Wesentlichen davon ab, ob die auferlegte Sanktion strafrechtlicher Natur ist(92).

108. Bei der Beurteilung des strafrechtlichen Charakters einer Sanktion prüft der Gerichtshof drei Kriterien: erstens die rechtliche Einordnung der Zuwiderhandlung im innerstaatlichen Recht, zweitens die Art der Zuwiderhandlung und drittens den Schweregrad der dem Betroffenen drohenden Sanktion(93). Den beiden letzteren Kriterien kommt zweifellos größere Bedeutung zu(94).

109. Im vorliegenden Fall bezieht sich die Veröffentlichung der Informationen über die Dopingsperre der Antragstellerin ausweislich der Gerichtsakten auf den Besitz und die teilweise Anwendung verbotener Substanzen. Wie die Kommission ausführt, stellt der Besitz und/oder die Anwendung solcher Substanzen – vorbehaltlich einer Bestätigung – eine Straftat nach § 28 Abs. 1 und 2 ADBG dar. Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge hat dieser Verstoß die Aberkennung von Titeln und Preisgeldern sowie eine vierjährige Sperre von allen (nationalen und internationalen) Wettkämpfen zur Folge. Außerdem scheint § 24 Abs. 4 ADBG der Antragstellerin für die Dauer ihrer Sperre eine Erwerbstätigkeit bei Sportorganisationen zu verbieten.

110. Wie alle Beteiligten des vorliegenden Verfahrens anerkannt haben, wird mit diesen Sanktionen eindeutig der Zweck verfolgt, die Handlungen der Antragstellerin zu ahnden und diese (sowie andere Sportlerinnen und Sportler) davon abzuschrecken, das gleiche Verhalten (erneut) an den Tag zu legen.

111. Die Kombination aus der Aberkennung von Titeln und Preisgeldern (Entzug zu Unrecht erzielter früherer Einkünfte) mit einem zeitlich begrenzten Berufsverbot fügt ein strafendes Element hinzu, das die Schwere der Gesamtfolgen für die Handlungen der Antragstellerin drastisch erhöht.

112. Die hier in Rede stehende Sanktion soll, mit anderen Worten, nicht nur den entstandenen Schaden wiedergutmachen, sondern hat darüber hinaus den besonderen Zweck, die Antragstellerin für ihre Handlungen zu bestrafen(95). Außerdem hat sie die präventive Funktion, andere Sportlerinnen und Sportler von Dopingverstößen abzuhalten.

113. Diese Kombination von Faktoren spricht dafür, dass eine Zuwiderhandlung vorliegt, die strafrechtlichen Charakter hat und über das hinausgeht, was sonst als Disziplinarvergehen im Sport gilt(96).

114. Dies lässt natürlich, wie die lettische Regierung zutreffend feststellt, die innerstaatliche Einstufung der fraglichen Zuwiderhandlungen unberührt. Auch bedeutet dies nicht, dass unter anderen Umständen die Schwelle für die Einstufung einer konkreten Sanktion als „Straftat“ zwangsläufig erreicht wäre(97). Wie schon in der vorstehenden Nummer dargelegt, bin ich aber der Ansicht, dass die gegen die Antragstellerin verhängte spezielle Sanktion so beschaffen ist, dass sie die Schwelle dessen erreicht, was unter einer strafrechtlichen Verurteilung oder Straftat im Sinne von Art. 10 DS-GVO zu verstehen ist.

115. Anders als die WADA halte ich es nicht für sachgerecht, Verstöße gegen Anti-Doping-Regeln, wie sie hier in Rede stehen, generell als bloße Verletzung der (privaten) Regeln einzelner Sportvereine oder ‑organisationen zu werten. Der Besitz oder die Anwendung von Substanzen geht im Fall der Antragstellerin weit über einen etwaigen Bruch z. B. der Satzung des Schachklubs von Knin (Kroatien) hinaus(98).

116. Ein solches Verhalten ist nach nationalem Recht, dem ADBG, und nicht (nur) nach den privaten Regeln eines Vereins oder einer Sportorganisation verboten. Zudem gehen die mittelbaren Auswirkungen auf die persönliche und berufliche Situation der Antragstellerin, die sich aus der mit der Feststellung eines Verstoßes gegen Anti-Doping-Regeln verbundenen gesellschaftlichen Missbilligung und Stigmatisierung ergeben, weit über die Welt des Sports hinaus(99). Schließlich steht der Umstand, dass der Verstoß gegen das ADBG auch die Disziplinarregeln eines privaten Sportvereins oder einer privaten Sportorganisation verletzen kann, die das Verhalten seiner Mitglieder regeln sollen (hier die IAAF‑Anti-Doping- und ‑Wettkampfregeln), dem nicht entgegen, dass sich dieser Verstoß und die entsprechenden Sanktionen auch aus dem öffentlichen Recht eines Mitgliedstaats ergeben.

117. Ich bin deshalb der Ansicht, dass die fragliche Datenverarbeitung „personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen oder Straftaten“ im Sinne von Art. 10 DS-GVO betrifft.

118. Was ergibt sich aus dieser Schlussfolgerung?

119. Wie ich bereits dargelegt habe, bedeutet die Feststellung, dass eine Datenverarbeitung unter Art. 10 DS-GVO fällt, dass den Interessen der betroffenen Person bei der Abwägung, ob eine Weitergabe erfolgen soll, größeres Gewicht beizumessen ist(100). Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung muss diese Verarbeitung entweder unter „behördlicher“ Aufsicht oder nach nationalem oder Unionsrecht vorgenommen werden, das geeignete Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen vorsieht.

120. Folglich schlage ich dem Gerichtshof vor, als Antwort auf die vierte Frage zu entscheiden, dass Art. 10 DS-GVO dahin auszulegen ist, dass er auf die Verarbeitung personenbezogener Daten Anwendung findet, die sich darauf beziehen, dass eine Profisportlerin oder ein Profisportler im Rahmen einer sportlichen Tätigkeit in der WADA-Verbotsliste aufgeführte Substanzen besessen und teilweise angewandt hat.

D.      Frage 5

121. Mit ihrer fünften Frage, die nur bei Bejahung der vierten Frage gestellt wird, möchte die USK im Wesentlichen wissen, ob sie wegen der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Antragstellerin im Zusammenhang mit deren Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln eine „Behörde“ im Sinne von Art. 10 DS-GVO ist.

122. Wie von mir ausgeführt, verarbeitet die USK unter den Umständen des vorliegenden Falles in der Tat „personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten“ im Sinne von Art. 10 DS-GVO. Bei der Ausübung dieser Tätigkeit wird die USK jedoch nicht als die „Behörde“ tätig, unter deren Aufsicht die Verarbeitung dieser Daten erfolgt.

123. Vielmehr scheint sich aus § 5 Abs. 6 und § 6 Abs. 1 bis 5 ADBG zu ergeben, dass der österreichische Gesetzgeber der NADA die Funktion einer „Behörde“ übertragen hat, um u. a. die Verarbeitung von unter Art. 10 DS-GVO fallenden personenbezogenen Daten durch die USK zu kontrollieren.

124. Die materiell-rechtliche Verantwortung für die korrekte Verarbeitung personenbezogener Daten im Kontext der Aufgaben der USK, einschließlich der Veröffentlichung der Ergebnisse ihrer Entscheidungen, scheint somit bei der NADA zu liegen.

125. Die bloße Tatsache, dass die USK personenbezogene Daten verarbeitet, die unter Art. 10 DS-GVO fallen, macht diese Einrichtung somit nicht zwangsläufig zu einer „Behörde“ im Sinne dieser Bestimmung.

126. Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, als Antwort auf die fünfte Frage zu entscheiden, dass die Betrauung einer Einrichtung mit der Überprüfung einer Entscheidung, in der ein Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln festgestellt wird, diese Einrichtung nicht zwangsläufig zu einer „Behörde“ im Sinne von Art. 10 DS-GVO macht, sofern nach nationalem Recht eine andere Einrichtung für die Überwachung solch einer Datenverarbeitung zuständig ist.

E.      Fragen 2 und 3

127. Mit ihrer zweiten und ihrer dritten Frage, die meines Erachtens zusammen behandelt werden sollten, möchte die USK im Wesentlichen wissen, ob die an die Allgemeinheit bestimmte Bekanntgabe personenbezogener Daten von Profisportlerinnen oder ‑sportlern zusammen mit deren Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln und der gegen sie verhängten Sperren durch Veröffentlichung auf einer allgemein zugänglichen Website mit den Erfordernissen der Rechtmäßigkeit und der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und c und Art. 6 Abs. 3 DS-GVO vereinbar ist.

128. Nach dem ADBG muss die ÖADR(101) bzw. – falls eine Überprüfung der ÖADR-Entscheidung beantragt wird – die USK(102) ihre endgültige Entscheidung über bestimmte Verstöße gegen Anti-Doping-Regelungen der Öffentlichkeit zugänglich machen. Diese Informationen müssen den Namen, die Sportart, in welcher die Sportlerin oder der Sportler am Wettkampf teilnimmt, den Verstoß gegen die jeweilige Anti-Doping-Regelung und die daraus resultierenden Sanktionen enthalten. Gemäß § 5 Abs. 6 Ziff. 4 ADBG ist mit der Veröffentlichung die NADA betraut, die zu diesem Zweck als Verantwortliche benannt ist. Nach dem ADBG erfolgt diese Veröffentlichung bei Profisportlerinnen und ‑sportlern automatisch, während sie bei Freizeitsportlerinnen und ‑sportlern im Allgemeinen fakultativ ist. Das ADBG regelt nicht selbst die Modalitäten der Bekanntgabe. Daher stand die Entscheidung, die vorgeschriebenen Informationen auf ihrer Website zu veröffentlichen, allein der NADA zu.

129. Die Vorlagefragen der USK werfen meines Erachtens mehrere Probleme auf. Erstens: Muss nach der DS-GVO der Verantwortliche in jedem Einzelfall die Verhältnismäßigkeit vor der Bekanntgabe personenbezogener Daten an die Allgemeinheit prüfen, oder kann die Verhältnismäßigkeit dieser Veröffentlichung im Voraus durch eine allgemeine Rechtsvorschrift festgestellt werden? Falls Ersteres zutrifft, d. h., wenn eine einzelfallbezogene Beurteilung der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist, dann würde das ADBG offenbar gegen die DS-GVO verstoßen, weil es solch einen einzelfallbezogenen Prüfmaßstab offenbar nicht vorsieht. Zweitens: Wenn die Verhältnismäßigkeitsprüfung grundsätzlich abstrakt im nationalen Recht geregelt werden kann und der Verantwortliche automatisch zur Veröffentlichung verpflichtet ist, dann lautet die zweite Frage für den Gerichtshof, ob das ADBG dem Gebot der Verhältnismäßigkeit nach Art. 6 Abs. 3 DS-GVO genügt. Drittens: Wenn die automatische Bekanntgabe an die Allgemeinheit von Informationen über eine Entscheidung, mit der ein Dopingverstoß festgestellt wird, in Bezug auf die legitime(n) gesetzliche(n) Zielsetzung(en) verhältnismäßig ist, ist es dann erforderlich, dass diese Informationen auf die allgemein zugängliche Website einer Anti-Doping-Organisation gestellt werden? Ich werde diese Fragen der Reihe nach behandeln.

1.      Muss nach der DS-GVO der Verantwortliche die Verhältnismäßigkeit in jedem Einzelfall prüfen?

130. Bei der Anwendung der DS-GVO ist zunächst zu klären, wer der für eine bestimmte Datenverarbeitung Verantwortliche ist. Nach Art. 5 Abs. 2 DS-GVO ist der Verantwortliche für die Einhaltung der in Art. 5 Abs. 1 DS-GVO aufgeführten Grundsätze der Datenverarbeitung verantwortlich und muss deren Einhaltung nachweisen können.

131. Gemäß Art. 4 Nr. 7 DS-GVO ist der Verantwortliche eine Person, die über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten entscheidet. Satz 2 dieser Bestimmung enthält folgende Klarstellung: „[Sind] die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche beziehungsweise können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden.“ Im vorliegenden Fall sind die Zwecke, aber nicht unbedingt die Mittel der fraglichen Datenverarbeitung durch das ADBG (zumindest implizit) vorgegeben, das zugleich die NADA als Verantwortliche benannt hat.

132. Daher ist die NADA eine für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Antragstellerin Verantwortliche, wenn sie diese Daten auf ihre Website stellt. Das schließt es meines Erachtens nicht aus, auch die USK als für dieselbe Datenverarbeitung Verantwortliche zu qualifizieren(103). Schließlich erfüllt die NADA dem ADBG zufolge nur die der USK nach dem ADBG obliegende Veröffentlichungspflicht. Das könnte wichtig werden, wenn der Gerichtshof (anders, als ich es vorschlagen werde) zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der Verantwortliche die Verhältnismäßigkeit in jedem Einzelfall prüfen muss. Dann würde sich die Frage stellen, ob diese Verhältnismäßigkeitsprüfung von der NADA oder der USK durchzuführen wäre.

133. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist nach der DS-GVO nur rechtmäßig, wenn sie sich auf einen der in Art. 6 DS-GVO genannten Gründe stützt. Ohne dass hier der Unterschied zwischen Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und e erklärt werden soll, steht im vorliegenden Fall fest, dass die NADA im Sinne einer oder sogar beider dieser Bestimmungen handelt, wenn sie die personenbezogenen Daten der Antragstellerin auf ihre Website stellt(104).

134. Beruht die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung auf einer der beiden in der vorstehenden Nummer genannten Bestimmungen, so muss das Recht, das die Verarbeitung personenbezogener Daten vorschreibt, hier das ADBG, gemäß Art. 6 Abs. 3 DS-GVO ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen.

135. Wenn der Gesetzgeber die verschiedenen bei der Verwirklichung eines bestimmten öffentlichen Interesses berührten Interessen tatsächlich abgewogen und eine bestimmte Datenverarbeitung für gerechtfertigt erachtet hat, sollte der Verantwortliche dann trotzdem in jedem Einzelfall noch eine gesonderte Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen? Oder wäre seine Pflicht aus Art. 5 Abs. 2 DS-GVO, die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, wie sie im Grundsatz der Datenminimierung zum Ausdruck kommt, nachzuweisen, dadurch erfüllt, dass er auf die dem Gesetzgeber auferlegte Pflicht verweist?

136. Nach meinem Dafürhalten verlangt die DS-GVO nicht, dass ein Verantwortlicher in jedem einzelnen Fall der Datenverarbeitung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführen muss. Vielmehr kann – ich meine sogar: muss – sich der Verantwortliche auf die vom Gesetzgeber vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung stützen. Der Gesetzgeber kann seine Prüfung der Verhältnismäßigkeit zwar nicht einzelfallbezogen vornehmen. Er kann die Datenschutzinteressen einer bestimmten Personengruppe jedoch abstrakt berücksichtigen und gegen andere betroffene gesellschaftliche Interessen abwägen.

137. Rechtsvorschriften, die Datenverarbeitungen erlauben (oder anordnen), können verschiedene Ansätze wählen. So kann darin vorgesehen sein, dass eine bestimmte Datenverarbeitung vorgenommen werden darf, wenn der Verantwortliche sie in einem bestimmten Kontext für erforderlich hält. In einem solchen Fall muss der Verantwortliche in jedem Einzelfall die Verhältnismäßigkeit prüfen. Darin kann aber auch – wie im vorliegenden Fall – eine bestimmte Art der Datenverarbeitung vorgeschrieben sein, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. In einer solchen Situation vermag ich in der DS-GVO keine Bestimmung zu finden, die dem betreffenden Verantwortlichen vorschreiben oder auch nur gestatten würde, die vom Gesetzgeber vorgenommene Prüfung der Verhältnismäßigkeit in Zweifel zu ziehen. In einem solchen Fall verlangt die DS-GVO keine zusätzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung in jedem Einzelfall. Natürlich kann die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Gesetzgebers als solche von den Betroffenen oder sogar von den Verantwortlichen vor Gericht angefochten werden. Solange der Verantwortliche aber nicht erfolgreich gegen die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Gesetzgebers vorgegangen ist, ist er in einer Situation wie der hier vorliegenden verpflichtet, die Datenverarbeitung vorzunehmen.

138. Ein solches Verständnis der DS-GVO steht im Einklang mit dem Demokratieprinzip und verstößt nicht gegen den Wortlaut der DS-GVO.

139. In einer demokratischen Gesellschaft ist es gerade die Pflicht des Gesetzgebers, einen angemessenen Ausgleich zwischen widerstreitenden Rechten und Interessen zu finden. Diese Aufgabe einer unabhängigen, aber politisch nicht rechenschaftspflichtigen Einrichtung zu überlassen, ist, wenngleich manchmal notwendig, eine weniger demokratische Lösung.

140. Ferner könnte es, wie die WADA zutreffend betont, zu Missbrauch und Korruption führen, wenn die Veröffentlichung von Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln in jedem Einzelfall der Ermessensentscheidung nationaler Anti-Doping-Stellen überlassen bliebe, zumal Sportlerinnen, Sportler, Vereine oder sogar Regierungen sehr daran interessiert sind, solche Veröffentlichungen zu verhindern. Dies hätte möglicherweise auch eine Ungleichbehandlung von Sportlern und Sportlerinnen zur Folge, die sich hinsichtlich der Begehung von Dopingverstößen tatsächlich in einer vergleichbaren Lage befinden.

141. Im Übrigen ist es nach dem Wortlaut der DS-GVO zulässig und sogar geboten, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung vom Gesetzgeber durchgeführt wird. Nach Art. 4 Nr. 7 DS-GVO ist es möglich, dass die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten und nicht durch den Verantwortlichen vorgegeben werden. Gemäß Art. 6 Abs. 3 DS-GVO muss das Gesetz, das die Datenverarbeitung zulässt, auf seine Verhältnismäßigkeit überprüft worden sein.

142. Die DS-GVO verlangt daher meines Erachtens nicht, dass die NADA (oder die USK) die Veröffentlichung eines Verstoßes gegen eine Anti-Doping-Regelung durch Profisportlerinnen oder ‑sportler in jedem Einzelfall genehmigt.

143. Damit komme ich zu dem mit den Fragen 2 und 3 aufgeworfenen zweiten Problem: Hat der österreichische Gesetzgeber mit dem Gebot, die personenbezogenen Daten der Antragstellerin sowie den betreffenden Verstoß gegen die Anti-Doping-Regelung und die gegen sie verhängte Sperre der Allgemeinheit bekannt zu geben, eine zulässige Abwägung zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen vorgenommen?

2.      Ist die nach dem ADBG vorgeschriebene Bekanntgabe an die Allgemeinheit gerechtfertigt?

144. Zur Erinnerung: Nach dem ADBG muss die USK (oder die ÖADR) die Allgemeinheit über ihre Entscheidungen unter Angabe des Namens der betroffenen Personen sowie der Dauer der Sperre und der Gründe hierfür informieren. Diese Verpflichtung gilt primär für Profisportlerinnen und sportler und in bestimmten Fällen für Freizeitsportlerinnen und ‑sportler. Zudem lässt das ADBG eine zusätzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Entscheidungen darüber zu, ob von Freizeitsportlerinnen und ‑sportlern sowie schutzbedürftigen Personen begangene Verstöße gegen Anti-Doping-Regeln veröffentlicht werden.

145. Die Antragstellerin bezweifelt, dass in ihrem speziellen Fall die Information der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Die NADA, die WADA, die Kommission und alle am vorliegenden Verfahren beteiligten Mitgliedstaaten haben keine Bedenken gegen eine solche Veröffentlichung.

146. Auch wenn dafür noch weitere Gründe denkbar sind, konzentrierten sich die meisten Ausführungen (sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Verfahren) auf zwei mögliche Gründe zur Rechtfertigung einer Information der Allgemeinheit: (i) die präventive Funktion, die darin besteht, alle im Sport aktiven Personen davon abzuhalten, gegen Anti-Doping-Regeln zu verstoßen, und (ii) die Verhinderung der Umgehung von Sperren, indem alle, die die fraglichen Sportlerinnen und Sportler sponsern oder beschäftigen könnten, über diese Sperren unterrichtet werden.

147. Jede geltend gemachte Rechtfertigung muss auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden(105). Ich werde daher der Reihe nach untersuchen, ob die Bekanntgabe an die Allgemeinheit durch eine der beiden genannten Zielsetzungen oder durch beide gerechtfertigt werden kann. Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit anhand der jeweiligen Rechtfertigung besteht aus mehreren Schritten. Der Gerichtshof muss beurteilen, ob die Bekanntgabe an die Allgemeinheit geeignet ist, das erklärte Ziel zu erreichen. Falls ja, muss er noch klären, ob diese Maßnahme erforderlich ist, was wiederum die Prüfung erfordert, ob eine andere Maßnahme bereits zur Verfügung steht, mit der dasselbe Ziel erreicht werden könnte, die das Grundrecht der betroffenen Person auf Datenschutz aber weniger stark beeinträchtigen würde. Schließlich könnte der Gerichtshof befinden, dass der Eingriff in deren Privatleben so gravierend ist, dass er sich nicht durch den mit dem erklärten Ziel angestrebten Nutzen rechtfertigen lässt.

a)      Erste Rechtfertigung: Prävention durch Abschreckung

148. Ich meine, dass die Bekanntgabe der personenbezogenen Informationen über den Verstoß gegen eine Anti-Doping-Regel und dessen Folgen an die Allgemeinheit sowohl Profi- als auch Freizeitsportlerinnen und ‑sportler davon abhalten dürfte, ähnliche Verstöße zu begehen. Die Maßnahme ist auch als Prävention geeignet, da sie jungen Menschen, die die Welt des Sports gerade erst betreten haben und sich vielleicht eines Tages dem Profisport zuwenden möchten, bewusst macht, welches die Folgen der Entscheidung sind, bessere Ergebnisse mit Hilfe verbotener Substanzen zu erreichen. Ich habe daher keine Zweifel an der Eignung der fraglichen Maßnahme im Hinblick auf das erklärte Ziel.

149. Schwerer zu beantworten ist die Frage, ob der Name der einzelnen Sportlerin oder des einzelnen Sportlers der Allgemeinheit bekannt gegeben werden muss, um andere Sportlerinnen und Sportler von ähnlichen Dopingverstößen abzuhalten. Insofern halte ich es für angebracht, die Stellungnahme der Artikel-29-Datenschutzgruppe (im Folgenden: Artikel-29-DG) der Datenschutzgruppe, der Vorgängerin des heutigen Europäischen Datenschutzausschusses, zu berücksichtigen, in der diese die Verhältnismäßigkeit ähnlicher WADC‑Regeln geprüft hat(106). Die Artikel-29-DG vertrat die Ansicht, dass zur Abschreckung anderer Athleten anonyme Veröffentlichungen der Rechtsverstöße und Sanktionen ausreichten(107).

150. Dem kann ich nicht zustimmen. Zwar hat bereits die Schwere der betreffenden Sanktionen eine abschreckende Wirkung. Das Wissen, dass der eigene Name wegen eines Verstoßes gegen Anti-Doping-Regeln veröffentlicht werden kann, hat jedoch eine zusätzliche und stärkere abschreckende Wirkung. Während junge Sportlerinnen und Sportler, die Karriere machen wollen, vielleicht kalkulieren, dass sich das Risiko lohnen mag, wenn als Sanktion eine Sperre von einigen Monaten oder sogar einigen Jahren droht, könnten sie es sich zweimal überlegen, wenn ihnen klar ist, dass die Allgemeinheit von ihrem Verstoß erfahren wird. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich mit einer anonymen Veröffentlichung dasselbe Ziel genauso wirksam erreichen ließe(108).

151. Die Artikel-29-DG vertrat auch die Ansicht, eine einmalige Veröffentlichung sofort nach einer Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln bestätigt werde, könne eine geeignete, aber weniger restriktive Maßnahme sein. Auch hier bin ich anderer Meinung. Sind die Informationen während der gesamten Dauer der Sanktion verfügbar, besteht eine größere Chance, dass sie die Zielgruppe erreichen. Außerdem sehe ich nicht, inwiefern die Veröffentlichung z. B. einer einmaligen Pressemitteilung im Internet weniger einschneidend sein soll als die Veröffentlichung einer Tabelle mit denselben Informationen. Eine solche Pressemitteilung könnte nämlich viel länger verfügbar bleiben als die Tabelle mit den Namen der gesperrten Sportlerinnen und Sportler, da diese Tabelle nach Ablauf der Sperre entfernt wird. Zwar bleibt, wie die Antragstellerin betont, bei einer lebenslangen Sperre auch der fragliche Tabelleneintrag auf Lebenszeit im Netz. Sofern er jedoch korrekte Informationen enthält, ist diese Art des Eingriffs in das Datenschutzrecht der betroffenen Person nicht übermäßig hart (auch wenn man sich fragen kann, ob eine lebenslange Sperre übertrieben ist, aber das ist ein anderes Thema), während es wichtig ist, junge Sportlerinnen und Sportler durch die Aufklärung über eine solche Möglichkeit abzuschrecken. Jedenfalls dauert die Sperre im vorliegenden Fall vier Jahre, nach denen die personenbezogenen Informationen der Antragstellerin in der streitigen Tabelle entfernt werden.

152. Schließlich kann man sich Folgendes fragen: Ist es notwendig, jeden Dopingverstoß zu veröffentlichen, sollten nur gravierendere Verstöße der Allgemeinheit bekannt gegeben werden, sollten nur Wiederholungstäter namentlich bloßgestellt werden, und sollte man das Wettkampfniveau der Sportlerinnen und Sportler oder andere, zusätzliche Faktoren berücksichtigen?

153. Meines Erachtens muss dem Gesetzgeber bei der Beurteilung solcher Faktoren ein gewisser Wertungsspielraum eingeräumt werden. Es könnte z. B. sein, dass die Veröffentlichung nur einiger Verstöße den Entschluss erleichtern würde, andere Verstöße zu begehen. Wenn nur mehrfache Verstöße veröffentlicht würden, könnten junge Sportlerinnen und Sportler auf die Idee kommen, es einmal zu riskieren, da ihr Name wegen eines einmaligen Verstoßes nicht veröffentlicht würde(109). Hier lassen sich zahlreiche Bedenken und Argumente vorbringen.

154. Der österreichische Gesetzgeber scheint verschiedenen Belangen Rechnung getragen zu haben, um das Präventionsziel der Abschreckung möglicher Verstöße gegen Anti-Dumping-Regeln zu erreichen. Seine Abwägung der fraglichen Interessen hat zu einigen Ausnahmen und Einschränkungen der Regelung geführt, in Bezug auf die er offensichtlich die Ansicht vertrat, dass sie dem angestrebten Ziel nicht abträglich seien. So gilt eine Ausnahme für Minderjährige, für schutzbedürftige Personen und in den meisten Fällen für Freizeitsportlerinnen und ‑sportler. Dem Gerichtshof wurde kein überzeugendes Argument vorgetragen, aufgrund dessen er die Einschätzung des Gesetzgebers, dass die fragliche Regelung in den Fällen von Profisportlerinnen und ‑sportlern zu Präventionszwecken notwendig sei, in Frage stellen könnte.

155. Daher ist eine Maßnahme, die eine personenbezogene Bekanntgabe der Dopingverstöße von Profisportlerinnen und ‑sportlern an die Allgemeinheit vorschreibt, aus meiner Sicht geeignet und erforderlich, um heutige sowie künftige Sportlerinnen und Sportler von der Begehung solcher Verstöße abzuhalten.

156. Schließlich ist der Eingriff in die Rechte von Profisportlerinnen und ‑sportlern nicht so gravierend, dass er nicht durch das mit der fraglichen Maßnahme verfolgte Präventionsziel gerechtfertigt werden könnte. Veröffentlicht werden der Name, die von der Sportlerin bzw. dem Sportler betriebene Sportart, der begangene Regelverstoß und die Dauer der daraus resultierenden Sperre. Diese Angaben verraten nichts über die berufliche Tätigkeit der betroffenen Sportlerinnen und Sportler, sondern verweisen nur auf die Folgen des rechtswidrigen Verhaltens, die ihnen bekannt waren, als sie sich zu diesem Verstoß entschlossen.

b)      Zweite Rechtfertigung: Verhinderung der Umgehung einer Sperre

157. Die im Laufe des vorliegenden Verfahrens nahegelegte andere Rechtfertigung ist die notwendige Unterrichtung der interessierten Kreise darüber, dass die betreffenden Sportlerinnen und Sportler für die Dauer ihrer Sperre keinerlei mit irgendeiner Sportart zusammenhängende Tätigkeiten ausüben dürfen. Auf diese Weise wird die Wirksamkeit der Sanktion erreicht und verhindert, dass sie umgangen wird.

158. Eine allgemein zugängliche Veröffentlichung ist zweifellos geeignet, die Personen zu informieren, die Sportler oder Sportlerinnen sponsern, an einem organisierten Wettkampf teilnehmen lassen oder in irgendeiner mit dem Sport verbundenen Funktion beschäftigen möchten. Aus diesem Grund müssen die interessierten Kreise über die Sperre eines Sportlers oder einer Sportlerin informiert werden. Die im ADBG vorgesehene Maßnahme ist daher im Hinblick auf das genannte Ziel geeignet.

159. Auch hier geht die schwierigere Frage dahin, ob eine solche Maßnahme erforderlich ist.

160. Keines der Argumente, die sich für eine Anonymisierung aussprechen, lässt sich mit diesem öffentlichen Ziel vereinbaren. Um die angesprochenen Kreise zu informieren, muss gerade der Name des gesperrten Sportlers bzw. der gesperrten Sportlerin genannt werden.

161. Unter Berufung auf die Stellungnahme der Artikel-29-DG meint die Antragstellerin jedoch, eine Information der Allgemeinheit sei für das erklärte Ziel nicht erforderlich. Es reiche aus, Sportorganisationen und potenzielle oder aktuelle Sponsoren zu informieren. Dazu machen die WADA und die NADA geltend, man könne unmöglich im Voraus wissen, wer zu informieren sei. Auch könne jederzeit ein neuer Interessent, wie etwa der Inhaber eines neu gegründeten Fitnessstudios, als Adressat solcher Informationen auftauchen.

162. Die Artikel-29-DG hat eine womöglich weniger einschneidende Maßnahme vorgeschlagen, mit der die Umgehung einer Sperre durch die Einführung eines „Zertifikats guten Charakters“ verhindert werden könnte(110). Ich verstehe diesen Vorschlag so, dass damit ein Verfahren gemeint ist, bei dem die Organisatoren von Wettkämpfen sowie potenzielle Arbeitgeber und Sponsoren von den jeweiligen Sportlerinnen oder Sportlern die Vorlage eines solchen Zertifikats verlangen würden, bevor sie ihnen die Teilnahme an Wettkämpfen, eine Beschäftigung im Bereich des Sports oder ein Sponsoring anbieten. Dieses Zertifikat müsste, um seine Funktion zu erfüllen, auf globaler, internationaler Ebene ausgestellt werden, was verschiedene Probleme der Datenverarbeitung, wie etwa die Übermittlung dieser Daten an eine internationale Organisation, mit sich brächte. Auf jeden Fall gibt es ein solches System derzeit nicht. Als Aufforderung an die WADA, die Einführung eines derartigen Systems in Betracht zu ziehen, mag der Vorschlag der Artikel-29-DG ein gewisses Gewicht haben. Solange dieses System aber nicht installiert ist, kann es vom österreichischen Gesetzgeber nicht als weniger restriktive Maßnahme zur Information der interessierten Kreise eingesetzt werden.

163. Da eine gezielte Information nicht wirksam ist, weil man nicht wissen kann, wer eine solche Information benötigen könnte, und da es derzeit kein adäquates System von „Zertifikaten guten Charakters“ gibt, bin ich der Ansicht, dass die fragliche Maßnahme sowohl geeignet als auch erforderlich ist, um das angestrebte Ziel – Verhinderung der Umgehung der verhängten Sanktion einer Sperre – zu erreichen.

164. Es ist möglich, dem Vorstehenden ein weiteres Argument hinzuzufügen, wie das von der NADA in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte, dass die Beschäftigung gesperrter Sportler und Sportlerinnen ihrerseits gegen die Anti-Doping-Regeln verstößt(111). Daher erscheint auch die Kenntnis der gesperrten Sportler und Sportlerinnen notwendig, damit mögliche mittelbare Verstöße gegen Anti-Doping-Regeln vermieden werden.

165. Schließlich wird die auf der NADA-Website veröffentlichte Tabelle mit den Namen, Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln und Sperren von Sportlern und Sportlerinnen regelmäßig aktualisiert. Die Informationen werden nach Ablauf der Sperre entfernt. Das bedeutet, dass die personenbezogenen Daten der Antragstellerin auf dieser Website nicht länger verbleiben, als es notwendig ist, um eine Umgehung ihrer Sperre zu verhindern.

3.      Macht die Veröffentlichung im Internet einen Unterschied?

166. Das ADBG verlangt, dass die erforderlichen Informationen der Allgemeinheit bekannt gegeben werden, legt aber nicht fest, in welcher Weise dies zu geschehen hat. Es war die Entscheidung der NADA, die Informationen auf ihre Website zu stellen.

167. Die Antragstellerin hat diese Entscheidung angefochten, weil die Online-Veröffentlichung im Internet einen zu gravierenden Eingriff darstelle, während die Grundrechte der Sportlerinnen und Sportler durch eine Offline-Veröffentlichung oder zumindest die Einführung eines Anmelde- und Passwortsystems für den Zugang zu den veröffentlichten Informationen weniger beeinträchtigt würden.

168. Der Gedanke, dass die Veröffentlichung im Internet ein zu schwerwiegender Eingriff sei, kam auch an anderer Stelle zum Ausdruck, etwa innerhalb der Artikel-29-DG(112) oder in dem Minderheitsvotum zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rechtssache L. B./Ungarn(113).

169. Ich kann mich hierzu sehr kurz fassen. Wird die Verpflichtung, Informationen mit personenbezogenen Daten der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, für gerechtfertigt erachtet, dann kann sie in der modernen Gesellschaft nur durch eine Veröffentlichung im Internet erfüllt werden. Ebenso wie nach der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg niemand mehr verlangen würde, dass eine Person von Tür zu Tür geht und Nachrichten verkündet, ist die Veröffentlichung in gedruckter Form (wie beispielsweise ein Newsletter) seit dem Beginn des Internets kein geeignetes Mittel mehr, um die Allgemeinheit mit Informationen zu versorgen. Die Forderung nach einer Offline-Veröffentlichung läuft darauf hinaus, dass die Pflicht zur Information der Allgemeinheit umgangen werden soll.

170. In ihrer Stellungnahme 4/2009 hat die Artikel-29-DG erklärt, eine Veröffentlichung im Internet werde für belastender gehalten als eine Offline-Veröffentlichung(114). Ihr Hauptargument war, dass Erstere dazu führe, dass jeder die Daten einsehen könne. Das ist zwar richtig, aber genau dieser Gedanke liegt der Vorgabe zugrunde, dass die Allgemeinheit Zugang zu den Informationen haben soll. Das zweite Argument der Artikel-29-DG betraf die Tatsache, dass Informationen im Internet für andere Zwecke verwendet und weiterverarbeitet werden können. Zwar lassen sich im Internet bereits abrufbare Informationen in der Tat einfacher weiterverarbeiten. Doch letztlich besteht kein Unterschied zwischen der Möglichkeit, Informationen, die ins Internet gestellt werden, anderweitig zu verwenden, oder der Möglichkeit, Informationen, die in einem Newsletter abgedruckt sind, anderweitig zu verwenden. In einem Newsletter veröffentlichte Informationen über Dopingverstöße können genauso gut beispielsweise von Journalisten genutzt und in ein Online-Nachrichtenportal eingestellt werden.

4.      Zwischenergebnis

171. Meines Erachtens ist die vorgeschriebene Veröffentlichung des Verstoßes gegen geltende Anti-Doping-Regelungen durch Profisportlerinnen und ‑sportler auf der öffentlich zugänglichen Website einer Anti-Doping-Behörde daher sowohl geeignet als auch erforderlich, um die präventive Funktion zu erfüllen, heutige und künftige Sportlerinnen und Sportler davon abzuhalten, einen ähnlichen Regelverstoß zu begehen, und zu verhindern, dass Sperren von Sportlerinnen und Sportlern umgangen werden.

172. Infolgedessen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 6 Abs. 3 DS-GVO es nicht ausschließen, dass eine für die Förderung, Koordinierung und Überwachung eines nationalen Programms zur Dopingkontrolle zuständige nationale Behörde auf ihrer Website personenbezogene Daten von Profisportlerinnen oder ‑sportlern in Bezug auf einen Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln allgemein zugänglich macht.

V.      Ergebnis

173. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen der Unabhängigen Schiedskommission (Österreich) wie folgt zu beantworten:

1.      Die Information, dass eine Profisportlerin oder ein Profisportler einen Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln begangen hat, der mit der Anwendung oder versuchten Anwendung oder dem Besitz einer verbotenen Substanz oder Methode zusammenhängt, stellt als solche keine „Gesundheitsdaten“ im Sinne von Art. 9 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) dar.

2.      Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 6 Abs. 3 der Verordnung 2016/679 sind dahin auszulegen,

dass sie es nicht ausschließen, dass eine für die Förderung, Koordinierung und Überwachung eines nationalen Programms zur Dopingkontrolle zuständige nationale Behörde auf ihrer Website personenbezogene Daten von Profisportlerinnen oder ‑sportlern in Bezug auf einen Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln allgemein zugänglich macht.

3.      Art. 10 der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass er auf die Verarbeitung personenbezogener Daten Anwendung findet, die sich darauf beziehen, dass eine Profisportlerin oder ein Profisportler im Rahmen einer sportlichen Tätigkeit in der WADA-Verbotsliste aufgeführte Substanzen besessen und teilweise angewandt hat.

4.      Die Betrauung einer Einrichtung mit der Überprüfung einer Entscheidung, in der ein Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln festgestellt wird, macht diese Einrichtung nicht zwangsläufig zu einer „Behörde“ im Sinne von Art. 10 der Verordnung 2016/679.

Dies gilt jedoch nur so lange, wie die Überwachung durch eine als solche bezeichnete Einrichtung nach nationalem Recht gewährleistet ist.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1).


3      Müller, R. K., „History of Doping and Doping Control“, in Thieme, D., und Hemmersbach, P. (Hrsg.), Doping in Sports, Bd. 195,  Springer, 2010, S. 2 (wonach sich der Einsatz von Hilfsmitteln und Wirkstoffen zur Steigerung der sportlichen Leistung bereits auf das Ende des dritten Jahrhunderts vor Christus zurückführen lässt).


4      Vgl. van der Sloot, B., Paun, M., Leenes, R., Athletes’ Human Rights and the Fight Against Doping: A Study of the European Legal Framework, Springer, 2020, S. 14.


5      „Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport“, Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), Paris, 2005.


6      Laut einer 2017 für die Europäische Kommission durchgeführten Studie ist der WADC in einigen Mitgliedstaaten rechtsverbindlich, in anderen hingegen nicht. Vgl. Kommission, Generaldirektion Bildung, Jugend, Sport und Kultur, McNally, P., Paun, M., Sloot, B., u. a., „Anti-doping & data protection: an evaluation of the anti-doping laws and practices in the EU Member States in light of the General Data Protection Regulation“, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2017, https://data.europa.eu/doi/10.2766/042641, S. 77.


7      Sowohl in den IAAF‑Wettkampfregeln von 2015 als auch in den IAAF‑Anti-Doping-Regeln von 2017 wird der Begriff „Anwendung“ als „Nutzung, Verabreichung, Einnahme, Injektion oder Verbrauch eines verbotenen Wirkstoffs oder einer verbotenen Methode auf jedwede Art und Weise“ definiert.


8      Es gibt zwei Entscheidungen der USK vom 21. Dezember 2021. Die erste bestätigt die inhaltlichen Feststellungen der ÖADR und setzt das Verfahren für den Teil aus, der sich auf die Nichtveröffentlichung des Namens der Antragstellerin, die Sanktion und den Verstoß gegen die Anti-Doping-Regelungen bezieht; die zweite ist der Vorlagebeschluss im vorliegenden Fall.


9      Vgl. § 5 Abs. 6 Ziff. 4 ADBG.


10      Der Antragstellerin zufolge ist diese Tabelle abrufbar unter: https://www.nada.at/de/recht/suspendierungen-sperren.


11      Die ÖADR wurde durch § 7 ADBG als eine unabhängige Stelle errichtet.


12      § 23 Abs. 2 ADBG. Die NADA ist im vorliegenden Fall Verfahrensbeteiligte, da sie den Prüfantrag bei der ÖADR gestellt hat. Vgl. § 18 ADBG.


13      § 8 Abs. 3 ADBG.


14      § 23 Abs. 3 ADBG.


15      § 23 Abs. 3 ADBG. Die Verfahrensordnung der USK ist abrufbar unter: https://www.schiedskommission.at/files/doc/Gesetze-Richtlinien-und-Bestimmungen/USK-Verfahrensordnung-2021.pdf (im Folgenden: USK-Verfahrensordnung).


16      Punkt 1 Abs. 3 der USK-Verfahrensordnung.


17      Vgl. § 8 Abs. 2 ADBG.


18      Diese Elemente sind auch in § 8 Abs. 3 ADBG enthalten.


19      § 8 Abs. 3 ADBG.


20      In Fällen, welche die Teilnahme an einem internationalen Wettkampf zum Gegenstand haben oder internationale Sportlerinnen oder Sportler betreffen, kann unmittelbar der Internationale Sportgerichtshof (im Folgenden: CAS) angerufen werden. Vgl. § 23 Abs. 4 ADBG. Diese Ausnahme scheint hier jedoch nicht zu greifen.


21      Vgl. § 23 Abs. 1 und 4 sowie Vorlagebeschluss Abschnitt IV Nr. 3. Laut Vorlagebeschluss setzt nach der Rechtsprechung des österreichischen Obersten Gerichtshofs die Anrufung der Zivilgerichte wegen Dopingverstößen zwingend die vorherige Bekämpfung der Entscheidung der ÖADR bei der USK voraus.


22      § 23 Abs. 1 ADBG.


23      § 23 Abs. 4 ADBG sieht aber nur ausdrücklich vor, dass die WADA, das Internationale Olympische Komitee, das Internationale Paralympische Komitee und der jeweils zuständige internationale Sportfachverband beim CAS Berufung einlegen können.


24      Urteil vom 30. Juni 1966 (61/65, EU:C:1966:39, S. 273).


25      Manche haben den Gerichtshof dafür kritisiert, dass er den Begriff „Gericht“ nicht umfassend definiert hat. So z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache De Coster (C‑17/00, EU:C:2001:366, Nr. 14) oder Broberg, M., und Fenger, N., Preliminary References to the European Court of Justice, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2014, S. 70. Andere, denen ich mich anschließe, sind der Ansicht, wegen der Divergenz und ständigen Weiterentwicklung der Einrichtungen in den Mitgliedstaaten der Union müsse die Frage, ob eine Einrichtung als „Gericht“ eingestuft werden könne, flexibel gehandhabt werden. Vgl. z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in den verbundenen Rechtssachen Torresi  (C‑58/13 und C‑59/13, EU:C:2014:265, Nr. 27) sowie Wahl, N., und Prete, L., „The Gatekeepers of Article 267 TFEU: On Jurisdiction and Admissibility of References for Preliminary Rulings“, Common Market Law Review, Bd. 55(2), 2018, S. 511 bis 548 (S. 522).


26      Vgl. z. B. Urteil vom 17. September 1997, Dorsch Consult (C‑54/96, EU:C:1997:413, Rn. 23). Aus jüngerer Zeit vgl. Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander (C‑274/14, EU:C:2020:17, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).


27      Vgl. z. B. Urteile vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 42 ff.), vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel des Justizsystems) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 54 ff.), und vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18, EU:C:2019:531, Rn. 74 ff.).


28      Urteil vom 21. Januar 2020 (C‑274/14, EU:C:2020:17, Rn. 55, vgl. aber auch die vollständige Analyse der Unabhängigkeit in den Rn. 51 bis 77).


29      Urteil vom 21. März 2000, Gabalfrisa u. a. (C‑110/98 bis C‑147/98, EU:C:2000:145, Rn. 39).


30      Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2015, Consorci Sanitari del Maresme (C‑203/14, EU:C:2015:664, Rn. 18).


31      Vgl. z. B. Urteil vom 12. Juni 2014, Ascendi Beiras Litoral e Alta, Auto Estradas das Beiras Litoral e Alta (C‑377/13, EU:C:2014:1754, Rn. 26) (wonach „das Tribunal …, obwohl die Zusammensetzung seiner Spruchkörper von kurzer Dauer ist und deren Tätigkeit jeweils mit ihrer Entscheidung endet, insgesamt … ständigen Charakter [aufweist]“).


32      Vgl. z. B. Urteile vom 23. März 1982, Nordsee (102/81, EU:C:1982:107, Rn. 11), und vom 17. Oktober 1989, Handels- og Kontorfunktionærernes Forbund i Danmark (109/88, EU:C:1989:383, Rn. 7).


33      Vgl. z. B. Beschluss vom 17. Juli 2014, Emmeci (C‑427/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2121, Rn. 25, 30 und 31) (wonach eine Einrichtung, die gutachtliche Stellungnahmen abgibt, das Kriterium der „obligatorischen Gerichtsbarkeit“ nicht erfüllt).


34      Vgl. z. B. Urteile vom 6. Oktober 2015, Consorci Sanitari del Maresme (C‑203/14, EU:C:2015:664, Rn. 24), und vom 26. Januar 2023, Construct (C‑403/21, EU:C:2023:47, Rn. 41) (wonach eine Vorlage von Einrichtungen mit gleichwertigen Kompetenzen wie die der zuständigen Verwaltungsgerichte in dem Fall für zulässig befunden wurde, wenn der Kläger nach geltendem Recht die Wahl hatte, sich an die vorlegende Einrichtung zu wenden).


35      Vgl. Urteile vom 17. September 1997, Dorsch Consult (C‑54/96, EU:C:1997:413, Rn. 31), und vom 29. November 2001, De Coster (C‑17/00, EU:C:2001:651, Rn. 14) (wonach das Erfordernis eines „streitigen“ Verfahrens nicht absolut ist, weshalb auch ein Verfahren, das dieses Merkmal nicht aufweist, für die betreffende Einrichtung die Voraussetzung erfüllen kann, um als ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV angesehen werden zu können).


36      Vgl. Urteil vom 17. September 1997, Dorsch Consult (C‑54/96, EU:C:1997:413, Rn. 31).


37      Vgl. z. B. Urteil vom 16. Juli 2020, Governo della Repubblica italiana (Status der italienischen Friedensrichter) (C‑658/18, EU:C:2020:572, Rn. 63).


38      Dieses Erfordernis ist auch dann erfüllt, wenn eine Einrichtung ihre Entscheidung anhand zusätzlicher Kriterien trifft. Vgl. Urteil vom 27. April 1994, Almelo (C‑393/92, EU:C:1994:171, Rn. 23) (wonach die Vorlage einer Einrichtung für zulässig erklärt wird, die nicht nur Rechtsnormen anwendet, sondern ihre Überprüfung auch nach billigem Ermessen vornimmt).


39      Die von der Einrichtung anzuwendenden Verfahrensvorschriften brauchen nicht gesetzlich festgelegt zu sein, sondern können von ihr selbst erlassen werden. Vgl. z. B. Urteil vom 17. September 1997, Dorsch Consult (C‑54/96, EU:C:1997:413, Rn. 33) (Zurückweisung des Einwands, die fraglichen Verfahrensvorschriften seien von der vorlegenden Einrichtung selbst erlassen worden, entfalteten keine Außenwirkung und seien nicht veröffentlicht worden).


40      Vgl. § 23 Abs. 3 ADBG. Vgl. auch Punkt 11 der USK-Verfahrensordnung.


41      Vgl. Punkt 8 der USK-Verfahrensordnung.


42      Nach § 23 Abs. 4 ADBG muss das gesamte Verfahren innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden.


43      Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Darmon in der Rechtssache Corbiau (C‑24/92, EU:C:1993:59, Nr. 10).


44      Urteil vom 11. Juni 1987, X (14/86, EU:C:1987:275, Rn. 7). Bereits lange davor hatte Generalanwalt Gand in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Vaassen-Göbbels (61/65, EU:C:1966:25, S. 281) die Unabhängigkeit als ein wichtiges Merkmal des Begriffs „Gericht“ angesehen.


45      Einige Generalanwälte haben jedoch den Ansatz des Gerichtshofs zur Frage der Unabhängigkeit der vorlegenden Einrichtung als zu flexibel bezeichnet. Vgl. z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache De Coster (C‑17/00, EU:C:2001:366, Nrn. 19 bis 28) (unter Hinweis darauf, dass die Rechtsprechung in Bezug auf das Erfordernis der Unabhängigkeit allmählich gelockert worden sei).


46      Vgl. z. B. Pech, L., und Scheppele, K. L., „Illiberalism Within: Rule of Law Backsliding in the EU“, Cambridge Yearbook of European Legal Studies, Bd. 19, Cambridge University Press, 2017, S. 3 bis 47; Priebus, S., „The Commission’s Approach to Rule of Law Backsliding: Managing Instead of Enforcing Democratic Values?“, Journal of Common Market Studies, Bd. 60(6), University Association for Contemporary European Studies and John Wiley & Sons Ltd, 2022, S. 1684 bis 1700.


47      Für einen Überblick über die einschlägigen Urteile verweise ich auf das Europäische Parlament, Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union, Pech, L., „The European Court of Justice’s jurisdiction over national judiciary-related measures“, 2023, abrufbar unter: https://democracyinstitute.ceu.edu/articles/european-parliament-publishes-study-laurent-pech.


48      Vgl. z. B. Broberg, M., Fenger, N., „The European Court of Justice’s Transformation of its Approach towards Preliminary References from Member State Administrative Bodies“, Cambridge Yearbook of European Legal Studies, Bd. 24, Cambridge University Press, 2022, S. 2 ff.


49      Ein Beispiel für den letzteren Fall ist das Urteil vom 19. September 2006, Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587), in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, was unter externer und interner Unabhängigkeit der Gerichte zu verstehen ist. Der Gerichtshof war mit einem Vorabentscheidungsersuchen befasst, in dem es darum ging, ob das nationale Recht den Anforderungen an die Unabhängigkeit genügt, die enthalten sind in Art. 9 der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. 1998, L 77, S. 36), mit anderen Worten die Freizügigkeit der Rechtsanwälte betreffend. Nach dieser Bestimmung waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, „gerichtliche“ Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die Eintragung eines Rechtsanwalts vorzusehen.


50      Vgl. u. a. Urteil vom 27. Februar 2018 (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 34 bis 38, 42 und 43).


51      Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander (C‑274/14, EU:C:2020:17, Rn. 55 ff.). Vgl. auch Broberg, M., Fenger, N., „The European Court of Justice’s Transformation of its Approach towards Preliminary References from Member State Administrative Bodies“, Cambridge Yearbook of European Legal Studies, Bd. 24, Cambridge University Press, 2022, S. 21 ff. (mit einer Bewertung der Entwicklung des Begriffs „Unabhängigkeit“ gemäß Art. 267 AEUV sowie der Auswirkungen der Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Charta).


52      Vgl. u. a. Reyns, C., „Saving judicial independence: a threat to the preliminary ruling mechanism?“, European Constitutional Law Review, Bd. 17(1), Cambridge University Press, 2021, S. 26 bis 52.


53      Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in den verbundenen Rechtssachen Torresi (C‑58/13 und C‑59/13, EU:C:2014:265, Nrn. 46 bis 54) und des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2016:825, Nrn. 76 bis 107).


54      Die Rechtsprechung bezeichnet den „internen“ Aspekt der Unabhängigkeit, oder die Unparteilichkeit, üblicherweise als wichtig, damit den Parteien gleiche Ausgangsbedingungen gewährleistet werden. Vgl. z. B. Urteil vom 19. September 2006, Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587, Rn. 52). Daher dürfen die Richter keinerlei persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben. Meines Erachtens dient der „externe“ Aspekt der Unabhängigkeit, wonach die Richter keiner Einflussnahme von außen ausgesetzt sein dürfen, demselben Ziel, nämlich der Gewährleistung gleicher Ausgangsbedingungen für beide Streitparteien. Druck von außen führt auch dazu, dass der Ausgang eines Rechtsstreits nicht auf einer autonomen Entscheidung des Richters beruht, sondern auf einem externen Akteur, der den Richter beeinflusst hat, höchstwahrscheinlich zum Vorteil einer der Parteien.


55      Vgl. insbesondere Urteile vom 19. September 2006, Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587, Rn. 49 bis 52), und vom 21. Januar 2020, Banco de Santander (C‑274/14, EU:C:2020:17, Rn. 57 bis 62).


56      Vgl. z. B. Urteil vom 5. November 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit der ordentlichen Gerichte) (C‑192/18, EU:C:2019:924, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).


57      Vgl. Urteile vom 21. Januar 2020, Banco de Santander (C‑274/14, EU:C:2020:17, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 16. Juli 2020, Governo della Repubblica italiana (Status der italienischen Friedensrichter) (C‑658/18, EU:C:2020:572, Rn. 49).


58      Vgl. Urteile vom 21. Januar 2020, Banco de Santander (C‑274/14, EU:C:2020:17, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 16. Juli 2020, Governo della Repubblica italiana (Status der italienischen Friedensrichter) (C‑658/18, EU:C:2020:572, Rn. 48).


59      § 8 Abs. 3 ADBG. Im Gegensatz dazu werden die Mitglieder der ÖADR, die als erste Instanz in Anti-Doping-Fällen entscheidet, von der NADA bestellt. Vgl. § 7 Abs. 3 ADBG.


60      Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander (C‑274/14, EU:C:2020:17, Rn. 66).


61      Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Banco de Santander (C‑274/14, EU:C:2019:802, Nr. 38).


62      Vgl. entsprechend Urteile vom 13. Januar 2022, Ministerstwo Sprawiedliwości (C‑55/20, EU:C:2022:6, Rn. 77), und vom 26. Januar 2023, Construct (C‑403/21, EU:C:2023:47) (wonach die Tatsache, dass von der Befugnis zur Abberufung eines Mitglieds eines Disziplinargerichts noch nie Gebrauch gemacht wurde, als ein Kriterium bei der Prüfung zu berücksichtigen ist, ob diese Befugnis wahrscheinlich geeignet ist, die „externe“ Unabhängigkeit einer vorlegenden Einrichtung zu beeinträchtigen).


63      Vgl. z. B. Urteil vom 5. November 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit der ordentlichen Gerichte) (C‑192/18, EU:C:2019:924, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).


64      Vgl. z. B. Urteil vom 3. Mai 2022, CityRail (C‑453/20, EU:C:2022:341, Rn. 52 und 64 bis 69 und die dort angeführte Rechtsprechung) (zu einer Verwaltungsbehörde, die durch die Ausübung von Überprüfungsbefugnissen von Amts wegen zu sich selbst „Beschwerde“ einlegen und so Verwaltungsentscheidungen der nationalen Regulierungsstelle für den Eisenbahnsektor überprüfen konnte).


65      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2020, Banco de Santander (C‑274/14, EU:C:2020:17, Rn. 61 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).


66      Vgl. z. B. Urteil vom 31. Mai 2005, Syfait u. a. (C‑53/03, EU:C:2005:333, Rn. 31 bis 37), oder Urteil vom 30. Mai 2002, Schmid (C‑516/99, EU:C:2002:313, Rn. 34 bis 38).


67      Urteil vom 24. Mai 2016 (C‑396/14, EU:C:2016:347).


68      Urteil vom 17. September 1997 (C‑54/96, EU:C:1997:413, Rn. 34).


69      Urteil vom 17. September 1997 (C‑54/96, EU:C:1997:413, Rn. 35).


70      Vgl. Urteil vom 21. Januar 2020 (C‑274/14, EU:C:2020:17, Rn. 67 und 77).


71      Vgl. z. B. Urteile vom 6. Oktober 1981, Broekmeulen (246/80, EU:C:1981:218, Rn. 9) (wo das betreffende Gremium zum Teil aus praktischen Ärzten bestand), und vom 24. Mai 2016, MT Højgaard und Züblin (C‑396/14, EU:C:2016:347, Rn. 27 bis 29) (wo das betreffende Gremium zum Teil aus Laien und Richtern bestand).


72      Vgl. z. B. Urteile vom 24. Mai 2016, MT Højgaard und Züblin (C‑396/14, EU:C:2016:347, Rn. 27), und vom 16. Juli 2020, Governo della Repubblica italiana (Status der italienischen Friedensrichter) (C‑658/18, EU:C:2020:572, Rn. 55).


73      Vgl. hierzu auch Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Ministerstwo Sprawiedliwości (C‑55/20, EU:C:2021:500, Nrn. 58 und 59).


74      Wie sich aus den nationalen Akten ergibt, ist jenes unter dem Aktenzeichen W108 2250401-1/10Z eingetragene Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht bis zum Abschluss des Verfahrens in der vorliegenden Rechtssache ausgesetzt worden.


75      Urteil vom 12. Januar 2023 (C‑132/21, EU:C:2023:2, Rn. 57).


76      Diese Auffassung wird auch in der Fachliteratur vertreten; vgl. Bresich, R., Dopplinger, L., Dörnhöfer, S., Kunnert, G, und Riedl, E., Datenschutzgesetz – Kommentar, Linde Verlag, 2018, S. 201, sowie Schwamberger, S., in Jahnel, D. (Hrsg.), Jahrbuch 19 Datenschutzrecht, Neuer Wissenschaftlicher Verlag, 2019, S. 267 mit Hinweisen auf das nationale Recht.


77      Vgl. entsprechend zur Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl. 2001, L 75, S. 29) Urteile vom 9. November 2017, CTL Logistics (C‑489/15, EU:C:2017:834, Rn. 87), und vom 27. Oktober 2022, DB Station & Service (C‑721/20, EU:C:2022:832, Rn. 60, 80 und 81) (wonach Streitigkeiten im Zusammenhang mit Eisenbahnentgelten zunächst der aufgrund der Richtlinie 2001/14 eingerichteten Regulierungsstelle vorgelegt werden müssen, bevor die Gerichte eingeschaltet werden können).


78      Art. 2 Abs. 1 DS-GVO.


79      Vgl. u. a. Urteile vom 6. November 2003, Lindqvist (C‑101/01, EU:C:2003:596, Rn. 25), und vom 13. Mai 2014, Google Spain und Google (C‑131/12, EU:C:2014:317, Rn. 26) (wonach der Vorgang, der darin besteht, personenbezogene Daten auf eine Internetseite zu stellen, eine Datenverarbeitung ist).


80      Diese Informationen können verwendet werden, um die Antragstellerin als Person, die gegen die Regelungen verstoßen hat, zu identifizieren, und beziehen sich somit eindeutig „auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO.


81      Vgl. u. a. Urteil vom 6. November 2003, Lindqvist (C‑101/01, EU:C:2003:596, Rn. 26).


82      Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache WK (C‑33/22, EU:C:2023:397, Nr. 78).


83      Zur Rolle von Art. 165 AEUV vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Royal Antwerp Football Club (C‑680/21, EU:C:2023:188, Nrn. 48 bis 55).


84      Vgl. hierzu Weatherill, S., „Saving Football from Itself: Why and How to Re-make EU Sports Law“, Cambridge Yearbook of European Legal Studies, Bd. 24, 2022, S. 8 und 9.


85      Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman (C‑415/93, EU:C:1995:463, Rn. 73 ff.), vom 18. Juli 2006, Meca-Medina und Majcen/Kommission (C‑519/04 P, EU:C:2006:492, Rn. 22 ff.), vom 1. Juli 2008, MOTOE (C‑49/07, EU:C:2008:376, Rn. 20 bis 26), vom 16. März 2010, Olympique Lyonnais (C‑325/08, EU:C:2010:143, Rn. 27 ff.), und vom 13. Juni 2019, TopFit und Biffi (C‑22/18, EU:C:2019:497, Rn. 27 ff.), sowie Schlussanträge des Generalanwalts Rantos in der Rechtssache International Skating Union/Kommission (C‑124/21 P, EU:C:2022:988, Nrn. 36 bis 43), des Generalanwalts Rantos in der Rechtssache European Superleague Company (C‑333/21, EU:C:2022:993, Nrn. 39 bis 42) und des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Royal Antwerp Football Club (C‑680/21, EU:C:2023:188, Nrn. 34 bis 36).


86      Die relevante Passage dieses Erwägungsgrundes lautet wie folgt: „Zu den personenbezogenen Gesundheitsdaten sollten alle Daten zählen, die sich auf den Gesundheitszustand einer betroffenen Person beziehen und aus denen Informationen über den früheren, gegenwärtigen und künftigen körperlichen oder geistigen Gesundheitszustand der betroffenen Person hervorgehen. Dazu gehören auch … Informationen, die von der Prüfung oder Untersuchung eines Körperteils oder einer körpereigenen Substanz, auch aus genetischen Daten und biologischen Proben, abgeleitet wurden …“


87      Vgl. Urteil vom 6. November 2003 (C‑101/01, EU:C:2003:596, Rn. 50).


88      Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31) („Datenschutzrichtlinie“).


89      Was ursprünglich im Entwurfsstadium sogar noch restriktiver formuliert war, als es jetzt in der endgültigen Fassung des Textes zu lesen ist. Vgl. hierzu Rat der Europäischen Union, Arbeitsgruppe für Datenschutz und Informationsaustausch, „Datenschutz-Grundverordnung“ – Überarbeiteter Entwurf der Kapitel I und II (Dok 6828/13, 26. Februar 2013, S. 10) (mit einem Formulierungsvorschlag, wonach die besagten Gesundheitsdaten „Informationen über signifikante Gesundheitsprobleme, Behandlungen und sensible Erkrankungen einer … Person offenbaren“ sollten).


90      Vgl. Urteil vom 22. Juni 2021, Latvijas Republikas Saeima (Strafpunkte) (C‑439/19, EU:C:2021:504, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung) (Begründung der autonomen Natur dieses Begriffs im Unionsrecht).


91      Urteil vom 22. Juni 2021, Latvijas Republikas Saeima (Strafpunkte) (C‑439/19, EU:C:2021:504, Rn. 77 und 78) (wonach der Anwendungsbereich von Art. 10 DS-GVO im Gegensatz zu Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 95/46 auf den strafrechtlichen Bereich beschränkt ist).


92      Folglich braucht für den vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, ob die Antragstellerin zusätzlich verurteilt wurde.


93      Urteil vom 22. Juni 2021, Latvijas Republikas Saeima (Strafpunkte) (C‑439/19, EU:C:2021:504, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).


94      Urteil vom 22. Juni 2021, Latvijas Republikas Saeima (Strafpunkte) (C‑439/19, EU:C:2021:504, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung) (wonach auch Zuwiderhandlungen, die im innerstaatlichen Recht nicht als „strafrechtlich“ eingestuft werden, gleichwohl wegen der Art der Zuwiderhandlung und des Schweregrads der drohenden Sanktion als „strafrechtlich“ im Sinne des Unionsrechts angesehen werden können).


95      Vgl. Urteil vom 22. Juni 2021, Latvijas Republikas Saeima (Strafpunkte) (C‑439/19, EU:C:2021:504, Rn. 89) (wonach es nicht in der Natur „strafrechtlicher“ Sanktionen liegt, allein den entstandenen Schaden zu ersetzen).


96      Insoweit würde ich daher argumentieren, dass der vorliegende Fall jenseits der in der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) als auch des CAS anerkannten allgemeinen Leitlinie, wonach Disziplinarverfahren im Bereich des Sports generell nicht als solche strafrechtlicher Natur eingestuft werden können, zu verorten ist. Vgl. hierzu CAS, Schiedsspruch vom 22. August 2011, Stichting Anti-Doping Autoriteit Nederland (NADO) & Koninklijke Nederlandsche Schaatsenrijders Bond (KNSB)/W. (2010/A/2311 & 2312, Rn. 33) (wonach den Sport betreffende Streitfälle sowohl nach Schweizer Recht als auch nach der CAS-Rechtsprechung generell als solche zivilrechtlicher Natur gelten).


97      Die französische Regierung bezieht sich auf das Urteil des EGMR vom 6. November 2018, Ramos Nunes de Carvalho e Sá/Portugal (CE:ECHR:2018:1106JUD005539113, insbesondere § 67 (Suspendierung vom Richteramt für einen ununterbrochenen Zeitraum von 240 Tagen) und § 127 (wonach diese Suspendierung nicht die Schwelle zum Strafrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK erreichte).


98      Das soll nicht heißen, dass der Schachklub von Knin keine seriöse Einrichtung wäre. Ganz im Gegenteil: Der kroatischen Überlieferung zufolge wurde der mittelalterliche kroatische König Stjepan Držislav, der den ersten kroatischen Staat von der Festung Knin aus regierte, in dieser Region vom venezianischen Dogen Pietro II. Orseolo gefangen genommen. Um seine Freiheit wiederzuerlangen, spielte Držislav drei Schachpartien gegen den venezianischen Dogen, gewann alle Partien und erhielt im Gegenzug die Freiheit nicht nur für sich selbst, sondern für alle kroatischen Städte entlang der Adriaküste. Um seinen Sieg zu feiern, nahm Držislav das Schachbrettmuster in sein Wappen auf.


99      Vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 2. Oktober 2018, Mutu und Pechstein/Schweiz (CE:ECHR:2018:1002JUD004057510, § 182) (wonach eine öffentliche Anhörung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK geboten war, da die zweijährige Dopingsperre der Beschwerdeführerin „mit einem gewissen Stigma behaftet und geeignet war, ihre Berufsehre und ihr Ansehen zu beeinträchtigen“).


100      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Norra Stockholm Bygg (C‑268/21, EU:C:2022:755, Nr. 81).


101      § 21 Abs. 3 ADBG.


102      § 23 Abs. 14 ADBG.


103      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Fashion ID (C‑40/17, EU:C:2019:629, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung) (wonach der Begriff des Verantwortlichen mehrere an der Verarbeitung personenbezogener Daten beteiligte Akteure betreffen kann).


104      Insoweit hat der Gerichtshof bereits anerkannt, dass ein und dieselbe Datenverarbeitung mehrere Zulässigkeitsgründe erfüllen kann. Vgl. hierzu Urteil vom 9. März 2017, Manni (C‑398/15, EU:C:2017:197, Rn. 42). Vgl. auch Urteil vom 1. August 2022, Vyriausioji tarnybinės etikos komisija (C‑184/20, EU:C:2022:601, Rn. 71), in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass ein einziger Zulässigkeitsgrund nach Art. 6 DS-GVO ausreicht.


105      Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist ein notwendiger Schritt, den der Gerichtshof vornehmen muss, um eine Einschränkung eines Grundrechts für gerechtfertigt zu erklären (Art. 52 Abs. 1 der Charta). Für das Grundrecht auf Datenschutz wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c (Grundsatz der Datenminimierung) und Art. 6 Abs. 3 DS-GVO bekräftigt.


106      Artikel-29-Datenschutzgruppe, „Zweite Stellungnahme 4/2009 zum internationalen Standard der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zum Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Informationen, zu entsprechenden Vorschriften des WADA-Codes und zu anderen Datenschutzfragen im Bereich des Kampfes gegen Doping im Sport durch die WADA und durch (nationale) Anti-Doping-Organisationen“ (WP 162, angenommen am 6. April 2009, 0746/09/DE) (im Folgenden: Stellungnahme 4/2009 der Artikel-29-DG).


107      Stellungnahme 4/2009 der Artikel-29-DG, S. 17, Punkt 3.6.2.


108      Der Gerichtshof hat bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Maßnahme bereits diesen Maßstab angelegt und geprüft, ob die alternative Maßnahme ebenso wirksam wäre. Vgl. hierzu Urteil vom 1. August 2022, Vyriausioji tarnybinės etikos komisija (C‑184/20, EU:C:2022:601, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).


109      Es ist daher nicht möglich, automatisch Schlussfolgerungen aus einem anderen Kontext zu ziehen, wie z. B. dem, der dem Urteil vom 22. Juni 2021, Latvijas Republikas Saeima (Strafpunkte) (C‑439/19, EU:C:2021:504), zugrunde lag, in dem es darum ging, ob die Veröffentlichung von Informationen über Ersttäter unverhältnismäßig ist (a. a. O., Rn. 115). In jener Rechtssache wurde die Veröffentlichung von Strafpunkten für Verstöße gegen Verkehrsvorschriften bei Ersttätern als unnötig angesehen. Allerdings bestand in dem Kontext, über den der Gerichtshof zu entscheiden hatte, die Rechtfertigung in der Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit (a. a. O., Rn. 107). Zwar ist es in der Tat möglich, dass Personen, die erstmals gegen Verkehrsvorschriften verstoßen, den Verkehr nicht gefährden. Hingegen lässt sich die Veröffentlichung der Namen von Personen, die erstmals gegen Anti-Doping-Regeln verstoßen, für notwendig erachten, um junge Sportlerinnen und Sportler davon abzuhalten, die Anwendung verbotener Substanzen auch nur zu versuchen.


110      Stellungnahme 4/2009 der Artikel-29-DG, S. 17, Punkt 3.6.1.


111      Nach § 1 Abs. 2 Ziff. 10 ADBG gilt es als gesonderte Zuwiderhandlung, wenn eine „sonstige Person“ einen gesperrten Sportler oder eine gesperrte Sportlerin dabei unterstützt oder zu unterstützen versucht, die Sperre zu umgehen.


112      Stellungnahme 4/2009 der Artikel-29-DG, S. 17, Punkt 3.6.2.


113      EGMR, Urteil vom 9. März 2023 (CE:ECHR:2023:0309JUD003634516).


114      Stellungnahme 4/2009 der Artikel-29-DG, S. 17, Punkt 3.6.2.