Language of document : ECLI:EU:C:2019:898

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

24. Oktober 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2008/98/EG – Abfälle – Chemisch behandeltes pflanzliches Altöl – Art. 6 Abs. 1 und 4 – Ende der Abfalleigenschaft – Richtlinie 2009/28/EG – Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen – Art. 13 – Nationale Genehmigungs‑, Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren, die auf Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energiequellen angewandt werden – Verwendung eines flüssigen Biobrennstoffs als Energiequelle einer Stromerzeugungsanlage“

In der Rechtssache C‑212/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Piemonte (Verwaltungsgericht für die Region Piemont, Italien) mit Entscheidung vom 14. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 26. März 2018, in dem Verfahren

Prato Nevoso Termo Energy Srl

gegen

Provincia di Cuneo,

ARPA Piemonte,

Beteiligte:

Comune di Frabosa Sottana,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie des Richters C. Vajda,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Prato Nevoso Termo Energy Srl, vertreten durch A. Blasi und F. Munari, avvocati,

–        der Provincia di Cuneo, vertreten durch A. Sciolla und A. Gammaidoni, avvocati,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Palatiello, avvocato dello Stato,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und A. M. de Ree als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, F. Thiran und K. Talabér-Ritz als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Juni 2019

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. 2008, L 312, S. 3, berichtigt im ABl. 2009, L 127, S. 24), von Art. 13 der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. 2009, L 140, S. 16) in der durch die Richtlinie (EU) 2015/1513 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 (ABl. 2015, L 239, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2009/28) sowie der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz und der Vereinfachung.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Prato Nevoso Termo Energy Srl (im Folgenden: Prato Nevoso) auf der einen Seite und der Provincia di Cuneo (Provinz Cuneo, Italien) sowie der ARPA Piemonte auf der anderen Seite wegen der Ablehnung des Antrags von Prato Nevoso, als Energiequelle ihres Kraftwerks zur Erzeugung thermischer und elektrischer Energie Methan durch einen flüssigen Biobrennstoff zu ersetzen, der durch chemische Behandlung pflanzlichen Altöls gewonnen wird.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2008/98

3        In den Erwägungsgründen 8 und 29 der Richtlinie 2008/98 heißt es:

„(8)      Es ist … notwendig …, die Maßnahmen zur Abfallvermeidung zu stärken, ein Konzept einzuführen, das den gesamten Lebenszyklus von Produkten und Stoffen und nicht nur die Abfallphase berücksichtigt, sowie den Schwerpunkt auf die Reduzierung der Umweltauswirkungen von Abfallerzeugung und ‑bewirtschaftung zu setzen, wodurch der wirtschaftliche Wert von Abfall erhöht wird. Darüber hinaus sollten die Verwertung von Abfällen sowie die Verwendung verwerteter Materialien zur Erhaltung der natürlichen Rohstoffquellen gefördert werden. …

(29)      Die Mitgliedstaaten sollten die Verwendung von Recyclingmaterialien … im Einklang mit der Abfallhierarchie und dem Ziel der Schaffung einer Recyclinggesellschaft fördern und die Deponierung oder Verbrennung solcher Recyclingmaterialien nach Möglichkeit nicht unterstützen.“

4        Gemäß ihrem Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) werden mit dieser Richtlinie Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit festgelegt, indem die schädlichen Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen vermieden oder verringert, die Gesamtauswirkungen der Ressourcennutzung reduziert und die Effizienz der Ressourcennutzung verbessert werden.

5        Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2008/98 lautet auszugsweise:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.      ‚Abfall‘ jeden Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss;

…“

6        Art. 4 („Abfallhierarchie“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Folgende Abfallhierarchie liegt den Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen im Bereich der Abfallvermeidung und ‑bewirtschaftung als Prioritätenfolge zugrunde:

a)      Vermeidung,

b)      Vorbereitung zur Wiederverwendung,

c)      Recycling,

d)      sonstige Verwertung, z. B. energetische Verwertung,

e)      Beseitigung.“

7        Nach Art. 6 („Ende der Abfalleigenschaft“) der Richtlinie gilt:

„(1)      Bestimmte festgelegte Abfälle sind nicht mehr als Abfälle im Sinne von Artikel 3 Nummer 1 anzusehen, wenn sie ein Verwertungsverfahren, wozu auch ein Recyclingverfahren zu rechnen ist, durchlaufen haben und spezifische Kriterien erfüllen, die gemäß den folgenden Bedingungen festzulegen sind:

a)      Der Stoff oder Gegenstand wird gemeinhin für bestimmte Zwecke verwendet;

b)      es besteht ein Markt für diesen Stoff oder Gegenstand oder eine Nachfrage danach;

c)      der Stoff oder Gegenstand erfüllt die technischen Anforderungen für die bestimmten Zwecke und genügt den bestehenden Rechtsvorschriften und Normen für Erzeugnisse und

d)      die Verwendung des Stoffs oder Gegenstands führt insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen.

Die Kriterien enthalten erforderlichenfalls Grenzwerte für Schadstoffe und tragen möglichen nachteiligen Umweltauswirkungen des Stoffes oder Gegenstands Rechnung.

(2)      Die Maßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Richtlinie durch Ergänzung, die die Annahme dieser Kriterien und die Festlegung der Abfälle betreffen, werden gemäß Artikel 39 Absatz 2 nach dem Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen. Spezielle Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft sind unter anderem mindestens für körniges Gesteinsmaterial, Papier, Glas, Metall, Reifen und Textilien in Betracht zu ziehen.

(4)      Wurden auf Gemeinschaftsebene keine Kriterien nach dem Verfahren in den Absätzen 1 und 2 festgelegt, so können die Mitgliedstaaten im Einzelfall entscheiden, ob bestimmte Abfälle unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung nicht mehr als Abfälle anzusehen sind. …“

 Richtlinie 2009/28

8        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2009/28 heißt es:

„…

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

h)      ‚flüssige Biobrennstoffe‘ flüssige Brennstoffe, die aus Biomasse hergestellt werden und für den Einsatz zu energetischen Zwecken, mit Ausnahme des Transports, einschließlich Elektrizität, Wärme und Kälte, bestimmt sind;

p)      ‚Abfall‘ Abfall im Sinne des Artikels 3 [Nr.] 1 der Richtlinie 2008/98 …; Stoffe, die absichtlich verändert oder kontaminiert wurden, um dieser Definition zu entsprechen, fallen nicht unter diese Begriffsbestimmung …“

9        Art. 13 („Verwaltungsverfahren, Rechtsvorschriften und Regelwerke“) der Richtlinie 2009/28 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass einzelstaatliche Vorschriften für die Genehmigungs‑, Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren, die auf Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energiequellen und die angegliederten Infrastrukturen der Übertragungs- und Verteilernetze sowie auf den Vorgang der Umwandlung von Biomasse in Biokraftstoffe oder sonstige Energieprodukte angewandt werden, verhältnismäßig und notwendig sind.

Die Mitgliedstaaten ergreifen insbesondere angemessene Maßnahmen, um sicherzustellen, dass

a)      vorbehaltlich der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer Verwaltungsstruktur und ‑organisation die entsprechenden Zuständigkeiten der nationalen, regionalen und lokalen Verwaltungsstellen für die Genehmigungs‑, Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren – auch im Hinblick auf die Raumplanung – eindeutig koordiniert und festgelegt sind und transparente Zeitpläne für Entscheidungen über Planungs- und Bauanträge genau bestimmt sind;

c)      die Verwaltungsverfahren auf der geeigneten Verwaltungsebene gestrafft und beschleunigt werden;

d)      die Vorschriften für Genehmigung, Zertifizierung und Zulassung objektiv, transparent und verhältnismäßig sind, nicht zwischen Antragstellern diskriminieren und den Besonderheiten der einzelnen Technologien für erneuerbare Energie vollständig Rechnung tragen;

…“

 Italienisches Recht

10      Art. 184-ter („Ende der Abfalleigenschaft“) des Decreto legislativo n. 152 – Norme in materia ambientale (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 152 – Umweltrechtliche Vorschriften) vom 3. April 2006 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 88 vom 14. April 2006) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 152/2006) sieht vor:

„(1)      Abfall ist nicht mehr als Abfall anzusehen, wenn er ein Verwertungsverfahren, wozu auch ein Recyclingverfahren und die Vorbereitung zur Wiederverwendung zu rechnen sind, durchlaufen hat und spezifische Kriterien erfüllt, die gemäß den folgenden Bedingungen festzulegen sind:

a)      Der Stoff oder Gegenstand wird gemeinhin für bestimmte Zwecke verwendet;

b)      es besteht ein Markt für diesen Stoff oder Gegenstand oder eine Nachfrage danach;

c)      der Stoff oder Gegenstand erfüllt die technischen Anforderungen für die bestimmten Zwecke und genügt den bestehenden Rechtsvorschriften und Normen für Erzeugnisse;

d)      die Verwendung des Stoffs oder Gegenstands führt insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen. …“

11      In Art. 268 („Begriffsbestimmungen“) dieses Dekrets heißt es:

„Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Ausdruck

eee-bis)      ‚Brennstoff‘ jedes feste, flüssige oder gasförmige Material, für das Anhang X zu Teil V die Verwendung zur Energiegewinnung durch Verbrennung vorsieht, mit Ausnahme von Abfällen;

…“

12      Art. 293 („Zugelassene Brennstoffe“) des Dekrets sieht in Abs. 1 vor:

„In den Anlagen, die in Teil V Titel I und II geregelt sind, einschließlich der zivilen thermischen Anlagen, deren Leistung unter dem Schwellenwert liegt, dürfen ausschließlich Brennstoffe verwendet werden, die in Anhang X zu Teil V für diese Kategorien von Anlagen vorgesehen sind, und zwar nur unter den dort genannten Bedingungen. Die in Anhang X zu Teil V dieses Dekrets aufgezählten Materialien und Substanzen dürfen nicht als Brennstoffe im Sinne des vorliegenden Titels verwendet werden, wenn sie Abfall im Sinne von Teil IV dieses Dekrets darstellen. Die Verbrennung von Materialien und Substanzen, die nicht den Bestimmungen in Anhang X zu Teil V dieses Dekrets entsprechen oder die jedenfalls Abfall im Sinne von Teil IV dieses Dekrets sind, unterliegen den geltenden abfallrechtlichen Vorschriften. …“

13      Anhang X („Vorschriften über Brennstoffe“) zu Teil V des Decreto legislativo Nr. 152/2006 besteht aus zwei Teilen. Teil II („Kommerzielle Eigenschaften von Brennstoffen und Messungsmethoden“) ist seinerseits in vier Abschnitte untergliedert, von denen der vierte, der die Eigenschaften brennbarer Biomasse und die damit zusammenhängenden Nutzungsbedingungen betrifft, Folgendes bestimmt:

„1.      Art und Ursprung

a)      Pflanzenmaterial, das aus speziellen hierfür bestimmten Kulturen gewonnen wird;

b)      Pflanzenmaterial, das durch ausschließlich mechanische Behandlung, durch Waschen mit Wasser oder Trocknung von nicht hierfür bestimmten landwirtschaftlichen Kulturen gewonnen wird;

e)      Pflanzenmaterial, das durch ausschließlich mechanische Behandlung, durch Waschen mit Wasser oder Trocknung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen gewonnen wird;

…“

14      Nach Art. 281 Abs. 5 dieses Dekrets werden die Änderungen und Aktualisierungen der Anhänge zu Teil V des Dekrets „mit Dekret des Ministers für Umwelt, Landschafts- und Meeresschutz im Einvernehmen mit dem Gesundheitsminister, dem Minister für Wirtschaftsentwicklung und, im Rahmen seiner Zuständigkeit, dem Minister für Infrastruktur und Verkehr nach Anhörung der Vereinten Konferenz … verabschiedet“.

15      Art. 2 Abs. 1 Buchst. h des Decreto legislativo n. 28 – Attuazione della direttiva 2009/28/CE sulla promozione dell’uso dell’energia da fonti rinnovabili, recante modifica e successiva abrogazione delle direttive 2001/77/CE e 2003/30/CE (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 28 – Umsetzung der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG) vom 3. März 2011 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 71 vom 28. März 2011, im Folgenden: Dekret Nr. 28/2011) definiert den Begriff „flüssige Biobrennstoffe“ als „flüssige Brennstoffe, die aus Biomasse hergestellt werden und für den Einsatz zu energetischen Zwecken, mit Ausnahme des Transports, einschließlich Elektrizität, Wärme und Kälte, bestimmt sind“.

16      Art. 5 Abs. 1 des Dekrets Nr. 28/2011 bestimmt:

„Unbeschadet der Bestimmungen der Art. 6 und 7 ist für den Bau und den Betrieb von Stromerzeugungsanlagen, die mit erneuerbaren Energiequellen gespeist werden, für die damit verbundenen Arbeiten und die für den Bau und den Betrieb der Anlagen unverzichtbare Infrastruktur sowie für wesentliche Änderungen an den Anlagen selbst die in Art. 12 des Decreto legislativo Nr. 387 vom 29. Dezember 2003 in der durch den vorliegenden Artikel geänderten Fassung vorgesehene Globalgenehmigung erforderlich, gemäß dem Verfahren und den Bedingungen, die im Decreto legislativo Nr. 387 von 2003 und in den nach dessen Art. 12 Abs. 10 erlassenen Leitlinien sowie in den maßgeblichen Vorschriften der autonomen Regionen und Provinzen vorgesehen sind.“

17      Anhang I Art. 1 Abschnitt 2 Teil A Abs. 2 des Decreto n. 264 – Regolamento recante criteri indicativi per agevolare la dimostrazione della sussistenza dei requisiti per la qualifica dei residui di produzione come sottoprodotti e non come rifiuti (Dekret Nr. 264 – Vorschriften über Richtkriterien zur Erleichterung des Nachweises des Vorliegens der Voraussetzungen für die Einstufung von Produktionsrückständen als Nebenprodukte und nicht als Abfall) vom 13. Oktober 2016 (GURI Nr. 38 vom 15. Februar 2017) bestimmt:

„Auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Dekrets geltenden gesetzlichen Regelungen dürfen unbeschadet künftiger Bestimmungen, die ausdrücklich die Verwendung von Erzeugnissen aus Restbiomasse als Brennstoff regeln, für die Energiegewinnung durch Verbrennung ausschließlich die in Anhang X zu Teil V des [Decreto legislativo Nr. 152/2006] und in Art. 2‑bis des Decreto-legge Nr. 171 vom 3. November 2008 vorgesehenen Erzeugnisse aus Restbiomasse verwendet werden. Im Fall der Bestimmung zur Energiegewinnung durch Verbrennung unterliegen die in Art. 185 des [Decreto legislativo Nr. 152/2006] genannten Materialien in jedem Fall den abfallrechtlichen Bestimmungen, wenn sie nicht in den im vorliegenden Absatz genannten Vorschriften aufgeführt werden.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

18      Prato Nevoso betreibt ein Kraftwerk zur Erzeugung thermischer und elektrischer Energie.

19      Am 8. November 2016 beantragte sie bei der Provinz Cuneo auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 des Dekrets Nr. 28/2011 die Genehmigung, als Energiequelle ihres Kraftwerks Methan durch einen flüssigen Biobrennstoff zu ersetzen, nämlich ein von der ALSO Srl hergestelltes Pflanzenöl, das aus der Sammlung und chemischen Behandlung alter Frittieröle sowie aus Raffinationsrückständen von Pflanzenölen und Rückständen aus der Reinigung von Tanks für ihre Lagerung stammt.

20      ALSO verfügt über eine Genehmigung, dieses Öl als „Ende der Abfalleigenschaft“ im Sinne von Art. 184‑ter des Decreto legislativo Nr. 152/2006 für einen Gebrauch im Zusammenhang mit der Herstellung von Biodiesel zu vermarkten, sofern es die in dieser Genehmigung bezeichneten physikalisch-chemischen Eigenschaften aufweist und in den Handelspapieren darauf hingewiesen wird, dass es sich um ein „durch Abfallverwertung gewonnenes Erzeugnis zum Gebrauch im Zusammenhang mit der Herstellung von Biodiesel“ handelt.

21      Mit Entscheidung vom 25. Mai 2017 wurde der Antrag von Prato Nevoso mit der Begründung abgelehnt, dass dieses Pflanzenöl nicht von der Liste in Anhang X Teil II Abschnitt 4 zu Teil V des Decreto legislativo Nr. 152/2006 erfasst werde, in der die Kategorien von Brennstoffen aus Biomasse genannt würden, die in einer Luftschadstoffe ausstoßenden Anlage verwendet werden könnten, ohne dass die Vorschriften über die energetische Verwertung von Abfall eingehalten werden müssten (im Folgenden: Liste der zugelassenen Brennstoffe). In diese Kategorien fielen nämlich nur Pflanzenöle, die aus hierfür bestimmten Kulturen oder durch ausschließlich mechanische Verfahren gewonnen würden. Daher müsse dieses Pflanzenöl gemäß Art. 293 Abs. 1 des Decreto legislativo Nr. 152/2006 als Abfall angesehen werden.

22      Prato Nevoso erhob beim vorlegenden Gericht Klage gegen diese Entscheidung und machte insbesondere geltend, dass die vorgenannten Bestimmungen mit Art. 6 der Richtlinie 2008/98 und Art. 13 der Richtlinie 2009/28 unvereinbar seien.

23      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Liste der zugelassenen Brennstoffe nur durch ein Ministerialdekret geändert werden könne, dessen Rechtsetzungsverfahren nicht mit dem Verwaltungsverfahren zur Genehmigung der Verwendung einer aus Biomasse gewonnenen Substanz als Brennstoff koordiniert sei und somit nicht im Rahmen des letzteren Verfahrens angefochten werden könne.

24      Der Antrag von Prato Nevoso sei abgelehnt worden, obwohl das im Ausgangsverfahren fragliche Pflanzenöl der für flüssige Biobrennstoffe geltenden technischen UNI‑Norm entspreche und als Brennstoff einen eigenen Markt habe und obwohl Prato Nevoso im Genehmigungsverfahren einen technischen Bericht vorgelegt habe, dem zufolge die Ersetzung des Methans durch das fragliche Pflanzenöl eine insgesamt positive Umweltbilanz aufwiese.

25      Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per il Piemonte (Verwaltungsgericht für die Region Piemont, Italien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stehen Art. 6 der Richtlinie 2008/98 und jedenfalls der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Regelung wie Art. 293 des Decreto legislativo Nr. 152/2006 und Art. 268 Buchst. eee‑bis des Decreto legislativo Nr. 152/2006 entgegen, wonach auch in einem Verfahren zur Genehmigung eines Biomassekraftwerks ein flüssiger Biobrennstoff, der die technischen Anforderungen dafür erfüllt und als Brennstoff für die Produktion beantragt wird, als Abfall einzustufen ist, wenn und solange dieser flüssige Biobrennstoff nicht in Anhang X Teil II Abschnitt 4 Paragraf 1 zu Teil V des Decreto legislativo Nr. 152/2006 aufgeführt ist, wobei dies unabhängig von negativ ausfallenden Umweltverträglichkeitsprüfungen oder etwaigen Beanstandungen in Bezug auf die technischen Spezifikationen des Erzeugnisses im Genehmigungsverfahren gilt?

2.      Stehen Art. 13 der Richtlinie 2009/28 und jedenfalls die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz und der Vereinfachung einer nationalen Regelung wie Art. 5 des Decreto legislativo Nr. 28/2011 entgegen, soweit sie für den Fall, dass eine Genehmigung zur Verwendung einer Biomasse als Brennstoff in einer Luftschadstoffe ausstoßenden Anlage beantragt wird, weder eine Koordinierung mit dem Verfahren zur Genehmigung einer solchen Nutzung als Brennstoff nach Anhang X zu Teil V des Decreto legislativo Nr. 152/2006 noch die Möglichkeit vorsieht, die in einem Globalgenehmigungsverfahren vorgeschlagene Lösung auf der Grundlage vorgegebener technischer Spezifikationen konkret zu bewerten?

 Zu den Vorlagefragen

26      Zunächst geht aus dem Wortlaut der Vorlagefragen hervor, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof ersucht, Art. 6 der Richtlinie 2008/98, Art. 13 der Richtlinie 2009/28 sowie „jedenfalls“ die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz und der Vereinfachung auszulegen.

27      Aus den von ihm dargelegten Entscheidungsgründen ergibt sich jedoch, dass das vorlegende Gericht in Wirklichkeit vom Gerichtshof wissen möchte, ob eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche zum einen mit Art. 6 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2008/98 und zum anderen mit Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2009/28 vereinbar ist.

28      Darüber hinaus enthält das Vorabentscheidungsersuchen nichts, was es ermöglichen würde, diese Frage unabhängig von diesen Vorschriften allein anhand der oben in Rn. 26 genannten Grundsätze zu untersuchen.

29      Demnach möchte das vorlegende Gericht mit seinen zusammen zu prüfenden Fragen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2008/98 und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2009/28 in der Zusammenschau dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, auf deren Grundlage ein Antrag auf Genehmigung, als Energiequelle einer Luftschadstoffe ausstoßenden Stromerzeugungsanlage Methan durch eine Substanz wie die im Ausgangsverfahren fragliche zu ersetzen, die durch chemische Behandlung pflanzlichen Altöls gewonnen wird, mit der Begründung abgelehnt werden muss, dass diese Substanz nicht in der Liste der Kategorien von hierfür zugelassenen Brennstoffen aus Biomasse aufgeführt ist und diese Liste nur durch einen innerstaatlichen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung geändert werden kann, dessen Rechtsetzungsverfahren nicht mit dem Verwaltungsverfahren zur Genehmigung der Verwendung einer aus Biomasse gewonnenen Substanz als Brennstoff koordiniert ist.

30      Nach Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2008/98 bezeichnet der Ausdruck „Abfall“ jeden Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.

31      Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/98 legt die Bedingungen fest, die spezifische Kriterien erfüllen müssen, anhand deren sich ermitteln lässt, welche Abfälle nach einem Verwertungs- oder Recyclingverfahren nicht mehr als Abfälle im Sinne von Art. 3 Nr. 1 dieser Richtlinie anzusehen sind (Urteil vom 28. März 2019, Tallinna Vesi, C‑60/18, EU:C:2019:264, Rn. 19).

32      Gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98 ist die Kommission mit dem Erlass von Anwendungsbestimmungen zu dessen Abs. 1 zum Zweck der Annahme spezieller Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft betraut (Urteil vom 28. März 2019, Tallinna Vesi, C‑60/18, EU:C:2019:264, Rn. 20). Solche Bestimmungen sind auf Ebene der Europäischen Union für das im Ausgangsverfahren in Rede stehende pflanzliche Altöl nicht erlassen worden.

33      Unter solchen Umständen können die Mitgliedstaaten, wie sich aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2008/98 ergibt, im Einzelfall entscheiden, ob bestimmte Abfälle nicht mehr als Abfälle anzusehen sind, wobei sie der Kommission die auf diesem Gebiet erlassenen Normen und technischen Vorschriften mitzuteilen haben, sofern die Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1998, L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geänderten Fassung dies erfordert (Urteil vom 28. März 2019, Tallinna Vesi, C‑60/18, EU:C:2019:264, Rn. 21).

34      Da die auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2008/98 erlassenen Maßnahmen ebenso wie die auf der Grundlage von dessen Abs. 2 erlassenen Unionsregelungen zum Ende der Abfalleigenschaft und damit zum Ende des Schutzes führen, den das Abfallrecht in Bezug auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit gewährleistet, müssen sie die Einhaltung der in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis d dieser Richtlinie festgelegten Voraussetzungen sicherstellen, insbesondere jede mögliche schädliche Auswirkung des betreffenden Stoffs oder Gegenstands auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit berücksichtigen (Urteil vom 28. März 2019, Tallinna Vesi, C‑60/18, EU:C:2019:264, Rn. 23).

35      Wie der Gerichtshof in den Rn. 24 bis 27 des Urteils vom 28. März 2019, Tallinna Vesi (C‑60/18, EU:C:2019:264), entschieden hat, darf ein Mitgliedstaat, wenn auf Unionsebene für eine bestimmte Art von Abfällen keine harmonisierten Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft bestehen, den Standpunkt einnehmen, dass, auch wenn die Erfüllung der Voraussetzungen für das Ende der Abfalleigenschaft nicht von vornherein ausgeschlossen ist, die Einhaltung dieser Voraussetzungen nur durch Festlegung von Kriterien in einem innerstaatlichen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung gewährleistet werden kann. Auch darf ein Mitgliedstaat unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände sowie des neuesten Standes der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse entscheiden, für bestimmte Arten von Abfällen weder Kriterien noch die Möglichkeit einer Einzelfallentscheidung zur Feststellung des Endes der Abfalleigenschaft vorzusehen.

36      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 46 bis 55 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verfügen die Mitgliedstaaten nämlich über ein weites Ermessen sowohl hinsichtlich der Festlegung geeigneter Verfahrensmodalitäten als auch in Bezug auf die inhaltliche Prüfung der Einhaltung der Voraussetzungen für das Ende der Abfalleigenschaft, die seitens der zuständigen nationalen Behörden komplexe technische und wissenschaftliche Wertungen voraussetzt.

37      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass sich nicht bereits anhand der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 vorgesehenen Bedingungen, die spezifische Kriterien erfüllen müssen, anhand deren sich ermitteln lässt, welche Abfälle nach einem Verwertungs- oder Recyclingverfahren nicht mehr als Abfälle im Sinne von Art. 3 Nr. 1 dieser Richtlinie anzusehen sind, unmittelbar feststellen lässt, dass bestimmte Abfälle oder Kategorien von Abfällen nicht mehr als solche anzusehen sind (Urteil vom 28. März 2019, Tallinna Vesi, C‑60/18, EU:C:2019:264, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Somit berechtigt Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2008/98 einen Abfallbesitzer grundsätzlich nicht, von der zuständigen Behörde oder einem Gericht des Mitgliedstaats die Feststellung des Endes der Abfalleigenschaft zu verlangen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Tallinna Vesi, C‑60/18, EU:C:2019:264, Rn. 30).

39      Demnach schließt das Unionsrecht grundsätzlich nicht aus, dass die Verwendung einer aus Abfall gewonnenen Substanz als Brennstoff in einer Luftschadstoffe ausstoßenden Anlage den nationalen Vorschriften über die energetische Verwertung von Abfall unterworfen werden muss, weil diese Substanz in keine der in der Liste der zugelassenen Brennstoffe aufgeführten Kategorien fällt, wobei vorgesehen ist, dass diese Liste nur durch einen innerstaatlichen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung, wie etwa ein Ministerialdekret, geändert werden kann.

40      Diese Feststellung wird nicht durch Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2009/28 in Frage gestellt, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass einzelstaatliche Vorschriften für die Genehmigungs‑, Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren, die auf Anlagen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende angewandt werden, verhältnismäßig, notwendig, koordiniert und festgelegt sind. Denn wie der Generalanwalt in Nr. 93 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, betrifft diese Bestimmung nicht die von Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2008/98 erfassten Rechtsetzungsverfahren zum Erlass von Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft.

41      Im vorliegenden Fall hat die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Rechtslage, da das fragliche Pflanzenöl nicht in der Liste der zugelassenen Brennstoffe aufgeführt wird, zur Folge, dass diese Substanz nicht als Brennstoff, sondern als Abfall gilt.

42      Es ist dafür Sorge zu tragen, dass diese Rechtslage der Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2008/98 nicht zuwiderläuft, wie etwa der Förderung der Anwendung der nach Art. 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Abfallhierarchie oder, wie aus den Erwägungsgründen 8 und 29 dieser Richtlinie ersichtlich, der Verwertung von Abfällen und der Verwendung verwerteter Materialien zur Erhaltung der natürlichen Rohstoffquellen und zur Schaffung einer Recycling-Wirtschaft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Tallinna Vesi, C‑60/18, EU:C:2019:264, Rn. 27).

43      Insoweit ist, wie der Generalanwalt in den Nrn. 57 und 61 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, zu überprüfen, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Situation nicht aus einem offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf die fehlende Erfüllung der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 genannten Voraussetzungen resultiert. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob der Mitgliedstaat, ohne einen solchen Fehler zu begehen, zu dem Schluss gelangen konnte, dass nicht erwiesen sei, dass die Verwendung des im Ausgangsverfahren fraglichen Pflanzenöls unter solchen Umständen die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erfülle und insbesondere frei von jeder möglichen schädlichen Auswirkung auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit sei.

44      Es ist Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts zuständig ist, zu klären, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, und insbesondere zu prüfen, ob die Nichtaufnahme dieses Pflanzenöls in die Liste der zugelassenen Brennstoffe aus einer gerechtfertigten Anwendung des Vorsorgeprinzips resultiert.

45      Jedoch kann der Gerichtshof gemäß seiner ständigen Rechtsprechung dem vorlegenden Gericht jeden Hinweis erteilen, der für die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit sachdienlich ist (Urteil vom 26. Oktober 2017, BB construct, C‑534/16, EU:C:2017:820, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      So ist unter Berücksichtigung der Ausführungen in Rn. 42 des vorliegenden Urteils dafür Sorge zu tragen, dass die Aktualisierung der Liste der zugelassenen Brennstoffe so erfolgt, dass die Zielsetzung der Richtlinie 2008/98 nicht beeinträchtigt wird, nämlich, wie aus ihrem Art. 1 hervorgeht, der Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit durch Vermeidung oder Verringerung der schädlichen Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen sowie durch Verbesserung der Effizienz der Abfallbewirtschaftung und Ressourcennutzung.

47      Erstens geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass in der Genehmigung, die ALSO erteilt wurde, die technischen, physikalisch-chemischen und die Energieeffizienz betreffenden Eigenschaften benannt werden, die die von dieser Gesellschaft gewonnenen Substanzen aufweisen müssen, um die Abfalleigenschaft zu verlieren, wobei klargestellt wird, dass diese Eigenschaften strikt mit der Herstellung von Biodiesel zusammenhängen, zu der diese Substanzen gemäß dieser Genehmigung bestimmt sind.

48      Die italienische Regierung macht überdies geltend, der Umstand, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende flüssige Biobrennstoff, der durch chemische Behandlung pflanzlichen Altöls gewonnen werde, zwar für die Herstellung von Biodiesel, nicht aber als Brennstoff in Biomasse-Anlagen verwendet werden dürfe, rechtfertige sich dadurch, dass im ersteren Fall keine unmittelbare Verwendung der Flüssigkeit als Brennstoff erfolge, was hingegen der Fall sei, wenn sie in Luftschadstoffe ausstoßenden Anlagen verwendet werde.

49      Die Provinz Cuneo und die italienische Regierung berufen sich insoweit auf die Beachtung des Vorsorgeprinzips. Ihrer Auffassung nach lässt sich nicht mit einem angemessenen Grad an wissenschaftlicher Gewissheit ausschließen, dass die Verwendung des Pflanzenöls als Brennstoff in einem Blockheizkraftwerk insgesamt negative Auswirkungen auf die Umwelt oder die menschliche Gesundheit hätte.

50      Wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, bedeutet die Feststellung der zuständigen nationalen Behörde, dass ein bestimmter Abfall, sofern gewisse Kriterien erfüllt seien, für eine bestimmte Verwendung die Abfalleigenschaft verliere, nicht, dass dieser Abfall auch dann nicht mehr als solcher anzusehen ist, wenn er zu anderen Zwecken verwendet wird. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die Einhaltung der in Art. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 der Richtlinie 2008/98 genannten Voraussetzungen davon abhängt, welche spezifische Behandlung und welche spezifischen Verwendungen beabsichtigt sind, was bedeutet, dass die Einhaltung für jede dieser Verwendungen separat zu prüfen ist.

51      Zweitens geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die zuständigen nationalen Behörden anerkannt haben, dass der Austausch des Brennstoffs insofern eine positive Umweltbilanz aufweise, als sie zu einer Verringerung der mit der Verbrennung von Methan verbundenen Emissionen führen könne.

52      Allerdings ist der Umstand, dass die Verwendung des Pflanzenöls zu einer Verringerung der mit der Verbrennung von Methan verbundenen Emissionen führen würde, nicht als Nachweis dafür geeignet, dass dieses Öl verwendet werden kann, ohne die menschliche Gesundheit zu gefährden und die Umwelt zu schädigen.

53      Gleiches gilt für den Umstand, dass das Pflanzenöl der für flüssige Biobrennstoffe geltenden technischen UNI-Norm entspricht.

54      Diese Umstände lassen nämlich, was mögliche Emissionen anderer Schadstoffe durch Abfallverbrennung betrifft, etwaige Umweltauswirkungen unberührt, die sich aus der Verbrennung von Pflanzenöl wie dem hier in Rede stehenden ergeben.

55      Daher müsste gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2008/98 festgestellt werden, dass die Verwendung des Stoffs außerhalb der abfallrechtlichen Regelungen keine schädlicheren Umwelt- und Gesundheitsfolgen hat als die Verwendung unter Beachtung dieser Regelungen.

56      Die italienische Regierung macht außerdem geltend, dass bei der Verbrennung solchen Öls in einer derartigen Anlage die darin enthaltenen chemischen Reagenzien in weit größerem Ausmaß in die Atmosphäre freigesetzt würden, als wenn sie als Inhaltsstoff von Biodiesel verbrannt würden. In der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur werde nicht ausgeschlossen, dass die Verbrennung chemisch behandelten pflanzlichen Altöls, das in einer Luftschadstoffe ausstoßenden Anlage als Brennstoff verwendet werde, mit Risiken für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit verbunden sei. Diese Risiken seien potenziell größer als die, die mit der Verwendung solchen Öls zur Herstellung von Biodiesel einhergingen.

57      Es ist festzustellen, dass ein gewisser Grad an wissenschaftlicher Ungewissheit in Bezug auf die Umweltrisiken, die mit dem Ende der Abfalleigenschaft eines Stoffs wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Öl verbunden sind, einen Mitgliedstaat dazu veranlassen kann, mit Rücksicht auf das Vorsorgeprinzip zu entscheiden, diesen Stoff nicht in der Liste der zugelassenen Brennstoffe aufzuführen.

58      Wenn die Prüfung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten eine Ungewissheit darüber bestehen lässt, ob die unter spezifischen Umständen erfolgende Verwendung eines durch Abfallverwertung gewonnenen Stoffs frei von jeder möglichen schädlichen Auswirkung auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit ist, muss der Mitgliedstaat nämlich gemäß dem in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankerten Vorsorgeprinzip davon absehen, Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft dieses Stoffs oder die Möglichkeit, eine Einzelfallentscheidung zur Feststellung dieses Endes zu erlassen, vorzusehen.

59      Nach alledem ist auf die Fragen des vorlegenden Gerichts zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2008/98 und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2009/28 in der Zusammenschau dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung, auf deren Grundlage ein Antrag auf Genehmigung, als Energiequelle einer Luftschadstoffe ausstoßenden Stromerzeugungsanlage Methan durch eine Substanz wie die im Ausgangsverfahren fragliche zu ersetzen, die durch chemische Behandlung pflanzlichen Altöls gewonnen wird, mit der Begründung abgelehnt werden muss, dass diese Substanz nicht in der Liste der Kategorien von hierfür zugelassenen Brennstoffen aus Biomasse aufgeführt ist und diese Liste nur durch einen innerstaatlichen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung geändert werden kann, dessen Rechtsetzungsverfahren nicht mit dem Verwaltungsverfahren zur Genehmigung der Verwendung einer aus Biomasse gewonnenen Substanz als Brennstoff koordiniert ist, nicht entgegenstehen, wenn der Mitgliedstaat, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, es für nicht erwiesen halten konnte, dass die Verwendung dieses Pflanzenöls unter solchen Umständen den in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 vorgesehenen Voraussetzungen genügt und insbesondere frei von jeder möglichen schädlichen Auswirkung auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

 Kosten

60      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 6 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG in der durch die Richtlinie (EU) 2015/1513 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 geänderten Fassung sind in der Zusammenschau dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, auf deren Grundlage ein Antrag auf Genehmigung, als Energiequelle einer Luftschadstoffe ausstoßenden Stromerzeugungsanlage Methan durch eine Substanz wie die im Ausgangsverfahren fragliche zu ersetzen, die durch chemische Behandlung pflanzlichen Altöls gewonnen wird, mit der Begründung abgelehnt werden muss, dass diese Substanz nicht in der Liste der Kategorien von hierfür zugelassenen Brennstoffen aus Biomasse aufgeführt ist und diese Liste nur durch einen innerstaatlichen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung geändert werden kann, dessen Rechtsetzungsverfahren nicht mit dem Verwaltungsverfahren zur Genehmigung der Verwendung einer aus Biomasse gewonnenen Substanz als Brennstoff koordiniert ist, nicht entgegenstehen, wenn der Mitgliedstaat, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, es für nicht erwiesen halten konnte, dass die Verwendung dieses Pflanzenöls unter solchen Umständen den in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 vorgesehenen Voraussetzungen genügt und insbesondere frei von jeder möglichen schädlichen Auswirkung auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.