Language of document : ECLI:EU:T:2019:69

Rechtssache T287/17

Swemac Innovation AB

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum

 Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 7. Februar 2019

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionswortmarke SWEMAC – Älterer nationaler Firmen‑ oder Handelsname SWEMAC Medical Appliances AB – Relatives Eintragungshindernis – Verwirkung durch Duldung – Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 60 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung [EU] 2017/1001) – Verwechslungsgefahr – Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 61 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) – Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001) – Erstmals vor dem Gericht vorgelegte Beweise“

1.      Unionsmarke – Beschwerdeverfahren – Klage beim Unionsrichter – Zuständigkeit des Gerichts – Überprüfung der Tatsachen im Licht erstmals vor ihm vorgelegter Beweise – Ausschluss

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 65)

(vgl. Rn. 18)

2.      Unionsmarke – Beschwerdeverfahren – Klage beim Unionsrichter – Rechtmäßigkeit der Entscheidung einer Beschwerdekammer – Berücksichtigung der nationalen Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Literatur für die Zwecke der Anwendung des Unionsrechts – Zulässigkeit

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 65)

(vgl. Rn. 20)

3.      Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Bestehen eines älteren Rechts im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 – Voraussetzungen – Auslegung im Licht des Unionsrechts – Beurteilung nach den Kriterien des für das angeführte Zeichen geltenden nationalen Rechts

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 4 und Art. 53 Abs. 1 Buchst. c)

(vgl. Rn. 35-37)

4.      Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Auf das Bestehen eines älteren nationalen Rechts gestützter Antrag auf Nichtigerklärung – Beweislast

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 4, Art. 53 Abs. 1 Buchst. c und Art. 56; Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Art. 1 Regel 37 Buchst. b Ziff. ii)

(vgl. Rn. 38-40)

5.      Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Befugnis, die Benutzung der Marke aufgrund eines sonstigen älteren Rechts zu untersagen – Kontrolle hinsichtlich des anwendbaren nationalen Rechts durch die zuständigen Stellen des Amtes und durch das Gericht – Feststellung des Inhalts der nationalen Rechtsvorschriften

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 4, Art. 53 Abs. 1 Buchst. c und Art. 65 Abs. 1 und 2)

(vgl. Rn. 41-43)

6.      Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Bestehen eines älteren Rechts im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 – Konflikt zwischen dem älteren Recht, einem eingetragenen Firmennamen und einem anderen Firmennamen oder einer anderen nicht auf nationaler Ebene eingetragenen Marke – Zuständigkeit des Gerichts

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 4, Art. 53 Abs. 1 Buchst. c)

(vgl. Rn. 52-58)

7.      Nationales Recht – Verweisung auf nationales Recht – Schwedisches Recht – Markenrecht

(vgl. Rn. 60)

8.      Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Bestehen eines älteren Rechts im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 – Wortmarke SWEMAC und Firmenname SWEMAC Medical Appliances AB

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 4, Art. 53 Abs. 1 Buchst. c)

(vgl. Rn. 61-66)

9.      Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Bestehen einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Koexistenz älterer Marken auf dem Markt – Auswirkung

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b, Art. 53 Abs. 1 Buchst. a)

(vgl. Rn. 74)

10.    Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Verwirkung durch Duldung – Verwirkungsfrist – Beginn

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 54 Abs. 2)

(vgl. Rn. 83-85)

11.    Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Verwirkung durch Duldung – Begriff

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 54 Abs. 2)

(vgl. Rn. 90, 91)

Zusammenfassung

Im Rahmen der dem Urteil vom 7. Februar 2019, Swemac Innovation/EUIPO-SWEMAC (T‑287/17), zugrunde liegenden Rechtssache stellte der Inhaber der Unionsmarke SWEMAC beim Gericht einen Antrag auf Aufhebung der Entscheidung der Beschwerdekammer, mit der diese Marke wegen des Bestehens eines älteren Zeichens, nämlich des älteren schwedischen Firmennamens Swemac Medical Appliances AB, für nichtig erklärt worden war.

In dieser Rechtssache geht es darum, ob – wie die Klägerin vorträgt – der Umstand, dass sie sich auf ein Recht berufen kann, das noch älter ist als das ältere Zeichen, bedeuten würde, dass die die Nichtigerklärung beantragende Inhaberin des älteren Zeichens nicht berechtigt wäre, die Benutzung einer jüngeren Unionsmarke zu verbieten, so dass die in Art. 8 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009(1) aufgestellte Voraussetzung nicht erfüllt wäre.

Insoweit weist das Gericht auf die Rechtsprechung hin, wonach es dem Inhaber einer angegriffenen Unionsmarke, wenn er ein älteres Recht besitzt, das die Ungültigkeit der dem Nichtigkeitsantrag zugrunde liegenden älteren Marke bewirken könnte, gegebenenfalls obliegt, die zuständigen nationalen Behörden oder Gerichte anzurufen, um gegebenenfalls die Nichtigerklärung dieser Marke zu erreichen.

Außerdem weist das Gericht auf die im Zusammenhang mit Widerspruchsverfahren entwickelte Rechtsprechung hin, wonach der Umstand, dass der Inhaber einer angefochtenen Marke Inhaber einer nationalen Marke ist, die noch älter ist als die ältere Marke, an sich keine Bedeutung hat, da das Widerspruchsverfahren auf Unionsebene nicht dazu bestimmt ist, Konflikte auf nationaler Ebene beizulegen.

Die Gültigkeit einer nationalen Marke kann nach der Rechtsprechung nämlich nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Eintragung einer Unionsmarke, sondern nur in einem im betreffenden Mitgliedstaat angestrengten Nichtigkeitsverfahren in Frage gestellt werden. Überdies hat das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) zwar auf der Grundlage von Beweisen, die der Widersprechende vorlegen muss, das Bestehen der für den Widerspruch angeführten nationalen Marke zu überprüfen, nicht aber über einen Konflikt zwischen dieser Marke und einer anderen Marke auf nationaler Ebene zu entscheiden; die Entscheidung darüber fällt in die Zuständigkeit der nationalen Stellen.

Solange daher die ältere nationale Marke tatsächlich geschützt ist, ist nach der Rechtsprechung die Existenz einer noch älteren nationalen eingetragenen Marke oder eines noch älteren anderen Rechts im Rahmen eines Widerspruchs gegen die Anmeldung einer Unionsmarke irrelevant, selbst wenn die angemeldete Unionsmarke mit einer älteren nationalen Marke der Klägerin oder einem anderen Recht identisch ist, die oder das älter ist als die nationale Widerspruchsmarke.

Das Gericht merkt an, dass es bereits Gelegenheit hatte, festzustellen, dass – selbst wenn die Rechte an älteren Domain-Namen einer älteren nationalen eingetragenen Marke gleichgestellt werden könnten – es jedenfalls nicht seine Sache ist, über einen etwaigen Konflikt zwischen einer älteren nationalen Marke und Rechten an älteren Domain-Namen zu entscheiden, da ein solcher Konflikt nicht in die Zuständigkeit des Gerichts fällt.

Das Gericht stellt fest, dass diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden ist. Ungeachtet der Verpflichtungen, denen das EUIPO unterliegt, und der Rolle des Gerichts ist es nämlich weder Sache des EUIPO noch des Gerichts, über einen Konflikt zwischen dem älteren Zeichen und einem anderen Firmennamen oder einer anderen nicht auf nationaler Ebene eingetragenen Marke im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens gegen eine Unionsmarke zu entscheiden.

Folglich ist die Frage des älteren Rechts im Zusammenhang mit der Eintragung der angegriffenen Unionsmarke zu prüfen und nicht im Zusammenhang mit den geltend gemachten älteren Rechten, die der Inhaber der angegriffenen Unionsmarke, in diesem Fall die Klägerin, gegen die die Nichtigerklärung beantragende Inhaberin des älteren Zeichens haben könnte. Somit ist das einzige Vorrecht, das bei der Entscheidung über den Ausgang des Rechtsstreits berücksichtigt werden muss, das ältere Zeichen.


1      Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1).