Language of document : ECLI:EU:T:2022:728

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

30. November 2022(*)

„Staatliche Beihilfen – Kernindustrie – Von Ungarn geplante Beihilfe für die Entwicklung zweier neuer Kernreaktoren am Standort Paks – Beschluss, mit dem die Beihilfe vorbehaltlich der Erfüllung bestimmter Verpflichtungen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV – Vereinbarkeit der Beihilfe mit nicht beihilferechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts – Untrennbare Verbindung – Förderung der Kernenergie – Art. 192 Abs. 1 des Euratom-Vertrags – Grundsatz des Umweltschutzes, Verursacherprinzip, Vorsorgeprinzip, Grundsatz der Nachhaltigkeit – Bestimmung der betroffenen wirtschaftlichen Tätigkeit – Marktversagen – Verzerrung des Wettbewerbs – Verhältnismäßigkeit der Beihilfe – Erforderlichkeit staatlicher Maßnahmen – Ermittlung der Beihilfeelemente – Vergabeverfahren – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑101/18,

Republik Österreich, vertreten durch J. Schmoll, F. Koppensteiner, M. Klamert und T. Ziniel als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt H. Kristoferitsch,

Klägerin,

unterstützt durch

Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch A. Germeaux und T. Schell als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt P. Kinsch,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch K. Blanck, K. Herrmann und P. Němečková als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil, T. Müller, J. Pavliš und L. Halajová als Bevollmächtigte,

durch

Französische Republik, vertreten durch E. de Moustier und P. Dodeller als Bevollmächtigte,

durch

Ungarn, vertreten durch M. Fehér als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt P. Nagy, Rechtsanwältin N. Gràcia Malfeito, Rechtsanwalt B. Karsai und C. Bellamy, KC,

durch

Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

durch

Slowakische Republik, vertreten durch S. Ondrášiková als Bevollmächtigte,

durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch F. Shibli, L. Baxter und S. McCrory als Bevollmächtigte im Beistand von T. Johnston, Barrister,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, des Richters G. De Baere und der Richterin G. Steinfatt (Berichterstatterin),

Kanzler: A. Juhász-Tóth, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2022

folgendes

Urteil(1)

1        Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragt die Republik Österreich die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2017/2112 der Kommission vom 6. März 2017 über die von Ungarn geplante Maßnahme/Beihilferegelung/Staatliche Beihilfe SA.38454 – 2015/C (ex 2015/N) für den Bau von zwei Kernreaktoren im Atomkraftwerk Paks II (ABl. 2017, L 317, S. 45, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

2        Am 22. Mai 2015 meldete Ungarn bei der Europäischen Kommission unter dem Aktenzeichen C(2017) 1486 eine Maßnahme zur Gewährung eines finanziellen Beitrags zur Entwicklung von zwei neuen Kernreaktoren (Blöcke 5 und 6) am Standort des Kernkraftwerks Paks in Ungarn an, an dem bereits vier Kernreaktoren betrieben werden. Begünstigte der angemeldeten Maßnahme ist die Gesellschaft MVM Paks II Nuclear Power Plant Development Private Company Limited by Shares (im Folgenden: Gesellschaft Paks II), die Eigentümerin und Betreibergesellschaft der beiden neuen Kernreaktoren werden soll. Die Gesellschaft Paks II gehört zu 100 % dem ungarischen Staat, auf den die Anteile an dieser Gesellschaft, die ursprünglich vollständig von der Stromhandels- und ‑erzeugungsgesellschaft Magyar Villamos Művek Zártkörűen Működő Részvénytársaság (im Folgenden: MVM-Gruppe) gehalten worden waren, im November 2014 übertragen wurden.

3        Am 23. November 2015 beschloss die Kommission, hinsichtlich der angemeldeten Maßnahme ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten (ABl. 2016, C 8, S. 2, im Folgenden: Einleitungsbeschluss).

4        Am 6. März 2017 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss.

5        Die von Ungarn angemeldete Maßnahme ist dort in Abschnitt 2 beschrieben. Es handelt sich um die Entwicklung zweier Kernreaktoren des russischen Typs WWER 1200 (V491) der Generation III+ (Blöcke 5 und 6) in Ungarn, die mit der Technologie der Wasserkühlung und ‑moderation und mit einer installierten Kapazität von mindestens 1 000 Megawatt (MW) pro Block ausgestattet sind und deren Bau zugunsten der Gesellschaft Paks II, die Eigentümerin und Betreiberin der neuen Reaktoren sein wird, vollständig vom ungarischen Staat finanziert wird. An diesem Standort sind bereits vier Kernreaktoren in Betrieb. Diese Reaktoren stehen zu 100 % im Eigentum der MVM-Gruppe, die wiederum im Eigentum des ungarischen Staates steht. Die installierte Kapazität der vier bestehenden, mit der russischen Technologie WWER‑440(V213) ausgestatteten Blöcke des Kraftwerks beläuft sich insgesamt auf 2 000 MW. Diese Reaktoren sollen sukzessive bis 2037 stillgelegt werden, um durch die beiden neuen Reaktoren ersetzt zu werden, die im Jahr 2025 bzw. 2026 in Betrieb gehen sollen.

6        Gemäß einem zwischenstaatlichen Abkommen über die Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung von Kernenergie, das am 14. Januar 2014 zwischen der Russischen Föderation und der ungarischen Regierung geschlossen wurde, kooperieren beide Länder im Rahmen eines Kernenergieprogramms bei der Instandhaltung und der Weiterentwicklung des gegenwärtigen Atomkraftwerks Paks. Nach diesem Abkommen benennen die Russische Föderation und Ungarn jeweils eine erfahrene, in staatlichem Eigentum stehende und vom Staat kontrollierte Organisation, die als Auftragnehmerin bzw. Eigentümerin finanziell und technisch für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Bezug auf die Planung, den Bau, die Inbetriebnahme und die Stilllegung der beiden neuen Reaktoren 5 und 6 des Typs WWER verantwortlich ist. Die Russische Föderation benannte die Aktiengesellschaft Nizhny Novgorod Engineering Company Atomenergoproekt (im Folgenden: JSC NIAEP) für den Bau der neuen Reaktoren; als Eigentümerin und Betreibergesellschaft der beiden Reaktoren benannte Ungarn die Gesellschaft Paks II. Zu diesem Zweck unterzeichneten JSC NIAEP und die Gesellschaft Paks II am 9. Dezember 2014 ein Abkommen, das einen Vertrag über die Entwicklung, den Kauf und den Bau der beiden am Standort des Kernkraftwerks Paks zu errichtenden neuen Reaktoren 5 und 6 zum Gegenstand hat.

7        In dem zwischenstaatlichen Abkommen verpflichtete sich die Russische Föderation, Ungarn ein staatliches Darlehen zur Finanzierung der Entwicklung der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks zu gewähren. Dieses Darlehen unterliegt dem zwischenstaatlichen Finanzierungsabkommen vom 28. März 2014 und sieht eine revolvierende Kreditfazilität von 10 Mrd. Euro vor, die ausschließlich für die Planung, den Bau und die Inbetriebnahme der neuen Reaktoren 5 und 6 des Kernkraftwerks Paks eingesetzt wird. Einen weiteren Betrag von bis zu 2,5 Mrd. Euro zur Finanzierung der erwähnten Investitionen wird Ungarn aus eigenen Mitteln aufbringen.

8        Ungarn wird die erforderlichen Mittel für die Zahlung des Kaufpreises für die beiden neuen Reaktoren nicht auf die Konten der Gesellschaft Paks II übertragen. Diese Mittel werden größtenteils von der Vnesheconombank (russische Bank für Außenwirtschaft) gehalten. Für jeden als erfüllt betrachteten Meilenstein beantragt die Gesellschaft Paks II bei der russischen Bank für Außenwirtschaft die Auszahlung von 80 % des jeweils fälligen Betrags unmittelbar an JSC NIAEP. Außerdem beantragt die Gesellschaft bei der ungarischen Staatlichen Behörde für Schuldenverwaltung die Zahlung der übrigen 20 %.

9        Im angefochtenen Beschluss stellte die Kommission fest, dass die angemeldete Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle und dass die Art. 107 und 108 AEUV anwendbar seien, wenngleich die fragliche Investition in den Anwendungsbereich des Euratom-Vertrags falle. Hinsichtlich der direkten Vergabe des Auftrags für den Bau der beiden neuen Reaktoren an das Unternehmen JSC NIAEP stellte die Kommission fest, dass diese nicht zu einer zusätzlichen Verfälschung des Wettbewerbs und einer Beeinträchtigung des Handels auf dem relevanten Markt, nämlich dem Strommarkt, führen könne. In einem eigenen Verfahren sei geprüft worden, ob Ungarn das Vergaberecht eingehalten habe. Die Kommission befand, dass die in Rede stehende, auf die Förderung der Kernenergie abzielende Maßnahme einem im Euratom-Vertrag verankerten Ziel von gemeinsamem Interesse diene und zudem zur Sicherheit der Stromversorgung beitrage und dass grundsätzlich nur begrenzte Wettbewerbsverfälschungen in Betracht kämen und diese Verfälschungen durch das ermittelte Ziel von gemeinsamem Interesse ausgeglichen würden; dieses Ziel werde insbesondere angesichts der von Ungarn während des Verfahrens gemachten Zusagen in verhältnismäßiger Weise erreicht. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die in Rede stehende Maßnahme in der von Ungarn am 28. Juli 2016 geänderten Form vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 3 des angefochtenen Beschlusses nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Art. 3 des angefochtenen Beschlusses verpflichtet Ungarn, mehrere Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass die Gesellschaft Paks II bestimmte Verpflichtungen und Beschränkungen einhält, die insbesondere ihre (Re-)Investitionsstrategie, den Betrieb einer Auktionsplattform sowie ihre rechtliche und strukturelle Autonomie betreffen.

 Anträge der Parteien

10      Die Republik Österreich, unterstützt durch das Großherzogtum Luxemburg, beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

11      Die Kommission, unterstützt durch die Tschechische Republik und die Slowakische Republik, beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Republik Österreich die Kosten aufzuerlegen.

12      Die Französische Republik, Ungarn, die Republik Polen sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragen, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

13      Die Republik Österreich stützt ihre Klage auf zehn Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie geltend, dass der Bau der beiden neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Mit dem zweiten Klagegrund wird eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV gerügt, da mit dem Bau und der Inbetriebnahme der beiden neuen Reaktoren kein Ziel von gemeinsamem Interesse verfolgt werde. Mit dem dritten Klagegrund wird eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV gerügt, die zum einen auf einer unrichtigen Abgrenzung des „Wirtschaftszweigs“ und zum anderen auf der verfehlten Annahme eines Marktversagens beruhe. Mit dem vierten Klagegrund soll die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme dargetan werden. Mit dem fünften Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, die fragliche Maßnahme führe zu unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen und Ungleichbehandlungen, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar seien. Mit dem sechsten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, dass die in Rede stehende Maßnahme eine Investition in ein „Projekt in Schwierigkeiten“ darstelle, was ebenfalls den Wettbewerb in unverhältnismäßiger Weise verfälsche, da die Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 2014, C 249, S. 1, im Folgenden: Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten) nicht eingehalten worden seien. Mit dem siebten Klagegrund wird eine Verstärkung oder Schaffung einer beherrschenden Stellung auf dem Strommarkt geltend gemacht. Der achte Klagegrund betrifft ein Liquiditätsrisiko für den ungarischen Stromgroßhandelsmarkt. Mit dem neunten Klagegrund wird eine unzureichende Determinierung der staatlichen Beihilfe gerügt. Der zehnte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen die Begründungspflicht.

14      Die Republik Österreich hat in der mündlichen Verhandlung auf den zweiten und den dritten Klagegrund verzichtet, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist. Daraus folgt, dass diese Klagegründe nicht mehr geprüft zu werden brauchen.

 Zum ersten Klagegrund: Fehlende Durchführung eines Vergabeverfahrens

15      Mit ihrem ersten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, der angefochtene Beschluss sei rechtswidrig, da der zugunsten der Gesellschaft Paks II erfolgte Bau der neuen Kernreaktoren nicht öffentlich ausgeschrieben worden sei. Sie bringt vor, dass die unmittelbare Beauftragung von JSC NIAEP mit der Entwicklung und dem Bau der beiden neuen Reaktoren ohne Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung eine Verletzung der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) bzw. der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. 2014, L 94, S. 243) darstelle. Der angefochtene Beschluss sei somit aufgrund der Verletzung von grundlegenden Vergabevorschriften, deren Einhaltung untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe zusammenhänge, nichtig.

16      Ein Beihilfeverfahren dürfe nach dem Sinn und Zweck des AEU‑Vertrags niemals zu einem Ergebnis führen, das zu den besonderen Vorschriften dieses Vertrags in Widerspruch stehe. Andere Vorschriften des Vertrags als jene über staatliche Beihilfen seien besonders dann zu beachten, wenn mit diesen anderen Vorschriften, wie etwa den vergaberechtlichen, ebenfalls das Ziel der Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts und eines effizienten Einsatzes staatlicher Mittel verfolgt werde.

17      Die Unionsrechtswidrigkeit der Beihilfemodalitäten, die mit dem Gegenstand und dem Zweck der Beihilfe untrennbar verknüpft seien, schlage notwendig auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt durch. Etwas anderes gelte nur für solche Bestandteile einer Beihilfe, die zur Verwirklichung ihres Zwecks oder zu ihrem Funktionieren nicht unerlässlich seien.

18      Im vorliegenden Fall stelle die Beauftragung von JSC NIAEP mit dem Bau der neuen Reaktoren eine untrennbar mit dem Gegenstand der Beihilfe verbundene Modalität dar. Ein Auswahlwettbewerb hätte zu einer völlig anderen Beihilfe führen können, insbesondere im Hinblick auf deren Höhe und Ausgestaltung.

19      Dass nicht JSC NIAEP, sondern die Gesellschaft Paks II als künftige Eigentümerin und Betreiberin der beiden neuen Kernreaktoren Begünstigte der Beihilfe ist, ist nach Ansicht der Republik Österreich in diesem Zusammenhang nicht relevant. Die Kommission habe in den Erwägungsgründen 281 und 283 des angefochtenen Beschlusses die Untrennbarkeit der Verbindung zwischen der direkten Vergabe des Bauauftrags einerseits und dem Gegenstand und Zweck der Beihilfe andererseits zu Unrecht mit dem Argument verneint, dass durch die mögliche Verletzung der Richtlinie 2014/25 keine zusätzliche verfälschende Wirkung auf den Wettbewerb und auf den Handel auf dem Strommarkt festgestellt worden sei, denn eine solche zusätzliche Verfälschung werde in keiner Weise verlangt.

20      Die Republik Österreich, unterstützt durch das Großherzogtum Luxemburg, fügt hinzu, dass es im Licht des Urteils vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), jedenfalls keine Rolle spiele, ob es sich im Falle der streitgegenständlichen Beihilfe um eine „untrennbare Modalität“ oder überhaupt um eine „Modalität“ der Beihilfe handle, da ganz allgemein eine staatliche Beihilfe, die gegen Bestimmungen oder allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstoße, nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden dürfe. Daraus folge, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die Maßnahme anhand der unionsrechtlichen Vergaberechtsvorschriften beurteilen hätte müssen. Sie hätte daraufhin feststellen müssen, dass der Bauauftrag nicht gemäß Art. 20 Abs. 1 bzw. Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 von deren Anwendungsbereich ausgenommen sei und die direkte Vergabe des Bauauftrags daher eine gravierende Verletzung dieser Richtlinie darstelle.

21      Die Verletzung der zwingenden Vorgaben der Richtlinie 2014/25 sei schon für sich genommen geeignet, das Ausmaß und die Gestalt der Beihilfe für die Gesellschaft Paks II zu beeinflussen, so dass der angefochtene Beschluss auch aus diesem Grund rechtswidrig sei.

22      Erstens beanstandet die Republik Österreich, dass die Kommission im 285. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf das von ihr eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren verweise. Das Ergebnis des Vertragsverletzungsverfahrens sei weder für das Verfahren gemäß Art. 108 AEUV noch für die vorliegende Klage präjudiziell. Die Kommission dürfe die Prüfung von Beihilfemodalitäten, zu deren Beurteilung sie im Rahmen von Art. 108 AEUV verpflichtet sei, nicht vom Ergebnis eines Verfahrens nach Art. 258 AEUV abhängig machen, dessen Einleitung bzw. Fortführung eine Ermessensentscheidung sei.

23      Zweitens führe die Kommission nicht näher aus, warum sie davon ausgehe, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 vorlägen, die die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung beträfen. Die Republik Österreich weist darauf hin, dass Ausnahmen eng auszulegen seien. Außerdem obliege die Beweislast derjenigen Partei, die sich auf die fragliche Ausnahme berufe.

24      Die Kommission, Ungarn, die Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich und die Französische Republik treten dem Vorbringen der Republik Österreich und des Großherzogtums Luxemburg entgegen.

25      Als Erstes ist festzustellen, dass die Kommission in Abschnitt 5.3.2 des angefochtenen Beschlusses (Erwägungsgründe 279 bis 287) die Vereinbarkeit der Beihilfe mit anderen Vorschriften des Unionsrechts als den Beihilfevorschriften geprüft hat. Dem 280. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zufolge ist die Kommission davon ausgegangen, dass sie verpflichtet sei, entsprechend dem Sinn und Zweck des AEU‑Vertrags den Zusammenhang zwischen den Regelungen über die staatlichen Beihilfen und besonderen anderen als die staatlichen Beihilfen betreffenden Vorschriften zu beachten und somit die Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit den besonderen Vorschriften zu beurteilen, dass jedoch eine solche Pflicht sie ausschließlich dann treffe, wenn es sich um Modalitäten einer Beihilfe handle, die derart untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verknüpft seien, dass sie nicht für sich allein beurteilt werden könnten. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 3. Dezember 2014, Castelnou Energía/Kommission (T‑57/11, EU:T:2014:1021), hat die Kommission ausgeführt, eine ihr obliegende Verpflichtung, im Rahmen eines Verfahrens auf dem Gebiet der Beihilfen endgültig einen Verstoß gegen andere Bestimmungen des Unionsrechts als die Art. 107 und 108 AEUV zu bejahen oder zu verneinen, verstieße zum einen gegen die teilweise stark divergierenden und mit unterschiedlichen Rechtswirkungen ausgestatteten Verfahrensvorschriften und ‑garantien, die für die speziell zur Kontrolle der Anwendung dieser Vorschriften vorgesehenen Verfahren gälten, und zum anderen gegen den Grundsatz der Autonomie der Verwaltungsverfahren und Rechtsbehelfe. Wenn die fragliche Modalität der Beihilfe untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verbunden sei, sei ihre Vereinbarkeit mit anderen als die staatliche Beihilfen regelnden Vorschriften nach dieser Rechtsprechung somit im Rahmen des in Art. 108 AEUV vorgesehenen Verfahrens zu beurteilen, und diese Beurteilung könne dazu führen, dass die betreffende Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werde. Könne hingegen die fragliche Modalität vom Gegenstand der Beihilfe losgelöst werden, sei die Kommission nicht verpflichtet, diese im Rahmen dieses Verfahrens auf ihre Vereinbarkeit mit anderen als die staatliche Beihilfen betreffenden Vorschriften zu prüfen.

26      Sodann hat die Kommission im 281. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angenommen, die Bewertung der Vereinbarkeit der angemeldeten Maßnahme mit dem Binnenmarkt könnte durch eine mögliche Unvereinbarkeit mit der Richtlinie 2014/25 beeinträchtigt werden, wenn eine zusätzliche Verfälschung des Wettbewerbs und eine Beeinträchtigung des Handels auf dem Strommarkt (dem Markt, auf dem die Gesellschaft Paks II als durch die Beihilfe begünstigtes Unternehmen tätig sei) festgestellt würde. Da eine solche zusätzliche verfälschende Wirkung, die auf einen Verstoß gegen die Richtlinie 2014/25 zurückzuführen wäre, nicht festgestellt worden sei, gebe es keine „untrennbare Verbindung“ zwischen dem etwaigen Verstoß gegen die Richtlinie 2014/25 und dem Zweck der Beihilfe, so dass dieser etwaige Verstoß keine Auswirkungen auf die Bewertung der Vereinbarkeit der Beihilfe haben könne (Erwägungsgründe 283 und 284 des angefochtenen Beschlusses).

27      Zum Vorbringen der Republik Österreich zum Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), ist erstens festzustellen, dass sich insbesondere aus den Rn. 40, 44 und 45 dieses Urteils ergibt, dass die durch die Beihilfe geförderte wirtschaftliche Tätigkeit mit dem Unionsrecht vereinbar sein muss. Im Rahmen des ersten Klagegrundes ist jedoch nicht geltend gemacht worden, dass die geförderte wirtschaftliche Tätigkeit, nämlich die Erzeugung von Kernenergie, gegen Unionsrecht verstoße.

28      Zweitens lassen sich keine Schlussfolgerungen daraus ziehen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), nicht geprüft hat, ob eine untrennbare Verbindung vorlag, und zwar deshalb, weil sich in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, der behauptete Verstoß gegen Grundsätze des Unionsrechts aus dem eigentlichen Zweck der Beihilfe, nämlich der Entwicklung eines Kernkraftwerks, ergab. Es stellte sich somit nicht die Frage, ob eine Verbindung mit einer vom Zweck der Beihilfe verschiedenen Modalität dieser Beihilfe bestand.

29      Drittens geht entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich aus dem Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), nicht hervor, dass der Gerichtshof beabsichtigt hätte, den Umfang der Kontrolle zu erweitern, die der Kommission im Rahmen eines Verfahrens zur Prüfung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt obliegt. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 15. April 2008, Nuova Agricast (C‑390/06, EU:C:2008:224, Rn. 50 und 51), hat der Gerichtshof nämlich in Rn. 44 des Urteils vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), darauf hingewiesen, dass er bereits entschieden hat, dass eine staatliche Beihilfe, die gegen Bestimmungen oder allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstößt, nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden kann. Dieser Grundsatz entspricht tatsächlich der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, wie die Verweise in Rn. 50 des Urteils vom 15. April 2008, Nuova Agricast (C‑390/06, EU:C:2008:224), belegen.

30      Da der Gerichtshof in Rn. 44 des Urteils vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), auf eine ständige Rechtsprechung Bezug genommen hat, lässt folglich nichts darauf schließen, dass er seine Rechtsprechung aufgeben wollte, nach der zwischen solchen Modalitäten, die eine untrennbare Verbindung mit dem Zweck der Beihilfe aufweisen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, unterschieden werden muss.

31      Im Übrigen verstieße eine Verpflichtung der Kommission, im Rahmen eines Verfahrens auf dem Gebiet der Beihilfen endgültig einen Verstoß gegen andere Bestimmungen des Unionsrechts als die Art. 107 und 108 AEUV zu bejahen oder zu verneinen, zum einen gegen die teilweise stark divergierenden und mit unterschiedlichen Rechtswirkungen ausgestatteten Verfahrensvorschriften und ‑garantien, die für die speziell zur Kontrolle der Anwendung dieser Vorschriften vorgesehenen Verfahren gelten, und zum anderen gegen den Grundsatz der Autonomie der Verwaltungsverfahren und Rechtsbehelfe (Urteil vom 12. Februar 2008, BUPA u. a./Kommission, T‑289/03, EU:T:2008:29, Rn. 313 und 314; vgl. auch Urteil vom 3. Dezember 2014, Castelnou Energía/Kommission, T‑57/11, EU:T:2014:1021, Rn. 183 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 1993, Matra/Kommission, C‑225/91, EU:C:1993:239, Rn. 44).

32      Daher ist die Auslegung der Republik Österreich zurückzuweisen, wonach die Kommission angesichts des Urteils vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), nunmehr verpflichtet sei, alle Modalitäten der Beihilfe oder alle mit der Beihilfe zusammenhängenden Umstände, auch wenn sie keine untrennbare Verbindung mit der Beihilfe aufweisen, dahin zu prüfen, ob sie gegen Bestimmungen oder allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstoßen.

33      Hinzu kommt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um zwei unterschiedliche Verfahren geht, die beide in die Zuständigkeit der Kommission fallen und deren jeweilige Vorschriften sie zu beachten hat, die Gefahr eines Widerspruchs oder eines Verstoßes gegen die Vorschriften dieser Verfahren bestünde, wenn die Kommission verpflichtet wäre, dieselbe Beihilfemodalität sowohl im Rahmen des Verfahrens über die Genehmigung der fraglichen Beihilfe als auch im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens zu beurteilen.

34      Daraus folgt, dass der Kommission kein Rechtsfehler unterlaufen ist, als sie festgestellt hat, dass ihre Kontrolle im Rahmen des Verfahrens nach Art. 108 AEUV auf die Beihilfemaßnahme selbst und auf die mit dieser untrennbar verbundenen Modalitäten zu beschränken ist.

35      Als Zweites macht die Republik Österreich zu Unrecht geltend, der Umstand, dass JSC NIAEP mit dem Bau der neuen Reaktoren beauftragt worden sei, stelle eine Modalität dar, die untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verbunden sei, weil ein Auswahlwettbewerb zu einer völlig anderen Beihilfe hätte führen können, insbesondere im Hinblick auf deren Höhe und Ausgestaltung.

36      Im vorliegenden Fall besteht die fragliche Beihilfe darin, dass der Gesellschaft Paks II unentgeltlich zwei neue Kernreaktoren zum Betrieb überlassen werden. Die Frage, ob der Bau dieser beiden Reaktoren hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen, betrifft die Herstellung und die Ausstattung des unentgeltlich überlassenen Gegenstands und ist damit der eigentlichen Beihilfemaßnahme vorgelagert. Somit stellt die Vergabe des Auftrags für die Entwicklung und den Bau der beiden neuen Reaktoren keine Modalität der Beihilfe selbst dar.

37      Die Durchführung eines Vergabeverfahrens und die eventuelle Beauftragung eines anderen Unternehmens mit dem Bau der Reaktoren würden weder am Zweck der Beihilfe, nämlich der unentgeltlichen Überlassung von zwei neuen Reaktoren zum Betrieb, noch am Empfänger der Beihilfe, nämlich der Gesellschaft Paks II, etwas ändern. Außerdem würde sich ein Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften nur auf den Markt für den Bau von Kernkraftwerken auswirken, nicht aber auf den Markt, auf den der Zweck der streitigen Beihilfemaßnahme gerichtet ist.

38      Was den Einfluss des Fehlens eines öffentlichen Vergabeverfahrens auf die Höhe der Beihilfe betrifft, haben die Kommission, Ungarn und die Französische Republik zu Recht geltend gemacht, dass nicht dargelegt worden ist, dass andere Anbieter in der Lage gewesen wären, die beiden Reaktoren mit WWER-1200-Technologie zu besseren Konditionen bzw. zu einem niedrigeren Preis zu liefern. Außerdem weist die Kommission ebenfalls zu Recht darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung im Bereich staatlicher Beihilfen nicht von der Einhaltung der Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge abhängt, wenn sich bei der Auswahl eines anderen Bauunternehmens für die Errichtung der Kernkraftblöcke nichts an der beihilferechtlichen Bewertung ändern würde. Denn auch wenn eine öffentliche Ausschreibung zu einer anderen Beihilfehöhe hätte führen können, hätte dies für sich genommen nichts an dem Vorteil geändert, den die Beihilfe für den Begünstigten, die Gesellschaft Paks II, darstellte, da dieser Vorteil in der Überlassung von zwei neuen Reaktoren zum Betrieb bestand. Folglich führt eine Erhöhung oder Verringerung der Beihilfesumme im vorliegenden Fall weder zu einer Änderung der Beihilfe im eigentlichen Sinne noch zu einer Änderung ihrer wettbewerbswidrigen Wirkung.

39      Somit hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Vergabe des Auftrags für den Bau der beiden neuen Reaktoren keine Modalität der Beihilfe darstellt, die mit dieser untrennbar verbunden ist.

40      Was als Drittes das Vorbringen der Republik Österreich betrifft, die Entscheidung, den Bauauftrag an JSC NIAEP zu vergeben, habe gegen die Richtlinie 2014/25 verstoßen, da dieser Auftrag nicht gemäß Art. 20 Abs. 1 bzw. Art. 50 Buchst. c dieser Richtlinie von deren Anwendungsbereich ausgenommen sei, ist festzustellen, dass die Kommission die Frage der Anwendbarkeit der Richtlinie 2014/25 im 285. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses behandelt hat. Zu der Frage, ob das Unionsrecht eine Verpflichtung zur Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens für den Auftrag über die Entwicklung, den Kauf und den Bau der beiden neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks vorsieht, hat die Kommission im genannten Erwägungsgrund festgestellt, dass sie jedenfalls in einem eigenen Verfahren geprüft habe, ob Ungarn die Vorschriften der Richtlinie 2014/25 eingehalten habe; in dieser Prüfung sei die Kommission aufgrund der verfügbaren Informationen zu dem vorläufigen Schluss gelangt, dass die in der Richtlinie 2014/25 beschriebenen Verfahren nach Art. 50 Buchst. c dieser Richtlinie auf die Beauftragung mit dem Bau der beiden Reaktorblöcke nicht anwendbar seien.

41      Entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich hat die Kommission im Interesse der Kohärenz der Ergebnisse der Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe und des Vertragsverletzungsverfahrens zu Recht angenommen, dass sie auf ihre im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens vorgenommene Beurteilung verweisen konnte.

42      Die Kommission war nämlich im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens zu der Überzeugung gelangt, dass die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der beiden neuen Reaktoren nicht gegen die unionsrechtlichen Vergabevorschriften verstoße. Diese Überzeugung beruhte auf einer eingehenden Analyse der technischen Anforderungen, auf die sich Ungarn zur Rechtfertigung des Unterbleibens eines Ausschreibungsverfahrens berufen hatte.

43      In ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen, die ihr das Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gestellt hat, hat die Kommission bestätigt, dass es sich bei dem „eigenen Verfahren“ im 285. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses um das gemäß Art. 258 AEUV gegen Ungarn eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren NIF 2015/4231‑32 handelt. Im Rahmen dieses Verfahrens und auf der Grundlage der von den zuständigen ungarischen Behörden übermittelten Informationen sei sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Direktvergabe der Arbeiten für den Bau der beiden Reaktoren 5 und 6 an die Gesellschaft JSC NIAEP ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb habe erfolgen können, da es aus technischen Gründen keinen Wettbewerb gegeben habe, so dass Art. 40 Abs. 3 Buchst. c Ziff. ii der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1) (jetzt Art. 50 Buchst. c Ziff. ii der Richtlinie 2014/25) maßgeblich gewesen sei.

44      Die Antwort der Kommission wird durch die hierzu im Anschluss an diese prozessleitende Maßnahme vorgelegten Unterlagen bestätigt, insbesondere durch zwei „NIF-Fiches“, die die Nrn. 2015/4231 und 2015/4232 tragen und die Gründe für die Einstellung des Verfahrens NIF 2015/4231‑32 darlegen. Daraus geht insbesondere hervor, dass die Kommission das Argument, dass der Auftrag aus technischen Gründen direkt an die Auftragnehmerin habe vergeben werden können (Art. 40 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/17), für die wesentlichen Teile des Projekts für gerechtfertigt hielt.

45      Aus demselben Dokument in Anlage X.5 geht auch hervor, dass sich Ungarn gegenüber der Kommission verpflichtet hat, für die meisten anderen Teile des Projekts auf transparente Weise und unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung ein Vergabeverfahren durchzuführen. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erläutert, dass diese von Ungarn eingegangene Verpflichtung im 372. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zum Ausdruck komme, der in Verbindung mit seinem 285. Erwägungsgrund zu lesen sei.

46      Außerdem geht aus den als Anlagen X.1 bis X.3 vorgelegten Dokumenten hervor, dass die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) der Kommission und die Sachverständigen der Generaldirektion „Energie“ die technische Einzigartigkeit des von Rosatom hergestellten und von Ungarn auf legitime Weise und nach sachlichen Kriterien ausgewählten Reaktors WWER 1200 bestätigt haben.

47      Im Übrigen wäre es nicht vertretbar, in dem Verfahren über die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt alle früheren Entscheidungen in Frage zu stellen, die bereits Gegenstand eines eigenen Verfahrens waren, für das im Sinne des Urteils vom 15. Juni 1993, Matra/Kommission (C‑225/91, EU:C:1993:239, Rn. 44), besondere Regeln gelten, die sich von den beihilferechtlichen Regeln unterscheiden. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es, dass die Kommission die Vergabe des Bauauftrags im Rahmen des Beihilfeverfahrens erneut prüft, obwohl sie im Vergleich zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens beschlossen hat, über keine neuen Informationen verfügt. Insoweit hat die Kommission in ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts bestätigt, dass sie zum Zeitpunkt der Annahme des angefochtenen Beschlusses, d. h. am 6. März 2017, über dieselben Informationen verfügt habe wie diejenigen, auf deren Grundlage sie am 17. November 2016 entschieden habe, das gegen Ungarn wegen der Direktvergabe des Bauauftrags an JSC NIAEP geführte Vertragsverletzungsverfahren einzustellen.

48      Ebenso wenig kann dem Argument der Republik Österreich gefolgt werden, dass das Vertragsverletzungsverfahren der Beurteilung eines etwaigen Verstoßes gegen das Vergaberecht im Rahmen des Beihilfeverfahrens nicht vorgreifen könne, da für das Vertragsverletzungsverfahren das Opportunitätsprinzip gelte. Die Tatsache, dass für das Vertragsverletzungsverfahren das Opportunitätsprinzip gilt, ist nämlich unerheblich, da die Kommission tatsächlich ein solches Verfahren einleitete, in dessen Rahmen sie die technischen Gründe, auf die sich Ungarn stützte, analysierte und daraufhin zu dem Schluss gelangte, dass die Voraussetzungen von Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 erfüllt seien. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission klargestellt, dass sich der in der Entscheidung, das Vertragsverletzungsverfahren einzustellen, verwendete Begriff der Opportunität auf den Zeitpunkt der Entscheidung und nicht auf ihren Inhalt beziehe. In Beantwortung der dritten im Rahmen der prozessleitenden Maßnahme gestellten Frage hat die Kommission außerdem ausgeführt, dass das Ergebnis dieses Verfahrens im 285. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nur deshalb als „vorläufiger Schluss“ bezeichnet worden sei, weil es der Kommission jederzeit möglich sei, aufgrund neuer Informationen ein neues Vertragsverletzungsverfahren zu eröffnen.

49      Folglich ist der Kommission kein Rechtsfehler unterlaufen, als sie sich für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses jedenfalls auf das Ergebnis des Vertragsverletzungsverfahrens gestützt hat.

50      Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

 Zum fünften Klagegrund: Unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen und Ungleichbehandlungen, weshalb die Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei

89      Mit dem fünften Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, die Beihilfe sei mit dem Binnenmarkt unvereinbar, da ihre Gewährung zu unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen und Ungleichbehandlungen führe, die wiederum zu einer Verdrängung von Erzeugern erneuerbarer Energie vom liberalisierten Elektrizitätsbinnenmarkt führten.

90      Als Erstes bestehen der Republik Österreich zufolge Ungleichbehandlungen in zweierlei Hinsicht, nämlich zum einem in technischer Hinsicht und zum anderen in regulatorischer Hinsicht.

91      Erstens würden durch die hohe Subventionierung der Bereitstellung hoher Grundlastkapazitäten aus Kernkraft alternative kostengünstigere Erzeuger benachteiligt, die bei vorübergehenden Überkapazitäten am Strommarkt ihre Einspeisung künstlich drosseln müssten, um die Netzstabilität nicht zu gefährden. Die fragliche Beihilfe führe somit zu langfristigen, strukturellen Wettbewerbsverzerrungen und Verdrängungen auf dem liberalisierten Elektrizitätsbinnenmarkt. Von den künstlichen Drosselungen wären auch grenzüberschreitend Erzeuger betroffen, die Strom nach Ungarn exportierten.

92      Zweitens würden im vorliegenden Fall sämtliche Kosten für die Planung, die Errichtung, die Fremdfinanzierung und die Inbetriebnahme eines unrentablen, nicht wettbewerbsfähigen Vorhabens vom Staat getragen, während Erzeuger erneuerbarer Energien wesentlich geringere Beihilfen – und dies nur unter Einhaltung weitaus strikterer Vereinbarkeitsvoraussetzungen, wie sie in den UEB-Leitlinien festgelegt seien – erhielten. Hieraus resultiere eine unterschiedliche beihilferechtliche Behandlung von Erzeugern desselben Produkts, die auf demselben Markt in Wettbewerb zueinander stünden.

93      Als Zweites macht die Republik Österreich geltend, dass die der Gesellschaft Paks II gewährte Beihilfe auch deshalb zu einer Wettbewerbsverzerrung führe, weil sie wesentlichen Leitmotiven der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55), insbesondere dem Ziel, gleiche Bedingungen für alle in der Union niedergelassenen Elektrizitätsunternehmen zu schaffen, sowie dem Ziel, den Verbrauchern in der Union Energie zum wettbewerbsfähigsten Preis bereitzustellen, widerspreche.

94      Außerdem werde der angefochtene Beschluss von präjudizieller Bedeutung für weitere, hohe Beihilfen für andere Kernkraftwerke sein, die den Wettbewerb innerhalb des gesamten liberalisierten Elektrizitätsbinnenmarkts strukturell und unverhältnismäßig verzerren könnten.

95      Wenn schließlich dem angefochtenen Beschluss zufolge die isolierte Betrachtung jeder einzelnen Beihilfe selbst bei einer Größenordnung von 12,5 Mrd. Euro nicht schädlich für den Wettbewerb sei, wären im Endeffekt alle Beihilfen automatisch kompatibel mit dem Binnenmarkt.

96      Die Kommission und Ungarn treten dem Vorbringen der Republik Österreich entgegen.

97      Was erstens den Vorwurf der Republik Österreich betrifft, Erzeuger erneuerbarer Energie würden unter Verstoß gegen insbesondere die Leitprinzipien der Richtlinie 2009/72 schlechter behandelt, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass es einem Mitgliedstaat freisteht, die Zusammensetzung seines Energiemixes zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 79 und 80). Daher kann die Kommission nicht verlangen, dass die staatlichen Mittel für alternative Energiequellen verwendet werden. Daraus folgt auch, dass von einem Mitgliedstaat nicht verlangt werden kann, für alle Energieerzeuger völlig gleiche Finanzierungs- oder Betriebsbedingungen vorzusehen. Dadurch würde im Übrigen jegliche Beihilfe für ein bestimmtes Projekt zur Energieerzeugung ausgeschlossen.

98      Als Zweites ist, wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, die Gefahr einer gewissen Wettbewerbsverzerrung jeder Beihilfe immanent. Sie ist daher bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV bis zu einem gewissen Grad zu akzeptieren, wobei die Grenze dann überschritten ist, wenn die Beihilfe die Handelsbedingungen in einer Weise verändert, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

99      Im 391. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass die aus der gegenständlichen Beihilfe möglicherweise resultierenden negativen Auswirkungen durch das verfolgte Ziel von gemeinsamem Interesse zumindest ausgeglichen würden. Die Größenordnung dieser Beihilfe von 12,5 Mrd. Euro stellt einen Umstand dar, der im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist. Für sich genommen kann dieser Umstand jedoch nicht ausschlaggebend sein. Da es sich nur um die Investitionskosten für zwei neue Reaktoren handelt, die die vier alten Reaktoren ersetzen sollen, die aufgrund ihres Alters schrittweise abgeschaltet werden, und keine Betriebsbeihilfe vorgesehen ist, sind die Auswirkungen auf den Energiemarkt nur begrenzt.

100    Die Kommission hat nämlich begründet dargelegt, welche Marktanteile zum einen von der Gesellschaft Paks II für sich genommen nach der Abschaltung der alten Reaktoren und zum anderen von der MVM-Gruppe und der Gesellschaft Paks II zusammengenommen während des begrenzten Zeitraums des Parallelbetriebs auf dem ungarischen Markt und auch auf den gekoppelten Märkten Rumäniens und der Slowakei erreicht werden können. Wie die Abbildung 10 im angefochtenen Beschluss zeigt, wird der Anteil der Gesellschaft Paks II auf diesen gekoppelten Märkten nicht mehr als 10 % betragen. Die gemeinsamen Marktanteile der MVM-Gruppe und der Gesellschaft Paks II auf dem slowakischen und dem rumänischen Markt, die mit Ungarn gekoppelt sind, würden nach derselben Abbildung nicht mehr als 20 % betragen. Daher werden sich die beiden neuen Reaktoren nur begrenzt auf die Verteilung der Marktanteile auswirken.

101    Zu den Interessen der Energieverbraucher, den wettbewerbsfähigsten Preis zu erhalten, ist darauf hinzuweisen, dass nach der NERA-Studie, deren Ergebnisse von der Republik Österreich nicht in Frage gestellt werden, das Kernkraftwerk Paks, wie aus den Erwägungsgründen 113, 365, 369 und 376 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, weiterhin ein Preisnehmer sein wird. Wie die Kommission insbesondere im 365. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, werden die Strompreise hauptsächlich durch die Grenzkosten der auf einem bestimmten Markt tätigen Erzeuger bestimmt. Technologien aufgrund erneuerbarer Energiequellen sind durch geringe Grenzkosten gekennzeichnet, da für den Betrieb meist keine Brennstoffkosten anfallen. Auch in der Kerntechnologie sind die Betriebskosten gering. Dagegen haben Technologien auf der Grundlage von Brennstoffen, wie Kohlekraftwerke und Gasturbinenkraftwerke, höhere Betriebskosten und erhöhen damit den Strompreis. Folglich ist die Kernenergie eher ein Preisnehmer als ein Preissetzer. Insoweit besteht also kein Konflikt zwischen der in Rede stehenden Beihilfe und den von der Republik Österreich angeführten wesentlichen Leitmotiven der Richtlinie 2009/72.

102    Außerdem hat die Kommission in Abschnitt 5.3.8.2 des angefochtenen Beschlusses u. a. die Markteintrittshindernisse für neue Marktteilnehmer eingehend geprüft. Diese Frage wurde insbesondere im Hinblick auf die potenziellen Auswirkungen der Maßnahme auf den ungarischen Markt (Erwägungsgründe 357 bis 365), ihre potenziellen grenzüberschreitenden Wirkungen (Erwägungsgründe 366 bis 371) und die potenziellen Wirkungen eines gleichzeitigen Betriebs der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks (Erwägungsgründe 372 bis 376) untersucht. Die Republik Österreich hat nicht dargetan, dass bei dieser Beurteilung offensichtliche Fehler unterlaufen seien. Da die Republik Österreich nicht bestreitet, dass die Kapazität der neuen Reaktoren, wie die Kommission zu Recht feststellt, langfristig nicht zu einer Erhöhung der installierten nuklearen Gesamtkapazität in Ungarn führt, die auf 36 % des gesamten Stromverbrauchs geschätzt wird, kann die Ersetzung der vier Reaktoren des Kernkraftwerks Paks durch zwei neue Reaktoren, die die gleiche Energiemenge erzeugen und durch die fragliche Investitionsbeihilfe finanziert werden, keine erhebliche Verdrängung von Erzeugern von Energie aus anderen Quellen bewirken.

103    Als Drittes ist das Vorbringen der Republik Österreich zurückzuweisen, dass der angefochtene Beschluss von präjudizieller Bedeutung für weitere, hohe Beihilfen für andere Kernkraftwerke sei, die den Wettbewerb innerhalb des gesamten liberalisierten Elektrizitätsbinnenmarkts strukturell und unverhältnismäßig verzerren könnten. Hierzu stellt die Kommission zu Recht fest, dass die präjudizielle Bedeutung des angefochtenen Beschlusses kein rechtliches, sondern ein politisches Argument ist, das nicht die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses bewirken kann.

104    Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der fünfte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen ist.

[nicht wiedergegeben]

 Zum siebten Klagegrund: Verstärkung oder Schaffung einer marktbeherrschenden Stellung

[nicht wiedergegeben]

125    Die Republik Österreich weist darauf hin, dass die beiden Gesellschaften, die die alten und die neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks betrieben, zu 100 % vom ungarischen Staat gehalten würden, wobei dieser, über die MVM Hungarian Electricity Ltd., jeweils indirekter Eigentümer sei, was im Einleitungsbeschluss Bedenken dahin geweckt habe, dass die Inbetriebnahme der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks zu einer ganz erheblichen Marktkonzentration in Ungarn führen würde.

126    Nach Ansicht der Republik Österreich sind die beiden im angefochtenen Beschluss genannten minimalen Zusagen Ungarns nicht ausreichend. Dass die Führung der beiden Gesellschaften unterschiedlichen Ministerien zugeordnet sei, könne nichts an der Tatsache ändern, dass letztlich der ungarische Staat sämtliche Anteile beider Gesellschaften halte und als Anteilsinhaber das Verhalten beider Gesellschaften steuern könne. In einer funktionalen Betrachtungsweise seien im Rahmen der Beurteilung der Marktkonzentration die Anteile der beiden Unternehmen zusammenzurechnen. Der Hinweis der Kommission im 353. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf ihre Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2008, C 95, S. 1) ändere nichts an dieser Beurteilung.

127    Was den Parallelbetrieb der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks anbelange, könne die Tatsache, dass dieser nur für die Dauer von sieben Jahren erfolgen solle, die wettbewerbsrechtlichen Bedenken nicht zerstreuen. Tatsächlich würden für die Dauer dieses Zeitraums Mitbewerber vom Markt ferngehalten. Außerdem sei der voraussichtliche Zeitpunkt der Schließung der alten Kernreaktoren nicht garantiert.

128    Ferner habe die Kommission die Auswirkungen auf die Möglichkeit des Markteintritts von neuen Marktteilnehmern insbesondere für den Zeitraum von 2026 bis 2032 bzw. 2037 nicht berücksichtigt. Die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass Investitionen in Kernkraftwerke allgemein dazu beitrügen, dass staatliche Investitionen in erneuerbare Energiequellen zurückgingen und gleichzeitig die Marktkonzentration am gesamten Energiemarkt signifikant steige.

129    Zu der Feststellung, dass die MVM-Gruppe und die Gesellschaft Paks II zusammen auf den gekoppelten Märkten Ungarns, der Slowakei und Rumäniens einen Marktanteil von nicht mehr als 20 % hätten, führt die Republik Österreich aus, dass dies allein nicht ausreiche, um eine grenzüberschreitende Wirkung von vornherein auszuschließen. Nach Ansicht der Republik Österreich hätte die Kommission insbesondere auch die Marktstruktur insgesamt berücksichtigen müssen. Angesichts der Tatsache, dass das Kernkraftwerk Paks bereits mit den alten Reaktoren über 50 % Marktanteil in Ungarn verfüge, sei das Risiko eines Missbrauchs dieser Stellung sowie einer sich daraus ergebenden Wettbewerbsverzerrung evident.

130    Die Kommission, Ungarn und die Tschechische Republik treten dem Vorbringen der Republik Österreich entgegen.

131    Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV eine Beihilfe nur genehmigt werden kann, wenn sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändert, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, was impliziert, dass die positiven Auswirkungen der geplanten Beihilfe auf die Entwicklung der Tätigkeiten, die sie fördern soll, gegen die negativen Auswirkungen, die diese Beihilfe auf den Binnenmarkt haben kann, abgewogen werden müssen (Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 101). Solche negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb bestehen insbesondere dann, wenn die Beihilfen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung einer beherrschenden Stellung auf dem Markt des Beihilfeempfängers führen.

132    Unter diesem Blickwinkel hat die Kommission in Abschnitt 5.3.8.1 des angefochtenen Beschlusses geprüft, ob es zu einer Verstärkung einer möglichen Marktkonzentration kommen würde, da die alten und die neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks im Eigentum derselben Eigentümerin und Betreibergesellschaft stehen würden.

133    Im 347. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass der ungarische Stromerzeugungsmarkt durch eine verhältnismäßig hohe Marktkonzentration gekennzeichnet sei, da auf das Kernkraftwerk Paks (MVM-Gruppe) etwa 50 % der inländischen Erzeugung entfielen. Aus dem 349. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Kommission Bedenken hatte, dass eine rechtliche Trennung der Gesellschaft Paks II von der MVM-Gruppe nicht hinreichend sein könnte oder dass sie ohne zusätzliche diesbezügliche Garantien nicht aufrechterhalten werden könnte. Die Kommission war jedoch der Ansicht, dass ihre Bedenken mit bestimmten Informationen ausgeräumt würden. Dazu zählte sie erstens, dass der Zweck der ungarischen Maßnahme in der schrittweisen Ersetzung vorhandener nuklearer Kapazität im Kernkraftwerk Paks zwischen 2025 und 2037 bestehe, zweitens, dass Ungarn vorgebracht habe, dass die MVM-Gruppe und die Gesellschaft Paks II unabhängig voneinander und nicht miteinander verbunden seien, und drittens, dass Ungarn zufolge die Gesellschaft Paks II sowie ihre Rechtsnachfolger und verbundenen Gesellschaften rechtlich und strukturell vollständig voneinander getrennt sein würden und unabhängig von der MVM-Gruppe und deren Geschäftsbereichen, Rechtsnachfolgern und Gesellschaften sowie von anderen staatlich kontrollierten und im Bereich der Erzeugung und des Stromhandels auf dem Großkunden- und dem Endverbrauchermarkt tätigen Unternehmen verwaltet und geleitet würden (Erwägungsgründe 350 bis 354 des angefochtenen Beschlusses).

 Zur Leistung des Kernkraftwerks Paks auf dem ungarischen Markt und auf dem Binnenmarkt der Union

134    Die Republik Österreich macht geltend, durch die fragliche Beihilfe werde eine marktbeherrschende Stellung geschaffen.

135    Die Republik Österreich behauptet als Erstes, das Kernkraftwerk Paks verfüge bereits mit den alten Reaktoren über 50 % Marktanteil in Ungarn, was zu einer widerlegbaren Vermutung für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung führe. Dieses Argument beruht jedoch auf einem Tatsachenirrtum.

136    Im 43. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es: „Als Stromerzeuger verfügt die in staatlichem Eigentum stehende MVM-Gruppe dank ihres wichtigsten Kraftwerks, des Atomkraftwerks Paks, über einen beträchtlichen Marktanteil (52,67 % der gesamten Stromerzeugung in Ungarn im Jahr 2015)“. Diese Feststellung behandelt ebenso wie die Erwägungsgründe 18 und 347 des angefochtenen Beschlusses den Anteil des Kernkraftwerks Paks an der in Ungarn erzeugten Energie. Diese Prozentsätze geben jedoch nicht den Anteil des Kernkraftwerks Paks am ungarischen Strommarkt an. Dieser ergibt sich vielmehr aus der ebenfalls im 43. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Abbildung 1, die sich auf den „gesamten Stromverbrauch in Ungarn im Jahr 2015“ bezieht und wonach sich der Marktanteil des Kernkraftwerks Paks auf 36,19 % beläuft. Da Ungarn, wie die Kommission im 47. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erläutert hat, mit einem Importanteil von etwa 30 % des Stromverbrauchs ein Nettoimporteur ist, wird der Marktanteil des Kernkraftwerks Paks automatisch durch diese Importe verringert, die einen wesentlichen Teil des Verbrauchs in Ungarn decken.

137    Die Kommission weist daher zu Recht darauf hin, dass sie sich im 358. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf gestützt hat, dass der vom Kernkraftwerk Paks erzeugte Strom 36 % des gesamten Stromverbrauchs in Ungarn deckt. Außerdem hat die Kommission im 358. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass erstens der damals im Kernkraftwerk Paks erzeugte Strom 36 % des gesamten Stromverbrauchs in Ungarn decke, zweitens dieser Deckungsgrad angesichts der erwarteten Zunahme der Nachfrage abnehmen werde und drittens davon auszugehen sei, dass nach dem Abschalten der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks in den neuen Reaktoren in ähnlichem Umfang Strom erzeugt werde.

138    Hinzu kommt, dass die Marktanteile, wie Ungarn zu Recht ausführt, an sich nicht die Marktbeherrschung definieren, sondern diese nur Ausgangspunkt für jede Marktanalyse sind, bei der alle anderen relevanten Umstände zu berücksichtigen sind, etwa die Zutrittsschranken und die Marktentwicklung über einen längeren Zeitraum (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, EU:C:1978:22, Rn. 66) oder die Struktur des betreffenden Marktes. Insoweit weist Ungarn zu Recht darauf hin, dass zum einen der Bau der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks ein Vorhaben ist, das auf die Erhaltung der Stromerzeugungskapazität und nicht auf deren Erhöhung abzielt und das eine Lösung für vorausgesagte Kapazitätsengpässe bietet sowie zur Netzstabilität beiträgt, und zum anderen der angefochtene Beschluss in seinem Art. 3 Bedingungen – insbesondere betreffend die Verwendung der Gewinne, die kommerziellen Handelsvereinbarungen und die Gewährleistung der rechtlichen und strukturellen Trennung der Gesellschaft Paks II von der MVM-Gruppe – enthält, die die wettbewerbswidrige Wirkung der Beihilfemaßnahme verringern sollen und für die Ungarn zudem die Übermittlung von Jahresberichten zugesagt hat.

139    Die Kommission hat nämlich im angefochtenen Beschluss ihre Beurteilung einer etwaigen Marktverfälschung auf alle diese Gesichtspunkte gestützt, ohne dass die Republik Österreich die Wirtschaftsstudien zur gegenwärtigen Situation und zu den Prognosen der Entwicklung auf dem ungarischen Markt und den miteinander verbundenen Märkten, auf die sich die Kommission gestützt hat, in Frage gestellt hätte.

140    Insoweit ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass nach diesen Studien, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 360 und 388 des angefochtenen Beschlusses erläutert hat, in Ungarn weiterhin Energieknappheit herrschen wird, so dass Ungarn nach dem Abschalten der vier Reaktorblöcke des derzeit in Betrieb befindlichen Atomkraftwerks Paks weiterhin ein Nettoimporteur bleiben wird. Außerdem geht nach dem 373. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus der NERA-Studie hervor, dass selbst bei gleichzeitigem Betrieb der neuen und der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks von 2025 bis 2037 die erwartete Zunahme der nationalen Spitzennachfrage nicht allein durch Kraftwerke in Ungarn gedeckt werden kann (vgl. auch 389. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die Behauptung der Republik Österreich, dass es während des parallelen Betriebs der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks zwischen 2026 und 2032 zu einer Abschottung des ungarischen Strommarkts mit einer Behinderung für den Markteintritt neuer Marktteilnehmer kommen werde, die die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt habe, erweist sich somit als unbegründet.

141    Was die Rüge in Bezug auf die Wettbewerber auf dem ungarischen Markt und auf den gekoppelten Märkten Ungarns, der Slowakei und Rumäniens betrifft, so wurden die Auswirkungen auf diese Wettbewerber in den Erwägungsgründen 357 ff. und 366 ff. des angefochtenen Beschlusses analysiert und bei der Schlussfolgerung zur Verfälschung des Wettbewerbs und zur allgemeinen Abwägungsprüfung im 388. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses berücksichtigt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich die gemeinsamen Marktanteile der beiden Unternehmen nicht zu berücksichtigen sind, da die Unabhängigkeit der Gesellschaft Paks II von der MVM-Gruppe nachgewiesen und garantiert wurde, wie unten in den Rn. 152 ff. ausgeführt wird.

142    Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist die Kritik der Republik Österreich, die sieben Jahre der gleichzeitigen Stromerzeugung seien ein Zeitraum, in dem Mitbewerber vom Markt ferngehalten würden, so dass ein Verdrängungseffekt langfristig unvermeidbar sei, unbegründet. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 387. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses und auf der Grundlage von darin vorgebrachten Studien zu dem Schluss gelangt ist, dass insbesondere im begrenzten Zeitraum des gleichzeitigen Betriebs der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks ein etwaiges Hindernis für einen Markteintritt von Erzeugungskapazitäten, die auf anderen Technologien beruhen, dadurch begrenzt wäre, dass die Lücke der vom ungarischen Netzbetreiber ermittelten künftigen installierten Gesamtkapazität die Durchdringung des Marktes mit anderen Erzeugungstechnologien (unter Nutzung sowohl erneuerbarer Energiequellen als auch CO2-intensiver Energieträger) unabhängig vom Bau der neuen Reaktoren ermöglichen würde.

143    Was schließlich die mögliche Verdrängung von Erzeugern von Energie aus neuen und erneuerbaren Quellen anbelangt, so ist der in den Schriftsätzen dargelegte und von der Republik Österreich nicht bestrittene Umstand zu berücksichtigen, dass diese Art von Energie naturgemäß unvorhersehbar ist und nur schwer zu der zu deckenden Grundlast beitragen kann (vgl. 181. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

144    Als Zweites ist das Vorbringen der Republik Österreich zurückzuweisen, die Kommission hätte im Rahmen der Beurteilung einer etwaigen Marktkonzentration eine von Candole Partners erstellte Studie berücksichtigen müssen, auf die sie sich bei der Ermittlung der Vorteile der fraglichen Beihilfe gestützt habe und die Marktkonzentrationsschätzungen enthalte. Die Republik Österreich leitet aus dieser Studie ab, dass Investitionen in Kernkraftwerke allgemein dazu beitrügen, dass staatliche Investitionen in erneuerbare Energiequellen zurückgingen und gleichzeitig die Marktkonzentration am gesamten Energiemarkt signifikant steige.

145    Erstens ist daran zu erinnern, dass es einem Mitgliedstaat freisteht, die Zusammensetzung seines Energiemixes zu bestimmen.

146    Im Übrigen geht insoweit aus dem 362. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die nationale Energiestrategie Ungarns nach dem Klima- und Energiepaket 2020 der Kommission, nach den für erneuerbare Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt festgelegten nationalen Zielvorgaben der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. 2009, L 140, S. 16) und nach den Schlüsselzielen des Rahmens für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 die Nutzung erneuerbarer Energiequellen vorsieht. Angesichts der genannten Ziele auf Unions- und auf nationaler Ebene im Hinblick auf erneuerbare Energiequellen sei zudem festzustellen, dass Ungarn bezüglich der Einrichtung von Mechanismen, mit denen die Einbindung neuer, mit erneuerbaren Energiequellen betriebener Kraftwerke in das Stromnetz gefördert werden soll, keine Sonderstellung einnimmt. Die Kommission hat auch darauf hingewiesen, dass Teile des ungarischen Programms zur Förderung erneuerbarer Energiequellen seit Januar 2017 durchgeführt wurden, während andere Teile des Programms, die für größere Unternehmen von Bedeutung sind, die Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses noch auf das Vorliegen staatlicher Beihilfen geprüft wurden.

147    Zweitens bestätigen die von der Republik Österreich wiedergegebenen Indizes zur Messung der Marktkonzentration nur in Zahlen, was bereits aus den Feststellungen der Kommission im angefochtenen Beschluss hervorgeht: Der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) stellt Werte dar, die einer „hohen Marktkonzentration“ von 2 594 heute, von 6 889 im Jahr 2030 (Überschneidungszeitraum) und von 2 582 im Jahr 2040 entsprechen. Da die Republik Österreich nicht darlegt, inwieweit aus dieser Studie hervorgehende Daten die Beurteilung des Umfangs einer etwaigen Wettbewerbsverzerrung beeinflussen könnten, ist das Vorbringen, die von Candole Partners durchgeführte Studie sei nicht in die Abwägung einbezogen worden, zurückzuweisen.

148    Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Kommission im 372. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend die Auswirkungen der fraglichen Beihilfe auf den Markt angesichts des Ziels der Versorgungssicherheit und der Notwendigkeit einer sorgfältigen Vorbereitung der Stilllegung der Reaktorblöcke des Kernkraftwerks Paks als verhältnismäßig erachtet hat. Die Republik Österreich hat nicht dargetan, dass der Kommission bei der Prüfung der Marktkonzentration, die sich aus der fraglichen Beihilfe ergeben könnte, ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen wäre. Die vorliegende Rüge ist somit zurückzuweisen.

 Zur Verlängerung des Parallelbetriebs der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks

149    Nach Ansicht der Republik Österreich hätte die Kommission im angefochtenen Beschluss als Bedingung für die Genehmigung der Beihilfe die Verpflichtung vorsehen müssen, die alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks zu schließen. Ohne eine solche Bedingung könne der Parallelbetrieb der alten und der neuen Reaktoren theoretisch lange fortwähren, so dass nicht sicher sei, dass die Reaktoren 1 bis 4 des Kernkraftwerks Paks nicht über 2032, 2034, 2036 bzw. 2037 hinaus betrieben würden, da in zahlreichen Staaten Laufzeitverlängerungen angestrebt bzw. vorgenommen würden.

150    Im vorliegenden Fall stellt die Aufstellung einer Bedingung im verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses jedoch kein zwingendes Erfordernis dar, um die Einhaltung dieser Vorgabe zu gewährleisten. Aus dem 350. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht zum einen hervor, dass sich der Überschneidungszeitraum auf die Jahre 2026–2032 beschränken sollte, und zum anderen, dass die vollständige Abschaltung der nuklearen Kapazität der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks bis 2037 abgeschlossen sein sollte. Die Planung der Abschaltung der nuklearen Kapazität findet sich auch in der Beschreibung der Beihilfe in Abschnitt 2 („Ausführliche Beschreibung der Maßnahme“) des angefochtenen Beschlusses, in dem die Kommission im zehnten Erwägungsgrund ausgeführt hat, dass „[d]er Betrieb der Blöcke 5 und 6 … den Kapazitätsverlust infolge der Stilllegung der Blöcke 1‑4 (insgesamt 2 000 MW) ausgleichen [soll]“ und dass „[n]ach Auskunft von Ungarn … die Blöcke 1‑4 jeweils bis Ende 2032, 2034, 2036 bzw. 2037 betrieben werden [sollen], wobei eine weitere Laufzeitverlängerung nicht vorgesehen ist“. In der Beschreibung der Beihilfe wird die Maßnahme also so dargestellt, dass sie in einer schrittweisen Ersetzung der nuklearen Kapazität der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks besteht. Die Entscheidung der Kommission, die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, bezieht sich jedoch nur auf die Beihilfe, wie sie im angefochtenen Beschluss beschrieben wird, so dass mit dem angefochtenen Beschluss die Beihilfe nur genehmigt wird, soweit sie mit der angemeldeten Maßnahme in Einklang bleibt.

151    Im Übrigen ist das Vorbringen der Republik Österreich, mit dem die Glaubwürdigkeit der Behauptung Ungarns in Frage gestellt wird, wonach der geplante Zeitraum, in dem die vier derzeit in Betrieb befindlichen Reaktoren parallel zu den zwei neuen betrieben werden, auf den Zeitraum 2026–2032 beschränkt sein sollte und es bis 2037 zur vollständigen Abschaltung der nuklearen Kapazität dieser Reaktoren kommen sollte, nicht durch Beweise untermauert, die belegen könnten, dass der Kommission hinsichtlich des wahrscheinlichen Vorliegens einer beherrschenden Stellung ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen wäre.

 Zur Unabhängigkeit des Unternehmens, das die alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks betreibt, von dem Unternehmen, das die neuen Reaktoren dieses Kernkraftwerks betreibt

152    Was den zweiten und den dritten Gesichtspunkt betrifft, auf die sich die Kommission in den Erwägungsgründen 351 bis 353 des angefochtenen Beschlusses stützt, um ihre Bedenken hinsichtlich der Verstärkung eines Einflusses auf den ungarischen Energiemarkt auszuräumen, nämlich dass es weder eine Zusammenführung des Betreibers der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks, der MVM-Gruppe, einerseits und der Gesellschaft Paks II als Betreiberin der neuen Reaktoren andererseits noch eine Abstimmung ihrer Maßnahmen gegeben habe, macht die Republik Österreich im Wesentlichen geltend, dass die vier Merkmale, auf die die Kommission ihre Feststellung einer rechtlichen und strukturellen Trennung stütze, hierfür nicht ausreichend seien. Diese Merkmale bestünden darin, dass die beiden Unternehmen von unterschiedlichen staatlichen Stellen geführt würden (MVM vom Ministerium für nationale Entwicklung und die Gesellschaft Paks II vom Amt des Premierministers), dass die Aufsichtsgremien der beiden Unternehmen unterschiedliche Direktoren hätten, dass es Garantien gebe, wonach zwischen den Unternehmen keine geschäftlich empfindlichen und vertraulichen Informationen ausgetauscht würden, und dass in den Unternehmen jeweils getrennte Entscheidungsbefugnisse bestünden.

153    Als Erstes ist das Vorbringen der Republik Österreich zurückzuweisen, dass die Gesellschaft Paks II bei ihrer Gründung zur MVM-Gruppe gehört habe. Aus dem 27. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die ursprünglich im Eigentum der MVM-Gruppe stehenden Anteile an der Gesellschaft Paks II 2014 auf den ungarischen Staat übertragen wurden. Der angefochtene Beschluss wurde jedoch am 6. März 2017 erlassen, so dass es zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses durch die Kommission unerheblich war, dass die Anteile an der Gesellschaft Paks II ursprünglich im Eigentum der MVM-Gruppe standen.

154    Als Zweites ist festzustellen, dass das Vorbringen, mit dem die Republik Österreich die Gültigkeit des zweiten im 352. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten Kriteriums (siehe oben, Rn. 152), nämlich das Bestehen einer autonomen Entscheidungsbefugnis, in Frage stellt, nicht überzeugen kann. Trotz der rechtlichen und strukturellen Trennung der beiden Energieerzeuger kann nach Ansicht der Republik Österreich der Umstand, dass die Führung der beiden Gesellschaften unterschiedlichen Ministerien zugeordnet sei, nichts an der Tatsache ändern, dass letztlich der ungarische Staat sämtliche Anteile beider Gesellschaften halte und das Verhalten beider Gesellschaften steuern oder koordinieren könne, zumal es sich um Minister derselben Regierung handle und insbesondere der „Ministerpräsident“ eine besondere Rolle in der ungarischen Regierung einnehme.

155    Ungarn weist jedoch zu Recht darauf hin, dass die Republik Österreich keine Grundlage für die Behauptung liefert, wonach der ungarische Ministerpräsident eine besondere Rolle in der ungarischen Regierung einnehme, mit der angeblich die Kontrolle der Strategien der die alten Reaktoren betreibenden Gesellschaft und des die neuen Reaktoren betreibenden Unternehmens und deren Leitung ermöglicht werde. Die Republik Österreich hat auch keine Angaben zu etwaigen Ermittlungsrechten gemacht. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der – von der Republik Österreich in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte – Umstand, dass der Premierminister nach der ungarischen Verfassung das Recht hat, die Entlassung von Ministern vorzuschlagen, für sich genommen ein hinreichendes Indiz für eine koordinierte Führung dieser rechtlich selbständigen Gesellschaften ist.

156    Als Drittes wendet sich die Republik Österreich gegen den Ansatz, den die Kommission im 353. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung verfolgt hat, um die rechtliche und strukturelle Unabhängigkeit der Gesellschaft Paks II, ihrer Rechtsnachfolger und ihrer verbundenen Gesellschaften von der MVM-Gruppe festzustellen. Insoweit hat sich die Kommission auf die Nrn. 52 und 53 ihrer Konsolidierten Mitteilung zu der Verordnung Nr. 139/2004 gestützt. Nr. 52 dieser Mitteilung behandelt Zusammenschlüsse unter Beteiligung staatlicher Unternehmen und nimmt die Unterscheidung zwischen einer internen Reorganisation und einem Zusammenschluss anhand des Kriteriums vor, ob die Unternehmen eine „autonome Entscheidungsbefugnis“ besitzen.

157    Die Republik Österreich erläutert insoweit nicht, warum dieser Ansatz unzutreffend sein soll. Sie schlägt lediglich unter Bezugnahme auf das Vergaberecht einen anderen Ansatz vor.

158    Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um Aufträge zwischen zwei Einheiten, die derselben juristischen Person angehören. Die Kriterien, die für diesen Fall in Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25 vorgesehen sind, lassen sich nicht auf die Frage übertragen, ob die Macht zweier Einheiten auf einem identischen Markt, die beide dem Staat angehören, aber strukturell getrennt sind, zusammenzurechnen ist. Das mit Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25 verfolgte Ziel besteht nämlich nicht darin, die Schaffung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung zu verhindern. Die Frage, ob in einer „Inhouse“-Konstellation, in der eine Einheit Dienstleistungen für die andere Einheit erbringen soll, diese Einheit in der Lage sein muss, diese Dienstleistungen zu erbringen, ohne mit externen Unternehmen in Wettbewerb zu treten, ist nämlich nicht mit der Frage der Feststellung eines etwaigen Zusammenschlusses auf dem Markt, auf dem beide Einheiten tätig sind, vergleichbar. Die genannte Vorschrift des Vergaberechts hat nicht die Abstimmung der Tätigkeiten zweier Einheiten auf demselben Markt zum Gegenstand, sondern betrifft die Situation eines zwischen den jeweiligen Einheiten vergebenen Auftrags. Daher ist es für die vorliegende Rechtssache unerheblich, dass die MVM-Gruppe und die Gesellschaft Paks II, wie die Republik Österreich geltend macht, nach der vergaberechtlichen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu sogenannten „Inhouse“-Konstellationen dem Staat zugerechnet werden müssten.

159    Auch die Bezugnahme der Republik Österreich auf ein Urteil zum Wettbewerbsrecht stellt den Ansatz der Kommission nicht in Frage. Im Urteil vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze u. a. (C‑222/04, EU:C:2006:8, Rn. 112 und 113), hat der Gerichtshof nämlich nicht festgestellt, dass alle Einheiten, die rechtlich oder faktisch von derselben Einheit kontrolliert werden, als ein einziges Unternehmen angesehen würden, sondern vielmehr entschieden, dass eine Einheit, die keine andere wirtschaftliche Tätigkeit ausübt als die Kontrolle eines anderen Unternehmens, selbst als Unternehmen eingestuft wird. Diese besondere Situation der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, steht jedoch in keinem Zusammenhang mit den Umständen der vorliegenden Rechtssache.

160    Als Viertes ist darauf hinzuweisen, dass die Einrichtung und die Aufrechterhaltung von strukturellen Garantien, die eine autonome Entscheidungsfindung der MVM-Gruppe und der Gesellschaft Paks II gewährleisten, durch Art. 3 Abs. 5 des angefochtenen Beschlusses sichergestellt werden, der folgende Bedingung enthält: „Ungarn verpflichtet sich zu gewährleisten, dass die Gesellschaft Paks II sowie die Rechtsnachfolger und verbundene Gesellschaften rechtlich und strukturell vollständig voneinander getrennt sind, dass sie autonome Entscheidungsbefugnisse im Sinne der Nummern 52 und 53 der Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Fusionskontrollverordnung besitzen und unabhängig von der MVM-Gruppe und ihren Geschäftsbereichen, Rechtsnachfolgern und Gesellschaften sowie von anderen staatlich kontrollierten und im Bereich der Erzeugung und des Stromhandels auf dem Großkunden- und dem Endverbrauchermarkt tätigen Unternehmen verwaltet und geleitet werden.“ Des Weiteren sieht Art. 4 des angefochtenen Beschlusses vor, dass „Ungarn … der Kommission Jahresberichte über die Erfüllung der in Artikel 3 genannten Verpflichtungen [übermittelt]“ und dass „[d]er erste Bericht … einen Monat nach dem Stichtag des ersten Finanzjahres des Geschäftsbetriebs von Paks II vorgelegt [wird]“. Wie Ungarn und die Tschechische Republik hervorheben, wird aufgrund dieser Bedingung und des 381. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses die Kommission die Marktlage nach Inbetriebnahme der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks ständig überwachen. Ungarn fügt zutreffend hinzu, dass der Verstoß gegen diese Voraussetzungen ein neues Beihilfeverfahren der Kommission zur Folge hätte, das die laufenden Investitionen Ungarns in das Vorhaben gefährden könnte.

161    Aus dem Vorstehenden folgt, dass die von der Kommission vorgenommene Feststellung der Unabhängigkeit der Gesellschaft Paks II von der MVM-Gruppe keinen Beurteilungsfehler enthält und dass es keine Anhaltspunkte für die Bedenken der Republik Österreich gibt, dass der ungarische Staat seinen Einfluss auf beide Unternehmen koordiniert ausüben und damit seine beherrschende Stellung verstärken könnte.

162    Der siebte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum achten Klagegrund: Liquiditätsrisiko für den ungarischen Stromgroßhandelsmarkt

163    Mit dem achten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, die Kommission habe das Liquiditätsrisiko für den ungarischen Stromgroßhandelsmarkt nicht hinreichend berücksichtigt.

164    Die Republik Österreich bringt vor, dass im Zuge der Prüfung negativer wirtschaftlicher Auswirkungen der Beihilfe die Effekte auf nachgelagerte Märkte zu prüfen seien. Die Genehmigung der Beihilfe sei rechtswidrig, da das von der Kommission im 377. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses selbst eingeräumte Risiko der Verringerung der Marktliquidität weiterhin bestehe und sich sogar erhöhe. Mehrere Faktoren erhöhten das Liquiditätsrisiko, insbesondere der Parallelbetrieb der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks, der für eine relativ lange Zeit erfolgen werde, und die hohe Marktkonzentration am ungarischen Strommarkt. Die Kommission habe ohne wirklichen Grund ihre Bedenken ausgeräumt, wonach der Markt, auf dem die Erzeugerkapazität vom Staat im großen Ausmaß kontrolliert werde, weiter an Liquidität verlieren könnte, da die wenigen Marktteilnehmer die Lieferangebote verknappen könnten. Es reiche nicht aus, wie es die Kommission getan habe, den Ausschluss von Verbindungen der Gesellschaft Paks II zu in staatlichem Eigentum stehenden Marktteilnehmern auf dem Einzelhandelsmarkt festzustellen und auf die weiteren im angefochtenen Beschluss genannten Rahmenbedingungen hinzuweisen, wonach Ungarn den Verkauf über die Strombörse und Auktionen garantiere. Tatsächlich bestehe die Verbindung weiterhin, da die Gesellschaft Paks II – so wie die MVM-Gruppe – vom Staat kontrolliert werde, der selbst im Fall eines dazwischengeschalteten Unternehmens als 100%iger Eigentümer alle erforderlichen (Personal-)Entscheidungen treffen könne. Auch die Verteilung der Zuständigkeiten auf verschiedene Ministerien könne nach nationalem Recht leicht geändert werden, und innerhalb der Regierung erfolge ein Mindestmaß an Kommunikation und Abstimmung. Trotz der rechtlichen und strukturellen Trennung der beiden Unternehmen könne der Staat daher seinen Einfluss auf die beiden Unternehmen in koordinierter Weise ausüben, so dass eine marktbeherrschende Stellung nicht ausgeschlossen werden könne. Zur Garantie eines Verkaufs an der Strombörse und von Versteigerungen bringt die Republik Österreich vor, der subventionierte Strom gelange auf den Markt und wirke sich unmittelbar auf den Marktpreis für Strom aus, ohne dass es auf den Verkaufsweg ankomme. Da keine Mindestmengen an Strom, die so zum Verkauf gelangen müssten, vorgesehen seien, sei es eine durchaus denkbare Handelsstrategie der MVM-Gruppe und der Gesellschaft Paks II, das Stromangebot insgesamt zu verknappen, um so höhere Preise zu erzielen.

165    Nach Ansicht der Kommission und Ungarns ist der achte Klagegrund zurückzuweisen.

166    Die Republik Österreich stützt ihren achten Klagegrund, mit dem sie rügt, die Kommission habe das Liquiditätsrisiko für den ungarischen Stromgroßhandelsmarkt nicht hinreichend berücksichtigt, auf zwei Gruppen von Argumenten.

167    Als Erstes ist zunächst das Vorbringen der Republik Österreich zurückzuweisen, das sich auf die Behauptung einer beherrschenden Stellung der Gesellschaft Paks II stützt.

168    Insoweit ist zum einen auf die Würdigung zu verweisen, die im Rahmen der Prüfung des siebten Klagegrundes oben in den Rn. 131 ff. vorgenommen worden ist. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 3 Abs. 5 des angefochtenen Beschlusses verankerte und oben in Rn. 160 wiedergegebene Bedingung, die die Schaffung einer beherrschenden Stellung auf dem Energiemarkt während des Zeitraums des Parallelbetriebs der alten und der neuen Reaktoren verhindern soll, vorsieht, dass sich die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Verwaltung und des Betriebs der neuen Reaktoren, insbesondere von der MVM-Gruppe, ausdrücklich auch auf andere staatlich kontrollierte und im Bereich des Stromhandels auf dem Großkunden- und dem Endverbrauchermarkt tätige Unternehmen bezieht. Die Schlussfolgerung der Kommission im 379. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass der Ausschluss von Verbindungen der Gesellschaft Paks II zu in staatlichem Eigentum stehenden Marktteilnehmern auf dem Endverbrauchermarkt dazu beigetragen habe, ihre Bedenken in gewissem Umfang zu zerstreuen, wird nicht durch das Vorbringen der Republik Österreich in Frage gestellt, dass die Situation nach nationalem Recht leicht geändert werden könne und dass innerhalb der Regierung ein Mindestmaß an Kommunikation und Abstimmung erfolge. Ungarn weist insoweit nämlich zu Recht darauf hin, dass die Kommission die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt unter Bedingungen festgestellt hat, zu denen auch die oben erwähnte Verpflichtung zur Trennung der beiden Gesellschaften gehört. Die Pflicht nach Art. 4 des angefochtenen Beschlusses zur Übermittlung von Jahresberichten wird von der Kommission fortlaufend auf ihre Einhaltung hin überwacht.

169    Was als Zweites den Vertrieb des erzeugten Stroms betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere in Abschnitt 2.6, ihre Bedenken hinsichtlich der gegenwärtigen Strukturen des Großhandels mit Strom aus dem Kernkraftwerk Paks durch die MVM-Gruppe zum Ausdruck gebracht hat. Im 377. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat sie ausgeführt, dass Geschäfte auf dem ungarischen Stromgroßhandelsmarkt meist in Form bilateraler Stromliefervereinbarungen getätigt würden und an der ungarischen Strombörse noch keine angemessene Liquidität erreicht worden sei. Die Märkte könnten an Liquidität verlieren, da die beteiligten Marktteilnehmer die Lieferangebote verknappen könnten. Im 378. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission außerdem festgestellt, dass je nachdem, wie der in den neuen Reaktoren erzeugte Strom auf dem Markt verkauft werde, die Liquidität erheblich beeinträchtigt werden könnte und die Kosten für nachgelagerte Wettbewerber erhöht werden könnten, da deren Zugang zu einem wichtigen Input beschränkt werden könnte (Marktabschottung auf Vorleistungsebene), und dass dies etwa dann denkbar wäre, wenn der von der Gesellschaft Paks II erzeugte Strom hauptsächlich nach Maßgabe langfristiger Liefervereinbarungen nur an bestimmte Versorger verkauft und auf diese Weise die Marktmacht der Gesellschaft Paks II vom Erzeugungsmarkt auf den Endkundenmarkt übertragen würde.

170    In Würdigung dieser Situation hat die Kommission Bedingungen vorgesehen, um das Liquiditätsrisiko zu begrenzen, indem Ungarn verpflichtet wird, die Einhaltung bestimmter Regeln für den Verkauf des von der Gesellschaft Paks II erzeugten Stroms zu gewährleisten. Diese Regeln sind in Art. 3 Abs. 3 und 4 des angefochtenen Beschlusses enthalten und sehen Folgendes vor:

„Bezüglich des Verkaufs von Strom aus Paks II gewährleistet Ungarn, dass die von Paks II verfolgte Strategie zum Verkauf des erzeugten Stroms eine marktübliche, auf Gewinnmaximierung gerichtete Handelsstrategie ist, die mit kommerziellen Handelsvereinbarungen aufgrund von Geboten auf einer transparenten Handelsplattform oder Börse betrieben wird. Die Strategie zum Handel mit dem in Paks II erzeugten Strom (ausgenommen den Eigenverbrauch von Paks II) gestaltet sich wie folgt:

Ebene 1: Paks II verkauft mindestens 30 % des insgesamt erzeugten Stroms auf dem Day-Ahead-Markt, dem Intraday-Markt und dem Future-Markt der ungarischen Strombörse (HUPX). Vorbehaltlich der Zustimmung der Kommissionsdienststellen innerhalb von zwei Wochen nach Stellung eines entsprechenden Antrags der ungarischen Behörden kann auch an anderen vergleichbaren Strombörsen gehandelt werden.

Ebene 2: Den übrigen in Paks II erzeugten Strom verkauft Paks II in Auktionen zu objektiven, transparenten und diskriminierungsfreien Bedingungen. Die Bedingungen für diese Auktionen werden von der ungarischen Regulierungsbehörde für die Energiewirtschaft festgelegt – ähnlich den Auktionsvorschriften, die für MVM Partner verfügt wurden (Beschluss 741/2011 der ungarischen Regulierungsbehörde). Die ungarische Regulierungsbehörde überwacht auch die Durchführung dieser Auktionen.

Ungarn gewährleistet, dass die Auktionsplattform für diese Ebene 2 von Paks II betrieben wird und sichergestellt ist, dass für Kauf- und Verkaufsangebote bei allen zugelassenen oder eingetragenen Händlern die gleichen Marktbedingungen gelten. Das Clearing-System auf dieser Plattform ist überprüfbar und transparent. Bezüglich der Endverwendung des gekauften Stroms wird es keinerlei Auflagen geben.“

171    Wie aus Art. 4 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat sich Ungarn auch verpflichtet, der Kommission Jahresberichte über die Erfüllung der in Art. 3 des angefochtenen Beschlusses genannten Verpflichtungen zu übermitteln, so dass deren Umsetzung von der Kommission fortlaufend überwacht wird.

172    In den Erwägungsgründen 383 und 384 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass auf diese Weise sichergestellt wurde, dass der von den neuen Reaktoren erzeugte Strom auf dem Großhandelsmarkt für alle Marktteilnehmer in transparenter Weise verfügbar ist und dass daher keine Gefahr besteht, dass der von der Gesellschaft Paks II erzeugte Strom langfristigen Monopolvereinbarungen unterworfen würde und somit ein Risiko für die Marktliquidität bestehen würde. Die Kommission ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Risiken, die sich für die Marktliquidität ergeben könnten, nur untergeordnet sind.

173    Die Republik Österreich erläutert nicht, inwiefern die von der Kommission aufgestellten Bedingungen nicht ausreichen sollten, um den bei der Gewährung der Beihilfe, die zur Ersetzung der Produktion aus den alten Reaktoren durch jene aus den neuen Reaktoren führt, wahrgenommenen Problemen abzuhelfen. Die Liquidität wird nämlich erhöht, und es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Situation, die aus den Beihilfebedingungen nach Art. 3 des angefochtenen Beschlusses resultiert, zu unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen auf dem Markt führen würde.

174    Die Kritik der Republik Österreich, wonach aufgrund des Umstands, dass keine Mindestmengen an Strom, die zum Verkauf gelangen müssten, vorgesehen seien, es eine Handelsstrategie der MVM-Gruppe und der Gesellschaft Paks II sein könne, das Stromangebot insgesamt zu verknappen, um so höhere Preise – durchaus im Zuge der Veräußerung auf der Strombörse bzw. in Auktionen – zu erzielen, kann nicht überzeugen. Die Kommission weist nämlich zu Recht darauf hin, dass die beiden Kernkraftwerke die sogenannte Baseload-Kapazität erzeugen sollen, so dass sie nicht willkürlich – nur um das Stromangebot zu verknappen – ihre Reaktorblöcke herunterfahren können, da das Hochfahren der Kernkraftanlagen mit hohen Kosten und Aufwand verbunden ist.

175    Der Kommission ist daher kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie festgestellt hat, dass die Gewährung einer staatlichen Beihilfe an die Gesellschaft Paks II zur Ersetzung der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks durch neue Reaktoren in Bezug auf den Aspekt der Liquidität des Stromgroßhandelsmarkts mit Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV vereinbar ist.

176    Der achte Klagegrund ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum neunten Klagegrund: Unzureichende Determinierung der Beihilfe

177    Mit dem neunten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, die Kommission habe es versäumt, das Beihilfeelement eindeutig bestimmbar zu machen. Insbesondere würden die Kosten für die Finanzierung der Schulden und die Kosten der Abfallbehandlung nicht angegeben.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Republik Österreich trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Die Tschechische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, die Republik Polen, die Slowakische Republik sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Van der Woude

De Baere

Steinfatt

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. November 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


1      Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.