Language of document : ECLI:EU:T:2015:907

BESCHLUSS DES GERICHTS (Neunte Kammer)

23. November 2015(*)

„Nichtigkeitsklage – Funktionieren der Finanzmärkte – Verordnung (EU) Nr. 537/2014 – Gesetzgebungsakt – Keine individuelle Betroffenheit – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑640/14

Carsten René Beul, wohnhaft in Neuwied (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt K.-G. Stümper, dann Rechtsanwälte H.-M. Pott und T. Eckhold,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch P. Schonard und D. Warin als Bevollmächtigte,

und

Rat der Europäischen Union, vertreten durch R. Wiemann und N. Rouam als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission (ABl. L 158, S. 77)

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis sowie der Richter O. Czúcz (Berichterstatter) und A. Popescu,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt, Verfahren und Anträge der Parteien

1        Der Kläger, Herr Carsten René Beul, ist ein nach dem Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) zugelassener Wirtschaftsprüfer. Damit ist er nach deutschem Recht zur Durchführung der Abschlussprüfung bei Unternehmen, einschließlich Unternehmen von öffentlichem Interesse, befugt.

2        Am 16. April 2014 erließen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EU) Nr. 537/2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission (ABl. L 158, S. 77, im Folgenden: angefochtene Verordnung).

3        Nach Art. 1 der angefochtenen Verordnung, der deren Gegenstand festlegt, enthält diese Verordnung Anforderungen an die Prüfung von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, Vorschriften für die Organisation von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften und für deren Auswahl durch Unternehmen von öffentlichem Interesse mit dem Ziel, deren Unabhängigkeit und die Vermeidung von Interessenkonflikten zu fördern, sowie Vorschriften für die Überwachung der Einhaltung dieser Anforderungen durch Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften.

4        Mit Klageschrift, die am 20. August 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

5        Mit besonderen Schriftsätzen, die am 27. bzw. 28. November 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben das Parlament und der Rat jeweils eine Einrede der Unzulässigkeit nach Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 erhoben. Der Kläger hat seine Stellungnahme zu diesen Einreden am 12. Januar 2015 eingereicht.

6        Die Europäische Kommission hat mit Schriftsatz, der am 18. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates zugelassen zu werden.

7        Das Parlament hat mit Schriftsatz, der am 22. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, mitgeteilt, dass es keine Einwände gegen den Antrag der Kommission auf Zulassung zur Streithilfe habe. Der Kläger und der Rat haben keine Stellungnahmen zu diesem Antrag abgegeben.

8        Der Kläger beantragt, die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären.

9        Das Parlament beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die Einrede verwerfen oder die Entscheidung über die Zulässigkeit dem Endurteil vorbehalten sollte, dem Parlament eine neue Frist zur Einlassung, einschließlich zur Frage der Begründetheit, zu setzen;

–        dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

10      Der Rat beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

11      Gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts kann dieses auf Antrag des Beklagten über die Unzulässigkeit oder die Unzuständigkeit vorab entscheiden. Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet und beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

12      Das Parlament und der Rat machen geltend, dass die angefochtene Verordnung ein Gesetzgebungsakt sei und daher keinen Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV darstelle. Darüber hinaus sind sie der Ansicht, dass der Kläger von der angefochtenen Verordnung weder unmittelbar noch individuell betroffen sei. Deshalb könne die Klage gemäß Art. 263 AEUV nicht zulässig sein.

13      Der Kläger hält sich für von der angefochtenen Verordnung unmittelbar und individuell betroffen, da diese eine strukturelle Änderung der für die Beaufsichtigung seiner beruflichen Tätigkeit zuständigen Einrichtung bewirke.

14      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 263 Abs. 4 AEUV „[j]ede natürliche oder juristische Person … unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben [kann]“.

15      Die angefochtene Verordnung ist nicht an den Kläger gerichtet. Mithin ist er nicht nach der ersten in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannten Variante klagebefugt.

16      Ferner geht aus der Präambel der angefochtenen Verordnung hervor, dass deren Rechtsgrundlage Art. 114 AEUV ist, der die Angleichung der Rechtsvorschriften betrifft, und dass sie von Parlament und Rat gemeinsam im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren angenommen wurde.

17      Insoweit ergibt sich aus Art. 289 Abs. 1 und 3 AEUV, dass die Rechtsakte, die nach dem in Art. 294 AEUV festgelegten sogenannten „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ angenommen werden, Gesetzgebungsakte darstellen.

18      Daraus folgt, dass die angefochtene Verordnung ein Gesetzgebungsakt ist.

19      Nach der Rechtsprechung umfasst der Begriff „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV jedoch keine Gesetzgebungsakte (Urteile vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, Slg, EU:C:2013:625, Rn. 61, und vom 25. Oktober 2011, Microban International und Microban [Europe]/Kommission, T‑262/10, Slg, EU:T:2011:623, Rn. 21).

20      Folglich ist der Kläger auch nicht nach der dritten in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannten Variante klagebefugt.

21      Daher ist die vorliegende Klage nur zulässig, soweit der Kläger gemäß der zweiten in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannten Variante von der angefochtenen Verordnung unmittelbar und individuell betroffen ist.

22      Das Gericht hält es für sachdienlich, die Prüfung der Zulässigkeit der Klage mit der Prüfung der individuellen Betroffenheit des Klägers zu beginnen.

 Zur individuellen Betroffenheit des Klägers von der angefochtenen Verordnung

23      Es ist darauf hinzuweisen, dass die angefochtene Verordnung Vorschriften enthält, mit denen die Unabhängigkeit der Behörden gewährleistet werden soll, die für die Beaufsichtigung der Tätigkeiten der Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften, die die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse durchführen, zuständig sind. Art. 21 dieser Verordnung bestimmt:

„Die zuständigen Behörden müssen von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften unabhängig sein.

Mitglied des Leitungsorgans oder verantwortlich für die Entscheidungsfindung dieser Behörden darf keine Person sein, die während ihrer Beteiligung oder im Laufe der drei vorausgegangenen Jahre

a)      Abschlussprüfungen durchgeführt hat,

b)      Stimmrechte an einer Prüfungsgesellschaft gehalten hat,

c)      Mitglied des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans einer Prüfungsgesellschaft war,

d)      ein Partner oder Angestellter einer Prüfungsgesellschaft oder anderweitig von ihr beauftragt war.

…“

24      In ihren Unzulässigkeitseinreden machen das Parlament und der Rat geltend, der Kläger sei von der angefochtenen Verordnung nicht individuell betroffen. Er gehöre nicht zu einem beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern und gebe keinen besonderen Umstand an, der ihn nach den von der Rechtsprechung entwickelten Regeln individualisieren könnte.

25      Der Kläger macht geltend, dass er von der angefochtenen Verordnung individuell betroffen sei und dass deren Erlass ihn aufgrund des Wechsels der für die Beaufsichtigung seiner beruflichen Tätigkeit zuständigen Einrichtung berühre.

26      Aus Art. 21 der angefochtenen Verordnung leitet er ab, dass dieser seine Rechtsstellung ändere. Vor dem Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung sei nämlich die Wirtschaftsprüferkammer (im Folgenden: WPK) die Einrichtung gewesen, die für die Überwachung und Prüfung seiner Tätigkeit, einschließlich derjenigen betreffend die Bescheinigung der Abschlüsse von Unternehmen von öffentlichem Interesse, zuständig gewesen sei. Die WPK habe sich selbst verwaltet und aus demokratisch gewählten Angehörigen des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer bestanden.

27      Art. 21 der angefochtenen Verordnung sehe dagegen ausdrücklich vor, dass Angehörige des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer keinerlei Funktion bei der Überwachung der Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse ausüben könnten.

28      Indem die angefochtene Verordnung zwangsläufig einen Wechsel in der Zusammensetzung der Behörde bewirke, die für die Beaufsichtigung der Tätigkeit der Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse zuständig sei, verändere sie daher den rechtlichen Rahmen, in dem er diese Tätigkeit ausübe. Diese Veränderung stelle einen Eingriff in sein in Art. 15 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankertes Grundrecht auf Berufsfreiheit dar, da sie die Selbstverwaltung des Systems der beruflichen Überwachung berühre.

29      Der Kläger fügt hinzu, er müsse sich, um seine Tätigkeit auszuüben, bei dem jeweils zuständigen Organ der zu prüfenden Gesellschaften und anderen Unternehmen um den Prüfungsauftrag bemühen. Wegen der Geltung der angefochtenen Verordnung könnten ihm diese Organe einen Auftrag nur erteilen, wenn er ihnen nachweise, dass er der Überwachung durch die zuständige Stelle unterliege, deren Zusammensetzung infolge des Inkrafttretens der angefochtenen Verordnung dann verändert sein werde. Daher zwinge ihn die angefochtene Verordnung, sich der Überwachung durch die neue zuständige Behörde zu unterwerfen. Wenn er nach der Errichtung dieser neuen Behörde bei der Ausübung seines Berufs Fragen zur Prüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse habe, müsse er sich an diese neue Behörde wenden, und die WPK könne ihm keine Antwort erteilen. Für die allgemeine Überwachung, die repressive Behandlung von Verstößen und die autoritative Beratung der Angehörigen des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer sei allein die neue Behörde zuständig.

30      Insbesondere hält sich der Kläger für von der angefochtenen Verordnung individuell betroffen, da sein Recht, seine berufliche Tätigkeit unter der Überwachung durch eine Einrichtung der Selbstverwaltung auszuüben, beseitigt werde. Er verweist insoweit auf das Urteil vom 18. Mai 1994, Codorniu/Rat (C‑309/89, Slg, EU:C:1994:197, Rn. 21 und 22), und leitet aus diesem ab, dass es für die individuelle Betroffenheit ausreiche, dass die angefochtene Handlung in eine feststehende Rechtsposition der Partei eingreife, die die Nichtigerklärung dieser Handlung verfolge.

31      Eingangs ist daran zu erinnern, dass eine natürliche oder juristische Person von einer nicht an sie gerichteten Handlung nur dann individuell betroffen ist, wenn die fragliche Handlung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, Slg, EU:C:1963:17, S. 213, 238, und vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, C‑50/00 P, Slg, EU:C:2002:462, Rn. 36).

32      Nach der Rechtsprechung hat eine Handlung allgemeine Geltung, wenn sie für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen entfaltet (Beschluss vom 6. September 2011, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, T‑18/10, Slg, EU:T:2011:419, Rn. 63).

33      Das ist hier der Fall. Gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV hat die Verordnung nämlich allgemeine Geltung, ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

34      Im Hinblick auf die Kriterien gemäß der oben in Rn. 32 angeführten Rechtsprechung ist festzustellen, dass die angefochtene Verordnung in Bezug auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse spezifische Anforderungen mit allgemeiner Geltung aufstellt, um die Angleichung der Rechtsvorschriften und der Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten in diesem Bereich sicherzustellen. Das gilt auch für den vom Kläger beanstandeten Art. 21 dieser Verordnung, der die Voraussetzungen festlegt, mit denen die Unabhängigkeit der Behörden, die für die Beaufsichtigung der Tätigkeiten der Abschlussprüfer hinsichtlich der Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse zuständig sind, gewährleistet werden soll. Sämtliche in der angefochtenen Verordnung enthaltenen Vorschriften gelten in allen Mitgliedstaaten unmittelbar.

35      Außerdem sind die Situationen und die Personen, für die die angefochtene Verordnung gilt, objektiv bestimmt, da in Art. 2 der angefochtenen Verordnung klargestellt wird, dass sie einerseits für Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften, die bei Unternehmen von öffentlichem Interesse die Abschlussprüfung durchführen, und andererseits für Unternehmen von öffentlichem Interesse gilt. Ebenso verhält es sich mit Art. 21 der Verordnung, der die Anforderungen an die Zusammensetzung der Aufsichtsbehörden festlegt, wobei es sich um Anforderungen handelt, die die Mitgliedstaaten bei der Errichtung dieser Behörden beachten müssen.

36      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Personengruppen, für die die angefochtene Verordnung gilt, ebenfalls allgemein und abstrakt umschrieben sind.

37      Daraus folgt, dass die angefochtene Verordnung und insbesondere ihr Art. 21 allgemeine Geltung haben.

38      Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass eine Vorschrift ihrer Natur und ihrer Tragweite nach eine generelle Norm ist, da sie für sämtliche betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, es nicht ausschließt, dass sie einige von ihnen individuell betrifft (Urteile vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 und C‑217/03, Slg, EU:C:2006:416, Rn. 58, und vom 23. April 2009, Sahlstedt u. a./Kommission, C‑362/06 P, Slg, EU:C:2009:243, Rn. 29).

39      Insoweit ist erstens daran zu erinnern, dass der Umstand, dass die angefochtene Handlung für in ihren eigenen Vorschriften objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen entfaltet, belegt, dass keine individuelle Betroffenheit gegeben ist (Urteil Sahlstedt u. a./Kommission, oben in Rn. 38 angeführt, EU:C:2009:243, Rn. 31; vgl. in diesem Sinne Beschluss Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, oben in Rn. 32 angeführt, EU:T:2011:419, Rn. 89).

40      Im vorliegenden Fall ist der Kläger von der angefochtenen Verordnung allein in seiner Eigenschaft als Abschlussprüfer, der die Tätigkeit der Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse ausübt, betroffen. Das ist eine Situation, auf die die angefochtene Verordnung objektiv abstellt, ohne dass der Gesetzgeber die individuelle Situation der Angehörigen dieses Berufsstands in irgendeiner Weise berücksichtigt hätte. Darüber hinaus sind die Anforderungen in Bezug auf die Zusammensetzung der Einrichtungen, die mit der Beaufsichtigung der eine solche Tätigkeit ausübenden Abschlussprüfer betraut sind, allgemein formuliert und gelten unterschiedslos für jeden Wirtschaftsteilnehmer und für jede Behörde, die in den Geltungsbereich der angefochtenen Verordnung fallen.

41      Zweitens können nach der Rechtsprechung, wenn die angefochtene Handlung eine Gruppe von Personen berührt, deren Identität zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Handlung aufgrund von Kriterien, die den Mitgliedern dieser Gruppe eigen waren, feststand oder feststellbar war, diese Personen von der Handlung insoweit individuell betroffen sein, als sie zu einem beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehören; dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Handlung in Rechte eingreift, die der Einzelne vor ihrem Erlass erworben hat (Urteil vom 27. Februar 2014, Stichting Woonpunt u. a./Kommission, C‑132/12 P, Slg, EU:C:2014:100, Rn. 59).

42      Im vorliegenden Fall standen die Personen, die von den in Art. 21 der angefochtenen Verordnung beschriebenen Anforderungen berührt werden, zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung aber weder fest, noch waren sie feststellbar.

43      Nach ihrem Art. 44 gilt die angefochtene Verordnung nämlich ab dem 17. Juni 2016. Daher ist dies der Stichtag, bis zu dem die Mitgliedstaaten die fraglichen zuständigen Behörden gegebenenfalls umstrukturieren müssen, um die in Art. 21 der angefochtenen Verordnung beschriebenen Anforderungen zu erfüllen.

44      Hierzu erklärt der Kläger selbst, dass die WPK zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch immer für die Beaufsichtigung der Abschlussprüfer im Bereich der Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse zuständig gewesen sei und dass sich hieran bis zur Übertragung der Aufsichtszuständigkeit der WPK auf eine Einrichtung, die die in Art. 21 der angefochtenen Verordnung festgelegten Kriterien erfülle, nichts ändern werde. Daher befindet sich jeder deutsche Abschlussprüfer, der Tätigkeiten der Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse nach dem Erlass der angefochtenen Verordnung, aber vor der Übertragung der Aufsichtszuständigkeit aufgenommen hat oder aufnimmt, in genau derselben Situation wie der Kläger: Die Beaufsichtigung seiner Tätigkeit würde von der WPK, die aus Angehörigen des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer besteht, auf eine andere Einrichtung übergehen, die die in Art. 21 der angefochtenen Verordnung beschriebenen Anforderungen erfüllt, d. h. eine Einrichtung, zu deren Mitgliedern des Leitungsorgans oder Verantwortlichen für die Entscheidungsfindung insbesondere keine Abschlussprüfer gehören dürfen, die diesen Beruf ausüben oder in den drei vorausgegangenen Jahren ausgeübt haben.

45      Daher kann zu der Personengruppe, der der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung angehörte, eine unbekannte Zahl von Wirtschaftsteilnehmern hinzukommen, so dass diese Gruppe nicht als beschränkter Kreis eingestuft werden kann. Vielmehr handelt es sich damit um eine unbestimmte und unbestimmbare Vielzahl von Wirtschaftsteilnehmern, deren Kreis sich nach dem Erlass der angefochtenen Verordnung ausweiten kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 1984, Intermills/Kommission, 323/82, Slg, EU:C:1984:345, Rn. 16, und Beschluss vom 3. April 2014, CFE-CGC France Télécom-Orange/Kommission, T‑2/13, EU:T:2014:226, Rn. 51).

46      Die einer solchen offenen Gruppe angehörenden Wirtschaftsteilnehmer sind aber von der in Rede stehenden Handlung nicht individuell betroffen (vgl. in diesem Sinne Beschluss CFE-CGC France Télécom-Orange/Kommission, oben in Rn. 45 angeführt, EU:T:2014:226, Rn. 52).

47      Drittens ist hervorzuheben, dass der Kläger keinen in der Rechtsprechung anerkannten Faktor geltend macht, der ihn individualisieren könnte. Er nimmt Bezug darauf, dass ein erworbenes Recht bestehen soll, von einer selbstverwalteten berufsständischen Einrichtung überwacht zu werden, die sich aus Angehörigen seines Berufsstands zusammensetze. Selbst wenn man unterstellt, dass ein solches Recht besteht und für die Beurteilung der individuellen Betroffenheit berücksichtigt werden kann, ist zu betonen, dass jeder andere deutsche Abschlussprüfer dieses Recht innehat und es, was die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse betrifft, mit der Übertragung der Aufsichtszuständigkeit auf eine andere, die Kriterien des Art. 21 der angefochtenen Verordnung erfüllende Einrichtung für alle genannten Prüfer unterschiedslos wegfällt.

48      Mithin unterscheidet sich der sachliche Kontext des vorliegenden Falles von demjenigen der Rechtssache, in der das Urteil Codorniu/Rat, oben in Rn. 30 angeführt (EU:C:1994:197), ergangen ist. In jener Rechtssache wurde die Klägerin nämlich dadurch individualisiert, dass sie Inhaberin der Marke „Gran Cremant de Codorníu“ war, und die fragliche Verordnung hinderte sie an der Nutzung dieser Marke, da sie das Recht zur Verwendung des Begriffs „crémant“ allein den französischen und luxemburgischen Erzeugern vorbehielt. Der Gerichtshof hob hervor, dass dies die Klägerin gegenüber allen anderen Wirtschaftsteilnehmern individualisierte (Urteil Codorniu/Rat, oben in Rn. 30 angeführt, EU:C:1994:197, Rn. 21 und 22). Im vorliegenden Fall handelt es sich indessen nicht um die Nutzung einer Marke, die naturgemäß individuell sein muss, sondern um ein angebliches Recht, von einer berufsständischen Einrichtung überwacht zu werden, die sich aus Mitgliedern zusammensetzt, die den Beruf des Wirtschaftsprüfers ausüben. Selbst wenn ein solches Recht als erwiesen unterstellt würde, individualisiert es den Kläger in keiner Weise gegenüber der unbestimmten und unbestimmbaren Vielzahl der diesen Beruf ausübenden Wirtschaftsteilnehmer, die die Abschlüsse bei Unternehmen von öffentlichem Interesse prüfen.

49      Angesichts dieser Erwägungen ist die Schlussfolgerung geboten, dass der Kläger weder von der angefochtenen Verordnung allgemein noch von ihrem Art. 21, den er in seiner Klageschrift beanstandet, individuell betroffen ist.

50      Da die Kriterien der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit kumulative Kriterien für die Zulässigkeit sind, wenn diese im Hinblick auf die zweite in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Variante geprüft wird, ist es folglich überflüssig, die unmittelbare Betroffenheit des Klägers von der angefochtenen Verordnung zu prüfen.

51      Nach alledem ist der Kläger nicht gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt.

 Zum Recht des Klägers auf einen wirksamen Rechtsbehelf

52      Der Kläger beruft sich auf Art. 19 EUV sowie Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte und leitet daraus ab, dass nach diesen Bestimmungen sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf die Zulässigkeit der vorliegenden Klage impliziere.

53      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die gerichtliche Kontrolle der Wahrung der Rechtsordnung der Europäischen Union, wie sich aus Art. 19 Abs. 1 EUV ergibt, durch den Gerichtshof und die Gerichte der Mitgliedstaaten gewährleistet wird (Urteil Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, oben in Rn. 19 angeführt, EU:C:2013:625, Rn. 90).

54      Nach der Rechtsprechung hat der AEU-Vertrag mit den Art. 263 AEUV und 277 AEUV einerseits und mit Art. 267 AEUV andererseits ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Unionshandlungen gewährleisten soll, mit der der Unionsrichter betraut wird (Urteile Unión de Pequeños Agricultores/Rat, oben in Rn. 31 angeführt, EU:C:2002:462, Rn. 40, und Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, oben in Rn. 19 angeführt, EU:C:2013:625, Rn. 92).

55      So sind natürliche oder juristische Personen, die Handlungen der Union mit allgemeiner Geltung wegen der in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegten Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht unmittelbar anfechten können, dagegen geschützt, dass solche Handlungen auf sie angewandt werden. Obliegt die Durchführung dieser Handlungen den Unionsorganen, können diese Personen unter den in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegten Voraussetzungen vor den Unionsgerichten Klage gegen die Durchführungsrechtsakte erheben und sich zur Begründung dieser Klage nach Art. 277 AEUV auf die Rechtswidrigkeit der betreffenden allgemeinen Handlung berufen. Obliegt diese Durchführung den Mitgliedstaaten, können die besagten Personen die Ungültigkeit der betreffenden Handlung der Union vor den nationalen Gerichten geltend machen und diese veranlassen, sich insoweit gemäß Art. 267 AEUV mit Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof zu wenden (Urteil Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, oben in Rn. 19 angeführt, EU:C:2013:625, Rn. 93).

56      Insoweit ist klarzustellen, dass den Betroffenen im Rahmen eines nationalen Verfahrens das Recht zusteht, die Rechtmäßigkeit nationaler Entscheidungen oder jeder anderen nationalen Handlung, mit der eine Handlung der Union mit allgemeiner Geltung auf sie angewandt wird, vor Gericht in Abrede zu stellen und sich dabei auf die Ungültigkeit der Unionshandlung zu berufen (Urteil Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, oben in Rn. 19 angeführt, EU:C:2013:625, Rn. 94).

57      Folglich ist das Vorabentscheidungsersuchen zur Beurteilung der Gültigkeit in gleicher Weise wie die Nichtigkeitsklage eine Form der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Unionshandlungen (Urteil Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, oben in Rn. 19 angeführt, EU:C:2013:625, Rn. 95).

58      Dagegen ist im Hinblick auf den durch Art. 47 der Charta der Grundrechte gewährten Schutz darauf hinzuweisen, dass dieser Artikel nicht darauf abzielt, das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem und insbesondere die Bestimmungen über die Zulässigkeit direkter Klagen bei den Unionsgerichten zu ändern (Urteil Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, oben in Rn. 19 angeführt, EU:C:2013:625, Rn. 97).

59      Somit kann der Kläger nicht mit Erfolg behaupten, dass die vorliegende Nichtigkeitsklage auf der Grundlage von Art. 47 der Charta der Grundrechte zulässig sein müsse, obwohl er keine Klagebefugnis aus Art. 263 Abs. 4 AEUV hat.

60      Das entsprechende Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

61      Nach alledem ist der vom Parlament und vom Rat erhobenen Einrede der Unzulässigkeit stattzugeben und sonach die Klage als unzulässig abzuweisen.

62      Daraus folgt auch, dass über den Antrag der Kommission auf Zulassung zur Streithilfe nicht entschieden zu werden braucht.

 Kosten

63      Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

64      Da der Kläger mit seiner Klage unterlegen ist, sind ihm gemäß den Anträgen des Parlaments und des Rates neben seinen eigenen Kosten deren Kosten aufzuerlegen.

65      Im Übrigen tragen nach Art. 144 Abs. 10 der Verfahrensordnung die Kommission und das Parlament ihre eigenen im Zusammenhang mit dem Antrag auf Zulassung zur Streithilfe entstandenen Kosten. Wie sich aus Rn. 7 oben ergibt, sind dem Kläger und dem Rat insoweit keine Kosten entstanden.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Über den Antrag der Europäischen Kommission auf Zulassung zur Streithilfe braucht nicht entschieden zu werden.

3.      Herr Carsten René Beul trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union.

4.      Die Kommission und das Parlament tragen ihre eigenen im Zusammenhang mit dem Antrag auf Zulassung zur Streithilfe entstandenen Kosten.

Luxemburg, den 23. November 2015

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      G. Berardis


* Verfahrenssprache: Deutsch.