Language of document : ECLI:EU:T:2011:605

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

19. Oktober 2011(*)

„Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichts, mit dem eine Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats festgestellt wird – Zwangsgeld – Erlass bestimmter Maßnahmen durch den Mitgliedstaat – Zahlungsverlangen – Zuständigkeit der Kommission – Zuständigkeit des Gerichts“

In der Rechtssache T‑139/06

Französische Republik, vertreten zunächst durch E. Belliard, G. de Bergues und S. Gasri, dann durch E. Belliard, G. de Bergues und B. Cabouat, als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch T. van Rijn, K. Banks und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch S. Behzadi-Spencer, T. Harris und C. Murrell als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(2006) 659 endg. der Kommission vom 1. März 2006 mit der Aufforderung zur Zahlung der Zwangsgelder, die in Durchführung des Urteils des Gerichtshofs vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich (C‑304/02, Slg. 2005, I‑6263), geschuldet werden,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten E. Moavero Milanesi sowie der Richter N. Wahl und S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter),

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2011

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        In seinem Urteil vom 11. Juni 1991, Kommission/Frankreich (C‑64/88, Slg. 1991, I‑2727, im Folgenden: Urteil vom 11. Juni 1991), hat der Gerichtshof Folgendes entschieden:

„Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2057/82 des Rates vom 29. Juni 1982 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit von Schiffen der Mitgliedstaaten und aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2241/87 des Rates vom 23. Juli 1987 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit verstoßen, dass sie in den Jahren 1984 bis 1987 keine Kontrollen durchgeführt hat, die die Beachtung der in den Verordnungen (EWG) Nr. 171/83 des Rates vom 25. Januar 1983 und (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 vorgeschriebenen gemeinschaftlichen technischen Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände gewährleisten.“

2        Mit Klageschrift, die am 27. August 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofs einging, erhob die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 228 EG Klage auf Feststellung, dass die Französische Republik ihren Verpflichtungen aus dem Urteil vom 11. Juni 1991 nicht nachgekommen sei, und auf ihre Verurteilung zur Zahlung eines Zwangsgelds.

3        Mit Urteil vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich (C‑304/02, Slg. 2005, I‑6263, im Folgenden: Urteil vom 12. Juli 2005), entschied der Gerichtshof wie folgt:

„1.      Die Französische Republik hat nicht alle Maßnahmen ergriffen, die sich aus dem Urteil vom 11. Juni 1991 … ergeben, und deshalb gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 228 EG verstoßen, indem sie nicht für eine den Anforderungen der Gemeinschaftsbestimmungen entsprechende Kontrolle der Fischereitätigkeiten gesorgt hat und nicht dafür gesorgt hat, dass Verstöße gegen die Regelung der Fischereitätigkeiten gemäß den Anforderungen der Gemeinschaftsbestimmungen verfolgt werden.

2.      Die Französische Republik wird verurteilt, an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf das Konto ‚Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft‘ ein Zwangsgeld in Höhe von 57 761 250 Euro für jeden Sechsmonatszeitraum ab der Verkündung des vorliegenden Urteils, an dessen Ende das Urteil vom 11. Juni 1991 … noch nicht vollständig durchgeführt ist, zu zahlen.

3.      Die Französische Republik wird verurteilt, an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf das Konto, Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft‘ einen Pauschalbetrag in Höhe von 20 000 000 Euro zu zahlen.

4.      Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.“

4        Mit der Note JUR JM 1128/2005 vom 29. Juli 2005 informierten die französischen Behörden die Kommission über die Maßnahmen, die sie seit 2003 zur Verstärkung der Kontrollen im Bereich der gemeinsamen Fischereipolitik getroffen hatten, insbesondere in Bezug auf die Kontrolle der vorgeschriebenen Fanggröße, und übermittelten ihr dabei die Pläne für die Fischereikontrollen der Jahre 2004 und 2005.

5        Die Kommission antwortete den französischen Behörden mit der Note FISH/D/3/AC/mrh D(2005) 10572 vom 28. September 2005, in der sie darauf hinwies, dass es ihr anhand der gelieferten Informationen nicht möglich sei, die vollständige Durchführung des Urteils vom 12. Juli 2005 festzustellen. In dieser Note forderte die Kommission die französischen Behörden außerdem auf, ihr unverzüglich bestimmte Informationen zukommen zu lassen, die sie für erforderlich hielt, um den Umfang der Durchführung dieses Urteils zu beurteilen.

6        Die französischen Behörden antworteten auf dieses Verlangen mit der Note JUR SJ 1808/05 vom 15. Dezember 2005.

7        Die Kommission erachtete diese Antworten als unvollständig und präzisierte in der Note FISH/D/3/AC/mhr D(2005) vom 23. Dezember 2005 gegenüber den französischen Behörden, welche Dokumente diese ihr vorlegen müssten.

8        Die französischen Behörden antworteten der Kommission mit der Note JUR SJ 42/06 vom 16. Januar 2006.

9        Außerdem führte die Kommission von Oktober bis Dezember 2005 fünf Kontrollen durch, davon drei ohne Ankündigung. Die Berichte über diese Kontrollen wurden den französischen Behörden am 21. und 23. Dezember 2005 übermittelt.

10      Die französischen Behörden nahmen mit der Note JUR SJ 43/06 vom 16. Januar 2006 zu diesen Berichten Stellung.

11      Mit der Note JUR SJ 212/06 vom 15. Februar 2006 aktualisierten die französischen Behörden die Angaben, die sie der Kommission in ihren früheren Noten übermittelt hatten.

12      Außerdem fanden am 18. Juli und 12. Oktober 2005 zwei Treffen zwischen den Dienststellen der Kommission und den französischen Behörden statt.

13      Schließlich nahm die Kommission vom 7. bis zum 9. Februar 2006 zwei weitere Kontrollen vor.

14      Die Berichte über die Kontrollen wurden den französischen Behörden am 21. Februar 2006 übermittelt, die mit der Note AGRAP‑RP/162/06, die vom 7. März 2006 datiert ist, der Kommission aber schon am 24. Februar 2006 auf elektronischem Weg geschickt wurde, auf die genannten Berichte reagierten.

15      Die Kommission war der Ansicht, dass die Französische Republik das Urteil vom 12. Juli 2005 nicht vollständig durchgeführt hatte und gab ihr infolgedessen am 2. März 2006 die Entscheidung K(2006) 659 endg. bekannt, in der in Durchführung des genannten Urteils die Zahlung von 57 761 250 Euro gefordert wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

16      Die Französische Republik hat mit Klageschrift, die am 12. Mai 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

17      Mit am 5. September 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragt, in dem vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2006 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben. Das Vereinigte Königreich hat seinen Streithilfeschriftsatz fristgerecht eingereicht, und die anderen Verfahrensbeteiligten haben fristgerecht zu diesem Stellung genommen.

18      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

19      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht entschieden, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen, die in Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehen sind, hat das Gericht die Verfahrensbeteiligten aufgefordert, vor der mündlichen Verhandlung schriftlich zu einer Frage betreffend den eventuellen Einfluss des Urteils des Gerichts vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), auf den vorliegenden Rechtsstreit Stellung zu nehmen. Die Verfahrensbeteiligten, mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs, das nicht teilgenommen hat, haben in der Sitzung vom 12. Mai 2011 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

20      Die Französische Republik beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die Höhe des Zwangsgelds herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen oder, falls das Gericht den Betrag des Zwangsgelds herabsetzt, jede Partei zur Tragung der eigenen Kosten zu verurteilen.

21      Die Kommission beantragt,

–        die Klage der Französischen Republik abzuweisen;

–        der Französischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

22      Das Vereinigte Königreich als Streithelfer zur Unterstützung der Kommission beantragt, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

23      Die Französische Republik trägt vier Klagegründe vor, in denen sie die Unzuständigkeit der Kommission zur Erhebung des Zwangsgelds, eine Verletzung der Verteidigungsrechte, eine unrichtige Beurteilung der Maßnahmen, die sie ergriffen habe, um dem Urteil nachzukommen, und die Tatsache, dass die Kommission ein niedrigeres Zwangsgeld hätte festsetzen müssen, geltend macht.

 Zum ersten Klagegrund: Unzuständigkeit der Kommission

24      Die Französische Republik trägt im Wesentlichen vor, die Verträge wiesen der Kommission keine Zuständigkeit zu, die Zahlung eines Zwangsgelds nach Art. 228 EG zu verlangen, und die einzige Vorgehensweise sei, dass die Kommission eine neue Vertragsverletzungsklage auf der Grundlage von Art. 226 EG erhebe.

25      Vorab ist festzustellen, dass der EG‑Vertrag nicht die Einzelheiten der Vollstreckung des Urteils festlegt, das der Gerichtshof zum Abschluss des in Art. 228 EG vorgesehenen Verfahrens erlässt, insbesondere wenn ein Zwangsgeld verhängt wird (Urteil Portugal/Kommission, Randnr. 61).

26      Die in den Art. 226 EG und 228 EG vorgesehenen Verfahren haben zwar die gleiche Zielsetzung, nämlich die wirksame Durchsetzung des Unionsrechts, doch handelt es sich um zwei verschiedene Verfahren mit unterschiedlichem Gegenstand.

27      Das mit Art. 226 EG geschaffene Verfahren zielt nämlich darauf ab, ein unionsrechtswidriges Verhalten eines Mitgliedstaats feststellen und beenden zu lassen (Urteile vom 7. Februar 1979, Frankreich/Kommission, 15/76 und 16/76, Slg. 1979, 321, Randnr. 27, und vom 6. Dezember 2007, Kommission/Deutschland, C‑456/05, Slg. 2007, I‑10517, Randnr. 25), während das in Art. 228 EG vorgesehene Verfahren einen sehr viel begrenzteren Gegenstand hat und nur bezweckt, einen säumigen Mitgliedstaat zu veranlassen, ein Vertragsverletzungsurteil durchzuführen (Urteil vom 12. Juli 2005, Randnr. 80).

28      Hat der Gerichtshof mit einem Urteil nach Art. 226 EG festgestellt, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, geht es bei den Verhandlungen zwischen diesem Mitgliedstaat und der Kommission somit nicht mehr darum, ob die Vertragsverletzung vorliegt – was ja vom Gerichtshof bereits festgestellt worden ist –, sondern darum, ob die Voraussetzungen für eine Klage nach Art. 228 EG gegeben sind (Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2010, Schweden/API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, Slg. 2010, I‑8533, Randnrn. 118 bis 120).

29      Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof im Urteil vom 12. Juli 2005 einen Verstoß der Französischen Republik gegen Art. 228 EG festgestellt und sie verurteilt, an die Kommission auf das Konto „Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft“ ein Zwangsgeld in Höhe von 57 761 250 Euro für jeden Sechsmonatszeitraum ab der Verkündung des genannten Urteils, an dessen Ende das Urteil vom 11. Juni 1991 noch nicht vollständig durchgeführt ist, zu zahlen.

30      Aus dem Tenor des Urteils vom 12. Juli 2005 ergibt sich, dass der Gerichtshof im Rahmen des besonderen gerichtlichen Verfahrens der Durchführung von Urteilen nach Art. 228 Abs. 2 EG, das als Vollstreckungsverfahren anzusehen ist (Urteil vom 12. Juli 2005, Randnr. 92), sowohl die Höhe des Zwangsgelds als auch die Verwaltungsbehörde, die mit seiner Erhebung betraut ist, genau bestimmt hat.

31      Unter Einhaltung des im Vertrag vorgesehenen Verfahrens hat der Gerichtshof auf eine Klage der Kommission nach Art. 226 EG die Französische Republik mit Urteil vom 11. Juni 1991 wegen Vertragsverletzung verurteilt. Auf eine Klage der Kommission nach Art. 228 EG hat der Gerichtshof festgestellt, dass dieses erste Urteil nicht durchgeführt worden ist, und die Französische Republik zur Zahlung eines Zwangsgelds und eines Pauschalbetrags verurteilt, um sie zu veranlassen, dem Urteil vom 11. Juni 1991 so bald wie möglich nachzukommen.

32      Nach den Art. 226 EG bis 228 EG kann sich nur aus einem Urteil des Gerichtshofs ergeben, welche Rechte und Pflichten die Mitgliedstaaten haben und wie ihr Verhalten zu beurteilen ist (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Kommission/Deutschland, C‑191/95, Slg. 1998, I‑5449, Randnr. 45; vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 27. Mai 1981, Essevi und Salengo, 142/80 und 143/80, Slg. 1981, 1413, Randnrn. 15 f.). Da der Gerichtshof die Pflichten der Französischen Republik im Urteil vom 12. Juli 2005 klar festgestellt hat, würde es dem Geist des Vertrags und dem Ziel des in Art. 228 EG vorgesehenen Mechanismus widersprechen, wenn die Kommission eine neue auf Art. 226 EG gegründete Vertragsverletzungsklage zu erheben hätte.

33      Durch das Urteil vom 12. Juli 2005 ist zum einen der Pauschalbetrag, zu dem die Französische Republik verurteilt worden ist, sofort fällig geworden, da er eine Sanktion für die Verspätung der Französischen Republik bei der vollständigen Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 ist, und zum anderen war für die Zahlung des eventuellen Zwangsgelds die halbjährliche Feststellung der Kommission erforderlich, dass dieses Urteil nicht vollständig durchgeführt worden ist. Das Urteil vom 12. Juli 2005 gibt im Rahmen des Art. 228 EG der Kommission die Befugnis, diese Feststellung eigenständig zu treffen, und die Französische Republik hat die Möglichkeit, die Feststellung der fehlenden Durchführung mit einer Nichtigkeitsklage vor dem Gericht anzufechten, wie dies in der vorliegenden Rechtssache der Fall war. Im Rahmen dieser Klage hat die Französische Republik die Möglichkeit, nachzuweisen, dass die Kommission die Grenzen des Auftrags des Gerichtshofs überschritten hat und dass nach jeder halbjährlichen Feststellung spezifische Maßnahmen ergriffen wurden, um die vollständige Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991, das ihre Vertragsverletzung festgestellt hatte, sicherzustellen.

34      Außerdem stellt die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1) in der Form der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1065/2002 (ABl. L 357, S. 1) eine Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung in Bezug auf die Erhebung eines Zwangsgelds und eines Pauschalbetrags dar. Das Urteil vom 12. Juli 2005 verurteilt die Französische Republik nämlich, ein Zwangsgeld und einen Pauschalbetrag an die Kommission auf das Konto „Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft“ zu zahlen.

35      Art. 274 EG bestimmt: „Die Kommission führt den Haushaltsplan gemäß der nach Art. 279 festgelegten Haushaltsordnung … aus.“ Im Übrigen sieht Art. 60 der Verordnung Nr. 1605/2002 vor, dass dem Anweisungsbefugten die Ausführung der Einnahmen obliegt, u. a. die Feststellung der Forderungen und die Erteilung der Einziehungsanordnungen. Schließlich sieht Art. 78 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2342/2002 vor, dass die Feststellung einer Forderung durch den Anweisungsbefugten die Anerkennung des Anspruchs der Gemeinschaften gegenüber einem Schuldner und die Ausstellung des Titels, mit dem von diesem Schuldner die Begleichung seiner Schuld gefordert wird, ist.

36      Im vorliegenden Fall prüft die Anordnungsbefugte, d. h. gemäß Art. 59 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1605/2002 die Kommission, das Bestehen der Schuld, und wenn die Fälligkeitsvoraussetzungen der Schuld erfüllt sind, fordert sie von der Französischen Republik in Durchführung des Urteils des Gerichtshofs die Zahlung.

37      Da ein nach Art. 228 Abs. 2 EG erlassenes Urteil des Gerichtshofs einen Mitgliedstaat dazu verurteilt, an die Kommission auf das Konto „Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaft“ ein Zwangsgeld zu zahlen, und da die Kommission nach Art. 274 EG den Haushalt ausführt, ist es deren Sache, die Beträge, die dem Haushalt der Union in Durchführung des Urteils geschuldet werden, gemäß den Bestimmungen der in Durchführung von Art. 279 EG erlassenen Verordnungen zu erheben (Urteil Portugal/Kommission, Randnr. 62).

38      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission grundsätzlich zuständig ist, die Zahlung eines vom Gerichtshof festgesetzten Zwangsgelds zu verlangen, und dass infolgedessen der Klagegrund der Unzuständigkeit der Kommission zurückzuweisen ist.

39      Die Französische Republik hat jedoch in ihrer Antwort auf die Frage des Gerichts und in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Kommission zwar die Maßnahmen, die der Mitgliedstaat ergriffen hat, um dem Urteil des Gerichtshofs nachzukommen, beurteilen könne, „doch [müsse] sie sich maximal auf eine Prüfung der offensichtlichen Nichtdurchführung des Urteils des Gerichtshofs beschränken“.

40      Insoweit ergibt sich aus Randnr. 82 des Urteils Portugal/Kommission, dass die Ausübung dieser Beurteilungsbefugnis durch die Kommission weder die Rechte – und insbesondere die Verfahrensrechte – der Mitgliedstaaten, wie sie sich aus dem durch Art. 226 EG eingeführten Verfahren ergeben, noch die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Entscheidung über die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht beeinträchtigen darf. Es ist somit insbesondere im Rahmen des dritten Klagegrundes der Französischen Republik, mit dem die unrichtige Beurteilung der ergriffenen Maßnahmen gerügt wird, zu prüfen, ob die Kommission die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Grenzen ihrer Beurteilungsbefugnis eingehalten hat.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Verteidigungsrechte

41      Die Französische Republik wirft der Kommission vor, sie habe ihr nicht die Gelegenheit gegeben, vor Erlass der angefochtenen Entscheidung sachgerecht zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen, Rügen und Umstände Stellung zu nehmen. Um sachgerecht Stellung nehmen zu können, hätte die Kommission ihr die Kriterien nennen müssen, die sie heranzuziehen beabsichtigte, um zu beurteilen, ob die Französische Republik das Urteil vom 12. Juli 2005 vollständig durchgeführt habe.

42      Zwar gibt Art. 228 EG keine Frist an, innerhalb deren ein Urteil des Gerichtshofs, das eine Vertragsverletzung feststellt, durchgeführt sein muss. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt jedoch das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, dass diese Durchführung sofort in Angriff genommen und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen wird (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich, C‑121/07, Slg. 2008, I‑9159, Randnr. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Aus dem Geist des Vertrags und dem Zusammenspiel zwischen den Art. 226 EG und 228 EG ergibt sich, dass ein Urteil des Gerichtshofs, das eine Vertragsverletzung feststellt, und ein darauf folgendes Urteil, in dem die fehlende vollständige Durchführung des ersten Urteils festgestellt wird, als rechtlicher Rahmen angesehen werden müssen, der es dem Mitgliedstaat ermöglicht, genau die Maßnahmen festzustellen, die durchgeführt werden müssen, um dem Unionsrecht zu entsprechen.

44      Nach dem Urteil vom 12. Juli 2005 hätte die Französische Republik der Kommission die konkreten Ergebnisse früherer und eventueller neuer Maßnahmen vorlegen müssen, die es ermöglichen, die Vorwürfe, die der Gerichtshof als berechtigt angesehen hat, auszuräumen, und die somit die volle Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 beweisen. Zwar ist im Rahmen der Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit, die sich aus Art. 4 Abs. 3 EUV ergibt und die sowohl für die Mitgliedstaaten als auch für die Organe der Union gilt, immer ein konstruktiver Dialog zwischen einem Mitgliedstaat und der Kommission zu suchen, doch erfordert eine neue Verurteilung durch den Gerichtshof, dass der Mitgliedstaat tätig wird, um seinen Verpflichtungen aus dem Unionsrecht nachzukommen, und die Kommission im Hinblick auf ihre Rolle als Organ, das mit der Überwachung der ordnungsgemäßen Umsetzung dieses Rechts durch die Mitgliedstaaten betraut ist, zu informieren.

45      Was die Beurteilung der ordnungsgemäßen Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 betrifft, wurden die zu diesem Zweck herangezogenen Kriterien vom Gerichtshof im Urteil vom 12. Juli 2005 bestimmt. Außerdem wurden diese Kriterien von der Kommission bei dem Treffen vom 18. Juli 2005 und in ihrer Note vom 28. September 2005, d. h. innerhalb eines angemessenen Zeitraums von etwas über zwei Monaten nach der Verkündung des Urteils vom 12. Juli 2005, explizit genannt, wodurch den französischen Behörden zweimal die Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den herangezogenen Kriterien zu äußern. Jedenfalls hat der Umstand, dass diese der Ansicht sind, dass es ihnen nicht möglich gewesen sei, zur Sachdienlichkeit der Kriterien Stellung zu nehmen, keinerlei Auswirkung auf die Tatsache, dass sie das Urteil vom 11. Juni 1991 im Licht des Urteils vom 12. Juli 2005 beim Ablauf des ersten Sechsmonatszeitraums noch immer nicht vollständig durchgeführt hatten.

46      Die ersten Nachprüfungen fanden im Oktober 2005 statt, d. h. drei Monate nach dem Urteil vom 12. Juli 2005, und die Berichte über diese Prüfungen wurden Ende Dezember, d. h. innerhalb eines angemessenen Zeitraums von zwei Monaten nach den Prüfungen vor Ort, übermittelt. Die von der Französischen Republik beantragten Fristverlängerungen wurden von der Kommission gewährt. Im Übrigen wurde die angefochtene Entscheidung schließlich am 1. März 2006 erlassen, d. h. eineinhalb Monate nach Ablauf des ersten Sechsmonatszeitraums, der vom Gerichtshof auf den 12. Januar 2006 festgelegt worden war, und im Anschluss an weitere Prüfungen vor Ort durch die Kommission, ohne dass die Französische Republik eine neue Verlängerung beantragt hätte.

47      Insoweit ist der Hinweis von Bedeutung, dass die Kommission zwar zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten verpflichtet ist, um die Durchführung des Unionsrechts zu erleichtern, doch kann ihr im Rahmen dieses Dialogs nicht der Ablauf einer ersten Fälligkeitsfrist vorgeworfen werden, an deren Ende ein Mitgliedstaat ein Zwangsgeld wegen nicht vollständiger Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils zahlen muss.

48      Folglich ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen die Verteidigungsrechte zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Maßnahmen, die ergriffen wurden, um den Urteilen des Gerichtshofs nachzukommen

49      Die Französische Republik ist der Ansicht, sie habe das Urteil vom 12. Juli 2005 vollständig durchgeführt.

50      Zunächst ist zu betonen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 12. Juli 2005 die nicht vollständige Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 festgestellt hat, das die Nichterfüllung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen durch die Französische Republik betraf. Dieser Feststellung ist zu entnehmen, dass jede von der Französischen Republik genannte Maßnahme, sei es gegenüber der Kommission bei der ersten Halbjahresbeurteilung oder vor dem Gericht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens, nur insoweit erheblich ist, als sie die Vorlage konkreter Ergebnisse im Hinblick auf die Beurteilung der vollständigen Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 betrifft und eine Erwiderung auf die Vorwürfe, die vom Gerichtshof als berechtigt angesehen wurden, ermöglicht. Am 12. Juli 2005 hat der Gerichtshof nämlich den Fortbestand der Vertragsverletzung festgestellt.

51      Ferner ist klarzustellen, dass ein eventueller Beurteilungsfehler der Kommission nur erheblich wäre, wenn die Französische Republik nachgewiesen hätte, dass sie das Urteil vom 11. Juni 1991 vollständig durchgeführt hat. Eine teilweise Durchführung würde sich auf die Fälligkeit des Zwangsgelds nicht auswirken, da der Gerichtshof ausdrücklich entschieden hat, dass die Französische Republik in dem Fall, dass das Urteil vom 11. Juni 1991 sechs Monate nach der Verkündung des Urteils vom 12. Juli 2005 nicht vollständig durchgeführt ist, und für jeden folgenden Sechsmonatszeitraum ein Zwangsgeld von 57 761 250 Euro zu zahlen hat. Die Französische Republik war nämlich verpflichtet, das Urteil vom 11. Juni 1991 vor dem 12. Januar 2006 vollständig durchzuführen.

52      Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass in dem Fall, dass die Kommission ernsthafte und berechtigte Zweifel hinsichtlich der von den Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen hat, der Mitgliedstaat ihre Feststellungen nur dadurch erschüttern kann, dass er seine Behauptungen auf Umstände stützt, mit denen das Vorhandensein eines zuverlässigen und funktionierenden Kontrollsystems nachgewiesen wird. Es obliegt ihm nämlich, die tatsächliche Durchführung seiner Kontrollen eingehend und vollständig nachzuweisen und so gegebenenfalls die Fehlerhaftigkeit der Feststellungen der Kommission darzutun (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 2005, Griechenland/Kommission, C‑387/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies gilt umso mehr in einem Verfahren der Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils des Gerichtshofs, da es dem Mitgliedstaat obliegt, nachzuweisen, dass er die Vertragsverletzung beendet hat.

53      Im Rahmen der Durchführung eines Urteils des Gerichtshofs, mit dem einem Mitgliedstaat ein Zwangsgeld auferlegt wird, muss die Kommission nämlich die Maßnahmen beurteilen können, die der Mitgliedstaat erlassen hat, um dem Urteil des Gerichts nachzukommen, damit insbesondere vermieden werden kann, dass der Mitgliedstaat, der seine Verpflichtungen verletzt hat, sich darauf beschränkt, Maßnahmen zu ergreifen, die in Wirklichkeit den gleichen Inhalt wie diejenigen haben, die Gegenstand des Urteils des Gerichtshofs waren (Urteil Portugal/Kommission, Randnr. 81).

54      Die Ausübung dieser Beurteilungsbefugnis darf jedoch weder die Rechte – und insbesondere die Verfahrensrechte – der Mitgliedstaaten, wie sie sich aus dem durch Art. 226 EG eingeführten Verfahren ergeben, noch die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Entscheidung über die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht beeinträchtigen (Urteil Portugal/Kommission, Randnr. 82).

55      Somit muss die Kommission vor Erhebung eines Zwangsgelds prüfen, ob die Vorwürfe, die vom Gerichtshof in einem Urteil nach Art. 228 EG als berechtigt angesehen wurden, an dem vom Gerichtshof festgesetzten Tag weiterhin bestehen.

56      Der Gerichtshof sah im Urteil vom 11. Juni 1991 fünf Vorwürfe gegen die Französische Republik als berechtigt an:

–        Unzulänglichkeit der Kontrollen in Bezug auf die Mindestmaschenöffnungen der Netze (Randnrn. 12 bis 15 des Urteils);

–        Unzulänglichkeit der Kontrollen in Bezug auf die Anbringung von Vorrichtungen an den Netzen, die nach der Gemeinschaftsregelung verboten sind (Randnrn. 16 f. des Urteils);

–        Verletzung der Kontrollpflichten im Bereich der Beifänge (Randnrn. 18 f. des Urteils);

–        Verletzung der Kontrollpflichten in Bezug auf die Einhaltung der technischen Erhaltungsmaßnahmen, die den Verkauf untermaßiger Fische verbieten (Randnrn. 20 bis 23 des Urteils);

–        Verletzung der Pflicht zur Verfolgung von Verstößen (Randnr. 24 des Urteils).

57      Im Urteil vom 12. Juli 2005 hat der Gerichtshof die Vorwürfe bestätigt, die die Fortdauer einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch die Französische Republik feststellen:

–        eine unzulängliche Kontrolle (Randnrn. 44 bis 62);

–        unzureichende Verfolgung (Randnrn. 69 bis 74).

58      Der Gerichtshof weist in den Randnrn. 32 bis 38 des Urteils vom 12. Juli 2005 darauf hin, dass die Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 des Rates vom 12. Oktober 1993 zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik (ABl. L 261, S. 1) genaue Angaben zum Inhalt der von den Mitgliedstaaten zu treffenden Maßnahmen enthält, die dazu dienen müssen, sich über die Ordnungsmäßigkeit der Fischereitätigkeiten zu vergewissern, um etwaige Unregelmäßigkeiten sowohl zu verhindern als auch zu ahnden. Dieses Ziel macht es erforderlich, dass die getroffenen Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

59      Die Französische Republik kann somit nicht überzeugend behaupten, keine genaue Kenntnis von der Vertragsverletzung und den Maßnahmen zu haben, die erforderlich sind, um die Beachtung des Gemeinschaftsrechts und die vollständige Durchführung der Urteile des Gerichtshofs sicherzustellen.

60      Weiter ist zu prüfen, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung genügend Beweise für die Fortdauer der beiden Vorwürfe beigebracht hat, die der Gerichtshof im Urteil vom 12. Juli 2005 als berechtigt angesehen hat.

 Zur Unzulänglichkeit der Kontrolle

61      Im zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wird ausgeführt, dass die Sachverhalte und Verhaltensweisen, die den Gerichtshof veranlasst haben, in den Urteilen vom 11. Juni 1991 und 12. Juli 2005 festzustellen, dass die Französische Republik ihre Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verletzt hat, am Ende des Jahres 2005 und zu Beginn des Jahres 2006 fortdauerten. Durch dieses Vorgehen hat die Kommission keine neue Vertragsverletzung festgestellt, sondern das Fehlen einer bedeutenden Änderung der Feststellungen, die der Gerichtshof in den beiden oben angeführten Urteilen getroffen hat. Die Französische Republik musste aber für die vollständige Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 das Verhalten ändern, das eine Nichtbeachtung der Unionsgesetzgebung zur Folge hatte. Somit kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, in der angefochtenen Entscheidung diese Feststellungen getroffen zu haben. Diese Feststellungen sind vielmehr geeignet, erforderlichenfalls bei den französischen Behörden zu klären, welches die Verhaltensweisen sind, die zur Fortdauer der Vertragsverletzung führen, die der Gerichtshof schon am 11. Juni 1991 festgestellt hat, indem sie ihnen erlauben, die Maßnahmen zu bestimmen, die erforderlich sind, um in Zukunft besser Abhilfe zu schaffen.

62      Das gilt umso mehr, als der Gerichtshof im Urteil vom 12. Juli 2005 auf die Schwere des Verstoßes und insbesondere die Folgen der Nichterfüllung der Verpflichtungen für die gemeinsame Fischereipolitik hingewiesen hat. Es besteht ein öffentliches Interesse an einer rationellen, verantwortungsvollen und dauerhaften Bewirtschaftung der Meeresressourcen unter wirtschaftlichen und sozial angemessenen Bedingungen. In diesem Zusammenhang erweist sich der Schutz junger Meerestiere als ausschlaggebend für die Wiederauffüllung der Bestände. Die Nichtbeachtung der durch die gemeinsame Politik vorgesehenen technischen Erhaltungsmaßnahmen, insbesondere der Anforderungen an die Mindestgröße der Fische, stellt somit eine ernsthafte Bedrohung für die Erhaltung bestimmter Arten und bestimmter Fischgründe dar und gefährdet die Verfolgung des grundlegenden Zieles der gemeinsamen Fischereipolitik (Urteil vom 12. Juli 2005, Randnr. 105).

63      Die Französische Republik beanstandet im Wesentlichen die Qualität der von der Kommission durchgeführten Inspektionen, ohne jedoch nachzuweisen, dass diese auf irgendeine Art und Weise Einfluss auf die Praxis der zuständigen französischen Behörden hatten und zur nicht vollständigen Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 beitrugen. Im Übrigen kann der Feststellung der Kommission, dass es an einer wirksamen Integration der Kontrollen auf den verschiedenen Ebenen der Branche, insbesondere durch einen systematischen Datenabgleich, fehle, nicht durch die bloße Behauptung der Französischen Republik unter Bezugnahme auf ein Rundschreiben vom 30. Mai 2005 widersprochen werden, dieser Datenabgleich sei eine „regelmäßige Praxis der Dienststellen“.

64      Die anlässlich einer Prüfung auf dem Markt von Rungis im Dezember 2005 getroffene Feststellung der fehlenden Kontrolle von Transportpapieren, die die Kenntnis der Herkunft der verschiedenen Sendungen und infolgedessen die Planung von Kontrollen ermöglicht hätte, und die anlässlich von Prüfungen in Guilvinec, Loctudy, Saint‑Gilles‑Croix-de‑Vie und La Cotinière im Februar 2006 getroffenen Feststellungen des Fehlens einer systematischen Kreuzvalidierung von Logbüchern, Anlandeerklärungen und Verkaufsabrechnungen durch nationale Inspektoren werden von der Französischen Republik nicht unmittelbar in Frage gestellt. Diese Feststellungen reichen als solche aus, um nachzuweisen, dass das Urteil vom 11. Juni 1991 nicht vollständig durchgeführt worden ist, und führen zur Fälligkeit des vom Gerichtshof auferlegten Zwangsgelds gemäß der angefochtenen Entscheidung.

65      Wie der Gerichtshof in den Randnrn. 51 f. des Urteils vom 12. Juli 2005 ausgeführt hat, lassen diese Anhaltspunkte den Schluss zu, dass mangels eines wirksamen Eingreifens der zuständigen nationalen Behörden eine Praxis des Verkaufs untermaßiger Fische fortbestand, die so dauerhaft und verbreitet war, dass sie aufgrund ihrer kumulativen Wirkung die mit der Gemeinschaftsregelung verfolgten Ziele der Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen ernsthaft zu beeinträchtigen vermochte.

66      Außerdem lassen die Ähnlichkeit und die Wiederholung der in allen Berichten festgestellten Sachverhalte den Schluss zu, dass diese Fälle nur die Folge einer strukturellen Unzulänglichkeit der von den französischen Behörden getroffenen Maßnahmen und folglich einer Verletzung der Pflicht dieser Behörden sein konnten, die nach der Gemeinschaftsregelung vorgeschriebenen wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Kontrollen vorzunehmen (vgl. Urteil vom 12. Juli 2005, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Die Feststellungen der Inspektoren der Kommission bei den Prüfungen im Dezember 2005 und Februar 2006 in Bezug auf die fehlende Beherrschung grundlegender Kontrolltechniken, das Fehlen ausreichender Kenntnisse der Gemeinschaftsregelung und die fehlende Kenntnis der Techniken zum Messen von Fischen und der biologischen Unterschiede, die eine Unterscheidung der verschiedenen Regelungen unterliegenden Arten ermöglicht, bei den französischen Inspektoren können durch die Fortbildungsmaßnahmen, die die Französische Republik vor der Durchführung der Prüfungen vor Ort beschlossen hat, nicht in Frage gestellt werden.

68      Zwar tragen solche Maßnahmen wahrscheinlich zur vollständigen Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 in der Zukunft bei, doch hat die Kommission sechs Monate nach dem Urteil vom 12. Juli 2005 festgestellt, dass die Qualität der Kontrollen unzureichend war, ohne dass die Französische Republik insoweit einen Gegenbeweis erbringt. Insbesondere die fehlende Kontrolle der Borddokumente macht den Vergleich der Mengen an untermaßigen Fischen, die in der Anlandeerklärung festgestellt wurden, und denjenigen, die in der Verkaufsabrechnung angeführt sind, unmöglich und verhindert die Aufdeckung potenzieller Verstöße.

69      Die Schwierigkeiten der Kommission bei der Feststellung des pro Tag für die Kontrolltätigkeit verfügbaren Personals und bei der Überprüfung der Einhaltung des Kontrollsatzes von 1 % bei der Anlandung werden durch das Vorbringen der Französischen Republik nicht in Frage gestellt. Es geht nämlich nicht darum, eine theoretische Zahl des eventuell für die Durchführung von Kontrollen zur Verfügung stehenden Personals zu bestimmen, sondern die tatsächliche Zahl der qualifizierten Inspektoren, die im Zeitraum vom 12. Juli 2005 bis zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung systematische Kontrollen vor Ort durchführten. Dieses Personal kann aber nicht genau festgestellt werden, und der Kontrollsatz von 1 % bei der Anlandung, dem entscheidenden Zeitpunkt im Hinblick auf die Bestimmung der Mengen gefangener untermaßiger Fische, bleibt für die volle Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 unzureichend.

70      Da die Kommission hinreichende Anhaltspunkte für den Fortbestand der Vertragsverletzung geliefert hat, ist es schließlich und ganz allgemein Sache des betroffenen Mitgliedstaats, die vorgelegten Angaben und deren Konsequenzen substantiiert und ausführlich zu bestreiten (vgl. Urteil vom 12. Juli 2005, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Selbst wenn die divergierenden Angaben der Französischen Republik als Anhaltspunkte für eine Verbesserung der Situation angesehen werden könnten, so ändert dies doch nichts daran, dass die unternommenen Anstrengungen die festgestellten Verstöße nicht entschuldigen können (vgl. Urteil vom 12. Juli 2005, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zur unzureichenden Verfolgung von Verstößen

72      Die Kommission wirft der Französischen Republik vor, Verstöße nicht systematisch zu verfolgen und keinen detaillierten Bericht über die durchgeführten Kontrollen zu erstellen. So wurden für den untermaßigen Merlu nach den Protokollen, die im Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 12. Januar 2006 erstellt wurden, keine Strafmaßnahmen ergriffen, und dies wird von den französischen Behörden nicht widerlegt.

73      Die Französische Republik legt in ihren Schreiben die mit ihrer internen Organisation zusammenhängenden Gründe dar, die sie daran gehindert hätten, gewisse von der Kommission geforderte Informationen vorzulegen, wie z. B. den Stand der vor 2004 eingeleiteten Gerichtsverfahren, oder die sie gezwungen hätten, Teilinformationen zu liefern. Diese Erklärungen bestätigen letztlich die Unvollständigkeit der übermittelten Informationen und ganz allgemein das Unvermögen der französischen Behörden, die Wirksamkeit des nationalen Systems zur Verfolgung und Bestrafung von Verstößen gegen die Regeln betreffend untermaßige Fische nachzuweisen.

74      Da, wie der Gerichtshof in Randnr. 70 des Urteils vom 12. Juli 2005 ausgeführt hat, erwiesen ist, dass die nationalen Behörden Verstöße, obwohl sie feststellbar gewesen wären, nicht erfasst und gegen Zuwiderhandelnde keine Protokolle erstellt haben, haben diese Behörden gegen ihre Verfolgungspflicht nach der Gemeinschaftsregelung verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 1991, Kommission/Frankreich, Randnr. 24).

75      Unter diesen Umständen sind die Informationen der französischen Regierung im Hinblick auf die ausführlichen Angaben der Kommission nicht substantiiert genug, um zu belegen, dass ihre zur Verfolgung von Verstößen gegen die Fischereiregelung getroffenen Maßnahmen die erforderliche Effektivität, Verhältnismäßigkeit und Abschreckungswirkung aufweisen, um ihrer Verpflichtung zu genügen, die Wirksamkeit der Gemeinschaftsregelung zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2005, Randnrn. 37, 38 und 73).

76      Somit hat zum einen die Französische Republik nicht nachgewiesen, dass die angefochtene Entscheidung mit einem Beurteilungsfehler behaftet ist, und zum anderen hat die Kommission ihre Befugnisse nicht überschritten, da sie sich im Rahmen der angefochtenen Entscheidung darauf beschränkt hat, den Fortbestand der beiden Vorwürfe nachzuweisen, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 12. Juli 2005 als berechtigt angesehen hat. Der dritte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Pflicht der Kommission, ein niedrigeres Zwangsgeld festzusetzen

77      Nach Ansicht der Französischen Republik hätte die Kommission die Anstrengungen, die sie unternommen habe, um das Urteil vom 12. Juli 2005 vollständig umzusetzen, berücksichtigen und infolgedessen das vom Gerichtshof festgesetzte Zwangsgeld herabsetzen müssen.

78      Im Urteil vom 12. Juli 2005 hat der Gerichtshof ein festes Zwangsgeld festgesetzt, das nach jedem Sechsmonatszeitraum, beginnend mit der Verkündung des Urteils, an dessen Ende das Urteil vom 11. Juni 1991 noch nicht vollständig durchgeführt ist, fällig wird. Daraus ist der Schluss zu ziehen, das eine teilweise Durchführung keinen Anspruch auf Herabsetzung des Zwangsgelds verleiht.

79      Der Gerichtshof hat als Zwangsgeld ausdrücklich einen „festen Betrag“ und keinen „degressiven Betrag“ wie im Urteil vom 25. November 2003, Kommission/Spanien (C‑278/01, Slg. 2003, I‑14141, Randnrn. 49 bis 62), festgesetzt. Die Kommission, die durch das Urteil des Gerichtshofs gebunden ist, war somit nicht befugt, die Höhe des Zwangsgelds herabzusetzen.

80      Somit hatte die Französische Republik trotz eventueller Fortschritte bei der Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 dieses am 1. März 2006 noch immer nicht vollständig durchgeführt. Das Zwangsgeld in Höhe von 57 761 250 Euro war somit in vollem Umfang fällig.

81      Was im Übrigen die hilfsweise Frage einer eventuellen Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung und zur Herabsetzung des Zwangsgelds durch das Gericht selbst betrifft, ist festzustellen, dass die eventuelle Festsetzung eines Zwangsgelds und seiner Höhe bei Nichtdurchführung eines Vertragsverletzungsurteils in die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt. Es würde somit der Kohärenz des Vertrags zuwiderlaufen, wenn das Gericht es im Rahmen einer Nichtigkeitsklage herabsetzte. Schließlich ist nach Art. 229 EG eine ausdrückliche Befugnis erforderlich. Eine solche ist aber weder dem Wortlaut von Art. 226 EG noch dem von Art. 228 EG zu entnehmen.

82      Nach alledem ist der Klagegrund einer Pflicht der Kommission zur Herabsetzung des Zwangsgelds und hilfsweise der Befugnis des Gerichts, diese Herabsetzung selbst vorzunehmen, zurückzuweisen.

83      Infolgedessen ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

84      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 87 § 4 Abs. 1 tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

85      Da die Französische Republik unterlegen ist, ist sie entsprechend dem Antrag der Kommission zur Tragung ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission zu verurteilen. Das Vereinigte Königreich trägt seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten.

Moavero Milanesi

Wahl

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Oktober 2011.

Unterschriften


*Verfahrenssprache: Französisch.