Language of document : ECLI:EU:T:2012:446

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

19. September 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Gemeinschaftsbildmarke VR – Kein Antrag auf Verlängerung der Marke – Löschung der Marke bei Ablauf der Eintragung – Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Art. 81 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑267/11

Video Research USA, Inc. mit Sitz in New York, New York (USA), Prozessbevollmächtigter: B. Brandreth, Barrister,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch P. Bullock als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 8. März 2011 (Sache R 1187/2010‑2) über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz (Berichterstatter), der Richterin I. Labucka und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 24. Mai 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 2. August 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2012

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Art. 47 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 11, S. 1) in geänderter Fassung (jetzt Art. 47 der Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) bestimmt:

„Verlängerung

(1)      Die Eintragung der Gemeinschaftsmarke wird auf Antrag des Inhabers oder einer hierzu ausdrücklich ermächtigten Person verlängert, sofern die Gebühren entrichtet worden sind.

(2)      Das [HABM] unterrichtet den Inhaber der Gemeinschaftsmarke … rechtzeitig vor dem Ablauf der Eintragung. …

(3)      Der Antrag auf Verlängerung ist innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vor Ablauf des letzten Tages des Monats, in dem die Schutzdauer endet, einzureichen. Innerhalb dieses Zeitraums sind auch die Gebühren zu entrichten. Der Antrag und die Gebühren können noch innerhalb einer Nachfrist von sechs Monaten nach Ablauf des in Satz 1 genannten Tages eingereicht oder gezahlt werden, sofern innerhalb dieser Nachfrist eine Zuschlagsgebühr entrichtet wird.

…“

2        Regel 30 Abs. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) in geänderter Fassung sieht Folgendes vor:

„(5)      Wird ein Verlängerungsantrag nicht oder erst nach Ablauf der Frist gemäß Artikel 47 Absatz 3 Satz 3 der Verordnung gestellt …, so stellt das [HABM] fest, dass die Eintragung abgelaufen ist, und teilt dies dem Inhaber der Gemeinschaftsmarke mit …

(6)      Ist die Feststellung des [HABM] gemäß Absatz 5 rechtskräftig, so löscht das [HABM] die Marke im Register. Die Löschung wird am Tag nach Ablauf der Eintragung wirksam.“

3        Art. 81 der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt Folgendes:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

(1)      Der Anmelder, der Inhaber der Gemeinschaftsmarke oder jeder andere an einem Verfahren vor dem [HABM] Beteiligte, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist, gegenüber dem [HABM] eine Frist einzuhalten, wird auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Verhinderung nach dieser Verordnung den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsmittels zur unmittelbaren Folge hat.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

4        Am 12. Januar 2000 trug das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) auf den am 26. August 1998 eingereichten Antrag der Klägerin, Video Research USA, Inc., hin das nachstehende Bildzeichen als Gemeinschaftsmarke ein:

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5        Am 28. Januar 2008 teilte das HABM der Kanzlei B., dem Vertreter der Klägerin vor dem HABM (im Folgenden: Kanzlei B.), gemäß Art. 47 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 47 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009) und Regel 29 der Verordnung Nr. 2868/95 mit, dass die Schutzdauer der Marke am 26. August 2008 ende und der Antrag auf Verlängerung für den 1. September 2008 zu stellen sei. Das HABM betonte außerdem, dass im Fall der Entrichtung der Zuschlagsgebühr wegen Nichtzahlung der Verlängerungsgebühren die Frist bis zum 2. März 2009 verlängert würde.

6        Die Klägerin verlängerte ihre Eintragung jedoch nicht.

7        Daher teilte das HABM dem Vertreter der Klägerin am 1. April 2009 mit, dass die Eintragung der Gemeinschaftsmarke abgelaufen sei und sie gelöscht werde. Die Löschung wurde am 26. August 2008 wirksam.

8        Am 2. Juni 2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne von Art. 81 der Verordnung Nr. 207/2009, in dem sie die Gründe erläuterte, aus denen sie verhindert gewesen sei, die Frist für die Verlängerung ihrer Eintragung einzuhalten. Zur Stützung ihres Antrags legte die Klägerin eine eidesstattliche Erklärung vom 2. Juni 2009 des Herrn J. W. in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der Kanzlei B. vor.

9        Nach dieser Erklärung verwendet die Kanzlei B. ein Computersystem zur Verwaltung der Dateien und Verlängerungen namens „Inprotech“, das am 1. April, 1. Juni und 1. Juli 2008 Meldungen zur Erinnerung an die Verlängerung generiert und an den amerikanischen Bevollmächtigten der Klägerin geschickt habe. In der Folge habe die Kanzlei B. am 18. August 2008 Anweisungen erhalten, die Eintragung zu verlängern. Aufgrund eines außergewöhnlichen menschlichen Fehlers habe jedoch der für Verlängerungen zuständige Verwalter diese Anweisung nicht an einen für Verlängerungen zuständigen Sachbearbeiter zwecks Durchführung der Verlängerungsanweisung geschickt. Zudem habe aufgrund eines Defekts des Systems „Inprotech“ dieses System keine Meldungen zur Erinnerung an die Verlängerung drei, vier und fünf Monate nach dem Fristende der Verlängerung generiert. Somit sei die oben genannte Eintragung aufgrund zweier verschiedener Fehler nicht verlängert worden, wobei der eine ein unerklärlicher menschlicher Fehler und der andere ein auf ein Problem in der Computerprogrammierung zurückgehender Fehler gewesen sei.

10      Mit Entscheidung vom 26. April 2010 wies die Abteilung „Marken und Register“ des HABM den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und bestätigte die Löschung der Eintragung der Gemeinschaftsmarke.

11      Am 25. Juni 2010 legte die Klägerin beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Abteilung „Marken und Register“ nach den Art. 58 und 64 der Verordnung Nr. 207/2009 ein.

12      Mit Entscheidung vom 8. März 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Sie war erstens im Wesentlichen der Ansicht, dass die Bestimmungen von Art. 81 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 eng auszulegen seien, da die Einhaltung einer Frist eine Frage zwingenden Rechts sei. Zweitens erstreckten sich, wenn eine Partei die Dienste eines zugelassenen Bevollmächtigten in Anspruch nehme, die Sorgfaltspflichten auf diesen ordnungsgemäß ermächtigten zugelassenen Bevollmächtigten. Drittens könnten die von der Klägerin geltend gemachten Umstände nicht als außergewöhnlich und unvermeidbar angesehen werden. Zunächst einmal habe der für Verlängerungen zuständige Verwalter der Kanzlei B. vergessen, seinem Verwaltungspersonal die erforderlichen Anweisungen zu geben. Sodann habe der amerikanische Vertreter der Klägerin erst acht Monate später, am 13. April 2009, reagiert, nachdem er auf der Internetseite des HABM entdeckt habe, dass die Eintragung nicht verlängert worden ist. Ferner habe sich die Kanzlei B. auf ein einziges System verlassen, im vorliegenden Fall „Inprotech“. Schließlich habe die Kanzlei B. das Schreiben des HABM vom 28. Januar 2008 nicht beachtet, mit dem ihr zwei Fristen gesetzt worden seien, um den Antrag zu stellen und die Gebühren zu entrichten. Viertens habe die Klägerin nicht dargetan, „[alle] nach den gegebenen Umständen [gebotene] Sorgfalt“ beachtet zu haben.

 Verfahren und Anträge der Parteien

13      In ihrer Klageschrift beantragt die Klägerin,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        die Sache an das HABM mit der Empfehlung zurückzuverweisen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

14      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, sie nehme ihren zweiten Klageantrag zurück.

15      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

16      Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 81 der Verordnung Nr. 207/2009 und eine fehlerhafte Tatsachenbeurteilung rügt.

17      Sie macht geltend, die Beschwerdekammer habe bei der Beurteilung der gebotenen Sorgfalt des Markeninhabers oder seiner Vertreter unrichtige und zu strenge rechtliche Kriterien angewandt. Zudem wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, unzutreffende Tatsachenfeststellungen vorgenommen zu haben.

18      Aus Art. 81 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt sich, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwei Voraussetzungen unterliegt: Erstens muss der Betroffene mit der unter den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt gehandelt haben, und zweitens muss seine Verhinderung den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsbehelfs zur unmittelbaren Folge gehabt haben (Beschluss des Gerichts vom 6. September 2006, Hensotherm/HABM – Hensel [HENSOTHERM], T‑366/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 48, und Urteil des Gerichts vom 20. April 2010, Rodd & Gunn Australia/HABM [Darstellung eines Hundes], T‑187/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 28).

19      Außerdem ergibt sich aus dieser Vorschrift, dass die Sorgfaltspflicht in erster Linie dem Inhaber der Marke obliegt. Wenn der Inhaber der Marke also in Bezug auf die Verlängerung der Marke administrative Aufgaben delegiert, so muss er darauf achten, dass die ausgewählte Person die gebotenen Garantien bietet, um annehmen zu können, dass die genannten Aufgaben ordnungsgemäß durchgeführt werden. Überdies obliegt die genannte Sorgfaltspflicht aufgrund der Beauftragung mit diesen Aufgaben der ausgewählten Person genauso wie dem Inhaber der Marke. Da sie nämlich im Namen und für Rechnung des Markeninhabers auftritt, sind ihre Handlungen wie Handlungen des Markeninhabers anzusehen (Urteile des Gerichts vom 13. Mai 2009, Aurelia Finance/HABM [AURELIA], T‑136/08, Slg. 2009, II‑1361, Randnrn. 14 und 15, und Darstellung eines Hundes, Randnr. 29).

20      Zudem erfordert nach der Rechtsprechung die in Art. 81 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 stehende Wendung „aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt“ die Einrichtung eines Systems zur internen Kontrolle und Überwachung der Fristen, das – wie in den Richtlinien des HABM vorgesehen – die unbeabsichtigte Versäumnis von Fristen generell ausschließt. Daraus folgt, dass allein außergewöhnliche und damit nicht kraft Erfahrung vorhersehbare Umstände eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Folge haben können (Urteil AURELIA, Randnr. 26).

21      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin, die Inhaberin der Marke, für ihre Vertretung hinsichtlich der Verwaltung der fraglichen Marke einen amerikanischen Bevollmächtigten gewählt, der wiederum die mit der Verlängerung der Marke zusammenhängenden administrativen Aufgaben an die Kanzlei B. delegiert hat. Unter diesen Umständen unterlagen sowohl die Klägerin als auch ihr amerikanischer Bevollmächtigter und die Kanzlei B. der von der oben in den Randnrn. 18 bis 20 angeführten Rechtsprechung präzisierten Sorgfaltspflicht.

22      Die Beschwerdekammer hat auf mehrere Umstände hingewiesen, die zur Nichtverlängerung geführt haben. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, dass die Kanzlei B. ihre Sorgfaltspflicht verletzt hatte.

23      Erstens ist der menschliche Fehler des für Verlängerungen zuständigen Verwalters der Kanzlei B. zu prüfen, der darin bestand, dass dieser es vergaß, nach Erhalt des Verlängerungsauftrags des amerikanischen Bevollmächtigten dem für Verlängerungen zuständigen Sachbearbeiter eine Anweisung auf Verlängerung zu geben.

24      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht bereits entschieden hat, dass menschliche Fehler bei der technischen Verwaltung der Verlängerungen erfahrungsgemäß nicht als außergewöhnliche oder unvorhersehbare Ereignisse anzusehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil AURELIA, Randnr. 28). Daher hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass der Fehler des für Verlängerungen zuständigen Verwalters der Kanzlei B. einen Verstoß gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht darstellt.

25      Zweitens ist die unterbliebene Versendung automatischer E-Mails an den für Verlängerungen zuständigen Verwalter drei, vier und fünf Monate nach der Frist zu prüfen, in der sich ein Defekt des Systems „Inprotech“ zeigte.

26      Das Gericht hat insoweit bereits entschieden, dass dann, wenn die Markenverlängerung einem Fachunternehmen anvertraut wird, das ein Computersystem zur Erinnerung an die Fristen benutzt, es die nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt insbesondere erfordert, dass dieses System die Möglichkeit bietet, jeden vorhersehbaren Fehler in der Funktionsweise des Computersystems zu erkennen und zu beheben (vgl. in diesem Sinne Urteil AURELIA, Randnr. 27). Bei der „Verstümmelung“ oder dem Verlust von Daten, auf die die Klägerin verweist, handelt es sich jedoch um einen vorhersehbaren Fehler, der bei jedem Computersystem auftreten kann. Daher stellt die unterlassene Behebung des Defekts des Computersystems, beispielsweise durch ein paralleles Erinnerungssystem oder durch regelmäßige Kontrollen, ebenfalls einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht der Kanzlei B. dar.

27      Das Vorbringen der Klägerin bezüglich der anderen Fälle von Defekten der von dem Unternehmen C. entwickelten Programme ist unerheblich. Entscheidend ist, dass das von der Kanzlei B. benutzte Computersystem nicht die Möglichkeit bot, jeden vorhersehbaren Fehler in der Funktionsweise des Systems zu erkennen und zu beheben, was zur Folge hatte, dass diese Kanzlei ihre Sorgfaltspflicht nicht eingehalten hat.

28      Drittens macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe die Tatsachen falsch beurteilt, als sie in Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung festgestellt habe, dass der Vertreter der Klägerin, die Kanzlei B., „das am 28. Januar 2008 übermittelte Schreiben des [HABM] nicht beachtet [hat], mit dem ihm zwei Fristen gesetzt worden sind, um den Antrag zu stellen und die Gebühren zu entrichten“, und dass dann, „[w]enn diese wichtigen Fristen in das Computersystem der Klägerin eingegeben worden wären, … das Unterlassen des für Verlängerungen zuständigen Verwalters festgestellt worden [wäre], selbst mit einem defekten Computersystem für Verlängerungen“.

29      Selbst wenn dieses Vorbringen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung der Verantwortlichkeit ihres Vertreters, der Kanzlei B., erheblich wäre, ist festzustellen, dass die Klägerin in der Antwort auf die schriftliche Frage des Gerichts klargestellt hat, dass die automatischen Meldungen des Systems „Inprotech“ zur Erinnerung an die Verlängerung auf der Grundlage der Daten generiert wurden, die zum Zeitpunkt der Eintragung der in Rede stehenden Marke, am 29. Februar 2000, eingegeben wurden. Zudem sieht das Dokument „Renewals department procedures“ (Verfahren der für Verlängerungen zuständigen Abteilung), in dem die internen Verfahren der Kanzlei B. genau beschrieben werden, keine Eingabe von Daten nach dem Eingang der Erinnerungsmeldung vor, die das HABM gemäß Art. 47 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 und Regel 29 der Verordnung Nr. 2868/95 versendet.

30      Daher hat die Klägerin keinen Beweis vorgelegt, der die Stichhaltigkeit der in Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Behauptung in Frage stellen könnte, so dass dieses Vorbringen zurückzuweisen ist.

31      Viertens hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, es sei vernünftigerweise nicht vorhersehbar gewesen, dass ein Fehler eines erfahrenen Angestellten und ein Defekt des Computersystems in dem Verfahren zur Verlängerung derselben Marke auftreten würden. Daher handele es sich um ein unvorhersehbares zusammengesetztes Ereignis.

32      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall der Grund, aus dem der menschliche Fehler bei der Nichtverlängerung der Marke eine Rolle spielen konnte, darin bestand, dass der Defekt des Systems „Inprotech“ nach der Generierung der Erinnerungsmeldungen vom 1. April, 1. Juni und 1. Juli 2008 aufgetreten war, auf die der amerikanische Bevollmächtigte der Klägerin mit der Abgabe der Verlängerungsanweisung reagierte. Dieser menschliche Fehler ist nicht im Rahmen eines Kontroll- oder Überprüfungsmechanismus des Computersystems der Klägerin aufgetreten, der eingeführt worden wäre, um ein der Aufspürung und Behebung von Computerdefekten oder Datenverlusten dienendes Redundanzniveau zu erreichen. Wie oben in Randnr. 26 jedoch ausgeführt worden ist, kann allein schon das Fehlen eines solchen Mechanismus einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht des Markeninhabers oder seines Vertreters darstellen, wenn es die endgültige Löschung der Marke zur Folge hat.

33      Daher ist die Feststellung der Beschwerdekammer zu bestätigen, wonach die Klägerin nicht dargetan hat, dass die Kanzlei B. „[alle] nach den gegebenen Umständen [gebotene] Sorgfalt“ beachtet hat, die nach Art. 81 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 für die Vornahme einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erforderlich ist.

34      Das übrige Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, diese Feststellung in Frage zu stellen.

35      Was erstens die Verwendung der Begriffe aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Feststellung von Fällen höherer Gewalt in der angefochtenen Entscheidung anbelangt, genügt der Hinweis darauf, dass, wie sich aus den oben in den Randnrn. 23 bis 26 enthaltenen Ausführungen ergibt, die Beschwerdekammer rechtlich hinreichend belegt hat, dass die Kanzlei B. nicht die gebotene Sorgfalt beachtet hat. Das Vorbringen der Klägerin, das gegen die in der Argumentation der Beschwerdekammer enthaltenen Passagen einer allgemeinen Auslegung gerichtet ist, geht daher ins Leere. Die Beschwerdekammer hat jedenfalls zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 81 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 strikt auszulegen sind. Die Einhaltung von Fristen gehört nämlich zum zwingenden Recht, und die Wiedereinsetzung einer Eintragung in den vorigen Stand nach ihrer Löschung könnte der Rechtssicherheit schaden.

36      Zweitens macht die Klägerin geltend, die Entscheidung der Abteilung „Marken und Register“ des HABM verlange unzulässigerweise von einem professionellen Bevollmächtigten einen höheren Sorgfaltsgrad als im Allgemeinen von einer Partei.

37      Insofern ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 65 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 Gegenstand der Klage beim Gericht die Entscheidung über die Entscheidungen der Beschwerdekammern ist. Aus der angefochtenen Entscheidung geht jedoch nicht hervor, dass die Beschwerdekammer den in der Entscheidung der Abteilung „Marken und Register“ gefolgten Ansatz übernommen hat. In Randnr. 15 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer nämlich darauf hingewiesen, dass dann, „[w]enn eine Partei … die Dienste eines zugelassenen Bevollmächtigten in Anspruch nimmt, … die Sorgfaltspflichten sich auf diesen ordnungsgemäß ermächtigten zugelassenen Bevollmächtigten [erstrecken]“, und somit keinen Unterschied zwischen dem für einen Markeninhaber gebotenen Sorgfaltsgrad und dem für seinen Bevollmächtigten gebotenen Grad gemacht. Da die Beschwerdekammer jedenfalls rechtlich hinreichend belegt hat, dass die Kanzlei B. nicht die gebotene Sorgfalt beachtet hat, geht dieses Vorbringen der Klägerin ins Leere und ist zurückzuweisen (siehe auch oben, Randnr. 35).

38      Drittens beanstandet die Klägerin die Äußerung in Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung, wonach ihr amerikanischer Vertreter auf die unterbliebene Verlängerung „früher [hätte] reagieren müssen“ als am 13. April 2009. Sie macht geltend, sie habe dadurch, dass sie eine angesehene und erfahrene Kanzlei von Fachanwälten im Markenrecht ausgewählt und ihren Verlängerungsauftrag an den für Verlängerungen zuständigen Verwalter dieser Kanzlei übermittelt habe, die gebotene Sorgfalt beachtet.

39      Hierzu genügt der Hinweis, dass die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen auf den Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht der Kanzlei B. gestützt ist, wie aus Randnr. 29 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht. Zwar hätte ein rechtzeitig an die Kanzlei B. geschickter neuer Verlängerungsauftrag seitens der Klägerin oder ihres amerikanischen Vertreters die von der Kanzlei B. begangenen Fehler beheben und somit die endgültige Löschung der Marke verhindern können.

40      Nach der oben in Randnr. 19 angeführten Rechtsprechung sind jedoch die Handlungen der Vertreter des Markeninhabers, da sie im Namen und für Rechnung des Markeninhabers auftreten, wie Handlungen des Markeninhabers anzusehen. Ebenso ist, wie das Gericht bereits auf dem Gebiet des Erlasses von Zollabgaben festgestellt hat, entsprechend die mangelnde Vorsicht des Vertreters gleichermaßen wie die des Betroffenen zu berücksichtigen (Urteil des Gerichts vom 30. November 2006, Heuschen & Schrouff Oriëntal Foods/Kommission, T‑382/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 94). Folglich stellen die Klägerin, ihr amerikanischer Bevollmächtigter und die Kanzlei B., ihr Vertreter vor dem HABM, unter dem Gesichtspunkt des Verfahrens vor dem HABM eine Einheit dar, und der Verstoß gegen die den Vertretern obliegende Sorgfaltspflicht ist unter dem Gesichtspunkt des genannten Verfahrens als ein Verstoß des Markeninhabers anzusehen. Daher ist die Frage, ob die Klägerin oder ihr amerikanischer Bevollmächtigter einen hinreichenden Sorgfaltsgrad an den Tag gelegt haben, nur unter dem Gesichtspunkt ihrer Vertragsbeziehungen mit der Kanzlei B. und der Feststellung der Haftung für die etwaigen Schäden der Klägerin erheblich, sie kann jedoch keinen Einfluss auf ihre Rechtsstellung gegenüber dem HABM haben.

41      Da der Sorgfaltsmangel der Kanzlei B. als unmittelbare Ursache der Nichtverlängerung ermittelt worden ist, ist folglich die Frage, ob die Klägerin oder ihr amerikanischer Bevollmächtigter alle gebotene Sorgfalt beachtet haben, um die Fehler der Kanzlei B. zu beheben, unter dem Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung unerheblich, so dass das Vorbringen der Klägerin hierzu ins Leere geht und zurückzuweisen ist.

42      Da die Beschwerdekammer zu Recht die Auffassung vertreten hat, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht anzuordnen ist, ist der einzige von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

43      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM dessen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Video Research USA, Inc. trägt die Kosten.

Czúcz

Labucka

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. September 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.