Language of document : ECLI:EU:T:2015:159

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

18. März 2015(*)

„Öffentliche Lieferaufträge – Ausschreibungsverfahren – Lieferung von Tollwut-Impfstoffen nach Serbien – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Auftragsvergabe an einen anderen Bieter – Auswahlkriterien – Offensichtlicher Beurteilungsfehler“

In der Rechtssache T‑30/12

IDT Biologika GmbH mit Sitz in Dessau-Roßlau (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte R. Gross und T. Kroupa, dann Rechtsanwalt R. Gross und Rechtsanwältin A. Mekdam,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Erlbacher und T. Scharf als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Delegation der Europäischen Union in der Republik Serbien vom 5. Oktober 2011 (ABl. 2011/S 222-359832), den Auftrag EuropeAid/130686/C/SUP/RS für die Lieferung eines Tollwut-Impfstoffs für Impfkampagnen in Serbien an das Konsortium unter der Leitung der Bioveta a. s. zu vergeben und das Angebot der Klägerin abzulehnen,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimod Nielsen sowie der Richter F. Dehousse (Berichterstatter) und A. M. Collins,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2014

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Im Rahmen des Vergabeverfahrens EuropeAid/130686/C/SUP/RS schrieb die Europäische Union, vertreten durch ihre Delegation in der Republik Serbien (im Folgenden: Delegation), durch eine am 6. November 2010 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2010/S 216-330589) veröffentlichte Bekanntmachung im offenen Verfahren einen Auftrag aus, der fünf Lose umfasste. Das im vorliegenden Fall in Rede stehende erste Los betraf die Beschaffung von Tollwutimpfkörpern in einem festgelegten Gebiet Serbiens. Diese Operation fiel in den Rahmen von Kampagnen zur Impfung von Füchsen, die sodann im Herbst 2011 und im Frühjahr 2012 durchgeführt wurden. Nachdem das Verfahren in Bezug auf das erste Los am 7. Juni 2011 für nichtig erklärt worden war, wurde am 27. August 2011 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2011/S 164-269805) im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens EuropeAid/130686/C/SUP/RS eine neuerliche Bekanntmachung für das erste Los veröffentlicht.

2        Aus den Ausschreibungsunterlagen geht hervor, dass sich die Auswahlkriterien auf die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Bieter sowie auf deren berufliche und technische Leistungsfähigkeit (unter Berücksichtigung der personellen Ressourcen, der Fachgebiete und der Erfahrung) bezogen. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Außerdem mussten die Angebote die technischen Spezifikationen der Ausschreibung erfüllen und insbesondere in Bezug auf das erste Los eine den technischen Spezifikationen entsprechende detaillierte Beschreibung der Impfstoffe sowie alle sonstigen relevanten Unterlagen enthalten. Die Angebote mussten bis spätestens 19. September 2011 eingereicht werden.

3        Nach den Bestimmungen in den die technischen Spezifikationen betreffenden Anhängen II und III der Ausschreibungsunterlagen musste der Impfstoff 15 Voraussetzungen erfüllen. Insbesondere musste der Impfstoff den Vorgaben der Monografie Nr. 746 des Europäischen Arzneibuchs für Lebendimpfstoffe für die Schluckimpfung von Füchsen entsprechen und entweder bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) oder bei einer vergleichbaren Zulassungsbehörde eines Mitgliedstaats registriert sein (erste Voraussetzung). Die Verwendung des Impfstoffs musste zudem vor der Lieferung von der serbischen Agentur für Arzneimittel und Medizinprodukte genehmigt worden sein (zweite Voraussetzung). Der Impfstoff musste darüber hinaus sicher für Ziel- und Nichtzieltierarten sein (fünfte Voraussetzung). Außerdem musste die Sicherheit des Impfstoffs für Menschen durch Unschädlichkeitstests an Primaten überprüft worden sein (sechste Voraussetzung).

4        Am 26. September 2011 forderte die Delegation eine der Bieterinnen, die Bioveta a. s. (im Folgenden: Bioveta), auf, eine Bestätigung einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats dafür beizubringen, dass die Änderung der Bezeichnung des für die Herstellung der Impfstoffe verwendeten Virusstamms von „SAD-Bern“ in „SAD-Bern MSV Bio 10“ nicht eine neuerliche Registrierung notwendig machte und das Inverkehrbringen des Produkts unter einer anderen Bezeichnung nicht eine Verletzung der ursprünglichen Genehmigung für das Inverkehrbringen darstellte.

5        Mit Schreiben vom 29. September 2011 teilte Bioveta mit, dass der Virusstamm ihres Impfstoffs seit 1992 unverändert geblieben sei und dem entspreche, der in den von den zuständigen Behörden der Tschechischen Republik und der Republik Serbien genehmigten Unterlagen benannt sei. Die in ihrem Angebot dargestellten Tests an nicht-menschlichen Primaten seien, wie vom Arzneibuch empfohlen, anhand der ersten Passagierung des MSV-Bio-10 SAD-Bern durchgeführt worden, aus dem auch der von ihr angebotene Impfstoff Lysvulpen hergestellt werde. Dabei ermögliche die Bezeichnung „MSV-Bio-10 SAD Bern“ eine Unterscheidung des Virusstamms, den sie für Lysvulpen nutze, von jenen anderer Hersteller von Tollwutimpfstoffen, die ihre Virusstämme ebenfalls als SAD-Bern bezeichneten. Bioveta legte eine Bestätigung der zuständigen tschechischen Behörde vom 29. September 2011 vor, wonach das von ihr hergestellte Lysvulpen das attenuierte Virus SAD-Bern enthalte, das seit 1992 aus MSV-Bio-10 SAD-Bern hergestellt worden sei, und wonach die Bezeichnung „MSV-Bio-10 SAD-Bern“ seither für alle Registrierungen und Erneuerungen von Genehmigungen für das Inverkehrbringen angegeben worden sei. Sie legte außerdem ein Genehmigungsprotokoll vor, und die Delegation kam am 29. September 2011 zu der Auffassung, dass diese Klarstellung ausreichend sei.

6        Mit Entscheidung vom 5. Oktober 2011, die der Klägerin, der IDT Biologika GmbH, durch Schreiben vom 9. November 2011 übermittelt und am 18. November 2011 im Amtsblatt veröffentlicht wurde (ABl. 2011/S 222-359832), lehnte die Delegation das Angebot der Klägerin ab und vergab das erste Los an das Konsortium unter der Leitung von Bioveta (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

7        Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 19. Januar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

8        Durch Beschluss des Präsidenten der Sechsten Kammer des Gerichts vom 28. Oktober 2013 ist das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs über das Rechtsmittel der Klägerin gegen das Urteil vom 25. Oktober 2012, IDT Biologika/Kommission (T‑503/10, EU:T:2012:575), ausgesetzt worden.

9        Nach dem Erlass des Beschlusses vom 7. November 2013, IDT Biologika/Kommission (C‑6/13 P, EU:C:2013:743), mit dem das Rechtsmittel zurückgewiesen wurde, ist das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache wieder aufgenommen worden.

10      Am 20. November 2013 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zur Frage einer möglichen Auswirkung des vorgenannten Beschlusses IDT Biologika/Kommission (EU:C:2013:743) auf die vorliegende Rechtssache Stellung zu nehmen, was die Parteien innerhalb der ihnen gesetzten Frist getan haben.

11      Das Gericht (Sechste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die Eröffnung des mündlichen Verfahrens beschlossen und die Europäische Kommission im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 seiner Verfahrensordnung zur Beantwortung zweier Fragen aufgefordert. Die Kommission ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

12      Die Parteien haben in der Sitzung vom 12. September 2014 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

13      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

14      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der in Rede stehende öffentliche Lieferauftrag die Verordnung (EG) Nr. 1085/2006 des Rates vom 17. Juli 2006 zur Schaffung eines Instruments für Heranführungshilfe (ABl. L 210, S. 82) zur Rechtsgrundlage hat. Er gehört zu den aus dem Haushalt der Union finanzierten Maßnahmen im Außenbereich im Sinne des Titels IV des Zweiten Teils der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung).

16      Art. 167 Abs. 1 der Haushaltsordnung in deren Zweiten Teil Titel IV sieht vor:

„Vorbehaltlich der in den Durchführungsbestimmungen vorgesehenen besonderen Bestimmungen zu den Schwellenwerten und Modalitäten der Auftragsvergabe für Maßnahmen im Außenbereich gelten für Aufträge nach diesem Titel Artikel 56 und die Allgemeinen Bestimmungen für die Auftragsvergabe in Kapitel 1 des Titels V des Ersten Teils. Öffentliche Auftraggeber im Sinne dieses Kapitels sind

a)      die Kommission im Namen und für Rechnung eines oder mehrerer Empfänger,

…“

17      Der Zweite Teil der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung (ABl. L 357, S. 1, im Folgenden: Durchführungsbestimmungen) enthält im Titel III („Maßnahmen im Außenbereich“) ein Kapitel 3 (Art. 231 bis 252) mit Bestimmungen über die Auftragsvergabe.

18      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe, die auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gerichtet sind. Die Gesellschaft Bioveta, der der Auftrag für das erste Los erteilt worden sei, habe die technischen Spezifikationen der Ausschreibung nicht eingehalten, und zwar sowohl in Bezug auf die Nichtvirulenz des Impfstoffs (erster Klagegrund) als auch in Bezug auf die geforderten Genehmigungen (zweiter Klagegrund), so dass ein Verstoß gegen Art. 252 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen vorliege.

19      Art. 252 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen sieht vor:

„Angebote, die nicht alle in den Ausschreibungsunterlagen verlangten wesentlichen Angaben enthalten oder die nicht den darin enthaltenen spezifischen Anforderungen entsprechen, werden abgelehnt.

Gleichwohl kann der Bewertungsausschuss bzw. der öffentliche Auftraggeber unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung einen Bewerber oder Bieter auffordern, binnen einer vom Ausschuss bzw. Auftraggeber festgesetzten Frist die Unterlagen, die die Ausschluss- und Auswahlkriterien betreffen, durch weitere Unterlagen zu ergänzen oder zu präzisieren.“

20      Darüber hinaus verfügt der öffentliche Auftraggeber bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags zu berücksichtigen sind, über ein weites Ermessen. Insoweit muss sich die Kontrolle durch das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet worden sind, der Sachverhalt richtig ermittelt wurde und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. Urteil vom 6. Juli 2005, TQ3 Travel Solutions Belgium/Kommission, T‑148/04, Slg, EU:T:2005:274, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Insoweit beschränkt zwar in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags, in dem wie im vorliegenden Fall der Bieter den Zuschlag erhält, dessen Angebot den administrativen und technischen Anforderungen entspricht und das preisgünstigste ist, der öffentliche Auftraggeber sein Ermessen hinsichtlich der Erteilung des Zuschlags auf das Angebot, das unter den anforderungsgerechten Angeboten das preisgünstigste ist. Jedoch bleibt sein Ermessen in Bezug auf die Bewertung der Konformität der abgegebenen Angebote, insbesondere der hierzu vorgelegten Unterlagen, notwendigerweise ein weites Ermessen (Urteil vom 15. September 2011, CMB und Christof/Kommission, T‑407/07, EU:T:2011:477, Rn. 116).

22      Die Klägerin macht geltend, der von Bioveta präsentierte Impfstoff habe nicht den technischen Spezifikationen der in Rede stehenden Ausschreibung entsprochen. Es ist somit zu prüfen, ob der öffentliche Auftraggeber, der das Angebot von Bioveta als mit den technischen Spezifikationen der Ausschreibungsbedingungen konform ansah, damit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 252 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen in Bezug auf die Nichtvirulenz des Impfstoffs für Menschen

23      Die Klägerin trägt vor, dass das Angebot des Konsortiums unter der Leitung von Bioveta, dem der Auftrag erteilt worden sei, nicht den technischen Anforderungen entsprochen habe und hätte abgelehnt werden müssen. Der ausgewählte Impfstoff Lysvulpen basiere, wie aus dem Schreiben von Bioveta vom 29. September 2011 und dem Schreiben der tschechischen Behörden vom selben Tag hervorgehe, auf dem Virusstamm SAD-Bern. Dieser Virusstamm sei aber für nicht-menschliche Primaten pathogen. Daher bestehe bei dem Impfstoff, der auf diesem Virusstamm basiere, die Gefahr der Virulenz für den Menschen. Außerdem habe Bioveta die Nichtvirulenz von Lysvulpen für Menschen nicht durch geeignete Tests an nicht-menschlichen Primaten nachgewiesen. Das erfolgreiche Angebot entspreche daher nicht den in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten technischen Spezifikationen. In ihrer Erwiderung macht die Klägerin geltend, dass das Angebot von Bioveta auch dann hätte abgelehnt werden müssen, wenn man die von der Kommission mit ihrer Klagebeantwortung vorgelegten Unterlagen zu Tests an Primaten berücksichtige, weil diese Unterlagen im Widerspruch zu den Ergebnissen der vorangegangenen einschlägigen Tests stünden, die außer Betracht geblieben seien.

24      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

25      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die vorliegende Klage von der Rechtssache unterscheidet, in der das Urteil IDT Biologika/Kommission (oben in Rn. 8 angeführt, EU:T:2012:575) ergangen ist, da die technischen Spezifikationen der vorliegend in Rede stehenden Ausschreibung eine Beurteilung der Sicherheit des Impfstoffs für Menschen anhand von Unschädlichkeitstests an Primaten verlangten (siehe oben, Rn. 3), während diese Voraussetzung in jener Rechtssache, nicht bestand. Daher kann die vorliegende Rechtssache nicht, wie von der Kommission vorgeschlagen, durch einen Beschluss nach Art. 111 der Verfahrensordnung entschieden werden.

26      Sodann stellt sich die Frage, ob die Delegation einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie davon ausging, dass die Voraussetzung eines Unschädlichkeitstests an Primaten tatsächlich beachtet worden sei (vgl. die oben in den Rn. 20 und 21 angeführte Rechtsprechung).

27      Die Kommission hat einen im Jahr 2011 in einer tschechischen Veterinärzeitschrift veröffentlichten Artikel vorgelegt, in dem die in Rede stehenden Tests – unter Darlegung der angewandten Methode und der erzielten Ergebnisse – dargestellt werden und aus dem sich ergibt, dass der Virusstamm von Lysvulpen für die getesteten Primaten ungefährlich ist. Aus den Akten geht hervor, dass dieser Artikel von Bioveta im Rahmen ihrer Bewerbung auf die Ausschreibung zum Nachweis der Vornahme der Tests an Primaten vorgelegt wurde.

28      Außerdem stellte Bioveta die im vorliegenden Fall an nicht-menschliche Primaten durchführten Tests in einer von der Klägerin vorgelegten Pressemitteilung vom 27. Januar 2011 dar.

29      Schließlich hat die Klägerin im Hinblick auf den Artikel, den die Kommission im Rahmen ihrer Klagebeantwortung vorgelegt hat, in ihrer Erwiderung die Ergebnisse dieser Tests beanstandet. In der mündlichen Verhandlung hat sie darauf hingewiesen, dass ihr Vorbringen folglich dahin zu verstehen sei, dass damit nicht mehr die Existenz der geforderten Tests bestritten werde, sondern deren Gültigkeit und Bedeutung, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

30      Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich, dass die geforderten Tests an nicht-menschlichen Primaten von Bioveta tatsächlich durchgeführt wurden, ohne dass über die Frage entschieden werden müsste, ob die Durchführung dieser Tests von den serbischen Behörden für die Zulassung der Tollwut-Schluckimpfstoffe auch in der Praxis verlangt wurde.

31      In ihrer Erwiderung macht die Klägerin geltend, dass das Angebot von Bioveta auch dann hätte abgelehnt werden müssen, wenn die von der Kommission mit ihrer Klagebeantwortung vorgelegten Unterlagen zu Tests an Primaten zu berücksichtigen wären, weil die Ergebnisse dieser Tests im Widerspruch zu den Ergebnissen der vorangegangenen einschlägigen Tests stünden, die außer Betracht geblieben seien.

32      Dieses Vorbringen ist jedoch zurückzuweisen. Die Tatsache, dass diese an Primaten vorgenommenen Tests durchgeführt wurden und die Sicherheit des Impfstoffs für Menschen belegen, genügt nämlich, damit die Delegation feststellen kann, dass die mit der in Rede stehenden Ausschreibung aufgestellte Voraussetzung erfüllt wurde. Die Feststellung, dass die Ergebnisse dieser Tests von denen vorangegangener Studien abweichen, ist nicht geeignet, ihnen im Rahmen der Ausschreibung ihre Relevanz zu nehmen.

33      Außerdem legt die Klägerin jedenfalls nicht dar, weshalb die Ergebnisse dieser Tests nicht gültig oder weniger beweiskräftig sein sollen als die von ihr angeführten früheren Studien und Berichte.

34      Die Klägerin führt insoweit den Bericht der Kommission vom 23. Oktober 2002 und die Studie des Laboratoriums der Agence française de sécurité sanitaire des aliments (Französische Agentur für gesundheitliche Lebensmittelsicherheit, im Folgenden: Afssa), Nancy (Frankreich), an. Sie macht geltend, die Kommission habe in ihrem Bericht vom 23. Oktober 2002 festgestellt, dass im Hinblick auf die nachgewiesene Virulenz des Virusstamms SAD-Bern für Menschen nur bestimmte Impfpräparate auf Basis der Virusstämme VRG, SAG 1 und SAG 2, SAD B19 sowie SAD P5/88 verwendet werden sollten. Aus diesem Bericht geht jedoch nicht hervor, dass alle anderen Kategorien von Impfstoffen ausgeschlossen wären. Zudem wird Lysvulpen im Ergebnis der Afssa-Studie als einer der verfügbaren Impfstoffe angeführt.

35      Was die Sicherheit der Impfstoffe betrifft, wird in der Studie des Laboratoriums der Afssa, Nancy, und im Bericht der Kommission vom 23. Oktober 2002 außerdem aufgezeigt, dass in Anbetracht der Pathogenität des ursprünglichen Virusstamms SAD-Bern bei oraler Verabreichung an Paviane der Liste der Arten, die Schluckimpfungstests unterzogen werden, nicht-menschliche Primaten als Stellvertreter für den Menschen hinzugefügt wurden. Mit den im vorliegenden Fall vorgesehenen und durchgeführten Tests an nicht-menschlichen Primaten soll daher genau diesem Erfordernis genügt werden.

36      Außerdem lässt der im Jahr 2011 veröffentlichte Artikel, in dem Tests an nicht-menschlichen Primaten dargestellt werden und den die Kommission im vorliegenden Verfahren vorgelegt hat, entgegen der Behauptung der Klägerin die Frage nach der Pathogenität des Virusstamms SAD-Bern nicht unberücksichtigt. Der Verfasser dieses Artikels zeigt insbesondere auf, dass in den Fällen, in denen sich der Virusstamm als pathogen erwiesen habe, die Inokulation des Virus nasal (und nicht oral) habe erfolgen können und dass bestimmte Informationen betreffend die Gesundheit und die Bedingungen der Haltung der getesteten Tiere fehlten. In dem Artikel wird darauf hingewiesen, dass die Tests im konkreten Fall gemäß der guten Laborpraxis und den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation durchgeführt worden seien. Weiter wird ausgeführt, dass die getesteten Affen nicht durch Betäubungsmittel anästhesiert oder sediert worden seien, um eine inkorrekte nasale Inokulation zu vermeiden.

37      Schließlich hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in Beantwortung einer Frage des Gerichts im Wesentlichen ausgeführt, dass er über keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte für die Anfechtung des im Jahr 2011 veröffentlichten Artikels, in dem die durchgeführten Tests dargestellt werden, verfüge, was in der mündlichen Verhandlung protokolliert worden ist.

38      Die Klägerin hat somit jedenfalls nicht nachgewiesen, dass dieser Artikel im vorliegenden Fall hätte zurückgewiesen werden müssen.

39      Folglich hat die Delegation mit ihrer Annahme, dass die Voraussetzung erfüllt sei, wonach die Sicherheit des Impfstoffs für Menschen anhand von Unschädlichkeitstests an Primaten zu beurteilen sei, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

40      Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 252 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2342/2002 in Bezug auf das Vorliegen der geforderten Genehmigungen

41      Die Klägerin macht geltend, für Lysvulpen liege keine der nach den Ausschreibungsunterlagen erforderlichen Genehmigungen vor. Lysvulpen basiere auf der Nutzung des Stammes SAD-Bern, der nicht neu und daher nicht für eine Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) geeignet sei. Wenn hingegen die von Bioveta beigebrachten Genehmigungen der Behörden der Mitgliedstaaten auf einem vom ursprünglichen Virusstamm SAD-Bern abweichenden Impfstoffstamm basieren sollten, so hätte der Impfstoff ein neuerliches Zulassungsverfahren durchlaufen müssen.

42      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

43      Aus den technischen Spezifikationen der Ausschreibung geht hervor, dass der Impfstoff, was die geforderten Genehmigungen anbelangt, bei der EMA oder einer vergleichbaren Zulassungsbehörde eines Mitgliedstaats registriert sein musste und seine Verwendung vor der Lieferung von den serbischen Behörden (der serbischen Agentur für Arzneimittel und Medizinprodukte) genehmigt worden sein musste.

44      Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass für Lysvulpen in mehreren Mitgliedstaaten Verkehrsgenehmigungen erteilt wurden, was durch die von der Klägerin vorgelegten Dokumente belegt wird.

45      Lysvulpen war auch Gegenstand einer Entscheidung der serbischen Agentur für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 8. Juni 2011 – also vor der Lieferung der Impfstoffe im Rahmen der streitigen Ausschreibung –, mit der seine Verwendung zu tiermedizinischen Zwecken für die Dauer von fünf Jahren genehmigt worden war.

46      Somit sind die Voraussetzungen der technischen Spezifikationen als im vorliegenden Fall erfüllt anzusehen.

47      Die Klägerin macht geltend, dass eine Veränderung des Virusstamms von Lysvulpen eine neue Verkehrsgenehmigung erfordert hätte.

48      Dieses Vorbringen ist jedoch zurückzuweisen. Zunächst einmal beziehen sich nämlich die zu den Akten gegebenen Genehmigungen auf das im vorliegenden Fall in Rede stehende Lysvulpen, was für den Nachweis genügt, dass die Ausschreibungsbedingung, wonach diese Genehmigungen vorliegen mussten, erfüllt war.

49      Was sodann die Frage betrifft, ob am Virusstamm von Lysvulpen Veränderungen vorgenommen wurden, trägt zum einen die Klägerin selbst in erster Linie vor, dass dies nicht der Fall sei.

50      Zum anderen wurde nicht nachgewiesen, dass der Virusstamm von Lysvulpen in einer Weise verändert worden wäre, die eine neue Verkehrsgenehmigung erfordert hätte. Insoweit haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Impfstoffe auf pathogenen Elementen beruhten und dass der Begriff „attenuiert“ im Wesentlichen bedeute, dass der Virusstamm der ursprüngliche Virusstamm bleibe, aber dass sein pathogener Charakter abgemindert werde. Im vorliegenden Fall wurde der ursprüngliche Virusstamm SAD-Bern dahin verändert, dass er zur Entwicklung von Lysvulpen attenuiert wurde. Jedoch wurde nicht nachgewiesen, dass Lysvulpen, dessen Inverkehrbringen in verschiedenen Mitgliedstaaten genehmigt wurde, anschließend wesentliche Veränderungen erfahren hätte, die neue Genehmigungen erfordern würden.

51      Was insbesondere die Änderung der Bezeichnung des für die Herstellung der Impfstoffe verwendeten Virusstamms von „SAD-Bern“ in „SAD-Bern MSV Bio 10“ betrifft, forderte die Delegation Bioveta auf, sich klarstellend zur Notwendigkeit einer neuen Registrierung zu äußern. Dem Antwortschreiben von Bioveta vom 29. September 2011 zufolge wurde nicht der Name des für Lysvulpen verwendeten Virusstamms verändert, sondern die Bezeichnung SAD Bio 10 verwendet, um ihn von dem anderer Impfstoffhersteller zu unterscheiden (siehe oben, Rn. 4 und 5). Bioveta legte eine Bestätigung der zuständigen tschechischen Behörde vom 29. September 2011 vor, wonach das von ihr hergestellte Lysvulpen das attenuierte Virus SAD-Bern enthalte, das seit 1992 aus MSV-Bio-10 SAD-Bern hergestellt worden sei, und wonach die Bezeichnung „MSV-Bio-10 SAD-Bern“ seither für alle Registrierungen und Erneuerungen von Genehmigungen für das Inverkehrbringen angegeben worden sei.

52      Da sich die zu den Akten gegebenen Genehmigungen auf das im vorliegenden Fall in Rede stehende Lysvulpen beziehen, ist es schließlich nicht Sache des Gerichts, die wissenschaftliche Richtigkeit der von den zuständigen nationalen Stellen ausgestellten Verkehrsgenehmigungen zu prüfen.

53      Nach alledem beruhte die Annahme der Delegation, dass Lysvulpen die im vorliegenden Fall in den technischen Spezifikationen aufgestellten Voraussetzungen betreffend die Genehmigungen erfüllte, nicht auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler.

54      Folglich ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, und die Klage ist somit insgesamt abzuweisen.

 Kosten

55      Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die IDT Biologika GmbH trägt die Kosten.

Frimodt Nielsen

Dehousse

Collins

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. März 2015.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.