Language of document : ECLI:EU:T:2024:302

URTEIL DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)

8. Mai 2024(*)

„Wirtschafts- und Währungsunion – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) – Beschluss des SRB über die Berechnung der für 2021 im Voraus erhobenen Beiträge – Begründungspflicht – Einrede der Rechtswidrigkeit – Zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils“

In der Rechtssache T‑393/21,

Max Heinr. Sutor OHG mit Sitz in Hamburg (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte A. Glos, M. Rätz, H.‑U. Klöppel und M. Meisgeier,

Klägerin,

gegen

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB), vertreten durch J. Kerlin, C. De Falco und T. Wittenberg als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte B. Meyring und T. Klupsch sowie der Rechtsanwältin S. Ianc,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov, der Richter G. De Baere, D. Petrlík (Berichterstatter) und K. Kecsmár sowie der Richterin S. Kingston,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2023

folgendes

Urteil(1)

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Max Heinr. Sutor OHG, die Nichtigerklärung des Beschlusses SRB/ES/2021/22 des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) vom 14. April 2021 über die Berechnung der für 2021 im Voraus erhobenen Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds (im Folgenden: angefochtener Beschluss), soweit er sie betrifft.

[nicht wiedergegeben]

III. Anträge der Parteien

25      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss sowie die angefochtene Mitteilung für nichtig zu erklären;

–        dem SRB die Kosten aufzuerlegen.

26      Der SRB beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen;

–        hilfsweise, im Fall der Nichtigerklärung die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses bis zu seiner Ersetzung oder zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem das Urteil rechtskräftig wird, aufrechtzuerhalten.

IV.    Rechtliche Würdigung

27      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in ihrer Klage vorsorglich auch die Nichtigerklärung der angefochtenen Mitteilung beantragt, soweit das Gericht dieser in Bezug auf den sechsten Klagegrund einen im Verhältnis zum angefochtenen Beschluss eigenständigen Regelungsgehalt beilege. In dieser Mitteilung erläutere der SRB seine Entscheidung, dem Antrag der Klägerin auf Änderung ihrer Daten betreffend die im Voraus erhobenen Beiträge für die Beitragszeiträume 2018 bis 2020 nicht stattzugeben.

28      Hierzu ist festzustellen, dass mit der von der Klägerin gewählten Formulierung des Antrags zwar die Nichtigerklärung der angefochtenen Mitteilung bezweckt wird, ihr Vorbringen sich in Wirklichkeit aber auf die Anfechtung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses beschränkt. Betreffend die angefochtene Mitteilung gibt es keine eigenständige und gezielte Argumentation. Daraus ist abzuleiten, dass sich der sechste Klagegrund und die Klage insgesamt in Wirklichkeit nur gegen den angefochtenen Beschluss richten.

29      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vierzehn Gründe:

–        erstens auf einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63;

–        zweitens auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 in Verbindung mit Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59;

–        drittens auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung;

–        viertens auf einen Verstoß gegen die unternehmerische Freiheit gemäß Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta);

–        fünftens auf einen Verstoß gegen ihre Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 in Verbindung mit Art. 54 AEUV;

–        sechstens auf einen Verstoß gegen Art. 17 Abs. 3 und 4 der Delegierten Verordnung 2015/63;

–        siebtens auf einen Verstoß gegen das in Art. 41 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta vorgesehene Recht auf Anhörung;

–        achtens auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Art. 41 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta sowie Art. 296 Abs. 2 AEUV;

–        neuntens auf einen Verstoß gegen den durch Art. 47 Abs. 1 der Charta gewährleisteten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes;

–        zehntens (hilfsweise) auf eine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 4 bis 7, Art. 9 und Anhang I der Delegierten Verordnung 2015/63 wegen eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV;

–        elftens (hilfsweise) auf eine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 4 bis 7, Art. 9 und Anhang I der Delegierten Verordnung 2015/63 wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta;

–        zwölftens (hilfsweise) auf eine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 14 Abs. 2 und Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung 2015/63 aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 sowie gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung;

–        dreizehntens (hilfsweise) auf eine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 14 Abs. 2 und Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung 2015/63 aufgrund eines Verstoßes gegen die in Art. 16 der Charta verankerte unternehmerische Freiheit;

–        vierzehntens (hilfsweise) auf eine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 14 Abs. 2 und Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung 2015/63 aufgrund eines Verstoßes gegen die durch Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV gewährleistete Niederlassungsfreiheit.

30      In ihrer Erwiderung führte die Klägerin aus, nicht weiter am zehnten und elften Klagegrund festzuhalten.

31      Zunächst sind die Klagegründe zu prüfen, mit denen die Klägerin die Rechtswidrigkeit von Art. 14 Abs. 2 und Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung 2015/63 geltend macht, gefolgt von den Klagegründen, die unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses betreffen.

A.      Zu den Einreden der Rechtswidrigkeit von Art. 3 Nr. 11, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e und Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63

32      Mit den Überschriften des zwölften, des dreizehnten und des vierzehnten Klagegrundes erhebt die Klägerin Einreden der Rechtswidrigkeit gegen Art. 14 Abs. 2 und Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung 2015/63. Aus der Klagebegründung ergibt sich jedoch, dass sie im Wesentlichen auch die Rechtmäßigkeit von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e dieser Delegierten Verordnung in Abrede stellt.

33      Konkret führt die Klägerin zu ihrem zwölften Klagegrund aus, dass Art. 3 Nr. 11, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e und Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 gegen Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 sowie gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstießen. Mit dem dreizehnten Klagegrund wird außerdem ein Verstoß dieser Bestimmungen der Delegierten Verordnung 2015/63 gegen die in Art. 16 der Charta verankerte unternehmerische Freiheit geltend gemacht. Den vierzehnten Klagegrund stützt die Klägerin darauf, dass diese Bestimmungen gegen die durch Art. 49 und Art. 54 AEUV geschützte Niederlassungsfreiheit verstießen.

34      Die Klägerin erhebt diese Einreden der Rechtswidrigkeit für den Fall, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 dahin auszulegen ist, dass Treuhandverbindlichkeiten nicht von der Berechnung der Verbindlichkeiten ausgeschlossen werden dürfen, die zur Bestimmung der im Voraus erhobenen Beiträge herangezogen werden.

35      Folglich ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 dahin auszulegen ist, dass ein solcher Ausschluss unzulässig ist. Sollte dies der Fall sein, wäre in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob Art. 14 Abs. 2 und Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung 2015/63 mit Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59, dem Grundsatz der Gleichbehandlung, Art. 16 der Charta und den Art. 49 und 54 AEUV vereinbar sind.

1.      Tragweite von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63

36      Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 werden im Voraus erhobene Beiträge unter Ausschluss folgender Verbindlichkeiten berechnet: „im Falle von Wertpapierfirmen Verbindlichkeiten aus der Verwaltung von Kundenvermögen oder Kundengeldern, … sofern der betreffende Kunde nach dem geltenden Insolvenzrecht geschützt ist“.

37      Die Klägerin macht geltend, dass diese Bestimmung dahin auszulegen sei, dass bei der Bestimmung ihres im Voraus erhobenen Beitrags ihre Treuhandverbindlichkeiten von der Berechnung ihrer Verbindlichkeiten ausgeschlossen werden dürften, da die Treuhandverbindlichkeiten den in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen entsprächen.

38      Der SRB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

39      Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass Art. 5 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/63 dem SRB kein Ermessen hinsichtlich des Ausschlusses bestimmter Verbindlichkeiten im Wege der Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge entsprechend dem Risikoprofil der Institute einräumt, sondern klar aufführt, unter welchen Voraussetzungen Verbindlichkeiten ausgeschlossen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2019, Iccrea Banca, C‑414/18, EU:C:2019:1036, Rn. 93). Nach derselben Rechtsprechung führt die Berücksichtigung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit zu keinem anderen Ergebnis. Die Delegierte Verordnung 2015/63 regelt nämlich verschiedene Fälle, die erhebliche, unmittelbar mit den Risiken der betreffenden Verbindlichkeiten zusammenhängende Besonderheiten aufweisen (Urteil vom 3. Dezember 2019, Iccrea Banca, C‑414/18, EU:C:2019:1036, Rn. 95).

40      Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass Bestimmungen, die eine Ausnahme begründen, eng auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 39 und 40). Da Art. 5 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/63 eine Ausnahme von der allgemeinen Regel gemäß Art. 103 Abs. 2 der Richtlinie 2014/59 begründet, indem er den Ausschluss bestimmter Verbindlichkeiten von der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zulässt, ist er also eng auszulegen.

41      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 drei Voraussetzungen vorsieht, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit die betreffenden Verbindlichkeiten von der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge ausgeschlossen werden können. Erstens muss es sich um Verbindlichkeiten einer Wertpapierfirma handeln, zweitens müssen Sie aus der Verwaltung von Kundenvermögen oder Kundengeldern stammen und drittens müssen diese Kunden nach dem geltenden Insolvenzrecht geschützt sein.

42      Zur ersten Voraussetzung bringt die Klägerin vor, dass sie als Wertpapierfirma im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 zu betrachten sei.

43      Der Begriff „Wertpapierfirmen“ wird in Art. 3 Nr. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 als „Wertpapierfirmen im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 3 der Richtlinie 2014/59/EU …“ definiert.

44      Die Parteien sind sich einig, dass Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2014/59 den Begriff „Wertpapierfirma“ zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses als „eine Wertpapierfirma im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 …“ definiert hat, wobei in dieser Verordnung der Begriff „Wertpapierfirma“ wiederum „eine Person im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Richtlinie 2004/39/EG, die den Vorschriften jener Richtlinie unterliegt, mit Ausnahme von a) Kreditinstituten …“ bezeichnet.

45      Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich, dass die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung vorgesehene Ausnahme zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht auf Einheiten anwendbar war, die – wie die Klägerin – sowohl Kreditinstitute als auch Wertpapierfirmen waren. Es wird nicht bestritten, dass es sich bei der Klägerin um ein Kreditinstitut handelt, das als Institut im Sinne von Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 der Verordnung Nr. 806/2014 sowie Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2014/59 über eine Bankzulassung verfügt.

46      Diese Schlussfolgerung wird vom Vorbringen der Klägerin, wonach sie über eine Erlaubnis zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten gemäß Anhang I Abschnitt A Nrn. 1 bis 7 der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. 2014, L 173, S. 349) verfüge, nicht in Frage gestellt.

47      Wie vom SRB geltend gemacht, hätte die Kommission, wenn sie mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 sowohl Kreditinstitute als auch Wertpapierfirmen oder sogar Kreditinstitute, die gleichzeitig Wertpapierfirmen sind, hätte erfassen wollen, in dieser Bestimmung nämlich den Begriff „Institute“ und nicht den Begriff „Wertpapierfirmen“ verwendet. So ist sie im Übrigen in den Buchst. a, b und f dieser Bestimmung vorgegangen, die den Begriff „Institut“ enthalten. Um die Anwendung einer Ausnahme nach Art. 5 Abs. 1 dieser Delegierten Verordnung auf bestimmte Einheiten zu beschränken, hat sich die Kommission hingegen präziser ausgedrückt und in den Buchst. c, d und e dieser Bestimmung Begriffe wie „zentral[e] Gegenpartei“, „Zentralverwahre[r]“ und „Wertpapierfirmen“ verwendet.

48      Was schließlich das Argument der Klägerin betrifft, wonach der in Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2014/59 vorgenommene Verweis auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1) einen Verweisfehler darstelle, den der SRB hätte korrigieren müssen, legt sie hierzu keine konkreten Beweise vor.

49      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Definition der „Wertpapierfirma“ in der aktuellen Fassung von Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2014/59 durch Art. 63 Nr. 1 der Richtlinie (EU) 2019/2034 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2002/87/EG, 2009/65/EG, 2011/61/EU, 2013/36/EU, 2014/59/EU und 2014/65/EU (ABl. 2019, L 314, S. 64) geändert wurde. Sie verweist nun auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 der Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, (EU) Nr. 575/2013, (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 806/2014 (ABl. 2019, L 314, S. 1), der hinsichtlich des Begriffs „Wertpapierfirma“ wiederum auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2014/65 verweist, nach dem dieser Begriff für jede juristische Person gilt, die Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt, ohne Kreditinstitute von dieser Definition auszuschließen.

50      Die Parteien sind sich jedoch einig, dass diese Änderung der Definition des Begriffs „Wertpapierfirma“ in Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2014/59 gemäß Art. 67 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2019/2034 in Verbindung mit dem 39. Erwägungsgrund dieser Richtlinie erst ab dem 26. Juni 2021 anzuwenden war.

51      Nach alledem ist Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 in der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses (14. April 2021) anwendbaren Fassung dahin auszulegen, dass Verbindlichkeiten von Kreditinstituten wie der Klägerin nicht von der Berechnung der Verbindlichkeiten ausgeschlossen werden dürfen, die der Bestimmung ihrer im Voraus erhobenen Beiträge zugrunde liegen.

52      Vor diesem Hintergrund liegt die erste Voraussetzung des Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 im Hinblick auf die Treuhandverbindlichkeiten der Klägerin nicht vor.

53      Da die drei Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 kumulativ erfüllt sein müssen, ist das Vorbringen der Klägerin insgesamt zurückzuweisen, ohne dass zu prüfen ist, ob die anderen beiden Voraussetzungen gegeben sind.

54      Folglich sind die von der Klägerin im Rahmen des zwölften, des dreizehnten und des vierzehnten Klagegrundes erhobenen Einreden der Rechtswidrigkeit zu prüfen.

2.      Zwölfter Klagegrund: Rechtswidrigkeit von Art. 3 Nr. 11, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e und Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 wegen Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 und den Grundsatz der Gleichbehandlung

55      Dieser Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. Mit dem ersten Teil wird die Rechtswidrigkeit von Art. 3 Nr. 11, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e und Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 geltend gemacht, mit dem zweiten Teil ein Verstoß dieser Bestimmungen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

56      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 die Institute verpflichtet, dem SRB zumindest die in Anhang II dieser Delegierten Verordnung aufgelisteten Informationen zur Verfügung zu stellen, wobei die Institute nach dem zweiten Gedankenstrich dieses Anhangs verpflichtet sind, dem SRB Daten zur „Summe der Verbindlichkeiten“ vorzulegen, die in Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung als Summe der Passiva im Sinne von Abschnitt 3 der Richtlinie 86/635/EWG des Rates vom 8. Dezember 1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (ABl. 1986, L 372, S. 1) bzw. im Sinne der internationalen Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (ABl. 2002, L 243, S. 1) definiert ist.

a)      Erster Teil: Verstoß gegen Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59

57      Aus den Rn. 39 bis 53 dieses Urteils ergibt sich, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 keinen Ausschluss der Treuhandverbindlichkeiten von der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge vorsieht und diese Verbindlichkeiten somit in die Berechnung miteinbezieht. Auch Art. 3 Nr. 11 und Art. 14 Abs. 2 dieser Delegierten Verordnung sehen keinen solchen Ausschluss vor.

58      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die genannten Bestimmungen der Delegierten Verordnung 2015/63 gegen Art. 103 Abs. 7 Buchst. a der Richtlinie 2014/59 verstießen, da sie bei der Bestimmung des Risikoprofils dieser Institute die Risikolosigkeit der Treuhandverbindlichkeiten außer Betracht ließen.

59      Der SRB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

60      Gemäß Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 wird der Kommission die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zu erlassen, in denen das Konzept der „Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge entsprechend dem Risikoprofil von Instituten“ festgelegt wird.

61      Im Kontext einer übertragenen Befugnis im Sinne von Art. 290 AEUV verfügt die Kommission im Rahmen der Ausübung der ihr übertragenen Befugnisse jedoch über ein weites Ermessen, insbesondere dann, wenn sie komplexe Beurteilungen und Prüfungen vornehmen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2017, Dyson/Kommission, C‑44/16 P, EU:C:2017:357, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Dies ist bei der Festlegung der Kriterien für die Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge an das Risikoprofil nach Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 der Fall.

63      Insoweit ist daran zu erinnern, dass die besondere Natur dieser Beiträge – wie sich aus den Erwägungsgründen 105 bis 107 der Richtlinie 2014/59 und dem 41. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 ergibt – darin besteht, in einer auf dem Versicherungsgedanken basierenden Logik sicherzustellen, dass der Finanzsektor dem SRM ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stellt, damit er seine Aufgaben erfüllen kann, und dabei für die betroffenen Institute Anreize zu schaffen, weniger riskant zu operieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Landesbank Baden-Württemberg und SRB, C‑584/20 P und C‑621/20 P, EU:C:2021:601, Rn. 113).

64      In diesem Zusammenhang hat der Unionsgesetzgeber, wie sich aus dem 114. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/59 ergibt, die Kommission beauftragt, in einem delegierten Rechtsakt zu bestimmen, in welcher Weise die Beiträge von Instituten zu Abwicklungsfinanzierungsregelungen im Verhältnis zu ihrem Risikoprofil angepasst werden sollten.

65      Desgleichen stellt der 107. Erwägungsgrund dieser Richtlinie klar, dass die im Voraus erhobenen Beiträge zu den nationalen Finanzierungsmechanismen, um ihre faire Berechnung sicherzustellen und Anreize zu schaffen, weniger riskant zu operieren, dem Ausmaß des Kredit‑, Liquiditäts- und Marktrisikos Rechnung tragen sollten, das die Institute eingehen.

66      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission Regeln für die Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge an das Risikoprofil der Institute aufstellen musste, indem sie zwei miteinander verbundene Ziele verfolgte, nämlich zum einen sicherzustellen, dass die verschiedenen Risiken, die die Bank- und – allgemeiner – Finanztätigkeiten der Institute mit sich bringen, berücksichtigt werden, und zum anderen, Anreize zu schaffen, damit diese Institute weniger riskant operieren.

67      Wie aus den Dokumenten im Zusammenhang mit dem Erlass der Delegierten Verordnung 2015/63 hervorgeht, insbesondere aus den Dokumenten „JRC technical work supporting Commission second level legislation on risk based contributions to the (single) resolution fund“ (Technische Studie des JRC [Joint Research Centre; Gemeinsame Forschungsstelle der Kommission] zur Unterstützung abgeleiteter Rechtsakte der Kommission über risikobasierte Beiträge zum [einheitlichen] Abwicklungsfonds) und „Commission Staff Working Document: estimates of the application of the proposed methodology for the calculation of contributions to resolution financing arrangements“ (Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen: Schätzungen der Anwendung der vorgeschlagenen Methodik für die Berechnung der Beiträge zu den Abwicklungsfinanzierungsmechanismen), implizierte die Ausarbeitung solcher Regeln komplexe Beurteilungen und Bewertungen seitens der Kommission, da sie die verschiedenen Gesichtspunkte prüfen musste, anhand deren die verschiedenen Arten von Risiken im Banken- und Finanzsektor erfasst werden.

68      Nach alledem verfügte die Kommission für den Erlass von Regeln zur Festlegung des Konzepts der „Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge entsprechend dem Risikoprofil von Instituten“ gemäß Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 über ein weites Ermessen.

69      Unter diesen Umständen muss sich die Kontrolle durch das Unionsgericht hinsichtlich der Methode zur Anpassung der jährlichen Grundbeiträge nach Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 auf die Prüfung beschränken, ob die Ausübung des der Kommission eingeräumten Ermessens offensichtlich fehlerhaft ist, einen Ermessensmissbrauch darstellt oder die Kommission die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2011, Etimine, C‑15/10, EU:C:2011:504, Rn. 60).

70      Vor diesem Hintergrund ist es Sache der Klägerin, darzutun, dass die oben in Rn. 57 genannten Bestimmungen mit einem offensichtlichen Ermessensfehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet sind oder dass sie offensichtlich über die Grenzen des der Kommission durch Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 eingeräumten Ermessens hinausgehen, da sie keinen Ausschluss der Treuhandverbindlichkeiten von der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags vorsehen.

71      Hierzu macht die Klägerin geltend, dass die Kommission gegen Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 verstoßen habe, da die Treuhandverbindlichkeiten risikolos seien, was für die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge aus zwei Gründen maßgeblich sei. Erstens seien die treuhänderisch gehaltenen Kundengelder im Fall ihrer Insolvenz nach deutschem Insolvenzrecht geschützt. Zweitens seien Kundengelder, soweit die Klägerin diese an Produktbanken zu überweisen habe, im Fall einer Insolvenz eines solchen Instituts auch durch das Einlagensicherungssystem im Sinne der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 2014, L 173, S. 149) geschützt.

72      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 acht Punkte vorsieht, die die Kommission bei der Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge entsprechend dem Risikoprofil der Institute zu berücksichtigen hat. Die „Risikoexponiertheit des Instituts“ zählt zwar zu diesen Punkten, so dass die Kommission ihr beim Erlass eines Delegierten Rechtsakts wie der Delegierten Verordnung 2015/63 Rechnung zu tragen hat; es handelt sich dabei jedoch nur um eines unter den acht Kriterien, die von der Kommission bei der Erarbeitung eines solchen Rechtsakts zu berücksichtigen sind.

73      In Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 deutet auch nichts darauf hin, dass die Kommission einem oder mehreren der oben in Rn. 72 genannten Punkte – etwa der Risikoexponiertheit des Instituts – besondere Beachtung schenken muss. Im Übrigen wird in dieser Bestimmung nicht festgelegt, auf welche Art die Kommission diese Exponiertheit zu berücksichtigen hat.

74      Schließlich hat die Klägerin jedenfalls nicht nachgewiesen, dass Treuhandverbindlichkeiten bei einer Auflösung vollkommen risikolos sind.

75      Was zunächst nämlich das Argument der Klägerin betrifft, dass Treuhandverbindlichkeiten bei einer Auflösung kein Risiko darstellten, da treuhänderisch gehaltene Kundengelder nach deutschem Recht bei einer Insolvenz geschützt seien, ist festzustellen, dass sich die Klägerin nicht gegen das Vorbringen des SRB gewandt hat, wonach Kundengeldern nach deutschem Recht kein besonderer Schutz zukomme, solange sie auf dem Transitkonto lägen.

76      Der SRB hat hierzu erläutert, dass die Verwahrung dieser Gelder auf einem solchen Transitkonto das mit Treuhandverbindlichkeiten verbundene Risiko erhöhe, da diese Gelder nicht unverzüglich von den anderen Geldern der Klägerin getrennt und dadurch nach deutschem Recht im Fall der Insolvenz nicht geschützt seien. Die Klägerin hat dem nicht widersprochen.

77      Zu diesem Punkt ergibt sich außerdem aus der Klageschrift, dass – was die Klägerin betrifft – diese Gelder jeweils zum 15. oder zum 30. des Monats auf Sammeltreuhandkonten bei den Produktbanken überwiesen werden, wodurch die Gelder bis zu 15 Tage auf dem Transitkonto verbleiben, wo sie im Fall der Insolvenz nach deutschem Recht nicht geschützt sind; dies hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

78      Sie macht außerdem zu Unrecht geltend, dass die Treuhandverbindlichkeiten ab dem Zeitpunkt, zu dem die Kundengelder vom Transitkonto an die Produktbanken überwiesen würden, risikolos seien, da diese Gelder im Fall der Insolvenz eines solchen Instituts durch das Einlagensicherungssystem geschützt seien.

79      In diesem Zusammenhang hat sich die Klägerin nicht gegen das Vorbringen des SRB gewandt, dass der Schutz der Kundengelder durch das Einlagensicherungssystem voraussetze, dass die betreffenden Produktbanken ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hätten und die Einlagen der Kunden bei diesen Instituten 100 000 Euro nicht überstiegen, so dass dieser Schutz sowohl räumlich als auch der Höhe nach beschränkt sei.

80      Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, dass Art. 3 Nr. 11, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e und Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 nicht mit Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 vereinbar sind.

b)      Zweiter Teil: Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz

81      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass der Umstand, dass Treuhandverbindlichkeiten nicht von der Berechnung des im Voraus erhobenen Beitrags nach Art. 3 Nr. 11, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e und Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 ausgeschlossen würden, nicht mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sei, da Kreditinstitute wie die Klägerin mit Wertpapierfirmen gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 vergleichbar seien, aber anders behandelt würden.

82      Der SRB tritt diesem Vorbringen entgegen.

83      Es ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 3. Februar 2021, Fussl Modestraße Mayr, C‑555/19, EU:C:2021:89, Rn. 95).

84      Da die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend gemacht hat, obliegt es ihr, die vergleichbaren Sachverhalte, die ihrer Ansicht nach unterschiedlich behandelt worden sind, oder die unterschiedlichen Sachverhalte, die ihrer Ansicht nach gleichbehandelt worden sind, genau zu bestimmen (Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [Frankreich] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 311).

85      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Vergleichbarkeit solcher Sachverhalte anhand aller Merkmale zu beurteilen, die sie kennzeichnen. Diese Merkmale sind u. a. im Licht des Gegenstands und des Ziels der Handlung, mit der die fragliche Unterscheidung eingeführt wird, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den die Handlung fällt (Urteil vom 3. Februar 2021, Fussl Modestraße Mayr, C‑555/19, EU:C:2021:89, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      Zum Gegenstand und Ziel der Richtlinie 2014/59, der Verordnung Nr. 806/2014 und der Delegierten Verordnung 2015/63 ist darauf hinzuweisen, dass diese Rechtsakte in den Bereich des SRM fallen, dessen Einrichtung nach dem zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 einen neutralen Ansatz beim Umgang mit ausfallenden Instituten sicherstellen, die Stabilität der Institute in den am SRM teilnehmenden Mitgliedstaaten stärken und das Übergreifen möglicher Krisen auf Mitgliedstaaten, die an diesem Mechanismus nicht teilnehmen, verhindern soll, um das Funktionieren des Binnenmarkts insgesamt zu fördern.

87      Was insbesondere die Bestimmungen der Richtlinie 2014/59, der Verordnung Nr. 806/2014 und der Delegierten Verordnung 2015/63, mit denen die im Voraus erhobenen Beiträge eingeführt werden, angeht, ergibt sich aus Rn. 63 dieses Urteils, dass sie dazu dienen, in einer auf dem Versicherungsgedanken basierenden Logik sicherzustellen, dass der Finanzsektor dem SRM ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stellt, damit er seine Aufgaben erfüllen kann. Zudem sollen für die Institute Anreize geschaffen werden, weniger riskant zu operieren.

88      Im Hinblick auf diese Grundsätze und Ziele ist als Erstes zu prüfen, ob Kreditinstitute, die wie die Klägerin auch zur Ausübung von Anlagetätigkeiten zugelassen sind, im Hinblick auf die Berücksichtigung der Treuhandverbindlichkeiten bei der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge mit Wertpapierfirmen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 (im Folgenden: Wertpapierfirmen) vergleichbar sind.

89      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass mit den im Voraus erhobenen Beiträgen Abwicklungsmaßnahmen finanziert werden sollen, die nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. c und Art. 18 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 nur ergriffen werden dürfen, wenn eine solche Maßnahme im öffentlichen Interesse erforderlich ist. Die betreffende Maßnahme muss es mit anderen Worten ermöglichen, das – in Art. 14 Abs. 2 Buchst. b dieser Verordnung genannte – Ziel zu erreichen, erhebliche negative Auswirkungen zu vermeiden, die die Liquidation eines Instituts auf die Finanzstabilität hätte, vor allem durch die Verhinderung einer Ansteckung, beispielsweise von Marktinfrastrukturen, und durch die Erhaltung der Marktdisziplin.

90      Wie im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/2034 ausgeführt, ist das Risiko von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen im Hinblick auf eine Gefährdung der Finanzstabilität aufgrund ihres Ausfalls jedoch nicht vergleichbar, da Wertpapierfirmen im Gegensatz zu Kreditinstituten keine großen Portfolios an Privatkunden- und Unternehmenskrediten haben und keine Einlagen entgegennehmen. Große Portfolios an Einlagen sowie an Privatkunden- und Unternehmenskrediten bedeuten ein Risiko für die Finanzstabilität, wenn die Schuldner (Privatkunden oder Unternehmen) diese Kredite den betreffenden Kreditinstituten im großen Stil nicht zurückzahlen oder wenn ein bedeutender Teil der Einlagen abgezogen wird.

91      Dies gilt umso mehr, da Kreditinstitute und Wertpapierfirmen unterschiedliche Kunden haben. Die Klientel von Wertpapierfirmen besteht nämlich, wie vom SRB geltend gemacht und von der Klägerin nicht beanstandet, aus Personen, die bestimmte spezifische Dienstleistungen im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten in Anspruch nehmen. Dies wird durch die Definition des Begriffs „Kunde“ solcher Unternehmen in Art. 4 Abs. 1 Nr. 9 der Richtlinie 2014/65 bestätigt. Aus Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 ergibt sich hingegen, dass Kreditinstitute, darunter auch jene, die auch zur Ausübung von Anlagetätigkeiten zugelassen sind, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegennehmen und Kredite für eigene Rechnung gewähren, so dass sie ihre Dienstleistungen einem größeren Personenkreis anbieten.

92      Vor diesem Hintergrund ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kreditinstitut gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. c und Art. 18 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2004 abgewickelt wird, höher als die, dass eine Wertpapierfirma abgewickelt wird, so dass diese beiden Arten von Instituten insoweit nicht vergleichbar sind.

93      Auch was die Behandlung der Treuhandverbindlichkeiten betrifft, sind diese Institute nicht vergleichbar.

94      Die Klägerin hat diesbezüglich nicht ernsthaft bestritten, dass gemäß § 84 Abs. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes vom 9. September 1998 (BGBl. 1998 I S. 2708) Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die über keine Erlaubnis für das Einlagengeschäft verfügen, Kundengelder unverzüglich getrennt auf Treuhandkonten bei Kreditinstituten zu verwahren haben. Ein Kreditinstitut wie die Klägerin ist hingegen nicht verpflichtet, im Rahmen der Ausübung von Anlagetätigkeiten so vorzugehen, da es – wie es den Erwägungen in den Rn. 76 und 77 dieses Urteils zu entnehmen ist – diese Gelder nicht unverzüglich vom Transitkonto zu Produktbanken zu überweisen hat.

95      Somit hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass das Risiko, dem Treuhandverbindlichkeiten von Wertpapierfirmen ausgesetzt sind, mit jenem von Treuhandverbindlichkeiten von Kreditinstituten vergleichbar ist, die – wie die Klägerin – auch zur Ausübung von Anlagetätigkeiten zugelassen sind. Die Klägerin kann folglich nicht geltend machen, dass die Situation von Kreditinstituten, die auch zur Ausübung von Anlagetätigkeiten zugelassen sind, wie es bei ihr der Fall ist, mit jener von Wertpapierfirmen vergleichbar ist und dass diese beiden Arten von Instituten somit hinsichtlich des Ausschlusses von Treuhandverbindlichkeiten von der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge gleichzubehandeln sind.

96      Als Zweites macht die Klägerin geltend, dass Art. 3 Nr. 11 und Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 zu einer Ungleichbehandlung von Instituten mit Sitz in Deutschland und jenen mit Sitz in Mitgliedstaaten führten, die von der in Art. 10 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 86/635 vorgesehenen Ausnahme Gebrauch gemacht hätten.

97      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der SRB wie oben in Rn. 17 dargelegt gemäß Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 103 Abs. 2 der Richtlinie 2014/59 für jedes Institut einen jährlichen Grundbeitrag errechnet. Dieser Beitrag ergibt sich anteilig aus dem Betrag der Verbindlichkeiten – ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen – des betreffenden Instituts im Verhältnis zur Gesamthöhe der Verbindlichkeiten – ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen – aller im Hoheitsgebiet der am SRM teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute (für den auf der Grundlage der Bankenunion berechneten Teil dieses Beitrags) bzw. aller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem das in Rede stehende Institut seinen Sitz hat, zugelassenen Institute (für den auf der nationalen Grundlage berechneten Teil dieses Beitrags).

98      Zur Bestimmung der Verbindlichkeiten, die bei dieser Berechnung zu berücksichtigen sind, ist auf Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung 2015/63 zu verweisen, der die „Summe der Verbindlichkeiten“ als „die Summe der Passiva im Sinne von Abschnitt 3 der Richtlinie 86/635… oder im Sinne der [i]nternationalen Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung … Nr. 1606/2002 …“ definiert.

99      Im Übrigen muss nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 86/635, der zu Abschnitt 3 dieser Richtlinie gehört, Treuhandvermögen, das ein Institut im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung hält, in der Regel bilanziert werden, wenn das Institut Rechtsinhaber des Vermögens wird.

100    Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 86/635 können Mitgliedstaaten jedoch zulassen, dass das Treuhandvermögen von den betreffenden Instituten unter dem Strich ausgewiesen wird, sofern eine besondere Regelung es ermöglicht, sie im Fall einer gerichtlich angeordneten Liquidation des Kreditinstituts aus der Masse auszusondern.

101    Hierzu haben die Parteien bestätigt, dass gemäß den Bestimmungen, die von der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung von Art. 10 der Richtlinie 86/635 erlassen wurden, Treuhandverbindlichkeiten eines zur Ausübung von Anlagetätigkeiten zugelassenen Kreditinstituts mit Sitz in Deutschland – wie der Klägerin – in dessen Bilanz auszuweisen seien.

102    Sie haben außerdem ausgeführt, dass bestimmte Mitgliedstaaten von der Möglichkeit nach Art. 10 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 86/635 Gebrauch gemacht hätten, Instituten mit Sitz in den jeweiligen Staaten zu erlauben, in ihrem Namen, aber für fremde Rechnung gehaltenes Treuhandvermögen unter dem Strich auszuweisen.

103    Aus Sicht der Klägerin folgt daraus, dass ein Institut mit Sitz in einem Mitgliedstaat, der die in Art. 10 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 86/635 vorgesehene Möglichkeit genutzt habe, mit Treuhandtätigkeiten zusammenhängende Verbindlichkeiten unter dem Strich ausweisen könne, so dass diese Verbindlichkeiten bei der Berechnung seines jährlichen Grundbeitrags nicht berücksichtigt würden. Die Treuhandverbindlichkeiten von Instituten mit Sitz in den Mitgliedstaaten, die – wie z. B. Deutschland – keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht hätten, Treuhandvermögen und ‑verbindlichkeiten unter dem Strich auszuweisen, würden bei dieser Berechnung hingegen berücksichtigt.

104    Die oben in Rn. 103 beschriebene Folge ergibt sich aus der gemeinsamen Anwendung von Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 103 Abs. 2 der Richtlinie 2014/59 im Licht von Abschnitt 3 der Richtlinie 86/635 (insbesondere von Art. 10 Abs. 1 Satz 3), in dem der Begriff „Passiva“ der Institute definiert und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt wird, bezüglich der Einbeziehung der Treuhandverbindlichkeiten in die Bilanz der Institute andere Regeln vorzusehen.

105    Die Klägerin hat die Gültigkeit dieser Bestimmungen im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung jedoch nicht beanstandet.

106    Sollte das Vorbringen der Klägerin außerdem dahin zu verstehen sein, dass sie in Wirklichkeit vorbringt, dass Art. 3 Nr. 11 und Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 gegen das Prinzip der Gleichbehandlung verstießen, da diese Bestimmungen die unterschiedlichen Rechnungslegungsvorschriften der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einbeziehung von Treuhandverbindlichkeiten in die Bilanz der Institute nicht berücksichtigten, so ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung die Kommission nicht ermächtigt, beim Erlass von Delegierten Rechtsakten gemäß Art. 290 AEUV die ihr mittels dieser Bestimmung vom Unionsgesetzgeber übertragene Befugnis zu überschreiten. Es ist also nicht Sache der Kommission, die unterschiedliche nationale Umsetzung des Unionsrechts zu beheben, außer sie wird durch einen entsprechenden Rechtsakt dazu ermächtigt.

107    Im vorliegenden Fall wurde die Kommission weder durch die Richtlinie 2014/59 noch durch die Verordnung Nr. 806/2014 ermächtigt, die nationalen Rechnungslegungsvorschriften im Hinblick auf die Einbeziehung von Treuhandverbindlichkeiten in die Bilanzen der Institute zu harmonisieren.

108    Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen zu haben, da sie den Unterschieden zwischen den nationalen Rechnungslegungsvorschriften hinsichtlich der Einbeziehung dieser Verbindlichkeiten in die Bilanz nicht Rechnung getragen habe.

109    Selbst unter der Annahme, dass die Kommission in Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung 2015/63 eine andere Definition von Verbindlichkeiten hätte heranziehen können als jene aus Abschnitt 3 der Richtlinie 86/635, ergibt sich daraus jedenfalls nicht, dass Art. 3 Nr. 11 dieser Delegierten Verordnung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt.

110    Aus der Rechtsprechung folgt nämlich, dass das Diskriminierungsverbot etwaige Ungleichbehandlungen, die sich von einem Mitgliedstaat zum anderen aus den Abweichungen zwischen den Rechtsvorschriften der verschiedenen Mitgliedstaaten ergeben können, nicht erfasst, wenn diese Rechtsvorschriften alle Personen, die in ihren Anwendungsbereich fallen, gleichermaßen betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2009, Horvath, C‑428/07, EU:C:2009:458, Rn. 55, und vom 19. September 2013, Panellinios Syndesmos Viomichanion Metapoiisis Kapnou, C‑373/11, EU:C:2013:567, Rn. 35).

111    Zwar wurde dieser Grundsatz im Rahmen der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften entwickelt, um die Vereinbarkeit einer nationalen Rechtsvorschrift im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot zu beurteilen, doch kann für die Beurteilung der Gültigkeit einer unionsrechtlichen Vorschrift, die den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum gewährt, aufgrund dessen sie diese unterschiedlichen Rechtsvorschriften erlassen, nichts anderes gelten (Urteil vom 19. September 2013, Panellinios Syndesmos Viomichanion Metapoiisis Kapnou, C‑373/11, EU:C:2013:567, Rn. 36).

112    Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht vorgebracht und schon gar nicht nachgewiesen, dass die betreffenden deutschen Rechtsvorschriften nicht alle Personen, die in ihren Anwendungsbereich fallen, gleichermaßen betreffen.

113    Außerdem kann der Erlass von unionsrechtlichen Vorschriften in einem bestimmten Bereich aufgrund der persönlichen Situation oder auch der geltenden nationalen Vorschriften auf bestimmte Wirtschaftsteilnehmer unterschiedliche Auswirkungen haben, wobei dies nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung anzusehen ist, wenn diese Vorschriften auf objektiven, den damit verfolgten Zielen angepassten Kriterien beruhen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 19. September 2013, Panellinios Syndesmos Viomichanion Metapoiisis Kapnou, C‑373/11, EU:C:2013:567, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

114    In diesem Zusammenhang hat die Klägerin dem Gericht nichts vorgelegt, was darauf hindeuten würde, dass Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung 2015/63 in Bezug auf den Verweis auf Abschnitt 3 der Richtlinie 86/635 nicht auf objektiven, den mit der Delegierten Verordnung 2015/63 verfolgten Zielen angepassten Kriterien beruht.

115    Das Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

116    Als Drittes bringt die Klägerin vor, dass sie im Vergleich zu Kreditinstituten, die ihre Bilanz nach den internationalen Rechnungslegungsstandards erstellten, ungleich behandelt werde; sie dürfe ihre Bilanz nämlich nicht nach diesen Standards erstellen, da sich nach den geltenden deutschen Rechtsvorschriften nur Mutterunternehmen dazu entschließen könnten, ihre Bilanz ausschließlich nach diesen Standards zu erstellen.

117    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich diese angebliche Ungleichbehandlung zum einen aus der Anwendung einer Regelung ergibt, die auf das maßgebliche deutsche Recht zurückzuführen ist und nicht auf Art. 3 Nr. 11, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e oder Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63, deren Gültigkeit die Klägerin in Abrede stellt.

118    Zum anderen hätte die Klägerin jedenfalls, wie sie selbst einräumt, auf der Grundlage der internationalen Rechnungslegungsstandards einen Jahresabschluss erstellen können, was sie jedoch aus administrativen und finanziellen Gründen nicht getan hat. Sie kann sich daher nicht darauf berufen, aus diesem Grund eine Ungleichbehandlung erfahren zu haben.

119    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Klägerin nicht dargetan hat, dass Art. 3 Nr. 11, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e oder Art. 14 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

120    Folglich ist der zwölfte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

B.      Zu den die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses betreffenden Klagegründen

1.      Erster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63

144    Die Klägerin macht geltend, dass der SRB durch die Weigerung, ihre Treuhandverbindlichkeiten von der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge auszuschließen, gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 verstoßen habe. Ihr Vorbringen zu diesem Klagegrund ist in zwei Teile gegliedert.

a)      Erster Teil: Keine Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin alle in Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt

145    Die Klägerin macht geltend, dass der angefochtene Beschluss gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 verstoße, da ein Ausschluss ihrer Treuhandverbindlichkeiten von der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge verweigert worden sei.

146    Der SRB tritt diesem Vorbringen entgegen.

147    Wie aus den Rn. 39 bis 52 dieses Urteils hervorgeht, ist Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 dahin auszulegen, dass die Treuhandverbindlichkeiten der Klägerin nicht von der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags ausgeschlossen werden dürfen.

148    Vor diesem Hintergrund hat der SRB keinen Rechtsfehler begangen, als er diese Verbindlichkeiten nicht von der Berechnung des im Voraus erhobenen Beitrags der Klägerin ausgeschlossen hat.

149    Demnach ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

b)      Zweiter Teil: Analoge Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63

150    Die Klägerin macht geltend, dass für den Fall, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 dahin auszulegen sei, dass er es nicht erlaube, ihre Treuhandverbindlichkeiten von der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags auszuschließen, das Ziel dieser Delegierten Verordnung sowie der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf ihren Fall verlangten.

151    Der SRB tritt diesem Vorbringen entgegen.

152    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung nicht mit dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 vereinbar ist, diese Bestimmung auf Sachverhalte anzuwenden, die mit den von ihr erfassten Situationen vergleichbar sind, auch wenn nicht alle in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2019, Iccrea Banca, C‑414/18, EU:C:2019:1036, Rn. 92).

153    So hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 5 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/63 den zuständigen Behörden kein Ermessen hinsichtlich des Ausschlusses bestimmter Verbindlichkeiten im Wege der Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge entsprechend dem Risikoprofil der Institute gemäß Art. 103 Abs. 2 der Richtlinie 2014/59 einräumt, sondern klar aufführt, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Verbindlichkeiten von der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge ausgeschlossen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2019, Iccrea Banca, C‑414/18, EU:C:2019:1036, Rn. 93).

154    Folglich hat der SRB entgegen dem Vorbringen der Klägerin durch die Unterlassung einer analogen Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 keinen Rechtsfehler begangen.

155    Die Berücksichtigung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit, auf die sich die Klägerin stützt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Delegierte Verordnung 2015/63 regelt nämlich verschiedene Fälle, die erhebliche, unmittelbar mit den Risiken der betreffenden Verbindlichkeiten zusammenhängende Besonderheiten aufweisen (Urteil vom 3. Dezember 2019, Iccrea Banca, C‑414/18, EU:C:2019:1036, Rn. 95).

156    Angesichts der oben in den Rn. 83 bis 120 dargelegten Erwägungen kann die Klägerin jedenfalls nicht geltend machen, dass das Unterlassen einer analogen Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt.

157    In Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist die gleiche Schlussfolgerung zu ziehen.

158    Nach der Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (Urteile vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 165, und vom 20. Januar 2021, ABLV Bank/SRB, T‑758/18, EU:T:2021:28, Rn. 142; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 8. Juli 2010, Vodafone u. a., C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 51).

159    Was zunächst die Angemessenheit der Berücksichtigung der Treuhandverbindlichkeiten der Klägerin bei der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags betrifft, bestreitet die Klägerin nicht, dass die Einbeziehung ihrer Treuhandverbindlichkeiten in die Berechnung dieses Beitrags für die Erreichung der oben in Rn. 63 beschriebenen Ziele der im Voraus erhobenen Beiträge förderlich ist, da dem SRM so ausreichende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, damit er seine Aufgaben erfüllen kann, und dabei für die Institute Anreize geschaffen werden, weniger riskant zu operieren.

160    Hierzu hat die Klägerin lediglich unbegründete Behauptungen vorgebracht.

161    Sie macht zum einen nämlich geltend, dass die Berücksichtigung ihrer Treuhandverbindlichkeiten bei der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags sie unzumutbar belaste und in einem klaren Missverhältnis zu ihrer tatsächlichen Größe stehe. Angesichts der Erwägungen oben in den Rn. 39 bis 52 kann diesem Argument nicht gefolgt werden, da der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 genannte Ausschluss der Verbindlichkeiten nicht von der Größe der betroffenen Institute abhängt, sondern von der Erfüllung der in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen, die nicht mit der Größe der Institute zusammenhängen.

162    Zum anderen bringt die Klägerin vor, dass die Einbeziehung ihrer Treuhandverbindlichkeiten in die Berechnung ihrer Verbindlichkeiten für die Bestimmung ihres im Voraus erhobenen Beitrags nicht mit den in Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 festgelegten Kriterien vereinbar sei. Hierzu genügt die Feststellung, dass die Klägerin rechtlich nicht hinreichend darlegt, was dieses Vorbringen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu tun hat.

163    Was sodann die Erforderlichkeit der Berücksichtigung der Treuhandverbindlichkeiten der Klägerin bei der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags hinsichtlich der oben in Rn. 63 genannten Ziele angeht, ist festzustellen, dass sich die Klägerin im Wesentlichen auf zwei Argumente stützt.

164    Erstens macht sie geltend, dass die Berücksichtigung ihrer Treuhandverbindlichkeiten nicht erforderlich sei, da die Kundengelder bereits als Einlagen bei den Produktbanken verwahrt und von deren Einlagensicherungssystem erfasst seien. Das anwendbare Insolvenzrecht treffe außerdem ausreichende Vorkehrungen für den Schutz der Kunden. Die Berücksichtigung ihrer Treuhandverbindlichkeiten führe möglicherweise zu einer Doppelanrechnung ihrer Verbindlichkeiten im Rahmen der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags.

165    Die Klägerin erläutert jedoch nicht, welche konkrete Berechnungsmethode für die im Voraus erhobenen Beiträge für die Institute weniger belastend und gleichzeitig geeignet wäre, die oben in Rn. 63 genannten Ziele ebenso wirksam zu erreichen, indem insbesondere die durch diesen Ausschluss entstehende Verringerung der dem SRF zur Verfügung stehenden Finanzmittel ausgeglichen würde.

166    Ferner hat die Klägerin jedenfalls auch nichts vorgebracht, was die oben in Rn. 79 wiedergegebene Aussage des SRB in Frage stellen könnte, wonach der Schutz der Kundengelder durch das Einlagensicherungssystem voraussetze, dass die betreffenden Produktbanken ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hätten und die Einlagen der Kunden bei diesen Instituten 100 000 Euro nicht überstiegen.

167    Zum Vorbringen der Klägerin, dass die Berücksichtigung ihrer Treuhandverbindlichkeiten bei der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags zu einer Doppelanrechnung ihrer Verbindlichkeiten führe, genügt die Feststellung, dass kein Argument der Klägerin darauf schließen lässt, dass die Kommission durch Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 jegliche Form der Doppelanrechnung von Verbindlichkeiten ausschließen wollte.

168    Zweitens macht die Klägerin geltend, dass die Berücksichtigung ihrer Treuhandverbindlichkeiten bei der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags das Kriterium der Erforderlichkeit deshalb nicht erfülle, weil ihre Kunden im Insolvenzfall Anspruch auf Aussonderung des von ihr verwalteten Treuhandvermögens hätten, was vom Bestehen ausreichender Vorkehrungen zum Schutz der Kunden zeuge.

169    Zum einen ist dieses Vorbringen aus den gleichen Gründen zurückzuweisen, wie oben in Rn. 165 dargelegt.

170    Zum anderen hat die Klägerin jedenfalls nicht nachgewiesen, dass die Schutzvorkehrungen für das Vermögen und die Gelder ihrer Kunden im Insolvenzfall mit jenen für das Vermögen und die Gelder der Kunden von Wertpapierfirmen vergleichbar seien, wie oben in den Rn. 75 bis 77 ausgeführt.

171    Schließlich hat die Klägerin dem Gericht nichts Konkretes vorgelegt, was zeigen würde, dass die Einbeziehung ihrer Treuhandverbindlichkeiten in die Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags Nachteile mit sich bringt, die zu den oben in Rn. 63 genannten Zielen offensichtlich außer Verhältnis stehen.

172    Vor diesem Hintergrund ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes und damit dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

6.      Zur Begründung der Bestimmung der jährlichen Zielausstattung

240    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine fehlende oder unzureichende Begründung ein Gesichtspunkt zwingenden Rechts ist, den die Unionsgerichte von Amts wegen prüfen können und müssen (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich kann und muss das Gericht auch andere Begründungsmängel als die von der Klägerin geltend gemachten berücksichtigen, insbesondere, wenn sie während des Verfahrens zutage treten.

241    Im vorliegenden Fall ist das Gericht der Ansicht, dass es von Amts wegen zu prüfen hat, ob der SRB hinsichtlich der Bestimmung der jährlichen Zielausstattung gegen seine Begründungspflicht verstoßen hat.

242    Zu diesem Zweck sind die Parteien im Wege einer prozessleitenden Maßnahme und in der mündlichen Verhandlung zu allen etwaigen Begründungsmängeln des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Bestimmung der jährlichen Zielausstattung angehört worden.

243    Dies vorausgeschickt ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 69 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 bis zum Ende der Aufbauphase von acht Jahren ab dem 1. Januar 2016 (im Folgenden: Aufbauphase) die im SRF verfügbaren Mittel die endgültige Zielausstattung erreichen müssen, die mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller am SRM teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute entspricht (im Folgenden: endgültige Zielausstattung).

244    Nach Art. 69 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 müssen die im Voraus erhobenen Beiträge während der Aufbauphase zeitlich so gleichmäßig wie möglich gestaffelt werden, bis die oben in Rn. 243 erwähnte endgültige Zielausstattung erreicht ist, wobei jedoch die Konjunkturphase und die etwaigen Auswirkungen prozyklischer Beiträge auf die Finanzlage der Institute zu berücksichtigen sind.

245    Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 bestimmt, dass die Beiträge, die von allen im Hoheitsgebiet aller am SRM teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichten sind, jährlich 12,5 % der endgültigen Zielausstattung nicht übersteigen dürfen.

246    Was die Vorgehensweise zur Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge betrifft, sieht Art. 4 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 vor, dass der SRB deren Höhe auf der Grundlage der jährlichen Zielausstattung und unter Berücksichtigung der endgültigen Zielausstattung sowie auf der Grundlage des auf Quartalsbasis berechneten durchschnittlichen Betrags der im vorangegangenen Jahr gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller am SRM teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute festlegt.

247    Desgleichen bestimmt Art. 4 der Durchführungsverordnung 2015/81, dass der SRB den im Voraus erhobenen Beitrag für jedes Institut auf der Grundlage der jährlichen Zielausstattung berechnet, die unter Bezugnahme auf die endgültige Zielausstattung und in Einklang mit der in der Delegierten Verordnung 2015/63 dargelegten Methodik festzulegen ist.

248    Im vorliegenden Fall hat der SRB, wie aus Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, die Höhe der jährlichen Zielausstattung für den Beitragszeitraum 2021 auf 11 287 677 212,56 Euro festgesetzt.

249    In den Rn. 36 und 37 des angefochtenen Beschlusses hat der SRB im Wesentlichen erläutert, dass die jährliche Zielausstattung auf der Grundlage einer Analyse der Entwicklung der gedeckten Einlagen in den Vorjahren und aller relevanten Entwicklungen der wirtschaftlichen Lage sowie einer Analyse der Indikatoren für die Phase des Konjunkturzyklus und der Auswirkungen prozyklischer Beiträge auf die Finanzlage der Institute zu bestimmen sei. Infolgedessen hielt es der SRB für angemessen, einen Koeffizienten festzusetzen, der auf dieser Analyse und den im SRF verfügbaren Finanzmitteln beruhte (im Folgenden: Koeffizient). Der SRB wandte diesen Koeffizienten auf ein Achtel des Durchschnittsbetrags der gedeckten Einlagen im Jahr 2020 an, um die jährliche Zielausstattung zu erhalten.

250    Der SRB hat die Vorgehensweise bei der Festsetzung des Koeffizienten in den Rn. 38 bis 47 des angefochtenen Beschlusses dargelegt.

251    In Rn. 38 des angefochtenen Beschlusses hat der SRB einen konstanten Wachstumstrend der gedeckten Einlagen aller Institute in den am SRM teilnehmenden Mitgliedstaaten festgestellt. Insbesondere habe sich der vierteljährlich berechnete durchschnittliche Betrag dieser Einlagen für das Jahr 2020 auf 6,689 Billionen Euro belaufen.

252    In den Rn. 40 und 41 des angefochtenen Beschlusses hat der SRB die prognostizierte Entwicklung der gedeckten Einlagen für die verbleibenden drei Jahre der Aufbauphase, d. h. 2021 bis 2023, dargelegt. Er hat geschätzt, dass die jährlichen Wachstumsraten der gedeckten Einlagen bis zum Ende der Aufbauphase zwischen 4 % und 7 % liegen würden.

253    In den Rn. 42 bis 45 des angefochtenen Beschlusses hat der SRB eine Beurteilung der Konjunkturphase und der möglichen prozyklischen Auswirkungen der im Voraus erhobenen Beiträge auf die Finanzlage der Institute dargelegt. Er hat angegeben, er habe hierfür mehrere Indikatoren berücksichtigt, wie etwa die Prognose der Kommission in Bezug auf das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und die diesbezüglichen Projektionen der Europäischen Zentralbank oder die Kreditvergabe an den Privatsektor, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt.

254    In Rn. 46 des angefochtenen Beschlusses ist der SRB zu dem Schluss gelangt, dass zwar mit einem weiteren Anstieg der gedeckten Einlagen in der Bankenunion zu rechnen sei, aber ein langsameres Wachstum als im Jahr 2020 zu erwarten sei. Insoweit hat der SRB in Rn. 47 des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen, dass er hinsichtlich der Wachstumsraten der gedeckten Einlagen in den kommenden Jahren bis 2023 einen „konservativen Ansatz“ gewählt habe.

255    In Anbetracht dieser Erwägungen hat der SRB in Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses den Wert des Koeffizienten auf 1,35 % festgesetzt. Anschließend hat er den Betrag der jährlichen Zielausstattung berechnet, indem er den Durchschnittsbetrag der gedeckten Einlagen im Jahr 2020 mit diesem Koeffizienten multipliziert und das Ergebnis dieser Berechnung gemäß der folgenden, in Rn. 48 dieses Beschlusses angegebenen mathematischen Formel durch acht dividiert hat:

„Target0 [Betrag der jährlichen Zielausstattung] = Summe gedeckte Einlagen2020 * 0,0135 * ⅛ = EUR 11 287 677 212,56“.

256    In der mündlichen Verhandlung hat der SRB allerdings ausgeführt, dass er die jährliche Zinsausstattung für den Beitragszeitraum 2021 wie folgt bestimmt habe.

257    Als Erstes hat der SRB auf der Grundlage einer prospektiven Analyse die für das Ende der Aufbauphase prognostizierte Höhe der gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller am SRM teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute auf rund 7,5 Billionen Euro festgesetzt. Zur Ermittlung dieses Betrags hat der SRB den durchschnittlichen Betrag der gedeckten Einlagen im Jahr 2020, d. h. 6,689 Billionen Euro, eine jährliche Wachstumsrate der gedeckten Einlagen von 4 % sowie die Zahl der verbleibenden Beitragszeiträume bis zum Ende der Aufbauphase, d. h. drei, berücksichtigt.

258    Als Zweites hat der SRB gemäß Art. 69 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 1 % dieser 7,5 Billionen Euro berechnet, um den geschätzten Betrag der endgültigen Zielausstattung zu erhalten, der bis zum Ende der Aufbauphase erreicht werden sollte, d. h. ca. 75 Mrd. Euro.

259    Als Drittes hat der SRB von diesem Betrag die Finanzmittel abgezogen, die dem SRF im Jahr 2021 bereits zur Verfügung standen, d. h. rund 42 Mrd. Euro, um den Betrag zu erhalten, den er in den verbleibenden Beitragszeiträumen bis zum Ende der Aufbauphase, d. h. 2021 bis 2023, noch zu erheben hatte. Dieser Betrag belief sich auf etwa 33 Mrd. Euro.

260    Als Viertes hat der SRB den letztgenannten Betrag durch drei dividiert, um ihn gleichmäßig auf die drei verbleibenden Beitragszeiträume aufzuteilen. Die jährliche Zielausstattung für den Beitragszeitraum 2021 wurde auf diese Weise auf den oben in Rn. 248 genannten Betrag, d. h. etwa 11,287 Mrd. Euro, festgesetzt.

261    Der SRB hat in der mündlichen Verhandlung außerdem vorgetragen, er habe Informationen veröffentlicht, auf die sich die oben in den Rn. 257 bis 260 beschriebene Methode gestützt habe und die es der Klägerin ermöglicht hätten, die Methode zu verstehen, mit der die jährliche Zielausstattung bestimmt worden sei. Insbesondere habe er im Mai 2021, d. h. nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, aber vor Erhebung der vorliegenden Klage, auf seiner Website ein Informationsblatt mit der Bezeichnung „Fact Sheet 2021“ (im Folgenden: Informationsblatt) veröffentlicht, in dem der geschätzte Betrag der endgültigen Zielausstattung angegeben worden sei. Desgleichen sei auch der Betrag der im SRF verfügbaren Finanzmittel auf seiner Website sowie über andere öffentliche Quellen verfügbar gewesen, und zwar lange vor Erlass des angefochtenen Beschlusses.

262    Was den Inhalt der Begründungspflicht betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Begründung einer Entscheidung eines Organs oder einer Einrichtung der Union u. a. widerspruchsfrei sein muss, damit die Betroffenen, um ihre Rechte vor dem zuständigen Gericht zu verteidigen, die wahren Gründe dieser Entscheidung erkennen können und dieses Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 169 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 22. September 2005, Suproco/Kommission, T‑101/03, EU:T:2005:336, Rn. 20 und 45 bis 47, sowie vom 16. Dezember 2015, Griechenland/Kommission, T‑241/13, EU:T:2015:982, Rn. 56).

263    Ebenso müssen, wenn der Urheber der angefochtenen Entscheidung im Verfahren vor dem Unionsgericht bestimmte Erläuterungen zu deren Gründen liefert, diese Erläuterungen mit den in der Entscheidung dargelegten Erwägungen in Einklang stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. September 2005, Suproco/Kommission, T‑101/03, EU:T:2005:336, Rn. 45 bis 47, und vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 54 und 55).

264    Wenn die in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Erwägungen nicht im Einklang mit solchen im gerichtlichen Verfahren angeführten Erläuterungen stehen, erfüllt die Begründung der betreffenden Entscheidung nämlich nicht die oben in den Rn. 217 und 218 genannten Funktionen. Insbesondere hindert eine solche Inkohärenz zum einen die Betroffenen daran, die wahren Gründe der angefochtenen Entscheidung vor der Klageerhebung zu erfahren und ihre Verteidigung in Bezug auf diese Gründe vorzubereiten, und zum anderen hindert sie das Unionsgericht daran, die Gründe zu identifizieren, die tatsächlich als rechtliche Grundlage für diese Entscheidung gedient haben, und ihre Vereinbarkeit mit den anwendbaren Vorschriften zu prüfen.

265    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der SRB, wenn er einen Beschluss zur Festsetzung der im Voraus erhobenen Beiträge erlässt, den betroffenen Instituten die Methode zur Berechnung dieser Beiträge mitteilen muss (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Landesbank Baden-Württemberg und SRB, C‑584/20 P und C‑621/20 P, EU:C:2021:601, Rn. 122).

266    Das Gleiche muss für die Methode zur Bestimmung des Betrags der jährlichen Zielausstattung gelten, da diesem Betrag in der Systematik eines solchen Beschlusses eine wesentliche Bedeutung zukommt. Wie sich nämlich aus Art. 4 der Durchführungsverordnung 2015/81 ergibt, besteht die Methode zur Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge in der Aufteilung dieses Betrags auf alle betroffenen Institute, so dass eine Erhöhung oder Verringerung dieses Betrags zu einer entsprechenden Erhöhung oder Verringerung des im Voraus erhobenen Beitrags jedes dieser Institute führt.

267    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der SRB zwar verpflichtet ist, den Instituten bereits im angefochtenen Beschluss Erläuterungen bezüglich der Methode zur Bestimmung der jährlichen Zielausstattung zu geben, diese Erläuterungen aber mit denjenigen im Einklang stehen müssen, die der SRB im gerichtlichen Verfahren anführt und die die tatsächlich angewandte Methode betreffen.

268    Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

269    So ist zunächst festzustellen, dass in Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses eine mathematische Formel angegeben wird, die als Grundlage für die Bestimmung der jährlichen Zielausstattung gedient haben soll. Es zeigt sich jedoch, dass diese Formel nicht die Elemente der vom SRB tatsächlich angewandten Methode enthält, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert worden ist. Wie sich nämlich aus den vorstehenden Rn. 257 bis 260 ergibt, hat der SRB nach dieser Methode den Betrag der jährlichen Zielausstattung ermittelt, indem er von der endgültigen Zielausstattung die im SRF verfügbaren Finanzmittel abgezogen hat, um den Betrag zu berechnen, den er bis zum Ende der Aufbauphase noch zu erheben hatte, und indem er diesen Betrag durch drei geteilt hat. Diese beiden Rechenschritte finden sich jedoch in der fraglichen mathematischen Formel in keiner Weise wieder.

270    Diese Feststellung kann auch nicht durch das Vorbringen des SRB in Frage gestellt werden, er habe im Mai 2021 das Informationsblatt mit einer Spanne, in der die möglichen Beträge der endgültigen Zielausstattung angegeben worden seien, und auf seiner Website den Betrag der im SRF verfügbaren Finanzmittel veröffentlicht. Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin tatsächlich Kenntnis von diesen Beträgen hatte, konnte sie nämlich allein aufgrund der Beträge nicht erkennen, dass die beiden oben in Rn. 269 genannten Rechenschritte vom SRB tatsächlich angewandt wurden, zumal diese in der in Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses angegebenen mathematischen Formel nicht einmal erwähnt wurden.

271    Ähnliche Unstimmigkeiten betreffen auch die Art und Weise, in der der Koeffizient von 1,35 % festgesetzt wurde, obwohl diesem in der oben in Rn. 255 erwähnten mathematischen Formel eine zentrale Rolle zukommt. Dieser Koeffizient könnte nämlich in dem Sinne verstanden werden, dass er neben anderen Parametern auf dem prognostizierten Wachstum der gedeckten Einlagen in den verbleibenden Jahren der Aufbauphase beruht. Wie der SRB in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, wurde der Koeffizient jedoch so festgesetzt, dass er das Ergebnis der Berechnung des Betrags der jährlichen Zielausstattung rechtfertigen konnte, d. h., nachdem der SRB diesen Betrag in Anwendung der oben in den Rn. 257 bis 260 dargelegten vier Schritte berechnet hatte, insbesondere durch Teilung des Betrags, der sich aus dem Abzug der im SRF verfügbaren Finanzmittel von der endgültigen Zielausstattung ergab, durch drei. Diese Vorgehensweise geht aber aus dem angefochtenen Beschluss in keiner Weise hervor.

272    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass sich der geschätzte Betrag der endgültigen Zielausstattung dem Informationsblatt zufolge innerhalb einer Spanne von 70 bis 75 Mrd. Euro bewegte. Diese Spanne erweist sich jedoch als unvereinbar mit der in Rn. 41 des angefochtenen Beschlusses genannten Spanne der Wachstumsrate der gedeckten Einlagen, d. h. 4 % bis 7 %. Der SRB hat nämlich in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er habe zur Bestimmung der jährlichen Zielausstattung die Wachstumsrate der gedeckten Einlagen von 4 % (d. h. die niedrigste Rate der zweitgenannten Spanne) berücksichtigt und auf diese Weise die geschätzte endgültige Zielausstattung von 75 Mrd. Euro errechnet (d. h. den höchsten Wert der erstgenannten Spanne). Es zeigt sich somit, dass es eine Diskrepanz zwischen diesen beiden Spannen gibt. Zum einen umfasst nämlich die Spanne betreffend die Wachstumsrate der gedeckten Einlagen auch Werte über 4 %, deren Anwendung allerdings zu einem geschätzten Betrag der endgültigen Zielausstattung geführt hätte, der höher gewesen wäre als die in der Spanne betreffend diese Zielausstattung liegenden Werte. Zum anderen ist es für die Klägerin unmöglich, nachzuvollziehen, warum der SRB in die Spanne betreffend die Zielausstattung Beträge von weniger als 75 Mrd. Euro einbezogen hat. Um diese zu erreichen, hätte nämlich eine Rate von weniger als 4 % angewandt werden müssen, die aber in der Spanne betreffend die Wachstumsrate der gedeckten Einlagen nicht enthalten ist. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin nicht erkennen, auf welche Weise der SRB die Spanne betreffend die Wachstumsrate der Einlagen herangezogen hatte, um die geschätzte endgültige Zielausstattung zu berechnen.

273    Daraus folgt, dass in Bezug auf die Bestimmung der jährlichen Zielausstattung die vom SRB tatsächlich angewandte Methode, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert worden ist, nicht der im angefochtenen Beschluss beschriebenen Methode entspricht, so dass die wahren Gründe für die Festlegung dieser Zielausstattung auf der Grundlage des angefochtenen Beschlusses weder von den Instituten noch vom Gericht erkannt werden konnten.

274    Nach alledem ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Bestimmung der jährlichen Zielausstattung mangelhaft begründet ist, weshalb er aufzuheben ist.

C.      Ergebnis

275    Aufgrund der von Amts wegen durchgeführten Prüfung des Gerichts ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Bestimmung der jährlichen Zielausstattung mangelhaft begründet ist. Da diese Mängel für sich genommen die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigen, ist dieser für nichtig zu erklären, soweit er die Klägerin betrifft.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss SRB/ES/2021/22 des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) vom 14. April 2021 über die Berechnung der für 2021 im Voraus erhobenen Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds wird für nichtig erklärt, soweit er die Max Heinr. Sutor OHG betrifft.

2.      Die Wirkungen des Beschlusses SRB/ES/2021/22, soweit er die Max Heinr. Sutor OHG betrifft, werden aufrechterhalten, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die sechs Monate ab dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht überschreiten darf, ein neuer Beschluss des SRB in Kraft tritt, mit dem der im Voraus erhobene Beitrag dieses Instituts zum einheitlichen Abwicklungsfonds für das Beitragsjahr 2021 festgesetzt wird.

3.      Der SRB trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Max Heinr. Sutor OHG.

Kornezov

De Baere

Petrlík

Kecsmár

 

      Kingston

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Mai 2024.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


1      Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.