Language of document : ECLI:EU:T:2011:377

Rechtssache T‑189/06

Arkema France SA

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Kartelle – Wasserstoffperoxid und Natriumperborat – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Begründungspflicht – Gleichbehandlung – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Geldbußen – Mitteilung über Zusammenarbeit“

Leitsätze des Urteils

1.      Wettbewerb – Unionsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Wirtschaftliche Einheit – Beurteilungskriterien – Vermutung, dass eine Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf Tochtergesellschaften ausübt, deren Kapital sie zu 100 % hält

(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2)

2.      Wettbewerb – Unionsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Wirtschaftliche Einheit – Beurteilungskriterien – Vermutung, dass eine Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf Tochtergesellschaften ausübt, deren Kapital sie zu 100 % hält

(Art. 81 EG und 82 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2)

3.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln – An mehrere Adressaten gerichtete Entscheidung

(Art. 81 EG, 82 EG und 253 EG)

4.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Abschreckender Charakter – Berücksichtigung der Größe und des Gesamtumsatzes des mit der Geldbuße belegten Unternehmens – Erheblichkeit – Anwendung eines Multiplikators auf den Ausgangsbetrag

(Art. 81 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 A)

5.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Nach anderen Bußgeldentscheidungen, bei denen der Gesichtspunkt der Tatwiederholung berücksichtigt wurde, ergangene Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem – Fehlen

(Art. 81 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates)

6.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Nichtfestsetzung oder niedrigere Festsetzung der Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 18 und 23 Abs. 2; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission, Nrn. 21 und 23 Buchst. b)

7.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Nichtfestsetzung oder niedrigere Festsetzung der Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 18 und 23 Abs. 2; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission, Nrn. 21 und 23 Buchst. b)

8.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Berücksichtigung der Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens mit der Kommission außerhalb des durch die Mitteilung über Zusammenarbeit festgelegten Rahmens – Voraussetzungen – Grenzen

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23; Mitteilungen der Kommission 96/C 207/04, 98/C 9/03, Nr. 3, und 2002/C 45/03)

1.      Einer Muttergesellschaft kann das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden. Dies liegt darin begründet, dass in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden; demnach kann die Kommission eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre.

In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Gesellschaftskapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben und besteht zum anderen eine widerlegliche Vermutung, dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt. Unter diesen Umständen genügt der Nachweis durch die Kommission, dass die Muttergesellschaft das gesamte Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft hält, um anzunehmen, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieses Tochterunternehmens ausübt. Die Kommission kann in der Folge dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldner die Haftung für die Zahlung der gegen dessen Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen, sofern die vom Mutterunternehmen, dem es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, vorgelegten Beweise nicht für den Nachweis ausreichen, dass sein Tochterunternehmen auf dem Markt eigenständig auftritt.

Die Besitzverhältnisse am Kapital einer Tochtergesellschaft sind ein hinreichendes Kriterium für die genannte Vermutung, ohne dass die Kommission zusätzliche Indizien für die tatsächliche Einflussnahme der Muttergesellschaft beibringen müsste. Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass solche zusätzlichen Indizien in anderen Rechtssachen festgestellt wurden.

Hat die Kommission die Tatsache, dass eine Muttergesellschaft das gesamte oder nahezu gesamte Kapital einer Tochtergesellschaft kontrolliert, als ausreichend angesehen, um diese Vermutung gegenüber allen Adressaten einer Bußgeldentscheidung wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln aufzustellen, und fehlt es an einer Darlegung, die diese Vermutung widerlegt, bedeutet der Umstand, dass die Kommission in Bezug auf einige der Adressaten dieser Entscheidung zusätzliche Indizien angeführt hat, um die Schlussfolgerung, die sich bereits aus der vollständigen Kontrolle über das Kapital der Tochtergesellschaft ergab, zu bekräftigen oder um auf das Vorbringen der betroffenen Unternehmen einzugehen, nicht, dass die Kommission nicht auf alle Adressaten die gleichen Grundsätze angewandt hätte und der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre.

(vgl. Randnrn. 31-34, 46-47, 52-53, 59)

2.      Stützt sich die Kommission auf die Vermutung eines bestimmenden Einflusses, um eine Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zuzurechnen, hat diese Muttergesellschaft Beweise vorzulegen, die für den Nachweis ausreichen, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt.

Insoweit sind sämtliche im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen der Tochtergesellschaft zur Muttergesellschaft relevanten Gesichtspunkte, die von Fall zu Fall variieren können, zu berücksichtigen. Diese Bewertung ist jedoch nicht nur auf die Faktoren zu beschränken, die sich auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft im engen Sinne, wie die Vertriebs- oder Preisstrategie, beziehen. Insbesondere kann die fragliche Vermutung nicht allein dadurch widerlegt werden, dass dargetan wird, dass das Tochterunternehmen diese spezifischen Aspekte seiner Geschäftspolitik selbst in der Hand hat, ohne insoweit Weisungen zu erhalten.

Allein der Umstand, dass eine Gesellschaft eine Holding ist, die nicht operativ tätig ist, reicht nicht aus, um auszuschließen, dass sie vor allem bei der Koordinierung der Finanzanlagen innerhalb der Unternehmensgruppe einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft genommen hätte. Im Kontext einer Unternehmensgruppe ist eine Holding nämlich eine Gesellschaft, die vor allem die Beteiligungen an verschiedenen Gesellschaften bündeln und als deren Leitungsinstanz fungieren soll.

Außerdem reicht die Aufgabenverteilung, die in einer Unternehmensgruppe ein normales Phänomen darstellt, nicht aus, um diese Vermutung eines bestimmenden Einflusses zu widerlegen.

In Bezug auf das Fehlen eines Informationssystems zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft kann der Umstand, dass die Tochtergesellschaft zugunsten ihrer Muttergesellschaft nie eine spezifische Informationspolitik auf dem betreffenden Markt verfolgte, nicht als Beweis ihrer Eigenständigkeit ausreichen, da sich die Eigenständigkeit einer Tochtergesellschaft nicht nur nach den Aspekten der operativen Führung des Unternehmens beurteilt.

(vgl. Randnrn. 67-69, 74, 76, 78)

3.      Die nach Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung muss der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet.

Betrifft eine Entscheidung zur Anwendung von Art. 81 EG eine Mehrzahl von Adressaten und stellt sich die Frage, wem die Zuwiderhandlung zuzurechnen ist, so muss die Entscheidung im Hinblick auf jeden der Adressaten, insbesondere aber im Hinblick auf diejenigen hinreichend begründet sein, denen in der Entscheidung die Zuwiderhandlung zugerechnet wird. Daher muss eine solche Entscheidung hinsichtlich einer Muttergesellschaft, die gesamtschuldnerisch für die Zuwiderhandlung verantwortlich gehalten wird, eine eingehende Darstellung der Gründe enthalten, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, dieser Gesellschaft die Zuwiderhandlung zuzurechnen.

Stützt sich die Kommission auf die Vermutung, dass eine Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt, und haben die betreffenden Gesellschaften im Verwaltungsverfahren Anhaltspunkte vorgebracht, mit denen diese Vermutung widerlegt werden sollte, so muss die Entscheidung eine hinreichende Darstellung der Gründe enthalten, die den Standpunkt der Kommission gerechtfertigt erscheinen lassen, dass diese Anhaltspunkte nicht ausreichend waren, um die genannte Vermutung zu widerlegen. Die Kommission braucht jedoch nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen vor ihr geltend gemacht haben. Daher kann ihr nicht vorgeworfen werden, nicht jedes einzelne von einem Unternehmen vorgetragene Argument präzise beantwortet zu haben. Eine globale Antwort kann nämlich nach den Umständen des konkreten Falles ausreichend sein, damit das Unternehmen seine Interessen sachgerecht wahrnehmen und das Gericht seine Kontrolle ausüben kann.

(vgl. Randnrn. 89-91, 96)

4.      Die Kommission verfügt über einen Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln auszurichten. Bei der Bemessung der Geldbuße muss sie sicherstellen, dass diese eine abschreckende Wirkung entfaltet, und darf hierbei vor allem die Größe und Wirtschaftskraft des fraglichen Unternehmens berücksichtigen.

Die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass die Geldbuße eine hinreichende Abschreckungswirkung entfaltet, verlangt, dass die Geldbuße angepasst wird, damit sie in Einklang mit den Anforderungen, die sich aus der Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergeben, insbesondere im Hinblick auf die Finanzkraft des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt.

Es ist vor allem die Möglichkeit des betroffenen Unternehmens, die zur Zahlung seiner Geldbuße erforderlichen Mittel leichter aufbringen zu können, die im Hinblick auf eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße die Anwendung eines Multiplikators rechtfertigen kann. Insoweit ist die Kommission nicht verpflichtet, eine Verbindung zwischen der Verwendung der Ressourcen des betroffenen Unternehmens und der betreffenden Zuwiderhandlung nachzuweisen, sondern darf zu Recht die Größe des Gesamtunternehmens berücksichtigen. Da sich die von der Kommission vorgenommene Erhöhung zu Recht auf die Größe des betroffenen Unternehmens stützt und die im Rahmen der Zuwiderhandlung verwendeten Ressourcen kein relevantes Kriterium sind, kann die Vornahme der Erhöhung, nur weil sie die zuwiderhandelnden Unternehmen nicht nach diesem Kriterium unterscheidet, keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen. Außerdem kann eine Erhöhung nicht als unverhältnismäßig im Hinblick auf den Abschreckungszweck betrachtet werden, wenn sie angesichts der Größe des betreffenden Unternehmens, die durch die weltweit besonders bedeutenden Umsätze bestätigt werden, in vollem Umfang gerechtfertigt ist.

(vgl. Randnrn. 113-115, 117-120)

5.      Die Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem hängt von der dreifachen Voraussetzung der Identität des Sachverhalts, des Zuwiderhandelnden und des geschützten Rechtsguts ab. Dieser Grundsatz verbietet es somit, dieselbe Person mehr als einmal wegen desselben rechtswidrigen Verhaltens zum Schutz desselben Rechtsguts mit einer Sanktion zu belegen. Weil jedoch die Berücksichtigung früherer Zuwiderhandlungen in einer Entscheidung durch die Kommission nicht diese Zuwiderhandlungen erneut ahnden, sondern lediglich das betreffende Unternehmen wegen seiner Beteiligung an dem in dieser Entscheidung bezeichneten Kartell unter Berücksichtigung seines Verhaltens als Wiederholungstäter ahnden soll, führt die Berücksichtigung der gleichen Zuwiderhandlungen in früheren Entscheidungen nicht zu einer Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem.

(vgl. Randnrn. 127-128)

6.      Aus den Nrn. 21 und 23 der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen geht hervor, dass ein Unternehmen, um eine Ermäßigung der Geldbuße beanspruchen zu können, der Kommission Beweismittel liefern muss, die einen erheblichen Mehrwert gegenüber den Beweismitteln darstellen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits in ihrem Besitz befanden.

Ferner muss die Kommission für die Anwendung der in Nr. 23 Buchst. b dieser Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Bandbreiten für die Ermäßigung der Geldbuße den Zeitpunkt bestimmen, zu dem das Unternehmen diese Voraussetzung erfüllt hat.

Diese Auslegung wird durch den Aufbau der von der fraglichen Mitteilung vorgesehenen Regelung bestätigt, die für das „erste“, das „zweite“ und „jedes weitere“ Unternehmen, das die fraglichen Voraussetzungen erfüllt, drei unterschiedliche Bandbreiten für die Ermäßigung vorsieht und damit voraussetzt, dass die Kommission den genauen Zeitpunkt bestimmt, zu dem das betroffene Unternehmen die Voraussetzungen für die Ermäßigung der Geldbuße erfüllt, indem sie die vorgelegten Beweismittel mit denjenigen vergleicht, die sich zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits in ihrem Besitz befanden. Die Kommission stützt sich zu Recht zum einen auf dieses zeitliche Kriterium und zum anderen auf den Umfang des Mehrwerts der Beiträge der Unternehmen, wenn sie nach Maßgabe der in Nr. 21 dieser Mitteilung bestimmten Voraussetzung prüft, ob die vorgelegten Beweismittel einen erheblichen Mehrwert gegenüber den Beweismitteln haben, die sich zum Zeitpunkt des jeweiligen Antrags bereits in ihrem Besitz befanden.

Dieser Ansatz, der sowohl den zeitlichen wie den qualitativen Aspekt des Beitrags berücksichtigt und das Unternehmen belohnt, das als erstes die Voraussetzungen für die Ermäßigung erfüllt hat, entspricht den Zielen dieser Mitteilung, da sie den kooperationswilligen Unternehmen einen Anreiz bietet, sich möglichst früh an der Untersuchung dadurch zu beteiligen, dass sie in ihrem ersten Antrag sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Beweismittel vorlegen. Dadurch, dass sie einen Anreiz schafft, die Schwelle zum erheblichen Mehrwert schon im ersten Antrag zu überschreiten, kann sie insbesondere ausschließen, dass das Unternehmen, das einen Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung stellt, seine Zusammenarbeit stückweise auf das gesamte Verfahren verteilt. Da zudem die Mitteilung über Zusammenarbeit auf einem Ansatz beruht, der die Festlegung einer genauen zeitlichen Reihenfolge der Anträge gemäß den Zielen der Transparenz und Rechtssicherheit erforderlich macht, kann ihre Anwendung nicht unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob der Zeitraum zwischen den Anträgen kurz oder lang ist.

(vgl. Randnrn. 146-148, 153-155)

7.      Zwar kann die Kommission im Rahmen ihrer Beurteilung der Kooperation von Mitgliedern eines Kartells den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht außer Acht lassen, sie verfügt aber über ein weites Ermessen bei der Beurteilung der Qualität und des Nutzens der von einem bestimmten Unternehmen geleisteten Zusammenarbeit. Daher kann nur ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission beanstandet werden.

(vgl. Randnr. 168)

8.      Bei Zuwiderhandlungen, die in den Anwendungsbereich der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen fallen, kann der Betroffene der Kommission grundsätzlich nicht mit Erfolg vorwerfen, dass sie den Umfang seiner Zusammenarbeit nicht außerhalb des rechtlichen Rahmens der Mitteilung über Zusammenarbeit als mildernden Umstand berücksichtigt habe. Wenn die Kommission die Zusammenarbeit eines Unternehmens berücksichtigte, indem sie die Geldbuße gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit herabsetzte, kann ihr daher nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, die gegen das Unternehmen verhängte Geldbuße nicht zusätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Mitteilung herabgesetzt zu haben.

(vgl. Randnrn. 178-179)