Language of document : ECLI:EU:C:2024:617

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 11. Juli 2024(1)

Rechtssache C318/24 PPU [Breian](i)

Direcţia Naţională Anticorupţie – Serviciul Teritorial Braşov (Nationale Antikorruptionsdirektion – Dienststelle Braşov, Rumänien)

(Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Braşov [Berufungsgericht Braşov, Rumänien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Europäischer Haftbefehl – Rahmenbeschluss 2002/584/JI – Ablehnung der Übergabe von gesuchten Personen – Rechtskraft der Ablehnung – Gegenseitige Anerkennung und gegenseitiges Vertrauen – Systemische oder allgemeine Mängel der Justiz des ausstellenden Mitgliedstaats – Amtseid rumänischer Richter – Verpflichtung, den Gerichtshof wegen der Vereinbarkeit einer rechtskräftigen ablehnenden Entscheidung mit dem Unionsrecht anzurufen – Entscheidung der Commission for the Control of Interpol’s Files (Ausschuss für die Kontrolle der Dossiers von Interpol, CCF) – Beteiligungsrechte der ausstellenden Justizbehörde am Verfahren vor der vollstreckenden Justizbehörde – Anrufung der Kommission – Zusammenarbeit der Justizbehörden – Höherer mitgliedstaatlicher Schutzstandard“






I.      Einleitung

1.        Der vorliegende Fall betrifft einen Europäischen Haftbefehl auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses 2002/584(2) zur Durchsetzung einer Freiheitsstrafe in Rumänien. Die vollstreckende Justizbehörde in Frankreich hat die Übergabe der gesuchten Person (im Folgenden: der Verurteilte) allerdings rechtskräftig abgelehnt. Sie sieht in Rumänien systemische oder allgemeine Mängel hinsichtlich des Amtseids von Richtern und hat insbesondere Zweifel daran, ob zwei der drei Richter, die die Freiheitsstrafe verhängt haben, diesen Eid tatsächlich geleistet haben.

2.        Nunmehr richtet das für die Durchsetzung der Haftstrafe zuständige rumänische Gericht ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof, um die Bedeutung der ablehnenden Entscheidung für den Europäischen Haftbefehl zu klären. Dabei geht es hauptsächlich um die Wirkung der Rechtskraft der ablehnenden Entscheidung für andere Mitgliedstaaten und um die Zweifel hinsichtlich des Amtseids. Darüber hinaus fragt das vorlegende Gericht, welche Bedeutung einer Entscheidung von Interpol zukommt, auf die sich die vollstreckende französische Justizbehörde berufen hat, sowie danach, ob es sich selbst an dem Verfahren vor der vollstreckenden Justizbehörde beteiligen oder zumindest an die Kommission wenden kann.

3.        Mittlerweile prüft eine weitere vollstreckende Justizbehörde in Malta, wo der Verurteilte erneut verhaftet wurde, ob er an Rumänien zu übergeben ist. Da die erste maltesische Instanz die Vollstreckung des Haftbefehls wegen Zweifeln hinsichtlich der Haftbedingungen in Rumänien abgelehnt hatte, hat das rumänische Gericht eine weitere Frage an den Gerichtshof gerichtet. Diese betrifft einerseits die Zusammenarbeit mit dem maltesischen Gericht und andererseits den vom maltesischen Gericht angewandten grundrechtlichen Schutzstandard.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Völkerrecht

4.        Nach Art. 2 Abs. 1 der Statuten von Interpol (Constitution of Interpol), die 1956 angenommen und 2023 zuletzt geändert wurden, ist eines der Ziele von Interpol, eine

„möglichst umfassende gegenseitige Unterstützung aller kriminalpolizeilichen Behörden im Rahmen der in den einzelnen Ländern geltenden Gesetze und im Geiste der ‚Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte‘ sicherzustellen und weiterzuentwickeln“.

5.        Art. 5 der Statuten von Interpol nennt die Commission for the Control of Interpol’s Files (Kommission für die Kontrolle der Dossiers von Interpol, CCF) als Teil von Interpol.

6.        Gemäß Art. 36 der Statuten von Interpol ist die CCF eine unabhängige Stelle, die gewährleisten soll, dass bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Interpol die anwendbaren Regelungen respektiert werden (Abs. 1). Zu diesem Zweck soll sie insbesondere über diesbezügliche Beschwerden entscheiden (Abs. 3).

7.        Die CCF verfügt über ein eigenes Statut (Statute of the Commission for the Control of Interpol’s Files), das ihre Aufgaben und Befugnisse näher regelt. Danach kann sie insbesondere die Löschung personenbezogener Daten aus dem Informationssystem von Interpol anordnen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c).

B.      Unionsrecht

8.        Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 definiert den Europäischen Haftbefehl und begründet die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu seiner Vollstreckung:

„(1)      Bei dem Europäischen Haftbefehl handelt es sich um eine justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt.

(2)      Die Mitgliedstaaten vollstrecken jeden Europäischen Haftbefehl nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und gemäß den Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses.

(3)      Dieser Rahmenbeschluss berührt nicht die Pflicht, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in … [Art. 6 EUV] niedergelegt sind, zu achten.“

9.        Die Entscheidung über die Übergabe sowie die Beziehungen zwischen der ausstellenden und der vollstreckenden Justizbehörde sind in Art. 15 des Rahmenbeschlusses 2002/584 geregelt:

„(1)      Die vollstreckende Justizbehörde entscheidet über die Übergabe der betreffenden Person nach Maßgabe dieses Rahmenbeschlusses und innerhalb der darin vorgesehenen Fristen.

(2)      Ist die vollstreckende Justizbehörde der Ansicht, dass die vom Ausstellungsmitgliedstaat übermittelten Informationen nicht ausreichen, um über die Übergabe entscheiden zu können, so bittet sie um die unverzügliche Übermittlung der notwendigen zusätzlichen Informationen, insbesondere hinsichtlich der Art. 3 bis 5 und Art. 8; sie kann eine Frist für den Erhalt dieser zusätzlichen Informationen festsetzen, wobei die Frist nach Art. 17 zu beachten ist.

(3)      Die ausstellende Justizbehörde kann der vollstreckenden Justizbehörde jederzeit alle zusätzlichen sachdienlichen Informationen übermitteln.“

III. Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen

10.      Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft einen Europäischen Haftbefehl zur Vollstreckung einer Haftstrafe. Rumänische Gerichte haben gegen den Verurteilten eine mehrjährige Haftstrafe verhängt. Da er Rumänien verlassen hatte, hat das vorlegende Gericht einen Europäischen Haftbefehl erlassen.

11.      Der Verurteilte wurde in der Folge zunächst in Frankreich aufgegriffen. Laut dem Vorabentscheidungsersuchen lehnte das dort zuständige Gericht eine Auslieferung nach Rumänien jedoch durch eine mittlerweile rechtskräftige Entscheidung ab. Die rumänische Justiz leide an systemischen Mängeln, die sich im vorliegenden Fall insbesondere darin geäußert hätten, dass eine an der letztinstanzlichen Verurteilung beteiligte Richterin nur einen Amtseid als Staatsanwältin abgelegt habe und die Eidesleistung eines weiteren beteiligten Richters nicht belegt werden könne. Daher bestehe ein echtes Risiko, dass die Verurteilung nicht von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren im Sinne von Art. 47 Abs. 2 der Charta ausgesprochen worden sei.

12.      Das französische Gericht hat sich dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge darüber hinaus auf die CCF berufen, die aufgrund einer Beschwerde des Verurteilten ernsthafte Bedenken hinsichtlich politischer Elemente und der Beachtung von Menschenrechten in dem rumänischen Strafverfahren geltend gemacht habe, das zu seiner Verurteilung geführt hatte. Die CCF habe daher entschieden, dass die Angaben zu dem Verurteilten aus den Dossiers von Interpol entfernt würden.

13.      Später, am 29. April 2024, wurde der Verurteilte aufgrund desselben Europäischen Haftbefehls in Malta verhaftet. Die vollstreckende maltesische Justizbehörde verlangte daraufhin weitere Informationen vom vorlegenden Gericht und teilte mit, dass die gesuchte Person sich auf die Entscheidung der vollstreckenden französischen Justizbehörde berufe.

14.      Daraufhin richtete die Curtea de Apel Braşov (Berufungsgericht Braşov, Rumänien) am 30. April 2024 die folgenden Fragen an den Gerichtshof:

1)      Ist Art. 15 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen, dass das rechtskräftige Urteil über die Entscheidung der vollstreckenden Justizbehörde, die Übergabe der gesuchten Person abzulehnen, gegenüber einer anderen vollstreckenden Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaats Rechtskraftwirkung entfaltet, oder ist er dahin auszulegen, dass er der (erneuten) Stellung eines Übergabeersuchens auf der Grundlage desselben Europäischen Haftbefehls nicht entgegensteht, wenn die Gesichtspunkte, die der Vollstreckung eines früheren Europäischen Haftbefehls entgegenstanden, beseitigt wurden oder wenn die Entscheidung über die Ablehnung der Vollstreckung dieses Europäischen Haftbefehls unionsrechtswidrig war, sofern die Vollstreckung eines neuen Europäischen Haftbefehls nicht zu einem Verstoß gegen Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 führt und das neue Übergabeersuchen entsprechend der Auslegung des Rahmenbeschlusses 2002/584 durch das Urteil vom 31. Januar 2023 (Puig Gordi u. a., C‑158/21, Rn. 141 und Antwort auf die sechste Vorlagefrage) verhältnismäßig ist?

2)      Ist Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen, dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nicht ablehnen darf, wenn im Rahmen der Überprüfung der Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte im Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls im Hinblick auf das Recht auf ein faires Verfahren unter dem Gesichtspunkt des in Art. 47 Abs.  2 der Charta vorgesehenen Erfordernisses eines durch Gesetz errichteten Gerichts Unregelmäßigkeiten bei der Vereidigung der Mitglieder des Spruchkörpers des Gerichts, das die Verurteilung ausgesprochen hat, festgestellt wurden, ohne dass eine Einflussnahme durch andere Teile der Staatsgewalt auf das Verfahren zur Ernennung der Richter im Raum stünde?

3)      Ist Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen, dass in einer Situation, in der eine Person, gegen die ein Europäischer Haftbefehl erlassen wurde, geltend macht, dass ihre Übergabe an den ausstellenden Mitgliedstaat zu einer Nichtbeachtung ihres Rechts auf ein faires Verfahren führen würde, das Vorliegen einer Entscheidung der CCF, die sich unmittelbar auf die Situation dieser Person bezieht, für sich genommen nicht rechtfertigen kann, dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung des fraglichen Europäischen Haftbefehls ablehnt, dass aber eine solche Entscheidung von dieser Justizbehörde zusammen mit anderen Gesichtspunkten berücksichtigt werden kann, um das Vorliegen systemischer oder allgemeiner Mängel in Bezug auf das Funktionieren des Justizsystems dieses Mitgliedstaats oder von Mängeln zu prüfen, die den gerichtlichen Schutz einer objektiv identifizierbaren Gruppe von Personen, zu der auch diese Person gehört, beeinträchtigen?

4)      Ist der Rahmenbeschluss 2002/584 dahin auszulegen, dass er einem erneuten Ersuchen auf Übergabe der aufgrund desselben Europäischen Haftbefehls gesuchten Person, dessen Vollstreckung zunächst von einem Vollstreckungsgericht eines Mitgliedstaats abgelehnt wurde, vor einem anderen Vollstreckungsgericht eines anderen Mitgliedstaats nicht entgegensteht, wenn die ausstellende Justizbehörde anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs oder allein aufgrund der Tatsache, dass dem Gerichtshof eine Frage zur Auslegung des in dieser Rechtssache anwendbaren Unionsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde, selbst feststellt, dass die frühere Entscheidung, die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls abzulehnen, unionsrechtswidrig war?

5)      Erlauben es der in Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 festgelegte Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV verankerten Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der loyalen Zusammenarbeit in Verbindung mit dem Erfordernis, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der Rechte der am Verfahren beteiligten Personen zu gewährleisten, – all dies in Bezug auf die Art. 15 und 19 des Rahmenbeschlusses 2002/584 –, den Justizbehörden des ausstellenden Mitgliedstaats (das ausstellende Gericht, vertreten durch einen unmittelbaren Vertreter oder auf Einladung dieses Gerichts durch andere Justizorgane wie einen Verbindungsrichter, das nationale Mitglied von Eurojust oder die Staatsanwaltschaft des ausstellenden Mitgliedstaats), sich an den von der vollstreckenden Justizbehörde durchgeführten gerichtlichen Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls auf der Grundlage und unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit unmittelbar zu beteiligen, indem sie Anträge stellen, Beweisangebote beibringen und an Verhandlungen teilnehmen, sowie einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über die Ablehnung der Übergabe einzulegen – sofern ein Rechtsbehelf vorgesehen ist und in diesem Fall nach dem innerstaatlichen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats?

6)      Ist Art. 17 Abs. 1 EUV über die Aufgaben der Kommission im Licht des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen, dass die Aufgaben der Kommission, die allgemeinen Interessen der Union durch das Ergreifen geeigneter Initiativen zu fördern und für die Anwendung des Unionsrechts zu sorgen, im Bereich des Europäischen Haftbefehls auch auf Ersuchen der Justizbehörde, die den Europäischen Haftbefehl ausgestellt hat, wahrgenommen werden können, wenn diese Behörde der Auffassung ist, dass die Weigerung der vollstreckenden Justizbehörde, den Europäischen Haftbefehl zu vollstrecken, die Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der loyalen Zusammenarbeit ernsthaft gefährdet, damit die Kommission die Maßnahmen ergreift, die sie im Einklang mit diesen Aufgaben und in völliger Unabhängigkeit für erforderlich hält?

15.      Die Fünfte Kammer des Gerichtshofs entschied am 16. Mai 2024, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen dem Eilvorabentscheidungsverfahren nach Art. 23a der Satzung des Gerichtshofs und den Art. 107 ff. der Verfahrensordnung zu unterwerfen. Zugleich ersuchte sie das vorlegende Gericht um weitere Klarstellungen zu dem bei ihm anhängigen Verfahren.

16.      Am 20. Mai 2024 lehnte das in erster Instanz zuständige maltesische Gericht die Übergabe des Verurteilten an Rumänien ab, da es aufgrund der Haftbedingungen in Rumänien und der ihm vorliegenden Informationen nicht feststellen könne, dass in Bezug auf den Verurteilten das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung nach Art. 4 der Charta beachtet würde. Daraufhin richtete das vorlegende Gericht gemeinsam mit den vom Gerichtshof erbetenen Auskünften am 22. Mai 2024 eine weitere Frage an den Gerichtshof:

7)      Ist Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in Verbindung mit Art. 4 der Charta betreffend das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung dahin auszulegen, dass bei der Prüfung der Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat zum einen die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nicht auf der Grundlage von Informationen ablehnen kann, die der ausstellenden Justizbehörde nicht zur Kenntnis gebracht worden sind und zu denen letztere Behörde keine Gelegenheit hatte, zusätzliche Informationen im Sinne von Art. 15 Abs. 2 und 3 des Rahmenbeschlusses zu übermitteln, und zum anderen die vollstreckende Justizbehörde keinen höheren Standard als den in der Charta vorgesehenen anwenden darf, ohne die Regeln genau anzugeben, auf die sie sich insbesondere in Bezug auf Haftanforderungen wie die Erstellung eines „genauen Plans für die Vollstreckung der Strafe“, „genauer Kriterien für die Festlegung einer bestimmten Vollstreckungsregelung“ und von Garantien in Bezug auf die Nichtdiskriminierung aufgrund einer „besonders einzigartigen und prekären Situation“ bezieht?

17.      Die maltesische Staatsanwaltschaft hat zwischenzeitlich einen erfolgreichen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Übergabe eingelegt, so dass das Verfahren wieder bei der ersten Instanz anhängig ist und der Verurteilte sich weiterhin in Haft befindet. Nach den jüngsten Informationen hat das erstinstanzliche Gericht zwischenzeitlich die Übergabe angeordnet, doch dagegen hat der Verurteilte ein Rechtsmittel eingelegt.

18.      Das Parchetul de pe lângă Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie – Direcţia Naţională Anticorupţie (Staatsanwaltschaft am Obersten Kassations- und Gerichtshof – Nationale Antikorruptionsdirektion, Rumänien), der Verurteilte, Rumänien, die Französische Republik, die Republik Malta sowie die Europäische Kommission haben sich schriftlich geäußert. An der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2024 haben sich der Verurteilte, Rumänien, Irland und die Kommission beteiligt.

IV.    Rechtliche Würdigung

19.      Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen reagiert auf die Entscheidungen des französischen und des maltesischen Gerichts, den streitgegenständlichen Europäischen Haftbefehl nicht zu vollstrecken. Zunächst ist auf die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens und seine Dringlichkeit einzugehen (dazu unter A). Inhaltlich veranlasst die Rechtskraft der französischen Entscheidung Fragen zu ihrer Wirkung in anderen Mitgliedstaaten (dazu unter B) und zur Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens, um ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu beurteilen (dazu unter C). Das vorlegende Gericht fragt gleichzeitig danach, ob die Beanstandungen des französischen Gerichts im Hinblick auf den Amtseid der verurteilenden rumänischen Richter eine Ablehnung der Übergabe rechtfertigen können (dazu unter D). Außerdem fragt es nach der Bedeutung von Feststellungen einer Stelle von Interpol (dazu unter E) sowie danach, ob es sich selbst unmittelbar am Verfahren vor der vollstreckenden Justizbehörde beteiligen kann (dazu unter F) oder ob es die Kommission anrufen kann (dazu unter G). Und schließlich führt die ablehnende maltesische Entscheidung zu Fragen hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen der ausstellenden und der vollstreckenden Justizbehörde sowie des anzuwendenden Grundrechtsstandards (dazu unter H).

A.      Zulässigkeit und Dringlichkeit

20.      Auf den ersten Blick könnte man daran zweifeln, dass das Vorabentscheidungsersuchen tatsächlich entscheidungserheblich, also zulässig ist. Daneben stellt sich die Frage, ob es im Sinne der Voraussetzungen des Eilvorabentscheidungsverfahrens dringlich ist.

21.      Das vorlegende rumänische Gericht hat einen Europäischen Haftbefehl erlassen, dessen Vollstreckung gegenwärtig in Malta geprüft wird. Daher entscheidet nicht das vorlegende Gericht, sondern ein maltesisches Gericht darüber, ob und gegebenenfalls wie lange der Verurteilte dort in Haft bleibt. Eine Haftentscheidung des vorlegenden Gerichts kommt nur zukünftig in Betracht, falls der Verurteilte von Malta an Rumänien übergeben wird.

22.      Somit stellt sich im Hinblick auf die Entscheidungserheblichkeit die Frage, ob das vorlegende Gericht tatsächlich eine Entscheidung treffen muss, die eine Beantwortung der vorgelegten Fragen durch den Gerichtshof erfordert.

23.      Der Gerichtshof hat jedoch bereits klargestellt, dass im Rahmen eines Verfahrens im Zusammenhang mit einem Europäischen Haftbefehl in erster Linie der Ausstellungsmitgliedstaat für die Gewährleistung der Grundrechte der gesuchten Person verantwortlich ist. Da die Ausstellung eines solchen Haftbefehls ihre Festnahme zur Folge haben kann, muss eine ausstellende Justizbehörde, um diese Rechte zu gewährleisten, über die Möglichkeit verfügen, den Gerichtshof mit einer Vorlage zur Vorabentscheidung zu befassen, um zu ermitteln, ob sie einen Europäischen Haftbefehl aufrechterhalten kann oder aufheben bzw. zurücknehmen muss.(3)

24.      Um den Grundsätzen des gegenseitigen Vertrauens und der loyalen Zusammenarbeit nachzukommen, darf die ausstellende Justizbehörde insbesondere keinen Europäischen Haftbefehl aufrechterhalten, dessen Vollstreckung abgelehnt werden müsste, um einen Verstoß gegen Art. 47 Abs. 2 der Charta zu vermeiden.(4)

25.      Genau diese Frage stellt sich im vorliegenden Verfahren: Aufgrund der Einwände, mit denen das französische und das erstinstanzliche maltesische Gericht die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls abgelehnt haben, muss das vorlegende rumänische Gericht entscheiden, ob es den Haftbefehl aufrechterhält und von dem jetzt zuständigen maltesischen Gericht die Vollstreckung verlangt oder ob es ihn aufhebt bzw. zurücknimmt. Um diese Entscheidung zu treffen, hat es das Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof gerichtet. Das Ersuchen ist daher grundsätzlich entscheidungserheblich. Etwaige Zweifel an der Entscheidungserheblichkeit einzelner Fragen werde ich dort gesondert erörtern.

26.      Was die Dringlichkeit angeht, so trifft es zu, dass das vorlegende rumänische Gericht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht selbst über die Haft des Verurteilten entscheidet, da er in Malta inhaftiert ist. Er wird allerdings nur aufgrund des Europäischen Haftbefehls in Haft gehalten, über dessen weiteren Bestand das vorlegende Gericht auf der Grundlage der Antworten auf das Vorabentscheidungsersuchen entscheiden muss. Solange die Haft in Malta andauert, ist das Ersuchen daher dringlich und wird zu Recht im Eilvorabentscheidungsverfahren bearbeitet.

B.      Wirkung einer rechtskräftigen Ablehnung der Übergabe in einem anderen Mitgliedstaat

27.      Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht erfahren, welche Bedeutung der Ablehnung der Übergabe durch die Gerichte eines Mitgliedstaats (hier Frankreich) für die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls in einem anderen Mitgliedstaat (hier Malta) zukommt. Streng genommen ist die Frage in dieser Form für das vorlegende Gericht nicht entscheidungserheblich, denn es muss nicht unmittelbar über die Vollstreckung des Haftbefehls entscheiden. Diese Entscheidung obliegt vielmehr den Gerichten des anderen Mitgliedstaats, hier also Malta.

28.      Der Gerichtshof hat allerdings bereits Fragen eines ausstellenden Gerichts zu den Befugnissen eines vollstreckenden Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat beantwortet.(5) Diese Vorgehensweise erklärt sich dadurch, dass das vorlegende Gericht erfahren wollte, ob es aufgrund der Entscheidungen des vollstreckenden Gerichts die betreffenden Europäischen Haftbefehle aufrechterhalten könne oder aufheben müsse.(6)

29.      Dass die vorliegende Frage entscheidungserheblich ist, kommt noch klarer zum Ausdruck, wenn man sie dahin gehend umformuliert, ob bereits die rechtskräftige Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in einem Mitgliedstaat seine Vollstreckung in allen anderen Mitgliedstaaten selbst dann ausschließt, wenn sich die Gründe der Ablehnung als unvereinbar mit dem Unionsrecht erweisen. Wenn der rechtskräftigen Ablehnung diese Wirkung zukäme, wäre der Haftbefehl hinfällig und müsste durch das vorlegende Gericht aufgehoben werden.

30.      Es trifft zu, dass dem Grundsatz der Rechtskraft sowohl im Unionsrecht als auch in den innerstaatlichen Rechtsordnungen große Bedeutung zukommt. Daher sollten zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können.(7)

31.      In diesem Sinne kann man Entscheidungen des Gerichtshofs zum erneuten Erlass eines Europäischen Haftbefehls(8) dahin gehend verstehen, dass eine rechtskräftige Ablehnung der Übergabe – ob mit dem Unionsrecht vereinbar oder nicht – der Vollstreckung des ursprünglichen Haftbefehls zumindest in dem Mitgliedstaat entgegenstehen könnte, in dem die Ablehnung ausgesprochen wurde.

32.      Der Rahmenbeschluss 2002/584 sieht jedoch nicht vor, dass die rechtskräftige Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in einem Mitgliedstaat die Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten verhindert. Insbesondere kann eine solche Ablehnung nicht mit einer rechtskräftigen Verurteilung im Sinne des in Art. 3 Nr. 2 des Rahmenbeschlusses niedergelegten Verbots der Doppelbestrafung gleichgesetzt werden, die einer Strafverfolgung dieser Person wegen derselben Handlung im Ausstellungsstaat oder der Aufnahme einer solchen Strafverfolgung in einem anderen Staat entgegensteht.(9)

33.      Der Regelungsgehalt der Bestimmungen über die Ablehnung der Übergabe in den Art. 3, 4 und 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584 bestätigt, dass die Ablehnung der Übergabe in einem Mitgliedstaat nicht der Übergabe durch andere Mitgliedstaaten entgegenstehen muss.

34.      Die Art. 4 und 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584 erlauben, einen Europäischen Haftbefehl aus verschiedenen Gründen abzulehnen, verpflichten aber nicht dazu. Wenn ein Mitgliedstaat auf dieser Grundlage eine Übergabe ablehnt, kann diese Entscheidung schon ihrer Natur nach keine Bindungswirkung für die Gerichte anderer Mitgliedstaaten entfalten, denn diese sind nicht verpflichtet, bei der Ausübung dieser Befugnis dem Vorbild anderer Mitgliedstaaten zu folgen.

35.      Dagegen enthält Art. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 zwar zwingende Ablehnungsgründe, doch zumindest die Gründe nach Art. 3 Nrn. 1 und 3 hängen von den Regelungen des jeweiligen Vollstreckungsstaats ab. Auch solche Entscheidungen können für andere Mitgliedstaaten keine Bindungswirkung entfalten, denn dort gelten andere Regelungen.

36.      Anders ist die Lage bei einer Ablehnung nach Art. 3 Nr. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584, wo das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 50 der Charta im Zusammenhang mit dem Europäischen Haftbefehl niedergelegt ist. Wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats die Übergabe danach zu Recht ablehnt, weil die Tat bereits in einem anderen Mitgliedstaat abgeurteilt wurde, müssen auch die Gerichte anderer Mitgliedstaaten die Übergabe ablehnen.

37.      Das müsste entsprechend auch bei einer Ablehnung wegen der echten Gefahr gelten, dass durch die Übergabe oder in ihrer Folge die Unionsgrundrechte verletzt werden, die bei der Anwendung des Rahmenbeschlusses 2002/584 zu beachten sind.(10) Der Gerichtshof hat anerkannt, dass es der vollstreckenden Justizbehörde bei einer solchen Gefahr gestattet sein kann, ausnahmsweise auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 davon abzusehen, einen Europäischen Haftbefehl zu vollstrecken.(11) Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: In einem solchen Fall darf die vollstreckende Justizbehörde den Haftbefehl nicht vollstrecken, denn andernfalls würde sie eine Grundrechtsverletzung in Kauf nehmen.(12)

38.      Praktisch darf daher bei einer zutreffenden Feststellung einer echten Gefahr der Verletzung von Unionsgrundrechten durch die vollstreckende Justizbehörde eines Mitgliedstaats keine vollstreckende Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaats den Haftbefehl vollstrecken. Das folgt allerdings nicht aus der Rechtskraft der Feststellung der ersten vollstreckenden Justizbehörde, sondern aus der Gefahr der Grundrechtsverletzung.

39.      Dafür spricht auch, dass in erster Linie der Ausstellungsmitgliedstaat für die Gewährleistung der Grundrechte im Zusammenhang mit dem Europäischen Haftbefehl verantwortlich ist.(13) Die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind dem Straf- und Vollstreckungsverfahren am nächsten und können daher am besten beurteilen, ob die Grundrechte beachtet werden. Dem würde es widersprechen, wenn eine vollstreckende Justizbehörde in einem anderen Mitgliedstaat endgültig und für alle Mitgliedstaaten verbindlich feststellen könnte, dass Grundrechte der Vollstreckung des Haftbefehls entgegenstehen.

40.      Auch die im Vorabentscheidungsersuchen erwähnten Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Anerkennung können einer rechtskräftigen Entscheidung einer vollstreckenden Justizbehörde keine solche verbindliche Wirkung in anderen Mitgliedstaaten verleihen. Sie stehen dieser Wirkung vielmehr entgegen. Denn mit der Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls verweigert die vollstreckende Justizbehörde die Anerkennung, die in Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 als Regelfall vorgesehen ist und von der nur in eng auszulegenden Ausnahmen abgewichen werden darf.(14) Damit bringt sie zugleich zum Ausdruck, dass sie der ausstellenden Justizbehörde gerade kein Vertrauen hinsichtlich der Einhaltung der Grundrechte entgegenbringt.

41.      Wenn eine vollstreckende Justizbehörde es rechtskräftig ablehnt, einen Europäischen Haftbefehl zu vollstrecken, kann sie somit die Justizbehörden anderer Mitgliedstaaten nicht binden.(15)

42.      Allerdings müssen die Gründe, auf die eine vollstreckende Justizbehörde die Ablehnung stützt, bei weiteren Entscheidungen über den Haftbefehl angemessen berücksichtigt werden, insbesondere wenn die vollstreckende Justizbehörde eine Verletzung von Grundrechten befürchtet.(16) Darin liegt nicht nur eine weitere Ausprägung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens, diesmal zwischen den vollstreckenden Justizbehörden, sondern es ist auch eine notwendige Folge der Bindung an die Unionsgrundrechte.

43.      Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, bedeutet das aber auch, dass die ausstellende Justizbehörde diese Bedenken zur Kenntnis nehmen und in ihrem Licht prüfen muss, ob sie den Europäischen Haftbefehl aufrechterhalten kann oder zurücknehmen muss.(17)

44.      Auf die erste Frage ist somit zu antworten, dass die rechtskräftige Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in einem Mitgliedstaat vollstreckende Justizbehörden anderer Mitgliedstaaten nicht daran hindert, den Haftbefehl zu vollstrecken. Allerdings müssen die ausstellende Justizbehörde und im Fall der Befassung mit diesem Haftbefehl auch die anderen vollstreckenden Justizbehörden prüfen, ob die Ablehnung der Vollstreckung zu Recht auf Gründe gestützt wurde, die einer Vollstreckung des Haftbefehls in anderen Mitgliedstaaten entgegenstehen.

C.      Vorlagepflicht der ausstellenden Justizbehörde bei rechtskräftiger Ablehnung der Vollstreckung?

45.      Die vierte Frage hängt eng mit der Beantwortung der ersten Frage zusammen und mit der danach gegebenenfalls notwendigen Prüfung, ob eine vollstreckende Justizbehörde die Übergabe der gesuchten Person zu Recht abgelehnt hat. Sie soll nämlich klären, ob die ausstellende Justizbehörde berechtigt ist, die Vereinbarkeit der Ablehnung der Übergabe mit dem Unionsrecht selbst zu überprüfen, oder ob sie verpflichtet ist, diesbezüglich ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof zu richten.

46.      Nach Art. 267 AEUV können die Gerichte der Mitgliedstaaten dem Gerichtshof Fragen zur Auslegung des Unionsrechts stellen, wenn die Beantwortung dieser Fragen erforderlich ist, um einen anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden. Entscheidungserhebliche Zweifel darüber, ob die Ablehnung der Übergabe durch die vollstreckende Justizbehörde mit dem Unionsrecht vereinbar ist, erlauben der ausstellenden Justizbehörde daher in der Regel ein Vorabentscheidungsersuchen.

47.      Nur wenn eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren vor einem einzelstaatlichen Gericht gestellt wird, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, ist dieses Gericht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet. Daneben sind nach ständiger Rechtsprechung alle Gerichte der Mitgliedstaaten verpflichtet, dem Gerichtshof Fragen zu Zweifeln an der Gültigkeit von entscheidungserheblichen Bestimmungen des Unionsrechts vorzulegen.(18)

48.      Im vorliegenden Fall liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die Entscheidungen des vorlegenden Gerichts über den Europäischen Haftbefehl nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.(19) Und auch die Ungültigkeit von Bestimmungen des Unionsrechts steht nicht im Raum.

49.      Vielmehr geht die Frage dahin, ob der Umstand, dass eine vollstreckende Justizbehörde rechtskräftig die Übergabe der gesuchten Person abgelehnt hat, einen weiteren Fall der Vorlagepflicht von Gerichten begründet, deren Entscheidungen mit Rechtsmitteln angefochten werden können. Dafür spricht nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die Bedeutung der Rechtskraft.

50.      Wie bereits dargelegt, kommt der Rechtskraft tatsächlich aufgrund der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im Unionsrecht besondere Bedeutung zu.(20)

51.      Eine Verpflichtung, den Gerichtshof anzurufen, ist allerdings nur gerechtfertigt, wenn andernfalls besondere Risiken für die einheitliche Anwendung des Unionsrechts und damit ebenfalls für die Rechtssicherheit bestünden.(21) Derartige Risiken sind anzunehmen, wenn Gerichte in letzter Instanz entscheiden, denn dann könnte sich in diesem Mitgliedstaat eine innerstaatliche Rechtsprechung herausbilden, die nicht mit den Vorschriften des Unionsrechts in Einklang steht.(22) Auch Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union wären geeignet, die Einheit der Unionsrechtsordnung selbst zu gefährden und das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit zu beeinträchtigen.(23)

52.      Wenn eine ausstellende Justizbehörde, deren Entscheidung mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann, den rechtskräftigen Feststellungen der vollstreckenden Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaats hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts widerspricht, wird das Unionsrecht in der Form des Rahmenbeschlusses 2002/584 zwar in der Union nicht einheitlich angewendet. Ein solcher Widerspruch hat jedoch die gleiche Qualität wie jeder andere Widerspruch zwischen gerichtlichen Entscheidungen, die mit Rechtsmitteln angefochten werden können.

53.      Die Rechtskraft einer ablehnenden Entscheidung einer vollstreckenden Justizbehörde ändert daran nichts. Denn auch andere abweichende Entscheidungen von Untergerichten können rechtskräftig werden, wenn sie nicht angefochten werden. Im Übrigen wurde bereits festgestellt, dass eine rechtskräftige Entscheidung einer vollstreckenden Justizbehörde eines Mitgliedstaats die Justizbehörden anderer Mitgliedstaaten nicht bindet.(24)

54.      Folglich ist die ausstellende Justizbehörde berechtigt, zu überprüfen, ob die rechtskräftige Ablehnung der Übergabe durch die vollstreckende Justizbehörde mit dem Unionsrecht vereinbar ist, ohne den Gerichtshof anzurufen, falls ihre Entscheidung mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann.

D.      Bedeutung des Amtseids

55.      Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob Unregelmäßigkeiten bei der Ablegung des Amtseids der Richter, die eine strafrechtliche Verurteilung ausgesprochen haben, es einer vollstreckenden Justizbehörde erlauben, die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls mit dem Ziel der Vollstreckung dieser Verurteilung auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 und Art. 47 Abs. 2 der Charta abzulehnen.

56.      Wie bereits gesagt, verpflichtet Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 die vollstreckende Justizbehörde, die Vollstreckung des Haftbefehls abzulehnen, wenn eine echte Gefahr einer Grundrechtsverletzung besteht.(25)

57.      Die vollstreckende Justizbehörde muss dafür im Rahmen einer zweistufigen Prüfung beurteilen, ob eine solche Gefahr tatsächlich vorliegt.(26) Zu diesem Zweck muss sie im Rahmen eines ersten Schritts ermitteln, ob es objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben gibt, die nahelegen, dass im Ausstellungsmitgliedstaat aufgrund von systemischen oder allgemeinen Mängeln eine echte Gefahr der Verletzung von Grundrechten gegeben ist.(27) Im Rahmen eines zweiten Schritts muss die vollstreckende Justizbehörde konkret und genau untersuchen, ob die betroffene Person einer echten Gefahr der Verletzung dieser Grundrechte ausgesetzt sein wird.(28)

58.      Im Ausgangsfall lehnte die vollstreckende Justizbehörde, das französische Gericht, die Übergabe ab, weil sich aus den Auskünften der ausstellenden rumänischen Justizbehörde ergeben habe, dass der Nachweis der Eidesleistung von Richtern in Rumänien nicht in jedem Fall gewährleistet sei. Das konkrete Risiko einer Grundrechtsverletzung begründete die vollstreckende Justizbehörde damit, dass für einen der drei Richter, die an der maßgeblichen Verurteilung beteiligt waren, die Eidesleistung nicht nachweisbar sei. Eine weitere Richterin hatte nur einen Amtseid als Staatsanwältin abgelegt. Anscheinend schloss das französische Gericht daraus auf die Gefahr, dass der Verurteilte eine Strafe verbüßen würde, die nicht von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht im Sinne von Art. 47 Abs. 2 der Charta ausgesprochen wurde.

59.      Doch begründen die genannten Umstände tatsächlich die echte Gefahr einer Verletzung von Art. 47 Abs. 2 der Charta?

1.      Die Anforderungen von Art. 47 Abs. 2 der Charta

60.      Die in Art. 47 Abs. 2 der Charta niedergelegten Garantien für den Zugang zu einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht und insbesondere diejenigen, die für den Begriff und die Zusammensetzung des Gerichts bestimmend sind, bilden den Grundpfeiler des Rechts auf ein faires Verfahren.(29)

61.      Da Art. 47 Abs. 2 Satz 1 der Charta Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der EMRK entspricht, hat er nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihm in der Konvention verliehen wird. Der Gerichtshof muss daher darauf achten, dass seine Auslegung von Art. 47 Abs. 2 der Charta ein Schutzniveau gewährleistet, dass das in Art. 6 EMRK in seiner Auslegung durch den EGMR garantierte Schutzniveau nicht verletzt.(30)

62.      Die Bezugnahme auf das Gesetz in Art. 47 Abs. 2 der Charta und Art. 6 Abs. 1 EMRK spiegelt insbesondere das Rechtsstaatsprinzip wider und umfasst nicht nur die Rechtsgrundlage für die Existenz des Gerichts, sondern auch die Zusammensetzung des Spruchkörpers in der jeweiligen Rechtssache sowie alle weiteren Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, deren Nichtbeachtung dazu führt, dass die Teilnahme eines oder mehrerer Richter an der Verhandlung über die Rechtssache eine Regelwidrigkeit darstellt.(31) Die Überprüfung der Einhaltung dieser Garantien ist im Hinblick auf das Vertrauen erforderlich, das die Gerichte einer demokratischen Gesellschaft bei den Rechtsuchenden wecken müssen.(32)

63.      Allerdings ist nicht jeder Fehler geeignet, dieses Vertrauen durch berechtigte Zweifel an der Eigenschaft eines Spruchkörpers als „unabhängiges und unparteiisches, zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht“ im Sinne des Unionsrechts zu erschüttern.(33) Vielmehr kommt es auf die Art und Schwere des Verstoßes an und darauf, ob es um grundlegende Regeln geht, die für die Verfassung und die Funktionsfähigkeit dieses Justizsystems schlechthin konstitutiv sind.(34)

64.      Auch der EGMR überprüft bei der Anwendung von Art. 6 Abs. 1 der EMRK die Ernennung von Richtern. Er beanstandet in der Regel allerdings nur offensichtliche Verstöße gegen die geltenden innerstaatlichen Ernennungsregeln.(35) Nur wenn die Anwendung der geltenden Regeln zu Ergebnissen führt, die mit dem Gegenstand (object) oder dem Ziel (purpose) des betreffenden Menschenrechts unvereinbar sind, hält der EGMR eine weitere Prüfung für notwendig.(36) In beiden Fällen setzt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK im Zusammenhang mit der Ernennung eines Richters in der Regel einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anzuwendenden Regelungen voraus, insbesondere durch eine nicht vorgesehene Einflussnahme.(37) Dabei kommt einer Kontrolle des Ernennungsverfahrens durch die innerstaatlichen Gerichte besondere Bedeutung zu, jedenfalls soweit diese wirksam die Beachtung von Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleisten.(38)

65.      Die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs und des EGMR bezieht sich auf Regelverstöße, die die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Gerichten gegenüber anderen Teilen der Staatsgewalt berühren. Dies erscheint bei Verstößen in Bezug auf den Amtseid auf den ersten Blick eher fernliegend.

66.      Allerdings ist der Amtseid keine reine Formalität, sondern vor allem eine Bekräftigung besonders wichtiger Amtspflichten. So schwören rumänische Richter, die Verfassung und die Gesetze des Landes zu respektieren, die Grundrechte und Freiheiten der Person zu verteidigen und ihre Pflichten mit Ehre, Gewissen und ohne Voreingenommenheit zu erfüllen.(39) Verstöße, die berechtigte Zweifel an der gesetzmäßigen Amtsführung von Gerichten begründen können, sind im Hinblick auf das faire Verfahren nicht unbeachtlich.

67.      Insbesondere kann in der Weigerung, einen im innerstaatlichen Recht zwingend vorgesehenen Amtseid abzulegen, ein hinreichend schwerwiegender Verstoß gegen die Regeln über die Zusammensetzung eines Gerichts liegen, um berechtigte Zweifel daran zu begründen, dass das Gericht den Anforderungen von Art. 47 Abs. 2 der Charta oder von Art. 6 Abs. 1 EMRK genügt. Eine solche Weigerung kann nämlich zeigen, dass die betreffende Person nicht bereit ist, den Amtspflichten zu genügen.(40) In diesem Fall sollte sie von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen werden.

68.      Es ist allerdings zweifelhaft, ob die vorliegenden Beanstandungen hinreichend schwere Verstöße aufzeigen, insbesondere, wenn sie am Maßstab der zweistufigen Prüfung gemessen werden, die Voraussetzung einer Ablehnung der Übergabe nach Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 ist.

69.      Das gilt sowohl für den Fall des nicht mehr auffindbaren Protokolls über den Amtseid eines der Richter als auch für den Fall der Richterin, die nur einen Amtseid als Staatsanwältin abgelegt hat.

2.      Das fehlende Protokoll

70.      Das französische Gericht sieht es als systemischen oder allgemeinen Mangel an, der auf der ersten Stufe der Prüfung festzustellen ist, dass die Protokolle über die Eidesleistung, die rumänische Richter vor April 2014 vorgenommen hatten, nicht in ihrer Personalakte, sondern nur bei dem Gericht aufbewahrt wurden, an dem sie den Eid abgelegt hatten.

71.      Diese Praxis hat sich zwar im vorliegenden Fall tatsächlich als problematisch erwiesen, denn einer der drei Richter, die die Haftstrafe des Verurteilten ausgesprochen haben, hatte dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge seinen Eid 26 Jahre zuvor abgelegt, doch das betreffende Protokoll war nicht mehr auffindbar.

72.      Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob die frühere rumänische Regelung überhaupt als Mangel anzusehen ist, ganz zu schweigen davon, ob sie ein systemisches oder allgemeines Risiko einer Verletzung von Art. 47 Abs. 2 der Charta aufzeigt. Sie betrifft nämlich tatsächlich nicht die Eidesleistung als solche, sondern nur ihren Nachweis.

73.      Die Frage des Nachweises der Eidesleistung ist weder in Art. 47 Abs. 2 der Charta oder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch andernorts im Unionsrecht geregelt. Sie unterliegt daher grundsätzlich der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten.(41) Es trifft zu, dass diese durch die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität begrenzt wird, doch eine Verletzung dieser Grundsätze durch die rumänische Regelung ist nicht ersichtlich.

74.      Zwar sind wirksamere Maßnahmen zur Gewährleistung der Nachweisbarkeit der Eidesleistung vorstellbar, doch der Effektivitätsgrundsatz verlangt nicht die wirksamste Regelung, sondern verbietet nur, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte – hier das Recht auf ein durch Gesetz errichtetes Gericht – praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird.(42)

75.      Wie Rumänien vorträgt, ist das Protokoll der Eidesleistung aber nicht das einzige Mittel, um die Erbringung des Eides bei Zweifeln zu beweisen. So ist in der Regel bereits zu vermuten, dass ein Richter, der sein Amt ausübt, auch einen Amtseid abgelegt hat, soweit dieser vorgesehen ist.(43) Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Gerichtsverwaltung und der Richter selbst vor Beginn der Amtsausübung Gewissheit darüber hatten, dass der Richter den Amtseid abgelegt hat. Eine Entkräftung dieser Vermutung setzt begründete Zweifel voraus. Dafür kann es nicht ausreichen, dass das Protokoll über die Eidesleistung nicht mehr auffindbar ist.

76.      In Ermangelung spezifischer unionsrechtlicher Regelungen über den Nachweis der Eidesleistung steht es daher weder dem Gerichtshof noch den Gerichten anderer Mitgliedstaaten bei der Vollstreckung Europäischer Haftbefehle zu, die frühere rumänische Praxis als systemischen oder allgemeinen Mangel anzusehen.

77.      Dementsprechend ist in Bezug auf diesen Richter auch nicht feststellbar, dass der Verurteilte in seinem Recht auf eine Verhandlung seiner Sache vor einem durch Gesetz errichteten Gericht im Sinne von Art. 47 Abs. 2 der Charta verletzt wurde.

3.      Der Amtseid als Staatsanwältin

78.      Was die Richterin angeht, die ihren Amtseid als Staatsanwältin abgelegt hat, so hat sich die vom französischen Gericht als systemischer oder allgemeiner Mangel identifizierte rumänische Praxis in ihrem Fall nicht ausgewirkt, denn das Protokoll über ihre Eidesleistung wurde gefunden.

79.      Das französische Gericht beanstandet vielmehr, dass sie ihren Amtseid nicht als Richterin, sondern als Staatsanwältin abgelegt hat.

80.      Selbst wenn das einer allgemeinen rumänischen Praxis entsprechen würde, läge darin aus der Perspektive des Unionsrechts kein systemischer oder allgemeiner Mangel. Denn auch die Frage, ob und unter welchen Bedingungen ein Amtseid abzuleisten ist, unterliegt der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten.

81.      Soweit ersichtlich entspricht der Amtseid von Staatsanwälten im Übrigen nach den anwendbaren rumänischen Regeln dem Amtseid von Richtern.(44) Darüber hinaus sieht und sah das rumänische Recht vor, dass Richter und Staatsanwälte bei einem Wechsel der Funktion nicht erneut den Amtseid ablegen müssen.(45) Darunter könnte sowohl der Wechsel zwischen verschiedenen Gerichten oder Spruchkörpern fallen als auch der Wechsel zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht (und umgekehrt), denn der Status von Richtern und Staatsanwälten wurde zumindest seit 1992 in den gleichen Gesetzen geregelt. Immerhin hat dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge ein rumänisches Gericht im Ausgangsverfahren bereits einen Rechtsbehelf wegen fehlender erneuter Vereidigung der hier betroffenen Richterin zurückgewiesen.(46) Folglich ist anzunehmen, dass in dieser Praxis nach rumänischem Recht jedenfalls kein schwerwiegender Verstoß liegt.

82.      Daher begründet auch die Eidesleistung dieser zweiten Richterin nicht das Risiko, dass der Verurteilte eine Strafe verbüßen muss, die nicht von einem durch Gesetz errichteten Gericht im Sinne von Art. 47 Abs. 2 der Charta ausgesprochen wurde.

4.      Zwischenergebnis

83.      Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 und Art. 47 Abs. 2 der Charta erlauben es der vollstreckenden Justizbehörde daher nicht, die Übergabe einer verurteilten Person zum Zweck der Vollstreckung einer in Rumänien verhängten Haftstrafe nur deshalb abzulehnen, weil das Protokoll der Eidesleistung eines an der Verurteilung beteiligten Richters nicht auffindbar ist und eine weitere beteiligte Richterin ihren Amtseid als Staatsanwältin abgelegt hat.

E.      Entscheidung der CCF

84.      Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht erfahren, welche Bedeutung einer Entscheidung der bei Interpol angesiedelten CCF zukommt, die ernsthafte Bedenken hinsichtlich politischer Elemente im allgemeinen Kontext der Verfolgung des Verurteilten und der Beachtung von Menschenrechten im Strafverfahren geltend gemacht habe.

85.      Der Rahmenbeschluss 2002/584 enthält keinen ausdrücklichen Hinweis auf solche Entscheidungen. Der Gerichtshof hat aber bereits entschieden, dass sich Anhaltspunkte für systemische oder allgemeine Mängel u. a. aus Entscheidungen, Berichten und anderen Schriftstücken von Organen des Europarats oder aus dem System der Vereinten Nationen ergeben können.(47)

86.      Die genannte Entscheidung stammt zwar nicht von einer dieser Organisationen, doch Interpol kommt als Quelle von Informationen eine ähnliche Qualität zu.

87.      In dieser Organisation sind 196 Staaten vertreten. Sie wurde zwar nicht durch einen förmlichen völkerrechtlichen Vertrag gegründet, verfügt aber über Statuten, die von der Versammlung der Mitglieder – also Vertretern der beteiligten Staaten – angenommen wurden und in der englischen Fassung sogar als Constitution (Verfassung) bezeichnet werden.

88.      Die Union arbeitet mit Interpol schon lange und intensiv zusammen, wie die Kommission in einer Empfehlung über den Abschluss eines Kooperationsabkommens mit Interpol darlegt, wo sie Interpol als einen wichtigen Partner für die Union bezeichnet.(48) Der Rat hat die Kommission daraufhin ermächtigt, Verhandlungen über das Kooperationsabkommen aufzunehmen.(49) Und auch die Vereinten Nationen kooperieren mit Interpol.(50)

89.      Die CCF ist nach Art. 5 sechster Spiegelstrich der Statuten von Interpol Teil der Organisation. Art. 36 Abs. 3 sieht vor, dass die CCF Anfragen zu den in den Akten von Interpol enthaltenen Informationen bearbeitet. Das bedeutet nach dem Statut der CCF praktisch, dass sie wie eine unabhängige Rechtsschutzinstanz Beschwerden gesuchter Personen bearbeiten und dabei insbesondere die Beachtung der Menschenrechte gewährleisten soll.

90.      Die CCF kann daher – wie im vorliegenden Fall – zu einer Person, die aus dem gleichen Grund über Interpol und mit einem Europäischen Haftbefehl gesucht wird, eine Entscheidung treffen. Anders als die Texte, mit denen sich der Gerichtshof bisher beschäftigte, ist eine solche Entscheidung daher nicht nur für die Feststellung systemischer oder allgemeiner Mängel im ausstellenden Mitgliedstaat von Interesse,(51) sondern auch dafür, ob die gesuchte Person eine konkrete Verletzung ihrer Menschenrechte zu befürchten hat.

91.      Allerdings ergibt sich weder aus dem Rahmenbeschluss 2002/584 noch aus anderen Bestimmungen des Unionsrechts, einschließlich der Unionsgrundrechte, oder aus den Regelungen von Interpol, dass eine Entscheidung der CCF für eine vollstreckende oder ausstellende Justizbehörde verbindlich wäre. Vielmehr müssen diese Justizbehörden selbst prüfen, ob sich aus den in einer Entscheidung enthaltenen Informationen ergibt, dass die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abzulehnen ist.

92.      In der Regel erlaubt die Entscheidung der CCF für sich genommen einer vollstreckenden Justizbehörde noch nicht, die Übergabe der gesuchten Person abzulehnen. Die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV verankerte Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit(52) gebietet vielmehr zumindest, der ausstellenden Justizbehörde Gelegenheit zu geben, sich zu der Entscheidung der CCF zu äußern.(53)

93.      Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 und Art. 47 Abs. 2 der Charta sind somit dahin auszulegen, dass die ausstellende und die vollstreckende Justizbehörde bei Anhaltspunkten für eine echte Gefahr der Verletzung von Unionsgrundrechten der gesuchten Person aufgrund der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls, die sich aus einer Entscheidung der Commission for the Control of Interpol’s Files (Kommission für die Kontrolle der Dossiers von Interpol) ergeben, prüfen müssen, ob der Haftbefehl weiterhin vollstreckt werden kann.

F.      Beteiligung der ausstellenden Justizbehörde am Verfahren vor der vollstreckenden Justizbehörde

94.      Mit der fünften Frage möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob es sich als ausstellende Justizbehörde aufgrund des Rahmenbeschlusses 2002/584, der Grundsätze der gegenseitigen Anerkennung, des gegenseitigen Vertrauens und der loyalen Zusammenarbeit sowie des effektiven Rechtsschutzes unmittelbar am Verfahren vor der vollstreckenden Justizbehörde beteiligen und dort insbesondere Verfahrenshandlungen vornehmen kann.

95.      Diese Frage bringt die Unzufriedenheit des vorlegenden Gerichts mit der Zusammenarbeit mit dem französischen Gericht sowie insbesondere mit dem Umstand zum Ausdruck, dass die ablehnende Entscheidung des französischen Gerichts rechtskräftig wurde, weil die französische Staatsanwaltschaft zwar ein Rechtsmittel einlegte, dieses aber nicht fristgerecht begründete. Daran kann das vorlegende Gericht aber auch mit einer Antwort auf die vorliegende Frage nichts mehr ändern. Daher ist sie in Bezug auf die französische Ablehnung der Vollstreckung nicht entscheidungserheblich.

96.      Für andere Vollstreckungsverfahren, insbesondere das Verfahren in Malta, kann eine Antwort des Gerichtshofs dagegen durchaus entscheidungserheblich sein, da das vorlegende Gericht etwaige vom Gerichtshof festgestellte Beteiligungsrechte noch wahrnehmen könnte. Daher ist die Frage zu beantworten.

97.      Das vorlegende Gericht legt zutreffend dar, dass der Rahmenbeschluss 2002/584 eine solche Verfahrensbeteiligung nicht ausschließt. Er verlangt sie allerdings auch nicht, sondern beschränkt sich darauf, die gegenseitige Anerkennung von Europäischen Haftbefehlen und damit das gegenseitige Vertrauen in die diesen Haftbefehlen zugrunde liegenden Strafverfahren zu normieren. Als Instrumente der Zusammenarbeit sieht er neben der Ausstellung des Haftbefehls und den Angaben nach Art. 8 insbesondere in Art. 15 Abs. 2 und 3 Informationsersuchen und Informationsübermittlungen vor.

98.      Die Möglichkeit einer weiter reichenden Beteiligung der ausstellenden Justizbehörde am Verfahren vor der vollstreckenden Justizbehörde fällt daher in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten.

99.      Eingeschränkt wird sie vor allem durch den Grundsatz der Effektivität, den das vorlegende Gericht mit dem Hinweis auf den effektiven Rechtsschutz ins Spiel bringt. Zwar könnte man daran zweifeln, ob tatsächlich ein vom Unionsrecht verliehenes Recht existiert, dessen Ausübung eine Beteiligung der ausstellenden Justizbehörde im Verfahren vor der vollstreckenden Justizbehörde notwendig machen soll. Es existiert allerdings zumindest die in Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 niedergelegte unionsrechtliche Pflicht, den Europäischen Haftbefehl zu vollstrecken. Zur Durchsetzung dieser Verpflichtung könnte eine unmittelbare Verfahrensbeteiligung der ausstellenden Justizbehörde beitragen, jedenfalls, wenn es gelänge, die damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten zu überwinden.

100. Ähnlich wie beim Nachweis der Eidesleistung(54) verlangt das Effektivitätsprinzip aber auch für die Durchsetzung einer Verpflichtung nicht den Erlass von Verfahrensregeln, die diese Durchsetzung besonders wirksam unterstützen, sondern verbietet nur Regelungen, die die Durchsetzung praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

101. Zumindest der Unionsgesetzgeber ging bei den Regelungen des Rahmenbeschlusses 2002/584 über die Zusammenarbeit der Justizbehörden offensichtlich davon aus, dass diese für eine wirksame Durchsetzung Europäischer Haftbefehle ausreichen. Andernfalls hätte er weiter reichende Regelungen festgelegt.

102. Diese Annahme des Unionsgesetzgebers ist berechtigt, denn die beteiligten Justizbehörden müssen bei der Durchführung des Rahmenbeschlusses in jedem Fall der in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV verankerten Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit(55) genügen. Sie müssen einander daher nach Kräften unterstützen und sich gegenseitig ausreichend Gelegenheit geben, die notwendigen Informationen zu übermitteln. Daher ist auszuschließen, dass die Durchsetzung eines Europäischen Haftbefehls ohne Beteiligungsrechte der ausstellenden Justizbehörde am Verfahren der vollstreckenden Justizbehörde praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert würde.

103. Der Rahmenbeschluss 2002/584 und der in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit begründen somit keine über Art. 8 und Art. 15 Abs. 2 und 3 des Rahmenbeschlusses hinausgehenden Beteiligungsrechte der ausstellenden Justizbehörde am Verfahren vor der vollstreckenden Justizbehörde.

G.      Anrufung der Kommission

104. Die sechste Frage zielt darauf ab, ob das vorlegende Gericht als ausstellende Justizbehörde die Kommission anrufen kann, wenn es der Auffassung ist, dass die Ablehnung der Übergabe durch eine vollstreckende Justizbehörde die Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der loyalen Zusammenarbeit schwerwiegend verletzt. Diese Frage beruht ebenfalls auf der Unzufriedenheit des vorlegenden Gerichts mit dem Verfahrensablauf in Frankreich. Anders als die fünfte Frage ist sie jedoch nicht erheblich für eine gerichtliche Entscheidung und daher unzulässig.

105. Ob das vorlegende Gericht sich bei der Kommission über das Verhalten einer vollstreckenden Justizbehörde beschweren kann, ist nämlich keine Entscheidung, die dieses Gericht in einem anhängigen gerichtlichen Verfahren trifft. Das vorlegende Gericht macht auch in keiner Weise geltend, dass der Kommission unmittelbar eine Rolle im Verfahren zur Durchsetzung eines Europäischen Haftbefehls zukommt.

106. Die Frage hat vielmehr die Kontrolle der Anwendung des Rahmenbeschlusses durch die Kommission gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 3 EUV zum Gegenstand. Aber auch diese Kontrolle begründet keine Beteiligung der Kommission am Vollstreckungsverfahren. Das stärkste Kontrollinstrument der Kommission, das Vertragsverletzungsverfahren nach den Art. 258 und 260 AEUV, kann zwar zu der Feststellung führen, dass ein Mitgliedstaat durch seine Gerichte im Zusammenhang mit der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls das Unionsrecht verletzt hat. Spätestens seit dem Ablauf der Übergangsfrist nach Art. 10 Abs. 3 des Protokolls Nr. 36 über die Übergangsbestimmungen ist nämlich davon auszugehen, dass die Kommission befugt ist, auch bei der Verletzung eines Rahmenbeschlusses ein Vertragsverletzungsverfahren anzustrengen, zumal sie bereits entsprechende Urteile erwirkt hat.(56) Allerdings entfaltet eine solche Feststellung für das Vollstreckungsverfahren selbst keine unmittelbare Gestaltungswirkung.

107. Daher ist diese Frage nicht zu beantworten.

H.      Ablehnung der Übergabe durch Malta

108. Die siebte Frage bezieht sich auf die Ablehnung der Übergabe des Verurteilten durch ein maltesisches Gericht wegen Zweifeln hinsichtlich der Haftbedingungen in Rumänien.

109. Nach ständiger Rechtsprechung muss die vollstreckende Justizbehörde die Übergabe nämlich aufschieben, wenn die gesuchte Person im Ausstellungsmitgliedstaat aufgrund der zu erwartenden Haftbedingungen einer echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt sein wird.(57)

110. Das vorlegende Gericht möchte erfahren, ob die vollstreckende Justizbehörde gemäß Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 und Art. 4 der Charta eine Ablehnung auf Informationen stützen darf, zu denen sich die ausstellende Justizbehörde zuvor nicht äußern konnte (dazu unter 1) und ob die Ablehnung auf höhere Schutzstandards als die Charta gestützt werden könne (dazu unter 2).

1.      Zusammenarbeit der Gerichte

111. Mit dem ersten Teil der siebten Frage beanstandet das vorlegende Gericht zwei Feststellungen des maltesischen Gerichts, zu denen dieses keine weiteren Informationen angefordert hat. Das maltesische Gericht stützte sich vielmehr auf eigene Internetrecherchen und hielt die Position des rumänischen Gerichts zu einer Zusicherung der rumänischen Gefängnisverwaltung, die betroffene Person werde keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erfahren, für unzureichend.

112. Internetrecherchen sind grundsätzlich geeignet, Anhaltspunkte für systemische oder allgemeine Mängel in den Mitgliedstaaten zu liefern. So können die bereits erwähnten Dokumente aus internationalen Organisationen(58) häufig relativ leicht im Internet gefunden werden.

113. Der Gerichtshof hat jedoch bereits zutreffend betont, dass die vollstreckende Justizbehörde Feststellungen, die notwendigerweise auf einer Analyse des Rechts des Ausstellungsmitgliedstaats beruhen, nicht treffen kann, ohne zuvor die ausstellende Justizbehörde um zusätzliche Informationen über diese Vorschriften gebeten zu haben, da sie sonst gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstieße.(59) Andernfalls sind Missverständnisse und Irrtümer über den Inhalt oder die Anwendbarkeit der gefundenen Bestimmungen zu befürchten. Das Gleiche muss für tatsächliche Angaben über die Anwendung innerstaatlichen Rechts gelten.

114. Daher darf eine vollstreckende Justizbehörde die Ergebnisse eigener Recherchen oder auch das Vorbringen der gesuchten Person nur verwenden, nachdem sie der ausstellenden Justizbehörde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Im Interesse einer beschleunigten Entscheidung kann die vollstreckende Justizbehörde dafür kurze Fristen setzen.

115. Die Frage der Zusicherung(60) beruht auf Rechtsprechung des Gerichtshofs. Danach ist eine von den zuständigen Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats erteilte Zusicherung, dass die betroffene Person unabhängig von der Haftanstalt, in der sie im Ausstellungsmitgliedstaat inhaftiert werden wird, keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung aufgrund ihrer konkreten und genauen Haftbedingungen erfahren werde, ein Aspekt, den die vollstreckende Justizbehörde nicht ignorieren darf.(61) Die vollstreckende Justizbehörde muss sich insbesondere in Anbetracht des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, auf dem das System des Europäischen Haftbefehls beruht, auf diese Zusicherung zumindest dann verlassen, wenn sie von der ausstellenden Justizbehörde erteilt oder zumindest gebilligt wurde und keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Haftbedingungen in einer bestimmten Haftanstalt gegen Art. 4 der Charta verstoßen.(62) Zusicherungen anderer Stellen muss sie dagegen umfassend auf ihre Verlässlichkeit prüfen.(63)

116. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wollte es mit der Mitteilung an das maltesische Gericht zum Ausdruck bringen, dass es im Sinne dieser Rechtsprechung die Zusicherung gebilligt hat. In der Mitteilung habe es sich daher ausdrücklich auf die maßgebliche Passage eines der einschlägigen Urteile bezogen.(64)

117. Schon wegen dieser Bezugnahme ist es überraschend, dass das maltesische Gericht ohne weitere Rückfrage annahm, die ausstellende Justizbehörde habe die Zusicherung nicht gebilligt.

118. Das maltesische Gericht ist jedoch darüber hinaus wahrscheinlich einem Übersetzungsproblem zum Opfer gefallen. Es stützte die Feststellung, die ausstellende Justizbehörde habe die Zusicherung nicht gebilligt, darauf, dass das rumänische Gericht seine Position in der englischen Übersetzung seiner Mitteilung mit dem Verb „to approve“ zum Ausdruck gebracht habe statt mit dem Verb „to endorse“. Tatsächlich wird in der englischen Fassung der maßgeblichen Urteile des Gerichtshofs das Verb „to endorse“ verwendet.(65) Allerdings verwendet die vom Gerichtshof beratene französische Fassung das Verb „approuver“ und die rumänische Übersetzung das Verb „a aproba“. Wenn das rumänische Gericht in seiner Erklärung der rumänischen Übersetzung der Rechtsprechung gefolgt ist und das Verb „a aproba“ verwendet hat, so liegt es nahe, dass in der englischen Übersetzung der Erklärung das Verb „to approve“ verwendet wurde, ohne dass damit etwas anderes gemeint war als die Billigung gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

119. Übersetzungsprobleme können die Auslegung und Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs tatsächlich häufig beeinflussen. Formal ist alleine die Fassung eines Urteils in der Verfahrenssprache verbindlich; für die beiden hier maßgeblichen Urteile(66) ist das die deutsche Fassung. Die Richter des Gerichtshofs haben jedoch weder diese Fassung noch die englische, die maltesische oder die rumänische Fassung diskutiert oder gemeinsam verifiziert. Wirklich verlässlich ist daher nur die französische Fassung, weil der Gerichtshof das Urteil in dieser Sprache beraten und geschrieben hat.

120. Bei der Zusammenarbeit von Justizbehörden im Zusammenhang mit dem Europäischen Haftbefehl kommt hinzu, dass die Erklärung einer Behörde häufig übersetzt werden muss, bevor sie von der anderen Justizbehörde verwendet werden kann. Auf diesem Weg können zusätzliche Fehler entstehen.

121. Daher dürfen die beteiligten Justizbehörden keine übersteigerten Anforderungen an die Verwendung bestimmter Begriffe stellen. Vielmehr müssen sie bei Zweifeln hinsichtlich der Bedeutung von entscheidungserheblichen Aussagen im Sinne der loyalen Zusammenarbeit nachfragen.

2.      Anwendbare Grundrechtsstandards

122. Im Hinblick auf die im zweiten Teil der siebten Frage angesprochenen höheren Grundrechtsstandards hat der Gerichtshof bereits mehrfach festgestellt, dass die Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit haben, von einem anderen Mitgliedstaat ein höheres nationales Schutzniveau der Grundrechte zu verlangen als das durch das Unionsrecht gewährleistete.(67)

123. Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass es den Mitgliedstaaten zwar freisteht, für ihr eigenes Strafvollzugssystem Mindestanforderungen an Haftbedingungen vorzusehen, die strenger sind als die Anforderungen, die sich aus Art. 4 der Charta und Art. 3 EMRK in der Auslegung durch den EGMR ergeben; jedoch darf ein Mitgliedstaat als Vollstreckungsmitgliedstaat die Übergabe der von einem Europäischen Haftbefehl betroffenen Person an den Ausstellungsmitgliedstaat nur von der Erfüllung der letztgenannten Anforderungen abhängig machen und nicht von der Erfüllung der sich aus seinem nationalen Recht ergebenden Anforderungen. Die gegenteilige Herangehensweise würde nämlich, indem die Einheitlichkeit des Standards für den Schutz der unionsrechtlich definierten Grundrechte in Frage gestellt wird, zu einer Verletzung der Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Anerkennung führen, die der Rahmenbeschluss 2002/584 stärken soll, und daher dessen Wirksamkeit beeinträchtigen.(68)

124. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die besonderen Gesichtspunkte in der Person des Verurteilten, die das maltesische Gericht hervorgehoben hat, etwa sein Alter, berücksichtigt werden müssen, um eine Verletzung von Art. 4 der Charta aufgrund der Haft zu verhindern. Dieses Risiko ist nämlich unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Falles zu beurteilen, wie der Dauer des betreffenden Zustands, seiner physischen und psychischen Auswirkungen sowie, in manchen Fällen, des Geschlechts, des Alters und des Gesundheitszustands der Person.(69) Es ist allerdings mit den Zielen und der Funktion des Vollstreckungsverfahrens als Eilsache nach Art. 17 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 unvereinbar, dass die vollstreckende Justizbehörde vor der Übergabe für die gesamte Haftzeit Gewissheit über diese Berücksichtigung verlangt.(70) Vorbehaltlich konkreter Anhaltspunkte, dass die gesuchte Person in ihrem Grundrecht aus Art. 4 der Charta verletzt wird, muss die vollstreckende Justizbehörde vielmehr den zuständigen Justizbehörden des ausstellenden Mitgliedstaats vertrauen.

3.      Zwischenergebnis

125. Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in Verbindung mit Art. 4 der Charta betreffend das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung sind daher dahin auszulegen, dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nicht auf der Grundlage von Informationen über die Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat ablehnen kann, zu denen sich die ausstellende Justizbehörde nicht äußern konnte, und bei Zweifeln über die Reichweite von Erklärungen dieser Behörde bei ihr nachfragen muss. Zudem darf die vollstreckende Justizbehörde beim Schutz der Unionsgrundrechte keinen höheren Standard anwenden, als er sich aus dem Unionsrecht und insbesondere der Charta ergibt.

V.      Ergebnis

126. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, das Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Braşov (Berufungsgericht Braşov, Rumänien) wie folgt zu beantworten:

1)      Die rechtskräftige Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gemäß dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der Fassung des Rahmenbeschlusses 2009/299/JI in einem Mitgliedstaat hindert vollstreckende Justizbehörden anderer Mitgliedstaaten nicht daran, den Haftbefehl zu vollstrecken. Allerdings müssen die ausstellende Justizbehörde und im Fall der Befassung mit diesem Haftbefehl auch die anderen vollstreckenden Justizbehörden prüfen, ob die Ablehnung der Vollstreckung zu Recht auf Gründe gestützt wurde, die einer Vollstreckung des Haftbefehls in anderen Mitgliedstaaten entgegenstehen.

2)      Die ausstellende Justizbehörde ist berechtigt, zu überprüfen, ob die rechtskräftige Ablehnung der Übergabe durch die vollstreckende Justizbehörde mit dem Unionsrecht vereinbar ist, ohne den Gerichtshof anzurufen, falls ihre Entscheidung mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann.

3)      Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 und Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erlauben es der vollstreckenden Justizbehörde nicht, die Übergabe einer verurteilten Person zum Zweck der Vollstreckung einer in Rumänien verhängten Haftstrafe nur deshalb abzulehnen, weil das Protokoll der Eidesleistung eines an der Verurteilung beteiligten Richters nicht auffindbar ist und eine weitere beteiligte Richterin ihren Amtseid als Staatsanwältin abgelegt hat.

4)      Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 und Art. 47 Abs. 2 der Charta sind dahin auszulegen, dass die ausstellende und die vollstreckende Justizbehörde bei Anhaltspunkten für eine echte Gefahr der Verletzung von Unionsgrundrechten der gesuchten Person aufgrund der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls, die sich aus einer Entscheidung der Commission for the Control of Interpol’s Files (Kommission für die Kontrolle der Dossiers von Interpol) ergeben, prüfen müssen, ob der Haftbefehl weiterhin vollstreckt werden kann.

5)      Der Rahmenbeschluss 2002/584 und der in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit begründen keine über Art. 8 und Art. 15 Abs. 2 und 3 des Rahmenbeschlusses hinausgehenden Beteiligungsrechte der ausstellenden Justizbehörde am Verfahren vor der vollstreckenden Justizbehörde.

6)      Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in Verbindung mit Art. 4 der Charta betreffend das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung sind dahin auszulegen, dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nicht auf der Grundlage von Informationen über die Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat ablehnen kann, zu denen sich die ausstellende Justizbehörde nicht äußern konnte, und bei Zweifeln über die Reichweite von Erklärungen dieser Behörde bei ihr nachfragen muss. Zudem darf die vollstreckende Justizbehörde beim Schutz der Unionsgrundrechte keinen höheren Standard anwenden, als er sich aus dem Unionsrecht und insbesondere der Charta ergibt.


1      Originalsprache: Deutsch.


i      Die vorliegende Rechtssache ist mit einem fiktiven Namen bezeichnet, der nicht dem echten Namen eines Verfahrensbeteiligten entspricht.


2      Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der Fassung des Rahmenbeschlusses 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24).


3      Urteile vom 25. Juli 2018, AY (Haftbefehl – Zeuge) (C‑268/17, EU:C:2018:602, Rn. 28 und 29), und vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 54). Zu Vorabentscheidungsersuchen vor der erstmaligen Ausstellung eines Haftbefehls Urteil vom 16. Dezember 2021, AB u. a. (Rücknahme einer Amnestie) (C‑203/20, EU:C:2021:1016, Rn. 47 bis 49).


4      Urteil vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 55).


5      Urteil vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Tenor 1, 2, 3 und 5).


6      Urteil vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 52 und 53).


7      Siehe etwa Urteil vom 6. Juli 2023, Minister for Justice and Equality (Ersuchen um Zustimmung – Wirkungen des ursprünglichen Europäischen Haftbefehls) (C‑142/22, EU:C:2023:544, Rn. 35).


8      Urteil vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 52, 141, 143 und 146), sowie vom 14. September 2023, Sofiyska gradska prokuratura (Aufeinanderfolgende Haftbefehle) (C‑71/21, EU:C:2023:668, Rn. 36).


9      Vgl. Urteil vom 14. September 2023, Sofiyska gradska prokuratura (Aufeinanderfolgende Haftbefehle) (C‑71/21, EU:C:2023:668, Rn. 51 und 52).


10      In diesem Sinne Urteile vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru (C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 84), und vom 6. Juni 2023, O. G. (Europäischer Haftbefehl gegen einen Drittstaatsangehörigen) (C‑700/21, EU:C:2023:444, Rn. 40).


11      Urteile vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel des Justizsystems) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 59), vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 72), und vom 21. Dezember 2023, GN (Ablehnung aus Gründen des Kindeswohls) (C‑261/22, EU:C:2023:1017, Rn. 43).


12      Vgl. Urteile vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru (C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 88), vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 50 und 51), sowie vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 97 und 98).


13      Urteile vom 23. Januar 2018, Piotrowski (C‑367/16, EU:C:2018:27, Rn. 50), vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 54, 96 und 115), und vom 21. Dezember 2023, GN (Ablehnung aus Gründen des Kindeswohls) (C‑261/22, EU:C:2023:1017, Rn. 43).


14      Urteile vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 19), und vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 68).


15      So zum Übereinkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über das Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Island und Norwegen (ABl. 2006, L 292, S. 2) Urteil vom 14. September 2023, Sofiyska gradska prokuratura (Aufeinanderfolgende Haftbefehle) (C‑71/21, EU:C:2023:668, Rn. 52, 55 und 61).


16      Vgl. Urteil vom 14. September 2023, Sofiyska gradska prokuratura (Aufeinanderfolgende Haftbefehle) (C‑71/21, EU:C:2023:668, Rn. 55).


17      Urteile vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 55 und 57 sowie in diesem Sinne 142 und 143), und vom 14. September 2023, Sofiyska gradska prokuratura (Aufeinanderfolgende Haftbefehle) (C‑71/21, EU:C:2023:668, Rn. 39 und 40, zum Übereinkommen mit Island und Norwegen).


18      Urteil vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost (314/85, EU:C:1987:452, Rn. 15).


19      In diesem Fall wäre eine Verpflichtung, den Gerichtshof anzurufen, nach den Kriterien des Urteils vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a. (283/81, EU:C:1982:335), zu beurteilen.


20      Siehe oben, Nr. 30.


21      Vgl. Urteil vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost (314/85, EU:C:1987:452, Rn. 15).


22      Urteile vom 24. Mai 1977, Hoffmann-Laroche (107/76, EU:C:1977:89, Rn. 5), und vom 4. Oktober 2018, Kommission/Frankreich (Steuervorabzug für ausgeschüttete Dividenden) (C‑416/17, EU:C:2018:811, Rn. 109).


23      Urteile vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost (314/85, EU:C:1987:452, Rn. 15), vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 27), und vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 80).


24      Siehe oben, Nrn. 38 bis 41.


25      Siehe oben, Nr. 37.


26      Urteile vom 17. Dezember 2020, Openbaar Ministerie (Unabhängigkeit der ausstellenden Justizbehörde) (C‑354/20 PPU und C‑412/20 PPU, EU:C:2020:1033, Rn. 53), und vom 21. Dezember 2023, GN (Ablehnung aus Gründen des Kindeswohls) (C‑261/22, EU:C:2023:1017, Rn. 46).


27      Urteile vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru (C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 89), und vom 21. Dezember 2023, GN (Ablehnung aus Gründen des Kindeswohls) (C‑261/22, EU:C:2023:1017, Rn. 47).


28      Urteile vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru (C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 94), und vom 21. Dezember 2023, GN (Ablehnung aus Gründen des Kindeswohls) (C‑261/22, EU:C:2023:1017, Rn. 48).


29      Urteile vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., (C341/06 P und C342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 46), vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission (C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 57), und vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:44, Rn. 71).


30      Urteile vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission (C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 72), und vom 29. März 2022, Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 116).


31      Urteile vom 6. Oktober 2021, W. Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung] (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 129), und vom 29. März 2022, Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 121).


32      Urteile vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., (C341/06 P und C342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 46), vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission (C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 57), und vom 8. Mai 2024, Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ (Verbände von Richtern bzw. Staatsanwälten) (C‑53/23, EU:C:2024:388, Rn. 55).


33      Urteile vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission (C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 75), und vom 29. März 2022, Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 123).


34      Urteil vom 29. März 2022, Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 122).


35      Urteil des EGMR vom 1. Dezember 2020, Guðmundur Andri Ástráðsson/Island (CE:ECHR:2020:1201JUD002637418, § 244).


36      Urteil des EGMR vom 1. Dezember 2020, Guðmundur Andri Ástráðsson/Island (CE:ECHR:2020:1201JUD002637418, § 245).


37      Urteil des EGMR vom 1. Dezember 2020, Guðmundur Andri Ástráðsson/Island (CE:ECHR:2020:1201JUD002637418, §§ 246 und 247).


38      Urteil des EGMR vom 1. Dezember 2020, Guðmundur Andri Ástráðsson/Island (CE:ECHR:2020:1201JUD002637418, §§ 248 bis 252).


39      Art. 80 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 303 aus 2022, so bereits Art. 34 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 303 aus 2004 und Art. 48 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 92 aus 1992.


40      Vgl. dazu das im Vorabentscheidungsersuchen erwähnte Urteil der Înalta Curte de Casație și Justiție [(Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien)] vom 22. April 2021 in der Rechtssache 125/A, das anlässlich eines Rechtsbehelfs wegen der Eidesleistung der Richterin erging, die ihren Amtseid als Staatsanwältin abgelegt hat.


41      Vgl. Urteile vom 9. Juli 2020, Vueling Airlines (C‑86/19, EU:C:2020:538, Rn. 38), sowie vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a. (C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 222 bis 225).


42      Urteile vom 16. Dezember 1976, Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral (33/76, EU:C:1976:188, Rn. 5), vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 44 und 46), und vom 19. Dezember 2019, Deutsche Umwelthilfe (C‑752/18, EU:C:2019:1114, Rn. 33).


43      In diesem Sinne Urteil vom 29. März 2022, Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 69).


44      Siehe die Nachweise in Fn. 39.


45      Art. 80 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 303 aus 2022, so bereits Art. 34 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 303 aus 2004 und Art. 49 des Gesetzes Nr. 92 aus 1992.


46      Siehe das in Fn. 40 angeführte Urteil.


47      Urteile vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru (C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 89), vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 52), und vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 124).


48      Empfehlung vom 14. April 2021 für einen Beschluss des Rates zur Genehmigung der Aufnahme von Verhandlungen über ein Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Internationalen Kriminalpolizeilischen Organisation (IKPO‑INTERPOL) (COM[2021] 177 final, S. 1).


49      Beschlüsse (EU) 2021/1312 und 2021/1313 des Rates vom 19. Juli 2021 zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (IKPO‑Interpol) (ABl. 2021, L 287, S. 2 und 6).


50      Siehe die Resolution 51/1 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 15. Oktober 1996, das Abkommen von 1997 über die Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und der INTERPOL, UNTS 1996, Nr. 1200 (S. 391) und die Resolution 1699 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 8. August 2006.


51      Vgl. Urteil vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 123).


52      Urteile vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 108 bis 110), vom 22. Februar 2022, Openbaar Ministerie (Im Ausstellungsmitgliedstaat durch Gesetz errichtetes Gericht) (C‑562/21 PPU und C‑563/21 PPU, EU:C:2022:100, Rn. 48 und 49), sowie vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 131 und 132).


53      Siehe dazu auch nachfolgend, Nrn. 111 ff.


54      Siehe oben, Nr. 74.


55      Urteile vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 108 bis 110), vom 22. Februar 2022, Openbaar Ministerie (Im Ausstellungsmitgliedstaat durch Gesetz errichtetes Gericht) (C‑562/21 PPU und C‑563/21 PPU, EU:C:2022:100, Rn. 48 und 49), sowie vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 131 und 132).


56      Urteile vom 24. März 2022, Kommission/Irland (Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/909) (C‑125/21, EU:C:2022:213) und Kommission/Irland (Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2009/829) (C‑126/21, EU:C:2022:214).


57      Urteile vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru (C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, insbesondere Rn. 98), und vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 65).


58      Siehe oben, Nr. 85.


59      Urteil vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 134).


60      Siehe oben, Nr. 111.


61      Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 111).


62      Urteile vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 112), und vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 68).


63      Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 114).


64      Das Vorabentscheidungsersuchen nennt das Urteil vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 68), wo nur der Fall einer Billigung der Zusicherung durch die ausstellende Justizbehörde aufgeführt wird.


65      Urteile vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 112), und vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 68).


66      Urteile vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 112), und vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 68).


67      Gutachten 2/13 (Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, EU:C:2014:2454, Rn. 192) sowie Urteile vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel des Justizsystems) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 37) und Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 50), und vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 47).


68      Urteil vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 79).


69      Urteile vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 91), sowie vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 59).


70      Vgl. Urteile vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft (Haftbedingungen in Ungarn) (C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 82 bis 84 und 87), und vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 65 und 66).