Language of document :

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 26. September 2019(1)

Rechtssache C785/18

GAEC Jeanningros

gegen

Institut national de l’origine et de la qualité (INAO),

Ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation,

Ministre de l’Économie et des Finances,

Beteiligter:

Comité interprofessionnel de gestion du Comté

(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État [Staatsrat, Frankreich])

„Vorabentscheidungsverfahren – Landwirtschaft – Schutz der geografischen Angaben und der Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel – Änderungen einer Spezifikation – Nicht geringfügige Änderung – Geringfügige Änderung – Vor den nationalen Gerichten angefochtener Antrag auf geringfügige Änderung – Nationale Rechtsprechung, wonach das Rechtsmittel ab Erlass der Entscheidung der Kommission zurückzuweisen ist – Geschützte Ursprungsbezeichnung ‚Comté‘“






1.        Nach der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012(2) müssen geschützte Ursprungsbezeichnungen (im Folgenden: g.U.) in einer Spezifikation niedergelegte Anforderungen erfüllen. Die Spezifikation muss ihren Namen, die Beschreibung des Erzeugnisses, das Verfahren zu dessen Gewinnung, die Abgrenzung des geografischen Gebiets und weitere einschlägige Angaben enthalten.

2.        Diese Spezifikationen können im Wege von mehrteiligen Verwaltungsverfahren geändert werden, die denen ähneln, die für die anfängliche Registrierung der g.U. gelten, und an denen sowohl die nationalen Behörden als auch die Kommission beteiligt sind. Ihr Ablauf ist in einer Delegierten Verordnung(3) und in einer Durchführungsverordnung(4) geregelt und variiert leicht nach der Tragweite dieser Änderungen.

3.        Die vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) gestellte Vorlagefrage gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, die Aufgabe der Gerichte klarzustellen, die zur Überprüfung der Gültigkeit der in diesen Verfahren ergangenen Entscheidungen der nationalen Behörden berufen sind.

4.        Konkret wird zu klären sein, ob dann, wenn die Kommission dem Antrag auf eine „geringfügige“ Änderung der Spezifikation einer g.U. zugestimmt hat, die von den Behörden eines Mitgliedstaats genehmigt worden ist, die Gerichte dieses Staates über die Rechtsmittel zu befinden haben, die gegen die nationalen Entscheidungen, mit denen diese Änderung erfolgt ist, anhängig sind.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 1151/2012

5.        In Art. 7 heißt es:

„(1)      Eine geschützte Ursprungsbezeichnung oder eine geschützte geografische Angabe muss einer Produktspezifikation entsprechen, die mindestens folgende Angaben enthält:

a)      den als Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe zu schützenden Namen …;

b)      eine Beschreibung des Erzeugnisses, gegebenenfalls einschließlich der Rohstoffe, sowie der wichtigsten physikalischen, chemischen, mikrobiologischen oder organoleptischen Eigenschaften des Erzeugnisses;

c)      die Abgrenzung des geografischen Gebiets … und gegebenenfalls die Angaben über die Erfüllung der Bedingungen gemäß Artikel 5 Absatz 3;

d)      Angaben, aus denen hervorgeht, dass das Erzeugnis aus dem abgegrenzten geografischen Gebiet im Sinne von Artikel 5 Absätze 1 oder 2 stammt;

e)      die Beschreibung des Verfahrens zur Gewinnung des Erzeugnisses und gegebenenfalls die redlichen und ständigen örtlichen Verfahren sowie die Angaben über die Aufmachung …;

f)      einen Nachweis für

i)      den in Artikel 5 Absatz 1 vorgesehenen Zusammenhang zwischen der Qualität oder den Merkmalen des Erzeugnisses und den geografischen Verhältnissen oder

ii)      gegebenenfalls den in Artikel 5 Absatz 2 vorgesehenen Zusammenhang zwischen einer bestimmten Qualität, dem Ansehen oder einem anderen Merkmal des Erzeugnisses und dem geografischen Ursprung;

h)      alle besonderen Vorschriften für die Etikettierung des betreffenden Erzeugnisses.

…“

6.        Art. 49 Abs. 4 Unterabs. 2 schreibt vor:

„Der Mitgliedstaat stellt sicher, dass die positive Entscheidung öffentlich zugänglich gemacht wird und jede natürliche oder juristische Person mit einem berechtigten Interesse die Möglichkeit hat, Rechtsmittel einzulegen.“

7.        Art. 53 bestimmt:

„(1)      Eine Vereinigung, die ein berechtigtes Interesse hat, kann die Genehmigung einer Änderung einer Produktspezifikation beantragen.

Der Antrag enthält eine Beschreibung der beabsichtigten Änderungen und deren Begründung.

(2)      Führt eine Änderung zu einer oder mehreren Änderungen der Spezifikation, die nicht geringfügig sind, so unterliegt der Änderungsantrag dem Verfahren gemäß den Artikeln 49 bis 52.

Sind die vorgeschlagenen Änderungen jedoch geringfügig, so beschließt die Kommission, den Antrag zu genehmigen oder abzulehnen. Im Fall einer Genehmigung von Änderungen, die zu einer Änderung der in Artikel 50 Absatz 2 genannten Punkte führen, veröffentlicht die Kommission diese Elemente im Amtsblatt der Europäischen Union.

Damit eine Änderung im Falle der in Titel II beschriebenen Qualitätsregelung als geringfügig gilt, darf sie

a)      kein wesentliches Merkmal des Erzeugnisses betreffen;

b)      nicht den Zusammenhang im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe f Ziffer i oder Ziffer ii ändern;

c)      keine Änderung des Namens oder irgendeines Teils des Namens des Erzeugnisses beinhalten;

d)      keine Auswirkungen auf die Abgrenzung des geografischen Gebiets haben oder

e)      nicht zu einer Zunahme der Beschränkungen des Handels mit dem Erzeugnis oder seinen Rohstoffen führen.

…“

2.      Delegierte Verordnung Nr. 664/2014

8.        Art. 6 („Änderung einer Produktspezifikation“) Abs. 2 lautet:

„Anträge auf geringfügige Änderung einer Produktspezifikation für geschützte Ursprungsbezeichnungen oder geschützte geografische Angaben sind bei den Behörden des Mitgliedstaats einzureichen, in dem sich das geografische Gebiet der Bezeichnung oder Angabe befindet. …

Der Antrag auf geringfügige Änderung sieht nur geringfügige Änderungen im Sinne von Artikel 53 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 vor. Er enthält eine Beschreibung dieser geringfügigen Änderungen und eine Zusammenfassung der Gründe, die eine Änderung erforderlich machen, und zeigt auf, dass die vorgeschlagenen Änderungen nach Artikel 53 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 als geringfügig einstufbar sind. Der Antrag muss für jede Änderung die ursprüngliche Produktspezifikation und gegebenenfalls das ursprüngliche Einzige Dokument mit der vorgeschlagenen geänderten Fassung vergleichen. Der Antrag ist eigenständig und enthält alle Änderungen der Produktspezifikation und gegebenenfalls des Einzigen Dokuments, für die eine Genehmigung beantragt wird.

Geringfügige Änderungen gemäß Artikel 53 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 gelten als genehmigt, sofern die Kommission dem Antragsteller innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Antrags nichts anderes mitteilt.

Ein Antrag auf geringfügige Änderung, der nicht mit Unterabsatz 2 dieses Absatzes in Einklang steht, ist nicht zulässig. Für solche Anträge gilt die stillschweigende Genehmigung gemäß Unterabsatz 3 nicht. Die Kommission unterrichtet den Antragsteller innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Antrags, wenn der Antrag als unzulässig eingestuft wird.

Die Kommission macht genehmigte geringfügige Änderungen einer Produktspezifikation, die keine Änderung der Elemente gemäß Artikel 50 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 umfassen, öffentlich.“

3.      Durchführungsverordnung (EU) Nr. 668/2014

9.        In Art. 10 („Verfahrensregeln für die Änderung einer Produktspezifikation“) heißt es:

„(1)      Anträge auf Genehmigung einer nicht geringfügigen Änderung der Produktspezifikation für eine geschützte Ursprungsbezeichnung oder eine geschützte geografische Angabe werden nach dem Muster in Anhang V erstellt. Diese Anträge werden nach den Vorgaben gemäß Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 erstellt. Das geänderte einzige Dokument wird nach dem Muster in Anhang I der vorliegenden Verordnung erstellt. Der im geänderten einzigen Dokument enthaltene Verweis auf die Veröffentlichung der Produktspezifikation führt zu der vorgeschlagenen aktualisierten Fassung der Produktspezifikation.

(2)      Anträge auf Genehmigung einer geringfügigen Änderung gemäß Artikel 53 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 werden nach dem Muster in Anhang VII der vorliegenden Verordnung erstellt.

Anträgen auf Genehmigung einer geringfügigen Änderung bei geschützten Ursprungsbezeichnungen oder geschützten geographischen Angaben ist das aktualisierte einzige Dokument (falls geändert) beizufügen, das nach dem Muster in Anhang I zu erstellen ist. Der im geänderten einzigen Dokument enthaltene Verweis auf die Veröffentlichung der Produktspezifikation führt zu der vorgeschlagenen aktualisierten Fassung der Produktspezifikation.

Bei Anträgen aus der Europäischen Union fügen die Mitgliedstaaten neben dem Verweis auf die Veröffentlichung der aktualisierten Produktspezifikation eine Erklärung bei, dass der Antrag ihrer Auffassung nach den Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 und den aufgrund dieser Verordnung erlassenen Vorschriften entspricht … Anträge auf eine geringfügige Änderung in Fällen gemäß Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 5 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 664/2014 enthalten bei Anträgen aus den Mitgliedstaaten den Verweis auf die Veröffentlichung der aktualisierten Produktspezifikation und bei Anträgen aus Drittländern die aktualisierte Produktspezifikation.

…“

B.      Nationales Recht. Verordnung des Ministers für Landwirtschaft und Ernährung und des Ministers für Wirtschaft und Finanzen vom 8. September 2017 über die Änderung der Spezifikation der geschützten Ursprungsbezeichnung „Comté“(5)

10.      In Art. 1 heißt es:

„Die Spezifikation der geschützten Ursprungsbezeichnung ‚Comté‘ wird in der auf Vorschlag des ständigen Ausschusses des nationalen Komitees für Bezeichnungen von Lebensmitteln im Bereich Molkerei, Landwirtschaft und Forstwirtschaft des Institut national de l’origine et de la qualité [Nationales Institut für Ursprung und Qualität] geänderten Fassung zur Weiterleitung an die Kommission genehmigt.“

11.      Art. 2 lautet:

„Diese Verordnung ist ab dem Datum anzuwenden, an dem die Europäische Kommission die Änderungen der Spezifikation der geschützten Ursprungsbezeichnung ‚Comté‘ genehmigt hat.

Das Datum, an dem die Änderungen durch die Europäische Kommission genehmigt werden, wird durch eine im Amtsblatt des Ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung erscheinende Anzeige veröffentlicht, falls erforderlich, zusammen mit der genehmigten Fassung der Spezifikation.“

II.    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12.      Am 16. November 2017 focht das Groupement agricole d’exploitation en commun (GAEC) Jeanningros beim Conseil d’État (Staatsrat) die Verordnung vom 8. September 2017 an und beantragte die Nichtigerklärung der Klausel 5.1.18 der geänderten Fassung der Spezifikation, nach der „Melkroboter“ verboten sind.

13.      Mit am 1. Juni 2018 veröffentlichter Entscheidung genehmigte die Kommission nach Art. 53 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1151/2012 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 3 der Delegierten Verordnung Nr. 664/2014 den Antrag auf eine geringfügige Änderung der Spezifikation der g.U. „Comté“(6).

14.      Der Conseil d’État (Staatsrat) hegt Zweifel, ob das noch bei ihm anhängige, gegen die Verordnung vom 8. September 2017 eingelegte Rechtsmittel zurückzuweisen ist oder ob er vielmehr, wie er dies bereits in anderen Fällen gehandhabt hat, entscheiden muss, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat(7).

15.      Bisher stand das vorlegende Gericht auf dem Standpunkt, dass, wenn es mit der Anfechtung einer Entscheidung befasst ist, mit der die französische Regierung der Kommission einen Antrag auf Eintragung einer g.U. zusammen mit der von ihr genehmigten Spezifikation weitergeleitet und die Kommission zum Zeitpunkt seines Urteils diese Bezeichnung bereits im Register eingetragen hat(8), hinsichtlich dieser Anfechtung Erledigung eingetreten ist.

16.      Nach dieser Rechtsprechung überprüft der Conseil d’État (Staatsrat) die Rechtmäßigkeit der von der Kommission eingetragenen Spezifikation nicht, selbst wenn, wie im vorliegenden Fall, die nationale Entscheidung, auf deren Grundlage sie getroffen wurde, angefochten worden ist. Dies gilt auch im Fall geringfügiger Änderungen.

17.      Das vorlegende Gericht fragt sich, ob dieses Vorgehen mit dem Unionsrecht vereinbar ist oder ob es sich wegen der mit einer etwaigen Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts verbundenen Auswirkungen auf die Gültigkeit der Eintragung durch die Europäische Kommission zu seiner Rechtmäßigkeit äußern muss.

18.      Diese Zweifel veranlassen den Conseil d’État (Staatsrat), dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 53 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, Art. 6 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 664/2014 der Kommission vom 18. Dezember 2013 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung der EU-Zeichen für geschützte Ursprungsbezeichnungen, geschützte geografische Angaben und garantiert traditionelle Spezialitäten sowie im Hinblick auf bestimmte herkunftsbezogene Vorschriften, Verfahrensvorschriften und zusätzliche Übergangsvorschriften und Art. 10 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 668/2014 der Kommission vom 13. Juni 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregeln für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass in dem besonderen Fall, dass die Europäische Kommission dem Antrag der nationalen Behörden eines Mitgliedstaats auf Änderung der Spezifikation einer Bezeichnung und auf Eintragung der geschützten Ursprungsbezeichnung stattgegeben hat, obwohl dieser Antrag noch vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats angefochten wird, diese Gerichte entscheiden können, dass sich der bei ihnen anhängige Rechtsstreit erledigt hat, oder müssen sie angesichts der mit einer etwaigen Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts verbundenen Auswirkungen auf die Gültigkeit der Eintragung durch die Europäische Kommission über die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts der nationalen Behörden entscheiden?

19.      Im Vorabentscheidungsverfahren haben die französische Regierung und die Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. Der Gerichtshof hat beschlossen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

III. Analyse

20.      Um auf die Vorabentscheidungsfrage zu antworten, erscheint mir zunächst angebracht, einerseits die Regelung der zur Änderung der Spezifikation von g.U. vorgesehenen Verwaltungsverfahren, andererseits die Art und Weise ihrer gerichtlichen Kontrolle zu untersuchen.

A.      Verfahren zur Änderung der Spezifikationen von g.U.

21.      Die Änderung der Spezifikation einer g.U. erfolgt ebenso wie ihre Eintragung in einem mehrteiligen Verwaltungsverfahren, an dem die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats und die Kommission mitwirken. Der 58. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1151/2012 hebt diesen Umstand hervor(9).

22.      Art. 53 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1151/2012 unterscheidet zwei Arten von Änderungen, nämlich die nicht geringfügigen und die geringfügigen.

23.      Nicht geringfügige Änderungen sind solche,

–      die wesentliche Merkmale des Erzeugnisses betreffen,

–      die den Zusammenhang zwischen der Qualität oder den Merkmalen des Erzeugnisses und den geografischen Verhältnissen oder den Zusammenhang zwischen einer bestimmten Qualität, dem Ansehen oder einem anderen Merkmal des Erzeugnisses und dem geografischen Ursprung (Art. 7 Abs. 1 Buchst. f Ziff. i oder ii der Verordnung Nr. 1151/2012) verändern,

–      die den Namen oder einen Teil des Namens des Erzeugnisses ändern,

–      die Auswirkungen auf die Abgrenzung des geografischen Gebiets haben oder

–      die zu einer Zunahme der Beschränkungen des Handels mit dem Erzeugnis oder seinen Rohstoffen führen.

24.      Unter geringfügigen Änderungen werden alle Änderungen verstanden, die in Art. 53 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1151/2012 nicht als „nicht geringfügig“ eingeschätzt werden.

25.      Parallel sieht Art. 53 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1151/2012 zwei Verfahren vor, um Änderungen an der Spezifikation vorzunehmen. Für nicht geringfügige Änderungen wird auf die Art. 49 bis 52 (d. h. auf das Verfahren zur Eintragung der g.U.) verwiesen; für geringfügige Änderungen gilt nach der Verordnung ein vereinfachtes Verfahren.

1.      (Ordentliches) Verfahren für nicht geringfügige Änderungen der Spezifikation einer g.U.

26.      Das Eintragungsverfahren der g.U. regelt somit auch das Verfahren für wesentliche Änderungen der Spezifikation(10). Es besteht zunächst aus einer ersten Phase, die mit dem Antrag auf Eintragung der g.U. beginnt (Art. 49 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1151/2012), der von einer Erzeugergruppe bei den Behörden des Mitgliedstaats eingereicht wird, in dem sich das Herstellungsgebiet geografisch befindet.

27.      Diese Behörden müssen den Antrag auf geeignete Art und Weise prüfen, um sicherzustellen, dass er gerechtfertigt ist und die Anforderungen der jeweiligen Regelung erfüllt. Dabei muss gewährleistet sein, dass eine geeignete Veröffentlichung erfolgt und eine angemessene Frist gesetzt wird, innerhalb derer jede natürliche oder juristische Person mit berechtigtem Interesse, die in ihrem Gebiet wohnt oder niedergelassen ist, Einspruch einlegen kann(11).

28.      Die nationalen Behörden prüfen die eingegangenen Einsprüche und entscheiden, ob der Antrag die Anforderungen der Verordnung Nr. 1151/2012 erfüllt. Endet ihre Prüfung mit positivem Ergebnis, erlassen sie eine Entscheidung und müssen sicherstellen, dass die Fassung der Spezifikation, auf die sich ihre stattgebende Entscheidung stützt, veröffentlicht wird und auf elektronischem Weg zugänglich ist.

29.      Insoweit ist insbesondere Art. 49 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1151/2012 von Relevanz, nach dem „[d]er Mitgliedstaat … sicher[stellt], dass die positive Entscheidung öffentlich zugänglich gemacht wird und jede natürliche oder juristische Person mit einem berechtigten Interesse die Möglichkeit hat, Rechtsmittel einzulegen“.

30.      Fällt die Entscheidung der nationalen Behörde zustimmend aus, so endet die nationale Phase mit der Weiterleitung an die Kommission, die auch über die zulässigen eingegangenen Einsprüche informiert wird(12).

31.      Die „europäische“ Phase dieses Verfahrens beginnt mit der Prüfung, die die Kommission vorzunehmen hat, nachdem die nationale Entscheidung bei ihr eingegangen ist. Sie muss untersuchen, ob der Antrag gerechtfertigt ist und die Bedingungen für die g.U. erfüllt sind. Entscheidet die Kommission nach dieser Prüfung (die nicht länger als sechs Monate dauern darf), dem Antrag zu entsprechen(13), veröffentlicht sie das Einzige Dokument sowie den Verweis auf die Veröffentlichung der Spezifikation im Amtsblatt der Europäischen Union(14).

32.      Nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union können die Behörden eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands und jede natürliche und juristische Person, die ein berechtigtes Interesse hat und in einem Drittland niedergelassen ist, Einspruch erheben (Art. 51 der Verordnung Nr. 1151/2012)(15). Die Kommission übermittelt den Einspruch unverzüglich der Behörde oder Stelle des Mitgliedstaats, die den Antrag eingereicht hat(16). Ist der Einspruch zulässig, so findet ein Einspruchsverfahren statt(17).

33.      Geht kein Einspruch (bzw. keine zulässige Einspruchsbegründung) bei ihr ein, so trägt die Kommission ohne Anwendung des Verfahrens nach Art. 57 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1151/2012 die nicht geringfügigen Änderungen der Spezifizierung ein.

34.      Die Kommission geht in gleicher Weise vor, wenn eine zulässige Einspruchsbegründung bei ihr eingegangen ist und nach den in Art. 51 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1151/2012 vorgesehenen Konsultationen eine Einigung erzielt worden ist. Kommt es zu keiner Einigung, so erlässt sie Durchführungsrechtsakte zur Entscheidung über die Eintragung oder die nicht geringfügige Änderung der Spezifikation. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Art. 57 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1151/2012 genannten Prüfverfahren erlassen(18).

35.      Auf jeden Fall werden die nicht geringfügigen Änderungen einer g.U. und die Ablehnungsentscheidungen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht(19).

2.      (Vereinfachtes) Verfahren für geringfügige Änderungen der Spezifikation einer g.U.

36.      In der Verordnung Nr. 1151/2012 ist dieses vereinfachte Verfahren nur sehr knapp geregelt worden. Art. 53 Abs. 2 Unterabs. 2 beschränkt sich auf die Erklärung: „Sind die vorgeschlagenen Änderungen … geringfügig, so beschließt die Kommission, den Antrag zu genehmigen oder abzulehnen.“ Außerdem ist bei der Genehmigung einer Änderung des Einzigen Dokuments oder der Spezifikation der g.U. diese Änderung von der Kommission im Amtsblatt zu veröffentlichen.

37.      Die Delegierte Verordnung Nr. 664/2014 hat dieses vereinfachte Verfahren zur Ausführung der Richtlinie näher geregelt, indem sie es in Art. 6 Abs. 2 dem ordentlichen Verfahren angenähert hat. Danach gilt: Anträge auf geringfügige Änderungen müssen i) bei den Behörden des Mitgliedstaats eingereicht werden, in dem sich das geografische Gebiet der Bezeichnung oder Angabe befindet, und ii) eine Beschreibung dieser geringfügigen Änderungen enthalten, die Gründe aufzeigen, aus denen sie als geringfügig einstufbar sind, und die Änderungen mit dem ursprünglichen Wortlaut vergleichen; iii) für sie ist im Unterschied zum ordentlichen Verfahren kein nationales Einspruchsverfahren vorgesehen(20).

38.      Schließlich legt Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 der Delegierten Verordnung Nr. 664/2014 fest, dass der Mitgliedstaat, wenn er der Auffassung ist, dass die Anforderungen der Verordnung Nr. 1151/2012 und die auf ihrer Grundlage erlassenen Vorschriften erfüllt sind, bei der Kommission ein Antragsdossier zu einer geringfügigen Änderung der Spezifikation der g.U. einreichen kann.

39.      Die „europäische“ Phase dieses Verfahrens ist ebenfalls vereinfacht. Es gibt auch auf dieser Stufe kein Einspruchsverfahren, und die Kommission ist befugt, zu entscheiden, und zwar ausdrücklich oder stillschweigend (geringfügige Änderungen gelten, wenn die Kommission den Antragsteller nicht binnen drei Monaten vom Gegenteil unterrichtet, als genehmigt)(21). Hält die Kommission den Antrag für unzulässig, muss sie dies dem Antragsteller innerhalb einer Frist von drei Monaten ab dem Eingang des Antrags mitteilen. Billigt sie ihn, muss die Kommission die geringfügigen Änderungen in der Spezifikation einer g.U. veröffentlichen.

B.      Gerichtliche Überprüfung der in den Verfahren zur Änderung der Spezifikation einer g.U. ergangenen Entscheidungen

40.      Sowohl das ordentliche als auch das vereinfachte Verfahren sind, wie soeben erläutert, mehrteilige Verwaltungsverfahren, an denen nacheinander die nationalen Behörden und die Kommission mitwirken.

41.      Diese Art von mehrteiligen Verfahren ist im Unionsrecht kasuistisch geregelt(22) und aufgrund der zahlreichen rechtlichen Fragen, die durch sie aufgeworfen werden, sind sie Gegenstand breiter Debatten in der Literatur gewesen(23).

42.      Die gerichtliche Überprüfung der in diesen Verfahren erlassenen Entscheidungen ist vom Gerichtshof ebenfalls in kasuistischer und nicht erschöpfender Art und Weise(24) behandelt worden, auch wenn einige neuere Rechtssachen im Bereich der Bankenunion dazu beitragen, dass diese Rechtsprechung immer mehr Profil erlangt(25).

43.      In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Berlusconi und Fininvest habe ich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu mehrteiligen Verwaltungsverfahren der Europäischen Union untersucht und eine Unterscheidung danach getroffen, ob die Entscheidungsbefugnis bei den nationalen Behörden oder bei den Organen der Union liegt(26).

44.      Im Urteil Berlusconi und Fininvest hat der Gerichtshof – zusammenfassend – festgestellt, dass Art. 263 AEUV dem entgegensteht, dass die nationalen Gerichte verfahrenseinleitende Handlungen, vorbereitende Handlungen oder nicht bindende Vorschläge, die die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen des mehrteiligen Verwaltungsverfahrens zum Erwerb oder zur Erhöhung qualifizierter Beteiligungen an Kreditinstituten vorgenommen haben, auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen. Diese Feststellung basierte allerdings auf zwei Prämissen:

–      Sind die Verwaltungsakte der nationalen Behörden nur eine Etappe des Verfahrens, in dem ein Organ der Europäischen Union allein die Befugnis zur abschließenden Entscheidung ausübt, ohne durch die Verwaltungsakte der nationalen Behörden oder durch deren Vorschläge gebunden zu sein, so handelt es sich um Verwaltungsakte der Union(27).

–      Ergibt sich aus dem Unionsrecht die ausschließliche Entscheidungsbefugnis eines Unionsorgans, so ist es Sache des Unionsrichters, sich in Ausübung seiner ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 263 AEUV zur Rechtmäßigkeit der vom Unionsorgan erlassenen endgültigen Entscheidung zu äußern. Um den effektiven Rechtsschutz der Betroffenen zu gewährleisten, bleibt es dem Unionsrichter vorbehalten, eventuelle Mängel der Verfahrenshandlungen oder der Vorschläge von Seiten der nationalen Behörden festzustellen, die sich auf die Gültigkeit der abschließenden Entscheidung auswirken können(28).

45.      Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Berlusconi und Fininvest(29) ausgeführt habe, ist in mehrteiligen Verwaltungsverfahren, an denen nationale Behörden und solche der Union mitwirken, die Befugnis zur endgültigen Entscheidung das entscheidende Element für die Feststellung, ob die gerichtliche Kontrolle vom Gerichtshof oder von den nationalen Gerichten ausgeübt werden muss. Liegt die Entscheidungsbefugnis in den Händen einer Stelle der Union, obliegt die gerichtliche Kontrolle gemäß Art. 263 AEUV dem Gerichtshof. Hat die nationale Behörde dagegen eine spezifische Entscheidungsbefugnis, so sind die nationalen Gerichte für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen zuständig(30).

46.      Verfügen nun die nationalen Behörden in der ersten Phase des mehrteiligen Verfahrens zur geringfügigen Änderung der Spezifikation einer g.U. über eine eigene Entscheidungsbefugnis? Sollte dem so sein, so wären für die gerichtliche Kontrolle dieser nationalen Entscheidung die nationalen Gerichte zuständig, unabhängig davon, ob die Kommission in der zweiten Phase des Verfahrens die Eintragung der Änderung beschließen sollte oder nicht.

47.      Um diese Frage zu beantworten, ist es zweckdienlich, die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Verfahren zur Eintragung der g.U. heranzuziehen(31). Wie ich sogleich erläutern werde, zeigt diese Rechtsprechung meines Erachtens, dass den Behörden des entsprechenden Mitgliedstaats in der nationalen Phase des Verfahrens eine spezifische und eigenständige Entscheidungsbefugnis zukommt.

48.      Die Feststellungen des Gerichtshofs zum ordentlichen Eintragungsverfahren einer g.U. lauten wie folgt:

–      „[Es besteht] eine Zuständigkeitsverteilung zwischen dem betreffenden Mitgliedstaat und der Kommission. Unabhängig davon, ob es um eine Eintragung im normalen oder im vereinfachten Verfahren geht, kann die Eintragung nämlich nur dann erfolgen, wenn der betreffende Mitgliedstaat hierfür einen Antrag gestellt und … eine Spezifikation und die für die Eintragung erforderlichen Angaben übermittelt hat.“(32)

–      „[Ein] Mitgliedstaat, an den ein Eintragungsantrag im Rahmen des normalen Verfahrens gerichtet ist, [muss] prüfen, ob dieser Antrag gerechtfertigt ist, und ihn der Kommission übermitteln, wenn er der Auffassung ist, dass die Anforderungen der Verordnung Nr. 2081/92 erfüllt sind. [Andererseits nimmt] die Kommission … nur eine einfache förmliche Prüfung [vor], um festzustellen, ob diese Anforderungen erfüllt sind.“(33)

49.      Hieraus schließt der Gerichtshof, dass „die Kommission die Entscheidung über die Eintragung einer Bezeichnung als [g.U.] … nur dann treffen [kann], wenn der betreffende Mitgliedstaat ihr einen entsprechenden Antrag zugeleitet hat, und … ein solcher Antrag nur gestellt werden [kann], wenn der Mitgliedstaat geprüft hat, ob er gerechtfertigt ist. Diese Zuständigkeitsverteilung findet ihre Erklärung insbesondere darin, dass die Eintragung die Prüfung voraussetzt, ob eine Reihe von Anforderungen erfüllt sind; dies erfordert in hohem Maße gründliche Kenntnisse von Besonderheiten des betreffenden Mitgliedstaats, zu deren Feststellung die zuständigen Behörden dieses Staates am ehesten imstande sind“(34).

50.      Ich bin der Auffassung, dass diese Rechtsprechung zum Eintragungsverfahren einer g.U. auf das ordentliche Verfahren für nicht geringfügige Änderungen der Spezifikation ausgedehnt werden kann: Wie bereits ausgeführt, nimmt Art. 53 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012 auf deren Art. 49 bis 52 Bezug, die gerade das Eintragungsverfahren regeln.

51.      Ich gehe davon aus, dass sie auch auf das vereinfachte Verfahren ausgedehnt werden kann, weil Art. 6 Abs. 2 der Delegierten Verordnung Nr. 664/2014 dieses in ähnlicher Weise regelt wie das ordentliche Verfahren (das seinerseits dem Verfahren zur Eintragung der g.U. entspricht), lediglich die Einspruchsmöglichkeiten in beiden Phasen entfallen.

52.      Die angeführte Rechtsprechung betraf das ordentliche Verfahren zur Eintragung der g.U., das mit der Verordnung Nr. 2081/92, der Vorläuferin der derzeitigen Regelung (Art. 49 bis 52 der Verordnung Nr. 1151/2012), eingeführt wurde. Wie schon vorausgeschickt, betraf sie auch das Verfahren nach dem mittlerweile aufgehobenen Art. 17 dieser Verordnung, d. h. das vereinfachte und übergangsweise anzuwendende Verfahren zur Eintragung von in der Union bereits bestehenden g.U., die in den Mitgliedstaaten geschützt oder durch Benutzung üblich waren(35).

53.      Diese Verfahren umfassten ebenfalls eine nationale und eine europäische Phase ähnlich wie die derzeitigen Verfahren zur Eintragung und Änderung der Spezifikationen der g.U. Folglich ist, um es noch einmal zu wiederholen, die Rechtsprechung des Gerichtshofs, in der er Verfahren dieser Art überprüft hat, auch auf geringfügige Änderungen der Spezifikation einer g.U. anwendbar.

54.      Nach dieser Rechtsprechung obliegt die Kontrolle des Verfahrens für geringfügige Änderungen den nationalen Gerichten, u. a.(36) aus folgenden Gründen:

–      Herstellervereinigungen müssen dieses Verfahren verpflichtend vor der zuständigen nationalen Behörde des Mitgliedstaats einleiten, aus dessen Hoheitsgebiet die g.U. stammt. Sie können ihren Antrag nicht direkt bei der Kommission stellen.

–      Die nationalen Behörden müssen die Vereinbarkeit des Vorschlags mit den materiellen Anforderungen der Verordnung Nr. 1151/2012 überprüfen, da sie es sind, die über die solidesten Kenntnisse zur Überprüfung der Besonderheiten dieser geringfügigen Änderungen verfügen.

–      Die Behörde des Mitgliedstaats ist zuständig für die Annahme oder Ablehnung der geringfügigen Änderung in der nationalen Phase. Folglich hat sie es in der Hand, die nächste Phase des Verfahrens durch die Übermittlung des Antrags an die Kommission zu eröffnen. Ohne eine stattgebende Entscheidung der nationalen Behörde kann die Kommission nicht tätig werden.

–      Die Kommission überprüft, ob der Antrag auf geringfügige Änderung der Verordnung Nr. 1151/2012, der Delegierten Verordnung Nr. 664/2014 und der Durchführungsverordnung Nr. 668/2014 entspricht, d. h., ob sie die verlangten Elemente enthält und nicht an offensichtlichen Fehlern leidet(37).

–      Die nationale Behörde hat noch bis zur Eintragung die Möglichkeit, den der Kommission vorgelegten Antrag zurückzuziehen.

55.      Diese Befugnisse machen deutlich, dass die nationale Behörde in der nationalen Phase des mehrteiligen Verfahrens zur geringfügigen Änderung der Spezifikation einer g.U. über eine weitreichende eigenständige Entscheidungsbefugnis verfügt(38). Die Befugnis ist ausschließlich der Überprüfung durch die nationalen Gerichte unterworfen, während die Zuständigkeit für die Überprüfung der Entscheidungen der Kommission in der europäischen Phase des Verfahrens beim Gerichtshof liegt(39).

56.      Dies wird durch Art. 49 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1151/2012, auf den ich bereits Bezug genommen habe, bestätigt(40). Der europäische Gesetzgeber hat in der grundlegenden Norm selbst eigens bestimmt, dass gegen die positive Entscheidung der Behörden des Mitgliedstaats über die Änderung der Spezifikation jede natürliche oder juristische Person mit berechtigtem Interesse „die Möglichkeit haben muss, Rechtsmittel einzulegen“.

57.      Zwar ist dieses Rechtsmittel – das logischerweise bei den nationalen Gerichten einzulegen ist – expressis verbis nur für Entscheidungen über nicht geringfügige Änderungen der Spezifikation einer g.U. vorgesehen. Aufgrund der Nähe zwischen den Verfahren für nicht geringfügige Änderungen und für Änderungen, die geringfügig sind, glaube ich, dass das Recht auf Einlegung eines Rechtsmittels auch auf die Letzteren anzuwenden ist.

58.      Die Entscheidungen der nationalen Behörden über diese geringfügigen Änderungen entziehen sich der ausschließlichen Zuständigkeit des Unionsrichters, da es sich um Verwaltungsakte handelt, die unerlässlich sind, damit sich später die Kommission dazu äußern kann. In Wirklichkeit sind es vom materiellen Standpunkt her wegen des sehr engen Entscheidungsspielraums, der der Kommission diesbezüglich verbleibt, die Entscheidungen der nationalen Behörden, für die sämtliche Elemente berücksichtigt worden sind, die die Genehmigung dieser Änderungen in den Spezifikationen rechtfertigen.

59.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind es die nationalen Gerichte, die über Unregelmäßigkeiten eines nationalen Verwaltungsakts – gegebenenfalls nach Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens beim Gerichtshof – entscheiden müssen, und zwar nach denselben Prüfungsmaßstäben wie bei anderen von derselben nationalen Behörde erlassenen abschließenden und für Dritte möglicherweise nachteiligen Verwaltungsakten; im Interesse des Grundsatzes des effektiven Rechtsschutzes müssen sie das hiergegen eingelegte Rechtsmittel als zulässig ansehen, selbst wenn die nationalen Verfahrensvorschriften dies nicht vorsehen(41).

C.      Auswirkung dieser Erwägungen auf den Ausgangsrechtsstreit

60.      Die Parteien streiten beim Conseil d’État (Staatsrat) wegen einer geringfügigen Änderung der Spezifikation der g.U. der Käsesorte „Comté“. Dabei ist unstreitig, dass die neue, hier angefochtene Klausel (Nr. 5.1.18), mit der das Verbot von Melkrobotern eingeführt wird, den Charakter einer geringfügigen Änderung hat.

61.      Das vorlegende Gericht möchte, kurz gesagt, wissen, ob die Verordnungen, auf die bereits Bezug genommen wurde, sowie Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) ihm gestatten, seine bisherige Rechtsprechung zu bestätigen (nach der es entschieden hat, dass sich die bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten erledigt haben, nachdem die Kommission die Änderung genehmigt hatte), oder ob es nach diesen Vorschriften seine Rechtsprechung ändern muss.

62.      Die Erwägungen, die ich bisher dazu angestellt habe und die sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Verfahren über die Eintragung von g.U. und auf die für diese Materie geltenden Vorschriften stützen, lassen mich (unter besonderer Berücksichtigung von Art. 49 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1151/2012) die zweite Alternative vertreten.

63.      Ich bin diesbezüglich der Auffassung, dass die Verweigerung der Entscheidung über ein Rechtsmittel, das von Personen eingelegt wurde, die hierzu berechtigt sind, im Fall von geringfügigen Änderungen der Spezifikation einer g.U. nicht mit dem Recht vereinbar sind, das die Verordnung Nr. 1151/2012 und die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den mehrteiligen Eintragungsverfahren von g.U. den Betroffenen verleihen. Im selben Maße würde Art. 47 der Charta verletzt.

64.      Damit ist in Wirklichkeit die Vorlagefrage beantwortet, da das vorlegende Gericht den Fokus mehr auf das Bestehen oder Nichtbestehen der Verpflichtung legt, über das Rechtsmittel zu entscheiden, als auf die Folgen, die sein Urteil auf die bereits ergangenen Entscheidungen der Kommission haben kann. Ich werde aber auch auf Letztere zu sprechen kommen.

65.      Meines Erachtens würde die Nichtigerklärung des nationalen Verwaltungsakts, durch den die geringfügige Änderung zu ihrer Weiterleitung an die Kommission genehmigt worden ist, gleichzeitig auch dazu führen, dass die Rechtsgrundlage der Entscheidung der Kommission entfiele.

66.      Zur Vermeidung dieser unerwünschten Folge wäre es sachgerecht, die Kommission würde die Verfahrensphase, die bei ihr stattfindet, aussetzen, wenn bei den nationalen Gerichten Rechtsmittel gegen die Entscheidung der nationalen Behörde, mit der die geringfügige Änderung der Spezifikation genehmigt worden ist, anhängig sind(42). So würde man einerseits dem Recht der Einspruchsführer auf gerichtlichen Schutz und andererseits der Rechtssicherheit gerecht werden und zugleich vermeiden, dass die Entscheidungen der Kommission im Nachhinein ihrer Rechtsgrundlage beraubt würden(43).

67.      Die Verpflichtung, die praktische Wirksamkeit des Rechtsschutzes der Personen zu gewährleisten, die, gestützt auf eine Vorschrift des Unionsrechts, Rechtsmittel bei den nationalen Gerichten eingelegt haben, sowie möglicherweise der Grundsatz der guten Verwaltung(44) müssten die Kommission dazu verpflichten, bei ihrer Beurteilung von Anträgen den Umstand zu berücksichtigen, dass Rechtsmittel gegen die nationale Entscheidung bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig sind(45).

68.      Auf derselben Linie dürften auch die nationalen Behörden der Kommission Anträge auf geringfügige Änderungen von Spezifikationen einer g.U. nicht weiterleiten, solange Rechtsmittel bei den nationalen Gerichten gegen deren Genehmigung anhängig sind, und erst recht nicht, wenn bereits eine Nichtigerklärung des nationalen Gerichts ergangen ist, auch wenn diese noch nicht rechtskräftig sein sollte.

69.      Zusammengefasst müsste die Kommission sowohl dann davon absehen, den Antrag auf geringfügige Änderung der Spezifikation einer g.U. zu bearbeiten, wenn ihr bekannt ist, dass Rechtsmittel gegen die nationale Genehmigungsentscheidung anhängig sind, als auch dann, wenn bereits Urteile vorliegen, die diese ganz oder teilweise aufheben. Sonst könnte die eventuelle Nichtigerklärung dieser nationalen Entscheidung durch ein rechtskräftiges Urteil der Gerichte des Mitgliedstaats, die verpflichtet sind, über die bei ihnen anhängigen Rechtsmittel zu entscheiden, nachträglich zur Ungültigkeit der Kommissionsentscheidung führen.

IV.    Ergebnis

70.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) folgendermaßen zu beantworten:

Art. 49 Abs. 4 und Art. 53 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel und Art. 6 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 664/2014 der Kommission vom 18. Dezember 2013 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung der EU-Zeichen für geschützte Ursprungsbezeichnungen, geschützte geografische Angaben und garantiert traditionelle Spezialitäten sowie im Hinblick auf bestimmte herkunftsbezogene Vorschriften, Verfahrensvorschriften und zusätzliche Übergangsvorschriften in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass die nationalen Gerichte nicht entscheiden können, dass sich Rechtsstreitigkeiten, die bei ihnen gegen Entscheidungen der nationalen Behörden über geringfügige Änderungen der Spezifikation einer geschützten Ursprungsbezeichnung anhängig sind, erledigt haben, weil die Kommission während der Anhängigkeit dieser Rechtsstreitigkeiten dem betreffenden Antrag stattgegeben und diesen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht hat.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2012, L 343, S. 1).


3      Delegierte Verordnung (EU) Nr. 664/2014 der Kommission vom 18. Dezember 2013 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung der EU-Zeichen für geschützte Ursprungsbezeichnungen, geschützte geografische Angaben und garantiert traditionelle Spezialitäten sowie im Hinblick auf bestimmte herkunftsbezogene Vorschriften, Verfahrensvorschriften und zusätzliche Übergangsvorschriften (ABl. 2014, L 179, S. 17).


4      Durchführungsverordnung (EU) Nr. 668/2014 der Kommission vom 13. Juni 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2014, L 179, S. 36).


5      Arrêté du 8 septembre 2017 du ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation et du ministre de l’Économie et des Finances relatif à la modification du cahier des charges et de l’appellation d’origine protégée „Comté“ (JORF Nr. 217 vom 16. September 2017, im Folgenden: Verordnung vom 8. September 2017).


6      Veröffentlichung eines Antrags auf Genehmigung einer geringfügigen Änderung nach Art. 53 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2018, C 187, S. 7).


7      Conseil d’État, „Syndicat de défense et de promotion des fabricants et affineurs du Morbier“, 5 novembre 2003, req. n.º 0230438.


8      Das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben ist in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012 vorgesehen. Es kann über http://ec.europa.eu/agriculture/quality/door/list.html eingesehen werden.


9      „Um sicherzustellen, dass die eingetragenen Namen der Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben und garantiert traditionellen Spezialitäten den Anforderungen dieser Verordnung entsprechen, sollten die Anträge durch die Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten geprüft werden, wobei gemeinsame Mindestbestimmungen wie ein nationales Einspruchsverfahren zu beachten sind. Die Kommission sollte die Anträge anschließend prüfen, um sicherzustellen, dass keine offensichtlichen Fehler vorliegen und dass das Unionsrecht sowie die Interessen von Beteiligten außerhalb des Antragsmitgliedstaats berücksichtigt wurden.“


10      Art. 7 der Delegierten Verordnung Nr. 664/2014 dehnt dieses ordentliche Verfahren auf den Fall der Löschung der Eintragung einer g.U. aus, wenn die Einhaltung der Bestimmungen der Spezifikation nicht gewährleistet ist oder wenn ein Erzeugnis nicht mindestens sieben Jahre lang unter der g.U. vermarktet wird.


11      Art. 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1151/2012.


12      Das heißt Einsprüche natürlicher oder juristischer Personen, die die betreffenden Erzeugnisse zuvor mindestens fünf Jahre lang rechtmäßig unter ständiger Verwendung des betreffenden Namens vermarktet haben (Art. 49 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1151/2012).


13      Lehnt die Kommission den Antrag ab, weil sie der Auffassung ist, dass die Anforderungen nicht erfüllt sind, so erlässt sie Durchführungsrechtsakte zur Ablehnung des Antrags (Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012).


14      Art. 50 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1151/2012.


15      Diese Mitteilung muss in jedem Fall eine Erklärung enthalten, dass der Antrag den Bedingungen der Verordnung für nicht geringfügige Änderungen der Spezifikation möglicherweise nicht entspricht.


16      Art. 51 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012.


17      Dem Einspruch muss innerhalb von zwei Monaten eine Einspruchsbegründung folgen, deren Zulässigkeit von der Kommission überprüft wird. Hält sie sie für zulässig, so fordert die Kommission die Behörde oder die Person, die den Einspruch erhoben hat, und die nationale Behörde, die ihr den Antrag übermittelt hat, während einer angemessenen Frist, die drei Monate nicht überschreiten darf, auf, geeignete Konsultationen durchzuführen.


18      Art. 52 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012.


19      Art. 52 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012.


20      Allerdings gibt der Mitgliedstaat, wenn der Antrag auf geringfügige Änderung nicht von der Vereinigung stammt, die die Eintragung des oder der Namen beantragt hatte, auf die sich die Spezifikation bezieht, der betreffenden Vereinigung, sofern diese noch besteht, Gelegenheit, sich zu dem Antrag zu äußern.


21      Die stillschweigende Genehmigung findet allerdings auf geringfügige Änderungen, die Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 2 der Delegierten Verordnung Nr. 664/2014 nicht erfüllen, keine Anwendung.


22      Ein ehrgeiziger Vorschlag für die Kodifizierung der Verwaltungsverfahren der Union stammt von Mir, O., Hofmann, H. C. H., Schneider, J.‑P., Ziller, J., u. a. (Hrsg.), Código ReNEUAL de procedimiento administrativo de la Unión Europea, INAP, Madrid, 2015. Art. I‑4 (4) des Código ReNEUAL definiert das „mehrteilige Verfahren“ als Verwaltungsverfahren, in dem den Behörden der Union und denen eines oder mehrerer Mitgliedstaaten unterschiedliche Aufgaben zukommen, die voneinander abhängen. Auch die Kombination zweier unmittelbar aufeinander bezogener Verwaltungsverfahren ist ein mehrteiliges Verfahren.


23      Alonso de León, S., Composite administratives procedures in the European Union, Iustel, Madrid, 2017; Eliantonio, M., „Judicial Review in an Integrated Administration: the Case of ‚Composite Procedures‘“, Review of European Administrative Law, 2014, Nr. 2, S. 65 bis 102; Della Cananea, G., „I procedimenti amministrativi composti dell’Unione europea“, in Bignami, F., und Cassese, S. (Schriftleitung), Il procedimento amministrativo nel diritto europeo, Milano, Giuffrè, 2004; Mastrodonato, G., I procedimenti amministrativi composti nel diritto comunitario, Bari, Cacucci, 2007; Hofmann, H. C. H., „Composite decision-making procedures in EU administrative law“, in Hofmann, H. C. H., und Türk, A., Legal Challenges in EU Administrative Law. Towards an Integrated Administration, Edward Elgar, Cheltenham, 2009, S. 136.


24      Brito Bastos, F., „Derivative illegality in European composite administrative procedures“, Common Market Law Review, 2018, Nr. 1, S. 101 bis 134.


25      Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, im Folgenden: Urteil Berlusconi und Fininvest, EU:C:2018:1023). In der Rechtssache Iccrea Banca, in der ich meine Schlussanträge am 9. Juli 2019 verlesen habe (C-414/18, EU:C:2019:574), steht das Urteil noch aus.


26      Schlussanträge vom 27. Juni 2018 (C‑219/17, EU:C:2018:502, Nrn. 64 bis 79).


27      Urteil vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission (C‑64/05 P, EU:C:2007:802, Rn. 93 und 94), und Urteil Berlusconi und Fininvest, Rn. 43.


28      Urteil Berlusconi und Fininvest, Rn. 44. Entsprechend auch Urteil vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost (314/85, EU:C:1987:452, Rn. 17).


29      Schlussanträge vom 27. Juni 2018 (C‑219/17, EU:C:2018:502, Nrn. 60 bis 63).


30      In meinen Schlussanträgen vom 9. Juli 2019 in der Rechtssache Iccrea Banca (C‑414/18, EU:C:2019:574) habe ich vertreten, dass die Festsetzung der ordentlichen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) ebenfalls über ein mehrteiliges Verwaltungsverfahren stattfindet, an dem die nationalen Abwicklungsfonds zwar mitwirken, in dem die endgültige Entscheidung aber vom Einheitlichen Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board, SRB) getroffen wird. Deshalb bin ich dort davon ausgegangen, dass dessen gerichtliche Überprüfung ausschließlich Sache des Gerichtshofs und nicht der nationalen Gerichte ist.


31      Urteile vom 6. Dezember 2001, Carl Kühne u. a. (C‑269/99, im Folgenden: Urteil Carl Kühne u. a., EU:C:2001:659), und vom 2. Juli 2009, Bavaria und Bavaria Italia (C‑343/07, im Folgenden: Urteil Bavaria und Bavaria Italia, EU:C:2009:415). Auch das Urteil des Gerichts vom 23. April 2018, CRM/Kommission (T‑43/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:208), auf das ich später zurückkommen werde, ist relevant.


32      Urteile Carl Kühne u. a., Rn. 50 und 51, sowie Bavaria und Bavaria Italia, Rn. 64. Letzteres bezog sich auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen den nationalen Behörden und der Kommission in dem mehrteiligen Verfahren nach dem aufgehobenen Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 1992, L 208, S. 1), dem vereinfachten und übergangsweise anwendbaren Verfahren zur Eintragung von in der Union bereits bestehenden Ursprungsbezeichnungen, die in den Mitgliedstaaten entweder geschützt oder durch Benutzung üblich geworden waren.


33      Urteile Carl Kühne u. a., Rn. 52, und Bavaria und Bavaria Italia, Rn. 65.


34      Urteile Carl Kühne u. a., Rn. 53, und Bavaria und Bavaria Italia, Rn. 66.


35      Siehe Fn. 32.


36      Die Mitgliedstaaten können ab dem Ende der nationalen Phase des Eintragungsverfahrens bis zur Entscheidung der Kommission über den Antrag einen übergangsweisen, auf ihr Hoheitsgebiet beschränkten nationalen Schutz für g.U. gewähren. Obwohl diese Möglichkeit nach Art. 9 der Verordnung Nr. 1151/2012 auf die Eintragung einer g.U. beschränkt ist und sich nicht auf die Änderungen einer Spezifikation bezieht, spiegelt auch sie die Kontrolle der nationalen Behörde über die innerstaatliche Phase dieser mehrteiligen Verfahren wider.


37      Urteile Carl Kühne u. a., Rn. 54, und Bavaria und Bavaria Italia, Rn. 67.


38      In den Verfahren über die Änderung der Spezifikationen von g.U. für Wein, zu deren Regelung neuere Vorschriften bestehen, ist die Entscheidungsbefugnis der nationalen Behörde fast eine ausschließliche, mit Ausnahme der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, die von der Kommission vorgenommen wird. In ihnen zeigt sich eine Tendenz zur Verstärkung der Befugnisse der nationalen Behörden, möglicherweise aufgrund von Problemen der Kommission bei der Abwicklung der europäischen Phase.


      Die Verfahren zur Änderung der Spezifikationen der g.U. von Wein sind vor allem in Art. 105 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 671) sowie in den Art. 14 bis 18 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 der Kommission vom 17. Oktober 2018 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Anträge auf Schutz von Ursprungsbezeichnungen, geografischen Angaben und traditionellen Begriffen im Weinsektor, das Einspruchsverfahren, Einschränkungen der Verwendung, Änderungen der Produktspezifikationen, die Löschung des Schutzes sowie die Kennzeichnung und Aufmachung (ABl. 2019, L 9, S. 2) geregelt.


39      Urteil Bavaria und Bavaria Italia, Rn. 70 und 71.


40      Siehe Nr. 28 dieser Schlussanträge


41      In diesem Sinn Urteile vom 3. Dezember 1992, Oleificio Borelli/Kommission (C‑97/91, EU:C:1992:491, Rn. 9 bis 13), Carl Kühne u. a., Rn. 58, Bavaria und Bavaria Italia, Rn. 57, und Berlusconi und Fininvest, Rn. 45 und 46.


42      Man müsste allerdings geeignete Maßnahmen ergreifen, um in diesen Ausnahmefällen die Entscheidungsfrist zu verlängern, damit es nicht zu einer stillschweigenden Genehmigung des Antrags kommen könnte.


43      Im Urteil des Gerichts vom 23. April 2018, CRM/Kommission (T‑43/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:208), ist festgestellt worden, dass die Kommission die g.g.A. Piadina Romagnola nicht hätte eintragen dürfen, als die italienische Behörde sechs Tage nach der teilweisen Nichtigerklärung der Spezifikation durch ein nationales Instanzgericht den Antrag genehmigt und an die Kommission weitergeleitet hatte. Die Kommission genehmigte diese g.g.A. und veröffentlichte ihre Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union, ohne auf die Entscheidung über die Kassationsbeschwerde gegen das die Nichtigkeit feststellende Urteil des Instanzgerichts beim Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) zu warten.


44      Art. 41 der Charta. Auf diesen bezog sich das Gericht in seinem Urteil vom 23. April 2018, CRM/Kommission (T‑43/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:208, Rn. 67 bis 83).


45      Die Kommission muss diese Beurteilung gemäß Art. 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012 im Rahmen der Überprüfungsbefugnisse vornehmen, über die sie in der europäischen Phase des Verfahrens verfügt.