Language of document : ECLI:EU:T:2015:507

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

15. Juli 2015(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für ESBO/Ester-Wärmestabilisatoren – Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen festgestellt wird – Preisfestsetzung, Marktaufteilung und Austausch sensibler geschäftlicher Informationen – Geldbußen – Zurechnung der Zuwiderhandlung – Kapitalbezogene Vermutung – Dauer und Nachweis der Zuwiderhandlung – Verjährung – Dauer des Verwaltungsverfahrens – Angemessene Verfahrensdauer – Verteidigungsrechte“

In der Rechtssache T‑45/10

GEA Group AG mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Kallmayer, I. du Mont, G. Schiffers und R. van der Hout,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch R. Sauer und F. Ronkes Agerbeek als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt W. Berg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(2009) 8682 endg. der Kommission vom 11. November 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38.589 – Wärmestabilisatoren) oder, hilfsweise, Herabsetzung der festgesetzten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek, der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters V. Kreuschitz,

Kanzler: J. Weychert, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2014

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Entscheidung K(2009) 8682 endg. der Kommission vom 11. November 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38.589 – Wärmestabilisatoren) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

2        In den Rechtsstreit sind verschiedene Gesellschaften verwickelt, die zur Verantwortung gezogen wurden, weil sie durch das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften unmittelbar oder mittelbar an einem Kartell beteiligt waren. Diese Gesellschaften gehörten alle zu derselben Gruppe, innerhalb deren die Klägerin als Rechtsnachfolgerin an die Stelle der Muttergesellschaft getreten ist.

1.     Kurze Darstellung der beteiligten Gesellschaften

3        Vom 11. September 1991 bis zum 17. Mai 2000 gehörten die Chemson Gesellschaft für Polymer Additive mbH (im Folgenden: OCG) und die Polymer Additive Produktions- und Vertriebs GmbH, Arnoldstein (im Folgenden: OCA, zusammen mit OCG: Chemson) unmittelbar oder über Tochtergesellschaften der Metallgesellschaft AG (im Folgenden: MG) (vgl. 39. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

4        Vom 30. September 1995 bis zum 30. September 1999 hielt OCA das gesamte Kapital von OCG, und vom 30. September 1999 bis zum 17. Mai 2000 hielt OCG das gesamte Kapital von OCA (vgl. 617. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

5        MG veräußerte am 17. Mai 2000 OCG, die am Tag des Erlasses der angefochtenen Entscheidung als Aachener Chemische Werke Gesellschaft für glastechnische Produkte und Verfahren mbH (im Folgenden: ACW) firmierte (vgl. 41. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

6        Nach ihrer Auflösung im Mai 2000 wurden die Tätigkeiten von OCA von einer ab dem 30. August 2000 als Chemson Polymer-Additive AG (im Folgenden: CPA) bezeichneten Gesellschaft übernommen (vgl. 41. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

7        Die Klägerin, die GEA Group AG, ist 2005 aus der Fusion von MG mit einer anderen Gesellschaft hervorgegangen (vgl. 43. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

2.     Verwaltungsverfahren, das zum Erlass der angefochtenen Entscheidung geführt hat

 Einleitung der Untersuchung durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften

8        Das Verfahren, das zum Erlass der angefochtenen Entscheidung geführt hat, wurde eingeleitet, nachdem Chemtura am 26. November 2002 einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission von 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 45, S. 3) gestellt hatte (vgl. Erwägungsgründe 79 und 80 der angefochtenen Entscheidung).

9        Am 30. Januar 2003 erließ die Kommission auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), die Entscheidung C(2003) 85/4, mit der der Akzo Nobel Chemicals Ltd, der Akcros Chemicals Ltd und ihren jeweiligen Tochtergesellschaften aufgegeben wurde, eine Nachprüfung zur Ermittlung von Beweisen für etwaige wettbewerbswidrige Praktiken zu dulden (im Folgenden: Entscheidung vom 30. Januar 2003).

10      Am 10. Februar 2003 erließ die Kommission ebenfalls auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 die Entscheidung C(2003) 559/4 zur Änderung der Entscheidung vom 30. Januar 2003 (im Folgenden zusammen: Nachprüfungsanordnungen).

11      Am 12. und 13. Februar 2003 führte die Kommission auf der Grundlage der Nachprüfungsanordnungen Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals in Eccles, Manchester (Vereinigtes Königreich) durch. Dabei kopierten die Bediensteten der Kommission zahlreiche Unterlagen. Während dieser Nachprüfungen beriefen sich die Vertreter von Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals gegenüber den Bediensteten der Kommission darauf, dass bestimmte Unterlagen unter den Schutz des Anwaltsgeheimnisses fielen (im Folgenden: streitige Dokumente).

12      Bei der Prüfung der streitigen Dokumente kam es zu Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf fünf Dokumente, die auf zweierlei Weise behandelt wurden. Die Bediensteten der Kommission trafen nämlich nicht sofort eine endgültige Entscheidung hinsichtlich des für zwei Dokumente möglicherweise bestehenden Schutzes. Sie fertigten daher Kopien davon an und steckten diese in einen versiegelten Umschlag, den sie am Ende ihrer Nachprüfung mitnahmen. In Bezug auf die drei anderen streitigen Dokumente war der für die Nachprüfung verantwortliche Bedienstete der Kommission der Ansicht, dass sie nicht unter den Schutz des Anwaltsgeheimnisses fielen, kopierte sie daher und fügte sie den anderen Unterlagen hinzu, ohne sie getrennt in einem versiegelten Umschlag aufzubewahren.

13      Diese Meinungsverschiedenheiten führten zu einem umfangreichen Rechtsstreit (im Folgenden: Gerichtsverfahren Akzo).

 Gerichtsverfahren Akzo

14      Mit Klageschrift, die am 11. April 2003 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals eine Klage, die im Wesentlichen auf die Nichtigerklärung der Entscheidung C(2003) 559/4 vom 10. Februar 2003 und, soweit erforderlich, der Entscheidung vom 30. Januar 2003, mit der diese Gesellschaften und ihre jeweiligen Tochtergesellschaften zur Duldung der fraglichen Nachprüfung verpflichtet wurden, gerichtet war (Rechtssache T‑125/03, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission).

15      Am 17. April 2003 stellten Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der insbesondere auf Aussetzung des Vollzugs der Nachprüfungsanordnungen gerichtet war (Rechtssache T‑125/03 R, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission).

16      Am 8. Mai 2003 erließ die Kommission auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 die Entscheidung C(2003) 1533 final (im Folgenden: Entscheidung vom 8. Mai 2003), mit der der Antrag der Klägerinnen auf vertrauliche Behandlung der streitigen Dokumente abgelehnt wurde.

17      In der Entscheidung vom 8. Mai 2003 lehnte die Kommission den Antrag von Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals auf Rückgabe der streitigen Dokumente ab und kündigte ihre Absicht an, den versiegelten Umschlag zu öffnen. Sie werde dies jedoch nicht vor Ablauf der Frist für eine Klage gegen diese Entscheidung tun.

18      Mit Klageschrift, die am 4. Juli 2003 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 8. Mai 2003 (Rechtssache T‑253/03, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission).

19      Außerdem stellten sie einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der insbesondere auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung vom 8. Mai 2003 gerichtet war (Rechtssache T‑253/03 R, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission).

20      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 30. Oktober 2003 wurde der Antrag in der Rechtssache T‑125/03 R bezüglich der Nachprüfungsanordnungen zurückgewiesen, dem Antrag in der Rechtssache T‑253/03 R bezüglich des Schutzes der Vertraulichkeit der streitigen Dokumente hingegen teilweise stattgegeben (Beschluss vom 30. Oktober 2003, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, T‑125/03 R und T‑253/03 R, Slg, EU:T:2003:287).

21      Dieser Beschluss wurde durch den Beschluss vom 27. September 2004, Kommission/Akzo und Akcros (C‑7/04 P [R], Slg, EU:C:2004:566) aufgehoben.

22      Mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 sandte die Kanzlei des Gerichts der Kommission den versiegelten Umschlag, der zwei der streitigen Dokumente enthielt, zurück (vgl. Erwägungsgründe 84 bis 90 der angefochtenen Entscheidung).

23      Mit Urteil des Gerichts vom 17. September 2007 wurde die Klage in der Rechtssache T‑125/03 gegen die Nachprüfungsanordnungen als unzulässig abgewiesen. Die Klage in der Rechtssache T‑253/03 bezüglich der streitigen Dokumente wurde dagegen als unbegründet abgewiesen, im Wesentlichen weil die Kommission mit ihrer Entscheidung, dass keines dieser Schriftstücke sachlich unter den Schutz des Anwaltsgeheimnisses falle, keinen Fehler begangen hat (Urteil vom 17. September 2007, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, T‑125/03 und T‑253/03, Slg, EU:T:2007:287, Rn. 57 und 184).

24      Mit Urteil vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission (C‑550/07 P, Slg, EU:C:2012:512) wies der Gerichtshof das Rechtsmittel gegen das Urteil Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, oben in Rn. 23 angeführt (EU:T:2007:287), zurück.

 Abschluss der Ermittlungen der Kommission

25      Am 8. Oktober 2007 und mehrmals im Laufe des Jahres 2008 richtete die Kommission an die beteiligten Unternehmen, darunter Chemson, Auskunftsverlangen gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) (vgl. Erwägungsgründe 91 und 92 der angefochtenen Entscheidung).

26      Am 17. März 2009 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die mehreren Unternehmen, u. a. der Klägerin, am 18. März 2009 zugestellt wurde (vgl. 95. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

3.     Angefochtene Entscheidung

27      Mit der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass eine Reihe von Unternehmen gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3) verstoßen hätten, indem sie sich an zwei Komplexen wettbewerbswidriger Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), zum einen im Bereich Zinnstabilisatoren und zum anderen im Bereich Epoxid-Sojaöle und Ester (im Folgenden: ESBO/Ester), beteiligt hätten.

28      In der angefochtenen Entscheidung wurden zwei Zuwiderhandlungen festgestellt, die zwei Kategorien von Wärmestabilisatoren betreffen, bei denen es sich um Erzeugnisse handelt, die Polyvinylchlorid (PVC)-Erzeugnissen hinzugesetzt werden, um diesen eine hohe Temperaturbeständigkeit zu verleihen (vgl. dritter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

29      Nach Art. 1 der angefochtenen Entscheidung bestand jede dieser Zuwiderhandlungen in der Festsetzung von Preisen, in der Marktaufteilung durch Zuweisung von Lieferquoten, in der Auf- und Zuteilung von Kunden und im Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen, insbesondere über Kunden, Produktions- und Liefermengen.

30      In der angefochtenen Entscheidung wurde festgestellt, dass sich die betreffenden Unternehmen über verschiedene Zeiträume zwischen dem 11. September 1991 und dem 26. September 2000 im Bereich ESBO/Ester an diesen Zuwiderhandlungen beteiligt hätten.

31      Die angefochtene Entscheidung war bezüglich jeder Zuwiderhandlung an 20 Gesellschaften gerichtet, die entweder unmittelbar an den betreffenden Zuwiderhandlungen beteiligt waren oder als Muttergesellschaften haftbar gemacht wurden (vgl. 510. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

 Zurechnung der Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung

32      In Art. 1 Abs. 2 Buchst. k der angefochtenen Entscheidung wird die Klägerin für die im Bereich ESBO/Ester vom 11. September 1991 bis zum 17. Mai 2000 begangene Zuwiderhandlung haftbar gemacht.

33      Ihre Haftung wurde für die vom 11. September 1991 bis zum 17. Mai 2000 von OCG und die vom 13. März 1997 bis zum 17. Mai 2000 von OCA begangenen Zuwiderhandlungen festgestellt (vgl. 617. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

34      In der angefochtenen Entscheidung wurde die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der MG für den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung sanktioniert (vgl. Erwägungsgründe 628 bis 632 der angefochtenen Entscheidung).

35      ACW wurde als Rechtsnachfolgerin von OCG zum einen für die unmittelbare Zuwiderhandlung von OCG während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung, d. h. vom 11. September 1991 bis zum 17. Mai 2000, und zum anderen für die unmittelbare Zuwiderhandlung von OCA vom 30. September 1999 bis zum 17. Mai 2000, als OCA die 100%ige Tochtergesellschaft von OCG war, sanktioniert (vgl. Erwägungsgründe 619 bis 621 und 632 der angefochtenen Entscheidung).

36      CPA wurde als Rechtsnachfolgerin von OCA zum einen für die unmittelbare Zuwiderhandlung von OCA vom 13. März 1997 bis zum 17. Mai 2000 und zum anderen für die unmittelbare Zuwiderhandlung von OCG vom 30. September 1995 bis zum 30. September 1999, als OCG die 100%ige Tochtergesellschaft von OCA war, sanktioniert (vgl. Erwägungsgründe 622 bis 627 und 632 der angefochtenen Entscheidung).

37      Was die Befugnis der Kommission betrifft, der Klägerin Geldbußen für die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen aufzuerlegen, wies die Kommission in der angefochtenen Entscheidung das Vorbringen der betroffenen Unternehmen zurück, wonach das Ruhen der Verjährungsfrist aufgrund des Gerichtsverfahrens Akzo nach Art. 25 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 nur gegenüber den Parteien dieses Verfahrens, nämlich Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals, gelte. Dieses Ruhen habe nämlich erga omnes gewirkt, so dass die Verjährung gegenüber allen von den Ermittlungen betroffenen Unternehmen, auch der Klägerin, geruht habe (vgl. Erwägungsgründe 672 bis 682 der angefochtenen Entscheidung).

 Zurechnung der Geldbußen in der angefochtenen Entscheidung

38      Art. 2 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung bestimmt:

„Für die … Zuwiderhandlung(en) im Bereich ESBO/Ester, werden folgende Geldbußen verhängt:

31)      [die Klägerin], [ACW] und [CPA] haften gesamtschuldnerisch für 1 913 971 [Euro];

32)      [die Klägerin] und [ACW] haften gesamtschuldnerisch für 1 432 229 [Euro];

…“

39      Bei der Festsetzung der Geldbußen wandte die Kommission die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2) an.

 Änderung der angefochtenen Entscheidung

40      Die angefochtene Entscheidung wurde durch den Beschluss C(2010) 727 der Kommission vom 8. Februar 2010 (im Folgenden: Änderungsbeschluss) geändert.

41      Art. 1 des Änderungsbeschlusses änderte Art. 2 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung wie folgt:

„Artikel 2 [Nr.] 31 erhält folgende Fassung:

‚31-a) [die Klägerin], [ACW] und [CPA] haften gesamtschuldnerisch für 1 086 129 [Euro];

31-b)          [die Klägerin] und [CPA] haften gesamtschuldnerisch für 827 842 [Euro]‘

Artikel 2 [Nr.] 32 erhält folgende Fassung:

‚32)               [die Klägerin] haftet für 1 432 229 [Euro]‘.“

42      Der an ACW, die Klägerin und CPA gerichtete Änderungsbeschluss wurde der Klägerin am 10. Februar 2010 zugestellt.

 Verfahren und Anträge der Parteien

43      Mit Klageschrift, die am 28. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin Klage gegen die angefochtene Entscheidung erhoben.

44      Mit Fax vom 23. Februar 2010 an die Kanzlei des Gerichts hat die Kommission beantragt, die Frist für die Einreichung der Klagebeantwortung zu verlängern.

45      Mit Schreiben vom 16. März 2010 an die Kanzlei des Gerichts hat die Kommission auf den Erlass des Änderungsbeschlusses hin beantragt, der Klägerin im Wege prozessleitender Maßnahmen zu gestatten, die Klageschrift anzupassen oder zu ergänzen, und eine neue Frist für die Einreichung der Klagebeantwortung festzusetzen.

46      Mit Schreiben vom 9. April 2010 hat die Klägerin ihre Stellungnahme zu dem Antrag der Kommission auf prozessleitende Maßnahmen eingereicht.

47      Mit Fax vom 18. Mai 2010 an die Kanzlei des Gerichts hat die Kommission beantragt, die Frist für die Einreichung der Klagebeantwortung zu verlängern.

48      Mit Klageschrift, die am 20. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen und unter der Rechtssachennummer T‑189/10 eingetragen worden ist, hat die Klägerin Klage gegen den Änderungsbeschluss erhoben (Rechtssache GEA Group/Kommission).

49      In der Klageschrift in der Rechtssache T‑189/10 hat die Klägerin beantragt, diese Rechtssache mit der vorliegenden Rechtssache zu verbinden.

50      Am 14. Juni 2010 sind die Parteien aufgefordert worden, zu einer möglichen Verbindung der Rechtssachen T‑45/10 und T‑189/10 zu gemeinsamem schriftlichen Verfahren Stellung zu nehmen.

51      Die Klägerin hat ihre Stellungnahme am 22. Juni 2010 und die Kommission ihre am 5. Juli 2010 eingereicht.

52      Mit Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 7. Juli 2010 ist die vorliegende Rechtssache mit der Rechtssache T‑189/10 zu gemeinsamem schriftlichen Verfahren verbunden worden.

53      Mit Fax an die Kanzlei des Gerichts vom 9. November 2010 hat die Kommission eine Berichtigung der Klagebeantwortung eingereicht.

54      Mit Fax an die Kanzlei des Gerichts vom 21. Dezember 2010 hat die Kommission eine Ergänzung zur Gegenerwiderung eingereicht.

55      Mit Fax an die Kanzlei des Gerichts vom 8. März 2011 hat die Kommission eine Berichtigung der Gegenerwiderung eingereicht.

56      Mit Schreiben vom 4. August 2011 an die Kanzlei des Gerichts hat die Kommission mitgeteilt, dass sie im Licht des Urteils des Gerichtshofs vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a. (C‑201/09 P und C‑216/09 P, Slg, EU:C:2011:190), ihr Vorbringen zurücknehme, wonach das Ruhen der Verjährungsfrist in Anwendung von Art. 25 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 durch das Gerichtsverfahren Akzo eine Wirkung erga omnes, also auch gegenüber der Klägerin, gehabt habe. Des Weiteren hat sie erklärt, dass sie sämtliche anderen zum ersten Klagegrund vorgebrachten Argumente aufrechterhalte. Das Gericht hat dies zur Kenntnis genommen.

57      Mit Fax vom 18. August 2011 an die Kanzlei des Gerichts hat die Klägerin beantragt, die Frist zur Stellungnahme zu dem Schreiben der Kommission vom 4. August 2011 zu verlängern.

58      Die Klägerin hat innerhalb der neuen Frist, nämlich am 28. September 2011, zu dem oben genannten Schreiben Stellung genommen.

59      Am 25. Februar 2013 ist beschlossen worden, die Parteien zu einer möglichen Verbindung der vorliegenden Rechtssache und der Rechtssache T‑189/10 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung anzuhören.

60      Am 25. Februar und am 8. März 2013 hat das Gericht beschlossen, den Parteien im Wege prozessleitender Maßnahmen einige Fragen zu stellen.

61      So sind die Parteien gebeten worden, zu der Möglichkeit Stellung zu nehmen, das Verfahren gemäß Art. 77 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 bis zur Verkündung der verfahrensbeendenden Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑23l/11 P, Kommission/Siemens Österreich u. a., auszusetzen.

62      Des Weiteren sind die Parteien gebeten worden, den genauen Zeitraum in den Jahren 1994 und 1995 anzugeben, in dem sich die Beteiligung von MG an einer Zwischengesellschaft auf 71,4 % beschränkte.

63      Die Klägerin ist gebeten worden, ihren Umsatz im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr anzugeben.

64      Die Kommission ist gebeten worden, zu erläutern, wie sie bei der Berechnung der Geldbußen zu den Beträgen gekommen ist, die in der fünften und der sechsten dünn gedruckten Zeile der Tabellen in den Erwägungsgründen 717 und 773 und in Art. 2 Nrn. 31 und 32 der angefochtenen Entscheidung stehen.

65      Die Kommission hat die Fragen des Gerichts am 18. März 2013 beantwortet.

66      Die Klägerin hat die Fragen des Gerichts am 20. März 2013 beantwortet.

67      Die Antworten der Kommission sind der Klägerin am 16. April 2013 übermittelt worden.

68      Die Antworten der Klägerin sind der Kommission am selben Tag übermittelt worden.

69      Mit Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichts vom 24. April 2013 ist das Verfahren gemäß Art. 77 Buchst. d der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 bis zur Verkündung der verfahrensbeendenden Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑23l/11 P, Kommission/Siemens Österreich u. a., ausgesetzt worden.

70      Mit Fax vom 3. Mai 2013 an die Kanzlei des Gerichts hat die Kommission eine Berichtigung ihrer Antworten auf die Fragen des Gerichts eingereicht.

71      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Vierten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache am 1. Oktober 2013 zugewiesen worden ist.

72      Am 10. April 2014 hat der Gerichtshof das Urteil Kommission/Siemens Österreich u. a. und Siemens Transmission & Distribution u. a./Kommission (C‑231/11 P bis C‑233/11 P, Slg, EU:C:2014:256, im Folgenden: Urteil Siemens) verkündet.

73      Am selben Tag hat der Gerichtshof das Urteil Areva u. a./Kommission (C‑247/11 P und C‑253/11 P, Slg, EU:C:2014:257, im Folgenden: Urteil Areva) verkündet.

74      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen hat das Gericht die Parteien am 23. April 2014 gebeten, schriftlich zur Auswirkung des Urteils Siemens, oben in Rn. 72 angeführt (EU:C:2014:256), auf die vorliegende Rechtssache Stellung zu nehmen.

75      Am 8. Mai 2014 hat die Klägerin ihre Stellungnahme zur Auswirkung des Urteils Siemens, oben in Rn. 72 angeführt (EU:C:2014:256), auf die vorliegende Rechtssache eingereicht.

76      Die Kommission hat ihre Stellungnahme zur Auswirkung des Urteils Siemens, oben in Rn. 72 angeführt (EU:C:2014:256), auf die vorliegende Rechtssache am selben Tag eingereicht.

77      Die Antwort der Klägerin zur Auswirkung des Urteils Siemens, oben in Rn. 72 angeführt (EU:C:2014:256), auf die vorliegende Rechtssache ist der Kommission am 14. Mai 2014 übermittelt worden.

78      Die Antwort der Kommission zur Auswirkung des Urteils Siemens, oben in Rn. 72 angeführt (EU:C:2014:256), auf die vorliegende Rechtssache ist der Klägerin am selben Tag übermittelt worden.

79      Durch Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 21. Mai 2014 ist die vorliegende Rechtssache mit der Rechtssache T‑189/10 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden worden.

80      Auf Vorschlag der Berichterstatterin hat das Gericht am 22. Mai 2014 beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und die Parteien aufgefordert, schriftlich zur Auswirkung des Urteils Areva, oben in Rn. 73 angeführt (EU:C:2014:257), insbesondere der Rn. 132, 137 und 138 dieses Urteils, auf diese beiden Rechtssachen Stellung zu nehmen.

81      Am 6. Juni 2014 hat die Kommission ihre Stellungnahme zur Auswirkung des Urteils Areva, oben in Rn. 73 angeführt (EU:C:2014:257), eingereicht.

82      Die Klägerin hat ihre Stellungnahme zur Auswirkung des Urteils Areva, oben in Rn. 73 angeführt (EU:C:2014:257), am selben Tag eingereicht.

83      Die Antwort der Klägerin zur Auswirkung des Urteils Areva, oben in Rn. 73 angeführt (EU:C:2014:257), ist der Kommission am 16. Juni 2014 übermittelt worden.

84      Die Antwort der Kommission zur Auswirkung des Urteils Areva, oben in Rn. 73 angeführt (EU:C:2014:257), ist der Klägerin am selben Tag übermittelt worden.

85      Die Parteien haben in der Sitzung vom 24. September 2014 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende der Sitzung hat das Gericht beschlossen, das mündliche Verfahren bis zum Eingang der Antworten auf die Fragen des Gerichts an die Parteien nicht zu schließen, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist. Die Parteien haben diese Fragen am 23. und am 28. Oktober 2014 beantwortet.

86      Der Klägerin beantragt in der vorliegenden Rechtssache,

–        in erster Linie, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die angefochtene Entscheidung teilweise für nichtig zu erklären und die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

87      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

88      Mit Urteil, das am heutigen Tag in der Rechtssache T‑189/10, GEA Group/Kommission, verkündet worden ist, hat das Gericht den Änderungsbeschluss für nichtig erklärt.

 Rechtliche Würdigung

89      Die Klägerin macht drei Klagegründe geltend. Mit dem ersten werden Fehler bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung gerügt. Mit dem zweiten werden Verstöße gegen die Verjährungsvorschriften und mit dem dritten die Verletzung von Verteidigungsrechten geltend gemacht.

1.     Zum ersten Klagegrund: Fehler bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung

90      Im Rahmen des ersten Klagegrundes macht die Klägerin mit dem Ziel der Nichtigerklärung oder, hilfsweise, der Änderung der angefochtenen Entscheidung Fehler bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung geltend.

91      Die Klägerin wendet sich gegen die Zurechnung der Zuwiderhandlung, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung für den Zeitraum nach Ende des Jahres 1994 zugrunde gelegt hat. Die vor diesem Zeitraum begangenen und ihr zugerechneten Zuwiderhandlungen seien nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 verjährt.

 Einleitende Erwägungen

92      Zunächst ist ausgehend von den Schriftsätzen der Parteien und ihren Antworten auf die Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung die Entwicklung der in Rede stehenden Unternehmensgruppe während der gesamten Dauer der in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung darzustellen.

93      Daraus geht hervor, dass MG zwischen dem 11. September 1991 und, so die Parteien in der mündlichen Verhandlung einvernehmlich, September 1994 (im Folgenden: erster Zuwiderhandlungszeitraum) zu 100 % an OCG und an der Chemetall GmbH sowie über ihre 100%ige Tochtergesellschaft MG Österreich zu 100 % an OCA beteiligt war.

94      Somit hielt MG während des ersten Zuwiderhandlungszeitraums unmittelbar 100 % des Kapitals von OCG.

95      MG hielt von September 1994, so die Parteien in der mündlichen Verhandlung einvernehmlich, bis zum 1. Januar 1995 (im Folgenden: zweiter Zuwiderhandlungszeitraum) zum einen – allerdings mittelbar über MG Österreich und Chemson Holding Österreich – das gesamte Kapital (100 %) von OCA und zum anderen über ihre 100%ige Tochtergesellschaft MG Industrie 71,4 % des Kapitals der Dynamit Nobel AG (im Folgenden: DN), während die Dresdner Bank AG und die Deutsche Bank AG (im Folgenden zusammen: Banken) jeweils zu 14,3 % am übrigen Kapital von DN beteiligt waren und Letztere das gesamte Kapital (100 %) von Chemetall und von OCG hielt.

96      Somit war MG während des zweiten Zuwiderhandlungszeitraums mittelbar zu 71,4 % an OCG beteiligt.

97      In dem Zeitraum, über den die Parteien in der mündlichen Verhandlung Einvernehmen erzielt haben, zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 17. Mai 2000, dem Ende der Zuwiderhandlung unter Zugrundelegung der in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Dauer (im Folgenden: dritter Zuwiderhandlungszeitraum), wurde die Beteiligung der Banken auf jeweils 0,25 % des Kapitals von DN reduziert.

98      Die MG Management-Service GmbH (im Folgenden: MG Management), die zu 100 % MG gehörte, ging, so die Parteien in der mündlichen Verhandlung einvernehmlich, am 1. Januar 1995 zu 28,1 % in das Kapital von DN ein.

99      Folglich ist nach den Antworten der Parteien auf die vom Gericht in der mündlichen Verhandlung hierzu gestellten Fragen davon auszugehen, dass während des dritten Zuwiderhandlungszeitraums MG 100 % des Kapitals von MG Industrie und von MG Management hielt und dass an DN jede der Banken zu jeweils 0,25 %, MG Industrie zu 71,4 % und MG Management zu 28,1 % beteiligt waren.

100    Des Weiteren ist nach den Antworten der Parteien auf die vom Gericht in der mündlichen Verhandlung hierzu gestellten Fragen davon auszugehen, dass DN zumindest 1995 das gesamte Kapital von Chemetall hielt. Chemetall hielt wiederum das gesamte Kapital von OCA und diese das gesamte Kapital von OCG.

101    In den Jahren 1996 und 1997 bestand die einzige Änderung darin, dass MG Industrie aus der Kette der fraglichen Gesellschaften wegfiel, wobei MG Management zu 99,5 % an DN beteiligt war und weiterhin zu 100 % von MG kontrolliert wurde. Weder die Anteile der Banken an DN noch die von Chemetall an OCA oder die von OCA an OCG wurden geändert.

102    Im Jahr 1998 bestand die einzige Änderung darin, dass MG Management wegfiel, wobei MG unmittelbar zu 99,5 % an DN beteiligt war, und dass die DN Beteiligung zwischen DN und Chemetall geschaltet wurde. Weder die Anteile der Banken an DN noch die von Chemetall an OCA oder die von OCA an OCG wurden geändert.

103    Im Jahr 1999 und bis zum 17. Mai 2000 bestand die einzige Änderung darin, dass die Reihenfolge von OCA und OCG in der Kette der fraglichen Gesellschaften getauscht wurde.

104    Somit war MG im dritten Zuwiderhandlungszeitraum mittelbar zu 99,5 % an OCG und OCA beteiligt.

 Vorbringen der Parteien

105    Erstens trägt die Klägerin vor, dass MG, deren Rechtsnachfolgerin sie sei, keinen bestimmenden Einfluss auf OCA (jetzt CPA) und OCG (jetzt ACW) ausgeübt habe.

106    Insoweit behauptet sie zunächst, die Banken hätten durch einen Konsortialvertrag vom 30. September 1992, einen Kreditvertrag aus dem Jahr 1995 und einen im September 1996 geschlossenen Beherrschungsvertrag weitgehende Einflussrechte über DN gehabt.

107    Der von MG auf DN ausgeübte Einfluss sei daher ab Ende des Jahres 1994 genauso wie ihr Einfluss auf OCA und OCG beschnitten gewesen, da DN zwischengeschaltet gewesen sei.

108    Sodann verweist die Klägerin auf verschiedene Zeugenaussagen, um darzutun, dass MG nach der Übernahme von OCA und OCG durch DN auf diese Gesellschaften keinen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe.

109    Schließlich trägt sie vor, dass sich die Kommission, um ihre Vermutung eines bestimmenden Einflusses zu untermauern, auf unrichtige Tatsachen bezüglich des Vorliegens mehrerer Beherrschungsverträge von OCA und OCG hinauf zu MG, bezüglich des sich daraus und weiteren Unterlagen ergebenden Beweises für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses von MG, bezüglich des Vorliegens eines Mechanismus, der ihr erlaubt habe, Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften auszuüben, so dass diese ihr Marktverhalten nicht autonom hätten bestimmen können, bezüglich der Ausübung eines Einflusses von MG auf Belange mit Bezug zu Liquidität und Ertragslage der Gesellschaft nach 1993 und bezüglich der Übernahme der Geschäftsführung von DN durch MG berufen habe.

110    Zweitens macht die Klägerin geltend, die Kommission habe nicht dargetan, dass MG, deren Rechtsnachfolgerin sie sei, einen bestimmenden Einfluss auf OCA (jetzt CPA) ausgeübt habe, und bekräftigt erneut, dass die Kommission sich auf Vermutungen gestützt habe, die auf unrichtigen Feststellungen beruhten.

111    Die Kommission habe auch nicht dargetan, dass MG einen bestimmenden Einfluss auf DN ausgeübt habe, denn sie habe sich damit begnügt, die Mehrheitsbeteiligung von MG am Kapital von DN zu behaupten; eine solche Beteiligung bedeute nicht zwangsläufig die Ausübung eines bestimmenden Einflusses, dieser müsse vielmehr tatsächlich ausgeübt worden sein.

112    Die Kommission berufe sich in den Erwägungsgründen 649 und 650 der angefochtenen Entscheidung unzutreffend auf die MG durch den Konsortialvertrag vom 30. September 1992 eingeräumte industrielle Führung, auf einen zwischen MG und DN im September 1995 geschlossenen Gewinnabführungsvertrag und den zwischen DN und MG im September 1996 geschlossenen Beherrschungsvertrag, denn diese Elemente könnten die Ausübung eines bestimmenden Einflusses oder das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit nicht belegen.

113    Drittens macht die Klägerin schließlich geltend, die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses von MG könne im vorliegenden Fall nicht vermutet werden, da die Voraussetzungen der Rechtsprechung für die kapitalbezogene Vermutung nicht vorlägen.

114    Zum einen gelte diese Vermutung allgemein nur, wenn die Muttergesellschaft unmittelbar 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft halte.

115    Zum anderen würde in Bezug auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache die Annahme, MG habe ihren vermeintlichen Einfluss auf DN verwendet, um DN und indirekt Chemetall zu instrumentalisieren, um schließlich auf OCA und OCG durchzugreifen, dem Grundsatz der Unschuldsvermutung, dem Verantwortungsprinzip und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen zuwiderlaufen.

116    Folglich könne die Klägerin für die Handlungen von OCA und OCG nicht belangt werden, denn die Zurechenbarkeit der Handlungen habe jedenfalls Ende 1994 geendet, da die Handlungen, die der Klägerin als eigenes Verhalten zugerechnet würden, nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 verjährt seien.

117    Bevor die Kommission geltend macht, dass sie sich im vorliegenden Fall auf die kapitalbezogene Vermutung habe stützen können und dass bestimmte Umstände diese Vermutung bestätigten, stellt sie in Abrede, die Beteiligungsverhältnisse der in der angefochtenen Entscheidung in Rede stehenden Gesellschaften fehlerhaft gewürdigt zu haben.

118    Hierzu trägt sie vor, im 635. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Beteiligungsverhältnisse, wie die Klägerin sie in ihrer Klageschrift darstelle, für die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung korrekt wiedergegeben zu haben. Zwar sei es richtig, dass sie bei ihrer Beschreibung der Unternehmensstruktur in den Erwägungsgründen 39, 628 und 629 davon ausgehe, dass die betreffenden Gesellschaften MG alleine gehörten. In den Erwägungsgründen 40 und 634 stelle sie aber ausdrücklich klar, dass es sich hierbei nur um den Sachverhalt handele, wie er der Kommission zum Zeitpunkt der Mitteilung der Beschwerdepunkte bekannt gewesen sei. Nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Richtigstellung durch die betroffenen Adressaten habe die Kommission die Unternehmensstruktur im 635. Erwägungsgrund entsprechend für den Zeitraum nach September 1994 präzisiert. Wie der 634. Erwägungsgrund klarstelle, sei die Kommission in ihrer angefochtenen Entscheidung von diesem modifizierten Sachverhalt ausgegangen.

119    Danach seien OCA und OCG im ersten und im zweiten Zuwiderhandlungszeitraum 100%ige direkte Tochtergesellschaften von MG gewesen. Nach einer internen Umstrukturierung des MG-Konzerns seien diese Gesellschaften von Beginn bis Ende des dritten Zuwiderhandlungszeitraums als ebenfalls 100%ige Tochtergesellschaften der DN als Tochtergesellschaften zugeordnet gewesen. Zusammen mit ihren Tochtergesellschaften habe DN dabei einen Teilkonzern der MG-Gruppe gebildet. An DN sei MG im Jahr 1994 zu 71,4 % beteiligt gewesen. Bereits 1995 sei dieser Anteil auf nahezu 100 % (99,5 %) erhöht worden, während der Anteil der Banken von je 14,3 % auf eine marginale Beteiligung von je 0,25 % reduziert worden sei.

120    Im Übrigen sei es bezeichnend, dass die Klägerin lediglich für den zweiten Zuwiderhandlungszeitraum von einer deutlich unter 100 % liegenden Anteilsmehrheit von MG an OCA und OCG spreche, denn die Klägerin trage selbst vor, die Beteiligung von MG an DN habe sich „seit 1995“ wieder auf 99,5 % erhöht, weshalb die reduzierte Anteilseignerschaft in Höhe von 71,4 % im für die Entscheidung relevanten Zeitraum daher allenfalls für einen ganz kurzen Zeitraum bestanden haben könne.

121    Nach diesen Ausführungen trägt die Kommission erstens vor, sie könne im vorliegenden Fall die kapitalbezogene Vermutung anwenden, da diese Vermutung nicht nur im Fall einer „nahezu 100%igen“ Beteiligung anwendbar sei, sondern auch bei mittelbarer Beteiligung im gestuften Konzern.

122    Zweitens verstoße die Anwendung der kapitalbezogenen Vermutung weder gegen die Unschuldsvermutung noch gegen das Verantwortungsprinzip.

123    Drittens macht die Kommission Anhaltspunkte geltend, die im vorliegenden Fall die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses von MG in der Gruppe der direkten Urheber der Zuwiderhandlung bestätigten. Selbst wenn es einen ganz kurzen Zeitraum gegeben haben sollte, in dem MG über DN lediglich 71,4 % der Anteile an OCA und OCG besessen habe, wäre ihre Einflussnahme durch die angeführten Umstände belegt, und die Klägerin habe den Gegenbeweis nicht führen können.

124    Es sei nicht erforderlich, dass die Muttergesellschaft Einfluss auf die Geschäftspolitik im engeren Sinne, d. h. auf das operationelle Geschäft, genommen habe, da eine Einflussnahme auf wesentliche Aspekte der Strategie des Tochterunternehmens ausreiche. Im vorliegenden Fall sei es daher nicht notwendig, dass MG direkt in die Preispolitik von OCA und OCG eingegriffen habe.

125    Mehrstufige Berichtspflichten seien typisch für die Organisation von hierarchisch geschichteten Großkonzernen und sprächen daher für die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit zwischen Tochter- und Muttergesellschaft. Zustimmungserfordernisse für Investitionen seien ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit, da die Beschränkung der Kommunikation der Muttergesellschaft mit der Tochtergesellschaft genauso wenig wie der Unterschied zwischen den Geschäftsfeldern oder der geringere Umsatz der Tochtergesellschaft oder die Konsolidierung der Umsätze auf der unteren Stufe ein Indiz für das Fehlen eines bestimmenden Einflusses darstellten.

126    Viertens zeige die Anwendung der Lösungen der Rechtsprechung im vorliegenden Fall, insbesondere im Licht der Angaben der Klägerin, dass OCA und OCG über eine Vielzahl von wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verflechtungen in die MG-Gruppe integriert gewesen seien, an deren Spitze MG als Konzernzentrale fungiert habe, und MG und OCA und OCG deshalb zusammen eine wirtschaftliche Einheit gebildet hätten.

127    Die MG-Gruppe sei mehrstufig aufgebaut gewesen, wobei MG als oberste Holding fungiert habe, DN und Chemetall als Zwischenholdings und OCG und OCA als operative Gesellschaften. MG habe die industrielle Führung über den Teilkonzern DN und die darin zusammengefassten Tochtergesellschaften zugestanden.

128    Die MG-Gruppe sei in verschiedenen Hierarchieebenen von MG zu OCA und OCG organisiert gewesen, wobei sich die hierarchische und einheitliche Ausrichtung des Unternehmens aus den Berichtspflichten innerhalb des Konzerns und der zentralen Steuerung der Geschäftspolitik durch MG ergebe.

129    Ab dem dritten Zuwiderhandlungszeitraum sei DN als Führungsgesellschaft für das Chemiegeschäft direkt von MG geführt worden. Sie habe Chemetall gesteuert und diese habe OCA und OCG operationell geführt.

130    Dieser Konzern sei in zentralen Fragen von der Muttergesellschaft gesteuert worden, wobei den Tochtergesellschaften strenge Vorgaben gemacht worden seien und sie einer besonders intensiven Kontrolle u. a. in Bezug auf Investitionen, die einem Zustimmungserfordernis unterlegen hätten, unterzogen worden seien.

131    Nicht entscheidend gegen das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit sprächen das von der Klägerin behauptete Fehlen direkter Berichtspflichten von DN-Angestellten an MG oder die angebliche Konzernrevision von DN bei ihren Tochtergesellschaften. Irrelevant, aber auch nicht zutreffend sei die Behauptung, der Bereich Stabilisatoren habe im Konzern nur eine untergeordnete Rolle gespielt, da dieser einen von nur zwei Profitcentern bei MG dargestellt habe.

132    Das aus den Befugnissen der Banken abgeleitete Argument sei auch nicht relevant, da diese Banken nur beabsichtigt hätten, ihre finanziellen Interessen zu wahren, ohne dass dies jedoch die Autonomie von DN gegenüber MG berührt habe.

 Würdigung durch das Gericht

 Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung

133    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden kann, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden (Urteil vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, Slg, EU:C:2009:536, Rn. 58).

134    Dies liegt daran, dass in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein Unternehmen bilden. Weil eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 133 angeführt, EU:C:2009:536, Rn. 59).

135    In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft das gesamte oder nahezu gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben und besteht zum anderen eine widerlegliche Vermutung (im Folgenden: kapitalbezogene Vermutung), dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 133 angeführt, EU:C:2009:536, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

136    Unter diesen Umständen genügt es für die Annahme, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik eines Tochterunternehmens ausübt, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte oder nahezu gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält. Die Kommission kann infolgedessen dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldner die Haftung für die Zahlung der gegen dessen Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen, sofern die Beweise, die das Mutterunternehmen – dem es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen – vorgelegt hat, nicht für den Nachweis ausreichen, dass sein Tochterunternehmen auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 133 angeführt, EU:C:2009:536, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Vorbemerkungen

137    Hier ist zunächst festzustellen, dass sich die Klägerin in Beantwortung der hierzu vom Gericht in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen nicht gegen die Zurechnung der im ersten Zuwiderhandlungszeitraum, d. h. vom 11. September 1991 bis September 1994, begangenen Zuwiderhandlung gewandt hat, so dass der Klagegrund der fehlerhaften Zurechnung der Zuwiderhandlung nur den Zeitraum ab September 1994, also ab dem zweiten Zuwiderhandlungszeitraum, betrifft.

138    Des Weiteren hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie in der angefochtenen Entscheidung die kapitalbezogene Vermutung auf den ersten Zuwiderhandlungszeitraum vom 11. September 1991 bis September 1994 und auf den dritten Zuwiderhandlungszeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 17. Mai 2000, nicht aber auf den zweiten Zuwiderhandlungszeitraum von September 1994 bis zum 1. Januar 1995 angewandt habe.

139    Nach Ansicht des Gerichts ist es sachgerecht, den Klagegrund zuerst hinsichtlich des dritten Zuwiderhandlungszeitraums zu prüfen.

 Zum dritten Zuwiderhandlungszeitraum

140    Hinsichtlich des dritten Zuwiderhandlungszeitraums können die Argumente, die die Klägerin geltend macht, um die Anwendung der kapitalbezogenen Vermutung im vorliegenden Fall auszuschließen, keinen Erfolg haben.

141    Unter den Umständen des vorliegenden Falles, d. h. einer indirekten Beteiligung von 99,5 % während des gesamten dritten Zuwiderhandlungszeitraums, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bereits anerkannt worden ist, dass die genannte Vermutung auch Anwendung findet, wenn die Muttergesellschaft nicht zu 100 % an ihrer Tochtergesellschaft beteiligt ist, sondern wie hier zu nahezu 100 % (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, Slg, EU:C:2011:620, Rn. 63).

142    Des Weiteren ist bereits anerkannt worden, dass diese Vermutung auch Anwendung findet, wenn die Muttergesellschaft nicht unmittelbar, sondern über andere Gesellschaften an ihrer Tochtergesellschaft beteiligt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2011, General Química u. a./Kommission, C‑90/09 P, Slg, EU:C:2011:21, Rn. 86). So besteht in dem besonderen Fall, dass eine Holdinggesellschaft das gesamte oder nahezu gesamte Kapital einer Zwischengesellschaft hält, die ihrerseits sämtliche oder nahezu sämtliche Anteile einer Tochtergesellschaft ihres Konzerns besitzt, die eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union begangen hat, ebenfalls eine kapitalbezogene Vermutung, dass diese Holdinggesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten der Zwischengesellschaft und mittelbar durch diese auch auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2013, Eni/Kommission, C‑508/11 P, Slg, EU:C:2013:289, Rn. 48 und 49).

143    Schließlich ist bereits entschieden worden, dass die kapitalbezogene Vermutung nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstößt (vgl. in diesem Sinne Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 141 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 59).

144    Ebenso hat der Gerichtshof entschieden, dass diese Vermutung nicht gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit verstößt (vgl. in diesem Sinne Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 133 angeführt, EU:C:2009:536, Rn. 56).

145    Die kapitalbezogene Vermutung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit von Strafen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Mai 2011, Elf Aquitaine/Kommission, T‑299/08, Slg, EU:T:2011:217, Rn. 187 bis 189).

146    Daher konnte sich die Kommission unter den Umständen des vorliegenden Falles in Bezug auf den dritten Zuwiderhandlungszeitraum für die Feststellung, dass MG in Anbetracht der Höhe ihrer mittelbaren Beteiligungen am Kapital des Urhebers der Zuwiderhandlung einen bestimmenden Einfluss auf diesen ausgeübt hat, auf die kapitalbezogene Vermutung stützen.

147    Hat die Kommission nachgewiesen, dass MG, wenn auch mittelbar, das gesamte oder nahezu gesamte Kapital von OCA und OCG hielt und bestand daher die Vermutung, dass MG tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf deren Geschäftspolitik ausübte, oblag es der Klägerin, die kapitalbezogene Vermutung durch die Vorlage von Beweisen zu widerlegen, die geeignet sind, zu belegen, dass ihre Tochtergesellschaften ihre Vorgehensweise auf dem Markt selbständig bestimmten.

148    Wurde die Vermutung nicht widerlegt, konnte die Kommission die Zuwiderhandlung daraufhin MG zurechnen und diese gesamtschuldnerisch zur Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaften festgesetzten Geldbußen heranziehen.

149    Daraus folgt, dass die Rüge der Klägerin, die Kommission habe gegen die für die Zurechnung von Zuwiderhandlungen innerhalb von Unternehmensgruppen geltenden Beweisregeln verstoßen, keinen Erfolg haben kann.

150    Da nämlich MG während des dritten Zuwiderhandlungszeitraums mittelbar das nahezu gesamte Kapital von OCA und OCG hielt, durfte die Kommission vermuten, dass diese nicht eigenständig waren, und davon ausgehen, dass es Sache der Klägerin war, Beweise beizubringen, die belegen, dass die Tochtergesellschaften von MG ihre Vorgehensweise auf dem Markt eigenständig bestimmten.

151    Daher sind hier die Beweise zu analysieren, die die Klägerin vorgebracht hat, um die kapitalbezogene Vermutung zu widerlegen.

152    Hierzu ist hervorzuheben, dass die in den Rn. 105 bis 116 des vorliegenden Urteils angeführten Argumente, die die Klägerin im Rahmen des Klagegrundes vorgebracht hat, mit dem sie einen Fehler bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung rügt, im Wesentlichen weniger darauf gerichtet sind, die kapitalbezogene Vermutung zu widerlegen, als darauf, die Umstände zurückzuweisen, auf die die Kommission diese Vermutung gestützt hat.

153    Somit können diese Argumente nicht durchgreifen, da sich die Kommission, wie ausgeführt, unter den Umständen des vorliegenden Falles auf die kapitalbezogene Vermutung stützen durfte, um nachzuweisen, dass im dritten Zuwiderhandlungszeitraum tatsächlich ein bestimmender Einfluss ausgeübt wurde.

154    Zu dem Vorbringen, das insbesondere darauf gerichtet ist, die genannte Vermutung zu widerlegen, ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin die Einflussmöglichkeiten der Banken überbewertet, da diese aus den unten in den Rn. 163 ff. angeführten Gründen in keiner Weise in die Kontrolle der Leitung von DN eingebunden waren. Selbst mit einigen Anpassungen hielten sie im dritten Zuwiderhandlungszeitraum nur jeweils 0,25 % der Anteile an DN.

155    Ferner kann der Umstand, dass DN durch ihre Beteiligung an OCA und OCG sowie eine Beteiligung von MG an DN zwischen MG und die Gesellschaften OCG und OCA geschaltet wurde, für sich genommen nicht als Beschränkung des Einflusses, den MG auf OCA und OCG ausgeübt hat, angesehen werden, will man nicht die nach der oben in Rn. 142 angeführten Rechtsprechung anerkannte Anwendbarkeit der kapitalbezogenen Vermutung auf den Fall einer mittelbaren Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft in Frage stellen.

156    Schließlich können auch die verschiedenen von der Klägerin vorgelegten und in den Rn. 27 bis 36 der Klageschrift zusammengefassten Zeugenaussagen diese Vermutung nicht widerlegen, wonach MG nach der Übernahme von OCA und OCG durch DN tatsächlich bestimmenden Einfluss auf diese Gesellschaften ausübte.

157    Nach Ansicht der Klägerin ergibt sich aus diesen Aussagen im Wesentlichen, dass MG lediglich eine Finanzholding gewesen sei, die nicht über das erforderliche Know-how verfügt habe, um eine Kontrolle über die geschäftlichen Aktivitäten von DN, Chemetall und erst recht OCA und OCG auszuüben.

158    Nach diesen Aussagen habe sich der Einfluss von MG auf DN trotz eines Beherrschungsvertrags auf wirtschaftliche Zielvorgaben beschränkt und nicht in einer Kontrolle des operativen Geschäfts des Konzerns bestanden.

159    Insbesondere hinsichtlich des Zeitraums nach Abschluss des Beherrschungsvertrags zeigten die verschiedenen Aussagen, dass sich der Vorstand von DN mit ausdrücklicher Unterstützung der Banken einer Kontrolle durch MG stets widersetzt habe, was sich daraus ergebe, dass als Vorstandsvorsitzende von DN Personen ernannt worden seien, die gegen die Einrichtung direkter Berichtslinien zwischen den beiden Gesellschaften gewesen seien.

160    Aus den fraglichen Aussagen ergebe sich zudem, dass DN auch keinen bestimmenden Einfluss auf das operative Geschäft von Chemetall ausgeübt habe, da Chemetall im Bereich der chemischen Industrie, in dem Spezialkenntnisse erforderlich seien, die DN fehlten, selbständig agiert und neben einem eigenen Kunden- und Vertriebsnetz über eigene Infrastrukturen verfügt habe.

161    Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin die von MG ausgeübte Kontrollbefugnis unterbewertet, auch wenn sich die Ausübung dieser Kontrolle auf eine Berichtspflicht der Geschäftsleitung hinsichtlich der wirtschaftlichen Erträge beschränkt haben mag.

162    MG und DN waren nämlich durch einen Beherrschungsvertrag verbunden, der am 23. August 1996 zwischen der MG-Management-Service GmbH (im Folgenden: MGMS), einer Gesellschaft, die zu 100 % MG gehörte, und DN geschlossen wurde, nach dessen § 1.I MG Weisungsrechte eingeräumt wurden, aber auch durch einen am 29. September 1995 geschlossenen und rückwirkend zum 1. Oktober 1994 in Kraft getretenen Gewinnabführungsvertrag, der ein unmittelbares Interesse an der Kontrolle der Geschäftsleitung von DN belegt.

163    Im Übrigen waren die Banken keineswegs an der geschäftlichen Leitung von DN beteiligt, vielmehr beschränkte sich ihr Einfluss nach den Ziff. I.6 und I.7 des am 30. September 1992 zwischen den Banken und MG, der MG Industriebeteiligungen AG (im Folgenden: MGI) und MGMS geschlossenen Konsortialvertrags auf Entscheidungen, die ihre finanziellen Interessen gefährden könnten. Aus Ziff. I.5 in Verbindung mit den Ziff. I.1 bis I.3 des Konsortialvertrags ergibt sich nämlich ausdrücklich, dass MGI soweit wie möglich die industrielle Leitung bei DN wahrnehmen und eine Genehmigung der Banken nur im Fall einer Umstrukturierung der „MG-Gruppe“, die ihre finanziellen Interessen berühren könnte, einholen sollte.

164    Schließlich kann der von DN auf Chemetall ausgeübte Einfluss in Anbetracht der finanziellen Verbindungen, die zwischen den beiden Gesellschaften u. a. aufgrund des zwischen ihnen geschlossenen, seit dem 24. September 1992 in Kraft befindlichen Gewinnabführungsvertrags bestehen, und der Kontrolle, die von DN – wie sich aus § 7.2 der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung von OCA und dem von Chemetall bei der Einstellung von Mitarbeitern verwendeten Formular, das von DN unterzeichnet werden muss, ergibt – sowohl bei der Einstellung von Mitarbeitern als auch bei bestimmten strategischen Entscheidungen ausgeübt wird, nicht in Abrede gestellt werden.

165    Folglich kann die Klägerin mit diesen verschiedenen Zeugenaussagen die kapitalbezogene Vermutung, die sich aus der Übernahme von OCA und OCG durch DN ergibt, nicht widerlegen.

166    Somit ist der erste Klagegrund, mit dem Fehler bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung geltend gemacht werden, zurückzuweisen, soweit er den dritten Zuwiderhandlungszeitraum betrifft.

 Zum zweiten Zuwiderhandlungszeitraum

167    Hinsichtlich des zweiten Zuwiderhandlungszeitraums, d. h. des Zeitraums von September 1994 bis zum 1. Januar 1995, auf den sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung verständigt haben, hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Beteiligung von MG an DN in diesem Zeitraum lediglich 71,4 % betrug.

168    Da somit die Voraussetzungen der kapitalbezogenen Vermutung mit einer mittelbaren Beteiligung von 71,4 % offenkundig nicht erfüllt waren, oblag es der Kommission, nachzuweisen, dass MG tatsächlich, wenn auch mittelbar, bestimmenden Einfluss auf DN oder auf OCG ausgeübt hat.

169    Besteht nämlich die kapitalbezogene Vermutung nicht, kann eine Muttergesellschaft für Zuwiderhandlungen einer ihrer Tochtergesellschaften haftbar gemacht werden, wenn diese Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 133 angeführt, EU:C:2009:536, Rn. 58).

170    Die Kommission hatte daher die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zwischen der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft zu berücksichtigen, die belegen können, dass diese Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit bildeten. Die Aufzählung der zu berücksichtigenden Kriterien ist nicht abschließend, und ihre Eigenheit und Bedeutung ist in jedem Einzelfall zu ermitteln. So beurteilt sich die Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft nicht unbedingt nur auf operativer Ebene, sondern auch auf finanzieller Ebene (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2013, Eni/Kommission, C‑508/11 P, Slg, EU:C:2013:289, Rn. 68), da letztlich entscheidend ist, ob die Muttergesellschaft aufgrund der Intensität ihres Einflusses das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft in einem Maß steuern kann, dass beide als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen sind (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, Slg, EU:C:2009:262, Nr. 93).

171    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in den Erwägungsgründen 629 und 630 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beherrschungsverträge zwischen MG und ihren Tochtergesellschaften sowie weitere Dokumente für den Zeitraum vor dem 17. Mai 2000 belegten, dass MG Mechanismen zur Verfügung gestanden hätten, mit denen sie in der Weise Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften habe nehmen können, dass diese ihr Marktverhalten nicht eigenständig hätten bestimmen können. Insbesondere habe MG, nachdem ihre Insolvenz im Jahr 1993 nur knapp abgewendet worden sei, ihre Kontrolle über ihre Tochtergesellschaften verstärkt. Die Kommission beruft sich hierzu auf die Antwort von Chemson vom 10. Juni 2008 auf eine Frage der Kommission.

172    Außerdem ist die Kommission in den Erwägungsgründen 647 bis 650 der angefochtenen Entscheidung auf den Einwand der Klägerin eingegangen, wonach MG ab September 1994 DN, Chemetall und Chemson tatsächlich nicht mehr kontrolliert habe. Sie erwidert, MG sei bis September 1994 eine 100%ige Muttergesellschaft von OCG gewesen, und sie habe daher davon ausgehen dürfen, dass MG bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausgeübt habe. Diese Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegen können. Für den Zeitraum nach September 1994 könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Konsortialvertrag vom 30. September 1992 und der Konsortialkreditvertrag von 1995 den Banken weitreichende Geschäftsführungsbefugnisse zugewiesen hätten; die Rolle der Banken habe sich vielmehr auf die eines Finanzinvestors beschränkt. Diese Verträge hätten lediglich auf die Sicherung der finanziellen Interessen der Banken abgezielt, die übereingekommen seien, dass MG die industrielle Tätigkeit von DN leiten sollte. Die fraglichen Verträge hätten somit den Einfluss von MG auf das operative Geschäft (operational business) von DN nicht geschmälert. Schließlich hätten MGI und DN am 29. September 1995 einen Vertrag über die Abführung der Gewinne von DN an MGI geschlossen. Dieser am 8. Dezember 1995 registrierte Vertrag sei rückwirkend am 1. Oktober 1994 in Kraft getreten. Die Klägerin wendet ein, dass diese von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgetragenen Gesichtspunkte nicht ausreichten, um nachzuweisen, dass MG im zweiten Zuwiderhandlungszeitraum bestimmenden Einfluss auf DN ausgeübt habe.

173    Hierzu weist das Gericht zunächst darauf hin, dass der Einwand der Klägerin nur die Beziehungen zwischen MG und DN betrifft. Die Klägerin stellt nicht den bestimmenden Einfluss von DN oder von Chemetall auf Chemson in Frage. In ihren Schriftsätzen gibt sie nämlich an, dass es zutreffe, dass Chemetall eingehende Weisungen an Chemson erteilt und insofern einen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe. Dies wird durch die Antwort von Chemson vom 10. Juni 2008 auf ein Auskunftsverlangen der Kommission bestätigt, in der Chemson ausgeführt hat, dass sie für den überwiegenden Teil der Entscheidungen faktisch unter der Geschäftsführung von Chemetall gestanden habe. Im Übrigen gibt die Klägerin in der Klageschrift an, dass DN Ende 1992 100 % der Anteile von Chemetall übernommen habe. Daher konnte davon ausgegangen werden, dass DN bestimmenden Einfluss auf Chemetall ausübte.

174    Was ferner die Beziehung zwischen MG und DN im zweiten Zuwiderhandlungszeitraum betrifft, räumt die Klägerin ein, dass MG DN Ziele für die Liquidität und den Ertrag der Gesellschaft vorgegeben und DN diese Ziele an Chemetall weitergegeben hat. Die Klägerin meint jedoch, dass DN von MG keine Weisungen hinsichtlich der Mittel zur Erreichung dieser Ziele erhalten habe und MG somit keinen bestimmenden Einfluss im Sinne der oben in den Rn. 169 und 170 wiedergegebenen Rechtsprechung auf DN ausgeübt habe.

175    Wie die Kommission in den Erwägungsgründen 647 bis 649 der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, schlossen MG, MG Management, MG Industrie, die Deutsche Bank und die Dresdner Bank am 30. September 1992 einen Konsortialvertrag. Aus der Präambel und aus Ziff. V dieses Vertrags ergibt sich, dass Gegenstand des Konsortialvertrags eine Beteiligung der Deutschen Bank und der Dresdner Bank an DN zu jeweils 14,3 % für eine Dauer von zunächst drei Jahren war..

176    Ungeachtet des Konsortialvertrags, der eine Verringerung der Beteiligung von MG Industrie an DN auf 71,4 % und eine Beteiligung der Deutschen Bank und der Dresdner Bank an DN zu jeweils 14,3 % vorsieht, hat die Kommission im 649. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zutreffend den Schluss gezogen, dass MG im zweiten Zuwiderhandlungszeitraum auch einen bestimmenden Einfluss auf DN ausübte. Wie die Kommission ausgeführt hat, sah nämlich Ziff. I.5 dieses Vertrags eine Zustimmung der genannten Banken dazu vor, dass MGI so weit wie möglich die industrielle Führung bei DN übernehmen sollte und die Vorschläge von MGI bei Personalentscheidungen ein besonderes Gewicht haben sollten. Außerdem ergibt sich aus Ziff. I.1 in Verbindung mit Ziff. I.3, dass diese industrielle Führung von DN u. a. die Genehmigung strategischer Entscheidungen durch MGI beinhaltete, wozu Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb des „MG-Konzerns“ gehörten, wie etwa die Übertragung von Beteiligungen und Geschäftsbereichen von DN auf MG. Nach Ziff. I.6 sollten die Banken derartigen Umstrukturierungsvorschlägen zustimmen, solange ihre finanziellen Interessen in fairer Weise gewahrt blieben. Zudem war nach Ziff. I.1 MGI als Mehrheitsaktionärin berechtigt, ihre Stimmrechte bei DN nach eigenen Entscheidungen auszuüben, soweit nichts anderes bestimmt war. Sollten durch diese Entscheidungen die Interessen der beteiligten Banken berührt werden, sollte MGI eine faire Interessenwahrung mit ihnen vereinbaren. Im Übrigen ergibt sich aus Ziff. I.2, dass MGI u. a. verpflichtet war, die Banken über alle für den „Unternehmensverbund DN“ wesentlichen Fragen und Probleme zeitnah zu informieren und ihnen halbjährlich über die laufende Geschäftsentwicklung von DN zu berichten. Lieferungen und Leistungen zwischen dem „Teilkonzern DN“ und dem „übrigen Konzern MG“ waren nach Ziff. I.3 zu Preisen und Bedingungen wie unter Dritten abzuwickeln. Schließlich konnten nach Ziff. I.4 die beteiligten Banken, wenn sie dies wünschten, jeweils ein Mitglied des Aufsichtsrats von DN benennen.

177    Somit ergibt eine Gesamtbetrachtung der oben genannten Bestimmungen des Konsortialvertrags, dass sich die Beteiligung der Banken an diesem Konsortium darauf beschränkte, ihre finanziellen Interessen zu wahren, bis diese Beteiligung nach grundsätzlich drei Jahren durch eine Börseneinführung der Aktien von DN, wie nach Ziff. II in Verbindung mit Ziff. V.3 dieses Vertrags vorgesehen, oder durch den Ankauf der von diesen Banken gehaltenen Aktien durch MG auf der Grundlage des nach Ziff. III.3 und 4 in Verbindung mit Ziff V.2 des Konsortialvertrags vorgesehenen unwiderruflichen Ankaufsrechts von MG beendet würde. Dieser Vertrag räumte den beteiligten Banken jedoch nicht die Möglichkeit ein, auf die industrielle Führung von DN, also auch auf ihre Struktur und ihre Geschäftstätigkeit, in erheblicher Weise Einfluss zu nehmen.

178    Im Übrigen hat Herr S. in dem als Dokument ID 1715 zur Akte genommenen Schreiben vom 5. Juni 2008, auf das die Kommission in der Fn. 731 zum 630. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Bezug nimmt, angegeben, dass sich die Situation für die Führungskräfte von OCA nach dem knapp abgewendeten Konkurs von MG im Jahr 1993 geändert habe. Der neue Vorstandsvorsitzende sei zur Sanierung des Konzerns gezwungen gewesen und habe sowohl die Liquidität als auch die Ertragskraft verbessern müssen. Seit dieser Zeit habe MG ein Durchgriffsrecht in allen liquiditäts- und ertragsrelevanten Bereichen gehabt. Den diesbezüglich klaren Anweisungen des Eigentümers habe die operative Führung der Chemson-Gruppe zu folgen gehabt. Diese Darstellung deckt sich mit der Antwort von Chemson vom 10. Juni 2008 auf ein Auskunftsverlangen der Kommission, in der es heißt, dass die Eigentümer der Chemson-Gruppe nach 1992 verstärkte Befugnisse ausübten, um die Rentabilität ihrer Tochtergesellschaften zu steigern. Diese Schriftstücke bestätigen, dass MG im zweiten Zuwiderhandlungszeitraum auf finanzieller Ebene einen bestimmenden Einfluss auf DN ausübte. Aus den in den Rn. 175 ff. des vorliegenden Urteils ausgeführten Gründen konnte das Einschreiten der Banken die tatsächliche Ausübung dieses Einflusses nicht beeinträchtigen.

179    Darüber hinaus ist unstreitig, dass MG am 30. September 1994, d. h. innerhalb der drei Jahre, für die der Konsortialvertrag vom 30. September 1992 ursprünglich gelten sollte, ihre Beteiligung an OCG auf DN übertragen, dabei jedoch eine Beteiligung an DN behalten hat. Der Umstand, dass MG eine solche Umstrukturierung gemäß Ziff. I.3 des Konsortialvertrags einseitig vorgenommen hat, bestätigt, dass sie nach diesem Vertrag über MGI einen bestimmenden Einfluss auf DN ausüben konnte. Die Klägerin bestreitet diese Umstrukturierung nicht, sondern trägt lediglich vor, dass alle Tätigkeiten von MG im Bereich Chemie im Hinblick auf die Börseneinführung oder den Verkauf des neuen Chemiekonzerns auf DN übertragen worden seien.

180    In diesem Zusammenhang hat die Kommission in Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerin im Verfahren zutreffend darauf hingewiesen, dass sich sowohl aus der Antwort von Herrn S. als auch aus den Tagesordnungen des Aufsichtsrats von DN vom 30. September 1994 und vom 30. September 1995 ergebe, dass Herr N. Vorstandsvorsitzender von MG seit 1993 und Vorsitzender des Aufsichtsrats von DN gewesen sei. Diese personelle Verbindung zwischen den Entscheidungsorganen der in Rede stehenden Gesellschaften stellt ein Indiz dafür dar, dass MG im zweiten Zuwiderhandlungszeitraum tatsächlich Einfluss auf DN hatte.

181    Zudem hat Herr R. in dem von ihm verfassten und von der Klägerin im Verfahren angeführten Dokument MG als „strategische Managementholding“ bezeichnet. Entsprechend dieser Bezeichnung hat er ausgeführt, dass „die [DN]-Gruppe der [MG] die von [dieser] geforderten Kennzahlen im Rahmen des Reporting zur Verfügung [stellte]“, dass „es auch regelmäßige Review Meetings [gab], die bei der [MG] stattfanden und bei denen die verschiedenen Divisionen der [MG], unter anderem auch die [DN], über ihren Geschäftsverlauf sowie geplante größere Maßnahmen, die bestimmte Schwellenwerte überschritten, berichteten“, und dass „[w]ährend über die grobe strategische Ausrichtung sowie über Investitionen großen Ausmaßes diskutiert und entschieden wurde, … detaillierte operative Einflussnahmen praktisch nicht vor[kamen]“. Diese Aussage bestätigt somit, dass MG der DN nicht nur Liquiditäts- und Rentabilitätsziele vorgab, sondern auch in die strategische Organisation involviert war. Auf dieser Grundlage kann sich daher die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass MG keinen direkten Einfluss auf DN gehabt habe.

182    Das Fehlen von bestimmendem Einfluss wird auch nicht dadurch belegt, dass es – so die Klägerin – MG nicht gelungen sei, ihre eigenen Mitarbeiter gegen den Willen der Banken bei DN zu platzieren. Zum einen traf nämlich, wie die Kommission in ihren Schriftsätzen ausgehend von einer Erklärung von Herrn J. ausführt, MG die Personalentscheidungen, wenn die Erträge des Konzerns zu wünschen übrig ließen. Zum anderen hat die Klägerin keine konkreten und genau bezeichneten Umstände vorgetragen, die nahelegen, dass sich die Banken im zweiten Zuwiderhandlungszeitraum der Ernennung einer von MG vorgeschlagenen Person widersetzt hätten.

183    Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass MGI in Anbetracht der organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zwischen MGI und DN im zweiten Zuwiderhandlungszeitraum einen bestimmenden Einfluss ausgeübt hat, um das Verhalten von DN in einem Maß zu steuern, dass die beiden als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen sind.

184    Somit ist der erste Klagegrund, mit dem Fehler bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung gerügt werden, auch zu verwerfen, soweit er den zweiten Zuwiderhandlungszeitraum betrifft, so dass dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist.

2.     Zum zweiten Klagegrund: Verstöße gegen die Verjährungsvorschriften

 Vorbringen der Parteien

185    Im Rahmen des zweiten Klagegrundes, mit dem Verstöße gegen die Verjährungsvorschriften gerügt werden, macht die Klägerin in einem ersten Teil geltend, dass die Kommission die Zuwiderhandlung nach „1996-1997“ nicht nachgewiesen habe, so dass hinsichtlich der danach begangenen Zuwiderhandlung gemäß Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 Verjährung eingetreten sei.

186    In einem zweiten Teil trägt die Klägerin vor, dass die Kommission jedenfalls nicht nachgewiesen habe, dass in den Jahren 1999 und 2000 eine Zuwiderhandlung vorgelegen habe, so dass die Befugnisse der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen am Tag des Erlasses der angefochtenen Entscheidung gemäß Art. 25 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 verjährt gewesen seien.

187    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und trägt vor, dass sie die Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung für den gesamten Zuwiderhandlungszeitraum rechtlich hinreichend nachgewiesen habe.

 Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung

188    In diesem Zusammenhang ist in Bezug auf die Beweisführung hinsichtlich einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darauf hinzuweisen, dass es der Kommission obliegt, die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen nachzuweisen und Beweise beizubringen, die geeignet sind, das Vorliegen der Tatsachen, die eine Zuwiderhandlung darstellen, rechtlich hinreichend zu belegen (vgl. Urteil vom 14. Mai 2014, Reagens/Kommission, T‑30/10, EU:T:2014:253, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

189    Demnach ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die Zuwiderhandlung stattgefunden hat (vgl. Urteil Reagens/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:T:2014:253, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung).

190    Stellt die Kommission, gestützt auf die Annahme, dass der festgestellte Sachverhalt nur durch ein wettbewerbswidriges Verhalten erklärt werden könne, eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln fest, erklärt der Unionsrichter die fragliche Entscheidung für nichtig, wenn das Vorbringen der betroffenen Unternehmen den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lässt und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglicht als die der Kommission, dass eine Zuwiderhandlung vorliege. In einem solchen Fall ist nämlich nicht davon auszugehen, dass die Kommission den Beweis für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht erbracht hat (vgl. Urteil Reagens/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:T:2014:253, Rn. 119 und die dort angeführte Rechtsprechung).

191    Jedoch muss nach der Rechtsprechung nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien unbedingt hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei seiner Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil Reagens/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:T:2014:253, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

192    Da das Verbot, an wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und Vereinbarungen teilzunehmen, sowie die Sanktionen, die Zuwiderhandelnden auferlegt werden können, bekannt sind, ist es zudem üblich, dass die Tätigkeiten, mit denen diese Verhaltensweisen und Vereinbarungen verbunden sind, im Geheimen ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden, meist in einem Drittland, und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden (vgl. Urteil Reagens/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:T:2014:253, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung).

193    Selbst wenn die Kommission Schriftstücke findet, die – wie z. B. die Protokolle einer Zusammenkunft – eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren (vgl. Urteil Reagens/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:T:2014:253, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).

194    In den meisten Fällen muss daher das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (vgl. Urteil Reagens/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:T:2014:253, Rn. 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).

195    Soweit es an Beweismaterialien fehlt, mit denen die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung direkt belegt werden kann, muss die Kommission nach der Rechtsprechung ferner zumindest Beweismaterialien beibringen, die sich auf Fakten beziehen, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung erfolgt ist (vgl. Urteil Reagens/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:T:2014:253, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

196    Des Weiteren hat der Gerichtshof entschieden, dass das Gericht, wenn die Kommission die Teilnahme eines Unternehmens an offensichtlich wettbewerbswidrigen Treffen von Unternehmen nachweisen konnte, zu der Annahme berechtigt war, dass es diesem Unternehmen oblag, eine andere Erklärung für den Inhalt dieser Treffen zu geben. Das Gericht hatte dadurch weder unzulässigerweise die Beweislast umgekehrt noch gegen die Unschuldsvermutung verstoßen (vgl. Urteil Reagens/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:T:2014:253, Rn. 125 und die dort angeführte Rechtsprechung).

197    Stützt sich die Kommission auf Beweismittel, die grundsätzlich genügen, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung darzutun, kann zudem der bloße Hinweis des betroffenen Unternehmens auf die Möglichkeit des Eintritts eines Umstands, der den Beweiswert dieser Beweismittel erschüttern könnte, nicht dazu führen, dass die Kommission die Last des Gegenbeweises trägt, dass dieser Umstand den Beweiswert dieser Beweismittel nicht erschüttern konnte. Vielmehr muss das betroffene Unternehmen, außer wenn ihm dies wegen des eigenen Verhaltens der Kommission nicht möglich ist, rechtlich hinreichend nachweisen, dass zum einen der von ihm angeführte Umstand vorliegt und zum anderen dieser Umstand den Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage stellt (vgl. Urteil Reagens/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:T:2014:253, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung).

198    Außerdem wird nach ständiger Rechtsprechung die Teilnahme eines Unternehmens an einem Kartell hinreichend belegt, wenn nachgewiesen wird, dass das Unternehmen an Zusammenkünften, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, teilgenommen hat, ohne sich offen dagegen auszusprechen. Ist die Teilnahme an solchen Sitzungen erwiesen, obliegt es dem fraglichen Unternehmen, Indizien dafür vorzutragen, dass die Teilnahme an den Sitzungen ohne jegliche wettbewerbswidrige Einstellung erfolgt ist, indem es nachweist, dass es seine Wettbewerber darauf hingewiesen hat, dass es an den Sitzungen mit einer anderen Zielsetzung als diese teilnimmt (vgl. Urteil Reagens/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:T:2014:253, Rn. 127 und die dort angeführte Rechtsprechung).

199    Der zweite Klagegrund, mit dem die Klägerin Verstöße gegen die Verjährungsvorschriften geltend macht, ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

 Zur Dauer der Zuwiderhandlung

200    In erster Linie macht die Klägerin im Rahmen des zweiten Klagegrundes im Wesentlichen geltend, dass die rechtswidrigen Handlungen „1996/1997“ geendet hätten und die Kommission daher nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 nicht mehr gegen sie habe vorgehen können, da die erste auf die Klägerin abzielende Maßnahme der Kommission erst mit der Entscheidung vom 30. Januar 2003 getroffen worden sei – was die Kommission nicht bestreitet –, also fünf Jahre nach Beendigung der Zuwiderhandlung.

201    Hilfsweise macht die Klägerin zudem im Wesentlichen geltend, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht rechtlich hinreichend belegt habe, dass in den Jahren 1999 und 2000 eine Zuwiderhandlung stattgefunden habe, so dass die Befugnisse der Kommission, Geldbußen gegen die Klägerin festzusetzen, nach Art. 25 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 verjährt seien, da die angefochtene Entscheidung erst am 11. November 2009 erlassen worden sei, also mehr als zehn Jahre nach Beendigung der Zuwiderhandlung.

202    In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Klägerin sich zwar im Rahmen des ersten Klagegrundes gegen die Zurechnung der Zuwiderhandlung ab September 1994 – und zwar ausschließlich ab diesem Zeitpunkt – wendet, wie sie in der mündlichen Verhandlung auf eine entsprechende Frage des Gerichts bestätigt hat, die Begehung der Zuwiderhandlung durch OCG in den Jahren 1991 bis 1995 hingegen nicht bestreitet, nicht zuletzt deshalb, weil sie vorträgt, die Zuwiderhandlung habe „1996/1997“ geendet.

203    Bei der Würdigung des zweiten Klagegrundes ist daher nicht zu prüfen, ob die Kommission die der Klägerin zugerechnete, in den Jahren 1991 bis 1995 begangene Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat.

204    Zu beachten ist hingegen, dass die Klägerin in erster Linie geltend macht, die Kommission habe das Vorliegen einer Zuwiderhandlung nach „1996/1997“ nicht nachgewiesen, und, hilfsweise, vorsorglich die Beweiskraft der Beweise in Abrede stellt, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführt hat, um nachzuweisen, dass die Zuwiderhandlung über den 11. November 1999 hinaus angedauert hat.

205    Zudem räumt die Klägerin ein, dass die fraglichen Zuwiderhandlungen im ersten und im zweiten Zuwiderhandlungszeitraum, also in den Jahren 1991 bis 1995, hauptsächlich im Rahmen der von der AC-Treuhand in der Schweiz organisierten Treffen (im Folgenden: AC-Treuhand-Treffen) stattfanden.

206    Die Klägerin bestreitet nicht, dass OCG in diesem Zeitraum, vertreten durch Frau R. und Herrn H., an den AC-Treuhand-Treffen teilgenommen hat.

207    Sie bestreitet nicht, dass alle AC-Treuhand-Treffen in den Jahren 1991 bis 1995 von Herrn S., einem Mitarbeiter von AC-Treuhand, in voller Kenntnis des wettbewerbswidrigen Gegenstands dieser Treffen geleitet wurden.

208    Die Klägerin bestreitet nicht, dass in den Jahren 1996 bis 2000 AC-Treuhand-Treffen stattgefunden haben.

209    Sie bestreitet nicht, dass Frau R. und Herr H. in den Jahren 1996 bis 2000 an AC-Treuhand-Treffen teilgenommen haben.

210    Sie bestreitet auch nicht, dass sämtliche AC-Treuhand-Treffen, die in den Jahren 1996 bis 2000 stattfanden, ebenfalls von Herrn S. geleitet wurden und dass daran nahezu alle Unternehmen teilnahmen, die in den Jahren 1991 bis 1995 an den AC-Treuhand-Treffen teilgenommen hatten.

211    Schließlich trägt die Klägerin nicht vor, sich zu irgendeinem Zeitpunkt während der Zuwiderhandlung offen vom Gegenstand der AC-Treuhand-Treffen distanziert zu haben.

212    Folglich genügt es für die Würdigung des zweiten Klagegrundes, soweit er sich auf die Zuwiderhandlung in den Jahren 1996 bis 2000 bezieht, zu überprüfen, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die AC-Treuhand-Treffen, an denen die Vertreter von Chemson, Frau R. und Herr H., in den Jahren 1996 bis 2000 teilnahmen, ebenso wie die AC-Treuhand-Treffen, die in den Jahren 1991 bis 1995 stattgefunden hatten, einen wettbewerbswidrigen Gegenstand hatten.

 Inhalt der angefochtenen Entscheidung

213    Zum Nachweis der Zuwiderhandlung hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung verschiedene Beweise angeführt, nämlich in den Erwägungsgründen 252 bis 256 für das Jahr 1996, in den Erwägungsgründen 267 bis 269 für das Jahr 1997, in den Erwägungsgründen 278 bis 297 für das Jahr 1998, in den Erwägungsgründen 305 bis 315 für das Jahr 1999 und in den Erwägungsgründen 316 bis 318 und 320 bis 323 für das Jahr 2000.

214    Erstens hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf das Jahr 1996 dargetan, dass vier AC-Treuhand-Treffen stattfanden, und zwar am 13. und 14. Februar, am 16. Juli und am 6. November (vgl. Erwägungsgründe 252, 254 und 255 der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet, ebenso wenig wie die Teilnahme von Akcros, der CECA SA (im Folgenden: CECA), von Chemson, von Ciba und der Faci SpA (im Folgenden: Faci) an diesen Treffen.

215    Zweitens hat die Kommission im 254. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Beweise angeführt, die Ciba zu einem AC-Treuhand-Treffen vom 14. Februar 1996 geliefert hat, an dem Akcros, OCG und Ciba teilnahmen – was die Klägerin nicht bestreitet – und bei dem Quoten für Faci als neue Teilnehmerin besprochen wurden.

216    Drittens hat die Kommission im 255. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Beweise angeführt, die Ciba zu einem AC-Treuhand-Treffen vom 16. Juli 1996 geliefert hat, an dem Akcros, CECA, Chemson und Ciba teilnahmen und bei dem die Teilnehmer ihren Willen zur „Kooperation“ bekräftigt – was die Klägerin nicht bestreitet –, jedoch die Abschaffung der „Audits“ beschlossen haben.

217    Viertens hat die Kommission handschriftliche Notizen von Ciba vom 6. November 1996 angeführt, die sie im Rahmen der Zusammenarbeit dieses Unternehmens während des Verwaltungsverfahrens erlangt hat (vgl. 256. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Dem widerspricht die Klägerin nicht.

218    Aus diesen Notizen, die bei einem AC-Treuhand-Treffen am 6. November 1996 angefertigt wurden, an dem Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci teilnahmen, was die Klägerin nicht bestreitet, geht hervor, dass die teilnehmenden Unternehmen Zielpreise für Frankreich vereinbarten.

219    Fünftens hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf das Jahr 1997 dargetan, dass drei AC-Treuhand-Treffen stattfanden, nämlich am 13. März, am 10. Juli und am 10. September (267. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet, ebenso wenig wie die Teilnahme von Akcros, CECA, Chemson, Ciba, Chemtura und Faci an diesen Treffen.

220    Sechstens hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf das Jahr 1998 dargetan, dass acht AC-Treuhand-Treffen stattfanden, nämlich am 11. und 12. März, am 20. und 25. Mai, am 20. Juli, am 14. August sowie am 19. und 20. Oktober (278. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet, ebenso wenig wie die Teilnahme von Akcros, CECA, Chemson, Ciba/Chemtura und Faci an diesen Treffen.

221    Siebtens hat die Kommission zu dem AC-Treuhand-Treffen, das am 12. März 1998 in der Schweiz stattfand und an dem Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci teilnahmen, was die Klägerin nicht bestreitet, Aufzeichnungen des Vertreters von CECA (im Folgenden: Aufzeichnungen von CECA vom März 1998), die ebenfalls an dem Treffen teilnahm, vorgelegt (vgl. 279. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

222    Aus den Aufzeichnungen von CECA vom März 1998 geht hervor, dass die teilnehmenden Unternehmen nicht nur sensible geschäftliche Informationen über ihre jeweiligen Marktanteile in Westeuropa in den Jahren 1996 und 1997 austauschten, sondern auch über Preiserhöhungen für das zweite Quartal 1998 in bestimmten europäischen Ländern sprachen und einen Mindest- und einen Zielpreis vereinbarten, der bis Ende des Jahres erreicht werden sollte, wobei die Aufzeichnungen von CECA vom März 1998 durch Aufzeichnungen von Ciba vom 12. März 1998 untermauert werden, die im Rahmen der Zusammenarbeit dieses Unternehmens im Verwaltungsverfahren erlangt wurden (vgl. 280. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

223    Achtens hat die Kommission zu dem AC-Treuhand-Treffen, das am 20. Mai 1998 in Zürich (Schweiz) stattfand und an dem Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci teilnahmen, was die Klägerin nicht bestreitet, Aufzeichnungen von CECA angeführt (vgl. 281. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

224    Einer mit „Quoten“ überschriebenen Spalte in diesen Aufzeichnungen lassen sich für Januar, Februar, März und April 1998 bezüglich West- und Osteuropa die Marktanteile verschiedener Unternehmen, darunter Akcros, CECA, Chemson, Ciba/Chemtura und Faci, entnehmen, was die Klägerin nicht bestreitet.

225    Neuntens hat die Kommission zu dem AC-Treuhand-Treffen, das am 25. Mai 1998 in Zürich stattfand und an dem Akcros, CECA, Chemson, Ciba/Chemtura und Faci teilnahmen, was die Klägerin nicht bestreitet, im 282. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung handschriftliche Aufzeichnungen, die von einem Mitarbeiter von Arkema bei diesem Treffen verfasst worden waren (im Folgenden: Aufzeichnungen von Arkema vom Mai 1998), und handschriftliche Aufzeichnungen, die von einem Mitarbeiter von Ciba bei diesem Treffen verfasst worden waren, angeführt.

226    Aus den Aufzeichnungen von Arkema vom Mai 1998 geht hervor, dass die teilnehmenden Unternehmen sensible geschäftliche Informationen nicht nur über die verschiedenen Preisniveaus in bestimmten europäischen Ländern, sondern auch über „Quoten“ und Liefermengen der teilnehmenden Unternehmen, nämlich Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci austauschten.

227    Der Inhalt der Aufzeichnungen von Arkema vom Mai 1998 wird durch die oben genannten Aufzeichnungen eines Mitarbeiters von Ciba vom Mai 1998 bestätigt, aus denen darüber hinaus hervorgeht, dass die teilnehmenden Unternehmen, Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci, auch neue Eckpreise vereinbarten, die ab Juni und Juli 1998 gelten sollten.

228    Zehntens hat die Kommission zu dem AC-Treuhand-Treffen, das am 20. Juli 1998 in Lugano (Schweiz) stattfand und an dem Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci teilnahmen, was die Klägerin nicht bestreitet, im 284. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung handschriftliche Notizen, die ein Mitarbeiter von CECA bei diesem Treffen verfasst hatte, und handschriftliche Notizen, die ein Mitarbeiter von Ciba bei diesem Treffen verfasst hatte, angeführt.

229    Aus den von einem Mitarbeiter von CECA verfassten Notizen geht hervor, dass die teilnehmenden Unternehmen Liefermengen und Preise besprachen und neue Quoten sowie Eck- und Mindestpreise vereinbarten. Dazu heißt es darin: „Richtschnur: 1,95 jetzt (keine Reduzierung)“.

230    Die von einem Mitarbeiter von Ciba verfassten Notizen enthalten einen Vermerk gleichen Inhalts, nämlich „Keine Preissenkung! Ziel: 1,95 DM“.

231    Elftens hat die Kommission zu dem AC-Treuhand-Treffen vom 14. August 1998, an dem Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci teilnahmen, was die Klägerin nicht bestreitet, im 285. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung handschriftliche Notizen, die bei diesem Treffen verfasst worden waren, angeführt, aus denen hervorgeht, dass Informationen über die Preise für bestimmte Abnehmer und die Eckpreise für bestimmte Länder des EWR ausgetauscht wurden.

232    Zwölftens hat die Kommission zu dem AC-Treuhand-Treffen vom 20. Oktober 1998, an dem Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci teilnahmen, was die Klägerin nicht bestreitet, im 287. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung handschriftliche Notizen angeführt, die ein Mitarbeiter von Ciba bei diesem Treffen verfasst hatte.

233    Diese Notizen enthalten eine Tabelle mit der Aufteilung der Kunden zwischen den teilnehmenden Unternehmen, Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci, und den auf den jeweiligen Kunden angewandten Preise, was die Klägerin nicht bestreitet.

234    Dreizehntens hat die Kommission im 290. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung handschriftliche Aufzeichnungen einer Mitarbeiterin von Arkema vom 24. November 1998 angeführt, aus denen für Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci Abweichungen der Liefermengen im Oktober 1998 hervorgehen.

235    Vierzehntens hat die Kommission im 291. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Aufzeichnungen eines Mitarbeiters von CECA angeführt, die ebenfalls vom 24. November 1998 stammen und aus denen die Marktanteile von Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci hervorgehen, was die Klägerin nicht bestreitet.

236    Fünfzehntens hat die Kommission im 293. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Notizen eines anderen Mitarbeiters von CECA vom 25. November 1998 angeführt, aus denen die monatlichen Lieferungen von Akcros, CECA, Chemson, Ciba und Faci sowie die Abweichungen von den „Quoten“, die zwischen diesen Unternehmen vereinbart worden waren, hervorgehen.

237    Sechzehntens hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf das Jahr 1999 dargetan, dass acht AC-Treuhand-Treffen stattfanden, nämlich am 25. und 26. Januar, am 26. und 27. Mai, am 28. und 29. September sowie am 14. und 15. Dezember (305. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet, ebenso wenig wie die Teilnahme von Akcros, CECA, Chemson, Chemtura und Faci an diesen Treffen.

238    Siebzehntens hat die Kommission im 306. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Notizen von Ciba angeführt, die bei dem AC-Treuhand-Treffen vom 26. Januar 1999 verfasst worden waren, aus denen hervorgeht, dass die beteiligten Unternehmen, nämlich Akcros, CECA, Chemson, Chemtura und Faci, sensible geschäftliche Informationen über Liefermengen und Kunden austauschten.

239    Achtzehntens hat die Kommission im 307. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Aufzeichnungen von Ciba angeführt, die bei dem AC-Treuhand-Treffen vom 27. Mai 1999 verfasst worden waren, aus denen hervorgeht, dass die Teilnehmer, nämlich Akcros, CECA, Chemson, Chemtura und Faci, sensible geschäftliche Informationen über die Preise für Abnehmer aus bestimmten Ländern des EWR austauschten.

240    Neunzehntens hat die Kommission darauf hingewiesen, dass im Monatsbericht von Chemtura für August 1999, datiert vom 16. September 1999, festgestellt wird, dass „es uns gelungen ist, eine Preiserhöhung von etwa 10 % für [den Bereich ESBO/Ester] ab Oktober durchzusetzen“ (vgl. 308. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

241    Zwanzigstens hat die Kommission handschriftliche Notizen von Arkema vorgelegt, die über ein Treffen vom 29. September 1999 Aufschluss geben, an dem Akcros, CECA, Chemson, Chemtura und Faci teilnahmen (vgl. 309. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet.

242    Die Anmerkung „oct. min. 1,9 nov. 2,0 DM“ in diesen Notizen lässt auf eine Vereinbarung über die Preise schließen.

243    Einundzwanzigstens hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf das Jahr 2000 dargetan, dass u. a. zwei AC-Treuhand-Treffen stattfanden, nämlich am 21. und 22. März (vgl. 316. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet, ebenso wenig wie die Teilnahme von Akcros, CECA, Chemson, Faci und Chemtura an diesen Treffen.

244    Zweiundzwanzigstens hat die Kommission im 317. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung einen von einem Mitarbeiter von Akcros für einen Vorgesetzten verfassten Vermerk vom 16. Februar 2000 (im Folgenden: Akcros-Vermerk) angeführt, dessen – von der Klägerin nicht bestrittener – Wortlaut nachfolgend vollständig wiedergegeben wird:

„Ich habe mit Marketingleitern gesprochen, die über langjährige Erfahrungen mit den Stabilisatormärkten in der EU verfügen … Heute sind wir ebenso wie die meisten unserer Wettbewerber in der EU an Unternehmensverbänden beteiligt (einem für ESBO und einem für Zinnverbindungen), deren wesentliche Aufgabe darin besteht, Marktinformationen in Form von Angaben zu monatlich … verkauften Tonnagen zusammenzustellen. Diese Informationen senden die einzelnen Mitgliedgesellschaften an die AC-Treuhand (Schweiz), und die Auswertungen werden den beteiligten Gesellschaften als Gesamtergebnis mitgeteilt … Informationen über Wettbewerber werden nicht dargestellt. Daran ist meiner Ansicht nach nichts auszusetzen, und ich halte das für hilfreich. Zwei- bis viermal jährlich kommen die Mitgliedgesellschaften jedoch in der Schweiz zusammen, um Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse zu besprechen (z. B. zu erwartende Marktentwicklungen, Tendenzen, Verhaltensweisen von Nichtmitgliedern usw.). Die eigentliche Zusammenkunft unter Vorsitz der AC-Treuhand scheint mir in Ordnung zu sein; allerdings wurde mir erklärt, dass sich die versammelten Wettbewerber über Preisniveaus und Kunden austauschen. Daher würde ich empfehlen, der AC-Treuhand mitzuteilen, dass wir an den Zusammenkünften nicht mehr teilnehmen, aber unsere Lieferdaten übermitteln werden, um die entsprechend angebotene Leistung in Anspruch nehmen zu können. Vor zwei Jahren sah die Situation in diesen Gruppen völlig anders aus. Damals wurden die so genannten ‚roten Blätter‘ mit Protokollen der Zusammenkünfte unter Mitteilung von Entscheidungen der Gruppe über Preiserhöhungen und über die Aufteilung von Märkten erstellt. In diesem Zusammenhang wurde auch die Situation bei bestimmten Kunden erörtert. Diese Protokolle wurden nicht verteilt, sondern in den Akten der AC-Treuhand verwahrt; in der Schweiz als Nicht-EU-Land waren die Protokolle ‚sicher‘. Seit 1996 oder 1997 haben die Zusammenkünfte in dieser Form nicht mehr stattgefunden – vermutlich wegen des zunehmenden Drucks durch Gesetze und entsprechende Durchsetzungsmaßnahmen zur Unterbindung derartiger Verhaltensweisen. Verschiedene Mitglieder der Zinn-Gruppe haben unseren Vertreter gedrängt, diese Situation wiederherzustellen, in der bei den AC-Treuhand-Zusammenkünften regelmäßig Preise und Märkte zugewiesen wurden. Baerlocher übt den stärksten Druck auf uns und auf andere Mitglieder aus, die eine derartige Regelung nicht unterstützen. Sie sprechen insbesondere über das ‚Einfrieren‘ von Marktanteilen sowie darüber, dass ein Mitglied, das seinen Anteil unter Übernahme eines Kunden erhöht hat, einen anderen Kunden abgeben müsse, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Dies würde über monatliche Quotenprüfungen kontrolliert. Wir werden der Teilnahme an derartigen unsauberen Praktiken nicht zustimmen, und dies ist ein weiterer Grund dafür, dass wir uns aus diesen Zusammenkünften heraushalten sollten. … Insgesamt haben offenbar unzulässige Zusammenkünfte stattgefunden und wurden offenbar unzulässige Gespräche geführt, an denen Akcros teilgenommen hat. Wahrscheinlich werden wir auch weiterhin gelegentlich Gespräche führen, die als unangemessen betrachtet werden könnten; wir werden uns aber nicht mehr an den förmlichen Zusammenkünften beteiligen, die eindeutig unzulässig sind. Ich würde folgendes Vorgehen empfehlen: (1) AC-Treuhand wird mitgeteilt, dass wir nicht mehr an den Zusammenkünften der Gruppen Zinn und [ESBO/Ester] in der Schweiz teilnehmen, aber weiterhin unsere Lieferdaten übermitteln werden. (2) Wir veranlassen, dass … eine Sensibilisierungsschulung durchführt, an der (u. a.) unsere Marketingleiter teilnehmen müssen, damit sie eindeutig wissen, welches Verhalten im Hinblick auf Kontakte mit Wettbewerbern in Ordnung ist und welche Verhaltensweisen zu unterlassen sind. Bitte lassen Sie mich wissen, ob Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden sind.“

245    Dreiundzwanzigstens hat die Kommission zur Bestätigung ihrer Auslegung des Akcros-Vermerks im 318. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, Akzo Nobel habe eingeräumt, dass aus handschriftlichen Aufzeichnungen, die der Verfasser des Akcros-Vermerks vor diesem Vermerk erstellt habe (im Folgenden: handschriftliche Aufzeichnungen von Akcros), hervorgehe – was die Klägerin nicht bestreitet –, dass zum einen über das „Preisniveau“, über den „Bedarf höher zu gehen“ oder sich „[u]nterstützend [zu] verhalten“ und über „Kunden“ diskutiert worden sei, was „nicht aufgeschrieben“ worden sei, und zum anderen die Gespräche in der Schweiz stattfänden, weil diese „kein Mitglied der EU“ sei und dort „keine Durchsuchungen möglich“ seien.

246    Vierundzwanzigstens hat die Kommission geltend gemacht, dass der Vertreter von Akcros anknüpfend an den Akcros-Vermerk im Rahmen eines AC-Treuhand-Treffens vom 22. März 2000 in Zürich mitgeteilt hat, dass Akcros nicht mehr an den AC-Treuhand-Treffen teilnehmen werde (vgl. 320. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet.

247    Fünfundzwanzigstens hat die Kommission darauf hingewiesen, dass Akcros mit Schreiben vom 5. Juni 2000 ihre Absicht, nicht mehr an den AC-Treuhand-Treffen teilzunehmen, bestätigt hat (vgl. 321. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet.

248    Sechsundzwanzigstens hat die Kommission Erklärungen angeführt, die Chemtura im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission im Verwaltungsverfahren abgegeben hat, aus denen hervorgeht, dass das Kartell im Bereich ESBO/Ester „bis 2001“ dauerte (420. Erwägungsgrund Buchst. b der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet.

 Würdigung durch das Gericht

–       Gesamtwürdigung

249    Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission die Beteiligung von Chemson in den Jahren 1996 bis 2000 durch die Vorlage von Beweismitteln nachgewiesen hat, mit denen sich rechtlich hinreichend belegen lässt, dass es in diesem gesamten Zeitraum bei den Treffen, an denen Chemson teilnahm, zu Verhaltensweisen kam, die die Zuwiderhandlung im Bereich ESBO/Ester begründen. Somit hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung hinreichende Beweise angeführt, um die feste Überzeugung zu begründen, dass sich Chemson in den Jahren 1996 bis 2000 an der Zuwiderhandlung im Bereich ESBO/Ester beteiligt hat.

250    Insgesamt betrachtet beweisen die oben in den Rn. 213 bis 248 wiedergegebenen Umstände nämlich rechtlich hinreichend, dass sich die Unternehmen, die an den AC-Treuhand-Treffen teilnahmen, in den Jahren 1996 bis 2000 auf die Festlegung von Preisen und die Aufteilung der Kunden durch Quoten sowie den Austausch sensibler geschäftlicher Informationen verständigten.

251    Diese Umstände belegen deutlich, dass die Treffen, an denen Chemson teilnahm, die Festlegung von Preisen und die Aufteilung der Kunden in Form von Quoten zum Gegenstand hatten. Dies ergibt sich insbesondere aus den AC-Treuhand-Treffen zwischen 1996 und 2000, dem Akcros-Vermerk, in dem Gespräche über die Preise und Quoten genannt werden, und den handschriftlichen Aufzeichnungen von Akcros, in denen ebenfalls Gespräche über die Preise und Kunden erwähnt werden.

252    Dem lässt sich entnehmen, dass die AC-Treuhand-Treffen, die in den Jahren 1996 bis 2000 stattfanden und für die die Klägerin die Teilnahme von Chemson einräumt, hinsichtlich ihres wettbewerbswidrigen Zwecks keine andere Wendung nahmen als diejenigen, die zuvor über mehrere Jahre stattgefunden hatten, als dieselben Unternehmen und dieselben Personen in diesem Zusammenhang um Herrn S. zusammenkamen.

253    Folglich ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ein Indizienbündel vorgelegt hat, das in seiner Gesamtheit betrachtet die feste Überzeugung begründet, dass sich Chemson in den Jahren 1996 bis 2000 an der Zuwiderhandlung im Bereich ESBO/Ester beteiligt hat.

254    Die vorstehenden Erwägungen werden durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

–       Zurückweisung des Vorbringens der Klägerin

255    Zunächst führt die Klägerin zum Nachweis, dass die Zuwiderhandlung im Jahr 1996 oder 1997 beendet gewesen sei, erstens den im 317. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannten, in tempore non suspecto verfassten Akcros-Vermerk an, in dem es heißt, dass „seit 1996 oder 1997 … die Zusammenkünfte in dieser Form nicht mehr stattgefunden [haben]“. Dies werde durch die Kronzeugenanträge von Akzo vom 31. März 2003 und von Baerlocher vom 24. März 2003 untermauert.

256    Um dieses Vorbringen zurückzuweisen, genügt die Feststellung, dass die Klägerin unabhängig von den in tempore suspecto verfassten Erklärungen von Akzo und von Baerlocher nicht den gesamten Wortlaut des Akcros-Vermerks berücksichtigt, der oben in Rn. 244 vollständig wiedergegeben ist und, wie hervorzuheben ist, aus dem ersten Quartal des Jahres 2000 stammt.

257    Daraus geht nämlich, insbesondere im Licht der handschriftlichen Aufzeichnungen von Akcros, hervor, dass im Rahmen der AC-Treuhand-Treffen, an denen Chemson teilnahm, Gespräche über Preise, Kunden und Märkte geführt wurden und dass der Verfasser des genannten Vermerks im ersten Quartal des Jahres 2000 dazu riet, sich offiziell von diesen Zusammenkünften zu distanzieren.

258    So ergibt sich aus einigen Passagen des Akcros-Vermerks vom 16. Februar 2000 eindeutig die Empfehlung seines Verfassers, nicht mehr an diesen Zusammenkünften teilzunehmen, was sogar wiederholt wird, und nur noch „Lieferdaten“ zu übermitteln. Ferner ist die Rede – und zwar, wie hervorzuheben ist, im Präsens – von „Einfrieren von Marktanteilen“ und von „gelegentlich[en] Gespräche[n] …, die als unangemessen betrachtet werden könnten“ und „die eindeutig unzulässig sind“.

259    Jedenfalls können nach einer Gesamtbetrachtung des Akcros-Vermerks die rechtswidrigen Verhaltensweisen, die der Klägerin in der angefochtenen Entscheidung zugerechnet werden, in rechtlich hinreichender Weise festgestellt werden. Aus diesem Vermerk ergibt sich nämlich hinsichtlich des Marktes für ESBO/Ester der Beweis dafür, dass ein Unternehmen, das an den AC-Treuhand-Treffen teilgenommen hatte, den rechtswidrigen Zweck dieser Treffen feststellte. Dem Vermerk lässt sich zudem entnehmen, dass dieses Unternehmen es für ratsam hielt, im März 2000 nicht mehr an diesen Treffen teilzunehmen und sich offen und wiederholt von ihrem Zweck zu distanzieren. Dies geschah im ersten Quartal 2000, d. h. in einem Zeitraum, in dem die von der Klägerin nicht bestrittenen AC-Treuhand-Treffen stattfanden.

260    Zweitens trägt die Klägerin vor, dass die Kommission im Übrigen im 412. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst einräume, dass die beteiligten Unternehmen 1996 beschlossen hätten, die „Prüfungsfunktion“ der AC-Treuhand zu beenden, und dass die „roten Papiere“ nicht mehr verwendet worden seien. Die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten sei nicht mehr so intensiv gewesen, und es gebe Hinweise auf wettbewerbliches Verhalten auf den Märkten. Vor diesem Hintergrund sei es unverständlich, warum die Kommission im 413. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung von einem „Gesamtplan“ für ESBO/Ester in der Zeit von 1991 bis 2000 spreche, denn es habe weder ein einheitliches Muster vorgelegen noch sei das gleiche Ziel, also Quoten- und Preisabsprachen, Markt- und Kundenaufteilungen, verfolgt worden wie vor dem Bruch 1996/1997.

261    Zur Zurückweisung dieses Vorbringens genügt die Feststellung, dass auch mit diesen Erwägungen der Kommission nicht nachgewiesen werden kann, dass die Zuwiderhandlungen 1996 oder 1997 endeten.

262    Daraus geht nämlich allenfalls hervor, dass sich die fraglichen Kartelle hinsichtlich ihrer Modalitäten und ihrer Beteiligten verändert haben, was indessen für Zuwiderhandlungen, die wie im vorliegenden Fall von sehr langer Dauer sind, kennzeichnend ist. Der Umstand, dass einige Unternehmen ihre Beteiligung beendet haben, kann jedenfalls nicht das Ende der rechtswidrigen Verhaltensweisen von Chemson belegen.

263    Drittens meint die Klägerin, dass der Akcros-Vermerk nur auf Gespräche außerhalb der offiziellen Treffen hinweise, so dass man nicht unterstellen könne, dass die Teilnehmer der offiziellen Treffen an den angeblichen informellen Unterredungen teilgenommen hätten, zumindest was die Vertreter von Chemson betreffe. Daher seien die von diesen begangenen Zuwiderhandlungen zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission ihre Ermittlungen begonnen habe, verjährt gewesen. Das gelte selbst dann, wenn man mit der Kommission einen einheitlichen fortgesetzten Verstoß mit zwei unterschiedlichen Handlungsphasen annehme, denn für die Phase der informellen Gespräche nach 1996 oder 1997 habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass die Vertreter von Chemson, Frau R. und Herr H., an wettbewerbswidrigen Handlungen beteiligt gewesen seien.

264    Um diese Argumentation zurückzuweisen, genügt ein Hinweis auf die Erwägungen in den Rn. 257 und 258 des vorliegenden Urteils.

265    Des Weiteren stellt die Klägerin die Beweiskraft der Beweise in Abrede, die die Kommission zum Nachweis der Zuwiderhandlung ab 1998 herangezogen hat. Weder OCG noch OCA hätten sich ab Ende 1998 an rechtswidrigen Praktiken beteiligt, und diese Praktiken hätten spätestens Mitte 1999 geendet. Keiner der Beweise der Kommission könne eine Zuwiderhandlung im Jahr 1999 belegen, jedenfalls nicht eine von OCG oder von OCA begangene.

266    Dies gelte erstens für die AC-Treuhand-Treffen vom 26. Januar (306. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 27. Mai (307. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und vom 29. September 1999 (309. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), die Mitteilungen von Chemtura vom 16. September und vom 12. Oktober 1999 (Erwägungsgründe 308 und 312 der angefochtenen Entscheidung) und die behaupteten Treffen der European Liquid Stabilisers Association (ELISA) im Jahr 1999 (310. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

267    Zweitens gelte dies auch für den Monatsbericht von Chemtura vom 15. November 1999 (313. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), die angebliche interne E-Mail von Chemtura vom 23. November 1999 (314. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und den Sitzungsbericht über das AC-Treuhand-Treffen vom 15. Dezember 1999 (315. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

268    Drittens gelte dies ebenso für die AC-Treuhand-Treffen vom 22. März und vom 26. September 2000 (Erwägungsgründe 320 und 323 der angefochtenen Entscheidung), den Entwurf eines Schreibens an AC-Treuhand vom 17. Mai 2000 (321. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und den Bericht von Chemtura vom 6. April 2000 (322. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

269    Um diese Argumentation zurückzuweisen, genügt zum einen der Hinweis, dass die im 310. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten ELISA-Treffen im Jahr 1999, die im 312. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte Mitteilung von Chemtura vom 12. Oktober 1999, der im 321. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte Entwurf eines Schreibens an AC-Treuhand vom 17. Mai 2000, der im 313. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte Monatsbericht von Chemtura vom 15. November 1999, die im 314. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte E-Mail von Chemtura vom 23. November 1999, der im 315. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte Sitzungsbericht über das AC-Treuhand-Treffen vom 15. Dezember 1999, der im 322. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte Bericht von Chemtura vom 6. April 2000 und das im 323. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte Protokoll des AC-Treuhand-Treffens vom 26. September 2000 nicht zu den Beweisen gehören, die im Rahmen des vorliegenden Urteils herangezogen worden sind, um zu überprüfen, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass in den Jahren 1999 und 2000 eine Zuwiderhandlung stattfand.

270    Zum anderen wird im Licht der anderen in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise – ob von der Klägerin beanstandet oder nicht –, auf die oben in den Rn. 237 bis 248 bei der Prüfung abgestellt worden ist, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung eine Zuwiderhandlung in den Jahren 1999 und 2000 rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, deutlich, dass die Treffen, an denen Chemson teilnahm, einen wettbewerbswidrigen Charakter hatten.

271    Viertens macht die Klägerin geltend, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung Beweise anführe, ohne nach dem Markt zu unterscheiden, auf die diese sich bezögen. Dies gelte für die Aussage eines Vertreters von Chemtura aus dem Winter 1999 (Erwägungsgründe 357 und 359 der angefochtenen Entscheidung) und eine E-Mail von Akcros vom 19. Februar 1999 (300. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Dieser Umstand sei umso wichtiger, als die Kommission Dokumenten, die in tempore non suspecto verfasst seien, einen höheren Beweiswert zumesse. Aus den handschriftlichen Protokollen der AC-Treuhand-Treffen in den Jahren 1999 und 2000, die somit entlastende Dokumente von hohem Beweiswert darstellten, ergäben sich keine rechtswidrigen Verhaltensweisen.

272    Um diese Argumentation zurückzuweisen, genügt zum einen der Hinweis, dass die in den Erwägungsgründen 357 und 359 der angefochtenen Entscheidung angeführte Aussage eines Vertreters von Chemtura aus dem Winter 1999 und die im 300. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte E-Mail von Akcros vom 19. Februar 1999 nicht zu den Beweisen gehören, die im Rahmen des vorliegenden Urteils herangezogen worden sind, um zu prüfen, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass im Jahr 1999 eine Zuwiderhandlung stattfand.

273    Zum anderen wird aus den anderen in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweisen, die in den Rn. 237 bis 248 des vorliegenden Urteils herangezogen worden sind, um zu prüfen, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass in den Jahren 1999 und 2000 eine Zuwiderhandlung stattfand, deutlich, dass die Treffen, an denen Chemson teilnahm, einen wettbewerbswidrigen Charakter hatten.

274    Fünftens trägt die Klägerin vor, dass aus der Teilnahme von Frau R. und Herrn H. an den AC-Treuhand-Treffen nicht der Schluss gezogen werden könne, dass OCG und OCA außerhalb der offiziellen Treffen an wettbewerbswidrigen Zusammenkünften teilgenommen hätten.

275    Diese Argumentation kann keinen Erfolg haben, da sie weder in Frage stellt, dass die von der Kommission angeführten Aufzeichnungen aus der Zeit der AC-Treuhand-Treffen stammen, noch, dass diese Treffen tatsächlich stattfanden, noch, dass sie einen wettbewerbswidrigen Zweck hatten.

276    Folglich hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass Chemson in den Jahren 1996 bis 2000 eine Zuwiderhandlung begangen hat.

277    Der zweite Klagegrund ist damit zurückzuweisen.

3.     Zum dritten Klagegrund: Verletzung von Verteidigungsrechten

278    Im Rahmen des dritten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe in Anbetracht der Länge des Verwaltungsverfahrens und unzureichender Ermittlungen ihre Verteidigungsrechte verletzt.

 Vorbringen der Parteien

279    Erstens trägt die Klägerin zum Zweck der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung vor, die überlange Dauer des Verwaltungsverfahrens habe die Ausübung ihrer Verteidigungsrechte beeinträchtigt.

280    Zum einen sei die Dauer zwischen der Eröffnung des Verwaltungsverfahrens und der Mitteilung der Beschwerdepunkte, nämlich mehr als sechs Jahre, überlang gewesen. Dies resultiere aus der Aussetzung der Ermittlungen durch die Kommission während eines Zeitraums von vier Jahren wegen des Gerichtsverfahrens Akzo. Die Kommission hätte jedoch einige der fraglichen Unterlagen in diesem Verfahren verwenden können und daher das Verfahren nicht insgesamt aussetzen dürfen. Diese Verzögerung sei ihr folglich zuzurechnen.

281    Zum anderen beruft sich die Klägerin a fortiori auf die Rechtssache, in der das Urteil vom 21. September 2006, Technische Unie/Kommission (C‑113/04 P, Slg, EU:C:2006:593), ergangen ist, in deren Rahmen das Verwaltungsverfahren kürzer als im vorliegenden Fall gewesen sei. Die Kommission habe sie noch nicht einmal über die Aussetzung des Verfahrens informiert, so dass sie im vorliegenden Fall nicht nur vor dem Problem gestanden habe, dass eventuelle Zeugen die betreffenden Unternehmen verlassen hätten, sondern auch während sechs Jahren keine schriftlichen oder elektronischen Unterlagen zu ihrer Entlastung habe sammeln oder Entlastungszeugen habe befragen können, um ihre Aussagen zu dokumentieren.

282    Die Ausübung ihrer Verteidigungsrechte sei beeinträchtigt worden, denn wenn die Kommission die Ermittlungen nicht ausgesetzt hätte oder wenn sie die Klägerin zumindest über diese Aussetzung informiert hätte, wäre MG vor dem Verkauf von DN und Chemetall im Juli 2004 informiert worden, so dass sie noch Zugang zu Unterlagen und Mitarbeitern des DN-Konzerns gehabt hätte und entlastende Beweismittel, insbesondere zur Zurechnung der Zuwiderhandlungen und deren Einstellung nach 1996 oder 1997 hätte sichern können.

283    Zweitens macht die Klägerin geltend, ihre Verteidigungsrechte seien dadurch verletzt worden, dass sich die Kommission zur Sachverhaltsaufklärung nicht an die für die OCA und OCW vorgeworfenen Zuwiderhandlungen verantwortlichen Personen, nämlich Frau R. und Herrn H., gewandt habe. Diese Personen hätten als Vertreter von Chemson an den AC-Treuhand-Treffen teilgenommen, seien aber nunmehr bei Chem Trade Roth beschäftigt, an die der gesamte einschlägige Geschäftsbereich verkauft worden sei. Diese Gesellschaft verfüge über relevante Unterlagen wie z. B. handschriftliche Aufzeichnungen von Frau R. und Herrn H., Abrechnungen, E-Mails und Protokolle. Die Kommission habe diese Beweise nicht herangezogen und dies noch nicht einmal versucht.

284    Wären die Ermittlungen auf diese Personen ausgeweitet worden, hätte die Klägerin nach eigener Auffassung Argumente vortragen können, mit denen die Einstellung der Zuwiderhandlungen nach 1996/1997 oder spätestens 1999 und der fehlende bestimmende Einfluss von MG auf Chemson hätten belegt werden können.

285    Die Kommission weist das gesamte Vorbringen der Klägerin zurück.

286    Erstens räumt die Kommission hinsichtlich der Dauer des Verwaltungsverfahrens ein, dass diese ungewöhnlich sei, und macht geltend, sie habe dies in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt, indem sie u. a. der Klägerin eine Herabsetzung der verhängten Geldbußen gewährt habe. Diese Dauer sei ihr aber nicht zuzurechnen, da die Aussetzung des Verwaltungsverfahrens aus dem Gerichtsverfahren Akzo resultiere.

287    Die Kommission behauptet, die in dem genannten Verfahren streitbefangenen Unterlagen seien für die Ermittlungen von entscheidender Bedeutung gewesen.

288    Die Klägerin habe jedenfalls nicht dargetan, dass eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte aus der Dauer des Verwaltungsverfahrens resultiere. Nach Angaben der Klägerin hätten die Ermittlungen im Oktober 2003 wieder aufgenommen werden können. MG habe jedoch bereits im Juli 2002 ihre ESBO/Ester-Sparte verkauft, und die Zwischenholdings seien im Juli 2004 veräußert worden.

289    Die von der Klägerin genannten angeblichen Beweismittel blieben unklar und vage, ohne dass ihr Inhalt für die von der Klägerin geltend gemachten Zwecke erläutert werde. Überdies habe die Kommission im Februar 2003 durch die Presse die Einleitung von Ermittlungen im Wärmestabilisatorensektor angekündigt, was MG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin sei, nicht unbekannt gewesen sein könne.

290    Zweitens hebt die Kommission hinsichtlich der angeblich unzureichenden Ermittlungen hervor, dass ihr ein Ermessen zustehe, wie sie ihr Ermittlungsverfahren gestalte und welche Ermittlungen sie hierfür erforderlich halte, so dass sie keineswegs verpflichtet gewesen sei, so vorzugehen, wie die Klägerin meine, und dass es unter den geltend gemachten Umständen keinen Hinweis auf das Vorliegen entlastender Beweise in dem fraglichen Unternehmen gegeben habe.

291    Jedenfalls habe die Klägerin nicht dargetan, dass die Kommission, wenn sie ihre Ermittlungen so durchgeführt hätte, wie es nach Ansicht der Klägerin erforderlich gewesen wäre, entlastende Anhaltspunkte ans Licht gebracht hätte oder dass die angefochtene Entscheidung insbesondere in Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlungen oder ihre Zurechnung einen anderen Inhalt gehabt hätte.

 Würdigung durch das Gericht

292    Der dritte Klagegrund, mit dem die Verletzung von Verteidigungsrechten gerügt wird, gliedert sich in zwei Teile.

 Zum ersten Teil: Dauer des Verwaltungsverfahrens

293    Zum ersten Teil, bei dem es um die Dauer des Verwaltungsverfahrens geht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer bei der Durchführung der Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet des Wettbewerbs einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt (vgl. Urteil Technische Unie/Kommission, oben in Rn. 188 angeführt, EU:C:2006:593, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

294    Des Weiteren kann die Angemessenheit einer Verfahrensdauer nicht unter Heranziehung einer präzisen, abstrakt festgelegten Obergrenze geprüft werden, sondern ist in jedem Einzelfall anhand der konkreten Umstände zu beurteilen (Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg, EU:C:2002:582, Rn. 192).

295    Außerdem kann, selbst wenn festgestellt wird, dass die Kommission eine angemessene Verfahrensdauer überschritten hat, dies nur dann ein Grund für die Nichtigerklärung einer Entscheidung sein, mit der Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt werden, wenn erwiesen ist, dass die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen durch das Versäumnis der Kommission beeinträchtigt wurden (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2003, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied und Technische Unie/Kommission, T‑5/00 und T‑6/00, Slg, EU:T:2003:342, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

296    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Beweislast für eine etwaige Verletzung der Verteidigungsrechte, die sich daraus ergeben soll, dass ein Unternehmen infolge der übermäßigen Dauer des Verwaltungsverfahrens Schwierigkeiten gehabt habe, sich gegen die Vorwürfe der Kommission zu verteidigen, dem Betroffenen obliegt (vgl. Urteil vom 31. März 2009, ArcelorMittal Luxembourg u. a./Kommission, T‑405/06, Slg, EU:T:2009:90, Rn. 167 und die dort angeführte Rechtsprechung).

297    Es ist daher Sache des betroffenen Unternehmens, in rechtlich hinreichender Weise darzutun, dass es infolge der übermäßigen Dauer des Verwaltungsverfahrens Schwierigkeiten hatte, sich zu verteidigen, und anzugeben, welche spezifischen, von der Kommission in der Entscheidung erhobenen Vorwürfe, hätten widerlegt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil Technische Unie/Kommission, oben in Rn. 286 angeführt, EU:C:2006:593, Rn. 61 und 64).

298    Im vorliegenden Fall bestreitet die Kommission die übermäßige Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht. Sie selbst hat in der angefochtenen Entscheidung die gegen die beteiligten Unternehmen, darunter die Klägerin, festgesetzten Geldbußen herabgesetzt, mit Ausnahme eines einzigen Unternehmens.

299    Sie ist jedoch der Auffassung, dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens aus dem Gerichtsverfahren Akzo resultiere und ihr daher nicht vorgeworfen werden könne.

300    Gegen den Klagegrund des Verstoßes gegen den Grundsatz der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer, den die Klägerin zum Zweck der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung geltend macht, wendet sie des Weiteren ein, dass die Klägerin eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte jedenfalls nicht nachgewiesen habe.

301    Daher genügt es, die Würdigung durch das Gericht auf letztere Frage zu beschränken, nämlich ob die Verteidigungsrechte durch die übermäßige Dauer des Verwaltungsverfahrens verletzt wurden.

302    Auch wenn nämlich festgestellt wird, dass die Kommission gegen diesen Grundsatz verstoßen hat und ihr dieser Verstoß zuzurechnen ist, kann die angefochtene Entscheidung nur für nichtig erklärt werden, wenn erwiesen ist, dass die Verteidigungsrechte der Klägerin tatsächlich gerade durch diese übermäßige Dauer verletzt wurden.

303    Hierzu macht die Klägerin geltend, dass sie ohne den Verstoß gegen den Grundsatz der Wahrung einer angemessenen Verfahrensdauer vor dem Verkauf von DN und Chemetall im Juli 2004 informiert gewesen wäre, so dass sie noch Zugang zu Dokumenten und Mitarbeitern der DN-Gruppe gehabt hätte und Entlastungsbeweise, insbesondere bezüglich der Zurechnung der Zuwiderhandlungen und ihrer Beendigung nach 1996 oder 1997, hätte sammeln können.

304    Keines der Argumente der Klägerin vermag jedoch zu überzeugen.

305    Die von der Klägerin angeführten angeblichen Beweise bleiben viel zu vage und allgemein für die von der Klägerin geltend gemachten Zwecke.

306    Sowohl in ihren Schriftsätzen als auch in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin lediglich vorgetragen, dass es ihr unmöglich gewesen sei, Dokumente aufzufinden, die für ihre Verteidigung sachdienlich seien, ohne jedoch hinreichend präzise und eingehend anzugeben, um welche Dokumente es sich handelte.

307    Jedenfalls hätten die Ermittlungen nach Auffassung der Klägerin im Oktober 2003 wieder aufgenommen werden können. Wie jedoch die Kommission zutreffend ausgeführt hat, ohne dass die Klägerin ihr darin widersprochen hat, hatte MG ihre ESBO/Ester-Sparte bereits im Juli 2002 verkauft, so dass eine Wiederaufnahme der Ermittlungen im Oktober 2003 es der Klägerin nicht erlaubt hätte, ihre Verteidigung hinsichtlich der Zurechnung der Zuwiderhandlung im vorliegenden Zusammenhang besser wahrzunehmen.

308    Somit ist die auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gerichtete Argumentation der Klägerin hinsichtlich eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahrung einer angemessenen Verfahrensdauer zurückzuweisen.

309    Jedenfalls ist unabhängig davon, wie das Gericht die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bewertet, soweit es um die Dauer des Verwaltungsverfahrens geht, darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof auch entschieden hat, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wahrung einer angemessenen Verfahrensdauer, selbst wenn er wegen der Länge des Verwaltungsverfahrens festgestellt werden kann, für sich genommen nicht dazu führen kann, dass das Gericht die wegen der fraglichen Zuwiderhandlung festgesetzte Geldbuße ermäßigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2014, Bolloré/Kommission, C‑414/12 P, EU:C:2014:301, Rn. 105).

310    Daher ist der erste Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: unzureichende Ermittlungen

311    Was den zweiten Teil des dritten Klagegrundes betrifft, mit dem unzureichende Ermittlungen gerügt werden, ist darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich Sache der Kommission ist, zu beurteilen, ob eine Auskunft im Rahmen von Ermittlungen wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, 374/87, Slg, EU:C:1989:387, Rn. 15, vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères, C‑94/00, Slg, EU:2002:C:603, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 8. Juli 2004, Corus UK/Kommission, T‑48/00, Slg, EU:T:2004:219, Rn. 212).

312    Im vorliegenden Fall gibt die Klägerin keinen bestimmten Beweis an, der hätte eingeholt werden können, wenn die Ermittlungen ausgeweitet worden wären, sondern beruft sich lediglich in unbestimmter und allgemeiner Weise auf Beweise, die sie hätte geltend machen können, um nachzuweisen, dass die Zuwiderhandlung nach 1996/1997 oder spätestens 1999 beendet worden sei und dass MG keinen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaften, die die Zuwiderhandlungen begangen hätten, ausgeübt habe.

313    Der Kommission kann somit nicht vorgeworfen werden, ihre Ermittlungen nicht so durchgeführt zu haben, wie die Klägerin vorgeschlagen hat.

314    Der zweite Teil des dritten Klagegrundes und damit der dritte Klagegrund insgesamt sind daher zurückzuweisen und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

315    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr außer ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission gemäß deren Antrag aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die GEA Group AG trägt die Kosten.

Prek

Labucka

Kreuschitz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Juli 2015.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.