Language of document : ECLI:EU:C:2024:409

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JEAN RICHARD DE LA TOUR

vom 16. Mai 2024(1)

Rechtssache C185/23

protectus s.r.o., vormals BONUL s.r.o.,

gegen

Výbor Národnej rady Slovenskej republiky na preskúmavanie rozhodnutí Národného bezpečnostného úradu

(Vorabentscheidungsersuchen des Najvyšší správny súd Slovenskej republiky [Oberstes Verwaltungsgericht der Slowakischen Republik])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Beschluss 2013/488/EU – EU-Verschlusssachen – Sicherheitsbescheid für Unternehmen – Widerruf des Bescheids – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 47 – Akteneinsicht – Art. 51 – Durchführung des Unionsrechts“






I.      Einleitung

1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Beschlusses 2013/488/EU des Rates vom 23. September 2013 über die Sicherheitsvorschriften für den Schutz von EU-Verschlusssachen(2) sowie von Art. 47 und Art. 51 Abs. 1 und 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(3).

2.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der protectus s.r.o., vormals BONUL s.r.o. (im Folgenden: protectus oder Klägerin des Ausgangsverfahrens), und dem Výbor Národnej rady Slovenskej republiky na preskúmavanie rozhodnutí Národného bezpečnostného úradu (Ausschuss des Nationalrats der Slowakischen Republik für die Überprüfung von Entscheidungen der Nationalen Sicherheitsbehörde, im Folgenden: Ausschuss), in dem es um die vom Ausschuss erklärte Zurückweisung des Widerspruchs ging, den protectus gegen die Entscheidung der Národný bezpečnostný úrad (Nationale Sicherheitsbehörde der Slowakischen Republik, im Folgenden: NSB) eingelegt hatte, mit der die ihr erteilte Sicherheitsermächtigung für Unternehmen aufgehoben und aufgrund dieser Aufhebung auch der ihr ausgestellte Sicherheitsbescheid für Unternehmen widerrufen worden war.

3.        Nach slowakischem Recht besteht der Zweck der Sicherheitsermächtigung für Unternehmen darin, eine Person zum Zugang zu nach nationalem Recht als Verschlusssachen eingestuften Informationen zu berechtigen. Der Sicherheitsbescheid für Unternehmen wiederum gestattet einer Person den Zugang zu Verschlusssachen der Europäischen Union (im Folgenden: EU-VS).

4.        Die Entscheidung, mit der die protectus erteilte Sicherheitsermächtigung für Unternehmen aufgehoben wurde, wurde damit begründet, dass in Bezug auf dieses Unternehmen teilweise auf der Grundlage von Verschlusssachen ein Sicherheitsrisiko festgestellt worden sei. Die NSB vertrat in dieser Entscheidung außerdem die Auffassung, dass die Aufhebung der Sicherheitsermächtigung zwangsläufig die Aufhebung des Sicherheitsbescheids zur Folge habe, da das nationale Recht eine Verknüpfung zwischen diesen beiden Arten der Sicherheitsbescheinigungen herstelle.

5.        Der Bereich der EU-VS ist bis jetzt noch nicht Gegenstand unionsrechtlicher Rechtsvorschriften mit horizontaler Reichweite, sondern Gegenstand gesonderter Beschlüsse der einzelnen Organe der Union(4). Zudem ist der Schutz von EU-VS im Unionsrecht nur teilweise und in begrenztem Umfang geregelt. In diesem Bereich stützt sich das Unionsrecht auf die bereits bestehenden nationalen Systeme zum Schutz von Verschlusssachen auf der Grundlage eines gleichwertigen Schutzniveaus.

6.        Der Gerichtshof hatte bereits mehrfach über die Frage der Abwägung zwischen dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und den Interessen, die als Rechtfertigung für die Nichtoffenlegung bestimmter Informationen angeführt werden, insbesondere wenn diese Interessen die nationale Sicherheit betreffen, zu entscheiden. Dies ist jedoch das erste Mal, dass der Gerichtshof diese Abwägung im Zusammenhang mit EU-VS zu präzisieren hat.

7.        Im Rahmen der Beantwortung der Fragen des Najvyšší správny súd Slovenskej republiky (Oberstes Verwaltungsgericht der Slowakischen Republik) werde ich zur Skizzierung einer solchen Abwägung die nachfolgend beschriebene Position vertreten.

8.        Erstens werde ich die Gründe darlegen, warum ich der Ansicht bin, dass die von einem nationalen Gericht vorzunehmende Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, mit der eine einer Person erteilte Sicherheitsbescheinigung widerrufen wird, die ihr in Anwendung des Beschlusses 2013/488 die Kenntnisnahme von EU-VS gestattet, eine Durchführung des Unionsrechts im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta darstellt. Daraus folgt, dass die Charta meines Erachtens im vorliegenden Fall anwendbar ist.

9.        Zweitens werde ich erläutern, warum meines Erachtens die von den meisten Beteiligten des vorliegenden Verfahrens vorgebrachten Argumente dafür, dass Art. 47 der Charta unter den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umständen nicht anwendbar sei, zurückzuweisen sind. In der Sache werde ich die Gründe anführen, aus denen ich angesichts der Besonderheiten im Bereich des Schutzes der EU-VS der Ansicht bin, dass die slowakischen Rechtsvorschriften ausreichende Garantien zum Schutz der Verteidigungsrechte von Personen vorsehen, deren Sicherheitsbescheinigung widerrufen wurde.

10.      Drittens werde ich klarstellen, dass die Garantien, die sich aus Art. 47 der Charta ergeben, auf keinen Fall dazu führen, dass ein Gericht, das die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über den Widerruf einer Sicherheitsbescheinigung zu überprüfen hat, die teilweise auf als Verschlusssachen eingestuften Informationen beruht, zwingend über die Befugnis verfügen muss, der Person, gegen die diese Entscheidung ergangen ist, den Zugang zu der Akte der nationalen Sicherheitsbehörde, die diese Informationen enthält, zu gewähren.

II.    Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

11.      Am 6. September 2018 erteilte die NSB der Klägerin des Ausgangsverfahrens eine Sicherheitsermächtigung für Unternehmen für die Einsichtnahme in als „streng geheim“ eingestufte Verschlusssachen, die Übermittlung von als „geheim“ eingestuften Verschlusssachen in materieller und elektronischer Form und die Erstellung von als „geheim“ eingestuften Verschlusssachen. Am 15. November 2018 stellte die NSB der Klägerin des Ausgangsverfahrens auf deren Antrag hin außerdem einen Sicherheitsbescheid für Unternehmen für den Geheimhaltungsgrad SECRET UE/EU SECRET aus.

12.      Anschließend erlangte die NSB Kenntnis von nicht als vertraulich eingestuften Informationen, wonach insbesondere gegen die Klägerin des Ausgangsverfahrens oder ihre Geschäftsführer strafrechtlich ermittelt werde, die Klägerin des Ausgangsverfahrens Verträge mit Einrichtungen geschlossen habe, gegen die strafrechtlich ermittelt werde, und ihnen nicht übliche Geldbeträge gezahlt habe und die Klägerin des Ausgangsverfahrens im Verdacht stehe, mit einer anderen Einrichtung, mit der sie an Ausschreibungen teilgenommen habe, personell verflochten zu sein, so dass die beiden Einrichtungen unter gemeinsamer Kontrolle gestanden hätten.

13.      Die NSB erhielt zudem weitere Informationen, die in Dokumenten enthalten waren, die als Verschlusssachen gekennzeichnet waren.

14.      Die NSB gab der Klägerin des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit, zu einigen der Informationen Stellung zu beziehen, nicht aber zu den einzelnen als Verschlusssachen eingestuften Dokumenten oder den darin enthaltenen Informationen.

15.      Mit Entscheidung vom 25. August 2020 hob die NSB die der Klägerin des Ausgangsverfahrens erteilte Sicherheitsermächtigung für Unternehmen und den ihr ausgestellten Sicherheitsbescheid für Unternehmen auf. Die Aufhebung wurde auf die Feststellung gestützt, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens aufgrund einer Geschäftsverbindung, die den Sicherheitsinteressen der Slowakischen Republik schaden könnte, und wegen Handelns gegen die wirtschaftlichen Interessen dieses Mitgliedstaats ein Sicherheitsrisiko darstelle. Zur Begründung dieser Entscheidung bezog sich die NSB zum einen auf nicht als vertraulich eingestufte Informationen, die sie im Einzelnen darlegte, und zum anderen auf Verschlusssachen, zu deren Inhalt sie keine Angaben machte. In der Entscheidung führte die NSB ferner aus, dass die Aufhebung der Sicherheitsermächtigung für Unternehmen auch die Aufhebung des Sicherheitsbescheids für Unternehmen zur Folge habe, da die Gültigkeit des Bescheids von derjenigen der Ermächtigung abhängig sei.

16.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen die Entscheidung der NSB Widerspruch beim Ausschuss ein. Zur Begründung des Widerspruchs machte sie insbesondere geltend, dass ihr keine Gelegenheit gegeben worden sei, die Akten der NSB einzusehen und den Inhalt der als Verschlusssache eingestuften Beweisdokumente zu prüfen. Die Klägerin wandte sich auch gegen die von der NSB auf der Grundlage der nicht vertraulichen Informationen getroffenen Feststellungen und Bewertungen.

17.      Der Ausschuss wies den Widerspruch mit Entscheidung vom 4. November 2020 zurück.

18.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens erhob gegen diese Entscheidung vor dem Najvyšší súd Slovenskej republiky (Oberstes Gericht der Slowakischen Republik) Klage.

19.      Mit ihrer Klage rügt die Klägerin des Ausgangsverfahrens im Wesentlichen, dass ihr die Verfahrensrechte auf Einsicht in den Akteninhalt nicht mit der nur vagen Begründung, es handele sich um Verschlusssachen, vollständig verweigert werden dürften. Sie kritisiert ferner, dass ihrem Anwalt der Zugang zu den Dokumenten vom Direktor der NSB mit einer sehr vagen Begründung verweigert worden sei. Sie stellt auch die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen in Frage, auf die die NSB und der Ausschuss ihre Schlussfolgerung stützten, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens ein Sicherheitsrisiko darstelle.

20.      Nach Einreichung der Klage wurde die Zuständigkeit für die Prüfung der Klage auf den Najvyšší správny súd Slovenskej republiky (Oberstes Verwaltungsgericht der Slowakischen Republik) übertragen. Am 28. September 2022 übermittelte die NSB diesem die gesamte Akte, einschließlich der als Verschlusssache eingestuften Beweisdokumente. Mit Beschluss vom 4. Oktober 2022 schloss der Vorsitzende der zuständigen Kammer diese als Verschlusssachen eingestuften Aktenteile von der Einsichtnahme aus.

21.      Am selben Tag beantragte der Anwalt der Klägerin des Ausgangsverfahrens beim Gericht Einsicht in die von der NSB übermittelten, als Verschlusssache eingestuften Beweisdokumente. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2022 wies der Vorsitzende der zuständigen Kammer diesen Antrag zurück, ersuchte die NSB jedoch, zu prüfen, ob die Übermittlung dieser Beweismittel an den Anwalt genehmigt werden könne. Mit Schreiben vom 25. November 2022 genehmigte die NSB lediglich die Übermittlung von zwei als Verschlusssache eingestuften Beweisdokumenten. Ihre Zustimmung zur Übermittlung der anderen als Verschlusssache eingestuften Beweisdokumente verweigerte sie jedoch mit der Begründung, dass eine solche Übermittlung die Offenlegung von Informationsquellen zur Folge haben könne und die gegen die Klägerin des Ausgangsverfahrens geführten Ermittlungen gefährden könne. Mit Schreiben vom 16. Januar 2023 beantragte der Anwalt der Klägerin des Ausgangsverfahrens erneut Einsicht in sämtliche als Verschlusssache eingestuften Beweisdokumente und berief sich dabei u. a. auf Art. 47 der Charta in der Auslegung durch den Gerichtshof in seinem Urteil vom 22. September 2022, Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a.(5).

22.      In diesem Zusammenhang stellt sich das vorlegende Gericht die Frage nach der Anwendbarkeit der Charta im Ausgangsverfahren.

23.      Insoweit weist das vorlegende Gericht insbesondere darauf hin, dass sich die Voraussetzungen für die Gültigkeit des Sicherheitsbescheids für Unternehmen nach slowakischem Recht richteten, das die Gültigkeit eines solchen Bescheids an die Gültigkeit einer entsprechenden Sicherheitsermächtigung knüpfe, ohne den Umgang mit EU-VS oder den Zugang zu diesen näher zu regeln. Jedoch erlege der Beschluss 2013/488 den Mitgliedstaaten einige konkrete Verpflichtungen in Bezug auf die Ermächtigung von Auftragnehmern auf, die in Anlage A zu diesem Beschluss als jede Einzelperson oder Rechtsperson, die geschäftsfähig ist, definiert seien. Deshalb seien die nationalen Behörden verpflichtet, bei der Erteilung oder dem Widerruf von Sicherheitsbescheiden für Unternehmen die sich aus dem genannten Beschluss ergebenden Verpflichtungen zu berücksichtigen. Dem stehe auch die Tatsache nicht entgegen, dass einige Bestimmungen des Beschlusses 2013/488 auf die nationalen Rechtsvorschriften verweisen würden, nach denen diese Behörden vorzugehen hätten, da die Mitgliedstaaten diesen Beschluss unter Anwendung der im nationalen Recht vorgesehenen Maßnahmen und Verfahren durchführen müssten.

24.      Ferner ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass der Umstand, dass die einschlägige slowakische Regelung nicht zu dem Zweck erlassen worden sei, die Durchführung eines bestimmten Rechtsakts des Unionsrechts zu gewährleisten, und dass sie eine Verknüpfung zwischen der Gültigkeit des Sicherheitsbescheids für Unternehmen und derjenigen einer entsprechenden Sicherheitsermächtigung herstelle, nicht bedeute, dass die Anwendung dieser Regelung keine Durchführung des Unionsrechts darstellen könne. Ferner könne die von ihm vorzunehmende Überprüfung der angefochtenen Entscheidung eine Situation darstellen, in der ein Mitgliedstaat Unionsrecht durchführe, und weder die Rechtsgrundlage des Beschlusses 2013/488 noch Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV könne die Anwendung der Charta ausschließen.

25.      Für den Fall, dass die Charta auf das Ausgangsverfahren anwendbar ist, stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob die slowakische Regelung und Praxis in Bezug auf Verschlusssachen mit Art. 47 der Charta vereinbar ist.

26.      Dem vorlegenden Gericht zufolge sind gemäß dieser Regelung Informationen, die als Verschlusssache eingestuft sind, den Richtern, die über Klagen gegen auf diesen Informationen beruhende Entscheidungen zu entscheiden haben, uneingeschränkt zugänglich. Dem Anwalt der klägerischen Partei wird nur mit Zustimmung der Behörde, die die betreffende Verschlusssache als solche identifiziert hat, Zugang zu diesen Informationen gewährt, wobei die Verweigerung der Zustimmung keiner Überprüfung durch ein Gericht zugänglich ist. Außerdem muss der Rechtsanwalt die Verschlusssachen, zu denen ihm Zugang gewährt wird, weiterhin vertraulich behandeln, so dass er ihren Inhalt auch seinem Mandanten nicht zur Kenntnis bringen darf.

27.      Vor diesem Hintergrund meint das vorlegende Gericht, dass in Betracht gezogen werden könnte, die Antwort auf die Frage, ob die genannte Regelung mit Art. 47 der Charta vereinbar ist, aus dem Urteil Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a. abzuleiten. In diesem Urteil entschied der Gerichtshof, dass Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes(6) in Verbindung mit Art. 45 Abs. 4 dieser Richtlinie sowie unter Berücksichtigung des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes betreffend das Recht auf eine gute Verwaltung und von Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass dann, wenn eine Entscheidung über die Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz oder die Aberkennung eines solchen Schutzes auf Informationen, deren Offenlegung die nationale Sicherheit des betreffenden Mitgliedstaats gefährden würde, beruht, die betroffene Person oder ihr Rechtsberater nur nach einer entsprechenden Genehmigung Zugang zu diesen Informationen erhalten können, ihnen nicht einmal der wesentliche Inhalt der Gründe, auf denen solche Entscheidungen beruhen, mitgeteilt wird und sie die Informationen, zu denen sie Zugang hätten erhalten können, jedenfalls nicht für Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren verwenden dürfen(7). Ferner stellte der Gerichtshof in dem genannten Urteil klar, dass zur Gewährleistung der Verteidigungsrechte der betroffenen Person die Möglichkeit des zuständigen Gerichts, Einsicht in die Akte zu nehmen, nicht an die Stelle des Zugangs zu den Informationen in dieser Akte durch die betroffene Person oder ihren Rechtsberater treten kann(8).

28.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts muss jedoch geprüft werden, ob der Ansatz aus dem Urteil Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a., das den Bereich der gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes betrifft, uneingeschränkt auf den vorliegenden Fall übertragbar ist. Anders als in der Rechtssache, die diesem Urteil zugrunde gelegen habe, sei es nämlich nicht offensichtlich, dass die im Beschluss 2013/488, insbesondere in dessen Art. 11 und Anhang V, hinsichtlich der Erteilung eines Sicherheitsbescheids für Unternehmen (FSC) durch die nationale Sicherheitsbehörde vorgesehenen Regeln dem betroffenen Auftragnehmer ein unionsrechtlich garantiertes Recht verleihen könnten, dessen Schutz er nach Art. 47 Abs. 1 der Charta beanspruchen könne. Für den Fall, dass dies dennoch bejaht wird, ersucht das vorlegende Gericht zudem um Konkretisierung des Inhalts des sich aus diesem Artikel ergebenden gerichtlichen Schutzes und der Befugnisse, über die es verfügen muss, um die sich aus diesem Artikel ergebenden Rechte in einer Situation wie im Ausgangsverfahren zu garantieren.

29.      In dieser Situation hat der Najvyšší správny súd Slovenskej republiky (Oberstes Verwaltungsgericht der Slowakischen Republik) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 51 Abs. 1 der Charta dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat das Unionsrecht durchführt, wenn ein Gericht dieses Mitgliedstaats die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung eines Sonderausschusses des Parlaments dieses Staates prüft, der in zweiter Instanz eine Verwaltungsentscheidung der Nationalen Sicherheitsbehörde bestätigt hat, mit der gegenüber einer juristischen Person

–        zum einen eine Sicherheitsermächtigung für Unternehmen aufgehoben (widerrufen) wurde, die zum Zugang zu nach nationalem Recht als Verschlusssachen eingestuften Informationen berechtigt,

–        und zum anderen und ausschließlich aufgrund der Aufhebung dieser Ermächtigung auch ein Sicherheitsbescheid für Unternehmen aufgehoben (widerrufen) wurde, der dieser juristischen Person für den Zugang zu als „SECRET UE/EU SECRET“ eingestuften Verschlusssachen im Sinne von Art. 11 des Beschlusses 2013/488 und Anhang V dieses Beschlusses ausgestellt wurde?

2.      Wenn die Frage 1 bejaht wird: Ist Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung und Praxis entgegensteht, wonach

a)      in der Entscheidung der Nationalen Sicherheitsbehörde über die Aufhebung (den Widerruf) der genannten Ermächtigung und des genannten Bescheids nicht die Verschlusssachen angegeben werden, die diese Behörde zu der Feststellung veranlasst haben, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung (den Widerruf) erfüllt sind, sondern lediglich auf das entsprechende Schriftstück in der Akte dieser Behörde, das diese Verschlusssachen enthält, verwiesen wird,

b)      die betreffende juristische Person keinen Zugang zu der Akte der Nationalen Sicherheitsbehörde und zu den einzelnen Schriftstücken hat, die die Verschlusssachen enthalten, die diese Behörde dazu veranlasst haben, die genannte Ermächtigung und den genannten Bescheid aufzuheben (zu widerrufen),

c)      der Rechtsanwalt der betreffenden juristischen Person Einsicht in diese Akte und diese Schriftstücke erhalten kann, jedoch nur mit Zustimmung des Leiters der Nationalen Sicherheitsbehörde, gegebenenfalls mit Zustimmung einer anderen Behörde, die diese Schriftstücke der Nationalen Sicherheitsbehörde vorgelegt hat, wobei er auch nach dieser Einsicht verpflichtet ist, den Inhalt der Akte und der Schriftstücke vertraulich zu behandeln,

d)      das Gericht, das die Rechtmäßigkeit der in Frage 1 beschriebenen Entscheidung prüft, jedoch uneingeschränkten Zugang zu dieser Akte und diesen Schriftstücken hat?

3.      Wenn die Frage 2 bejaht wird: Ist Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta dahin auszulegen, dass er es einem Gericht, das die Rechtmäßigkeit einer in Frage 1 beschriebenen Entscheidung prüft, unmittelbar erlaubt (oder es gegebenenfalls verpflichtet), die in Frage 2 beschriebene Regelung und Praxis nicht anzuwenden und dem Betroffenen oder seinem Rechtsanwalt Zugang zur Akte der Nationalen Sicherheitsbehörde, gegebenenfalls zu den Schriftstücken, die die Verschlusssachen enthalten, zu gewähren, wenn das Gericht dies für erforderlich hält, um das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf ein kontradiktorisches Verfahren zu gewährleisten?

4.      Wenn die Frage 3 bejaht wird: Ist Art. 51 Abs. 1 und 2 der Charta dahin auszulegen, dass die Befugnis des Gerichts zur Gewährung des Zugangs zur Akte, gegebenenfalls zu den Schriftstücken im Sinne von Frage 3,

–        lediglich für die Teile der Akte oder der Schriftstücke gilt, die Informationen enthalten, die für die Sicherheitsbewertung von Unternehmen im Sinne von Art. 11 und Anhang V des Beschlusses 2013/488 relevant sind, oder

–        auch für die Teile der Akte oder der Schriftstücke gilt, die Informationen enthalten, die ausschließlich für die Sicherheitsbewertung von Unternehmen nach nationalem Recht relevant sind, d. h. über die im Beschluss 2013/488 festgelegten Gründe hinaus?

30.      Schriftliche Erklärungen sind vom Ausschuss, der slowakischen und der estnischen Regierung, dem Rat der Europäischen Union sowie der Europäischen Kommission eingereicht worden.

31.      Am 30. Januar 2024 hat eine Sitzung stattgefunden, an der protectus, der Ausschuss, die slowakische und die französische Regierung, der Rat sowie die Kommission teilgenommen haben.

III. Würdigung

32.      In der vorliegenden Rechtssache ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Klärung der Frage, wie die Abwägung zwischen dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und dem Schutz der nationalen Sicherheit im Rahmen einer Klage gegen eine insbesondere auf Verschlusssachen gestützte Entscheidung vorzunehmen ist, mit der zum einen eine Sicherheitsermächtigung für Unternehmen, die den Zugang zu von einem Mitgliedstaat als Verschlusssache eingestuften Informationen gestattet, und zum anderen ein Sicherheitsbescheid für Unternehmen, der zum Zugang zu EU-VS berechtigt, widerrufen wird.

33.      Um über die gegen diese Entscheidung erhobene Klage entscheiden zu können, fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen nach der Vereinbarkeit der slowakischen Regelung mit dem Unionsrecht, soweit diese den Zugang der betroffenen Person zu den Verschlusssachen, die die Grundlage für die gegen sie ergangene Entscheidung bilden, beschränkt, und nach den Befugnissen, über die das zuständige Gericht verfügen muss, um die Rechte dieser Person zu garantieren.

A.      Zuständigkeit des Gerichtshofs

34.      Der Ausschuss macht geltend, dass der Gerichtshof nicht für die Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens zuständig sei, da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle.

35.      Da die hierzu vorgebrachten Argumente auf die Feststellung abzielen, dass die Charta im Ausgangsverfahren nicht anwendbar sei, sind sie im Rahmen der Beantwortung der ersten Vorlagefrage zu prüfen, die sich auf diesen Punkt bezieht. Diese Feststellung wird dadurch gestützt, dass der Einwand der Unanwendbarkeit einer Bestimmung des Unionsrechts den Inhalt dieser Frage betrifft(9).

B.      Zur ersten Vorlagefrage

36.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 51 Abs. 1 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat das Unionsrecht durchführt, wenn eines seiner Gerichte die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung überprüft, mit der zum einen eine Sicherheitsermächtigung für Unternehmen, die den Zugang zu von einem Mitgliedstaat als Verschlusssache eingestuften Informationen gestattet, und zum anderen ein Sicherheitsbescheid für Unternehmen gemäß Art. 11 und Anhang V des Beschlusses 2013/488, der zum Zugang zu EU-VS berechtigt, aufgehoben wird.

37.      Die Verschlusssachen, die Voraussetzungen für die Kenntnisnahme von Verschlusssachen, die Voraussetzungen für die Erteilung und Aufhebung der Sicherheitsermächtigung für Unternehmen sowie das diesbezügliche Verfahren werden im slowakischen Recht durch das Zákon č. 215/2004 Z. z. o ochrane utajovaných skutočností (Gesetz Nr. 215/2004 über den Schutz von Verschlusssachen(10)) geregelt.

38.      Aus § 50 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 215/2004 geht hervor, dass, „[w]enn das Sicherheitsüberprüfungsverfahren zeigt, dass der Unternehmer die in § 46[(11)] festgelegten Voraussetzungen erfüllt, … die NSB ihm die Sicherheitsermächtigung für Unternehmen [erteilt]“. In § 50 Abs. 5 heißt es: „Stellt die NSB fest, dass der Unternehmer eine der in § 46 festgelegten Sicherheitsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt oder seine Pflichten zum Schutz von Verschlusssachen grob oder wiederholt verletzt hat, so hebt sie die Gültigkeit der Ermächtigung auf.“ Auf der Grundlage der letztgenannten Bestimmung entschied die NSB, die Sicherheitsermächtigung für Unternehmen, die protectus erteilt worden war, aufzuheben.

39.      Die Voraussetzungen für die Erteilung des Sicherheitsbescheids für Unternehmen sind in § 5 Abs. 6 der Vyhláška č. 134/2016 Z. z. o personálnej bezpečnosti (Verordnung Nr. 134/2016 über den personellen Geheimschutz)(12) festgelegt, der auf die Voraussetzungen für die Erteilung des Bescheids über die Sicherheitsüberprüfung einer natürlichen Person nach Abs. 1 bis 5 dieser Bestimmung verweist. Aus der Kombination dieser Bestimmungen ergibt sich insbesondere zum einen, dass im Sicherheitsbescheid für Unternehmen der höchste Geheimhaltungsgrad der EU-VS, zu denen eine Person Zugang haben darf, und die entsprechenden Bestimmungen der Unionsvorschriften, die diese Person zum Zugang zu Verschlusssachen berechtigen, angegeben werden(13). Zum anderen ist die Gültigkeit dieses Bescheids an die Gültigkeit der Sicherheitsermächtigung für Unternehmen gebunden(14).

40.      Um festzustellen, ob der Fall, dass ein nationales Gericht die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, mit der diese Sicherheitsbescheinigungen aufgehoben werden, in dem vorbeschriebenen nationalen Rechtsrahmen überprüft, eine Durchführung des Unionsrechts darstellt, ist es notwendig, sich den Anwendungsbereich der Charta in Bezug auf das Handeln der Mitgliedstaaten in Erinnerung zu rufen. Dieser ist in Art. 51 Abs. 1 der Charta definiert, wonach die Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt. Dieser Artikel der Charta bestätigt die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung finden(15). Sobald also eine nationale Regelung in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, hat der im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens angerufene Gerichtshof dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundrechten beurteilen zu können, deren Wahrung er sichert(16). Wird dagegen eine rechtliche Situation nicht vom Unionsrecht erfasst, ist der Gerichtshof nicht zuständig, um über sie zu entscheiden, und die möglicherweise angeführten Bestimmungen der Charta können als solche keine neue Zuständigkeit begründen(17).

41.      Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Begriff „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen einem Unionsrechtsakt und der betreffenden nationalen Maßnahme voraus, der unter Berücksichtigung der vom Gerichtshof festgelegten Beurteilungskriterien darüber hinausgeht, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann(18).

42.      Um zu klären, ob eine nationale Maßnahme die „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta betrifft, ist daher u. a. zu prüfen, ob mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung die Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, welchen Charakter diese Regelung hat und ob mit ihr andere als die unter das Unionsrecht fallenden Ziele verfolgt werden, selbst wenn sie das Unionsrecht mittelbar beeinflussen kann, sowie ferner, ob es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für diesen Bereich spezifisch ist oder ihn beeinflussen kann(19).

43.      Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass der Schutz der EU-VS noch nicht Gegenstand einer unionsrechtlichen Norm mit horizontaler Reichweite ist, die alle Organe und Einrichtungen der Union erfasst. Die Regelung dieses Schutzes ergibt sich somit aus mehreren gesonderten Rechtsakten, die von den Organen oder Einrichtungen der Union jeweils für ihren Bereich erlassen wurden.

44.      Im vorliegenden Fall benennt das vorlegende Gericht den Beschluss 2013/488 als die im Rahmen des Ausgangsverfahrens anwendbare Norm des Unionsrechts. Da das vorlegende Gericht nicht näher erläutert, warum es sich dafür entschieden hat, um Auslegung dieses Beschlusses und nicht eines anderen Beschlusses zu ersuchen, ist meines Erachtens von der Prämisse auszugehen, auf der die durch das Verfahren nach Art. 267 AEUV eingeführte gerichtliche Zusammenarbeit beruht, nämlich dass das nationale Gericht den rechtlichen und tatsächlichen Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens in eigener Verantwortung festlegt und der Gerichtshof dessen Richtigkeit nicht zu prüfen hat und dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen eines nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in diesem Rahmen stellt(20). Ich bin daher der Ansicht, dass die Beurteilung, ob im Ausgangsverfahren eine Durchführung des Unionsrechts vorliegt, im Hinblick auf die genannte Entscheidung vorzunehmen ist.

45.      Um festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation eine Durchführung des Unionsrechts darstellt, sind die verschiedenen Verpflichtungen darzulegen, die der Beschluss 2013/488, der vom Rat im Rahmen seiner internen Organisationsgewalt erlassen wurde, den Mitgliedstaaten auferlegt.

46.      Wie im ersten Erwägungsgrund des vorgenannten Beschlusses ausgeführt wird, zielt er darauf ab, „[f]ür die Ausweitung der Tätigkeiten des Rates in allen Bereichen, die die Bearbeitung von Verschlusssachen erfordern, … ein umfassendes Sicherheitssystem für den Schutz von Verschlusssachen [zu schaffen], das den Rat, sein Generalsekretariat und die Mitgliedstaaten einbezieht“. In diesem Sinne ergibt sich aus dem dritten Erwägungsgrund des Beschlusses, dass „[n]ach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsvorschriften und soweit es für die Tätigkeit des Rates erforderlich ist, … die Mitgliedstaaten diesen Beschluss beachten [sollten], wenn ihre zuständigen Behörden, ihre Bediensteten oder ihre Auftragnehmer EU-VS bearbeiten, damit alle Seiten darauf vertrauen können, dass ein gleichwertiges Schutzniveau für EU-VS gewährleistet ist.“

47.      Dementsprechend heißt es in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2013/488, dass dieser Beschluss „Grundprinzipien und Mindeststandards für die Sicherheit in Bezug auf den Schutz von EU-VS fest[legt].“ Nach Art. 1 Abs. 2 „[gelten] [d]iese Grundprinzipien und Mindeststandards … für den Rat und das Generalsekretariat des Rates und werden von den Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechtsvorschriften beachtet, damit alle Seiten darauf vertrauen können, dass ein gleichwertiges Schutzniveau für EU-VS gewährleistet ist.“

48.      Nach Art. 2 Abs. 1 des vorgenannten Beschlusses „sind [EU-VS] alle mit einem EU-Geheimhaltungsgrad gekennzeichneten Informationen oder Materialien, deren unbefugte Weitergabe den Interessen der Europäischen Union oder eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Maße schaden könnte.“

49.      Der Schutz der EU-VS erfordert, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, wenn Wirtschaftsakteure Zugang zu solchen Informationen haben sollen.

50.      In diesem Zusammenhang definiert Art. 11 Abs. 1 des Beschlusses 2013/488 den „Geheimschutz in der Wirtschaft“ als „Anwendung von Maßnahmen, die darauf abzielen, den Schutz von EU-VS durch Auftragnehmer oder Subauftragnehmer während der Verhandlungen vor der Auftragsvergabe und während der gesamten Laufzeit des als Verschlusssache eingestuften Auftrags zu gewährleisten. Diese Aufträge beinhalten nicht den Zugang zu als ‚TRÈS SECRET UE/EU TOP SECRET‘ eingestuften Verschlusssachen.“

51.      Die Anwendung solcher Maßnahmen ist erforderlich, da nach Art. 11 Abs. 2 des Beschlusses 2013/488 „[d]as Generalsekretariat des Rates … industrielle oder andere Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat … eingetragen sind, vertraglich mit Aufträgen betrauen [kann], die den Zugang zu oder die Bearbeitung oder Aufbewahrung von EU-VS beinhalten oder nach sich ziehen.“

52.      In diesem Zusammenhang bedeutet der Schutz von EU-VS insbesondere Folgendes:

–        Das Generalsekretariat des Rates stellt als Vergabebehörde sicher, dass die in dem Beschluss 2013/488 festgelegten und in dem Vertrag genannten Mindeststandards für den Geheimschutz in der Wirtschaft eingehalten werden, wenn als Verschlusssache eingestufte Aufträge von ihm an industrielle oder andere Unternehmen vergeben werden (Art. 11 Abs. 3);

–        die Nationale Sicherheitsbehörde (National Security Authority, NSA), die Beauftragte Sicherheitsbehörde (Designated Security Authority, DSA) oder eine andere zuständige Behörde jedes Mitgliedstaats stellt, soweit dies nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften möglich ist, sicher, dass in ihrem Hoheitsgebiet eingetragene Auftragnehmer und Subauftragnehmer alle geeigneten Maßnahmen zum Schutz von EU-VS bei den Verhandlungen vor der Auftragsvergabe oder bei der Ausführung eines als Verschlusssache eingestuften Auftrags treffen (Art. 11 Abs. 4), und

–        die Nationale Sicherheitsbehörde, die Beauftragte Sicherheitsbehörde oder eine sonstige zuständige Sicherheitsbehörde jedes Mitgliedstaats stellt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass in dem jeweiligen Mitgliedstaat eingetragene Auftragnehmer und Subauftragnehmer, die an als Verschlusssache eingestuften Aufträgen oder Subaufträgen beteiligt sind, die den Zugang zu als ‚CONFIDENTIEL UE/EU CONFIDENTIAL‘ oder ‚SECRET UE/EU SECRET‘ eingestuften Verschlusssachen in ihren Räumlichkeiten erfordern, entweder bei der Ausführung dieser Aufträge oder bei den Verhandlungen vor der Auftragsvergabe im Besitz eines Sicherheitsbescheids für Unternehmen (Facility Security Clearance, FSC) der entsprechenden Geheimhaltungsstufe sind (Art. 11 Abs. 5).

53.      In Anlage A des Beschlusses 2013/488 wird der als Verschlusssache eingestufte Auftrag definiert als „ein Vertrag zwischen dem Generalsekretariat des Rates und einem Auftragnehmer über die Lieferung von Waren, die Durchführung von Arbeiten oder die Erbringung von Dienstleistungen, dessen Ausführung den Zugang zu oder die Erstellung von EU-VS erfordert oder mit sich bringt“. Der FSC wird definiert als „die verwaltungsrechtliche Feststellung durch eine Nationale Sicherheitsbehörde oder Beauftragte Sicherheitsbehörde, dass ein Unternehmen unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit ausreichenden Schutz für EU-VS eines bestimmten Geheimhaltungsgrads bietet“.

54.      Aus Art. 15 Abs. 3 des Beschlusses 2013/488 ergibt sich, dass die Verantwortung für die Durchführung der Grundprinzipien und Mindeststandards für den Schutz von EU-VS insbesondere den Mitgliedstaaten obliegt.

55.      So treffen sie „nach Maßgabe ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechtsvorschriften alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass [der Beschluss 2013/488] bei der Bearbeitung und Aufbewahrung von EU-VS von [einem bestimmten] Personenkreis eingehalten wird“, u. a. von Personen, die „aufgrund ihrer Aufgaben förmlich zum Zugang zu EU-VS ermächtigt worden sind“ (Art. 15 Abs. 3 Buchst. c), und „Vertragspartnern der Mitgliedstaaten, unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten tätig sind“ (Art. 15 Abs. 3 Buchst. d).

56.      Zudem sieht Art. 16 Abs. 3 Buchst. a des Beschlusses 2013/488 zur Durchführung von Art. 15 Abs. 3 dieses Beschlusses vor, dass die Mitgliedstaaten eine Nationale Sicherheitsbehörde benennen, die für die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz von EU-VS zuständig ist, damit insbesondere

–        „EU-VS, die sich im Besitz einer öffentlichen oder privaten Stelle oder Einrichtung ihres Landes im In- oder Ausland befinden, gemäß diesem Beschluss geschützt werden“ (Art. 16 Abs. 3 Buchst. a Ziff. i);

–        „die Sicherheitsvorkehrungen für den Schutz von EU-VS regelmäßig überprüft oder bewertet werden“ (Art. 16 Abs. 3 Buchst. a Ziff. ii) und

–        „alle in einer nationalen Verwaltung oder von einem Auftragnehmer beschäftigten Personen, denen Zugang zu als ‚CONFIDENTIEL UE/EU CONFIDENTIAL‘ oder höher eingestuften Verschlusssachen gewährt werden kann, einer ordnungsgemäßen Sicherheitsüberprüfung unterzogen oder auf anderer Grundlage nach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsvorschriften aufgrund ihres Aufgabenbereichs ordnungsgemäß ermächtigt worden sind“ (Art. 16 Abs. 3 Buchst. a Ziff. iii).

57.      Diese Bestimmungen zeigen, dass der Beschluss 2013/488 den Mitgliedstaaten eine Reihe von konkreten Verpflichtungen zum Schutz von EU-VS auferlegt. Hierzu gehört auch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Personen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit Zugang zu EU-VS haben sollen, einer Sicherheitsüberprüfung durch eine nationale Sicherheitsbehörde unterzogen werden.

58.      Alles in allem sieht der Beschluss 2013/488 eine allgemeine Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Einhaltung dieses Beschlusses durch bestimmte Personen (Art. 15 Abs. 3), für die Gewährleistung der Anwendung der Bestimmungen zum Schutz von EU-VS (Art. 16 Abs. 3) sowie dafür vor, dass Auftragnehmer und Unterauftragnehmer, die an als Verschlusssache eingestuften Aufträgen beteiligt sind, im Besitz eines FSC sind (Art. 11 Abs. 5).

59.      Der Beschluss 2013/488 beschränkt sich aber nicht darauf, ganz allgemein vorzuschreiben, dass Personen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit Zugang zu EU-VS haben sollen, einer Sicherheitsüberprüfung durch eine nationale Sicherheitsbehörde unterzogen werden müssen. Vielmehr legt er auch bestimmte Regeln für das Überprüfungs- bzw. Ermächtigungsverfahren sowie die hierfür geltenden Bedingungen fest.

60.      So enthält Anhang V des vorgenannten Beschlusses in Abschnitt III die folgenden Nrn. 8 bis 13:

„8.      Ein Sicherheitsbescheid für Unternehmen wird von der Nationalen Sicherheitsbehörde oder der Beauftragten Sicherheitsbehörde oder einer anderen zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats ausgestellt und gibt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften Auskunft darüber, dass ein industrielles oder anderes Unternehmen in der Lage ist, EU-VS bis zu dem entsprechenden Geheimhaltungsgrad (‚CONFIDENTIEL UE/EU CONFIDENTIAL‘ oder ‚SECRET UE/EU SECRET‘) in seinen Anlagen zu schützen. Der Bescheid ist dem Generalsekretariat des Rates als der Vergabebehörde vorzulegen, bevor einem Auftragnehmer oder Subauftragnehmer bzw. einem möglichen Auftragnehmer oder Subauftragnehmer EU-VS zur Verfügung gestellt werden können oder ihm Zugang zu diesen gewährt werden kann.

9.      Bei der Erteilung eines Sicherheitsbescheids für Unternehmen hat die zuständige Nationale Sicherheitsbehörde oder Beauftragte Sicherheitsbehörde zumindest Folgendes zu beachten:

a)      Sie bewertet die Integrität des industriellen oder anderen Unternehmens;

b)      sie bewertet die Eigentums- und Kontrollverhältnisse bzw. die Möglichkeit einer unzulässigen Einflussnahme unter dem Aspekt eines eventuellen Sicherheitsrisikos;

c)      sie überprüft, ob das industrielle oder andere Unternehmen ein Sicherheitssystem eingeführt hat, das alle geeigneten Geheimschutzmaßnahmen umfasst, die nach den in diesem Beschluss niedergelegten Anforderungen zum Schutz von als ‚CONFIDENTIEL UE/EU CONFIDENTIAL‘ oder ‚SECRET UE/EU SECRET‘ eingestuften Informationen oder Materialien erforderlich sind;

d)      sie überprüft, ob die Sicherheitsermächtigungen der Geschäftsführung, der Eigentümer und der Mitarbeiter, die Zugang zu als ‚CONFIDENTIEL UE/EU CONFIDENTIAL‘ oder ‚SECRET UE/EU SECRET‘ eingestuften Verschlusssachen benötigen, gemäß den Anforderungen dieses Beschlusses vorliegen, und

e)      sie überprüft, ob das industrielle oder andere Unternehmen einen Sicherheitsbevollmächtigten benannt hat, der gegenüber seiner Geschäftsführung für die Durchsetzung der Geheimschutzmaßnahmen in diesem Unternehmen verantwortlich ist.

10.      Das Generalsekretariat des Rates als Vergabebehörde teilt der zuständigen Nationalen Sicherheitsbehörde/Beauftragten Sicherheitsbehörde oder einer anderen zuständigen Sicherheitsbehörde gegebenenfalls mit, dass ein Sicherheitsbescheid für Unternehmen in der Phase vor der Auftragsvergabe oder für die Ausführung des Auftrags erforderlich ist. Ein Sicherheitsbescheid für Unternehmen oder eine Sicherheitsermächtigung ist in der Phase vor der Auftragsvergabe erforderlich, wenn EU-VS mit dem Geheimhaltungsgrad ‚CONFIDENTIEL UE/EU CONFIDENTIAL‘ oder ‚SECRET UE/EU SECRET‘ während des Bietverfahrens zur Verfügung gestellt werden müssen.

11.      Die Vergabebehörde vergibt keinen als Verschlusssache eingestuften Auftrag an einen bevorzugten Bieter, bevor sie von der Nationalen Sicherheitsbehörde/Beauftragten Sicherheitsbehörde oder einer anderen zuständigen Sicherheitsbehörde des Mitgliedstaats, in dem der betreffende Auftragnehmer oder Subauftragnehmer eingetragen ist, die Bestätigung erhalten hat, dass erforderlichenfalls ein entsprechender Sicherheitsbescheid für das Unternehmen erteilt wurde.

12.      Die Nationale Sicherheitsbehörde/Beauftragte Sicherheitsbehörde oder eine sonstige zuständige Sicherheitsbehörde, die einen Sicherheitsbescheid erteilt hat, teilt dem Generalsekretariat des Rates als Vergabebehörde alle Änderungen mit, die diesen Sicherheitsbescheid betreffen. Bei Subaufträgen ist die Nationale Sicherheitsbehörde/Beauftragte Sicherheitsbehörde oder eine sonstige zuständige Sicherheitsbehörde entsprechend zu informieren.

13.      Die Aufhebung eines Sicherheitsbescheids für Unternehmen durch die jeweilige Nationale Sicherheitsbehörde/Beauftragte Sicherheitsbehörde oder eine sonstige zuständige Sicherheitsbehörde stellt für das Generalsekretariat des Rates als Vergabebehörde einen ausreichenden Grund dar, den als Verschlusssache eingestuften Auftrag zu kündigen oder einen Bieter vom Vergabeverfahren auszuschließen.“

61.      Um festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation mit Blick auf die vorbeschriebenen Vorschriften des Unionsrechts eine Durchführung dieses Rechts darstellt, ist meines Erachtens zwischen der Ermächtigung, die protectus für den Zugang zu nach nationalem Recht als Verschlusssachen eingestuften Informationen besaß, und der Ermächtigung, die ihr die Kenntnisnahme von EU-VS gestattete, zu unterscheiden.

62.      So stellt die Situation, dass die NSB zunächst protectus eine Sicherheitsermächtigung für Unternehmen ausstellte, die sie zur Kenntnisnahme von nach nationalem Recht als Verschlusssachen eingestuften Informationen berechtigte, und sodann diese Ermächtigung aufhob, meines Erachtens keine Durchführung des Unionsrechts dar. Der Beschluss 2013/488 enthält nämlich keine Bestimmungen, die darauf abzielen, die von den nationalen Behörden getroffenen Entscheidungen über den Zugang zu nach nationalem Recht als Verschlusssachen eingestuften Informationen zu den im nationalen Recht vorgesehenen Zwecken zu regeln. Außerdem geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervor, dass durch andere Rechtsakte der Union irgendeine Form der Harmonisierung der nationalen Vorschriften über den Status solcher Informationen herbeigeführt würde. Im Übrigen hat der Gerichtshof kürzlich in seinem Urteil NW und PQ (Verschlusssache) festgestellt, dass die Vorschriften über die Einstufung von Informationen als Verschlusssache und die Aufhebung dieser Einstufung nach nationalem Recht nicht Gegenstand von Vorschriften sind, die durch einen Rechtsakt der Union harmonisiert wurden(21).

63.      Daraus folgt, dass die slowakische Regelung über die Sicherheitsermächtigung für Unternehmen ebenso wie die von den slowakischen Behörden hinsichtlich dieser Ermächtigung getroffenen Maßnahmen als ausschließlich dem nationalen Recht zugehörig anzusehen sind und daher nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen. Folglich stellt die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, mit der eine Sicherheitsermächtigung für Unternehmen aufgehoben wird, wohl nicht unmittelbar eine Form der „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta dar.

64.      Die Situation, dass die NSB zunächst protectus einen Sicherheitsbescheid für Unternehmen ausstellte, der sie zum Zugang zu EU-VS mit dem Geheimhaltungsgrad SECRET UE/EU SECRET berechtigte, und sodann diesen Bescheid aufhob, scheint mir hingegen eine Durchführung des Rechts der Union darzustellen.

65.      Bei einem Sicherheitsbescheid für Unternehmen, in dem – was ich noch einmal betonen möchte – nach den slowakischen Vorschriften der höchste Geheimhaltungsgrad von EU-VS, zu denen eine Person Zugang haben darf, und die entsprechenden Bestimmungen der Unionsvorschriften, nach denen der Zugang dieser Person zu den Verschlusssachen gestattet wird, angegeben sind, kann nämlich davon ausgegangen werden, dass sich sein Zweck und seine Wirkungen mit denen des im Beschluss 2013/488 vorgesehenen FSC decken. Außerdem wird nach Maßgabe dieses Beschlusses eine nationale Sicherheitsbehörde, in diesem Fall die NSB, mit der Durchführung der Sicherheitsüberprüfung betraut. Aus der slowakischen Regelung ergibt sich ferner, dass das Verfahren der Sicherheitsüberprüfung darauf abzielt, der Person, die über einen entsprechenden Sicherheitsbescheid verfügt, im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen eines internationalen Abkommens, an das die Slowakische Republik gebunden ist, Einsicht in Verschlusssachen zu gewähren(22), woraus sich ableiten lässt, dass diese Regelung kein rein nationales Ziel verfolgt, das sich dann von dem mit dem Beschluss 2013/488 verfolgten Ziel unterscheiden würde.

66.      Zudem sind die Gründe, aus denen die NSB den der Klägerin des Ausgangsverfahrens erteilten Sicherheitsbescheid für Unternehmen aufhob und die im Wesentlichen darin bestanden, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens aufgrund einer Geschäftsbeziehung, die den Sicherheitsinteressen der Slowakischen Republik schaden könnte, und wegen Handelns gegen die wirtschaftlichen Interessen dieses Mitgliedstaats ein Sicherheitsrisiko darstelle, dahin gehend zu verstehen, dass die Mindestvoraussetzungen für die Erteilung des FSC, die in Anhang V des Beschlusses 2013/488(23) aufgeführt sind, von der Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht mehr erfüllt werden.

67.      Der Umstand, dass nach der slowakischen Regelung die Gültigkeit des Sicherheitsbescheids für Unternehmen an die Gültigkeit der Sicherheitsermächtigung für Unternehmen(24) geknüpft ist, kann meines Erachtens nicht dazu führen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation vom Anwendungsbereich des Unionsrechts ausgenommen wird. Die beiden Sicherheitsbescheinigungen wurden nämlich tatsächlich aufgrund eines festgestellten Sicherheitsrisikos aufgehoben.

68.      Außerdem erscheint mir die Verknüpfung der Gültigkeit des Sicherheitsbescheids für Unternehmen mit derjenigen der Sicherheitsermächtigung für Unternehmen logisch, denn – wie der Ausschuss in seinen schriftlichen Erklärungen einräumt – wenn hinsichtlich des betreffenden Unternehmens nach innerstaatlichem Recht ein Sicherheitsrisiko festgestellt wurde, kann dieses Risiko nicht allein auf das Hoheitsgebiet der Slowakischen Republik beschränkt sein, sondern muss sich zwangsläufig auch auf alle Bereiche der Außenbeziehungen dieses Mitgliedstaats erstrecken. Insoweit sind die Interessen der Mitgliedstaaten und die Interessen der Union eng miteinander verknüpft, so dass es normal ist, dass ein Sicherheitsrisiko, das auf nationaler Ebene insbesondere auf der Grundlage von nach nationalem Recht als Verschlusssache eingestuften Informationen festgestellt wurde, sich unmittelbar auf eine Ermächtigung zum Zugang zu EU-VS auswirkt. Diese Verknüpfung zwischen den Interessen der Mitgliedstaaten und den Interessen der Union kommt im Übrigen auch in der Definition des Begriffs EU-VS selbst in Art. 2 Abs. 1 des Beschlusses 2013/488 zum Ausdruck, in der betont wird, dass Verschlusssachen Informationen sind, „deren unbefugte Weitergabe den Interessen der Europäischen Union oder eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Maße schaden könnte“(25).

69.      Zudem kann die Schwachstelle des betreffenden Unternehmens von Informationen herrühren, die nach nationalem Recht als Verschlusssache eingestuft wurden, ohne dass hierdurch eine Durchführung des Unionsrechts im Zusammenhang mit der Aufhebung des Aktes, mit dem eine Person zum Zugang zu EU-VS ermächtigt wurde, ausgeschlossen wird. Ferner schließt der Umstand, dass – wie das vorlegende Gericht in Rn. 35 und 37 seiner Vorlageentscheidung ausführt – der Widerruf der nationalen Sicherheitsermächtigung für Unternehmen ausschließlich auf dem Kriterium der Zuverlässigkeit hinsichtlich der Sicherheit beruhte, wie es in der nationalen Regelung definiert ist, nicht aus, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation eine Durchführung des Unionsrechts darstellt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zwar Sache der Mitgliedstaaten ist, ihre wesentlichen Sicherheitsinteressen festzulegen und die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um ihre innere und äußere Sicherheit zu gewährleisten, doch kann die bloße Tatsache, dass eine nationale Maßnahme zum Schutz der nationalen Sicherheit getroffen wurde, nicht dazu führen, dass das Unionsrecht unanwendbar ist und die Mitgliedstaaten von der erforderlichen Beachtung dieses Rechts entbunden werden(26).

70.      Was den Umstand betrifft, dass die slowakische Regelung nicht speziell zur Umsetzung des Beschlusses 2013/488 erlassen wurde, so ist daran zu erinnern, dass die Tatsache, dass nationale Rechtsvorschriften nicht zur Umsetzung eines Unionsrechtsakts erlassen wurden, unerheblich ist, solange durch die Anwendung dieser Regelung das Unionsrecht wirksam durchgeführt wird(27).

71.      Meines Erachtens ist es unerheblich, dass der Beschluss 2013/488 den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen bei der Feststellung des Vorliegens und der Festlegung der Kriterien für ein Sicherheitsrisiko im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung, zur Änderung oder zum Widerruf eines FSC einräumt. Diese Situation entspricht den Fällen, in denen ein Unionsrechtsakt den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Anwendungsmodalitäten lässt oder ihnen ein Ermessen oder einen Gestaltungsspielraum einräumt, der integrierender Bestandteil der durch den Rechtsakt geschaffenen Regelung ist(28).

72.      Im Übrigen steht die Tatsache, dass die nationalen Behörden und Verfahren zur Erfüllung der im Beschluss 2013/488 vorgesehenen Verpflichtungen eingesetzt werden, der Feststellung nicht entgegen, dass eine Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta vorliegt. Es handelt sich dabei lediglich um einen klassischen Ausdruck der Regel, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Strukturen und Verfahren die Anwendung derjenigen Vorschriften des Unionsrechts sicherstellen müssen, die ihnen Verpflichtungen auferlegen.

73.      Meines Erachtens stellt das Fehlen eines formalen Anspruchs auf Erteilung oder Aufrechterhaltung eines FSC auch keine Bedingung dar, von der die Anwendbarkeit der Charta abhängig gemacht werden könnte.

74.      So wird der Schutz von EU-VS von den Mitgliedstaaten und ihren nationalen Sicherheitsbehörden nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften gewährleistet(29). Dieser Verweis auf das nationale Recht ist nicht so zu verstehen, dass den Mitgliedstaaten die Befugnis eingeräumt wird, den Rahmen für den Schutz von EU-VS eigenmächtig festzulegen. Die Mitgliedstaaten sind also verpflichtet, diesen Schutz unter Einhaltung der durch das Unionsrecht festgelegten Normen zu gewährleisten.

75.      Allgemein ausgedrückt lässt sich aus meiner Sicht nicht vertreten, dass das Unionsrecht bei der Festlegung und Durchführung der Vorschriften zum Schutz der EU-VS außen vor sei, obwohl diese Vorschriften das reibungslose Funktionieren der Union gewährleisten sollen. Dies liefe darauf hinaus, dass die Erteilung oder der Widerruf einer Ermächtigung zum Zugang zu solchen Informationen als Ausübung einer vorbehaltenen Zuständigkeit durch die Mitgliedstaaten angesehen werden könnte, die außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts und folglich auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Charta läge. Meines Erachtens muss die Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften für Verschlusssachen im Bereich des Schutzes der EU-VS ganz im Gegenteil in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht erfolgen.

76.      Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich für mich, dass eine nationale Behörde, die einen Sicherheitsbescheid für Unternehmen erteilt, der einem FSC entspricht, im Hinblick auf die im Beschluss 2013/488 festgelegten Vorschriften zum Schutz von EU-VS eine im Unionsrecht vorgesehene Genehmigung erteilt. Die Wirkungen dieser Genehmigung wie auch die Wirkungen ihres Widerrufs sind im Unionsrecht festgelegt und sollen vor allem in den Beziehungen zwischen der betreffenden Person und den Organen der Union zum Tragen kommen. Zudem handelt die zuständige nationale Behörde, die entscheidet, einen FSC aufzuheben, in Erfüllung einer ihr von den Organen der Union übertragenen Aufgabe, den Schutz der EU-VS zu gewährleisten. Diese Behörde muss daher in Übereinstimmung mit den im Unionsrecht festgelegten Mindestanforderungen handeln.

77.      In Bezug auf die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist auch der besonders weite persönliche Anwendungsbereich des Beschlusses 2013/488 hervorzuheben. Insoweit ist festzustellen, dass die Formulierung in Anhang V Nr. 8 dieses Beschlusses allgemein gehalten ist, da sie den Kreis der Personen, denen ein FSC zu erteilen ist, nicht einschränkt(30).

78.      Zudem heißt es in der vorgenannten Nr. 8, dass „[d]er [FSC] dem Generalsekretariat des Rates … vorzulegen [ist], bevor einem Auftragnehmer oder Subauftragnehmer bzw. einem möglichen Auftragnehmer oder Subauftragnehmer EU-VS zur Verfügung gestellt werden können oder ihm Zugang zu diesen gewährt werden kann“. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass der im Beschluss 2013/488 vorgesehene Sicherheitsbescheid einem möglichen Auftragnehmer zugutekommen kann, was sehr allgemein gehalten ist und ein Unternehmen wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens erfassen kann. In diesem Sinne ist auch klarzustellen, dass der Begriff „Auftragnehmer“ in Anlage A dieses Beschlusses als „eine Einzelperson oder Rechtsperson, die geschäftsfähig ist“, definiert wird und nicht als eine Person, die gegenwärtig bereits in einer vertraglichen Verbindung mit dem Rat steht oder bereits Schritte unternommen hat, um in eine Vertragsbeziehung einzutreten.

79.      Was die Situation von protectus im Hinblick auf ihren möglichen Zugang zu EU-VS betrifft, so ist entscheidend, dass dieses Unternehmen, auch wenn ein solcher Zugang faktisch nie stattgefunden hat, einen Sicherheitsbescheid für Unternehmen beantragt hat, dessen Zweck insbesondere darin besteht, dem Begünstigten die Kenntnisnahme von EU-VS zu gestatten. Zudem hat protectus in der Sitzung angegeben, dass sie in laufenden Verträgen mit dem Ministerstvo hospodárstva (Wirtschaftsministerium, Slowakei) stehe. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass in solchen Vertragsbeziehungen möglicherweise EU-VS offengelegt werden, da die Bereiche, die den Schutz von Verschlusssachen auf nationaler Ebene und den Schutz von EU-VS betreffen, miteinander verflochten sind.

80.      Nach alledem führt die Anwendung der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Kriterien auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation meines Erachtens entgegen dem Vorbringen aller Beteiligten des vorliegenden Verfahrens mit Ausnahme von protectus zu der Feststellung, dass ein Mitgliedstaat das Recht der Union im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durchführt, wenn eines seiner Gerichte die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung überprüft, mit der ein Sicherheitsbescheid für Unternehmen aufgehoben wird, der zum Zugang zu EU-VS berechtigt und einem FSC im Sinne von Art. 11 und Anhang V des Beschlusses 2013/488 entspricht. Insoweit ist es unerheblich, dass die nationale Regelung eine Verknüpfung zwischen der Gültigkeit dieses Sicherheitsbescheids für Unternehmen und der Gültigkeit einer nationalen Sicherheitsermächtigung für Unternehmen herstellt, da der Widerruf des Bescheids auf die Feststellung gestützt wird, dass sein Inhaber ein Sicherheitsrisiko darstelle. Daraus folgt, dass die Charta auf das Ausgangsverfahren Anwendung findet.

C.      Zur zweiten Vorlagefrage

81.      Mit seiner zweiten Frage fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen nach den Verfahrensgarantien, die nach Art. 47 der Charta einem Unternehmen zu gewähren sind, dessen FSC von einer nationalen Sicherheitsbehörde aufgehoben wurde, die sich dabei teilweise auf Verschlusssachen stützte, zu denen das Unternehmen keinen Zugang hatte. Konkret möchte das vorlegende Gericht wissen, ob dieser Artikel einer nationalen Regelung entgegensteht, die der betroffenen Person und ihrem Anwalt keinen Zugang zu den Verschlusssachen gewährt, mit denen die Aufhebung eines FSC begründet wird, und die es dem Richter nicht gestattet, einen solchen Zugang zu gewähren, obwohl er selbst Zugang zu diesen Verschlusssachen hat.

82.      Das vorlegende Gericht führt hierzu aus, dass sich aus § 26 Abs. 3 in Verbindung mit § 50 Abs. 6 des Gesetzes Nr. 215/2004 ergebe, dass eine Entscheidung der NSB, dass eine Person keine Einsicht in Verschlusssachen nehmen dürfe, die Umstände, auf denen die Entscheidung beruhe, die Erwägungen, von denen sie sich bei der Bewertung der Beweismittel habe leiten lassen, sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten müsse.

83.      In der Praxis der NSB und des Ausschusses werden die einzelnen Verschlusssachen, auf die sich ihre Entscheidungen stützen, in der Begründung der Entscheidungen nicht genannt. Es wird lediglich auf die Bezeichnung des betreffenden Beweisdokuments verwiesen, in dem die Verschlusssachen enthalten sind.

84.      Beweisdokumente, die Verschlusssachen enthalten, sind der Person, die einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen wird, nicht zugänglich.

85.      Wird eine Klage gegen eine Entscheidung eingereicht, mit der eine Sicherheitsermächtigung oder ein Sicherheitsbescheid für Unternehmen aufgehoben wird, haben die für die Überprüfung zuständigen Richter nach § 34 Abs. 1 Buchst. f des Gesetzes Nr. 215/2004 das uneingeschränkte Recht, alle Verschlusssachen in der Akte zu prüfen.

86.      Nach § 35 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 215/2004 darf auch der Rechtsanwalt der betreffenden Person Einsicht in diese Verschlusssachen nehmen, jedoch nur mit Zustimmung der Stelle, die die betreffenden als Verschlusssache eingestuften Informationen festgestellt und an die NSB weitergeleitet hat. Der Rechtsanwalt muss die Verschlusssachen sodann vertraulich behandeln, was in der Praxis bedeutet, dass er sie seinem Mandanten nicht zur Kenntnis bringen darf.

87.      Bevor die Vereinbarkeit der vorbeschriebenen Verfahrensgarantien mit Art. 47 der Charta geprüft wird, ist gemäß dem an den Gerichtshof gerichteten Ersuchen des vorlegenden Gerichts die Frage nach der Anwendbarkeit dieses Artikels in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation zu stellen.

1.      Zur Anwendbarkeit von Art. 47 der Charta

88.      Die Mitgliedstaaten sind bei der Umsetzung des Unionsrechts nach Art. 51 Abs. 1 der Charta verpflichtet, die Einhaltung der Anforderungen zu gewährleisten, die sich u. a. aus dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta ergeben(31).

89.      Auf den ersten Blick mag es scheinen, dass eine Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta zur Anwendbarkeit von Art. 47 der Charta führt(32). Es gäbe also einen gewissen Automatismus zwischen dem Umstand der Durchführung des Unionsrechts und der zwingenden Beachtung des letztgenannten Artikels.

90.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs scheint jedoch darauf hinzudeuten, dass ein solcher Automatismus in Wirklichkeit nicht besteht.

91.      Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass die Anwendung von Art. 47 der Charta in einem bestimmten Fall voraussetzt, dass sich die Person, die ihn geltend macht, auf durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten beruft oder dass diese Person Gegenstand von Verfolgungsmaßnahmen ist, die eine Durchführung des Unionsrechts im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta darstellen(33). Diese Voraussetzung tritt zu der allgemeinen Voraussetzung der Durchführung des Unionsrechts in Art. 51 Abs. 1 der Charta hinzu(34), die Gegenstand der ersten Frage ist.

92.      Im vorliegenden Fall äußert das vorlegende Gericht Zweifel, ob sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens auf ein durch das Unionsrecht garantiertes Recht berufen kann, und ersucht den Gerichtshof, zu beurteilen, ob die im Beschluss 2013/488 vorgesehenen Regelungen zugunsten der Klägerin des Ausgangsverfahrens ein durch das Unionsrecht garantiertes Recht begründen können, auf dessen Schutz sie sich auf der Grundlage von Art. 47 der Charta berufen kann.

93.      Meines Erachtens ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt.

94.      Wie ich bereits erwähnt habe, räumt der Beschluss 2013/488 den Mitgliedstaaten zwar ein weites Ermessen bei der Entscheidung ein, in welchen Fällen ein FSC zu erteilen oder zu widerrufen ist. So erlegt Anhang V dieses Beschlusses den Mitgliedstaaten bestimmte Mindestüberprüfungen auf, die vor der Erteilung eines FSC durchgeführt werden müssen, ohne den Betroffenen einen Anspruch auf Erteilung eines FSC zu verleihen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Ebenso wenig haben die Betroffenen einen Anspruch auf Aufrechterhaltung des Bescheids, selbst wenn sie die in diesem Beschluss festgelegten Mindestanforderungen weiterhin erfüllen.

95.      Ich bin dennoch der Ansicht, dass der Beschluss 2013/488, auch wenn er einem Unternehmen weder einen Anspruch auf Erteilung eines FSC noch auf Aufrechterhaltung eines erteilten FSC verleiht, dennoch dem Unternehmen, dem ein solcher Bescheid erteilt wurde, einen konkreten Anspruch auf Teilhabe an als Verschlusssache eingestuften Aufträgen des Rates gewährt.

96.      Demselben Gedanken folgend sollten bei der Feststellung, ob Art. 47 der Charta anwendbar ist, meiner Meinung nach die Auswirkungen berücksichtigt werden, die eine Entscheidung über den Widerruf eines FSC auf ein Unternehmen haben kann. Insoweit ist nochmals darauf hinzuweisen, dass gemäß Anhang V Nr. 13 des Beschlusses 2013/488 „[d]ie Aufhebung eines [solchen] Sicherheitsbescheids für Unternehmen … für das Generalsekretariat des Rates als Vergabebehörde einen ausreichenden Grund dar[stellt], den als Verschlusssache eingestuften Auftrag zu kündigen oder einen Bieter vom Vergabeverfahren auszuschließen“. Angesichts der nachteiligen Folgen, die eine Entscheidung über den Widerruf eines FSC für ein Unternehmen haben kann, kann das Unternehmen meines Erachtens berechtigterweise die Einhaltung der Anforderungen an einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz verlangen, wenn es die Rechtmäßigkeit einer solchen Entscheidung bestreitet.

97.      In jedem Fall stellt der Schutz vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer natürlichen oder juristischen Person nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar(35). Nach dem Gerichtshof kann dieser Schutz von einer juristischen Person als durch das Recht der Union garantiertes Recht im Sinne von Art. 47 Abs. 1 der Charta geltend gemacht werden, um einen sie belastenden Rechtsakt gerichtlich anzufechten(36).

98.      Da die Anwendbarkeit von Art. 47 der Charta meines Erachtens feststeht, ist zu klären, welche Verfahrensgarantien ein Unternehmen wie protectus in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden aus diesem Artikel ableiten kann.

2.      Zu den Garantien, die sich hinsichtlich des Zugangs zu EU-VS aus Art. 47 der Charta ergeben

99.      Die Fragen des vorlegenden Gerichts, ob die in der slowakischen Regelung vorgesehenen Verfahrensregeln mit Art. 47 der Charta vereinbar sind, gründen auf der vermeintlichen Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) einerseits und der des Gerichtshofs andererseits in Bezug auf die Einschränkung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens bei Vorliegen von Verschlusssachen.

100. So hat es der EGMR nach Ansicht des vorlegenden Gerichts in seinem Urteil vom 19. September 2017, Regner/Tschechische Republik(37), für seine Feststellung, dass Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht verletzt sei, als entscheidend angesehen, dass das für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über den Widerruf einer Sicherheitsfreigabe zuständige Gericht Zugang zu allen geheimen Dokumenten gehabt habe, auf die sich diese Entscheidung gestützt habe(38).

101. In Anwendung von Art. 52 Abs. 3 der Charta könnte es daher mit Blick auf Art. 47 der Charta und die vorgenannte Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK ausreichend erscheinen, dass lediglich das Gericht, das für die Gewährleistung des gerichtlichen Rechtsschutzes für die betroffene Person zuständig ist, Kenntnis von den Verschlusssachen nehmen kann.

102. Andererseits weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe, dass eine solche Lösung im Hinblick auf Art. 47 der Charta nicht notwendigerweise ausreichend sei. Das vorlegende Gericht verweist insoweit insbesondere auf das Urteil Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a.

103. Der Gerichtshof wird daher ersucht zu klären, ob Art. 47 der Charta im Bereich des Schutzes von EU-VS dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der in einer Entscheidung, mit der ein FSC widerrufen wird, nicht angegeben wird, welche Verschlusssachen die Grundlage für die Entscheidung gebildet haben, die betroffene juristische Person keinen Zugang zu der Akte der nationalen Sicherheitsbehörde hat, die diese Informationen enthält, der Anwalt dieser juristischen Person Zugang zu dieser Akte erhalten kann, sofern er die Zustimmung der Sicherheitsbehörde einholt und die Vertraulichkeit der offengelegten Informationen gewährleistet, und das nationale Gericht, das für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zuständig ist, seinerseits Zugang zu allen in der Akte enthaltenen Verschlusssachen hat.

104. Im Rahmen der Beantwortung dieser Frage ist festzustellen, dass aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, dass mangels anwendbarer Bestimmungen des Unionsrechts darüber, in welcher Weise die Mitgliedstaaten die Achtung der Verteidigungsrechte der betroffenen Person gewährleisten müssen, wenn ihr Recht auf Akteneinsicht aufgrund einer nationalen Regelung eingeschränkt wird, die konkreten Modalitäten der zu diesem Zweck festgelegten Verfahren nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats sind, wobei allerdings vorauszusetzen ist, dass sie nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige innerstaatliche Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch die Rechtsordnung der Union verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz)(39).

105. Was den Äquivalenzgrundsatz betrifft, erinnere ich daran, dass sich, wie das vorlegende Gericht ausführt, aus § 26 Abs. 3 in Verbindung mit § 50 Abs. 6 des Gesetzes Nr. 215/2004 ergibt, dass eine Entscheidung der NSB, dass eine Person keine Einsicht in Informationen nehmen darf, die nach nationalem Recht als Verschlusssachen eingestuft wurden, insbesondere wenn festgestellt wird, dass diese Peron ein Sicherheitsrisiko darstellt, die Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, die Erwägungen, von denen sich die NSB bei der Bewertung der Beweismittel hat leiten lassen, sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten muss.

106. Diese Verfahrensgarantien, die in der Existenz einer begründeten Entscheidung liegen, müssen auch in Bezug auf eine Entscheidung über den Widerruf eines FSC gelten, da anderenfalls der Äquivalenzgrundsatz missachtet würde. Daher erscheint es mir selbstverständlich, dass ein Unternehmen wie protectus, das von einer solchen Entscheidung betroffen ist, in die Lage versetzt werden muss, zumindest die wesentlichen Gründe zu erfahren, die dieser Entscheidung zugrunde liegen, und zwar unter den Bedingungen, die in den entsprechenden Bestimmungen des Gesetzes Nr. 215/2004 in der Auslegung durch die nationalen Gerichte vorgesehen sind. Dies scheint aufgrund der Verknüpfung, die die slowakische Regelung zwischen dem Widerruf einer Sicherheitsermächtigung für Unternehmen und dem Widerruf eines Sicherheitsbescheids für Unternehmen herstellt, der Fall zu sein.

107. Es ist jedoch festzuhalten, dass aus dem Äquivalenzgrundsatz keine Verpflichtung abgeleitet werden kann, die Verschlusssachen, auf denen die Widerrufsentscheidung beruht, gegenüber der Person offenzulegen, deren FSC widerrufen wird. Wie ich bereits erwähnt habe, werden nämlich in der Praxis der NSB und des Ausschusses die einzelnen Verschlusssachen, auf die sich ihre Entscheidungen stützen, in der Begründung der Entscheidungen nicht genannt. Dieser Aspekt ist daher unter dem Gesichtspunkt des Effektivitätsgrundsatzes zu prüfen.

108. In Bezug auf letzteren Grundsatz ist zu betonen, dass diesem Grundsatz nur Genüge getan ist, wenn die in Rede stehende Verfahrensbestimmung dem in Art. 47 der Charta verbürgten Recht auf wirksamen gerichtlichen Schutz entspricht(40). Daher impliziert die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Wirksamkeit der den Einzelnen aus Unionsrecht erwachsenden Rechte zu gewährleisten, das vom nationalen Gericht zu wahrende, in Art. 47 der Charta verankerte Erfordernis eines gerichtlichen Schutzes. Dieser Schutz muss sowohl für die Bestimmung der Gerichte gelten, die für die Entscheidung über Klagen, die sich auf das Unionsrecht stützen, zuständig sind, als auch für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten(41).

109. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Unionsrechts zu gewährleisten haben, dass das in Art. 47 Abs. 1 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gewahrt wird, das in einem gerichtlichen Verfahren die Achtung der Verteidigungsrechte der betroffenen Person gebietet(42).

110. So ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Wirksamkeit der durch Art. 47 der Charta, der aus sich heraus Wirkung entfaltet(43), gewährleisteten gerichtlichen Kontrolle erforderlich, dass der Betroffene Kenntnis von den Gründen, auf denen die ihm gegenüber ergangene Entscheidung beruht, erlangen kann, entweder durch die Lektüre der Entscheidung selbst oder durch eine auf seinen Antrag hin erfolgte Mitteilung dieser Gründe, unbeschadet der Befugnis des zuständigen Gerichts, von der betreffenden Behörde die Übermittlung dieser Gründe zu verlangen, um es ihm zu ermöglichen, seine Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen zu verteidigen und in Kenntnis aller Umstände zu entscheiden, ob es für ihn von Nutzen ist, das zuständige Gericht anzurufen, und um dieses vollständig in die Lage zu versetzen, die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der fraglichen nationalen Entscheidung auszuüben(44). Die Achtung der Verteidigungsrechte setzt voraus, dass der Betroffene nicht nur Zugang zu den Gründen der ihm gegenüber ergangenen Entscheidung, sondern auch Einsicht in den gesamten Akteninhalt erhalten kann, auf den sich die Verwaltung gestützt hat, um dazu tatsächlich Stellung nehmen zu können(45).

111. Ferner besagt der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, der Bestandteil der Verteidigungsrechte nach Art. 47 der Charta ist, dass die Verfahrensbeteiligten das Recht darauf haben müssen, von allen Schriftstücken oder Erklärungen, die dem Gericht vorgelegt werden, um seine Entscheidung zu beeinflussen, Kenntnis zu erhalten und dazu Stellung zu nehmen, was voraussetzt, dass die betroffene Person von den sie betreffenden Aktenstücken Kenntnis nehmen können muss, die dem Gericht, das über den gegen diese Entscheidung eingelegten Rechtsbehelf zu befinden hat, zur Verfügung stehen(46).

112. Allerdings kommt dem Recht auf Akteneinsicht angesichts der Bestimmungen in Art. 52 Abs. 1 der Charta keine uneingeschränkte Geltung im Sinne von Art. 47 der Charta zu. So ist darauf hinzuweisen, dass die Verteidigungsrechte nicht schrankenlos gelten und das damit einhergehende Recht auf Akteneinsicht daher eingeschränkt werden kann, und zwar unter Abwägung zwischen dem Recht der betroffenen Person auf einen wirksamen Rechtsbehelf auf der einen und den Interessen, die als Rechtfertigung dafür angeführt werden, dass ein Aktenbestandteil gegenüber dieser Person nicht offengelegt wird, auf der anderen Seite, insbesondere wenn diese Interessen die nationale Sicherheit betreffen(47). Denn es kann sich sowohl in einem Verwaltungsverfahren als auch in einem Gerichtsverfahren als notwendig erweisen, dem Betroffenen insbesondere aus Gründen der nationalen Sicherheit bestimmte Informationen nicht mitzuteilen(48).

113. Der Gerichtshof lehnt es jedoch durchgehend ab, dass die Verteidigungsrechte vollständig ausgehöhlt werden, unabhängig von der Sensibilität des in Frage stehenden Bereichs. Er fordert das nationale Gericht in jedem einzelnen Fall auf, das Gleichgewicht zwischen dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und der Wahrung der Sicherheitsanforderungen zu suchen.

114. So darf dem Gerichtshof zufolge diese vom nationalen Gericht vorzunehmende Abwägung angesichts der gebotenen Beachtung von Art. 47 der Charta nicht dazu führen, dass den Verteidigungsrechten der betroffenen Person jede Wirksamkeit genommen wird und das Recht auf einen Rechtsbehelf, über das diese Person nach diesem Artikel verfügen muss, dadurch vollständig ausgehöhlt wird, dass ihr oder gegebenenfalls ihrem Vertreter nicht zumindest der wesentliche Inhalt der Gründe mitgeteilt wird, auf denen die ihr gegenüber ergangene Entscheidung beruht(49).

115. Diese Abwägung kann indessen dazu führen, dass bestimmte Aktenbestandteile der betroffenen Person nicht mitgeteilt werden, wenn die Offenlegung dieser Bestandteile geeignet ist, die nationale Sicherheit des betreffenden Mitgliedstaats insoweit unmittelbar und besonders zu beeinträchtigen, als sie insbesondere das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Personen gefährden könnte oder die von den mit Aufgaben der nationalen Sicherheit betrauten Fachbehörden speziell angewandten Untersuchungsmethoden enthüllen und damit die zukünftige Erfüllung der Aufgaben dieser Behörden ernsthaft behindern oder sogar unmöglich machen könnte(50).

116. Auch wenn das Unionsrecht die Mitgliedstaaten ermächtigt, der betroffenen Person namentlich dann, wenn die nationale Sicherheit dies verlangt, keinen direkten Zugang zu ihrer gesamten Akte zu gewähren, kann es somit nicht ohne Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz, das Recht auf eine gute Verwaltung und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf dahin ausgelegt werden, dass es den zuständigen Behörden ermöglicht, diese Person in eine Lage zu versetzen, in der weder sie noch ihr Vertreter in der Lage wären, sich – gegebenenfalls im Rahmen eines speziellen Verfahrens, das der Wahrung der nationalen Sicherheit dient – in zweckdienlicher Weise Kenntnis vom wesentlichen Inhalt entscheidender Bestandteile dieser Akte zu verschaffen(51).

117. Der Gerichtshof hat insoweit bereits zum einen entschieden, dass dann, wenn die Offenlegung von Informationen in der Akte aus einem Grund der nationalen Sicherheit beschränkt wurde, die Achtung der Verteidigungsrechte der betroffenen Person nicht hinreichend dadurch gewährleistet wird, dass diese Person unter bestimmten Voraussetzungen eine Genehmigung für den Zugang zu diesen Informationen erhalten kann, die mit einem vollständigen Verbot ihrer Verwendung für die Zwecke des Verwaltungsverfahrens oder des gerichtlichen Verfahrens verbunden ist(52).

118. Zum anderen ist in Bezug auf die Frage, ob die Verteidigungsrechte der betroffenen Person durch die Möglichkeit des zuständigen Gerichts, Einsicht in die Akte zu nehmen, hinreichend gewährleistet sind, darauf hinzuweisen, dass eine solche Möglichkeit nicht an die Stelle des Zugangs zu den Informationen in dieser Akte durch die betroffene Person oder ihren Vertreter treten kann(53). So bedeutet die Achtung der Verteidigungsrechte im gerichtlichen Verfahren nicht, dass das zuständige Gericht über alle für seine Entscheidung relevanten Angaben verfügt, sondern dass die betroffene Person, gegebenenfalls über einen Rechtsberater, ihre Interessen geltend machen kann, indem sie ihren Standpunkt hierzu zum Ausdruck bringt(54). Tatsächlich sind der Zugang zu den Informationen in der Akte seitens der zuständigen Gerichte und die Festlegung von Verfahren, mit denen gewährleistet wird, dass die Verteidigungsrechte der betroffenen Person geachtet werden, zwei unterschiedliche und kumulative Anforderungen(55).

119. Die vorstehenden Erwägungen haben den Gerichtshof dazu veranlasst, in seiner jüngsten Rechtsprechung in Übereinstimmung mit seinen früheren Urteilen zu entscheiden, dass der allgemeine Grundsatz einer guten Verwaltung und Art. 47 der Charta in Verbindung mit Art. 20 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der in dem Fall, dass eine Entscheidung über die Entziehung oder die Versagung eines Aufenthaltstitels, die in Bezug auf einen Drittstaatsangehörigen getroffen wird, der nach Art. 20 AEUV ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht haben kann, auf Informationen beruht, deren Offenlegung die nationale Sicherheit des betreffenden Mitgliedstaats gefährden würde, der Drittstaatsangehörige oder sein Vertreter erst Zugang zu diesen Informationen erhalten, nachdem sie eine entsprechende Genehmigung erhalten haben, ihnen nicht einmal der wesentliche Inhalt der Gründe mitgeteilt wird, auf denen solche Entscheidungen beruhen, und sie die Informationen, zu denen sie Zugang hätten haben können, jedenfalls nicht für die Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren verwenden können(56).

120. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob diese der Rechtsprechung des Gerichtshofs entnommenen Aspekte und die Schlussfolgerungen, zu denen der Gerichtshof bisher gelangt ist, auf den Bereich des Schutzes der EU-VS übertragbar sind, was zu der Feststellung führen könnte, dass Art. 47 der Charta der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung entgegensteht.

121. Diese Frage erscheint mir angesichts der besonderen Natur des Bereichs des Schutzes der EU-VS berechtigt, die ihn von den anderen Bereichen unterscheidet, für die der Gerichtshof bislang Hinweise zur Abwägung zwischen dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und den Interessen, die als Rechtfertigung für die Nichtoffenlegung bestimmter Informationen angeführt werden, gegeben hat, insbesondere wenn diese Interessen die nationale Sicherheit betreffen.

122. Nach einer ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen einer Verletzung der Verteidigungsrechte einschließlich des Rechts auf Akteneinsicht anhand der besonderen Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen, insbesondere der Natur des betreffenden Rechtsakts, des Kontexts seines Erlasses sowie der Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet(57).

123. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass sich der vorliegende Fall von den Fällen unterscheidet, die den Urteilen ZZ, Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a. sowie NW und PQ (Verschlusssache) zugrunde lagen. Wenn es nämlich entweder um eine Entscheidung geht, die die Freizügigkeit eines Unionsbürgers aus Gründen der öffentlichen Sicherheit einschränkt, oder um eine Entscheidung, mit der aufgrund einer Bedrohung der nationalen Sicherheit ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt oder ein solcher Schutz aufgehoben wird, oder um eine Entscheidung, mit der einem Drittstaatsangehörigen, der nach Art. 20 AEUV Anspruch auf ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht hat, aus Gründen der nationalen Sicherheit ein Aufenthaltstitel entzogen oder verweigert wird, gilt der Grundsatz, dass die Gründe und Informationen, auf denen solche Entscheidungen beruhen, umfassend mitzuteilen sind. Die Einschränkung dieses Grundsatzes stellt dann eine Ausnahme dar, die eng auszulegen ist(58).

124. Im Bereich des Schutzes von Verschlusssachen scheint mir die Logik umgekehrt werden zu müssen, so dass der Grundsatz lautet, dass die Offenlegung solcher Informationen gegenüber unbefugten Personen untersagt ist. Die Offenlegung von Verschlusssachen stellt somit die Ausnahme von dieser Regel dar und darf nur gegenüber Personen erfolgen, die die für eine Sicherheitsbescheinigung erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Als Ausnahme kann eine solche Offenlegung zu Recht in engen Grenzen gehalten werden.

125. Daraus folgt, dass eine Person, deren FSC von einer nationalen Sicherheitsbehörde in Frage gestellt wird, im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zur Anfechtung einer Entscheidung über den Widerruf dieses Bescheids nicht den Zugang zu als Verschlusssachen eingestuften Informationen, die dieser Entscheidung zugrunde liegen, verlangen kann, unabhängig davon, ob sich diese Einstufung aus dem nationalen Recht oder dem Unionsrecht ergibt. Es wäre paradox, wenn eine Person, deren Berechtigung zum Zugang zu Verschlusssachen von einer nationalen Sicherheitsbehörde in Frage gestellt wird, im Rahmen dieses Verfahrens die Möglichkeit erhielte, Informationen dieser Art über sich selbst einzusehen. Dies liefe darauf hinaus, ihr Verschlusssachen zu offenbaren, die die Grundlage für die Entscheidung bildeten, ihr den Zugang zu EU-VS zu verwehren, und ihr somit die Möglichkeit zu geben, Einsicht in Verschlusssachen zu nehmen, um zu beweisen, dass sie entgegen der Auffassung der zuständigen nationalen Behörde für den Zugang zu solchen Informationen geeignet ist. Gerade angesichts des Zwecks der Entscheidung zum Widerruf einer Sicherheitsbescheinigung würde ein Zugang zu Verschlusssachen durch die Person, gegen die diese Entscheidung ergangen ist, auch im Rahmen eines Gerichtsverfahrens meines Erachtens dazu führen, dass die Regel, nach der nur Personen, die über eine entsprechende Bescheinigung verfügen, Kenntnis von diesen Informationen erhalten dürfen, in Frage gestellt wird.

126. Die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtoffenlegung von Verschlusssachen gegenüber Personen, die den Widerruf einer ihr erteilten Sicherheitsbescheinigung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens anfechten, ist durch die Erfordernisse der Vorsicht und der Prävention, die dem Bereich des Schutzes von EU-VS zu eigen sind, sowie durch das weite Ermessen gerechtfertigt, das den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Erteilung oder den Widerruf eines FSC zugestanden werden muss.

127. Darüber hinaus hat der Gerichtshof, wie schon erwähnt, bereits hervorgehoben, dass es notwendig ist, bestimmte Bestandteile der Akte der betroffenen Person nicht mitzuteilen, wenn die Offenlegung dieser Bestandteile geeignet ist, die nationale Sicherheit des betreffenden Mitgliedstaats insoweit unmittelbar und besonders zu beeinträchtigen, als sie insbesondere das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Personen gefährden könnte oder die von den mit Aufgaben der nationalen Sicherheit betrauten Fachbehörden speziell angewandten Untersuchungsmethoden enthüllen und damit die zukünftige Erfüllung der Aufgaben dieser Behörden ernsthaft behindern oder sogar unmöglich machen könnte(59). Diese zwingenden Vorgaben, die der Gerichtshof ursprünglich in seinem Urteil ZZ(60) hervorgehoben hat und die um die Vorgabe ergänzt werden können, dass laufende strafrechtliche Ermittlungen, die gegen die betreffende Person oder ihr Umfeld geführt werden, nicht behindert werden dürfen(61), scheinen mir für den Bereich des Schutzes von EU-VS von besonderer Relevanz zu sein.

128. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Personen, die eine Sicherheitsbescheinigung beantragen, ebenso wie Personen, denen bereits eine solche Bescheinigung erteilt wurde, Überprüfungen unterzogen werden, die darauf abzielen, alle Umstände aufzudecken, mit denen sie erpresst oder unter Druck gesetzt werden könnten, um sie zur Zusammenarbeit mit kriminellen Organisationen oder Personen zu zwingen, die Zugang zu den in ihrem Besitz befindlichen Verschlusssachen erlangen wollen. Diese Überprüfungen beruhen auf objektiven Kriterien und Untersuchungsmethoden, mit denen festgestellt werden kann, ob eine Person, die eine Sicherheitsbescheinigung beantragt hat oder besitzt, durch ihr Verhalten oder ihr Umfeld eine Schwachstelle aufweist, die von einem Dritten ausgenutzt werden könnte, um an geschützte Informationen zu gelangen. Kurz gesagt geht es darum, dass die zuständige nationale Behörde feststellt, ob eine Person im Hinblick auf die Sicherheit und die zwingende Vertraulichkeit von Verschlusssachen als zuverlässig angesehen werden kann oder nicht, indem sie sich vergewissert, dass diese Person loyal und vertrauenswürdig ist. Ich halte es für wesentlich, dass nicht nur die Vertraulichkeit der Verschlusssachen gewahrt wird, die es einer nationalen Sicherheitsbehörde ermöglichen, festzustellen, dass eine Person ein Sicherheitsrisiko darstellt, sondern auch die Geheimhaltung, die für die Beweise und Untersuchungsmethoden, mit denen ein solches Risiko nachgewiesen wird, gelten muss.

129. So müssen Überprüfungen zur Beurteilung des Vorliegens eines Sicherheitsrisikos bei Unternehmen naturgemäß streng vertraulich behandelt werden, und zwar umso mehr, als darauf zu achten ist, dass die Durchführung des Unionsrechts die Ausübung der rein nationalen Zuständigkeit für den Schutz von nach nationalem Recht als Verschlusssachen eingestuften Informationen nicht beeinträchtigt.

130. Aus diesen Aspekten ergibt sich, dass sich im Bereich des Schutzes von EU-VS das nationale Gericht, das die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über den Widerruf eines FSC überprüfen muss, in seinem Handeln vom Grundsatz der Nichtoffenlegung von Verschlusssachen gegenüber dem Kläger oder Rechtsmittelführer, der eine solche Entscheidung anficht, leiten lassen muss.

131. Dennoch scheint mir, wie ich bereits ausgeführt habe, die Rechtsprechung des Gerichtshofs auf dem Grundgedanken zu beruhen, dass unabhängig von der Sensibilität des betroffenen Bereichs die Verteidigungsrechte nicht vollständig ausgehöhlt werden dürfen und die vom nationalen Gericht auf der Grundlage der Gesamtheit der relevanten Informationen vorgenommene Überprüfung nicht an die Stelle der tatsächlichen Ausübung dieser Rechte durch die betroffene Person oder ihren Vertreter treten kann. Die Verteidigungsrechte, die unerlässlich sind, damit einerseits die Person, gegen die eine Entscheidung über den Widerruf eines FSC ergangen ist, ihren Standpunkt darlegen kann und andererseits das Gericht die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage überprüfen kann, setzen meines Erachtens voraus, dass diese Person nicht in völliger Unkenntnis dessen sein darf, was ihr vorgeworfen wird. Im Übrigen ergeben sich nicht notwendigerweise alle Gründe, auf die eine Entscheidung über den Widerruf eines FSC gestützt wird, aus Verschlusssachen, wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt zeigt. Zudem darf es für eine tatsächliche Ausübung der Verteidigungsrechte, kraft derer die Person, der ein sich aus einem FSC ergebendes Recht entzogen wird, die Möglichkeit haben muss, die gegen sie erhobenen Vorwürfe anzufechten, keine Rolle spielen, dass diese Person keinen Anspruch auf Erteilung oder Aufrechterhaltung einer solchen Bescheinigung geltend machen kann.

132. Daher bin ich der Ansicht, dass im Bereich des Schutzes von EU-VS zwar der Grundsatz der Minimierung der Bestandteile, die der Person mitgeteilt werden müssen, gegen die eine Entscheidung über den Widerruf eines FSC ergangen ist, vorherrschen muss, dass diese Person oder gegebenenfalls ihr Vertreter aber zumindest Kenntnis von dem wesentlichen Inhalt der Gründe haben muss, auf denen diese Entscheidung beruht. Eine solche Mindestgarantie ergibt sich durchgängig aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs(62). Ich werde jedoch im konkreten Rahmen des hier in Rede stehenden Bereichs die nachfolgenden Einschränkungen vornehmen.

133. Erstens darf die Garantie, dass der betroffenen Person oder gegebenenfalls ihrem Vertreter zumindest der wesentliche Inhalt der Gründe für den Widerruf eines FSC mitgeteilt werden muss, nicht dazu führen, dass Verschlusssachen auch nur teilweise enthüllt werden. Die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Gründe muss daher unter Wahrung der strengen Vertraulichkeit dieser Art von Informationen erfolgen. Darüber hinaus muss eine solche Mitteilung unter Beachtung anderer öffentlicher Interessen erfolgen, die ich zuvor genannt habe, wie z. B. der Notwendigkeit, keine Untersuchungsmethoden zu enthüllen oder laufende strafrechtliche Ermittlungen nicht zu beeinträchtigen.

134. Zweitens bin ich der Ansicht, dass es für eine hinreichende Garantie der Verteidigungsrechte der Person, gegen die eine Entscheidung über den Widerruf eines FSC ergangen ist, nicht erforderlich ist, dass dieser Person der wesentliche Inhalt aller Gründe mitgeteilt wird, auf denen diese Entscheidung beruht. Meines Erachtens ist es ausreichend, dass die Person Kenntnis vom wesentlichen Inhalt des Grundes oder der Gründe hat, die nach Ansicht des nationalen Gerichts eine hinreichende Grundlage für die Entscheidung bilden, wobei die Erfordernisse der Vorsicht und Prävention sowie das weite Ermessen zu berücksichtigen sind, das der zuständigen nationalen Behörde im Bereich des Schutzes von EU-VS zugestanden werden muss(63).

135. Im Licht dieser Erwägungen bin ich der Ansicht, dass die slowakische Regelung hinreichende Garantien enthält, die in ihrer Gesamtheit die Achtung der Verteidigungsrechte einer Person gewährleisten, gegen die eine Entscheidung über den Widerruf eines FSC ergangen ist.

136. Insoweit erinnere ich daran, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts das Gericht, das die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung überprüft, Zugang zu der gesamten Akte der nationalen Sicherheitsbehörde hat. Wenn die betroffene juristische Person keinen Zugang zu dieser Akte hat, die die Verschlusssachen enthält, die neben anderen Elementen als Grundlage für die genannte Entscheidung dienten, kann zudem der Anwalt dieser juristischen Person Zugang zu dieser Akte erhalten, sofern er die Zustimmung dieser Behörde einholt und die Vertraulichkeit der mitgeteilten Informationen gewährleistet. Im Übrigen ist festzustellen, dass die NSB im Lauf des Gerichtsverfahrens dem Anwalt der Klägerin des Ausgangsverfahrens auf dessen Antrag zwei als Verschlusssache eingestufte Beweisdokumente übermittelte.

137. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die NSB zusätzlich zu den als Verschlusssache eingestuften Informationen Kenntnis von nicht als Verschlusssache eingestuften Informationen erlangt hat, insbesondere, dass gegen die Klägerin des Ausgangsverfahrens oder ihre Geschäftsführer strafrechtlich ermittelt werde, die Klägerin des Ausgangsverfahrens Verträge mit Einrichtungen geschlossen habe, gegen die strafrechtlich ermittelt werde, und ihnen nicht übliche Geldbeträge gezahlt habe und die Klägerin des Ausgangsverfahrens im Verdacht stehe, mit einer anderen Einrichtung, mit der sie an Ausschreibungen teilgenommen habe, personell verflochten zu sein, so dass die beiden Einrichtungen unter gemeinsamer Kontrolle gestanden hätten. Es steht fest, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens zu diesen von der NSB erlangten Informationen Stellung nehmen konnte.

138. Die Aufhebung der Sicherheitsermächtigung für Unternehmen durch die NSB, die automatisch die Aufhebung des Sicherheitsbescheids für Unternehmen zur Folge hatte, wurde ferner auf die Feststellung gestützt, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens aufgrund einer Geschäftsverbindung, die den Sicherheitsinteressen der Slowakischen Republik schaden könnte, und wegen Handelns gegen die wirtschaftlichen Interessen dieses Mitgliedstaats ein Sicherheitsrisiko darstelle. Zur Begründung dieser Entscheidung bezog sich die NSB zum einen auf nicht als vertraulich eingestufte Informationen, die sie im Einzelnen darlegte, und zum anderen auf Verschlusssachen, zu deren Inhalt sie keine Angaben machte.

139. Wie das vorlegende Gericht ausführt, stellt die Klägerin des Ausgangsverfahrens in ihrer Klage die verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen in Frage, auf die die NSB und der Ausschuss ihre Schlussfolgerung stützten, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens ein Sicherheitsrisiko darstelle, was darauf schließen lässt, dass diese Erwägungen der Klägerin des Ausgangsverfahrens zur Kenntnis gebracht wurden, die somit in die Lage versetzt wurde, sie zu bestreiten.

140. Hieraus schließe ich, dass sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens in Anwendung der in der slowakischen Regelung vorgesehenen Garantien nicht in einer Situation befindet, in der sie nicht weiß, was ihr vorgeworfen wird, auch wenn sie – meines Erachtens zu Recht – nicht über alle Verschlusssachen verfügte, von denen sie Kenntnis nehmen wollte. Die Ausführungen des vorlegenden Gerichts veranlassen mich vielmehr zu der Annahme, dass der Klägerin des Ausgangsverfahrens der wesentliche Inhalt der Gründe mitgeteilt wurde, die geeignet sind, eine hinreichende Grundlage für die Entscheidung über den Widerruf des ihr erteilten FSC darzustellen, was natürlich vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist. Wenn also dieses Gericht der Ansicht ist, dass die in dieser Entscheidung genannten Gründe unter Berücksichtigung des weiten Ermessens, das der zuständigen nationalen Behörde im Bereich des Schutzes der EU-VS zugestanden werden muss, zur Rechtfertigung der Entscheidung ausreichen, und wenn diese Gründe von der Klägerin des Ausgangsverfahrens erörtert werden konnten, was offenbar der Fall war, ist keine Verletzung der Verteidigungsrechte festzustellen.

141. Daher ist Art. 47 der Charta meines Erachtens so auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der in einer Entscheidung, mit der ein FSC aufgehoben wird, nicht die Verschlusssachen angegeben werden, die als Grundlage für diese Entscheidung dienten, und die betroffene juristische Person keinen Zugang zu der Akte der nationalen Sicherheitsbehörde hat, die diese Informationen enthält, wenn erstens der Anwalt dieser juristischen Person Zugang zu dieser Akte haben kann, sofern er die Zustimmung dieser Behörde einholt und die Vertraulichkeit der mitgeteilten Informationen gewährleistet, zweitens das nationale Gericht, das die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zu überprüfen hat, Zugang zu allen in dieser Akte enthaltenen Verschlusssachen hat und drittens die juristische Person Kenntnis vom wesentlichen Inhalt der Gründe hatte, die geeignet sind, eine hinreichende Grundlage für diese Entscheidung darzustellen, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

D.      Zur dritten und zur vierten Vorlagefrage

142. Mit seiner dritten und seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er zwingend verlangt, dass ein Gericht, das die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung zu überprüfen hat, mit der ein FSC aufgehoben wird und die teilweise auf als Verschlusssachen eingestuften Informationen beruht, über die Befugnis verfügen muss, der juristischen Person, gegen die diese Entscheidung ergangen ist, Zugang zu der Akte der nationalen Sicherheitsbehörde zu gewähren, die diese Informationen enthält. Falls dies bejaht wird, möchte das vorlegende Gericht auch Klarheit über die Reichweite einer solchen Befugnis erhalten.

143. Es ist darauf hinzuweisen, dass die dritte Frage vom vorlegenden Gericht für den Fall gestellt wird, dass der Gerichtshof auf seine zweite Frage antwortet, dass Art. 47 der Charta der slowakischen Regelung entgegensteht. Wie ich bereits ausgeführt habe, scheinen mir vorbehaltlich der von diesem Gericht vorzunehmenden Überprüfungen die in dieser Regelung vorgesehenen Garantien in ihrer Gesamtheit ausreichend zu sein, um den Schutz der Verteidigungsrechte einer Person zu gewährleisten, gegen die eine Entscheidung über den Widerruf ihres FSC ergangen ist.

144. Ich halte es jedoch für sinnvoll, dem vorlegenden Gericht eine Antwort auf die Frage zu geben, ob Art. 47 der Charta zwingend verlangt, dass ein Gericht, das die Rechtmäßigkeit einer solchen Entscheidung zu überprüfen hat, über die in der slowakischen Regelung vorgesehenen Garantien hinaus über die Befugnis verfügen muss, der betroffenen Person Zugang zu der gesamten Akte, die als Verschlusssachen eingestufte Informationen enthält, zu gewähren.

145. Insoweit muss meines Erachtens die Lösung, die der Gerichtshof kürzlich in seinem Urteil NW und PQ (Verschlusssache) vertreten hat, erst recht im Bereich des Schutzes von EU-VS Anwendung finden(64).

146. So hat sich der Gerichtshof in diesem Urteil auf die Lehren gestützt, die aus seinem Urteil ZZ(65) zu ziehen sind, und befand, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, den zuständigen nationalen Sicherheitsbehörden die Befugnis vorzubehalten, Gründe oder Beweismittel mitzuteilen oder nicht mitzuteilen, sofern das zuständige Gericht befugt ist, die Konsequenzen aus der letztlich von diesen Behörden in dieser Hinsicht getroffenen Entscheidung zu ziehen(66).

147. Wenn sich eine nationale Behörde der Mitteilung aller oder eines Teils der Gesichtspunkte, die der fraglichen Entscheidung zugrunde liegen, ungerechtfertigt widersetzt, wird nach Ansicht des Gerichtshofs durch diese Lösung die vollständige Einhaltung von Art. 47 der Charta gewährleistet, da sie sicherstellt, dass die Missachtung der ihr obliegenden verfahrensrechtlichen Pflichten durch diese Behörde nicht dazu führt, dass die gerichtliche Entscheidung auf Tatsachen und Dokumente gestützt wird, von denen der Betroffene keine Kenntnis nehmen und zu denen er folglich nicht Stellung nehmen konnte(67).

148. Aus diesen Erwägungen leitet der Gerichtshof ab, dass Art. 47 der Charta nicht impliziert, dass das Gericht, das für die Überprüfung einer Entscheidung zuständig ist, die auf als Verschlusssachen eingestuften Informationen beruht, zwingend über die Befugnis verfügen muss, bestimmte Informationen freizugeben und diese Informationen selbst dem Kläger mitzuteilen, da eine solche Freigabe und eine solche Mitteilung nicht unerlässlich sind, um einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu gewährleisten(68).

149. Angesichts dieser Erwägungen ist meines Erachtens auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er nicht zwingend verlangt, dass ein Gericht, das die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung zu überprüfen hat, mit der ein FSC aufgehoben wird und die teilweise auf als Verschlusssachen eingestuften Informationen beruht, über die Befugnis verfügen muss, der juristischen Person, gegen die diese Entscheidung ergangen ist, Zugang zu der Akte der nationalen Sicherheitsbehörde zu gewähren, die diese Informationen enthält.

150. In Anbetracht der Antwort, die ich dem Gerichtshof hinsichtlich der dritten Frage vorschlage, ist die vierte Frage meines Erachtens nicht zu prüfen.

IV.    Ergebnis

151. Nach alledem schlage ich vor, die Vorlagefragen des Najvyšší správny súd Slovenskej republiky (Oberstes Verwaltungsgericht der Slowakischen Republik) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat das Unionsrecht durchführt, wenn eines seiner Gerichte die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung überprüft, mit der ein Sicherheitsbescheid für Unternehmen aufgehoben wird, der den Zugang zu als EU-Verschlusssachen eingestuften Informationen gestattet und der einem Sicherheitsbescheid für Unternehmen (FSC) im Sinne von Art. 11 und Anhang V des Beschlusses 2013/488/EU des Rates vom 23. September 2013 über die Sicherheitsvorschriften für den Schutz von EU-Verschlusssachen entspricht. Es ist insoweit unerheblich, dass die nationale Regelung eine Verknüpfung zwischen der Gültigkeit dieses Sicherheitsbescheids für Unternehmen und der Gültigkeit einer nationalen Sicherheitsermächtigung für Unternehmen herstellt, da der Widerruf des Bescheids auf die Feststellung gestützt wird, dass sein Inhaber ein Sicherheitsrisiko darstelle.

2.      Art. 47 der Charta der Grundrechte ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der in einer Entscheidung, mit der ein FSC aufgehoben wird, nicht die Verschlusssachen angegeben werden, die als Grundlage für diese Entscheidung dienten, und die betroffene juristische Person keinen Zugang zu der Akte der nationalen Sicherheitsbehörde hat, die diese Informationen enthält, wenn erstens der Anwalt dieser juristischen Person Zugang zu dieser Akte haben kann, sofern er die Zustimmung dieser Behörde einholt und die Vertraulichkeit der mitgeteilten Informationen gewährleistet, zweitens das nationale Gericht, das die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zu überprüfen hat, Zugang zu allen in dieser Akte enthaltenen Verschlusssachen hat und drittens die juristische Person Kenntnis vom wesentlichen Inhalt der Gründe hatte, die geeignet sind, eine hinreichende Grundlage für diese Entscheidung darzustellen.

3.      Art. 47 der Charta der Grundrechte ist dahin auszulegen ist, dass er nicht zwingend verlangt, dass ein Gericht, das die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung zu überprüfen hat, mit der ein FSC aufgehoben wird und die teilweise auf als Verschlusssachen eingestuften Informationen beruht, über die Befugnis verfügen muss, der juristischen Person, gegen die diese Entscheidung ergangen ist, Zugang zu der Akte der nationalen Sicherheitsbehörde zu gewähren, die diese Informationen enthält.


1      Originalsprache: Französisch.


2      ABl. 2013, L 274, S. 1.


3      Im Folgenden: Charta.


4      Vgl. insbesondere Beschluss (EU, Euratom) 2015/444 der Kommission vom 13. März 2015 über die Sicherheitsvorschriften für den Schutz von EU-Verschlusssachen (ABl. 2015, L 72, S. 53) und Beschluss des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 15. April 2013 über die Regeln zur Behandlung vertraulicher Informationen durch das Europäische Parlament (ABl. 2014, C 96, S. 1). Zu erwähnen ist ferner das Übereinkommen zwischen den im Rat vereinigten Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 4. Mai 2011 über den Schutz von Verschlusssachen, die im Interesse der Europäischen Union ausgetauscht werden (ABl. 2011, C 202, S. 13).


5      C‑159/21, EU:C:2022:708 (im Folgenden: Urteil Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a.).


6      ABl. 2013, L 180, S. 60.


7      Vgl. Urteil Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a., Rn. 60.


8      Vgl. Urteil Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a., Rn. 57.


9      Vgl. insbesondere Urteil vom 25. April 2024, NW und PQ (Verschlusssache) (C‑420/22 und C‑528/22, im Folgenden: Urteil NW und PQ [Verschlusssache], EU:C:2024:344, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).


10      Im Folgenden: Gesetz Nr. 215/2004.


11      § 46 Buchst. c des Gesetzes Nr. 215/2004 besagt unter anderem, dass eine Sicherheitsermächtigung für Unternehmen nur einem Unternehmer erteilt werden darf, der „hinsichtlich der Sicherheit zuverlässig“ ist.


12      Im Folgenden: Verordnung Nr. 134/2016.


13      Vgl. § 5 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 134/2016.


14      Vgl. § 5 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 134/2016.


15      Vgl. insbesondere Urteile vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 17 und 19 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 5. Mai 2022, BPC Lux 2 u. a. (C‑83/20, EU:C:2022:346, Rn. 25 und 26), und vom 25. Januar 2024, Parchetul de pe lângă Curtea de Apel Craiova u. a. (C‑58/22, EU:C:2024:70, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16      Vgl. insbesondere Urteile vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 19), und vom 13. Dezember 2017, El Hassani (C‑403/16, EU:C:2017:960, Rn. 33).


17      Vgl. insbesondere Urteil vom 25. Januar 2024, Parchetul de pe lângă Curtea de Apel Craiova u. a. (C‑58/22, EU:C:2024:70, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18      Vgl. insbesondere Urteile vom 6. Oktober 2016, Paoletti u. a. (C‑218/15, EU:C:2016:748, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“ (C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).


19      Vgl. insbesondere Urteil vom 5. Mai 2022, BPC Lux 2 u. a. (C‑83/20, EU:C:2022:346, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20      Vgl. insbesondere Urteil vom 30. November 2023, Ministero dell’Istruzione und INPS (C‑270/22, EU:C:2023:933, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21      Vgl. Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 103.


22      Vgl. § 60 Abs. 7 des Gesetzes Nr. 215/2004, der in Verbindung mit § 5 Abs. 6 der Verordnung Nr. 134/2016 auf den Sicherheitsbescheid für Unternehmen Anwendung findet.


23      Vgl. insbesondere Anhang V Nr. 9 Buchst. a und b.


24      Vgl. § 5 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 134/2016.


25      Hervorhebung nur hier. Auch die Anlage B des Beschlusses 2013/488, die die Entsprechungstabelle der Geheimhaltungsgrade enthält, belegt die enge Verknüpfung zwischen den nationalen Einstufungen und den Einstufungen der Union.


26      Vgl. insbesondere Urteil vom 15. Juli 2021, Ministrstvo za obrambo (C‑742/19, EU:C:2021:597, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


27      Vgl. entsprechend Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 28).


28      Vgl. Urteil vom 19. November 2019, TSN und AKT (C‑609/17 und C‑610/17, EU:C:2019:981, Rn. 50).


29      Vgl. insbesondere Art. 1 Abs. 2, Art. 11 Abs. 4 bis 6 und Art. 15 Abs. 3 des Beschlusses 2013/488. Im Sinne der Wechselseitigkeit bestimmt Art. 4 Abs. 3 dieses Beschlusses: „Gibt ein Mitgliedstaat Verschlusssachen, die mit einem nationalen Geheimhaltungsgrad gekennzeichnet sind, in die Strukturen oder Netze der Union, so schützen der Rat und das Generalsekretariat des Rates diese Verschlusssachen nach den Anforderungen, die für EU-VS der entsprechenden Geheimhaltungsstufe gemäß der Entsprechungstabelle der Geheimhaltungsgrade in Anlage B gelten.“


30      Siehe Nr. 60 dieser Schlussanträge.


31      Vgl. insbesondere Urteil vom 22. Juni 2023, K. B. und F. S. (Prüfung von Amts wegen im Strafverfahren) (C‑660/21, EU:C:2023:498, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


32      Vgl. insbesondere Urteil vom 17. Mai 2023, Funke (C‑626/21, EU:C:2023:412, Rn. 76).


33      Vgl. insbesondere Urteile vom 22. Februar 2022, RS (Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts) (C‑430/21, EU:C:2022:99, Rn. 34), vom 17. November 2022, Harman International Industries (C‑175/21, EU:C:2022:895, Rn. 32), und vom 4. Mai 2023, Agenția Națională de Integritate (C‑40/21, EU:C:2023:367, Rn. 84).


34      Vgl. Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 42 und 51).


35      Vgl. insbesondere zu der Frage, ob einer juristischen Person, an die die zuständige nationale Behörde eine Anordnung zur Übermittlung von Informationen oder eine wegen Nichtbeachtung dieser Anordnung verhängte Sanktion gerichtet hat, gegenüber solchen Entscheidungen das durch Art. 47 der Charta garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf zuzuerkennen ist, Urteile vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 51), vom 6. Oktober 2020, État luxembourgeois (Rechtsbehelf gegen ein Auskunftsersuchen in Steuersachen) (C‑245/19 und C‑246/19, EU:C:2020:795, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 25. November 2021, État luxembourgeois (Information zu einer Gruppe von Steuerpflichtigen) (C‑437/19, EU:C:2021:953, Rn. 87).


36      Vgl. insbesondere Urteile vom 6. Oktober 2020, État luxembourgeois (Rechtsbehelf gegen ein Auskunftsersuchen in Steuersachen) (C‑245/19 und C‑246/19, EU:C:2020:795, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 25. November 2021, État luxembourgeois (Information zu einer Gruppe von Steuerpflichtigen) (C‑437/19, EU:C:2021:953, Rn. 87).


37      CE:ECHR:2017:0919JUD003528911. Ausgangspunkt des Verfahrens war der Umstand, dass die Národní bezpečnostní úřad (Nationale Sicherheitsbehörde, Tschechien, im Folgenden: Behörde) beschlossen hatte, die Gültigkeit einer Sicherheitsfreigabe aufzuheben, die dem Beschwerdeführer erteilt worden war, damit er als Stellvertreter des Prvního náměstka ministra obrany (stellvertretender Verteidigungsminister, Tschechien) tätig werden konnte, da der Betreffende ein Risiko für die nationale Sicherheit darstellte. Die Entscheidung benannte jedoch nicht die vertraulichen Informationen, auf die sie sich stützte; da diese als „geheim“ eingestuft waren, durften sie nach dem Gesetz nicht gegenüber dem Betroffenen offengelegt werden. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung der Entscheidung wurde vom Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag, Tschechien), dem die fraglichen Dokumente von der Behörde übermittelt worden waren, abgelehnt. Dem Beschwerdeführer und seinem Anwalt wurde nicht gestattet, diese Dokumente einzusehen. Die nachfolgend eingelegten Rechtsmittel des Beschwerdeführers blieben erfolglos. Vor dem EGMR rügte der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (unterzeichnet in Rom am 4. November 1950, im Folgenden: EMRK). Er machte geltend, dass es sich bei dem Verwaltungsverfahren nicht um ein faires Verfahren gehandelt habe, da es ihm nicht möglich gewesen sei, ein entscheidendes Beweismittel einzusehen, das als vertrauliche Information eingestuft und dem Gericht vom Beschwerdegegner zur Verfügung gestellt worden sei.


38      Vgl. § 152 des Urteils. Das vom Beschwerdeführer vor den nationalen Gerichten angestrengte Verfahren sei im Hinblick auf die Vorschriften des gewöhnlichen Rechts, die ein faires Verfahren gewährleisteten, auf zweifache Weise beschränkt gewesen: Erstens seien die geheimen Dokumente und Informationen weder ihm noch seinem Anwalt zugänglich gewesen und zweitens seien ihm – soweit der Widerruf der Sicherheitsfreigabe auf diese Dokumente gestützt worden sei – die Gründe für diese Entscheidung nicht offengelegt worden (§ 150). Bei einer Gesamtwürdigung des Verfahrens kam der EGMR zu dem Schluss, dass Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht verletzt worden sei. Zu diesem Ergebnis gelangte der EGMR insbesondere unter Berücksichtigung der den nationalen Gerichten verliehenen Befugnisse. So hätten die Gerichte unbegrenzten Zugang zu allen geheimen Dokumenten gehabt, auf die sich die Behörde gestützt habe, um ihre Entscheidung zu rechtfertigen; sie hätten die Befugnis gehabt, eine detaillierte Prüfung der Gründe durchzuführen, die die Behörde dafür angeführt habe, dass sie die geheimen Dokumente nicht offenlege, und die Offenlegung derjenigen anzuordnen, von denen sie der Ansicht gewesen seien, dass sie eine entsprechende Einstufung nicht rechtfertigten. Zudem seien sie ermächtigt gewesen, den Inhalt der Entscheidung der Behörde zum Widerruf der Sicherheitsfreigabe zu beurteilen und gegebenenfalls eine willkürliche Entscheidung der Behörde aufzuheben (§ 152). Weiters habe die Jurisdiktion der den Streit prüfenden Gerichte alle Umstände des Falles umfasst und sei nicht auf eine Untersuchung der Gründe beschränkt gewesen, auf die sich der Beschwerdeführer gestützt habe; dieser sei zudem von den Richtern angehört worden und habe auch ein schriftliches Vorbringen erstatten können (§ 153). Aus diesen Gründen befand der EGMR, dass die Gerichte die ihnen in dieser Art von Verfahren zur Verfügung stehenden Prüfungsbefugnisse gebührend ausgeübt hätten, sowohl was das Bedürfnis angeht, die Vertraulichkeit der geheimen Dokumente zu bewahren, als auch im Hinblick auf die Rechtfertigung für die Entscheidung zum Widerruf der Sicherheitsfreigabe des Beschwerdeführers, und ihre Entscheidungen mit Bezug zu den speziellen Umständen des vorliegenden Falles begründet hätten (§ 154).


39      Vgl. sinngemäß Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung und Rn. 87.


40      Vgl. insoweit Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache An tAire Talmhaíochta Bia agus Mara u. a. (C‑64/20, EU:C:2021:14, Nr. 41), der feststellt, dass „sich … das Erfordernis der Effektivität, die als Voraussetzung für die Anwendung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie verstanden … wird, in der Praxis mit dem Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 der Charta [überschneidet]“.


41      Vgl. insbesondere Urteile vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 22. April 2021, Profi Credit Slovakia (C‑485/19, EU:C:2021:313, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof hat auch klargestellt, dass der Effektivitätsgrundsatz „nicht mehr als die Wahrung der Grundrechte der Charta, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsschutz [verlangt]“ (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Staatssecretaris van Veiligheid en justitie [Aufschiebende Wirkung der Berufung], C‑180/17, EU:C:2018:775, Rn. 43).


42      Vgl. insbesondere Urteil Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a., Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung.


43      Vgl. insbesondere Urteile vom 14. Mai 2020, Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság Dél-alföldi Regionális Igazgatóság (C‑924/19 PPU und C‑925/19 PPU, EU:C:2020:367, Rn. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 20. Februar 2024, X (Fehlen von Kündigungsgründen) (C‑715/20, EU:C:2024:139, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof hat damit klargestellt, dass „Art. 47 der Charta aus sich heraus Wirkung entfaltet und nicht durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts konkretisiert werden muss, um dem Einzelnen ein Recht zu verleihen, das er als solches geltend machen kann“.


44      Vgl. insbesondere Urteil vom 24. November 2020, Minister van Buitenlandse Zaken (C‑225/19 und C‑226/19, EU:C:2020:951, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).


45      Vgl. insbesondere Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung.


46      Vgl. insbesondere Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung.


47      Vgl. insbesondere Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung.


48      Vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteil vom 4. Juni 2013, ZZ (C‑300/11, im Folgenden: Urteil ZZ, EU:C:2013:363, Rn. 54).


49      Vgl. insbesondere Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung.


50      Vgl. insbesondere Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung.


51      Vgl. sinngemäß Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung.


52      Vgl. insbesondere Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung.


53      Vgl. insbesondere Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung.


54      Vgl. insbesondere Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung.


55      Vgl. Urteil Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a., Rn. 59.


56      Vgl. Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 101.


57      Vgl. insbesondere Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).


58      Vgl. Urteil ZZ, Rn. 49. Allerdings stellte der Gerichtshof dort klar, dass diese enge Auslegung nicht dazu führen darf, dass der Bestimmung des Unionsrechts, die die fragliche Ausnahme vorsieht, ihre praktische Wirksamkeit genommen wird. In diesem Kontext hatte der Gerichtshof zu bestimmen, ob und inwieweit Art. 30 Abs. 2 und Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, berichtigt in ABl. 2004, L 229, S. 35) es zulassen, dass die Gründe einer in Anwendung von Art. 27 dieser Richtlinie getroffenen Entscheidung nicht genau und umfassend mitgeteilt werden, wobei die Bestimmungen der Richtlinie im Einklang mit den Anforderungen aus Art. 47 der Charta ausgelegt werden müssen (Rn. 50). Vgl. allgemein zur Regel, dass Ausnahmen eng auszulegen sind, Urteil vom 8. November 2022, Deutsche Umwelthilfe (Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen) (C‑873/19, EU:C:2022:857, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).


59      Vgl. insbesondere Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung.


60      Vgl. Rn. 66 dieses Urteils.


61      Vgl. insoweit Urteil des EGMR vom 19. September 2017, Regner/Tschechische Republik (CE:ECHR:2017:0919JUD003528911, § 157), in dem der EGMR feststellt, dass der Beschwerdeführer für die Beteiligung an organisierter Kriminalität, Beihilfe zum Missbrauch einer öffentlichen Stellung, Mittäterschaft bei der illegalen Beeinflussung von öffentlichen Ausschreibungs- und Auftragsvergabeverfahren und Beihilfe zum Verstoß gegen verbindliche Regeln über wirtschaftliche Beziehungen strafrechtlich verfolgt wurde. Er hält es für verständlich, dass es die Behörden dort, wo solche Verdachtsmomente existieren, für notwendig erachten, rasch zu handeln und nicht das Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen abzuwarten, und sie gleichzeitig in einem frühen Stadium die Offenlegung von Verdächtigungen betreffend die fraglichen Personen verhindern, da dies die Gefahr mit sich brächte, die strafrechtliche Untersuchung zu beeinträchtigen.


62      Vgl. Urteile ZZ (Rn. 65, 68 und 69), Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság u. a. (Rn. 51, 53 und 60) sowie NW und PQ (Verschlusssache) (Rn. 95, 97, 101, 111 und 116). Anzumerken ist auch, dass der EGMR es in seinem Urteil vom 19. September 2017, Regner/Tschechische Republik (CE:ECHR:2017:0919JUD003528911, § 160), für wünschenswert erklärte, dass der Person, der ihre Sicherheitsermächtigung entzogen wird, soweit es mit der Bewahrung der Vertraulichkeit und der Wirksamkeit der diese Person betreffenden Ermittlungen vereinbar ist, wenn auch nur summarisch, eröffnet wird, welche Beschuldigungen gegen sie erhoben werden.


63      Der Gerichtshof könnte sich insoweit an dem orientieren, was er in Bezug auf restriktive Maßnahmen in seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi (C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 130), entschieden hat, nämlich dass, wenn der Unionsrichter im Rahmen seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu der Auffassung gelangt, dass zumindest einer der in der vom Sanktionsausschuss übermittelten Begründung angeführten Gründe hinreichend präzise und konkret ist, dass er nachgewiesen ist und dass er für sich genommen eine hinreichende Grundlage für diese Entscheidung darstellt, in Anbetracht des präventiven Charakters der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen der Umstand, dass dies auf andere dieser Gründe nicht zutrifft, die Nichtigerklärung der Entscheidung nicht rechtfertigen kann. Im umgekehrten Fall erklärt der Unionsrichter die angefochtene Entscheidung für nichtig.


64      Vgl. Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 102 bis 116.


65      Vgl. Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 106 bis 112.


66      Vgl. Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 113.


67      Vgl. Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 114.


68      Vgl. Urteil NW und PQ (Verschlusssache), Rn. 115.