Language of document : ECLI:EU:C:2023:450

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

8. Juni 2023(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen – Richtlinie (EU) 2015/2302 – Art. 12 Abs. 2 bis 4 – Beendigung eines Pauschalreisevertrags – Unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände – Covid-19-Pandemie – Erstattung der Zahlungen, die der betreffende Reisende für eine Pauschalreise getätigt hat – Erstattung in Form eines Geldbetrags oder in Form einer Ersatzpauschalreise – Verpflichtung zur Erstattung an diesen Reisenden spätestens 14 Tage nach der Beendigung des betreffenden Vertrags – Vorübergehende Abweichung von dieser Verpflichtung“

In der Rechtssache C‑540/21

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 27. August 2021,

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lindenthal, I. Rubene und A. Tokár als Bevollmächtigte,

Klägerin,

unterstützt durch

Königreich Dänemark, vertreten zunächst durch V. Pasternak Jørgensen und M. Søndahl Wolff, dann durch M. Søndahl Wolff als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Slowakische Republik, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), der Richterin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer,

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Slowakische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtung aus Art. 12 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. b und Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates (ABl. 2015, L 326, S. 1) in Verbindung mit Art. 4 der Richtlinie 2015/2302 verstoßen hat, dass sie mit dem Erlass des Zákon č. 136/2020 Z. z. (Gesetz Nr. 136/2020 Slg.) vom 20. Mai 2020 (im Folgenden: Gesetz Nr. 136/2020) § 33a in den Zákon č. 170/2018 Z. z. o zájazdoch, spojených službách cestovného ruchu, niektorých podmienkach podnikania v cestovnom ruchu a o zmene a doplnení niektorých zákonov (Gesetz Nr. 170/2018 Slg. über Pauschalreisen, verbundene Reiseleistungen, bestimmte Bedingungen für die Tätigkeit im Reisegeschäft und zur Änderung und Ergänzung bestimmter Gesetze) vom 15. Mai 2018 (im Folgenden: Gesetz Nr. 170/2018) eingefügt hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2015/2302

2        In den Erwägungsgründen 4, 5, 31, 40 und 46 der Richtlinie 2015/2302 heißt es:

„(4)      Die Richtlinie 90/314/EWG [des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. 1990, L 158, S. 59)] ließ den Mitgliedstaaten einen breiten Umsetzungsspielraum. Daher bestehen erhebliche Unterschiede im jeweiligen Recht der Mitgliedstaaten. Die unterschiedlichen Regelungen haben für die Unternehmen höhere Kosten zur Folge, was ihre Bereitschaft, ihre Geschäftstätigkeit auf andere Mitgliedstaaten auszuweiten, hemmt und damit die Verbraucher in ihren Wahlmöglichkeiten beschränkt.

(5)      … Um einen echten Binnenmarkt für Verbraucher bei Pauschalreisen und verbundenen Reiseleistungen zu schaffen, müssen die Rechte und Pflichten, die sich aus Pauschalreiseverträgen und verbundenen Reiseleistungen ergeben, so harmonisiert werden, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen dieser Branche gewährleistet ist.

(31)      Reisende sollten jederzeit vor Beginn der Pauschalreise gegen Zahlung einer angemessenen und vertretbaren Rücktrittsgebühr – unter Berücksichtigung der erwarteten ersparten Aufwendungen sowie der Einnahmen aus einer anderweitigen Verwendung der Reiseleistungen – von dem Pauschalreisevertrag zurücktreten können. Zudem sollten sie ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr vom Pauschalreisevertrag zurücktreten können, wenn die Durchführung der Reise durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände erheblich beeinträchtigt wird. Dies kann zum Beispiel Kriegshandlungen, andere schwerwiegende Beeinträchtigungen der Sicherheit wie Terrorismus, erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit wie einen Ausbruch einer schweren Krankheit am Reiseziel oder Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Erdbeben oder Witterungsverhältnisse, die eine sichere Reise an das im Pauschalreisevertrag vereinbarte Reiseziel unmöglich machen, umfassen.

(40)      Damit der Schutz vor Insolvenz wirksam ist, sollte er die vorhersehbaren Zahlungsbeträge, die von der Insolvenz eines Reiseveranstalters betroffen sind, und gegebenenfalls die vor[her]sehbaren Kosten der Rückbeförderungen abdecken. … Das wird in der Regel bedeuten, dass die Absicherung einen ausreichend hohen Prozentsatz des Umsatzes des Veranstalters in Bezug auf Pauschalreisen abdecken muss … Ein wirksamer Insolvenzschutz sollte jedoch nicht bedeuten, dass sehr unwahrscheinliche Risiken berücksichtigt werden müssen, wie beispielsweise die gleichzeitige Insolvenz mehrerer der größten Reiseveranstalter, wenn dies unverhältnismäßige Auswirkungen auf die Kosten des Schutzes haben und somit seine Wirksamkeit beeinträchtigen würde. In solchen Fällen kann die garantierte Erstattung begrenzt sein.

(46)      Es sollte bekräftigt werden, dass Reisende nicht auf ihre Rechte aus dieser Richtlinie verzichten dürfen und dass sich Reiseveranstalter oder Unternehmer, die verbundene Reiseleistungen vermitteln, ihren Pflichten nicht dadurch entziehen dürfen, dass sie geltend machen, lediglich als Erbringer von Reiseleistungen, Vermittler oder in anderer Eigenschaft tätig zu sein.“

3        Art. 1 der Richtlinie 2015/2302 lautet:

„Der Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Verträge über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen zwischen Reisenden und Unternehmern, um so zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts und zu einem hohen und möglichst einheitlichen Verbraucherschutzniveau beizutragen.“

4        Art. 3 der Richtlinie 2015/2302 bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

6.      ‚Reisender‘ jede Person, die auf der Grundlage dieser Richtlinie einen Vertrag schließen möchte oder die zu einer Reise auf der Grundlage eines im Rahmen dieser Richtlinie geschlossenen Vertrags berechtigt ist;

8.      ‚Reiseveranstalter‘ einen Unternehmer, der entweder direkt oder über einen anderen Unternehmer oder gemeinsam mit einem anderen Unternehmer Pauschalreisen zusammenstellt und verkauft oder zum Verkauf anbietet …

12.      ‚unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände‘ eine Situation außerhalb der Kontrolle der Partei, die eine solche Situation geltend macht, deren Folgen sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären;

…“

5        Art. 4 („Grad der Harmonisierung“) der Richtlinie 2015/2302 lautet:

„Sofern diese Richtlinie nichts anderes bestimmt, erhalten die Mitgliedstaaten weder von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichende nationale Rechtsvorschriften aufrecht noch führen sie solche ein; dies gilt auch für strengere oder weniger strenge Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines anderen Schutzniveaus für den Reisenden.“

6        Art. 12 („Beendigung des Pauschalreisevertrags und Recht zum Widerruf vor Beginn der Pauschalreise“) der Richtlinie 2015/2302 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Reisende vor Beginn der Pauschalreise jederzeit vom Pauschalreisevertrag zurücktreten kann. Tritt der Reisende gemäß diesem Absatz vom Pauschalreisevertrag zurück, so kann der Reiseveranstalter die Zahlung einer angemessenen und vertretbaren Rücktrittsgebühr verlangen. …

(2)      Ungeachtet des Absatzes 1 hat der Reisende das Recht, vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr vom Pauschalreisevertrag zurückzutreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Im Fall des Rücktritts vom Pauschalreisevertrag gemäß diesem Absatz hat der Reisende Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen, jedoch auf keine zusätzliche Entschädigung.

(3)      Der Reiseveranstalter kann den Pauschalreisevertrag beenden und dem Reisenden alle für die Pauschalreise getätigten Zahlungen voll erstatten, ohne jedoch eine zusätzliche Entschädigung leisten zu müssen, wenn

b)      der Reiseveranstalter aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände an der Erfüllung des Vertrags gehindert ist und er den Reisenden unverzüglich vor Beginn der Pauschalreise von der Beendigung des Vertrags in Kenntnis setzt.

(4)      Der Reiseveranstalter leistet alle Erstattungen gemäß den Absätzen 2 und 3 oder zahlt dem Reisenden gemäß Absatz 1 alle von dem Reisenden oder in seinem Namen für die Pauschalreise geleisteten Beträge abzüglich einer angemessenen Rücktrittsgebühr zurück. Der Reisende erhält diese Erstattungen oder Rückzahlungen unverzüglich und in jedem Fall innerhalb von spätestens 14 Tagen nach Beendigung des Pauschalreisevertrags.

…“

7        Art. 23 („Unabdingbarkeit der Richtlinie“) der Richtlinie 2015/2302 bestimmt:

„…

(2)      Reisende dürfen nicht auf die Rechte verzichten, die ihnen aus den nationalen Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie zustehen.

(3)      Vertragliche Vereinbarungen oder Erklärungen des Reisenden, die einen Verzicht auf die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Rechte oder deren Einschränkung unmittelbar oder mittelbar bewirken oder die darauf gerichtet sind, die Anwendung dieser Richtlinie zu umgehen, sind für den Reisenden nicht bindend.“

 Empfehlung (EU) 2020/648

8        In den Erwägungsgründen 9, 13 bis 15, 21 und 22 der Empfehlung (EU) 2020/648 der Kommission vom 13. Mai 2020 zu Gutscheinen für Passagiere und Reisende als Alternative zur Rückerstattung von Zahlungen für annullierte Pauschalreisen und Beförderungsdienstleistungen im Kontext der COVID-19-Pandemie (ABl. 2020, L 151, S. 10) heißt es:

„(9)      Gemäß der Richtlinie [2015/2302] haben die Reisenden, wenn eine Pauschalreise wegen ‚unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände‘ annulliert wird, Anspruch auf eine volle Rückerstattung aller geleisteten Zahlungen, die unverzüglich und in jedem Fall 14 Tage nach Beendigung des Vertrags erfolgen muss. In diesem Fall kann der Reiseveranstalter dem Reisenden die Erstattung in Form eines Gutscheins anbieten. Es steht dem Reisenden jedoch frei, stattdessen seinen Anspruch auf Rückerstattung geleisteter Zahlungen geltend zu machen.

(13)      Die zahlreichen Annullierungen aufgrund der COVID-19-Pandemie haben für Verkehrsunternehmen und den Reisesektor zu einer unhaltbaren Cashflow- und Einnahmensituation geführt. Zu den Liquiditätsproblemen der Reiseveranstalter kommt erschwerend hinzu, dass sie Reisenden den vollen Preis der Pauschalreise erstatten müssen, obwohl sie selbst bereits geleistete Zahlungen für Dienstleistungen, die Teil der Pauschalreise sind, nicht immer rechtzeitig erstattet bekommen. Dies kann zu einer ungerechten Lastenverteilung zwischen den Unternehmen im Reise-Ökosystem führen.

(14)      Wenn Veranstalter oder Beförderer zahlungsunfähig werden, besteht die Gefahr, dass viele Reisende und Passagiere ganz leer ausgehen, da ihre Forderungen gegen Veranstalter und Beförderer nicht geschützt sind. Das gleiche Problem kann auch auf der B2B-Ebene auftreten, wenn Veranstalter für bereits geleistete Zahlungen einen Gutschein erhalten, die Beförderer aber später zahlungsunfähig werden.

(15)      Wenn Gutscheine als Alternative zur Kostenerstattung attraktiver gemacht würden, würde ihre Akzeptanz bei Passagieren und Reisenden steigen. Dies würde dazu beitragen, die Liquiditätsprobleme von Beförderern und Veranstaltern abzufedern, und könnte letztlich zu einem besseren Schutz der Interessen von Passagieren und Reisenden führen.

(21)      Im Hinblick auf einen etwaigen zusätzlichen Liquiditätsbedarf von Unternehmen in der Reise- und der Verkehrsbranche hat die Kommission am 19. März 2020 auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV einen Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 … angenommen, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten zu beheben. …

(22)      Der Befristete Rahmen gilt grundsätzlich für alle Sektoren und Unternehmen, darunter auch jene des Verkehrssektors und der Reisebranche, und nennt die Beförderungs- und die Reisebranche ausdrücklich als am stärksten betroffene Sektoren. Ziel ist, Liquiditätsengpässen von Unternehmen abzuhelfen, indem z. B. direkte Zuschüsse, Steuervorteile, staatliche Garantien für Darlehen und öffentliche Darlehen mit vergünstigten Zinssätzen erlaubt werden. … In diesem Kontext können die Mitgliedstaaten beschließen, Unternehmen der Reise- und Beförderungsbranche zu unterstützen, damit durch den COVID-19-Ausbruch bedingte Erstattungsforderungen erfüllt werden, sodass der Schutz von Passagier- und Verbraucherrechten und die Gleichbehandlung von Passagieren und Reisenden gewährleistet sind.“

9        In Nr. 1 der Empfehlung 2020/648 heißt es:

„Diese Empfehlung betrifft Gutscheine, die Beförderer und Veranstalter Passagieren bzw. Reisenden als Alternative zur Erstattung geleisteter Zahlungen und vorbehaltlich der freiwilligen Annahme durch den Passagier bzw. Reisenden unter folgenden Umständen anbieten können:

a)      im Falle von Annullierungen durch den Beförderer oder Veranstalter, die ab dem 1. März 2020 aus durch die COVID-19-Pandemie bedingten Gründen vorgenommen wurden, im Zusammenhang mit den folgenden Bestimmungen:

(5)      Artikel 12 Absätze 3 und 4 der Richtlinie (EU) 2015/2302.

…“

 Slowakisches Recht

10      § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018, der durch das Gesetz Nr. 136/2020 in dieses Gesetz eingefügt wurde, trägt die Überschrift „Vorübergehende Bestimmungen im Zusammenhang mit der durch COVID-19 bedingten außergewöhnlichen Situation“. Er lautet wie folgt:

„(1)      Ist es aufgrund der durch COVID-19 bedingten außergewöhnlichen Situation in der Slowakischen Republik oder einer ähnlichen Situation am Bestimmungsort oder an einem beliebigen Ort des Reisewegs der Pauschalreise nicht möglich, dem Reisenden die wesentlichen Bestandteile der Reiseleistungen gemäß einem Pauschalreisevertrag zu erbringen, so ist der Reiseveranstalter berechtigt,

a)      dem Reisenden eine Änderung des Pauschalreisevertrags vorzuschlagen oder

b)      dem Reisenden eine Mitteilung zu übersenden, in der ihm eine Ersatzpauschalreise angeboten wird, wenn er der gemäß Buchst. a vorgeschlagenen Änderung des Pauschalreisevertrags nicht zustimmt.

(2)      Stimmt der Reisende der Änderung des Pauschalreisevertrags gemäß Abs. 1 Buchst. a zu und weicht der Preis der Pauschalreise, die Gegenstand dieser Änderung ist, von der Summe der auf der Grundlage des Pauschalreisevertrags erhaltenen Zahlungen ab, so begleichen die Vertragsparteien wechselseitig die Differenz zwischen dem Preis der Pauschalreise, die Gegenstand der Änderung des Pauschalreisevertrags ist, und der Summe der auf der Grundlage des Pauschalreisevertrags erhaltenen Zahlungen.

(3)      Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, erfolgt die Mitteilung über die Ersatzpauschalreise schriftlich und wird dem Reisenden auf einem dauerhaften Datenträger in der Weise übermittelt, in der ihm der Pauschalreisevertrag übermittelt wurde. Die Mitteilung über die Ersatzpauschalreise enthält insbesondere Angaben

a)      über die Summe der auf der Grundlage des Pauschalreisevertrags erhaltenen Zahlungen;

b)      darüber, dass die wesentlichen Bestandteile der im Pauschalreisevertrag vorgesehenen Reiseleistungen mit Einverständnis des Reisenden im Rahmen der Ersatzpauschalreise geändert werden können;

c)      über das Recht des Reisenden, den Pauschalreisevertrag gemäß § 18 zu übertragen.

(4)      Ein Reisender, der einen Pauschalreisevertrag geschlossen hat, hat das Recht, die Ersatzpauschalreise innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Mitteilung über die Ersatzpauschalreise schriftlich abzulehnen, wenn er

a)      während der durch COVID-19 bedingten außergewöhnlichen Situation in der Slowakischen Republik im Register der Arbeitsuchenden eingetragen ist, was durch eine schriftliche Mitteilung über seine Eintragung in die Liste der Arbeitsuchenden belegt wird;

b)      eine selbständig tätige Person oder eine Einpersonengesellschaft mit beschränkter Haftung ist, die im Rahmen eines Projekts zur Förderung der Erhaltung von Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit der Erklärung einer außergewöhnlichen Situation, eines Notstands oder eines Ausnahmezustands und der Beseitigung der sich daraus ergebenden Folgen eine finanzielle Unterstützung erhalten hat, was durch die Bestätigung der Gewährung der Unterstützung belegt wird;

c)      ein alleinerziehender Elternteil ist, dem ein Anspruch auf Pandemieversorgungsgeld zuerkannt wurde, was durch die Bestätigung der Zuerkennung des Anspruchs auf dieses Versorgungsgeld und eine ehrenwörtliche Erklärung über seine Stellung als alleinerziehender Elternteil belegt wird;

d)      eine Person ist, die zum Zeitpunkt der Zustellung der Mitteilung über die Ersatzpauschalreise schwanger ist, was durch eine ärztliche Bescheinigung belegt wird, oder

e)      eine Person im Alter von 65 oder mehr Jahren ist, was durch die Angabe des Geburtsdatums auf dem Personalausweis oder einem ähnlichen Identitätsdokument belegt wird.

(5)      Ein Reisender, der einen Pauschalreisevertrag geschlossen hat, hat das Recht, innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Mitteilung über die Ersatzpauschalreise nur einen Teil der Ersatzpauschalreise schriftlich abzulehnen, wenn mindestens einer der im Pauschalreisevertrag genannten Reisenden sich in einer der in Abs. 4 genannten Situationen befindet.

(6)      Lehnt ein Reisender, der einen Pauschalreisevertrag geschlossen hat, nach Abs. 4 die Ersatzpauschalreise ab, so ist der Reiseveranstalter verpflichtet, dem Reisenden unverzüglich, spätestens jedoch 14 Tage nach Zustellung der Ablehnung der Ersatzpauschalreise ohne Berechnung einer Rücktrittsgebühr alle Zahlungen zu erstatten, die er auf der Grundlage des Pauschalreisevertrags erhalten hat. Lehnt ein Reisender, der einen Pauschalreisevertrag geschlossen hat, nach Abs. 5 einen Teil der Ersatzpauschalreise im Zusammenhang mit einem oder mehreren Reisenden, für die derselbe Pauschalreisevertrag gilt, ab, so ist der Reiseveranstalter verpflichtet, ihm die Zahlungen, die er auf der Grundlage des Pauschalreisevertrags in Bezug auf die Reisenden erhalten hat, die nicht an der Ersatzpauschalreise teilnehmen, unverzüglich, spätestens jedoch 14 Tage nach Zustellung der teilweisen Ablehnung der Ersatzpauschalreise ohne Berechnung einer Rücktrittsgebühr zu erstatten.

(7)      Der Reiseveranstalter hat mit dem Reisenden die Durchführung der Ersatzpauschalreise bis spätestens zum 31. August 2021 zu vereinbaren.

(8)      Weicht der Preis für die Ersatzpauschalreise von der Summe der auf der Grundlage des Pauschalreisevertrags erhaltenen Zahlungen ab, so begleichen die Vertragsparteien innerhalb von 14 Tagen nach der Vereinbarung des Reiseveranstalters mit dem Reisenden über die Durchführung der Ersatzpauschalreise wechselseitig die Differenz zwischen dem in der Mitteilung der Ersatzpauschalreise angegebenen Betrag und dem Preis dieser Reise.

(9)      Erzielt der Reiseveranstalter bis zum 31. August 2021 keine Einigung mit dem Reisenden über die Durchführung einer Ersatzpauschalreise, so gilt der Pauschalreisevertrag als durch ihn beendet, und er erstattet dem Reisenden unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 14. September 2021 alle Zahlungen, die er auf der Grundlage des Pauschalreisevertrags erhalten hat.

(10)      Hat ein Reisender oder ein Reiseveranstalter in der Zeit vom 12. März 2020 bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes den Pauschalreisevertrag gemäß § 21 Abs. 2 oder Abs. 3 Buchst. b beendet und hat der Reiseveranstalter dem Reisenden aufgrund dieser Vertragsbeendigung gemäß § 21 Abs. 2 oder Abs. 3 Buchst. b nicht alle auf der Grundlage des Pauschalreisevertrags erhaltenen Zahlungen erstattet, so findet das in Abs. 1 vorgesehene Verfahren Anwendung.

(11)      Hat der Reisende in der Zeit vom 12. März 2020 bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes den Pauschalreisevertrag gemäß § 21 Abs. 1 beendet und wurde die Rücktrittsgebühr nicht beglichen, findet das in Abs. 1 vorgesehene Verfahren Anwendung.

(12)      Ist es trotz der durch COVID-19 bedingten außergewöhnlichen Situation in der Slowakischen Republik oder einer ähnlichen Situation am Bestimmungsort oder an einem beliebigen Ort des Reisewegs einer Pauschalreise möglich, die Pauschalreise gemäß dem Pauschalreisevertrag durchzuführen, und ist der Reisende mit der Durchführung der Pauschalreise nicht einverstanden, so muss er den Reiseveranstalter mindestens 30 Tage vor dem Beginn der Pauschalreise schriftlich darüber informieren; innerhalb der ersten 30 Tage nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes beträgt diese Frist mindestens 15 Tage vor dem Beginn der Pauschalreise. Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, dem Reisenden innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der in Satz 1 genannten Information die Mitteilung über die Ersatzpauschalreise gemäß Abs. 3 zu übermitteln und nach Maßgabe der Abs. 7 bis 9 vorzugehen; die Abs. 4, 5 und 6 finden keine Anwendung.

(13)      Solange die durch COVID-19 bedingte außergewöhnliche Situation in der Slowakischen Republik oder eine ähnliche Situation am Bestimmungsort oder an einem beliebigen Ort des Reisewegs der Pauschalreise andauert, darf der Reiseveranstalter von dem Reisenden keine Anzahlung auf den Preis der Pauschalreise verlangen; dies gilt nicht, wenn der Reisende der Änderung des Pauschalreisevertrags gemäß Abs. 1 Buchst. a zustimmt.

(14)      Der Insolvenzschutz hinsichtlich des Pauschalreisevertrags gilt in gleichem Umfang für den Pauschalreisevertrag auch nach seiner Änderung oder nach Übersendung der Mitteilung über die Ersatzpauschalreise.“

 Vorgerichtliches Verfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

11      Mit Schreiben an die Slowakische Republik vom 14. Mai 2020 teilte die Kommission mit, dass sie Informationen erhalten habe, aus denen sich ergebe, dass dieser Mitgliedstaat im Zusammenhang mit der weltweiten Covid-19-Pandemie nationale Maßnahmen vorbereite, die gegen die Richtlinie 2015/2302 verstoßen könnten. Die Kommission ersuchte die slowakischen Behörden, zusätzliche Informationen über den Stand der Vorbereitung dieser Maßnahmen vorzulegen.

12      Mit Schreiben vom 28. Mai 2020 teilte die Slowakische Republik der Kommission mit, dass der Nationalrat der Slowakischen Republik am 20. Mai 2020 das Gesetz Nr. 136/2020 zur Änderung des Gesetzes Nr. 170/2018 angenommen habe. Die Reiseveranstalter hätten nach dem Gesetz Nr. 136/2020 die Möglichkeit, ihren Kunden eine Änderung eines bestehenden Pauschalreisevertrags oder, wenn die Kunden eine solche Änderung ablehnten, eine Ersatzpauschalreise anzubieten, was voraussetze, dass der betreffende Reiseveranstalter und der betreffende Kunde bis Ende August 2021 eine neue Pauschalreise vereinbarten.

13      Am 3. Juli 2020 richtete die Kommission ein Mahnschreiben an die Slowakische Republik, in dem sie feststellte, dass dieser Mitgliedstaat dadurch gegen seine Verpflichtung aus Art. 12 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. b und Abs. 4 der Richtlinie 2015/2302 in Verbindung mit deren Art. 4 verstoßen habe, dass er mit dem Erlass des Gesetzes Nr. 136/2020 § 33a in das Gesetz Nr. 170/2018 eingefügt habe.

14      Die Slowakische Republik antwortete auf dieses Mahnschreiben mit Schreiben vom 28. August 2020. In diesem Schreiben räumte dieser Mitgliedstaat zwar ein, dass die sich aus dem Gesetz Nr. 136/2020 ergebende Änderung des Gesetzes Nr. 170/2018 von den Bestimmungen der Richtlinie 2015/2302 abweiche, machte aber geltend, dass der Erlass dieser Änderung aus berechtigten Gründen gerechtfertigt sei, da die im Reisesektor tätigen Unternehmen eine zusätzliche Frist benötigten, um die Erstattung gegenüber allen ihren Kunden nach und nach vorzunehmen, da sie sonst in Konkurs gerieten.

15      Am 30. Oktober 2020 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Slowakische Republik, in der sie ihr zum einen vorwarf, mit dem Erlass des Gesetzes Nr. 136/2020 gegen die in Rn. 13 des vorliegenden Urteils genannte Verpflichtung verstoßen zu haben, und sie zum anderen aufforderte, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich seien, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang, d. h. bis zum 30. Dezember 2020, nachzukommen.

16      Die Slowakische Republik antwortete auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 18. Dezember 2020. In diesem Schreiben wies sie darauf hin, dass die in Rede stehende Gesetzesänderung angesichts der außergewöhnlichen Situation im Zusammenhang mit dem Ausmaß der Ausbreitung von Covid-19 gerechtfertigt sei und dass das Ziel dieser Änderung nicht darin bestehe, den Reisenden ihre Rechte zu nehmen, sondern darin, den Reiseveranstaltern eine Frist zu gewähren, innerhalb deren sie ihre gesamten vertraglichen Beziehungen zu den Reisenden regeln könnten.

17      Da die Kommission der Ansicht war, dass das slowakische Recht bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist und im Übrigen auch zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage noch gegen die Richtlinie 2015/2302 verstoße, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

18      Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 21. Januar 2022 ist das Königreich Dänemark als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

 Zur Klage

 Vorbringen der Parteien

19      Die Kommission bringt zur Stützung ihrer Klage vor, dass § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 Reisenden ihr Recht nach Art. 12 der Richtlinie 2015/2302 nehme, von einem Pauschalreisevertrag zurückzutreten und eine Erstattung zu erhalten, und dies zu einer Zeit, in der sie von den Folgen der weltweiten Covid-19-Pandemie hart getroffen würden. Die Folgen der Covid-19-Krise hätten für zahlreiche Reiseveranstalter sicherlich ein erhöhtes Konkursrisiko bedeutet, doch erlaube es weder die Richtlinie 2015/2302 noch irgendein anderer Rechtsakt der Union den Mitgliedstaaten, von diesem Art. 12 abzuweichen.

20      Hierzu trägt die Kommission erstens vor, dass Art. 12 der Richtlinie 2015/2302 auf diese Pandemie anwendbar gewesen sei und nicht nur auf Situationen von lokalem oder regionalem Ausmaß. Der Ausbruch einer solchen Pandemie falle nämlich unter den in diesem Art. 12 enthaltenen Begriff „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“, der in Art. 3 Nr. 12 dieser Richtlinie (dort: „unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände“) definiert werde. Mit dem Umstand, dass im 31. Erwägungsgrund der Richtlinie in diesem Zusammenhang beispielhaft der Ausbruch einer schweren Krankheit am Reiseziel genannt werde, lasse sich nicht belegen, dass Art. 12 nur lokale Ereignisse betreffe.

21      Da dieser Begriff mit dem Begriff der höheren Gewalt zusammenhänge, könne jener Begriff im Übrigen nicht außerhalb des durch die Richtlinie 2015/2302 festgelegten Rahmens angewandt werden.

22      Zwar sei beim Erlass dieser Richtlinie die Möglichkeit einer Pandemie von einem Ausmaß wie dem der Covid-19-Pandemie nicht in Betracht gezogen worden, doch sei diese Richtlinie gerade so konzipiert worden, um solchen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen zu begegnen. Ließe man zu, dass die Richtlinie 2015/2302 bei räumlich enger begrenzten Problemen Anwendung finde, nicht aber bei größeren oder weltweiten Problemen, hätte dies absurde Folgen.

23      Außerdem ergebe sich aus Art. 4 der Richtlinie 2015/2302 im Licht ihrer Erwägungsgründe 4 und 5, dass mit dieser Richtlinie eine vollständige Harmonisierung der Bereiche vorgenommen werde, auf die sie Anwendung finde. Mit § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 sollten indessen die Reiseveranstalter zulasten der Verbraucher geschützt werden, die jedoch ebenfalls von der weltweiten Covid-19-Pandemie betroffen seien. Die Slowakische Republik habe insoweit entschieden, die Veranstalter von Pauschalreisen zu schützen, was zahlreiche andere Mitgliedstaaten nicht getan hätten. Somit hätten nicht alle Reisenden in der Union in den Genuss desselben Schutzniveaus kommen können, was das mit der Richtlinie 2015/2302 verfolgte doppelte Ziel der Harmonisierung und des Verbraucherschutzes beeinträchtigt habe.

24      Schließlich weist die Kommission zu dem von diesem Mitgliedstaat behaupteten unmittelbaren Risiko des Verschwindens einer großen Zahl von Pauschalreiseveranstaltern darauf hin, dass diese in den Genuss bestimmter staatlicher Beihilfemaßnahmen hätten kommen können.

25      Zweitens macht die Kommission geltend, die Mitteilung einer Ersatzpauschalreise, wie sie in § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 vorgesehen sei, die einem Gutschein gleichzustellen sei, entspreche nicht dem Begriff „Erstattung“ im Sinne von Art. 12 der Richtlinie 2015/2302. Eine Erstattung bedeute nämlich, dass eine Person, die eine Zahlung getätigt habe, den gezahlten Betrag in Form eines Geldbetrags zurückerhalte, was es ihr ermögliche, über diesen Betrag frei zu verfügen. Hätte der Unionsgesetzgeber beabsichtigt, eine derart besondere und für den Reisenden ungünstige Erstattungsmodalität zuzulassen, hätte er eine solche Möglichkeit ausdrücklich erwähnt, wie er es in anderen Rechtsvorschriften über die Rechte der Fluggäste und der Verbraucher getan habe.

26      Drittens und letztens ist die Kommission der Ansicht, dass das Vorbringen eines Mitgliedstaats, wonach die Richtlinie 2015/2302 nicht auf die weltweite Covid-19-Pandemie anwendbar gewesen sei, diese Pandemie aber zugleich einen Fall höherer Gewalt dargestellt habe, der ihn daran gehindert habe, seinen Verpflichtungen aus dieser Richtlinie nachzukommen, nicht durchgreifen könne.

27      Das Königreich Dänemark, das die Anträge der Kommission in vollem Umfang unterstützt, macht insbesondere geltend, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie 2015/2302 die Wahl getroffen habe, die Verbraucher beim Eintreten unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände wie der weltweiten Covid-19-Pandemie in besonderem Maß zu schützen. Somit könne die mit dieser Pandemie verbundene Gesundheitskrise eine Verlängerung der in Art. 12 Abs. 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Erstattungsfrist nicht rechtfertigen.

28      In diesem Zusammenhang zeige das in diesem Mitgliedstaat im Rahmen des Rejsegarantifonden (Reisegarantiefonds) geschaffene Kreditsystem, das es Reiseanbietern, die zusätzliche Liquidität benötigt hätten, erlaubt habe, zu günstigen Bedingungen Kredite aufzunehmen, um die Erstattung an die Kunden innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Frist von 14 Tagen zu gewährleisten, dass es trotz der Pandemie möglich gewesen sei, innerhalb dieser Frist eine Erstattung an die Verbraucher in Form eines Geldbetrags vorzunehmen.

29      Die Slowakische Republik beantragt, die Klage der Kommission abzuweisen. Erstens sei Art. 12 der Richtlinie 2015/2302 auf eine weltweite Gesundheitskrise wie die Covid-19-Pandemie nicht anwendbar, da die Abwägung der Interessen der Reisenden und der Reiseveranstalter zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Richtlinie unter ganz anderen Umständen als den zu Beginn dieser Pandemie herrschenden erfolgt sei.

30      Insoweit ergebe sich aus dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2302 im Licht ihres 31. Erwägungsgrundes, dass beim Erlass der Richtlinie nur der mögliche Ausbruch einer schweren Krankheit „am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe“ berücksichtigt worden sei. Obwohl Art. 12 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2015/2302 keine entsprechende Angabe enthalte, müsse er im Wege einer systematischen Auslegung in gleicher Weise ausgelegt werden. Dagegen sei der mit dieser Richtlinie geschaffene rechtliche Rahmen nicht geeignet, um auf eine außergewöhnliche Situation wie die weltweite Covid-19-Pandemie zu reagieren, wie sich auch aus der im 40. Erwägungsgrund dieser Richtlinie dargelegten und von der Kommission selbst anerkannten begrenzten Tragweite des in Art. 17 der Richtlinie genannten Systems zum Schutz der Reiseveranstalter vor Insolvenz ergebe.

31      Es treffe daher nicht zu, dass die Richtlinie 2015/2302 gerade so konzipiert worden sei, um Umständen, wie sie sich aus dieser Pandemie ergäben, zu begegnen. Insoweit hebt die Slowakische Republik unter Bezugnahme auf u. a. das Urteil vom 18. März 2021, Kuoni Travel (C‑578/19, EU:C:2021:213), hervor, dass diese Richtlinie nicht die Fälle höherer Gewalt regele, die hingegen in ihrer Vorläuferrichtlinie 90/314 geregelt gewesen seien. In diesem Zusammenhang gehe aus Art. 3 Nr. 12 der Richtlinie 2015/2302 keineswegs hervor, dass die in dieser Bestimmung definierten „unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstände“ ungewöhnlich und unvorhersehbar sein müssten, wie es der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung für die Einstufung eines besonderen Umstands als „höhere Gewalt“ verlange.

32      Im Übrigen hätten, wenn keine Sonderregelung erlassen worden wäre, nicht nur die Interessen der Reiseveranstalter, sondern auch die der Reisenden, d. h. die der Verbraucher, beeinträchtigt werden können, indem die betreffenden Unternehmen gefährdet worden wären und in der Folge jede Erstattung unmöglich gemacht worden wäre.

33      Daher sei die Slowakische Republik angesichts der Situation der weltweiten Pandemie und ihrer Folgen berechtigt gewesen, Maßnahmen wie § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 zu erlassen, die nicht in den Rahmen der Richtlinie 2015/2302 fielen, um einer erheblichen Störung des Gleichgewichts zwischen den Interessen der Reisenden und denen der Gewerbetreibenden Rechnung zu tragen.

34      Zweitens macht die Slowakische Republik hilfsweise geltend, dass die in § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 vorgesehene Mitteilung einer Ersatzpauschalreise eine Erstattung der getätigten Zahlungen im Sinne von Art. 12 der Richtlinie 2015/2302 darstellen könne. Eine solche Mitteilung habe gegen die Erbringung anderer Reiseleistungen umgetauscht werden können, sei von einem Konkursschutz gedeckt gewesen, habe auf andere Personen übertragen werden können und habe, wenn sie während des angegebenen Zeitraums nicht benutzt worden sei, einen Anspruch auf Erstattung sämtlicher bereits getätigter Zahlungen in Form eines Geldbetrags begründet.

35      Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch beziehe sich das Wort „Erstattung“ nämlich nicht nur auf die Rückzahlung eines Geldbetrags, sondern schließe auch einen Ausgleich für solche Zahlungen in anderer Form ein. Diese Auslegung werde auch dadurch gestützt, dass die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2015/2302, insbesondere in ihrer englischen und ihrer deutschen Fassung, zwischen der Gewährung einer Erstattung und der Rückzahlung dieser Zahlungen unterschieden. Zudem könnten die Begriffe „Erstattung“ oder „erstatten“ in Anbetracht der allgemeinen Systematik und des Zwecks dieser Richtlinie dahin ausgelegt werden, dass sie auch einen Ausgleich für diese Zahlungen in anderer Form als der eines Geldbetrags zuließen.

36      Außerdem sei der Umstand, dass andere Rechtsakte der Union ausdrücklich andere Arten der Erstattung vorsähen, nicht relevant, da sich diese Rechtsakte von der Richtlinie 2015/2302 entweder ihrer Natur nach oder in Bezug auf den betreffenden Bereich und ihre Ziele unterschieden. Da die durch die entsprechenden Rechtsakte geschaffenen Rechtsbeziehungen nicht identisch seien, erfordere der Erlass jedes Rechtsakts eine neue Beurteilung des Gleichgewichts, das zwischen den verschiedenen Rechten und berechtigten Interessen aller Adressaten des jeweiligen Rechtsakts bestehe.

37      Die Richtlinie 2015/2302 solle die Reisenden und die Rechte der gewerblichen Veranstalter von Pauschalreisen schützen. Insoweit müssten, wenn sich mehrere durch die Unionsrechtsordnung geschützte Rechte gegenüberstünden, die fraglichen Rechtsakte so ausgelegt werden, dass die Erfordernisse des Schutzes dieser verschiedenen Rechte miteinander in Einklang gebracht würden und dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen ihnen bestehe (Urteil vom 31. Januar 2013, McDonagh, C‑12/11, EU:C:2013:43, Rn. 62).

38      Drittens und letztens macht die Slowakische Republik weiter hilfsweise geltend, dass die ungünstige Situation im Zusammenhang mit der weltweiten Covid-19-Pandemie als Fall höherer Gewalt im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs angesehen werden könne.

39      Da ein solches Argument weiter hilfsweise geltend gemacht werde, sei es keineswegs unvereinbar mit dem Hauptvorbringen, wonach die Richtlinie 2015/2302 auf diese Pandemie nicht anwendbar sei. Außerdem sei die Behauptung der Kommission unzutreffend, dass diese Richtlinie keinen Raum mehr dafür lasse, den Begriff der höheren Gewalt außerhalb des mit ihr geregelten Rahmens anzuwenden. Es müsse nämlich zwischen der Anwendung dieses Begriffs zum einen im Zusammenhang mit den in der Richtlinie vorgesehenen Rechten und Pflichten, die im Rahmen der Vertragsbeziehung zwischen dem Veranstalter und dem Reisenden begründet würden, und zum anderen als Grund für die Rechtfertigung einer Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats unterschieden werden.

40      Im vorliegenden Fall seien die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Voraussetzungen für die Geltendmachung höherer Gewalt im letztgenannten Sinne erfüllt. Die weltweite Covid-19-Pandemie und die sich daraus ergebende erhebliche Beschränkung des Tourismus auf weltweiter Ebene seien nämlich externe und vom Willen der Slowakischen Republik unabhängige Umstände, die sie auch mit allen erdenklichen Anstrengungen und unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt weder habe vorhersehen noch verhindern können.

41      Die Slowakische Republik gibt an, die fehlende Liquidität und die Gefahr einer Insolvenz der Reiseveranstalter sowie negativer Auswirkungen auf den gesamten in Rede stehenden Wirtschaftssektor, die sich aus der Entwicklung der Pandemie und den damit zusammenhängenden Maßnahmen ergeben hätten, seien unüberwindliche Schwierigkeiten gewesen, die sie vorübergehend daran gehindert hätten, ihren Verpflichtungen aus der Richtlinie 2015/2302 nachzukommen. Angesichts der Notwendigkeit, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesem und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen herzustellen, sei die Anwendung von § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 allerdings auf den erforderlichen Zeitraum beschränkt worden; mittlerweile sei diese Vorschrift nicht mehr anwendbar.

42      Zur Relevanz des Beispiels einer staatlichen Beihilfemaßnahme, wie sie in Dänemark mit dem Rejsegarantifonden (Reisegarantiefonds) getroffen worden sei, weist die Slowakische Republik darauf hin, dass die Möglichkeit, staatliche Beihilfen über einen Garantiefonds zu gewähren, durch die Art und Weise der Ausgestaltung des nationalen Insolvenzschutzsystems habe eingeschränkt sein können, was eine komplexe Änderung des slowakischen Rechts erforderlich gemacht hätte, die in Zeiten einer schweren Krise unmöglich gewesen sei. Außerdem dürften staatliche Beihilfen nur als letztes Mittel (ultima ratio) zum Einsatz kommen, da sie einen erheblichen Eingriff in den Wettbewerb und das Funktionieren des Marktes darstellten.

 Würdigung durch den Gerichtshof

43      Mit ihrer Klage wirft die Kommission der Slowakischen Republik vor, dadurch gegen ihre Verpflichtung aus Art. 12 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. b und Abs. 4 der Richtlinie 2015/2302 in Verbindung mit deren Art. 4 verstoßen zu haben, dass sie § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 erlassen habe, soweit dieser im Wesentlichen zum einen vorsehe, dass ein Reiseveranstalter, wenn es aufgrund der durch die weltweite Covid-19-Pandemie bedingten außergewöhnlichen Situation nicht möglich gewesen sei, einen Pauschalreisevertrag zu erfüllen, berechtigt gewesen sei, den betroffenen Reisenden anstelle der Erstattung der getätigten Zahlungen im Sinne von Art. 12 eine Ersatzpauschalreise anzubieten, und zum anderen, dass diese Reisenden dann erst nach dem 31. August 2021 und bis spätestens zum 14. September 2021 Anspruch auf diese Erstattung gehabt hätten.

44      Als Erstes ist zu prüfen, ob diese außergewöhnliche Situation unter den Begriff „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 12 der Richtlinie 2015/2302 fallen kann, so dass Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2015/2302 auf die in § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 genannten Fälle Anwendung finden kann.

45      Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass dieser Begriff in Art. 3 Nr. 12 der Richtlinie 2015/2302 definiert wird als „eine Situation außerhalb der Kontrolle der Partei, die eine solche Situation geltend macht, deren Folgen sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären“.

46      Im 31. Erwägungsgrund der Richtlinie 2015/2302 wird die Tragweite dieses Begriffs dahin näher erläutert, dass er „zum Beispiel Kriegshandlungen, andere schwerwiegende Beeinträchtigungen der Sicherheit wie Terrorismus, erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit wie einen Ausbruch einer schweren Krankheit am Reiseziel oder Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Erdbeben oder Witterungsverhältnisse, die eine sichere Reise an das im Pauschalreisevertrag vereinbarte Reiseziel unmöglich machen, umfassen [kann]“.

47      Außerdem ergibt sich aus Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2302, dass unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände nur dann einen Rücktritt des Reisenden vom Vertrag rechtfertigen können, der einen Anspruch auf vollständige Erstattung der für eine Pauschalreise getätigten Zahlungen begründet, wenn diese Umstände „am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe“ auftreten oder „die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen“.

48      Zwar hängt die für die Zwecke des Rücktritts von einem Pauschalreisevertrag vorzunehmende Einstufung eines bestimmten Ereignisses als Situation, die unter den Begriff „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 12 der Richtlinie 2015/2302 fällt, zwangsläufig von den konkreten Umständen des Einzelfalls und insbesondere den konkret vereinbarten Reiseleistungen sowie den Folgen dieses Ereignisses am geplanten Bestimmungsort ab, doch ist, wie die Kommission geltend gemacht hat, eine weltweite Gesundheitskrise wie die Covid-19-Pandemie als solche als geeignet anzusehen, unter diesen Begriff zu fallen.

49      Ein solches Ereignis entzieht sich nämlich offenkundig jeder Kontrolle, und seine Folgen hätten sich auch dann nicht vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Bei diesem Ereignis bestehen im Übrigen offensichtlich „erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit“ im Sinne des 31. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2015/2302.

50      Insoweit ist es unerheblich, dass dieser Erwägungsgrund, ebenso wie Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie, diesen Ausdruck veranschaulicht, indem er auf den Ausbruch einer schweren Krankheit „am Reiseziel“ abstellt, da eine solche Präzisierung nicht die Tragweite des Begriffs „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ auf lokale Ereignisse beschränken, sondern deutlich machen soll, dass sich diese Umstände in jedem Fall insbesondere am geplanten Bestimmungsort manifestieren und daher erhebliche Auswirkungen auf die Durchführung der betreffenden Pauschalreise haben müssen.

51      Wenn die Ausbreitung einer schweren Krankheit am fraglichen Bestimmungsort unter diesen Begriff fallen kann, muss dies erst recht für die weltweite Ausbreitung einer schweren Krankheit gelten, da die Auswirkungen dieser Krankheit auch diesen Ort treffen.

52      Außerdem verstieße eine Auslegung von Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2015/2302 dahin, dass diese Bestimmung nur auf Ereignisse von örtlicher Bedeutung, nicht aber auf Ereignisse größeren Umfangs anwendbar wäre, zum einen gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, da diese Richtlinie keinerlei Kriterium für die Abgrenzung zwischen diesen beiden Kategorien von Ereignissen vorsieht und diese Abgrenzung somit mangels eines entsprechenden Abgrenzungskriteriums unklar und variabel sein kann, was letztlich zur Folge hätte, dass der Vorteil des durch diese Bestimmung gewährten Schutzes ungewiss wäre.

53      Zum anderen stünde eine solche Auslegung nicht im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 2015/2302, das nach ihrem Art. 1 in Verbindung mit ihrem fünften Erwägungsgrund darin besteht, zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts und zu einem hohen und möglichst einheitlichen Verbraucherschutzniveau beizutragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Januar 2023, FTI Touristik [Pauschalreise auf die Kanarischen Inseln], C‑396/21, EU:C:2023:10, Rn. 29).

54      Diese Auslegung würde nämlich bedeuten, dass Reisende, die von ihrem Pauschalreisevertrag unter Berufung auf den Ausbruch einer örtlich begrenzten Krankheit zurücktreten, nicht verpflichtet wären, eine Rücktrittsgebühr zu zahlen, während Reisende, die von diesem Vertrag wegen des Ausbruchs einer weltweit auftretenden Krankheit zurücktreten, eine solche Gebühr zahlen müssten, so dass die betroffenen Reisenden im Fall des Ausbruchs einer weltweiten Gesundheitskrise einen geringeren Schutz genössen als im Fall des Auftretens einer örtlich begrenzten Krankheit.

55      Zum Ziel des Verbraucherschutzes macht die Slowakische Republik allerdings geltend, dass sich dieser Schutz nicht vom in Art. 17 der Richtlinie 2015/2302 vorgesehenen Schutz der Reiseveranstalter vor Insolvenz trennen lasse, der nicht auf die Abdeckung sehr unwahrscheinlicher Risiken wie des Ausbruchs einer weltweiten Pandemie abziele. Daher dürfe auch die Anwendung des in Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Anspruchs auf vollständige Erstattung nicht auf solche Fälle ausgedehnt werden.

56      Insoweit ist es, wie auch in den Erwägungsgründen 13 und 14 der Empfehlung 2020/648 hervorgehoben wird, unbestreitbar, dass eine weltweite Gesundheitskrise wie die Covid-19-Pandemie geeignet ist, Pauschalreiseveranstalter einem erhöhten Insolvenzrisiko auszusetzen, das nicht von der nach Art. 17 der Richtlinie 2015/2302 abgeschlossenen Versicherung gedeckt ist, und dass ein solches Risiko das Recht der betroffenen Reisenden auf Erstattung der von ihnen für eine Pauschalreise getätigten Zahlungen beeinträchtigen kann.

57      Allerdings ist festzustellen, dass eine Auslegung von Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2015/2302, die dazu führt, dass den Reisenden unter solchen Umständen dieses Recht von vornherein verwehrt wird, den Schutz ihrer Interessen zwangsläufig stärker beeinträchtigen würde.

58      Was die Unterscheidung betrifft, die nach Ansicht der Slowakischen Republik zwischen dem Begriff „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ und dem Begriff der höheren Gewalt vorzunehmen ist, wobei eine Pandemie wie die weltweite Covid-19-Pandemie ihrer Ansicht nach nur unter den letztgenannten Begriff fällt, ist festzustellen, dass dieses Argument entgegen dem Vorbringen dieses Mitgliedstaats im Urteil vom 18. März 2021, Kuoni Travel (C‑578/19, EU:C:2021:213), keine Grundlage findet.

59      Der Sachverhalt in der Rechtssache, in der jenes Urteil ergangen ist, betraf nämlich die Richtlinie 90/314, die durch die Richtlinie 2015/2302 aufgehoben und ersetzt wurde. Unabhängig von der in der Richtlinie 90/314 vorgesehenen Unterscheidung zwischen den Begriffen der höheren Gewalt und des unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses, auf die in Rn. 58 jenes Urteils Bezug genommen wird, ist festzustellen, dass die Richtlinie 2015/2302 weder den einen noch den anderen dieser Begriffe übernommen hat, sondern in diesem Zusammenhang nur den Begriff „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ verwendet. Wie bereits in den Rn. 48 und 49 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, kann eine weltweite Gesundheitskrise wie die Covid-19-Pandemie unter diesen Begriff fallen.

60      Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Begriff „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2015/2302 entgegen dem Vorbringen der Slowakischen Republik den Ausbruch einer weltweiten Gesundheitskrise erfassen kann, so dass diese Bestimmung auf die in § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 genannten Fälle angewandt werden kann, d. h. Fälle, in denen es „aufgrund der durch COVID-19 bedingten außergewöhnlichen Situation in der Slowakischen Republik oder einer ähnlichen Situation am Bestimmungsort oder an einem beliebigen Ort des Reisewegs der Pauschalreise“ nicht möglich war, dem Reisenden die wesentlichen Bestandteile der Reiseleistungen gemäß einem Pauschalreisevertrag zu erbringen.

61      Als Zweites ist zu prüfen, ob, wie die Slowakische Republik geltend macht, die in § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 vorgesehene Mitteilung einer Ersatzpauschalreise eine Erstattung der getätigten Zahlungen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2015/2302 darstellen kann.

62      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass diese Richtlinie keine Definition des Begriffs „Erstattung“ enthält.

63      Sodann sind nach ständiger Rechtsprechung die Bedeutung und die Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem üblichen Sinn im gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgten Ziele zu bestimmen (Urteil vom 18. März 2021, Kuoni Travel, C‑578/19, EU:C:2021:213, Rn. 37).

64      Nach seinem üblichen Sinn im gewöhnlichen Sprachgebrauch bezieht sich der Begriff „erstatten“ darauf, dass einer Person ein von ihr an eine andere Person gezahlter oder angezahlter Geldbetrag zurückgegeben wird, und impliziert somit für diese letztgenannte Person, dass sie diesen Betrag der erstgenannten Person zurückgibt. Eine solche Bedeutung ergibt sich im Übrigen eindeutig aus dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2015/2302 insgesamt, wonach sich die volle Erstattung auf die für eine Pauschalreise „getätigten Zahlungen“ bezieht, was demnach jeden Zweifel hinsichtlich des Gegenstands der Erstattung, die sich auf einen Geldbetrag bezieht, zerstreut.

65      Daraus folgt, dass unter dem Begriff „Erstattung“ im Sinne von Art. 12 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2015/2302 eine Erstattung der für eine Pauschalreise getätigten Zahlungen in Form eines Geldbetrags zu verstehen ist.

66      Diese Auslegung wird nicht durch das Vorbringen der Slowakischen Republik entkräftet, das sich auf die terminologische Unterscheidung stützt, die im Zusammenhang mit diesem Begriff, insbesondere in der deutschen und der englischen Fassung von Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2015/2302, zwischen einer „Rückzahlung“ („reimbursement“ im Englischen) von Zahlungen im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2015/2302 und einer „Erstattung“ („refund“ im Englischen) im Sinne von Art. 12 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie vorgenommen werde, wobei Letztere auch einen Ausgleich in anderer Form als Geld umfasse.

67      Eine solche terminologische Unterscheidung ist nämlich uneingeschränkt mit einer Auslegung dieser Bestimmungen vereinbar, die eine Erstattung in Form eines Geldbetrags impliziert, und selbst wenn es sich anders verhalten würde, ergibt sich zudem aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den übrigen Sprachfassungen beanspruchen kann, da die Vorschrift, wenn die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts voneinander abweichen, nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden muss, zu der sie gehört (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2020, Banca Transilvania, C‑81/19, EU:C:2020:532, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Der Zusammenhang von Art. 12 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2015/2302 und das Ziel dieser Richtlinie bestätigen jedoch nur die in Rn. 65 des vorliegenden Urteils vorgenommene wörtliche Auslegung.

69      Was nämlich zum einen den Zusammenhang dieser Bestimmung betrifft, deutet der Umstand, dass die Erstattung nach Art. 12 Abs. 4 dieser Richtlinie spätestens 14 Tage nach der Beendigung des betreffenden Pauschalreisevertrags zu erfolgen hat, darauf hin, dass diese Erstattung in Form eines Geldbetrags zu erfolgen hat, da diese Frist gewährleisten soll, dass der betreffende Reisende kurz nach der Beendigung des Vertrags wieder frei über den Betrag verfügen kann, den er zur Zahlung der Pauschalreise aufgewandt hatte. Dagegen wäre die Vorgabe einer solchen Frist wenig sinnvoll, wenn sich der Reisende mit einem Gutschein oder einer anderen aufgeschobenen Leistung begnügen müsste, in deren Genuss er auf jeden Fall erst nach Ablauf dieser Frist kommen könnte.

70      Im Übrigen zeigt der breitere Zusammenhang, in den sich die Richtlinie 2015/2302 einfügt, nämlich der Bereich der Rechte von Reisenden und des Verbraucherschutzes, dass, wenn der Unionsgesetzgeber in einem bestimmten, diesen Bereich betreffenden Gesetzgebungsakt die Möglichkeit in Betracht zieht, eine Verpflichtung zur Zahlung eines Geldbetrags durch eine Leistung anderer Art, wie u. a. das Angebot von Gutscheinen, zu ersetzen, diese Möglichkeit in diesem Gesetzgebungsakt ausdrücklich vorgesehen ist. Dies ist insbesondere bei Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs‑ und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1) der Fall, der vorsieht, dass die Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 „durch Barzahlung“, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggasts, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen erfolgen.

71      Dass der Wortlaut von Art. 12 der Richtlinie 2015/2302 keinerlei Hinweis auf eine solche Möglichkeit enthält, spricht daher dafür, dass dieser Artikel nur Erstattungen in Form eines Geldbetrags betrifft.

72      Zum anderen entspricht der den Reisenden durch Art. 12 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2015/2302 gewährte Erstattungsanspruch dem in Rn. 53 des vorliegenden Urteils genannten Ziel des Verbraucherschutzes, das mit dieser Richtlinie verfolgt wird, so dass eine Auslegung des Begriffs „Erstattung“ im Sinne von Art. 12 dahin, dass der betreffende Reisende Anspruch auf Erstattung der für die fragliche Pauschalreise getätigten Zahlungen in Form eines Geldbetrags hat, über den er frei verfügen kann, eher zum Schutz seiner Interessen und damit zur Erreichung dieses Ziels beitragen kann als die Auslegung, wonach es genügen würde, dass der betreffende Veranstalter ihm eine Ersatzreise, einen Gutschein oder eine andere Form eines aufgeschobenen Ausgleichs anbietet.

73      Was das Vorbringen der Slowakischen Republik betrifft, dass es insbesondere in einer Situation, in der der fragliche Markt vollständig zusammenbreche, angesichts des fünften Erwägungsgrundes der Richtlinie 2015/2302 und im Einklang mit der sich aus dem Urteil vom 31. Januar 2013, McDonagh (C‑12/11, EU:C:2013:43, Rn. 62), ergebenden Rechtsprechung erforderlich sei, zu einer Auslegung zu gelangen, die es ermögliche, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Verbraucherschutz und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen herzustellen, so genügt die Feststellung, dass die in Rn. 65 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung den Interessenausgleich widerspiegelt, den der Unionsgesetzgeber in Bezug auf die finanziellen Folgen, die sich aus der Beendigung eines Pauschalreisevertrags in den in Art. 12 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie genannten Fällen ergeben, einführen wollte, wobei diese Bestimmung im Übrigen nicht nur eine Erstattungspflicht zugunsten der Reisenden vorsieht, sondern darüber hinaus regelt, dass der Veranstalter in diesen Fällen nicht zu einer zusätzlichen Entschädigung verpflichtet ist.

74      Dies gilt unbeschadet der Möglichkeit des Reisenden, der Partei eines Pauschalreisevertrags ist, freiwillig statt einer Erstattung in Form eines Geldbetrags einen Gutschein anzunehmen, sofern ihm diese Möglichkeit nicht seinen Anspruch auf Erstattung nimmt, wie es im neunten Erwägungsgrund der Empfehlung 2020/648 heißt.

75      Daher ist davon auszugehen, dass eine Mitteilung einer Ersatzreise wie die in § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 vorgesehene keine Erstattung der getätigten Zahlungen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2015/2302 darstellt, da diese Erstattung allein als Erstattung dieser Zahlungen in Form eines Geldbetrags zu verstehen ist.

76      Drittens ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass die Kommission zu Recht geltend macht, dass § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 gegen Art. 12 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. b und Abs. 4 der Richtlinie 2015/2302 in Verbindung mit deren Art. 4 verstößt, da er Reisenden, deren Pauschalreise aufgrund der unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände im Zusammenhang mit der weltweiten Covid-19-Pandemie nicht durchgeführt werden konnte, während des Zeitraums vom 12. März 2020 bis zum 31. August 2021 lediglich einen Anspruch auf das Angebot einer Ersatzreise – anstelle einer vollständigen Erstattung der für die betreffende Pauschalreise getätigten Zahlungen in Form eines Geldbetrags – gewährte.

77      Demzufolge hat die Slowakische Republik mit dem Erlass von § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 nicht die ihr obliegende Verpflichtung beachtet, in ihrer nationalen Rechtsordnung alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2015/2302 gemäß ihrer Zielsetzung zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat, C‑348/20 P, EU:C:2022:548, Rn. 69).

78      Die Slowakische Republik bringt jedoch vor, dass die ungünstige Situation im Zusammenhang mit der weltweiten Covid-19-Pandemie einen Fall höherer Gewalt dargestellt habe, der sie daran gehindert habe, ihren Verpflichtungen aus der Richtlinie 2015/2302 nachzukommen.

79      Zu diesem Vorbringen ist zu bemerken, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die Befürchtung interner Schwierigkeiten es nicht rechtfertigen kann, dass ein Mitgliedstaat die ihm nach dem Unionsrecht obliegenden Verpflichtungen nicht einhält (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. April 2004, Kommission/Italien, C‑99/02, EU:C:2004:207, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. September 2017, Kommission/Belgien, C‑591/14, EU:C:2017:670, Rn. 44).

80      Zwar ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es, wenn ein Mitgliedstaat seine unionsrechtlichen Verpflichtungen nicht erfüllt hat, nicht ausgeschlossen ist, dass er sich in Bezug auf eine solche Nichterfüllung auf höhere Gewalt berufen kann.

81      Insoweit setzt der Begriff der höheren Gewalt nach ständiger Rechtsprechung zwar keine absolute Unmöglichkeit voraus, erfordert aber, dass die fragliche Nichterfüllung auf vom Willen desjenigen, der sich auf höhere Gewalt beruft, unabhängigen, ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen beruht, deren Folgen trotz aller aufgewandten Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können, wobei eine Berufung auf höhere Gewalt nur für den Zeitraum möglich ist, der zur Ausräumung der betreffenden Schwierigkeiten erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Dezember 2001, Kommission/Frankreich, C‑1/00, EU:C:2001:687, Rn. 131 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 4. März 2010, Kommission/Italien, C‑297/08, EU:C:2010:115, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Es ist jedoch festzustellen, dass bei § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 die Voraussetzungen für die Geltendmachung höherer Gewalt ganz offensichtlich nicht vorliegen.

83      Insoweit kann erstens, auch wenn eine Gesundheitskrise von einem Ausmaß wie dem der Covid-19-Pandemie ungewöhnlich und unvorhersehbar und von der Slowakischen Republik nicht zu beeinflussen ist, eine nationale Regelung, die allgemein, vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen zugunsten schutzbedürftigerer Kategorien von Reisenden, alle Pauschalreiseveranstalter von ihrer in Art. 12 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 2015/2302 vorgesehenen Erstattungspflicht in Bezug auf Verträge befreit, die aufgrund dieser Pandemie nicht erfüllt werden konnten, schon ihrer Natur nach nicht durch die sich aus einem solchen Ereignis ergebenden Zwänge gerechtfertigt sein und somit den Voraussetzungen für die Geltendmachung höherer Gewalt genügen.

84      Indem sie de facto zu einer allgemeinen vorläufigen Aussetzung dieser Erstattungspflicht führt, beschränkt sich die Anwendung einer solchen Regelung nämlich nicht allein auf die Fälle, in denen solche – insbesondere finanziellen – Zwänge tatsächlich aufgetreten sind, sondern erstreckt sich auf alle Verträge, die aufgrund der unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände im Zusammenhang mit der weltweiten Covid-19-Pandemie nicht erfüllt werden konnten, ohne die konkrete und individuelle finanzielle Situation der betreffenden Reiseveranstalter zu berücksichtigen.

85      Zweitens geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervor, dass die finanziellen Folgen, denen die Regelung in § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018 begegnen sollte, nicht anders als durch den Verstoß gegen Art. 12 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 2015/2302 hätten abgewendet werden können, insbesondere durch den Erlass bestimmter staatlicher Beihilfemaßnahmen zugunsten der betreffenden Reiseveranstalter, die nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV genehmigt werden können – eine Möglichkeit, die in den Erwägungsgründen 21 und 22 der Empfehlung 2020/648 erwähnt wird und auf die andere Mitgliedstaaten zurückgegriffen haben.

86      In diesem Zusammenhang hat die Slowakische Republik zwar betont, dass der Erlass solcher staatlicher Beihilfemaßnahmen mit besonderen Schwierigkeiten verbunden gewesen sei, da die Möglichkeit, diese Maßnahmen kurzfristig zu erlassen, u. a. von den bestehenden Organisationsstrukturen des Pauschalreisesektors sowie von der Zeit abhänge, die für einen solchen Erlass gemäß ihren internen Verfahren erforderlich sei, doch ist insoweit darauf hinzuweisen, dass sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht auf interne Schwierigkeiten berufen kann, um die Nichteinhaltung der aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen (Urteile vom 25. Juni 2013, Kommission/Tschechische Republik, C‑241/11, EU:C:2013:423, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. November 2014, Kommission/Belgien, C‑395/13, EU:C:2014:2347, Rn. 51).

87      In diesem Zusammenhang kann auch dem Vorbringen der Slowakischen Republik nicht gefolgt werden, dass die in der Gewährung staatlicher Beihilfen bestehende Lösung ein „letztes Mittel“ sein müsse. Insoweit genügt nämlich der Hinweis, dass das Unionsrecht es den Mitgliedstaaten erlaubt, unter Beachtung der hierfür vorgesehenen Voraussetzungen bestimmte Formen staatlicher Beihilfen vorzusehen, insbesondere diejenigen, die nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können, während es das Unionsrecht ihnen, wie sich aus Rn. 77 des vorliegenden Urteils ergibt, gerade nicht erlaubt, gegen ihre Verpflichtung zu verstoßen, in ihrer nationalen Rechtsordnung alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Wirksamkeit einer Richtlinie, im vorliegenden Fall der Richtlinie 2015/2302, zu gewährleisten.

88      Es ist noch darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit hatten, Regelungen einzuführen, mit denen die Annahme von Gutscheinen durch Reisende statt einer Erstattung in Form eines Geldbetrags nicht vorgeschrieben, sondern gefördert oder erleichtert werden sollte, da auch solche Lösungen, wie in der Empfehlung 2020/648, u. a. im 15. Erwägungsgrund dieser Empfehlung, ausgeführt wurde, dazu beitragen konnten, die Liquiditätsprobleme der Reiseveranstalter abzufedern.

89      Drittens ist eine nationale Regelung wie § 33a des Gesetzes Nr. 170/2018, soweit sie vorsieht, dass Pauschalreiseveranstalter für einen Zeitraum von bis zu fast 18 Monaten ab der Zustellung des Rücktritts von dem in Rede stehenden Pauschalreisevertrag von ihrer Erstattungspflicht befreit werden, offensichtlich nicht so ausgestaltet, dass ihre Wirkungen auf den Zeitraum beschränkt werden, der erforderlich ist, um den Schwierigkeiten abzuhelfen, die durch das Ereignis, das unter höhere Gewalt fallen kann, verursacht werden.

90      Der Klage der Kommission ist daher stattzugeben.

91      Nach alledem ist festzustellen, dass die Slowakische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtung aus Art. 12 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. b und Abs. 4 der Richtlinie 2015/2302 in Verbindung mit deren Art. 4 verstoßen hat, dass sie mit dem Erlass des Gesetzes Nr. 136/2020 § 33a in das Gesetz Nr. 170/2018 eingefügt hat.

 Kosten

92      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Slowakische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Slowakische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtung aus Art. 12 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. b und Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates in Verbindung mit Art. 4 der Richtlinie 2015/2302 verstoßen, dass sie mit dem Erlass des Zákon č. 136/2020 Z. z. (Gesetz Nr. 136/2020 Slg.) vom 20. Mai 2020 § 33a in den Zákon č. 170/2018 Z. z. o zájazdoch, spojených službách cestovného ruchu, niektorých podmienkach podnikania v cestovnom ruchu a o zmene a doplnení niektorých zákonov (Gesetz Nr. 170/2018 Slg. über Pauschalreisen, verbundene Reiseleistungen, bestimmte Bedingungen für die Tätigkeit im Reisegeschäft und zur Änderung und Ergänzung bestimmter Gesetze) vom 15. Mai 2018 eingefügt hat.

2.      Die Slowakische Republik trägt die Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Slowakisch.