Language of document : ECLI:EU:T:2016:6

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

14. Januar 2016(*)

„Landwirtschaft – Ausfuhrerstattung – Geflügelfleisch – Festsetzung der Erstattung auf 0 Euro – Begründungspflicht – Möglichkeit der Kommission, sich auf eine Standardbegründung zu beschränken – Übliche Praxis der Kommission bei der Festsetzung der Erstattungen – Art. 164 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 – Nicht erschöpfender Charakter der vorgesehenen Kriterien“

In der Rechtssache T‑549/13

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas und C. Candat als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch D. Bianchi und K. Skelly als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 689/2013 der Kommission vom 18. Juli 2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. L 196, S. 13)

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich (Berichterstatter) sowie des Richters J. Schwarcz und der Richterin V. Tomljenović

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2015

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Mit der vorliegenden Klage beantragt die Französische Republik die Nichtigerklärung eines von der Europäischen Kommission erlassenen Rechtsakts, durch den diese die Ausfuhrerstattungen im Geflügelfleischsektor für drei Kategorien ganzer gefrorener Hähnchen auf null festgesetzt hat.

2        Die für Ausfuhrerstattungen geltenden Grundsätze sind in der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (ABl. L 299, S. 1) in ihrer geänderten Fassung enthalten.

3        Kapitel III („Ausfuhren“) des Teils III („Handel mit Drittländern“) der Verordnung Nr. 1234/2007 enthält einen Abschnitt II („Ausfuhrerstattungen“), der sich mit diesen Erstattungen befasst. Um die Ausfuhr u. a. von Erzeugnissen des Geflügelfleischsektors auf der Grundlage der Notierungen oder Preise, die auf dem Weltmarkt gelten, zu ermöglichen, bestimmt Art. 162 dieser Verordnung, dass der Unterschied zwischen diesen Notierungen oder Preisen und den Preisen in der Europäischen Union innerhalb der Grenzen der nach Art. 218 AEUV geschlossenen Abkommen durch eine Erstattung bei der Ausfuhr ausgeglichen werden kann.

4        Nach Art. 164 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2007 ist die Ausfuhrerstattung für die gesamte Union gleich. Nach Abs. 2 dieses Artikels werden die Ausfuhrerstattungen von der Kommission festgesetzt, wobei die Festsetzung in regelmäßigen Zeitabständen oder, für bestimmte Erzeugnisse, im Wege der Ausschreibung erfolgen kann. Dieser Absatz sieht ferner vor, dass außer bei einer Festsetzung im Wege der Ausschreibung die Liste der erstattungsfähigen Erzeugnisse und der Betrag der Erstattung mindestens einmal alle drei Monate festgesetzt werden.

5        Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 lautet:

„Die Ausfuhrerstattungen werden je nach Erzeugnis unter Berücksichtigung eines oder mehrerer der folgenden Faktoren festgesetzt:

a)      Lage und voraussichtliche Entwicklung

–        der Preise und der verfügbaren Mengen der betreffenden Erzeugnisse auf dem Gemeinschaftsmarkt,

–        der Preise der betreffenden Erzeugnisse auf dem Weltmarkt;

b)      Ziele der gemeinsamen Marktorganisation, die auf dem Markt für das jeweilige Erzeugnis die Ausgewogenheit und natürliche Entwicklung von Preisen und Handel gewährleisten sollen;

c)      Notwendigkeit, Störungen zu vermeiden, die zu einem länger anhaltenden Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Markt der Gemeinschaft führen können;

d)      wirtschaftlicher Aspekt der geplanten Ausfuhren;

e)      Beschränkungen aufgrund der gemäß Artikel [218 AEUV] geschlossenen Abkommen;

f)      Notwendigkeit, zwischen der Verwendung der Grunderzeugnisse aus der Gemeinschaft im Hinblick auf die Ausfuhr von Verarbeitungserzeugnissen in Drittländer und der Verwendung der zum Veredelungsverkehr zugelassenen Erzeugnisse dieser Länder ein Gleichgewicht herzustellen;

g)      günstigste Vermarktungskosten und Kosten für den Transport von Märkten der Gemeinschaft zu den Ausfuhrhäfen oder sonstigen Ausfuhrorten der Gemeinschaft sowie Heranführungskosten zum Bestimmungsland;

h)      Nachfrage auf dem Markt der Gemeinschaft;

i)      bei Schweinefleisch, Eiern und Geflügelfleisch: Unterschied zwischen den Preisen in der Gemeinschaft und den Preisen auf dem Weltmarkt für die Menge des Futtergetreides, die in der Gemeinschaft für die Produktion in diesen Sektoren erforderlich ist.“

6        In Übereinstimmung mit diesen Regeln setzte die Kommission im Wege von Durchführungsverordnungen in regelmäßigen Abständen den Betrag der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch fest.

7        Seit dem Erlass der Verordnung (EU) Nr. 525/2010 der Kommission vom 17. Juni 2010 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. L 152, S. 5) wurde der Erstattungsbetrag für drei Kategorien gefrorener Hähnchen schrittweise gesenkt. Der Betrag der Ausfuhrerstattungen wurde zunächst von 40 Euro/100 kg auf 32,50 Euro/100 kg verringert. Nachdem dieser Betrag von acht aufeinanderfolgenden Durchführungsverordnungen beibehalten worden war, wurde er mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 962/2012 der Kommission vom 18. Oktober 2012 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. L 288, S. 6) auf 21,70 Euro/100 kg gesenkt.

8        Eine weitere Reduzierung erfolgte mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 33/2013 der Kommission vom 17. Januar 2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. L 14, S. 15), wodurch der Erstattungsbetrag für die drei betreffenden Kategorien gefrorener Hähnchen auf 10,85 Euro/100 kg gesenkt wurde. Dieser Betrag wurde anschließend von der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 360/2013 der Kommission vom 18. April 2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. L 109, S. 27) beibehalten.

9        Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 689/2013 vom 18. Juli 2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. L 196, S. 13, im Folgenden: angefochtene Verordnung) setzte die Kommission u. a. die Ausfuhrerstattungen für drei Kategorien gefrorener Hähnchen mit den Erzeugniscodes 0207 12 10 9900, 0207 12 90 9190 und 0207 12 90 9990 auf null fest.

10      Der Erstattungsbetrag für die sechs anderen im Anhang der angefochtenen Verordnung genannten Erzeugnisse – im Wesentlichen Küken –, der in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1056/2011 der Kommission vom 20. Oktober 2011 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. L 276, S. 31) auf null festgesetzt worden war, wurde nicht geändert.

11      Dem Anhang der angefochtenen Verordnung zufolge handelt es sich bei den von den Ausfuhrerstattungen betroffenen Bestimmungsländern insbesondere um Länder des Nahen Ostens.

12      Außerdem hob die angefochtene Verordnung die Verordnung Nr. 360/2013 auf, mit der die Höhe der Erstattungen für den in Rede stehenden Sektor bislang festgesetzt worden war.

13      Die Erwägungsgründe 1 bis 3 der angefochtenen Verordnung lauten:

„(1)      Gemäß Artikel 162 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 kann der Unterschied zwischen den Weltmarktpreisen und den Preisen in der Union für die in Anhang I Teil XX derselben Verordnung genannten Erzeugnisse durch eine Erstattung bei der Ausfuhr ausgeglichen werden.

(2)      Angesichts der derzeitigen Lage auf dem Geflügelfleischmarkt müssen die Ausfuhrerstattungen in Übereinstimmung mit den Regeln und Kriterien der Artikel 162, 163, 164, 167 und 169 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 festgesetzt werden.

(3)      Gemäß Artikel 164 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 kann die Erstattung je nach Zielbestimmung unterschiedlich festgesetzt werden, wenn dies die Lage auf dem Weltmarkt oder die spezifischen Anforderungen bestimmter Märkte erfordern oder aufgrund der Verpflichtungen aus den in Übereinstimmung mit Artikel [218 AEUV] geschlossenen Übereinkommen notwendig ist.“

 Verfahren und Anträge der Parteien

14      Die Französische Republik hat mit Klageschrift, die am 14. Oktober 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

15      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 seiner Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 die Parteien aufgefordert, schriftlich Fragen zu beantworten. Die Parteien sind dem fristgerecht nachgekommen.

16      Die Französische Republik beantragt,

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        die Kostenentscheidung vorzubehalten.

 Rechtliche Würdigung

18      Die Französische Republik führt zwei Klagegründe an, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV und zweitens einen Verstoß gegen Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 geltend macht.

1.     Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV

19      Die Französische Republik macht geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Verordnung ihre Erwägungen nicht klar und eindeutig erkennen lassen, so dass die Betroffenen ihre Rechte nicht hätten verteidigen können und das Gericht seine Kontrolle nicht hätte ausüben können. Die Kommission hätte ihre Erwägungen ausdrücklich darlegen müssen, da die angefochtene Verordnung erheblich über die vorangegangenen Verordnungen hinausgegangen sei.

20      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Französischen Republik entgegen.

 Zur Rechtsprechung betreffend die Begründungspflicht

21      Nach ständiger Rechtsprechung muss die gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 15. April 1997, Irish Farmers Association u. a., C‑22/94, Slg, EU:C:1997:187, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung des Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 Abs. 2 AEUV genügt, nicht nur anhand von dessen Wortlaut zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, Slg, EU:C:2003:125, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Ferner hängt nach ständiger Rechtsprechung der Umfang der Begründungspflicht von der Rechtsnatur der betreffenden Maßnahme ab; bei Rechtsakten mit allgemeiner Geltung kann sich die Begründung darauf beschränken, die Gesamtlage anzugeben, die zum Erlass der Maßnahme geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihr erreicht werden sollen (vgl. Urteil vom 9. September 2004, Spanien/Kommission, C‑304/01, Slg, EU:C:2004:495, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Außerdem müssen die Anforderungen, die an die Begründung einer Entscheidung zu stellen sind, den tatsächlichen Möglichkeiten sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen angepasst werden, unter denen die Entscheidung ergeht (Urteil vom 1. Dezember 1965, Schwarze, 16/65, Slg, EU:C:1965:117).

24      Zudem folgt aus der Rechtsprechung, dass eine Entscheidung, die eine ständige Entscheidungspraxis fortsetzt, summarisch, insbesondere unter Bezugnahme auf diese Praxis begründet werden kann (vgl. Urteil vom 14. Februar 1990, Delacre u. a./Kommission, C‑350/88, Slg, EU:C:1990:71, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteil vom 8. November 2001, Silos, C‑228/99, Slg, EU:C:2001:599, Rn. 28). Im vorgenannten Urteil Delacre u. a./Kommission (EU:C:1990:71, Rn. 19) hat der Gerichtshof befunden, dass unter den konkreten Umständen die Bezugnahme in der angefochtenen Entscheidung auf die geltenden Rechtsgrundlagen dem Begründungserfordernis genügte und die Änderung des in Rede stehenden Beihilfebetrags gegenüber den vorangegangenen Einzelausschreibungen nicht besonders begründet werden musste. In Rn. 17 dieses Urteils hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Festsetzung der Höchstbeihilfe „ein gleichförmiges Verfahren dar[stellte], das sich ungefähr alle 14 Tage wiederholt[e], wobei die Entscheidungen aufgrund ausdrücklicher Kriterien einer – überdies den betroffenen Kreisen bestens bekannten – Verordnung erg[ingen] und weder in der Art und Weise ihres Ergehens noch in ihrem Inhalt wesentlich voneinander abw[ichen].“

25      Dagegen muss die Unionsbehörde nach der Rechtsprechung ihre Erwägungen ausdrücklich darlegen, wenn die Entscheidung erheblich weiter geht als die früheren Entscheidungen (vgl. Urteil Delacre u. a./Kommission, oben in Rn. 24 angeführt, EU:C:1990:71, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil Silos, oben in Rn. 24 angeführt, EU:C:2001:599, Rn. 28).

26      Im von der Französischen Republik angeführten Urteil Silos (oben in Rn. 24 angeführt, EU:C:2001:599, Rn. 29) stellte der Gerichtshof fest, dass die Begründung einer Verordnung, mit der die Ausfuhrerstattungen für Getreide auf null festgesetzt wurden, nicht dem Begründungserfordernis genügte. Er befand, dass die Begründung dieser Verordnung, die mit der Begründung in der vorangegangenen Verordnung, mit der die Kommission den Betrag der Erstattungen für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse auf 74,93 ECU pro Tonne erhöht hatte, identisch war, keine eigene Erklärung für die Gründe lieferte, die die Kommission dazu veranlasst hatten, eine Woche nach Erlass jener Verordnung die besagten Erstattungen durch ihre Herabsetzung auf 0 ECU pro Tonne aufzuheben. Ferner führte der Gerichtshof in Rn. 30 dieses Urteils aus, dass die schlichte Bezugnahme auf die Möglichkeiten und Bedingungen des Absatzes auf dem Weltmarkt, auf das Erfordernis, Störungen auf dem Unionsmarkt zu verhindern, und auf den wirtschaftlichen Aspekt der Ausfuhren im Gegensatz zum Vortrag der Kommission keine hinreichende Begründung für eine Verordnung darstellte, die mit der üblichen Praxis der Kommission brach, den Erstattungsbetrag entsprechend der Differenz zwischen den Preisen der betroffenen Erzeugnisse auf dem Unionsmarkt und denjenigen auf dem Weltmarkt festzusetzen.

27      Jedoch ist festzustellen, dass nach der aus dem oben in Rn. 23 angeführten Urteil Schwarze (EU:C:1965:117) hervorgegangenen Rechtsprechung der Rückgriff auf Standardbegründungen im Bereich der Landwirtschaft unter bestimmten Umständen akzeptabel ist.

28      Außerdem ergibt sich aus dem oben in Rn. 24 angeführten Urteil Delacre u. a./Kommission (EU:C:1990:71, Rn. 15, 17 und 19), dass die Bezugnahme in der Begründung eines Rechtsakts „auf die geltenden Rechtsgrundlagen“ ausreichend sein kann, sofern dieser Rechtsakt Teil einer ständigen Entscheidungspraxis ist.

29      Wie Generalanwalt Geelhoed in Nr. 52 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Silos (C‑228/99, Slg, EU:C:2001:196) ausgeführt hat, ist unter „üblicher Praxis“ die ständige Verhaltensweise der Kommission im Licht der bestehenden Marktverhältnisse zu verstehen.

 Zur Frage der ausreichenden Begründung der angefochtenen Verordnung

30      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Begründung der angefochtenen Verordnung einer Standardbegründung entspricht. Wie die Französische Republik hervorhebt, ist diese Begründung mit derjenigen der vorangegangenen Verordnungen identisch, mit denen die Erstattungsbeträge jeweils auf 32,50 Euro/100 kg, 21,70 Euro/100 kg und 10,85 Euro/100 kg festgesetzt wurden (siehe oben, Rn. 7 und 8).

31      Angesichts der in regelmäßigen Abständen vorgenommenen Festsetzung des Ausfuhrerstattungsbetrags und des einheitlichen Verfahrens bei Erlass der jeweiligen Verordnungen ist festzustellen, dass eine Standardbegründung nach der oben in Rn. 24 angeführten Rechtsprechung zulässig ist, sofern die Kommission diesen Betrag in Übereinstimmung mit ihrer üblichen Praxis festsetzt. Im Übrigen räumt die Französische Republik in Rn. 31 der Klageschrift ein, dass die angefochtene Verordnung Teil einer ständigen Entscheidungspraxis ist und daher grundsätzlich summarisch begründet werden kann. Sie ist jedoch der Ansicht, die Kommission hätte ihre Erwägungen ausdrücklich darlegen müssen, da die angefochtene Verordnung erheblich über die vorangegangenen Verordnungen hinausgegangen sei.

32      Zu prüfen ist somit, ob die Kommission bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen in der angefochtenen Verordnung in Übereinstimmung mit ihrer üblichen Praxis gehandelt hat.

 Zur üblichen Praxis der Kommission

33      In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts hat die Kommission die von ihr bei Erlass der angefochtenen Verordnung befolgte Praxis auf dem Gebiet der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch detailliert erläutert.

34      Die Kommission wies u. a. darauf hin, dass ihre übliche Praxis darin bestanden habe, zum einen auf der Grundlage des Unterschieds zwischen den Preisen auf dem Unionsmarkt und denjenigen auf dem Weltmarkt eine theoretische Berechnung der Ausfuhrerstattungen durchzuführen, und zum anderen eine Analyse der Marktlage vorzunehmen.

35      Ferner erfolge die Berechnung des Preisunterschieds für ganze gefrorene Hähnchen zum einen auf der Grundlage des Unterschieds zwischen dem auf fob(frei an Bord)-Basis berechneten Selbstkostenpreis in Frankreich und dem Verkaufspreis am Bestimmungsort (ermittelter Weltmarktpreis), wobei es sich um den von den Marktteilnehmern mitgeteilten Preis handele, und zum anderen auf der Grundlage des Unterschieds zwischen dem auf fob-Basis berechneten Selbstkostenpreis in Frankreich und dem Preis in Brasilien, sofern dieser in aktualisierter Form vorliege.

36      Die von ihr durchgeführte Marktanalyse habe in einer möglichst vollständigen Sammlung von Wirtschaftsdaten für den Sektor bestanden, einschließlich insbesondere der Entwicklung des wöchentlichen Durchschnittspreises für Hähnchen in der Union, der prozentualen Veränderung der Hähnchenpreise, der Terminkurse für Sojabohnen, Mais und Futterweizen, der Umrechnungskurse, der Preise der Grundzutaten, der Entwicklungen des Mischfutters, der erwarteten und der tatsächlichen Erzeugung von Hähnchen sowie der Ein- und Ausfuhren.

37      Ferner erklärte die Kommission, dass auf der Grundlage aller dieser Elemente globale Schlussfolgerungen zur Marktlage gezogen werden könnten, die Folgendes umfassten: die Produktion in der Union, die Preise für Geflügelfleisch auf dem Unionsmarkt, die von den Futtermittelkosten abhängigen Margen der europäischen Erzeuger, die Lage der Ausfuhren und Einfuhren für den Unionsmarkt, einschließlich für Ausfuhren mit Erstattungen, die Lage und die Preise auf den internationalen Märkten (Brasilien und Vereinigte Staaten) unter Berücksichtigung der Wechselkurse.

38      Nach den Erläuterungen der Kommission hat diese den Erstattungsbetrag aus einer Kombination dieser beiden Elemente, d. h. der theoretischen Berechnung und der Marktanalyse, hergeleitet.

39      Was die Konsequenzen anbelangt, die aus dem oben in Rn. 24 angeführten Urteil Silos (EU:C:2001:599) und insbesondere aus Rn. 30 dieses Urteils, in dem der Gerichtshof im Hinblick auf den Getreidesektor festgestellt hat, dass die übliche Praxis der Kommission darin bestand, den Erstattungsbetrag entsprechend der Differenz zwischen den Preisen der betroffenen Erzeugnisse auf dem Unionsmarkt und denjenigen auf dem Weltmarkt festzusetzen, zu ziehen sind, hat die Kommission ausgeführt, dass sie den Erstattungsbetrag in dem Sinne „entsprechend“ dieser Preisdifferenz festgesetzt habe, dass es sich dabei um einen von ihr berücksichtigten Faktor gehandelt habe. Ihre übliche Praxis habe niemals darin bestanden, ausschließlich diesen einzigen Faktor zu berücksichtigen und die Ausfuhrerstattungen in Höhe der Differenz zwischen dem Preis auf dem Unionsmarkt und dem Weltmarktpreis festzusetzen. Vielmehr habe sie stets den weiteren, in den anwendbaren Bestimmungen für die Festsetzung der Erstattungen enthaltenen Kriterien Rechnung getragen.

40      Hierzu in der mündlichen Verhandlung befragt, hat die Französische Republik nicht bestritten, dass die übliche Praxis der Kommission – in Übereinstimmung mit den Erläuterungen der Kommission in ihren Antworten auf die ihr gestellten schriftlichen Fragen – darin bestand, zum einen eine theoretische Berechnung der Ausfuhrerstattungen und zum anderen eine Analyse der Marktlage durchzuführen.

41      Zu prüfen ist mithin, ob die Kommission bei Erlass der angefochtenen Verordnung von ihrer üblichen Praxis, wie sie von ihr beschrieben wurde, abgewichen ist. Wäre sie nämlich bei Erlass der angefochtenen Verordnung davon abgewichen, so wäre die von ihr in der angefochtenen Verordnung gelieferte Standardbegründung gemäß der oben in den Rn. 25 und 26 angeführten Rechtsprechung unzureichend.

 Zur Frage, ob die Kommission von ihrer üblichen Praxis abgewichen ist

42      Die Französische Republik hat in Beantwortung einer Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, dass die Kommission im vorliegenden Fall zum einen eine theoretische Berechnung der Ausfuhrerstattungen und zum anderen eine Analyse der Marktlage durchgeführt hat. Die Französische Republik bestreitet nicht, dass die Kommission in der angefochtenen Verordnung formal gesehen das übliche Verfahren zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen befolgt hat.

43      Die Französische Republik stützt ihre Behauptung, die angefochtene Verordnung sei erheblich über die vorangegangenen Verordnungen hinausgegangen, auf zwei Gesichtspunkte. Erstens handele es sich bei der Festsetzung des Erstattungsbetrags auf null um eine völlig neue Maßnahme für die in Rede stehenden Erzeugnisse. Zweitens sei die Kommission, indem sie sich bei Erlass der angefochtenen Verordnung auf den innerstaatlichen Kontext und auf den internationalen Kontext gestützt habe, von ihrer üblichen Praxis abgewichen.

–       Zum auf das Vorliegen einer völlig neuen Maßnahme gestützten Vorbringen

44      Die Französische Republik macht geltend, die Kommission sei von ihrer üblichen Praxis abgewichen, da die Festsetzung des Ausfuhrerstattungsbetrags auf null eine völlig neue Maßnahme für die in Rede stehenden Erzeugnisse darstelle.

45      Es ist jedoch festzustellen, dass die Tatsache allein, dass dieser Betrag für die in Rede stehenden Erzeugnisse erstmals auf null festgesetzt wurde, nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Kommission von ihrer üblichen Praxis abgewichen ist.

46      Die Änderung des Ausfuhrerstattungsbetrags ist dem System der periodischen Festsetzung dieser Erstattungen inhärent, so dass dieselbe Begründung sehr unterschiedliche Ausfuhrerstattungsbeträge erfassen kann.

47      Wie von der Kommission hervorgehoben, ist ferner festzustellen, dass der absolute Betrag der Senkung denselben Umfang hatte wie der Betrag der beiden vorangegangenen Senkungen (von 32,50 Euro/100 kg auf 21,70 Euro/100 kg und anschließend auf 10,85 Euro/100 kg). Im Übrigen sind die Ausfuhrerstattungen für andere Erzeugnisse des Geflügelsektors, im Wesentlichen für Küken, bereits im Jahr 2011 auf null festgesetzt worden.

48      Soweit die Französische Republik geltend macht, die Festsetzung des Betrags der Ausfuhrerstattungen in den vorausgegangenen Verordnungen habe Erzeugnisse der Kategorie der Lebendtiere betroffen, die nicht mit Geflügelfleisch, für das die Ausfuhrerstattungen in der angefochtenen Verordnung auf null festgesetzt worden seien, vergleichbar seien, und dass die vorausgegangen Verordnungen auf Ausfuhren nach allen Bestimmungsländern mit Ausnahme der Vereinigten Staaten gerichtet gewesen seien, ist festzustellen, dass dieser Vortrag auf einer zu weiten Auslegung des Begriffs der „völlig neuen Maßnahme“ beruht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich jedes Mal, wenn die Ausfuhrerstattung für ein Erzeugnis und ein bestimmtes Bestimmungsland erstmals auf null festgesetzt wird, um eine völlig neue Maßnahme handelt. Der Geflügelsektor war durch eine schrittweise Senkung der Ausfuhrerstattungen gekennzeichnet gewesen, und für einen Teil der Erzeugnisse dieses Sektors waren die Ausfuhrerstattungen bereits auf null festgesetzt worden.

49      Wie die Kommission hervorhebt, kann die Festsetzung des Betrags der Ausfuhrerstattungen auf null mithin nicht als plötzlich qualifiziert werden. Die Senkung des Betrags dieser Ausfuhrerstattungen von 10,85 Euro/100 kg auf null unterscheidet sich strukturell nicht von vorangegangenen Senkungen von 32,50 Euro/100 kg auf 21,70 Euro/100 kg und anschließend auf 10,85 Euro/100 kg.

50      Soweit sich die Französische Republik auf das oben in Rn. 24 angeführte Urteil Silos (EU:C:2001:599) beruft, ist darauf hinzuweisen, dass sich der Gerichtshof für die Feststellung, dass die in Rede stehende Verordnung mit der üblichen Praxis der Kommission, die darin bestand, den Erstattungsbetrag entsprechend der Differenz zwischen den Preisen der betroffenen Erzeugnisse auf dem Unionsmarkt und denjenigen auf dem Weltmarkt festzusetzen, gebrochen hat, nicht allein darauf gestützt hat, dass der Betrag auf null festgesetzt worden war. Er hat sich darüber hinaus auf den Umstand gestützt, dass die Kommission die Ausfuhrerstattungen nur eine Woche vor Erlass der in dieser Rechtssache in Rede stehenden Verordnung auf 74,93 ECU pro Tonne erhöht hatte. In dieser Rechtssache handelte es sich daher um eine plötzliche Senkung der Ausfuhrerstattungen, die sich offenbar nicht durch eine Änderung der Marktlage erklären ließ.

51      Im vorliegenden Fall kann die Senkung nicht als plötzlich qualifiziert werden, da sie im Rahmen einer schrittweisen Senkung der Ausfuhrerstattungen erfolgte und der absolute Betrag der Senkung dem der vorangegangenen Senkungen entsprach.

52      Im Übrigen hat die Französische Republik in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass eine Festsetzung des Erstattungsbetrags auf null nicht gesondert begründet werden muss, wenn sie durch die Wirtschaftsdaten vorgegeben ist. Wie sich aus der Prüfung des ersten Teils des zweiten Klagegrundes ergibt (siehe unten, Rn. 87 bis 142), konnte die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen, dass es in Anbetracht der Marktlage nicht erforderlich war, positive Ausfuhrerstattungsbeträge festzusetzen.

53      Nach alledem ist das Vorbringen der Französischen Republik zum Vorliegen einer „völlig neuen“ Maßnahme, die erheblich über die vorangegangenen Verordnungen hinausgehe, da die Erstattungsbeträge für bestimmte Erzeugnisse erstmals auf null festgesetzt worden seien, zurückzuweisen.

–       Zur Berücksichtigung des innerstaatlichen Kontexts und des internationalen Kontexts

54      Die Französische Republik macht geltend, die Kommission sei, indem sie sich bei Erlass der angefochtenen Verordnung auf den innerstaatlichen Kontext und den internationalen Kontext, d. h. auf die Aussicht auf das künftige Inkrafttreten der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und den absehbaren Abschluss der internationalen Verhandlungen zu den Ausfuhrerstattungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), gestützt habe, von ihrer üblichen Praxis abgewichen.

55      Die Kommission ist der Ansicht, die Berücksichtigung des innerstaatlichen Kontexts und des internationalen Kontexts stelle keine Änderung der Praxis dar, da es sich dabei um Gesichtspunkte handele, die Teil des allgemeinen Kontexts seien und bei jeder Festsetzung des Erstattungsbetrags nach Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 berücksichtigt würden und berücksichtigt werden müssten.

56      Was dieses letztgenannte Vorbringen anbelangt, macht die Französische Republik geltend, die Argumentation der Kommission sei widersprüchlich, da sie in Rn. 38 der Klagebeantwortung angebe, sie sei verpflichtet, den innerstaatlichen Kontext und den internationalen Kontext zu berücksichtigen, während sie in den Rn. 59 und 61 der Klagebeantwortung nur vortrage, Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 stehe der Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte nicht entgegen.

57      Es ist festzustellen, dass keine Verpflichtung für die Kommission besteht, laufende WTO-Verhandlungen oder die Finalisierung von Rechtstexten mit Änderungen politischer Orientierungen zu berücksichtigen. Die Kommission ist nämlich durch nichts verpflichtet, bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen den Umstand zu berücksichtigen, dass laufende Verhandlungen innerhalb der WTO über deren Abschaffung stattfinden, solange diese Verhandlungen nicht zu einem rechtlich bindenden Übereinkommen geführt haben. Was die Entwicklung der GAP anbelangt, ist festzustellen, dass erst am 17. Dezember 2013 eine Verordnung erlassen wurde, nach der positive Ausfuhrerstattungsbeträge mit Wirkung vom 1. Januar 2014 nur im Krisenfall gewährt werden (vgl. Art. 196 Abs. 1 und 3 sowie Art. 232 Abs. 1 der Verordnung [EU] Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen [EWG] Nr. 922/72, [EWG] Nr. 234/79, [EG] Nr. 1037/2001 und [EG] Nr. 1234/2007). Die Kommission war in keiner Weise verpflichtet, bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen die neuen politischen Orientierungen vor dem 1. Januar 2014, dem Tag des Inkrafttretens der in Rede stehenden Bestimmungen, zu berücksichtigen.

58      Dagegen stand es der Kommission durchaus frei, bei der Festsetzung des Erstattungsbetrags die künftige Entwicklung der GAP und die WTO-Verhandlungen zu berücksichtigen, obwohl diese Gesichtspunkte nicht explizit in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 vorgesehen sind (siehe dazu im Einzelnen unten, Rn. 143 bis 158).

59      Es ist jedoch zu prüfen, ob die Kommission, wenn sie Faktoren berücksichtigt, die nicht explizit in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 vorgesehen sind, diese Gesichtspunkte in der Begründung einer Verordnung zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen ausdrücklich erwähnen muss.

60      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Erlass von Rechtsakten mit allgemeiner Geltung stets in einem allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Kontext erfolgt. Auch wenn Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 explizit bestimmte Kriterien vorsieht, die berücksichtigt werden können, erfolgt der Erlass einer Verordnung zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen gleichwohl in einem solchen Kontext, der von der Kommission gegebenenfalls berücksichtigt werden kann.

61      Der allgemeine Kontext muss nicht immer in der Begründung einer Verordnung erwähnt werden. Da es nämlich völlig normal ist, dass die Kommission den allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Kontext berücksichtigt, bedeutet allein der Umstand, dass sie es getan hat, nicht, dass sie dabei mit ihrer üblichen Praxis gebrochen hat. Im Übrigen ist den Marktteilnehmern der allgemeine politische und wirtschaftliche Kontext normalerweise bekannt.

62      Insbesondere zu den Faktoren, die von der Kommission im vorliegenden Fall berücksichtigt wurden, ist Folgendes festzustellen.

63      Erstens sind die laufenden WTO-Verhandlungen über eine Abschaffung oder eine Beschränkung der Ausfuhrerstattungen Teil des allgemeinen Kontexts, der nicht zwangsläufig in der Begründung einer Verordnung zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen erwähnt werden muss.

64      Wird nämlich auf internationaler Ebene Kritik am System der Ausfuhrerstattungen geübt und hat sich die Kommission unter dem Vorbehalt, dass ein Abkommen abgeschlossen wird, verpflichtet, die Ausfuhrerstattungen abzuschaffen, so handelt es sich dabei um einen Faktor, der die Entscheidungen der Kommission zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen beeinflussen konnte. Hierzu ist anzumerken, das bereits im Jahr 2005 im Rahmen der Doha-Runde der WTO eine vom Abschluss eines Abkommens abhängig gemachte Verpflichtung übernommen worden war, die Ausfuhrerstattungen Ende des Jahres 2013 abzuschaffen.

65      Im Übrigen sind – wie die Kommission im Wesentlichen ausführt – die laufenden WTO-Verhandlungen Teil des den betroffenen Marktteilnehmern bekannten Kontexts. Es ist nämlich ganz natürlich, dass im Bereich der Ausfuhr von Geflügel in Drittländer tätige Marktteilnehmer die laufenden WTO-Verhandlungen über Ausfuhrerstattungen genau verfolgen.

66      Solche laufenden Verhandlungen sind Teil eines allgemeinen Kontexts, der die Kommission dazu veranlassen kann, sich bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen tendenziell zurückhaltender zu verhalten.

67      Da es normal ist, dass die Kommission dem allgemeinen Kontext Rechnung trägt, bedeutet die Berücksichtigung der laufenden Verhandlungen nicht, dass die Kommission mit ihrer üblichen Praxis gebrochen hat.

68      Zweitens ist im Hinblick auf die Berücksichtigung künftiger politischer Orientierungen Folgendes festzustellen.

69      Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung war eine politische Einigung über die Reform der GAP erzielt worden, und die Rechtsvorschriften waren Gegenstand einer letzten Feinarbeit.

70      Gemäß dieser politischen Einigung durfte ein positiver Ausfuhrerstattungsbetrag nur im Krisenfall gewährt werden (siehe hinsichtlich der in diesem Sinne am 20. Dezember 2013 erlassenen Verordnung oben, Rn. 57).

71      Eine politische Einigung zu den künftigen Orientierungen der GAP ist jedoch Teil des allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Kontexts, der von der Kommission berücksichtigt werden kann. Ist nämlich absehbar, dass die Ausfuhrerstattungen in naher Zukunft – außer im Fall einer Marktkrise – dauerhaft auf null festgesetzt werden, so kann dies die Kommission dazu veranlassen, zu einer Senkung der Ausfuhrerstattungen zu tendieren.

72      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die künftigen politischen Orientierungen Teil des allgemeinen Kontexts sind, der den betroffenen Marktteilnehmern bekannt ist.

73      Die Berücksichtigung der laufenden WTO-Verhandlungen und der künftigen politischen Orientierungen bedurfte somit keiner ausdrücklichen Erwähnung in der Begründung der angefochtenen Verordnung, es sei denn, diese Faktoren waren nicht nur Teil des bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen berücksichtigten allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Kontexts, sondern der Grund für die angefochtene Verordnung.

74      Im vorliegenden Fall hat die Französische Republik in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die Kommission eine Berechnung des theoretischen Betrags der Ausfuhrerstattungen durchgeführt hat. Ferner ergibt sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes, dass die Kommission eine Analyse der Marktlage vorgenommen hat, aufgrund derer sie davon ausgehen konnte, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, dass die Marktlage stabil war und es keiner Festsetzung eines positiven Ausfuhrerstattungsbetrags bedurfte (siehe unten, Rn. 87 bis 142).

75      Unter diesen Umständen besteht kein Grund für die Annahme, die laufenden WTO-Verhandlungen und die künftigen politischen Orientierungen seien der Grund für die angefochtene Verordnung gewesen.

76      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission bestätigt, dass sich die Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf null durch die Analyse der Marktlage erkläre und dass weder die laufenden WTO-Verhandlungen noch die künftigen politischen Orientierungen der GAP Schlüsselfaktoren bei dieser Festsetzung gewesen seien.

77      Die Französische Republik hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, die Kommission sei über den Rahmen der wirtschaftlichen Analyse hinausgegangen, indem sie aus Gründen der Kohärenz mit ihrem Standpunkt in den laufenden WTO-Verhandlungen unabhängig vom Ergebnis der wirtschaftlichen Analyse eine Senkung der Ausfuhrerstattungen auf null beschlossen habe.

78      Die Französische Republik hat jedoch keine Argumente vorgebracht, die diese Auffassung bestätigen könnten. Soweit sie geltend macht, die Kommission habe dies selbst zugestanden, genügt die Feststellung, dass diese nur angegeben hat, dass die laufenden WTO-Verhandlungen und die politischen Orientierungen der GAP bei Erlass der angefochtenen Verordnung berücksichtigt worden seien, jedoch nie ausgeführt hat, dass es sich dabei um den Grund oder um wesentliche Faktoren für die Festsetzung des Erstattungsbetrags auf null gehandelt habe. Zum Vorbringen der Französischen Republik, die Erstattung sei in wirtschaftlicher Hinsicht erforderlich, genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen, wie sich aus der Prüfung des ersten Teils des zweiten Klagegrundes ergibt, nicht stichhaltig ist. Die Tatsache allein, dass die theoretische Berechnung der Ausfuhrerstattungen zu einem positiven Ergebnis geführt hat, schließt keineswegs aus, dass die Marktanalyse die Kommission dazu veranlasst, den Erstattungsbetrag auf null festzusetzen (siehe unten, Rn. 94 bis 99). Daher lässt der Umstand, dass ein Unterschied zwischen dem Ergebnis der theoretischen Berechnung und dem in der angefochtenen Verordnung festgesetzten Betrag bestand, nicht den Schluss zu, dass es sich bei den laufenden WTO-Verhandlungen oder den politischen Orientierungen der GAP entweder um einen Grund oder um einen Schlüsselfaktor für die Festsetzung des Ausfuhrerstattungsbetrags auf null handelte.

79      Aus alledem folgt, dass die Kommission bei Erlass der angefochtenen Verordnung nicht von ihrer üblichen Praxis abgewichen ist und sich demnach gemäß der oben in Rn. 24 angeführten Rechtsprechung auf die Lieferung einer Standardbegründung beschränken konnte, und dass die Berücksichtigung der laufenden WTO-Verhandlungen und der künftigen politischen Orientierungen keiner ausdrücklichen Erwähnung in der Begründung der angefochtenen Verordnung bedurfte.

 Zum übrigen Vorbringen der Französischen Republik

80      Die Französische Republik wirft der Kommission vor, sie habe sich darauf beschränkt, die Faktoren, auf die sie sich gemäß Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen habe stützen müssen, aufzuzählen, ohne anzugeben, auf welche dieser Faktoren sie sich insbesondere gestützt habe und welche Beurteilung sie diesbezüglich vorgenommen habe. Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht darauf hingewiesen hat, dass sie weder verpflichtet ist, die Aspekte, auf die sie ihre Entscheidung insbesondere gestützt hat, in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufzuführen, noch anzugeben, auf welche tatsächlichen Tatsachenannahmen sie ihre Analyse gestützt hat.

81      Die Französische Republik ist ferner der Ansicht, die Kommission habe in der angefochtenen Verordnung in keiner Weise die Faktoren angegeben, auf die sie ihre Beurteilung gestützt habe, und eine solche Begründung komme einer fehlenden Begründung gleich.

82      Aus Rn. 19 des oben in Rn. 24 angeführten Urteils Delacre u. a./Kommission (EU:C:1990:71) geht hervor, dass dann, wenn eine Standardbegründung ausreichend ist, weil die Kommission mit dem Erlass des in Rede stehenden Rechtsakts eine einheitliche Entscheidungspraxis fortsetzt, die Bezugnahme in dem in Rede stehenden Rechtsakt „auf die geltenden Rechtsgrundlagen“ dem Begründungserfordernis genügt. Im vorliegenden Fall hat die Kommission in den Erwägungsgründen der angefochtenen Verordnung, insbesondere im zweiten Erwägungsgrund, die für die Festsetzung der Ausfuhrerstattungen geltenden Rechtsgrundlagen angegeben.

83      Die Französische Republik macht ferner geltend, in den Fällen, in denen die Organe der Union über ein Ermessen verfügten, komme der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewähre, insbesondere der Verpflichtung zur hinreichenden Begründung der Entscheidung, eine umso grundlegendere Bedeutung zu.

84      Hierzu genügt die Feststellung, dass die oben in den Rn. 24 und 28 angeführten Urteile, wonach die Kommission, wenn sie eine einheitliche Entscheidungspraxis fortsetzt, auf Standardbegründungen zurückgreifen kann, Rechtssachen aus dem Bereich der Landwirtschaft betrafen. Diese Rechtsprechung kann demnach nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, dass die Kommission in diesem Bereich grundsätzlich über ein weites Ermessen verfüge.

85      Aus alledem folgt, dass die Begründung der angefochtenen Verordnung ausreichend war. Demnach ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

2.     Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007

86      Der zweite Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil wird geltend gemacht, dass die Kommission die Marktlage offensichtlich fehlerhaft beurteilt habe, und mit dem zweiten, dass die Kommission die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich verkannt habe, indem sie bei Erlass der angefochtenen Verordnung Faktoren berücksichtigt habe, die nicht in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 vorgesehen seien.

 Zum ersten Teil: offensichtlich fehlerhafte Beurteilung der Marktlage

87      Nach Ansicht der Französischen Republik hat die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie angenommen hat, die Marktlage rechtfertige eine Festsetzung des Ausfuhrerstattungsbetrags für Geflügelfleisch auf null.

88      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Französischen Republik entgegen.

89      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber im Bereich der Landwirtschaft über ein weites Ermessen verfügt, das der politischen Verantwortung entspricht, die ihm die Art. 40 AEUV bis 43 AEUV übertragen. Folglich hat sich die Kontrolle durch den Richter auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die betreffende Maßnahme nicht mit einem offensichtlichen Irrtum oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob die betreffende Behörde die Grenzen ihres Ermessens nicht offensichtlich überschritten hat (vgl. Urteil vom 14. März 2013, Agrargenossenschaft Neuzelle, C‑545/11, Slg, EU:C:2013:169, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zu bestimmten Prämissen, auf denen die Argumentation der Französischen Republik beruht

90      Es ist festzustellen, dass das Vorbringen der Französischen Republik auf einer falschen Prämisse zum Sinn der Ausfuhrerstattungen beruht.

91      Die Französische Republik macht in ihrer Erwiderung geltend, aus Art. 162 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2007 gehe hervor, dass der Sinn der Ausfuhrerstattungen darin bestehe, den Unterschied zwischen den auf dem Weltmarkt geltenden Notierungen oder Preisen und den Preisen der Union auszugleichen.

92      Sinn der Ausfuhrerstattungen ist jedoch, der Union den Absatz ihrer auf dem Binnenmarkt bestehenden Überschüsse an dem betreffenden Erzeugnis in Drittländern zu ermöglichen (vgl. Beschluss vom 26. September 2013, Tilly-Sabco/Kommission, T‑397/13 R, EU:T:2013:502, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Zweck der Ausfuhrerstattungsregelung besteht nicht darin, einen beliebigen Ausführer zu unterstützen, sondern darin, die Ausfuhren im Rahmen der Verwirklichung der in Art. 39 AEUV vorgesehenen Ziele der GAP, d. h. u. a. der Stabilisierung der Märkte sowie der Sicherung eines angemessenen Lebensstandards für die landwirtschaftliche Bevölkerung und angemessener Preise für die Verbraucher, erforderlichenfalls zu erleichtern (Beschluss Tilly-Sabco/Kommission, EU:T:2013:502, Rn. 30).

93      Der Ausgleich des Unterschieds zwischen den auf dem Weltmarkt geltenden Notierungen oder Preisen und den Preisen der Union ist folglich nicht Sinn der Ausfuhrerstattungen, sondern nur ein Mittel, um der Union u. a zur Sicherung der Stabilität ihres Marktes den Absatz ihrer Überschüsse in Drittländern zu ermöglichen. So sieht Art. 164 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1234/2007 vor, dass die Kommission „Ziele der gemeinsamen Marktorganisation, die auf dem Markt für das jeweilige Erzeugnis die Ausgewogenheit und natürliche Entwicklung von Preisen und Handel gewährleisten sollen“, berücksichtigen kann.

94      Das Vorbringen der Französischen Republik beruht ferner auf der Prämisse, dass die Preisentwicklung des betreffenden Erzeugnisses innerhalb der Union und auf dem Weltmarkt einen ausschlaggebenden Faktor bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen darstellt.

95      In der mündlichen Verhandlung hat die Französische Republik ergänzend vorgetragen, die theoretische Berechnung der Ausfuhrerstattungen auf der Grundlage des Unterschieds zwischen den Preisen auf dem Unionsmarkt und denjenigen auf dem Weltmarkt stelle einen ausschlaggebenden Faktor bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen dar, und der sich aus der theoretischen Berechnung ergebende Erstattungsbetrag könne aufgrund der Analyse der Marktlage nur „angepasst“ werden. Ferner ist sie der Auffassung, dass die Analyse der Marktlage dem Ergebnis der theoretischen Berechnung nur im Fall einer schwerwiegenden Marktkrise vorgehe. Die Analyse der Marktlage könne den Erstattungsbetrag stets „ein wenig verändern“; der einzige Fall, in dem die Kommission befugt sei, keine Erstattung zu gewähren, obwohl eine solche „notwendig“ sei, sei jedoch der Fall eines Mangels an Geflügelfleisch auf dem Unionsmarkt.

96      Diese Prämissen sind jedoch falsch. Nach dem Wortlaut von Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 muss die Kommission nämlich „einen oder mehrere [der in dieser Bestimmung vorgesehenen] Faktoren“ berücksichtigen. Nach diesem Wortlaut kann sich die Kommission sogar auf nur einen der in dieser Bestimmung vorgesehenen Faktoren stützen. Auch errichtet diese Bestimmung keine Hierarchie zwischen diesen verschiedenen Faktoren. Nichts schließt aus, dass die Kommission beispielsweise dem unter Art. 164 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1234/2007 aufgeführten Faktor, d. h. „[den] Ziele[n] der gemeinsamen Marktorganisation, die auf dem Markt für das jeweilige Erzeugnis die Ausgewogenheit und natürliche Entwicklung von Preisen und Handel gewährleisten sollen“, eine besondere Bedeutung zumisst. Die Kommission kann daher bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen dem Ergebnis der Analyse der Marktlage mehr Bedeutung beimessen als dem Ergebnis der theoretischen Berechnung.

97      Das Vorbringen der Französischen Republik, wonach die Analyse der Marktlage es nur gestattet, das Ergebnis der Berechnung „anzupassen“, findet keine Stütze in der Verordnung Nr. 1234/2007. Dasselbe gilt für die Auffassung der Französischen Republik, der einzige Fall, in dem die Kommission keine Erstattung gewähren könne, obwohl eine solche „notwendig“ sei, sei der Fall eines Mangels an Geflügelfleisch auf dem Unionsmarkt.

98      Es ist festzustellen, dass es sich, wenn die Französische Republik in diesem Kontext auf eine „notwendige Erstattung“ Bezug nimmt, um das Ergebnis der theoretischen Berechnung des Erstattungsbetrags handelt. Die theoretische Berechnung betrifft allein die Frage, ob ein positiver Ausfuhrerstattungsbetrag für die Ausführer von Geflügelfleisch „notwendig“ ist, um ihre Erzeugnisse in den von diesen Erstattungen betroffenen Gebieten verkaufen zu können. Die Kommission ist im Rahmen der Analyse der Gesamtlage des Marktes jedoch nicht verpflichtet, die besondere Situation der ausführenden Unternehmen zu berücksichtigen. Selbst wenn eine Ausfuhrerstattung für die Ausführer von Geflügelfleisch „notwendig“ ist, um ihre Erzeugnisse verkaufen zu können, bedeutet dies nicht, dass es in Anbetracht der Analyse der Gesamtlage des Marktes „notwendig“ ist, positive Ausfuhrerstattungsbeträge festzusetzen.

99      Es ist möglich, dass die Kommission aufgrund der Marktanalyse davon ausgehen kann, dass die Lage auf dem Unionsmarkt stabil ist und es keiner Festsetzung eines positiven Ausfuhrerstattungsbetrags bedarf, um die Marktstabilität zu gewährleisten und der landwirtschaftlichen Bevölkerung einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. In einer solchen Situation steht es der Kommission selbst dann, wenn die theoretische Berechnung des Erstattungsbetrags zu einem positiven Ergebnis gelangt, frei, keine Ausfuhrerstattungen zu gewähren oder deren Betrag auf null festzusetzen. Dies ist nicht auf Situationen beschränkt, in denen ein Mangel an Geflügelfleisch oder eine schwerwiegende Krise auf dem Unionsmarkt existiert.

100    Im Folgenden sind die Faktoren zu analysieren, auf die sich die Kommission nach ihren Erläuterungen im Rahmen des vorliegenden Verfahrens bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungsbeträge auf null gestützt hat; anschließend sind die von der Französischen Republik geltend gemachten konkreten Argumente zur Stützung ihres Vorbringens, die Kommission habe die Marktlage offensichtlich fehlerhaft beurteilt, zu untersuchen.

 Zu den Faktoren, auf die sich die Kommission bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungsbeträge auf null gestützt hat

101    Die Kommission hat in ihrer Klagebeantwortung ausgeführt, dass sie bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungsbeträge in der angefochtenen Verordnung auf null u. a. die folgenden Faktoren berücksichtigt habe:

–        Die Preise für Geflügelfleisch auf dem Binnenmarkt seien aufgrund der robusten Binnennachfrage hoch gewesen.

–        Die von den Futtermittelkosten abhängigen Margen der Hersteller hätten trotz eines seit mehreren Monaten hohen Futterpreises über dem historischen Durchschnitt gelegen; außerdem hätten die Kosten für Getreide, nachdem sie historische Höchststände erreicht hätten, zurückgehen müssen.

–        Die Ausfuhren mit Erstattungen seien trotz drei aufeinanderfolgender Senkungen des Erstattungsbetrags weiter gestiegen (um 7 % für die fünf ersten Monate des Jahres 2013).

–        Die Ausfuhren von Geflügelfleisch, einschließlich der Ausfuhren von Erzeugnissen ohne Erstattungen, die den größten Teil der Ausfuhren darstellten, hätten zugenommen (mengenmäßig um 0,6 % und wertmäßig um 1 % für die fünf ersten Monate des Jahres 2013), was die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zeige.

–        Mit einem voraussichtlichen Wachstum der europäischen Erzeugung von Geflügelfleisch von 0,7 % aufgrund der steigenden Nachfrage auf dem Binnen- und dem internationalen Markt seien die Entwicklungsaussichten des Marktes gut gewesen.

–        Dagegen sei der Preisunterschied gegenüber Geflügelfleisch mit Ursprung in Brasilien in Anbetracht der hohen Hähnchenpreise auf dem Binnenmarkt und der Abwertung des brasilianischen Real (BRL) auf 44,73 Euro/100 kg geschätzt worden.

–        Die Wechselkursentwicklung sei berücksichtigt worden.

102    Die Kommission stellte ferner fest, dass die Ausfuhrerstattungen angesichts der Lage des Marktes und dessen Entwicklung nicht notwendig gewesen seien, um die Marktstabilität, insbesondere in der Union, sowie eine natürliche Preisentwicklung zu gewährleisten.

103    Aus den Erläuterungen der Kommission geht hervor, dass sie, obwohl die theoretische Berechnung des Erstattungsbetrags zu einem positiven Ergebnis gelangt ist, davon ausgegangen ist, dass die Lage auf dem Unionsmarkt stabil gewesen sei und es keiner Festsetzung eines positiven Ausfuhrerstattungsbetrags bedurft habe, um die Marktstabilität sowie eine natürliche Preisentwicklung zu gewährleisten. Sie hat daher dem in Art. 164 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1234/2007 aufgeführten Faktor eine besondere Bedeutung zugemessen.

104    Es ist festzustellen, dass Faktoren wie ein Preisanstieg auf dem Unionsmarkt, das Vorhandensein von über den historischen Durchschnitt hinausgehenden Margen der Erzeuger der Union und eine Erhöhung der Ausfuhren Faktoren sind, aufgrund derer die Kommission grundsätzlich, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen konnte, dass die Lage auf dem Unionsmarkt stabil war und es keiner Festsetzung eines positiven Ausfuhrerstattungsbetrags bedurfte, um die Marktstabilität zu gewährleisten.

105    Somit sind die von der Französischen Republik geltend gemachten konkreten Argumente zu offensichtlichen Beurteilungsfehlern, die die Kommission begangen haben soll, zu untersuchen.

 Zu den von der Französischen Republik geltend gemachten konkreten Argumenten bezüglich der offensichtlich fehlerhaften Beurteilung der Marktlage

106    Die Französische Republik macht hinsichtlich der Entwicklung der Preise in der Union und der Preise auf dem Weltmarkt für das betreffende Erzeugnis geltend, die von der Kommission in der Sitzung des Verwaltungsausschusses für die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte vom 18. Juli 2013 auf der Grundlage eines Dokuments mit dem Titel „EU Market situation for poultry“ (Lage des EU-Geflügelmarkts, im Folgenden: dem Verwaltungsausschuss vorgelegtes Dokument) angeführte Analyse sei offensichtlich fehlerhaft.

107    Sie trägt vor, die Kommission sei davon ausgegangen, dass die Preise für Geflügelfleisch auf dem Markt gestiegen seien. Sie behauptet, die Kommission habe damit nicht der den Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar (USD) betreffenden Variablen Rechnung getragen, und bei Berücksichtigung dieser Variablen hätte die Kommission festgestellt, dass die Weltmarktpreise für Geflügelfleisch insgesamt stabil geblieben oder zumindest nur sehr wenig gestiegen seien.

108    Insoweit macht die Französische Republik geltend, die Preise für Geflügelfleisch auf dem Weltmarkt seien im Jahr vor Erlass der angefochtenen Verordnung von etwa 185 USD/100 kg auf 204 USD/100 kg, d. h. um 9,3 %, gestiegen, doch sei dieser Anstieg durch die Aufwertung des Euro um 6,5 % gegenüber dem US-Dollar im selben Zeitraum größtenteils ausgeglichen worden.

109    Erstens ist festzustellen, dass selbst bei Berücksichtigung des von der Französischen Republik vorgelegten Zahlenmaterials nicht ersichtlich ist, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie einen Preisanstieg auf dem Weltmarkt feststellte. Die Französische Republik räumt ein, dass der Preisanstieg von 9,3 % „größtenteils“, jedoch nicht vollständig, durch die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar ausgeglichen wurde. Es ist anzumerken, dass ein Anstieg, selbst wenn er relativ gering war, ein Anstieg bleibt.

110    Zweitens ist festzustellen, dass die die Preise auf dem Weltmarkt betreffenden Zahlen, auf die sich die Französische Republik stützt (Erhöhung von 185 USD/100 kg auf 204 USD/100 kg), den Preisen entsprechen, die der Kommission von den Marktteilnehmern mitgeteilt wurden, was die Französische Republik in Beantwortung einer Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Es handelt sich um den Verkaufspreis am Bestimmungsort, d. h. im Nahen Osten. Somit handelt es sich um das von der Kommission bei der Berechnung des theoretischen Betrags der Ausfuhrerstattungen berücksichtigte Zahlenmaterial.

111    In der mündlichen Verhandlung hat die Französische Republik ausgeführt, das Ergebnis der von der Kommission vorgenommenen Berechnung des theoretischen Betrags der Ausfuhrerstattungen habe ihres Wissens in etwa dem Betrag entsprochen, zu dem die Marktteilnehmer gelangt seien. Sie trägt somit nicht vor, die Kommission habe im Rahmen der theoretischen Berechnung einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen. Insbesondere behauptet sie nicht, dass die Kommission den theoretischen Betrag der Ausfuhrerstattungen aufgrund einer unterbliebenen Berücksichtigung der Wechselkursschwankungen beim Vergleich der Preise auf dem Unionsmarkt mit den Weltmarktpreisen falsch berechnet habe.

112    Zum Vorbringen der Französischen Republik, die Kommission habe auf der Grundlage der Daten auf S. 18 des dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokuments zu Unrecht angenommen, dass die Preise für Geflügelfleisch auf dem Weltmarkt gestiegen seien, ist Folgendes festzustellen.

113    S. 18 des dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokuments zeigt die Preisentwicklung auf dem Markt der Union, der Vereinigten Staaten und Brasiliens. Alle diese Preise sind in Euro angegeben, was bedeutet, dass sie der Wechselkursschwankung des US-Dollars und des brasilianischen Real gegenüber dem Euro Rechnung tragen.

114    Es ist festzustellen, dass das dem Verwaltungsausschuss vorgelegte Dokument vor allem die Analyse der Marktlage betrifft. Die Kommission ist im Rahmen dieser Analyse nicht verpflichtet, die besondere Situation der Unternehmen zu berücksichtigen, die die von den Erstattungen erfassten Erzeugnisse in die Zielgebiete ausführen, sondern kann sich mit der Gesamtlage auf dem Markt befassen.

115    Die Entscheidung der Kommission, dem Verwaltungsausschuss nicht die Verkaufspreise der Ausführer in den Nahen Osten zu unterbreiten, ist damit zu erklären, dass mit dem dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokument nicht die theoretische Berechnung der Ausfuhrerstattungen erläutert, sondern vor allem die Analyse der Marktlage dargestellt werden soll. In Beantwortung einer diesbezüglichen Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat die Französische Republik bestätigt, dass sie von der Praxis der Kommission, die Einzelheiten der Berechnung des theoretischen Erstattungsbetrags und das Ergebnis dieser Berechnung intern zu behalten und diese Elemente dem Verwaltungsausschuss nicht mitzuteilen, gewusst hat.

116    In der mündlichen Verhandlung hat die Französische Republik die Frage aufgeworfen, warum die Kommission dem Verwaltungsausschuss nicht die Daten, auf die sie die theoretische Berechnung der Ausfuhrerstattungen stütze, sowie das Ergebnis dieser Berechnung unterbreite. Insoweit ist festzustellen, dass die Französische Republik keinen Klagegrund angeführt hat, mit dem geltend gemacht wird, der Verwaltungsausschuss sei in einem wesentlichen Punkt durch Unterlassungen seitens der Kommission irregeleitet worden. Im Übrigen macht die Französische Republik nicht geltend, sie selbst oder ein anderer Mitgliedstaat hätten in der Sitzung des Verwaltungsausschusses eine Frage zur theoretischen Berechnung gestellt, und die Kommission habe sich geweigert, diese Frage zu beantworten.

117    Die Französische Republik macht ferner geltend, der Preisrückgang für Geflügelfleisch auf dem brasilianischen Markt im Jahr vor Erlass der angefochtenen Verordnung, wie sie aus dem Zahlenmaterial auf S. 18 des dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokuments hervorgehe, habe sich weitaus mehr auf die Preise auf dem Weltmarkt ausgewirkt als der Preisanstieg auf dem amerikanischen Markt, der ebenfalls aus dem Zahlenmaterial auf dieser Seite hervorgehe, so dass die Weltmarktpreise für Geflügelfleisch im Jahr vor Erlass der angefochtenen Verordnung nicht gestiegen seien.

118    Dem ist nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, dass die Preise in Brasilien, sofern sie in aktualisierter Form vorliegen, bei der theoretischen Berechnung der Ausfuhrerstattungen berücksichtigt werden (siehe oben, Rn. 35); dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kommission im Rahmen der Analyse der Gesamtlage des Marktes verpflichtet ist, ihre Analyse hinsichtlich der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt vor allem auf die Preise in Brasilien zu stützen.

119    Ferner ist festzustellen, dass S. 18 des dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokuments die langfristige Preisentwicklung, nämlich für den Zeitraum von 2009 bis 2013, zeigt.

120    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass anhand des dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokuments nicht die theoretische Berechnung der Ausfuhrerstattungen erläutert, sondern vor allem die Analyse der Gesamtlage des Marktes dargestellt werden soll. Zwar berücksichtigt die theoretische Berechnung die kurzfristige Preisentwicklung, die Kommission kann jedoch bei der Beurteilung der Marktlage der langfristigen Preisentwicklung Rechnung tragen.

121    Aus S. 18 des dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokuments geht klar hervor, dass die Hähnchenpreise in der Union und in den Vereinigten Staaten einen langfristigen Aufwärtstrend aufwiesen.

122    Was die Hähnchenpreise in Brasilien anbelangt, ergibt sich aus S. 18 des dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokuments, dass am Ende des fraglichen Zeitraums ein Preisrückgang stattgefunden hat. Wird jedoch der gesamte fragliche Zeitraum von 2009 bis 2013 berücksichtigt, so war kein Abwärtstrend bei den Preisen in Brasilien gegeben.

123    Angesichts des deutlichen Aufwärtstrends der Hähnchenpreise in den Vereinigten Staaten und mangels eines langfristigen Abwärtstrends bei den Preisen in Brasilien hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie einen Anstieg der Weltmarktpreise feststellte.

124    Die Französische Republik ist der Auffassung, die Kommission hätte zum einen die Preise für Geflügelfleisch auf dem Unionsmarkt und zum anderen die Preise für Geflügelfleisch im Nahen Osten vergleichen müssen.

125    Hierzu genügt die Feststellung, dass die Kommission diese Preise gerade verglichen hat, und zwar im Rahmen der theoretischen Berechnung der Ausfuhrerstattungen.

126    Das Vorbringen der Französischen Republik, ein solcher Vergleich hätte die Kommission zwangsläufig dazu veranlassen müssen, die Ausfuhrerstattungen beizubehalten oder gar zu erhöhen, beruht auf der falschen Prämisse, dass die theoretische Berechnung einen ausschlaggebenden Faktor bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen darstelle und dass dieser Betrag aufgrund der Analyse der Marktlage nur „angepasst“ werden könne.

127    Die Französische Republik macht ferner geltend, aufgrund der im Jahr 2012 erfolgten Abwertung des brasilianischen Real sei eher von einem Rückgang der Preise für Geflügelfleisch im Nahen Osten und nicht von einem Anstieg dieser Preise, jedenfalls nicht von einem über die Preiserhöhung für Geflügelfleisch auf dem Unionsmarkt hinausgehenden Preisanstieg auszugehen gewesen. Die Kommission hätte feststellen müssen, dass keine Verringerung des Unterschieds zwischen den Preisen auf dem Unionsmarkt und den Preisen auf dem Markt des Nahen Ostens zu erwarten gewesen sei und dass sogar wahrscheinlich gewesen sei, dass dieser Unterschied im nachfolgenden Zeitraum zunehmen werde, und dass demzufolge die Berücksichtigung der voraussichtlichen Preisentwicklung gemäß Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 die Kommission dazu hätte veranlassen müssen, bei Erlass der angefochtenen Verordnung die Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch beizubehalten oder gar zu erhöhen.

128    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Unterschied zwischen den Preisen auf dem Unionsmarkt zum einen und den Verkaufspreisen im Nahen Osten zum anderen die theoretische Berechnung der Ausfuhrerstattungen betrifft. Das Vorbringen der Französischen Republik beruht folglich auf der falschen Prämisse, dass die Kommission bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen das Ergebnis der theoretischen Berechnung als ausschlaggebenden Faktor berücksichtigen müsse.

129    Ferner läuft das Vorbringen der Französischen Republik auf die Behauptung hinaus, der Preisanstieg in der Union sei ein Faktor gewesen, der die Kommission dazu hätte veranlassen müssen, die Ausfuhrerstattungen zu erhöhen, da dieser Anstieg den Unterschied zwischen den Preisen auf dem Unionsmarkt und den Preisen im Nahen Osten und damit das Ergebnis der theoretischen Berechnung erhöht habe. Dieses Vorbringen lässt jedoch außer Acht, dass ein Anstieg der Preise für das betreffende Erzeugnis ein Faktor ist, der für eine stabile Lage auf diesem Markt spricht und folglich einer der Faktoren sein kann, die die Kommission dazu veranlassen können, keine Ausfuhrerstattungen zu gewähren oder deren Betrag auf null festzusetzen. Bei einer bereits stabilen Lage auf dem Unionsmarkt kann die Kommission nämlich davon ausgehen, dass keine positiven Ausfuhrerstattungsbeträge notwendig sind, um Überschüsse abzusetzen und die Marktstabilität zu gewährleisten.

130    Die Französische Republik macht darüber hinaus geltend, die Kommission habe nicht die erhebliche Preiserhöhung für Getreide und Soja auf dem Weltmarkt berücksichtigt, die automatisch eine Erhöhung der Futtermittelkosten für Geflügel und demzufolge eine sehr erhebliche Erhöhung der Produktionskosten für Geflügelfleisch für die EU-Erzeuger zur Folge habe.

131    Die Kommission weist hierzu darauf hin, dass sie berücksichtigt habe, dass die von den Futtermittelkosten abhängigen Margen der Hersteller trotz eines seit mehreren Monaten hohen Futterpreises über dem historischen Durchschnitt gelegen hätten. Außerdem hätten die Kosten für Getreide, nachdem sie historische Höchststände erreicht hätten, ihrer Ansicht nach zurückgehen müssen.

132    Es ist festzustellen, dass auf den S. 8 und 9 des dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokuments die Preisentwicklung für Hähnchenfutter angegeben wird. Ferner werden auf S. 10 dieses Dokuments die von den Futtermittelkosten für die Hähnchen abhängigen Margen der Hersteller aufgeführt.

133    Unter diesen Umständen besteht kein Grund für die Annahme, dass die Erhöhung der Futtermittelkosten nicht von der Kommission berücksichtigt worden wäre.

134    In der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt befragt, hat sich die Französische Republik auf die Behauptung beschränkt, der Umstand allein, dass die Kommission die Erhöhung der Futtermittelkosten in Tabellen des dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokuments aufgeführt habe, belege nicht, dass sie diesen Faktor tatsächlich berücksichtigt habe.

135    Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass es der Französischen Republik obliegt, darzutun, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. Das dem Verwaltungsausschuss vorgelegte Dokument, das von der Französischen Republik als Anlage zu ihrer Klageschrift eingereicht wurde und auf das sie sich stützt, zeigt die von der Kommission vorgenommene Analyse der Marktlage und macht mithin Angaben zu den Faktoren, die diese bei dieser Analyse berücksichtigt hat. Ist die Französische Republik der Auffassung, ein Faktor sei nicht berücksichtigt worden, obwohl er in dem dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokument aufgeführt wird, so obliegt es ihr, konkrete Tatsachen anzuführen, die die Annahme zulassen, dass die Kommission diesen Faktor dennoch nicht berücksichtigt hat.

136    Zweitens ist festzustellen, dass der Umstand, dass die von den Futtermittelkosten abhängigen Margen der Hersteller trotz steigender Kosten für Futtermittel über dem historischen Durchschnitt lagen, gerade für eine stabile Lage auf dem Unionsmarkt sprach. Die Berücksichtigung eines solchen Umstands bedeutet, dass die Kommission den steigenden Kosten für Futtermittel, die einen der Faktoren dieser Berechnung darstellen, zwangsläufig Rechnung getragen hat.

137    Drittens ist darauf hinzuweisen, dass der Preisunterschied im Rahmen der theoretischen Berechnung der Ausfuhrerstattungen auf der Grundlage des Unterschieds zwischen dem auf fob-Basis berechneten Selbstkostenpreis in Frankreich und dem Verkaufspreis am Bestimmungsort berechnet wird (siehe oben, Rn. 35). Die Berücksichtigung des Selbstkostenpreises bedeutet, dass die Kommission den Futtermittelkosten Rechnung getragen hat. Wie die Kommission in Beantwortung schriftlicher Fragen des Gerichts erläutert hat, wird der Selbstkostenpreis in Frankreich unter Berücksichtigung der Futtermittelkosten, der Kosten für die Lebendtiere, der Kosten für die toten Tiere, der „Schlachthof“-Kosten und der Kosten bis zur fob-Stufe berechnet. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Französische Republik nicht geltend macht, die Kommission habe im Rahmen der theoretischen Berechnung der Ausfuhrerstattungen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen (siehe oben, Rn. 111).

138    Auf das Vorbringen der Kommission in ihrer Klagebeantwortung, wonach die Ausfuhren von Geflügelfleisch zugenommen haben, entgegnet die Französische Republik, die Kommission hätte bei einer Zunahme der Ausfuhren von Geflügelfleisch in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 um mengenmäßig 0,6 % und wertmäßig 1 % davon ausgehen müssen, dass die Ausfuhren in diesem Zeitraum stabil geblieben seien.

139    Hierzu genügt die Feststellung, dass eine Zunahme, selbst wenn sie gering war, eine Zunahme bleibt. Der Kommission stand es frei, eine wenn auch geringe Zunahme der Ausfuhren als Gesichtspunkt zu berücksichtigen, der gegen die Notwendigkeit sprach, positive Ausfuhrerstattungsbeträge festzusetzen.

140    In der mündlichen Verhandlung hat die Französische Republik schließlich geltend gemacht, die Marktlage im Juli 2013 sei dieselbe wie im April und im Januar 2013 gewesen.

141    Sie hat diese Behauptung jedoch nicht durch konkrete Argumente untermauert. Im Übrigen folgt aus dem dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokument, dass die Marktlage im Juli 2013 nicht dieselbe wie die im April oder im Januar 2013 war. So ergibt sich beispielsweise aus S. 10 des dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Dokuments, dass die von den Futtermittelkosten abhängigen Margen der Hersteller im Juli 2013 höher als im April oder im Januar 2013 waren.

142    Nach alledem ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: Die Kommission habe offensichtlich die Grenzen ihres Ermessens verkannt, indem sie bei Erlass der angefochtenen Verordnung Faktoren berücksichtigt habe, die nicht in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 vorgesehen seien

143    Die Französische Republik ist der Auffassung, die Kommission sei bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen verpflichtet, ausschließlich Faktoren zu berücksichtigen, die zu denen gehörten, die in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 aufgeführt seien, da diese Liste erschöpfend sei. Durch die Berücksichtigung des innerstaatlichen Kontexts und des internationalen Kontexts bei Erlass der angefochtenen Verordnung, nämlich der Existenz einer politischen Einigung über die Reform der GAP und der Existenz einer vom Abschluss eines Abkommens abhängig gemachten Verpflichtung im Rahmen der Doha-Runde, die Ausfuhrerstattungen abzuschaffen, habe die Kommission Faktoren berücksichtigt, die nicht in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 vorgesehen seien, und damit offensichtlich die Grenzen ihres Ermessens verkannt.

144    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Französischen Republik entgegen.

145    Das Vorbringen der Französischen Republik beruht auf der Prämisse, die in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 enthaltene Aufzählung der Faktoren, die die Kommission bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen berücksichtigen könne, sei erschöpfend.

146    Somit ist zu prüfen, ob diese Prämisse zutrifft.

147    Es ist festzustellen, dass die in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 gewählte Formulierung relativ flexibel ist. Nach diesem Absatz werden nämlich „[d]ie Ausfuhrerstattungen … je nach Erzeugnis unter Berücksichtigung eines oder mehrerer der folgenden Faktoren festgesetzt …“.

148    Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass die Kommission verpflichtet ist, mindestens einen der in diesem Artikel aufgezählten Faktoren zu berücksichtigen. Aus dieser Formulierung folgt jedoch nicht, dass die Liste dieser Faktoren erschöpfend ist. Die Formulierung „unter Berücksichtigung“ steht der Berücksichtigung anderer Faktoren nicht entgegen.

149    Die Flexibilität der gewählten Formulierung spricht gegen den erschöpfenden Charakter der Aufzählung. Diese Flexibilität wird im Übrigen durch andere Sprachfassungen der in Rede stehenden Bestimmung bestätigt. So bestätigen die englische Fassung („One or more of the following aspects shall be taken into account when refunds for a certain product are being fixed“) und die deutsche Fassung („Die Ausfuhrerstattungen werden je nach Erzeugnis unter Berücksichtigung eines oder mehrerer der folgenden Faktoren festgesetzt“), dass die Kommission nur verpflichtet ist, einen oder mehrere der aufgezählten Faktoren zu „berücksichtigen“, was nicht bedeutet, dass sie sich ausschließlich auf diese Faktoren stützen muss.

150    Im Übrigen spricht der Umstand, dass gemäß Art. 162 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2007 die Gewährung der Ausfuhrerstattungen selbst fakultativ ist, für ein sehr weites Ermessen und eine erhebliche Flexibilität der Kommission bei der Festsetzung des Erstattungsbetrags.

151    Es wäre nämlich wenig überzeugend, anzunehmen, dass die Kommission entscheiden könne, keinerlei Ausfuhrerstattungen zu gewähren, ohne diese Entscheidung auf bestimmte Kriterien stützen zu müssen, dass sie aber bei der Festsetzung des Betrags dieser Erstattungen ausschließlich erschöpfend aufgezählte Faktoren berücksichtigen müsste.

152    Entgegen den Ausführungen der Französischen Republik würde Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 nicht jede praktische Wirksamkeit genommen, wenn die Liste der in dieser Bestimmung aufgezählten Faktoren nicht als erschöpfend angesehen würde.

153    Auch wenn Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 der Berücksichtigung anderer Faktoren nicht entgegensteht, ergibt sich nämlich aus diesem Artikel, dass die Kommission verpflichtet ist, (auch) mindestens einen der in dieser Bestimmung aufgezählten Faktoren zu berücksichtigen.

154    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Prämisse, auf die die Französische Republik ihren Vortrag stützt, falsch ist.

155    Ergänzend ist festzustellen, dass – wie die Kommission im Kern vorträgt –, selbst wenn die Aufzählung der in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 vorgesehenen Kriterien als erschöpfend anzusehen wäre, dies nicht der Berücksichtigung des allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Kontexts entgegenstünde.

156    Der Erlass von Rechtsakten mit allgemeiner Geltung erfolgt nämlich stets in einem allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Kontext, und es ist völlig normal, dass die Kommission diesen Kontext berücksichtigt (siehe oben, Rn. 60 und 61).

157    Berücksichtigt die Kommission bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen gemäß den in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 vorgesehenen flexiblen Kriterien künftige politische Orientierungen und laufende Verhandlungen auf internationaler Ebene, so bedeutet dies auch dann, wenn die in der in Rede stehenden Bestimmung vorgesehenen Kriterien als abschließend angesehen würden, nicht, dass sie ihr Ermessen überschreitet. Der allgemeine Kontext kann nämlich stets einen Einfluss auf die Ausübung des Ermessens der Kommission ausüben, und eine – selbst erschöpfende – Aufzählung der Kriterien, denen die Kommission Rechnung tragen kann, kann diese nicht daran hindern, diesen allgemeinen Kontext zu berücksichtigen.

158    Aus alledem folgt, dass die Entscheidung der Kommission, die Reformperspektiven der GAP sowie die laufenden WTO-Verhandlungen zu berücksichtigen, nicht zu beanstanden ist.

159    Daher ist auch der zweite Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen und folglich die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

160    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

161    Die Kommission hat im vorliegenden Fall beantragt, „die Kostenentscheidung vorzubehalten“. Damit hat sie nicht wirksam die Verurteilung der Französischen Republik zur Tragung der Kosten beantragt. Der Antrag, das Gericht möge die Kostenentscheidung vorbehalten, hat im vorliegenden Fall nämlich keinen Sinn und kommt einem fehlenden Kostenantrag der Kommission gleich.

162    Unter diesen Umständen ist zu entscheiden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Dittrich

Schwarcz

Tomljenović

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Januar 2016.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.