Language of document : ECLI:EU:T:2012:454

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

20. September 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsmarke eco-pack – Ältere nationale und internationale Wortmarke ECOPAK – Verwechslungsgefahr – Ähnlichkeit der Waren – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑445/10

HerkuPlast Kubern GmbH mit Sitz in Ering (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Würtenberger und R. Kunze,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Heidi A. T. How, wohnhaft in Harrow (Vereinigtes Königreich),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 27. Juli 2010 (Sache R 1014/2009‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der HerkuPlast Kubern GmbH und Frau Heidi A. T. How

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen (Berichterstatter) sowie der Richter N. Wahl und S. Soldevila Fragoso,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 28. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 13. Januar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2012

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 27. Juni 2006 meldete Frau Heidi A. T. How beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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3        Die Waren, für die die Eintragung beantragt wurde, gehören zu Klasse 16 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung und entsprechen u. a. folgender Beschreibung: „Waren aus Papier oder Pappe (Karton), soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit nicht in anderen Klassen enthalten“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken vom 18. Dezember 2006 unter der Nr. 5164785 veröffentlicht.

5        Am 19. März 2007 erhob die Klägerin, die HerkuPlast Kubern GmbH, nach Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Randnr. 3 genannten Waren.

6        Der Widerspruch stützte sich auf die ältere deutsche Wortmarke ECOPAK und die ältere international registrierte Marke ECOPAK mit Schutzwirkung für die Benelux-Staaten, Dänemark, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien und Österreich, beide für Waren der Klasse 20, die der folgenden Beschreibung entsprechen: „Anzuchtplatten aus Kunststoff“.

7        Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) geltend gemacht.

8        Die Widerspruchsabteilung wies den Widerspruch am 27. Juli 2009 zurück.

9        Am 31. August 2009 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

10      Mit Entscheidung vom 27. Juli 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Insbesondere vertrat sie die Auffassung, dass zwischen den betroffenen Waren keine Ähnlichkeit bestehe. Zu den Verpackungsmaterialien aus Kunststoff führte sie aus, dass diese mit den Anzuchtplatten aus Kunststoff zwar im Material „übereinstimmen“, dies aber kein ausreichendes Kriterium für eine Warenähnlichkeit sei, da sehr viele Waren aus Kunststoff gefertigt werden könnten. Außerdem hätten die Verpackungsmaterialien aus Kunststoff weder Art noch Zweckbestimmung mit den Anzuchtplatten aus Kunststoff gemeinsam, und es gebe auf der Abnehmerseite keine Überschneidungen. Sie wies das Vorbringen der Klägerin zurück, wonach ihre Anzuchtplatten auch dem Transport dienten. Was die Waren aus Papier und Pappe betrifft, wies die Beschwerdekammer u. a. das Vorbringen zum Vergleich von nicht von der Eintragung erfassten Waren oder von Waren, deren Benutzung die Klägerin oder die Anmelderin der Marke in einer bestimmten Weise intendiere, damit zurück, dass die Waren aus Papier und Pappe, deren Ziel die Anzucht von Pflanzen sei, hier nicht in Rede stünden. Waren aus Papier und Pappe hätten keine festgelegte Zweckbestimmung, und es könne auch zu dem Zweck der Anzucht von Pflanzen keine „Berührungspunkte“ mit den Anzuchtplatten aus Kunststoff geben. Die Beschwerdekammer kam zu dem Ergebnis, dass aufgrund fehlender Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Waren eine der Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nicht erfüllt sei und keine Verwechslungsgefahr bestehe.

 Anträge der Parteien

11      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

12      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

13      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sowie einen Verstoß gegen die Art. 75 und 76 dieser Verordnung rügt.

14      Zum ersten Klagegrund trägt die Klägerin vor, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht eine Unähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren angenommen und festgestellt habe, dass keine Verwechslungsgefahr vorliege.

15      Nach dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

16      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist die Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen sowie Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen ihnen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg. 2007, II‑2579, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Beschwerdekammer die Auffassung, dass keine Ähnlichkeit zwischen den in Frage stehenden Waren bestehe, d. h. zwischen den „Waren aus Papier oder Pappe, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit nicht in anderen Klassen enthalten“ in Klasse 16 des Abkommens von Nizza für die Anmeldemarke und den „Anzuchtplatten aus Kunststoff“ in Klasse 20 des Abkommens von Nizza für die älteren Marken.

19      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Regel 2 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) die Klasseneinteilung von Waren und Dienstleistungen nach dem Abkommen von Nizza ausschließlich Verwaltungszwecken dient. Daher dürfen Waren nicht allein deswegen als verschieden angesehen werden, weil sie verschiedenen Klassen angehören (Urteil PiraÑAM diseño original Juan Bolaños, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 38).

20      Erstens rügt die Klägerin die angefochtene Entscheidung, da ihrer Ansicht nach zwischen „Verpackungsmaterial aus Kunststoff“ und „Anzuchtplatten aus Kunststoff“ Warenidentität bestehe. Diese Waren seien von derselben Beschaffenheit, nämlich Kunststoff. Sie hätten dieselbe Zweckbestimmung, da eine Anzuchtplatte neben der Aufzucht auch der Aufbewahrung und der Verpackung von Pflanzensetzlingen zum Transport diene. Sie stammten ferner aus Unternehmen der gleichen Art oder könnten aus solchen stammen, die sich häufig auf die Verarbeitung von Kunststoffen zu den verschiedensten Verwendungszwecken (Verpackung, Anzucht) spezialisiert hätten. Auf die Verkehrskreise, für die die in Frage stehenden Waren bestimmt seien, komme es nach dem Urteil des Gerichts vom 1. März 2005, Sergio Rossi/HABM – Sissi Rossi (SISSI ROSSI) (T-169/03, Slg. II-685, Randnr. 56) insoweit nicht an. Auf jeden Fall habe die Widerspruchsabteilung in ihrer im vorliegenden Fall ergangenen Entscheidung den Standpunkt vertreten, dass die Endverbraucher zu den Abnehmern von „Anzuchtplatten aus Kunststoff“ und „Verpackungsmaterial aus Kunststoff“ zählten.

21      Hierzu ist festzustellen, dass die Tatsache, dass die einander gegenüberstehenden Waren aus demselben Material hergestellt werden, nämlich aus Kunststoff, bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit berücksichtigt werden kann. Angesichts der großen Bandbreite von Waren, die aus Kunststoff hergestellt werden können, genügt indessen dieser Faktor allein nicht, um eine Ähnlichkeit der Waren zu begründen (vgl. entsprechend Urteil SISSI ROSSI, oben in Randnr. 20 angeführt, Randnr. 55).

22      Wie das HABM zutreffend bemerkt hat, sind die Käufer von Verpackungsmaterial in der Regel nicht die Endverbraucher, die verpackte Waren kaufen, sondern Unternehmen, die ihre Waren verpacken oder verpacken lassen, während die Käufer der „Anzuchtplatten aus Kunststoff“ Gärtner oder Hobbygärtner sind. Daraus kann geschlossen werden, dass die Vertriebswege und die betroffenen Verbraucher unterschiedlich sind.

23      Selbst wenn man annähme, dass dies nicht der Fall ist und die maßgeblichen Verkehrskreise nicht spezialisiert sind, sondern potenziell die Endverbraucher, nämlich Käufer sowohl von „Anzuchtplatten aus Kunststoff“ als auch von „Verpackungsmaterial aus Kunststoff“, umfassen können, wie es die Klägerin geltend macht, kann die Identität der Endverbraucher der Waren kein aussagekräftiger Gesichtspunkt für die Beurteilung der Warenähnlichkeit sein (vgl. in diesem Sinne Urteil SISSI ROSSI, oben in Randnr. 20 angeführt, Randnr. 56).

24      Es ist darauf hinzuweisen, dass Waren als einander ergänzend angesehen werden können, soweit sie aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise derselben Warengattung angehören und unschwer als Bestandteile eines allgemeinen Sortiments von Erzeugnissen angesehen werden können, die möglicherweise dieselbe betriebliche Herkunft haben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 4. November 2003, Díaz/HABM – Granjas Castelló [CASTILLO], T‑85/02, Slg. 2003, II-4835, Randnr. 36). Einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen sind jedoch Waren oder Dienstleistungen, zwischen denen ein enger Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass die eine Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken könnten, dass die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung der Dienstleistungen in der Verantwortung desselben Unternehmens liegt (vgl. Urteil SISSI ROSSI, oben in Randnr. 20 angeführt, Randnr. 60, und Urteil vom 12. November 2008, Weiler/HABM – IQNet Association – The International Certification Network [Q2WEB], T-242/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 23).

25      Jedoch liegt in der bloßen Tatsache, dass eine Anzuchtplatte gegebenenfalls ein Element der Verpackung für Pflanzen sein kann, noch kein hinreichender Beweis dafür, dass Verpackungen und Anzuchtplatten einander ergänzende Waren sind, da nicht dargetan worden ist, dass diese Waren für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig sein könnten.

26      Insbesondere geht aus den Akten hervor, dass die Anzuchtplatten nicht immer eine stabile Beschaffenheit haben. Sie können daher relativ brüchig sein und sind offenbar allein nicht immer für den Transport von Pflanzen geeignet.

27      Während ferner die Anzucht von Pflanzensetzlingen die Primärfunktion von Anzuchtplatten bildet, wohingegen die Primärfunktion von Verpackungsmaterial in der Verpackung und im Transport besteht, genügt die Tatsache, dass bestimmte Anzuchtplatten eine Sekundärfunktion dahin haben können, dass sie zu Verpackungs- oder Transportzwecken verwendet werden, allein nicht, um beim Verbraucher die Vorstellung hervorzurufen, dass solche Waren von demselben Unternehmen oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. in diesem Sinne Urteil SISSI ROSSI, oben in Randnr. 20 angeführt, Randnr. 58).

28      Aus der Art und dem Verwendungszweck der oben in Randnr. 20 genannten Waren kann daher nicht geschlossen werden, dass diese einander ähnlich sind. Die Beschwerdekammer ist somit zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass zwischen diesen Waren keine Ähnlichkeit besteht.

29      Zweitens rügt die Klägerin die angefochtene Entscheidung, da zwischen den von der Anmeldemarke erfassten „Waren aus Papier und Pappe“ und den von der älteren Marke erfassten „Anzuchtplatten aus Kunststoff“ eine hochgradige Ähnlichkeit bestehe, weil die erstgenannten Waren auch Produkte, die wie die letztgenannten der Anzucht, dem Transport sowie dem Verpacken von Pflanzensetzlingen dienen könnten, einschließen könnten und weiterhin Anzuchtplatten auch aus Papier und Pappe bestehen könnten. Beide Warengruppen seien austauschbar und stünden folglich miteinander im Wettbewerb.

30      Um im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis zu gelangen, dass zwischen den oben in Randnr. 29 genannten Waren keine Ähnlichkeit bestehe, stellte die Beschwerdekammer in Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung fest, dass Waren aus Papier und Pappe keinen bestimmten Verwendungszweck hätten, dass es daher auch zu dem Zweck der Anzucht von Pflanzen keine „Berührungspunkte“ geben könne und dass Waren aus Papier und Pappe, deren Zweck als solcher der der Anzucht von Pflanzen sei, im vorliegenden Fall nicht in Rede stünden.

31      Es sind zunächst der Aussagegehalt und die Tragweite der von der Beschwerdekammer in dieser Randnr. 19 gegebenen Begründung zu bestimmen.

32      Hierzu hat das HABM in seiner Klagebeantwortung erstens ausgeführt, es deute nichts darauf hin, dass Anzuchtplatten aus Papier oder Pappe hergestellt würden. Anzuchtplatten würden normalerweise aus Kunststoff hergestellt.

33      Das HABM hat jedoch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es auch Anzuchtplatten aus Papier oder Pappe geben könne.

34      Das HABM hat in der mündlichen Verhandlung zweitens vorgetragen, dass Waren wie Produkte aus Papier und Pappe, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten seien, so wenig definiert seien, dass sie Waren wie Anzuchtplatten, die durch ihr Ziel oder ihre Zweckbestimmung definiert seien und aus anderem Material bestünden, nicht als ähnlich angesehen werden könnten.

35      Es steht fest, dass Anzuchtplatten aus Papier und Pappe erhältlich sind.

36      Zudem haben die Parteien nicht vorgetragen, dass die Anzuchtplatten zu einer anderen Klasse als der von der Anmeldung umfassten Klasse gehörten. Die in der Anmeldung vorgenommene Begrenzung der Gruppe der Waren aus Papier und Pappe auf solche, „soweit nicht in anderen Klassen enthalten“, schließt daher „Anzuchtplatten“ nicht aus. Im Übrigen schließt der Umstand, dass Anzuchtplatten in der Markenanmeldung nicht speziell erwähnt werden, im vorliegenden Fall nicht aus, dass diese Produkte zu dieser Warengruppe gehören können. Anzuchtplatten aus Papier und Pappe können somit von der weiten Definition der von der Anmeldemarke erfassten Waren, nämlich Waren aus Papier und Pappe, soweit nicht in anderen Klassen enthalten, erfasst werden.

37      Daraus folgt, dass sich die Beschwerdekammer zu Unrecht ohne weitere Erläuterung auf den Hinweis beschränkt hat, dass Anzuchtplatten aus Papier und Pappe im vorliegenden Fall nicht in Rede stünden und dass zwischen den beiden von der Anmeldemarke und der älteren Marke erfassten Warenkategorien keine „Berührungspunkte“ bestehen könnten.

38      Die Beschwerdekammer hätte daher die einander gegenüberstehenden Waren unter Prüfung der Frage vergleichen müssen, ob die nicht in anderen Klassen enthaltenen Waren aus Papier und Pappe, die eine große Bandbreite von Waren umfassen und insbesondere – auch wenn diese in der Markenanmeldung nicht ausdrücklich erwähnt sind – Waren wie Anzuchtplatten aus Papier und Pappe einschließen können, mit Anzuchtplatten aus Kunststoff identisch oder solchen ähnlich sein können.

39      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass für die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 eine Verwechslungsgefahr voraussetzt, dass eine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und zugleich eine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, Slg. 2009, II‑43, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Da der Vergleich der oben in Randnr. 29 genannten Waren, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, konnte die Beschwerdekammer nicht fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangen, dass eine der für die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 unerlässlichen Voraussetzungen nicht erfüllt war.

41      Unter diesen Umständen greift der erste Klagegrund durch, und die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass der zweite Klagegrund zu prüfen ist.

 Kosten

42      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

43      Da das HABM unterlegen ist, sind ihm, wie von der Klägerin beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 27. Juli 2010 (Sache R 1014/2009‑4) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten der HerkuPlast Kubern GmbH.

Kanninen

Wahl

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. September 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.