Language of document : ECLI:EU:T:2010:500

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

7. Dezember 2010(*)

„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftswortmarke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC – Ältere nationale Bildmarken la PERLA – Relatives Eintragungshindernis – Schädigung des Rufs – Art. 8 Abs. 5 und Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 5 und Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

In der Rechtssache T‑59/08

Nute Partecipazioni SpA, vormals Gruppo La Perla SpA,

La Perla Srl

mit Sitz in Bologna (Italien), vertreten durch Rechtsanwälte R. Morresi und A. Dal Ferro,

Klägerinnen,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten zunächst durch L. Rampini, dann durch O. Montalto als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Worldgem Brands Srl, vormals Worldgem Brands – Gestão e Investimentos Lda, mit Sitz in Creazzo (Italien), vertreten durch Rechtsanwälte V. Bilardo, M. Mazzitelli und C. Bacchini,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 19. November 2007 (Sache R 537/2004‑2) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Nute Partecipazioni SpA einerseits und Worldgem Brands Srl andererseits

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Wiszniewska-Białecka sowie der Richter F. Dehousse und H. Kanninen (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund der Klageschrift, die am 7. Februar 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,

aufgrund der Klagebeantwortung des HABM, die am 21. Mai 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,

aufgrund der Klagebeantwortung der Streithelferin, die am 9. Mai 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,

aufgrund der Erwiderung, die am 1. August 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,

aufgrund der Gegenerwiderung der Streithelferin, die am 20. Oktober 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,

aufgrund der Änderung der Zusammensetzung der Ersten Kammer des Gerichts,

auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2010

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 30. Dezember 1997 meldete die Streithelferin, die Worldgem Brands Srl, vormals Worldgem Brands – Gestão e Investimentos Lda, vormals Cielo Brands – Gestão e Investimentos Lda, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in der geänderten Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC.

3        Die Marke wurde für, zum Zeitpunkt der Anmeldung, „Juwelierwaren, Schmuckwaren und Uhren; Edelmetalle; Perlen; Edelsteine“ in Klasse 14 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Die angemeldete Marke wurde am 21. Juli 1999 eingetragen.

5        Am 15. April 2002 beantragte die erste Klägerin, die Nute Partecipazioni SpA, vormals Gruppo La Perla SpA, diese angemeldete Marke für nichtig zu erklären, und zwar zum einen gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009), weil der Eintragung die absoluten Nichtigkeitsgründe von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und b dieser Verordnung (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009) entgegenstünden, und zum anderen gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung (jetzt Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009), weil der Eintragung die relativen Nichtigkeitsgründe des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und des Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009) entgegenstünden.

6        Die zur Begründung des Antrags auf Nichtigerklärung herangezogenen älteren Marken, die in Italien geschützt sind, sind insbesondere:

–        die Bildmarke la PERLA, eingetragen unter der Nr. 769526 mit Wirkung vom 20. März 1996 für die folgenden Waren in Klasse 25: „Badebekleidung, Sportbekleidung und Bekleidung im Allgemeinen“, im Folgenden wiedergegeben:

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–        die Bildmarke la PERLA, eingetragen unter der Nr. 804992 mit Wirkung vom 8. Oktober 1997, insbesondere für Waren in Klasse 14: „Juwelierwaren und Schmuckwaren; Uhren“, im Folgenden wiedergegeben:

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7        Zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung legte die erste Klägerin bei der Nichtigkeitsabteilung zum Nachweis der Wertschätzung ihrer Marken und deren Beeinträchtigung Unterlagen vor, die insbesondere in Verzeichnissen von Markeneintragungen, in der Presse veröffentlichten Artikeln, Verzeichnissen von Ladengeschäften, die das Zeichen „La Perla“ führen, und Statistiken über ihren Umsatz und ihre Werbeausgaben bestanden.

8        Am 4. Mai 2004 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die Gemeinschaftsmarke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC mit der Begründung für nichtig, dass es die Benutzung dieser Marke ihrem Inhaber erlauben könne, die Wertschätzung der Bildmarke la PERLA, eingetragen unter Nr. 769526, im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 in unlauterer Weise auszunutzen.

9        Am 1. Juli 2004 legte die Streithelferin beim HABM gemäß den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

10      Mit Entscheidung vom 25. Januar 2005 (im Folgenden: erste Entscheidung) gab die Erste Beschwerdekammer des HABM der Beschwerde der Streithelferin statt und hob die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf. Sie führte aus, dass die Gemeinschaftsmarke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC weder der Bildmarke la PERLA, eingetragen unter Nr. 769526, noch anderen im Antrag auf Nichtigerklärung aufgeführten Marken ausreichend ähnele, um das Vorliegen von Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 oder einen Zusammenhang zwischen diesen Marken für die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 annehmen zu können.

11      Mit Klageschrift, die am 1. April 2005 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die erste Klägerin eine Klage, die unter dem Aktenzeichen T‑137/05 eingetragen wurde und auf Aufhebung der ersten Entscheidung gerichtet war; sie rügte erstens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94, zweitens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung und drittens eine Verletzung der Begründungspflicht. Das HABM schloss sich den Anträgen der ersten Klägerin an, soweit sie auf Aufhebung der ersten Entscheidung gerichtet waren, und führte zur Begründung Art. 8 Abs. 5 sowie Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 an.

12      Mit Urteil vom 16. Mai 2007, La Perla/HABM – Worldgem Brands (NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC) (T‑137/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: Urteil des Gerichts) hat das Gericht der Klage der ersten Klägerin stattgegeben und festgestellt, dass erstens die Wertschätzung der älteren Marke la PERLA, eingetragen unter der Nr. 769526, nachgewiesen sei und dass zweitens die Beschwerdekammer fehlerhaft angenommen habe, dass die ältere Marke la PERLA, eingetragen unter der Nr. 769526, und die Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC für die Annahme einer Verbindung zwischen ihnen, wie für die Zwecke der Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 erforderlich, einander nicht ausreichend ähnelten. Infolgedessen hat das Gericht die erste Entscheidung aufgehoben, ohne seine Beurteilung der Voraussetzung des Vorliegens einer Gefahr, dass die Benutzung der Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC ohne rechtfertigenden Grund es ihrem Inhaber erlaube, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke la PERLA, eingetragen unter der Nr. 769526, in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen, an die Stelle der Beurteilung des HABM zu setzen, da diese Beurteilung dem HABM obliege (Randnrn. 26, 33, 52 und 53 des Urteils des Gerichts).

13      Am 18. September 2007 wies das Präsidium der Beschwerdekammern des HABM die Sache der Zweiten Beschwerdekammer zu.

14      Mit Entscheidung vom 19. November 2007 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Zweite Beschwerdekammer des HABM die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf. Sie stellte zunächst fest, es sei nicht nachgewiesen, dass die Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC es erlauben könne, die Wertschätzung der älteren Marke la PERLA, eingetragen unter der Nr. 769526, in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen, und dass daher Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nicht angewandt werden könne. Sodann lehnte sie in Ausübung der Zuständigkeiten der Nichtigkeitsabteilung den auf absolute Eintragungshindernisse gestützten Antrag auf Nichtigerklärung ab.

15      Schließlich stellte die Beschwerdekammer, ebenfalls in Ausübung der Zuständigkeiten der Nichtigkeitsabteilung, für die Prüfung der Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 die Identität oder große Ähnlichkeit der „Juwelierwaren; Schmuckwaren und Uhren“ in Klasse 14, die von der älteren Marke la PERLA, eingetragen unter der Nr. 804992, erfasst wurden, und der von der Gemeinschaftsmarke erfassten „Juwelierwaren, Schmuckwaren und Uhren“ sowie die große Ähnlichkeit mit den von der Gemeinschaftsmarke erfassten „Edelmetallen; Perlen; Edelsteinen“ fest. Die Beschwerdekammer gelangte zu dem Ergebnis, dass Verwechslungsgefahr bei italienischen Verkehrskreisen für alle von der Gemeinschaftsmarke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC erfassten Waren mit Ausnahme von Perlen bestehe. Da nämlich der Ausdruck „la perla“ ausschließlich beschreibend und in Bezug auf Perlen ohne Kennzeichnungskraft sei, sei nur der Bildbestandteil der älteren Marke mit dem Bestandteil „nimei“ der Gemeinschaftsmarke zu vergleichen, und dieser Vergleich ergebe keine Verwechslungsgefahr.

16      Daher gab die Beschwerdekammer dem Antrag auf Nichtigerklärung für folgende Waren in Klasse 14 statt: „Juwelierwaren, Gold‑ und Silberwaren sowie Uhren; Edelmetalle; Edelsteine“. Im Übrigen lehnte sie den Antrag auf Nichtigerklärung ab und bestätigte die Gültigkeit der Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC für Perlen, ebenfalls in Klasse 14.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

17      Die erste und die zweite Klägerin, die La Perla Srl, beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung wegen fehlerhafter Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 und wegen Verstoßes gegen Art. 63 Abs. 6 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009) sowie die Art. 73 und 74 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 75 und 76 der Verordnung Nr. 207/200) aufzuheben;

–        hilfsweise, die angefochtene Entscheidung wegen fehlerhafter Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 und wegen Verstoßes gegen Art. 63 Abs. 6 sowie die Art. 73 und 74 der Verordnung Nr. 40/94 aufzuheben;

–        weiter hilfsweise, die angefochtene Entscheidung wegen fehlerhafter Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 und Verstoßes gegen Art. 63 Abs. 6 sowie die Art. 73 und 74 der Verordnung Nr. 40/94 aufzuheben und/oder abzuändern;

–        dem HABM und der Streithelferin die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens vor der Beschwerdekammer des HABM aufzuerlegen.

18      In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen ihren dritten Antrag beschränkt, der sich jetzt nur noch auf die Nrn. 1, 3 und 4 des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung bezieht, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist. Somit betrifft dieser Antrag nicht Nr. 2 des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung, mit dem die Beschwerdekammer dem Antrag auf Nichtigerklärung für die folgenden Waren in Klasse 14 stattgegeben hat: „Juwelierwaren, Gold‑ und Silberwaren sowie Uhren; Edelmetalle; Edelsteine“.

19      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

20      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen und die angefochtene Entscheidung zu bestätigen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

21      Die Klägerinnen führen zwei Klagegründe an, erstens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 und zweitens, hilfsweise, einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94.

22      Im Folgenden ist der erste Klagegrund zu prüfen.

23      Die Klägerinnen machen geltend, dass die Beschwerdekammer gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe. Sie rügen insbesondere, dass die Beschwerdekammer dem Urteil des Gerichts nicht nachgekommen sei und auf diese Weise auch gegen Art. 63 Abs. 6 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe.

24      Weiter machen die Klägerinnen geltend, dass die Beschwerdekammer unter Verstoß gegen Art. 74 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009) nicht alle der Nichtigkeitsabteilung vorgelegten Tatsachen und Beweise berücksichtigt habe, mit denen sowohl der entstandene Schaden als auch die unlautere Ausnutzung wie auch die Benutzung der Gemeinschaftsmarke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC ohne rechtfertigenden Grund dargetan werde, und dass die Beschwerdekammer auch ihre Begründungspflicht nach Art. 73 der Verordnung Nr. 40/94 dadurch verletzt habe, dass sie nicht erläutert habe, weshalb diese Tatsachen und Beweise unerheblich gewesen seien.

25      In ihrer Erwiderung rügen die Klägerinnen auch einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung im Rahmen der Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94.

26      Das HABM und die Streithelferin unterstützen die Anträge der Beschwerdekammer, treten dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen und äußern die Ansicht, dass die Beschwerdekammer dem Urteil des Gerichts sehr wohl nachgekommen sei. Zum Vorbringen der Klägerinnen in ihrer Erwiderung macht die Streithelferin in der Gegenerwiderung geltend, dass die dort erhobenen Rügen wegen Verspätung unzulässig seien.

27      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung eine Gemeinschaftsmarke, wenn eine in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung genannte ältere Marke besteht, auf Antrag beim HABM für nichtig erklärt wird, wenn die Gemeinschaftsmarke und die ältere Marke identisch oder einander ähnlich sind und wenn die Gemeinschaftsmarke für Waren oder Dienstleistungen eingetragen ist, die nicht denen ähnlich sind, für die die ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Fall einer älteren Gemeinschaftsmarke um eine in der Gemeinschaft bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

28      Der erweiterte Schutz, der der älteren Marke durch Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 gewährt wird, erfordert daher die Erfüllung mehrerer Voraussetzungen. Erstens muss die ältere, angeblich bekannte Marke eingetragen sein. Zweitens müssen diese und die Gemeinschaftsmarke, deren Nichtigkeit beantragt wird, identisch oder einander ähnlich sein. Drittens muss die ältere Marke in der Europäischen Union bekannt sein, wenn es sich um eine ältere Gemeinschaftsmarke handelt, oder im betreffenden Mitgliedstaat im Fall einer älteren nationalen Marke. Viertens muss die Benutzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund die Gefahr herbeiführen, dass die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt würde. Da diese Voraussetzungen zusammen erfüllt sein müssen, scheidet die Anwendung der Bestimmung aus, wenn nur eine von ihnen nicht vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 22. März 2007, Sigla/HABM – Elleni Holding [VIPS], T‑215/03, Slg. 2007, II‑711, Randnrn. 34 und 35, vom 11. Juli 2007, Mülhens/HABM – Minoronzoni [TOSCA BLU], T‑150/04, Slg. 2007, II‑2353, Randnr. 55, und vom 30. Januar 2008, Japan Tobacco/HABM – Torrefacção Camelo [CAMELO], T‑128/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45).

29      Treten die in Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 genannten Beeinträchtigungen auf, so sind sie die Folge eines bestimmten Grades der Ähnlichkeit zwischen der älteren und der jüngeren Marke, aufgrund dessen die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen diesen Marken sehen, beide also gedanklich miteinander verknüpfen, ohne sie jedoch zu verwechseln (Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2009, Antartica/HABM, C‑320/07 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 43, Beschluss des Gerichtshofs vom 30. April 2009, Japan Tobacco/HABM, C‑136/08 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 2, vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 27. November 2008, Intel Corporation, C‑252/07, Slg. 2008, I‑8823, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Das Vorliegen einer solchen Verknüpfung beim Publikum stellt eine notwendige Voraussetzung dar, die aber als solche nicht für den Schluss genügt, dass eine der Beeinträchtigungen gegeben ist, gegen die Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 bekannte Marken schützt (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juni 2009, L’Oréal u. a., C‑487/07, Slg. 2009, I‑5185, Randnr. 37).

31      Um in den Genuss des Schutzes gemäß Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 zu gelangen, muss der Inhaber der älteren Marke den Nachweis erbringen, dass die Benutzung der jüngeren Marke „die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Gemeinschaftsmarke in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde“ (vgl. entsprechend Urteil Intel Corporation, Randnr. 37).

32      Eine dieser drei Arten von Beeinträchtigungen genügt dafür, dass Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 anwendbar ist (vgl. entsprechend Urteil L’Oréal u. a., Randnrn. 38 und 42).

33      Der Inhaber der älteren Marke ist nicht verpflichtet, das Vorliegen einer tatsächlichen und gegenwärtigen Beeinträchtigung im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nachzuweisen. Ist nämlich vorhersehbar, dass sich eine solche Beeinträchtigung aus einer Benutzung der jüngeren Marke durch deren Inhaber ergeben würde, kann der Inhaber der älteren Marke nicht dazu verpflichtet sein, das tatsächliche Eintreten dieser Beeinträchtigung abzuwarten, um diese Benutzung untersagen lassen zu können. Der Inhaber der älteren Marke muss allerdings das Vorliegen von Gesichtspunkten dartun, aus denen auf die ernsthafte Gefahr einer künftigen Beeinträchtigung geschlossen werden kann (vgl. entsprechend Urteil Intel Corporation, Randnr. 38).

34      Ist es dem Inhaber der älteren Marke gelungen, entweder das Vorliegen einer tatsächlichen und gegenwärtigen Beeinträchtigung seiner Marke oder, wenn es daran fehlt, das Vorliegen einer ernsthaften Gefahr einer solchen künftigen Beeinträchtigung nachzuweisen, obliegt dem Inhaber der jüngeren Marke der Nachweis, dass es für die Benutzung dieser Marke einen rechtfertigenden Grund gibt (vgl. entsprechend Urteil Intel Corporation, Randnr. 39).

35      Schließlich ist das Vorliegen derjenigen Beeinträchtigungen, bei denen es sich um Beeinträchtigungen der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke handelt, im Hinblick auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen, für die diese Marke eingetragen ist. Dagegen ist das Vorliegen derjenigen Beeinträchtigungen, bei denen es sich um eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke handelt, angesichts des Umstands, dass hier das Verbotene im vom Inhaber der jüngeren Marke aus der älteren Marke gezogenen Vorteil liegt, im Hinblick auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren und Dienstleistungen zu beurteilen, für die die jüngere Marke eingetragen ist (vgl. entsprechend Urteil Intel Corporation, Randnrn. 35 und 36).

36      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in seinem Urteil ausgeführt hat, dass die Wertschätzung der älteren, von der Anmeldung Nr. 769526 erfassten Marke (im Folgenden: Marke la PERLA) für Unterwäsche und Badebekleidung begründet worden sei und dass, da die von der Marke la PERLA erfassten und die von der jüngeren Marke erfassten Waren nahe beieinander liegenden Marktsegmenten angehörten, nämlich Juwelierwaren und Damenbekleidung, unter den Umständen des vorliegenden Falls ein festgestellter gewisser Grad der Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken dafür ausreiche, dass die italienischen Verkehrskreise eine Verbindung zwischen den beiden Marken herstellen könnten, wie sie für die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 erforderlich sei (Randnrn. 33 und 51 des Urteil des Gerichts).

37      Somit bleibt die Voraussetzung des Vorliegens einer Gefahr zu prüfen, dass die Benutzung der Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC ohne rechtfertigenden Grund es ihrem Inhaber erlaubt, ihre Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen.

38      Die Klägerinnen machen geltend, dass im vorliegenden Fall die drei Arten von Beeinträchtigungen vorlägen. Im Verfahren vor dem HABM trug die erste Klägerin, wie in der angefochtenen Entscheidung zusammengefasst, Folgendes vor und legte die folgenden Beweise vor:

–        Im Herbst 1999 habe die Streithelferin einen Perlenbadeanzug (Bikini), entworfen vom Stylisten Lorenzo Riva, unter der Marke NIMEI LA PERLA geschaffen. Dieser Bikini sei auf den wichtigsten Modenschauen vorgeführt worden, und die Fachpresse habe das Ereignis ausführlich geschildert. Die unlautere Weise der Benutzung der Worte „la perla“ im Zusammenhang mit dem Begriff „nimei“ sei offensichtlich, denn sie enthalte Merkmale der Verletzung der Marke la PERLA und sei geeignet, eine Verwechslung bei der Fachpresse selbst und erst recht bei den Verbrauchern hervorzurufen. Die Agentur ANSA und der Corriere della Sera seien Opfer einer solchen Verwechslung geworden.

–        Im Frühjahr 2000 habe die Streithelferin auch eine „Schmuckweste“, ausgeführt von NIMEI LA PERLA Blumarine, vorgeführt und den Verkauf eines „Twinset“, mit Perlen an den Manschetten gesäumt, angekündigt. Die Fachpresse habe auch über dieses Ereignis ausführlich unterrichtet.

–        Die Verwechslungs- und Verzerrungswirkung werde durch die Werbung der Streithelferin und von Blumarine anlässlich der letzten Modeschöpfungen ergänzt und vervollständigt, da das gewählte Werbeimage auf der Verwendung des Begriffs „perla“ und dem Vermerk „perla chic“ auf dem Werbeplakat begründet worden sei.

–        Die Verletzung der Marke und die fortdauernde und absichtliche Tätigkeit, die auf die von der Streithelferin hervorgerufene Verwechslung abziele, gingen eindeutig aus den zuvor dargestellten Umständen hervor. Die Streithelferin ziehe eindeutig Vorteil aus der Wertschätzung der Marke la PERLA in der Modewelt und habe einige Kleidungsstücke mit der Marke NIMEI LA PERLA (in Wirklichkeit eingetragen als NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC) angeboten und auf diese Weise eine Verwechslung bei den Personen des betreffenden Sektors und erst recht bei den Verbrauchern hervorgerufen.

39      Zunächst ist zu prüfen, ob die erste Klägerin dargetan hat, dass die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke la PERLA in unlauterer Weise ausgenutzt worden ist.

40      Der Begriff „unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke“, auch als „parasitäres Verhalten“ und „Trittbrettfahren“ bezeichnet, knüpft nicht nur an die Beeinträchtigung der Marke, sondern auch an den Vorteil an, den der Dritte aus der Benutzung des identischen oder ähnlichen Zeichens zieht. Er umfasst insbesondere die Fälle, in denen aufgrund der Übertragung des Bildes der Marke oder der durch sie vermittelten Merkmale auf die mit dem identischen oder ähnlichen Zeichen gekennzeichneten Waren eine eindeutige Ausnutzung der bekannten Marke gegeben ist (vgl. entsprechend Urteil L’Oréal u. a., Randnr. 41).

41      Der Vorteil, den ein Dritter aus der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke zieht, kann sich als unlauter erweisen, auch wenn die Benutzung des identischen oder ähnlichen Zeichens weder die Unterscheidungskraft noch die Wertschätzung der Marke oder allgemeiner den Inhaber der Marke beeinträchtigt (vgl. entsprechend Urteil L’Oréal u. a., Randnr. 43).

42      Zur Feststellung, ob die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzt, ist eine umfassende Beurteilung aller relevanten Umstände des konkreten Falls vorzunehmen, insbesondere des Ausmaßes der Bekanntheit und des Grades der Unterscheidungskraft der Marke, des Grades der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken sowie der Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und des Grades ihrer Nähe. Hinsichtlich des Ausmaßes der Bekanntheit und des Grades der Unterscheidungskraft der älteren Marke wird eine Beeinträchtigung umso eher vorliegen, je größer die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Marke sind. Je unmittelbarer und stärker die ältere Marke durch die jüngere Marke in Erinnerung gerufen wird, desto größer ist die Gefahr, dass die gegenwärtige oder künftige Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Intel Corporation, Randnrn. 67 bis 69, und Urteil L’Oréal u. a., Randnr. 44).

43      Außerdem ist festzustellen, dass im Rahmen einer solchen umfassenden Beurteilung gegebenenfalls auch berücksichtigt werden kann, ob eine Gefahr der Verwässerung oder der Verunglimpfung der älteren Marke besteht (vgl. entsprechend Urteil L’Oréal u. a., Randnr. 45).

44      Versucht ein Dritter, sich durch die Verwendung einer Marke, die einer bekannten Marke ähnlich ist, in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und, ohne eine finanzielle Gegenleistung zu erbringen und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen, ist der sich aus dieser Verwendung ergebende Vorteil als unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke anzusehen (vgl. entsprechend Urteil L’Oréal u. a., Randnr. 49).

45      Daher ist nach der Rechtsprechung Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen, dass das Vorliegen einer unlauteren Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke im Sinne dieser Bestimmung weder das Bestehen einer Verwechslungsgefahr noch die Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Unterscheidungskraft oder Wertschätzung oder allgemein des Inhabers dieser Marke voraussetzt. Der Vorteil, der sich aus der Verwendung einer Marke, die einer bekannten Marke ähnlich ist, durch einen Dritten ergibt, ist die unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke durch den Dritten, wenn dieser durch die Verwendung versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und ohne finanzielle Gegenleistung die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen (vgl. entsprechend Urteil L’Oréal u. a., Randnr. 50).

46      Im vorliegenden Fall befand die Beschwerdekammer, dass es der ersten Klägerin nicht gelungen sei, diese Beeinträchtigung darzutun. Sie bezog sich auf einen vom Stylisten Lorenzo Riva unter der Marke NIMEI LA PERLA entworfenen Bikini, der auf den wichtigsten Modenschauen vorgeführt und von der Fachpresse stark herausgestellt worden sei, sowie auf ein „Twinset“, mit Perlen an den Manschetten gesäumt, und eine „Schmuckweste“, entworfen von NIMEI LA PERLA für Blumarine. Sie führte aus, dass die Benutzung der Marke NIMEI LA PERLA für Badebekleidung oder andere Kleidungsstücke in Klasse 25 im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei, da sie sich auf die Eintragung der Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC für Juwelierwaren in Klasse 14 beziehe. Auf alle Fälle dürfte die Angabe „la perla“ auf einem Perlenbikini, auf einer perlengeschmückten „Schmuckweste“ oder auf einem „Twinset“, gesäumt mit Perlen an den Manschetten, eher das bei diesen Artikeln verwendete Material, d. h. die Perlen, beschreiben.

47      Die Klägerinnen treten diesen Feststellungen der Beschwerdekammer entgegen. Ferner verweisen sie darauf, dass die Nichtigkeitsabteilung angenommen habe, das Vorbringen der ersten Klägerin und die von ihr vorgelegten Beweise genügten als Nachweis, dass die Benutzung der Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC in unlauterer Weise die Wertschätzung der Marke la PERLA auszunutzen geeignet sei, und dass das HABM in seiner Klagebeantwortung in der Rechtssache T‑137/05 ausgeführt habe, dass die „Prüfung der dritten Voraussetzung … – Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke – … auch in diesem Fall die Rügen der [ersten] Klägerin [bestätigt]“.

48      Das HABM macht in seiner Klagebeantwortung geltend, es müsse beurteilt werden, ob die Benutzung der Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC für die Waren, für die sie eingetragen sei, ihrem Inhaber erlaube, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke la PERLA in unlauterer Weise auszunutzen. Die von der ersten Klägerin vorgelegten Beweise beträfen dagegen die Benutzung der jüngeren Marke für Waren, die zwar mit Perlen dekoriert, jedoch Bekleidungsstücke seien, was möglicherweise eine Verletzung darstellen könne, jedoch keinen Fall der Ausnutzung der Wertschätzung der Marke la PERLA.

49      Die Streithelferin macht geltend, dass die erste Klägerin nicht den geringsten Beweis für eine Gefahr der parasitären Ausnutzung ihrer Marke oder einen Versuch, aus deren Wertschätzung oder Unterscheidungskraft Vorteil zu ziehen, erbracht habe. Auf alle Fälle beträfen die von der ersten Klägerin erwähnten Tatsachen nicht die Waren der Klasse 14, die von der Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC beansprucht würden.

50      Aus den Unterlagen, die die erste Klägerin vor der Nichtigkeitsabteilung vorgelegt hat, ergibt sich, dass die Fachpresse und die Gewerbetreibenden des Sektors geglaubt haben, die vom Inhaber der jüngeren Marke mit Lorenzo Riva und Blumarine bei Modenschauen vorgeführten Artikel stünden in einem Zusammenhang mit der ersten Klägerin und es bestehe eine geschäftliche Beziehung zwischen den beiden Unternehmen.

51      Beispielsweise heißt es in Bezug auf die Vorführung eines von Lorenzo Riva für Rechnung der Streithelferin entworfenen Perlenbikinis bei Modenschauen in Mailand im September 1999 in einem Artikel, der in einer nationalen Tageszeitung erschien: „Lorenzo Riva bleibt im Übrigen nichts schuldig … Die Sponsoren Nimei und La Perla sind im Delirium …“, während der Sponsor des Ereignisses die Streithelferin war, die den Perlenbikini in Zusammenarbeit mit Herrn Riva geschaffen hatte. In einem Artikel im Corriere della Sera vom 25. September 1999 heißt es unter der Fotografie: „In Perlen. Endverkaufspreis: 2 Milliarden. Dies ist der Perlenbikini von Lorenzo Riva für La Perla.“ Zum Twinset findet sich auf einer Website im Internet (www.margherita.net) ein Artikel vom 12. Oktober 2000 mit dem Titel „Nimei – La Perla. Der Moment des Jubels. Nimei La Perla und Blumarine haben BluVIP (Very Important Pearls) vorgeführt.“

52      Es handelte sich zwar nicht um Situationen nur im Zusammenhang mit Perlen, sondern mit einem vom Stylisten Lorenzo Riva entworfenen Bikini, der die Marke NIMEI LA PERLA trägt, einem an den Manschetten mit Perlen gesäumten Twinset und einer von NIMEI LA PERLA für Blumarine geschaffenen Schmuckweste. Somit trugen alle diese Kleidungsstücke in Wirklichkeit als gemeinsames Merkmal Perlen, für die die jüngere Marke tatsächlich eingetragen war. Zudem erweist es sich, wie aus der vorstehenden Randnummer hervorgeht, dass die Perlen tatsächlich das „Herz“ dieser Waren darstellten. Daher kann unter diesen Umständen das Vorbringen des HABM und der Streithelferin (siehe oben, Randnrn. 48 und 49) keinen Erfolg haben.

53      Ferner ergibt sich, ebenfalls aus der Werbung der Streithelferin, die sich eher auf Juwelierwaren und genauer auf Perlen zu beziehen scheint, der Eindruck, dass eine Verknüpfung oder ein Zusammenhang zwischen „Nimei“ und „La Perla“ besteht.

54      Unter diesen Umständen lässt sich eine Beeinträchtigung oder eine Gefahr der Beeinträchtigung nicht ausschließen. Wie oben bereits festgestellt worden ist, ist der Inhaber der älteren Marke nicht verpflichtet, das Vorliegen einer tatsächlichen und gegenwärtigen Beeinträchtigung seiner Marke nachzuweisen, sondern muss das Vorliegen von Gesichtspunkten dartun, aus denen auf die ernsthafte Gefahr einer künftigen Beeinträchtigung geschlossen werden kann (vgl. entsprechend Urteil Intel Corporation, Randnr. 38).

55      Im Ergebnis ist für die Feststellung, ob die Benutzung der Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC es ihrem Inhaber ermöglicht hat, die Wertschätzung der Marke la PERLA in unlauterer Weise auszunutzen, eine umfassende Beurteilung aller relevanten Umstände des konkreten Falls vorzunehmen.

56      In diesem Zusammenhang ist zunächst zu beachten, dass das Gericht bereits in seinem Urteil (siehe oben, Randnr. 36) festgestellt hat, dass nicht bestritten ist, dass die Marke la PERLA Wertschätzung für Unterwäsche und Badebekleidung erlangt hat, dass ein bestimmter Grad der Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken vorliegt und dass die von der Marke la PERLA erfassten Waren, nämlich Damenbekleidung, und die von der jüngeren Marke erfassten, nämlich Perlen, nahe beieinander liegenden Marktsegmenten angehören. Was im Einzelnen die Wertschätzung angeht, kommt hinzu, dass diese sogar als sehr hoch betrachtet werden kann.

57      Sodann ist zu berücksichtigen, dass die Perlen bei der Herstellung von Badebekleidung und anderen Damenbekleidungsstücken verwendet werden können, wie sich aus den von der ersten Klägerin im Verfahren vor dem HABM vorgelegten Unterlagen ergibt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Verbraucher von Juwelierwaren und insbesondere von Perlen die von der Klägerin vermarktete Unterwäsche und Badebekleidung kennen. Selbst wenn im Übrigen eine Gefahr der Verwechslung der beiden Marken nicht für die Darlegung erforderlich ist, dass die jüngere Marke die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzt, ist eine derartige Gefahr im vorliegenden Fall in Bezug auf die der Badebekleidung und der Unterwäsche, die von der Marke la PERLA erfasst werden, ähnlichen Waren, nämlich Bikinis, Twinsets und Westen, alle mit Perlen dekoriert, nachgewiesen, auch wenn diese Bekleidungsstücke an sich von der jüngeren Marke nicht erfasst werden.

58      Nach allem hat die erste Klägerin im Verfahren vor dem HABM den Nachweis erbracht, dass der Inhaber der jüngeren Marke die Marke la PERLA in unlauterer Weise ausnutzt oder dass zumindest eine ernste Gefahr besteht, dass eine solche Beeinträchtigung in Zukunft eintritt.

59      Es bleibt zu prüfen, ob die Benutzung der jüngeren Marke einen rechtfertigenden Grund hat.

60      Wie bereits oben in Randnr. 34 festgestellt worden ist, obliegt es, wenn es dem Inhaber der älteren Marke gelungen ist, das Vorliegen einer tatsächlichen und gegenwärtigen Beeinträchtigung seiner Marke oder andernfalls einer ernsthaften Gefahr einer solchen künftigen Beeinträchtigung nachzuweisen, dem Inhaber der jüngeren Marke, nachzuweisen, dass es für die Benutzung dieser Marke einen rechtfertigenden Grund gibt.

61      Im vorliegenden Fall hat die Streithelferin im Verwaltungsverfahren beim HABM geltend gemacht, dass es einen rechtfertigenden Grund für die Benutzung der Worte „la perla“ gebe und dass er offensichtlich sei: Es handele sich um mit Perlen angefertigten Schmuck, und der Grund stehe im Zusammenhang sowohl mit der Notwendigkeit wie auch dem Willen, die gängige Bezeichnung des Materials anzugeben, aus dem die Schmuckwaren angefertigt worden seien.

62      In der angefochtenen Entscheidung führte die Beschwerdekammer aus, da nicht nachgewiesen sei, dass mit der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke la PERLA in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werde, brauche sie zum Vorliegen einer Gefahr der Benutzung der jüngeren Marke ohne rechtfertigenden Grund nicht Stellung zu nehmen.

63      Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass die Nichtigkeitsabteilung die Ansicht vertreten habe, der von der Streithelferin angeführte Grund reiche nicht aus, um die Benutzung zu rechtfertigen, und dass auch das HABM in der Rechtssache T‑137/05 ausgeführt habe, dass die Streithelferin „ebenfalls im Verwaltungsverfahren keine triftigen Gründe anführen [konnte], um die betreffende Benutzung zu rechtfertigen, und auf diese Weise die folgende Voraussetzung für die Anwendung des Schutzes, der über die bloßen von der Marke erfassten Waren hinausgeht, erfüllt [hatte]“.

64      Im vorliegenden Verfahren vor dem Gericht haben das HABM und die Streithelferin nichts zur Beantwortung des Vorbringens der Klägerinnen in Bezug auf den rechtfertigenden Grund vorgetragen.

65      Es ist festzustellen, dass der Grund, auf den sich die Streithelferin im Verwaltungsverfahren vor dem HABM berufen hat, nicht ausreicht, um die Benutzung zu rechtfertigen. Zudem hat die Streithelferin nicht einmal versucht, im Verfahren vor dem Gericht weitere rechtfertigende Gründe anzugeben.

66      In Bezug auf die Entscheidung des Tribunale Modena (Italien), auf die sich die Streithelferin beruft, um darzutun, dass die von den Klägerinnen angeführten Ereignisse nicht von der Streithelferin zu vertreten seien, genügt der Hinweis, dass die Gemeinschaftsregelung für Marken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von ihm eigenen Zielsetzungen und Vorschriften besteht und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (Urteil des Gerichts vom 5. Dezember 2000, Messe München/HABM [electronica], T‑32/00, Slg. 2000, II‑3829, Randnr. 47, und vom 23. September 2009, Cohausz/HABM – Izquierdo Faces [acopat], T‑409/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 71). Ohnehin ist gegen die letztgenannte Entscheidung von den Klägerinnen Rechtsmittel eingelegt worden, so dass sie noch nicht endgültig ist. Im Übrigen betrifft sie die Feststellung der Verletzung der Marke la PERLA und unlauteren Wettbewerbs seitens der Streithelferin und keinen Antrag auf Nichtigerklärung aufgrund einer Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 entsprechenden Bestimmung.

67      Unter diesen Umständen ist nachgewiesen, dass die Streithelferin versucht hat, sich durch die Verwendung einer der Marke la PERLA gleichenden Marke in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen. Daher ist der sich aus dieser Verwendung ergebende Vorteil als unlautere Ausnutzung der Wertschätzung der Marke la PERLA anzusehen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil L’Oreal u. a., Randnr. 49). Ferner ist diese Benutzung ohne rechtfertigenden Grund erfolgt. Daher braucht gemäß der oben in Randnr. 28 angeführten Rechtsprechung nicht über das Vorliegen einer anderen Beeinträchtigung im Sinne der Randnrn. 31 und 32 entschieden zu werden.

68      Folglich ist, ohne dass es einer Entscheidung über die Zulässigkeit der in der Erwiderung erhobenen Rügen (siehe oben, Randnrn. 25 und 26) bedarf, festzustellen, dass die Beschwerdekammer Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 fehlerhaft angewandt hat.

69      Da die Beschwerdekammer die jüngere Marke bereits für sämtliche Waren mit Ausnahme der Perlen für nichtig erklärt hat, ist die angefochtene Entscheidung nur insoweit aufzuheben, als der Antrag auf Nichtigerklärung zurückgewiesen und die Gültigkeit der Marke NIMEI LA PERLA MODERN CLASSIC für die Perlen bestätigt wird. Soweit nämlich mit der Entscheidung einer Beschwerdekammer den Anträgen eines Verfahrensbeteiligten stattgegeben wird, ist dieser nicht zur Erhebung einer Klage beim Gericht befugt. Soweit daher die Beschwerdekammer im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung dem Antrag auf Nichtigerklärung stattgegeben hat, können die Klägerinnen sie nicht mehr anfechten (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 14. Juli 2009, Hoo Hing/HABM – Tresplain Investments [Golden Elephant Brand], T‑300/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 26 und 27).

70      Da die verschiedenen Nichtigkeitsgründe genau zum gleichen Ergebnis führen, genügt es, dass einer von ihnen vorliegt, um einem Antrag auf Nichtigerklärung stattzugeben. Ferner ist, wenn die Beschwerdekammer die Ansicht vertritt, dass einer der vom Antragsteller im Verfahren zur Nichtigerklärung angeführten Nichtigkeitsgründe vorliegt, aber beschließt, die anderen geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu prüfen und gegebenenfalls zu verneinen, dieser Teil der Begründung ihrer Entscheidung keine notwendige Grundlage für den verfügenden Teil, mit dem dem Antrag auf Nichtigerklärung stattgegeben wird; dieser Teil findet seine rechtliche Grundlage in dem Nichtigkeitsgrund, dessen Vorliegen bejaht worden ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss Golden Elephant Brand, Randnrn. 31 und 35).

71      Nach allem braucht weder über den Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung, der im Rahmen des ersten Klageantrags gestellt worden ist, noch über die Hilfsanträge und die übrigen Klagegründe entschieden zu werden.

 Kosten

72      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so entscheidet das Gericht über die Verteilung der Kosten.

73      Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist.

74      Schließlich kann nach Art. 87 § 4 Abs. 3 der Verfahrensordnung das Gericht entscheiden, dass ein Streithelfer seine eigenen Kosten trägt.

75      Im vorliegenden Fall sind die Klägerinnen, das HABM und die Streithelferin jeweils teilweise unterlegen, da die angefochtene Entscheidung teilweise aufgehoben wird.

76      Unter den Umständen des vorliegenden Falles sind dem HABM neben seinen eigenen Kosten 90 % der Kosten der Klägerinnen im Verfahren vor dem Gericht und sämtliche Kosten der ersten Klägerin im Verfahren vor der Beschwerdekammer aufzuerlegen. Die Klägerinnen tragen 10 % ihrer eigenen Kosten im Verfahren vor dem Gericht. Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 19. November 2007 (Sache R 537/2004‑2) wird aufgehoben, soweit das HABM den Antrag auf Nichtigerklärung zurückgewiesen und der Nute Partecipazioni SpA ihre eigenen Kosten auferlegt hat.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Das HABM trägt seine eigenen Kosten und 90 % der Kosten von Nute Partecipazioni und der La Perla Srl im Verfahren vor dem Gericht sowie sämtliche Kosten von Nute Partecipazioni im Verfahren vor der Beschwerdekammer.

4.      Nute Partecipazioni und La Perla tragen 10 % ihrer eigenen Kosten im Verfahren vor dem Gericht.

5.      Die Worldgem Brands Srl trägt ihre eigenen Kosten.

Wiszniewska-Białecka

Dehousse

Kanninen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Dezember 2010.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.