Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 29. September 2021 –
Ryanair u. a./Kommission
(Rechtssache T‑448/18)
„Staatliche Beihilfen – Von der Kärntner Flughafen Betriebsgesellschaft mit Ryanair und ihren Tochtergesellschaften Airport Marketing Services und Leading Verge.com geschlossene Vereinbarungen – Flughafendienstleistungen – Marketingdienstleistungen – Beschluss, mit dem die Beihilfen für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werden und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff der staatlichen Beihilfe – Zurechenbarkeit an den Staat – Vorteil – Kriterium des privaten Kapitalgebers – Rückforderung – Art. 41 der Charta der Grundrechte – Recht auf Akteneinsicht – Anspruch auf rechtliches Gehör“
1. Gerichtliches Verfahren – Frist für den Beweisantritt – Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts – Vorlage von Beweisen vor Abschluss des mündlichen Verfahrens – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Verspätung – Rechtfertigung – Fehlen
(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 85 Abs. 3)
(vgl. Rn. 57, 63)
2. Nichtigkeitsklage – Rechtmäßigkeitskontrolle – Kriterien – Berücksichtigung nur der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten zur Zeit des Erlasses des streitigen Aktes
(Art. 267 AEUV)
(vgl. Rn. 69)
3. Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Zehnjährige Verjährungsfrist des Art. 17 der Verordnung 2015/1589 – Beginn der Verjährungsfrist – Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe an den Begünstigten
(Art. 108 Abs. 2 AEUV; Verordnung 2015/1589, Art. 17)
(vgl. Rn. 70)
4. Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Zehnjährige Verjährungsfrist des Art. 17 der Verordnung 2015/1589 – Geltung gleichermaßen für den betreffenden Mitgliedstaat wir für den Beihilfeempfänger und für Dritte – Unterbrechung der Verjährung durch mehrere an den betreffenden Mitgliedstaat und an den Beihilfeempfänger gerichtete Informationsersuchen der Kommission
(Art. 108 Abs. 2 AEUV; Verordnung 2015/1589, Art. 17)
(vgl. Rn. 71-76)
5. Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Beschluss der Kommission über staatliche Beihilfen – Verweis der Kommission auf den Zeitpunkt des Erlasses von Maßnahmen, die die in Art. 17 der Verordnung 2015/1589 vorgesehene Verjährung unterbrechen können – Hinreichende Begründung
(Art. 107 Abs. 1 und Art. 296 AEUV)
(vgl. Rn. 80-85, 256)
6. Staatliche Beihilfen – Verwaltungsverfahren – Verpflichtungen der Kommission – Möglichkeit für den Beihilfebegünstigten, sich auf so weitgehende Rechte wie Verteidigungsrechte als solche zu berufen – Fehlen – Anspruch des Beihilfebegünstigen, angemessen an dem Verfahren beteiligt zu werden – Umfang
(Art. 108 Abs. 2 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41)
(vgl. Rn. 96-112, 116, 117, 124-127)
7. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beihilfen eines öffentlichen Unternehmens – Staatlich kontrolliertes Unternehmen – Zurechenbarkeit der Beihilfemaßnahme an den Staat – Komplex der zu berücksichtigenden Indizien – Von zwei zu 100 % vom Staat kontrollierten Unternehmen geschlossene Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen, mit denen einer Fluggesellschaft ein Vorteil gewährt wird – Einbeziehung
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 140-151)
8. Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektiver Charakter der Maßnahme – Unterscheidung zwischen dem Erfordernis der Selektivität und dem begleitenden Nachweis eines wirtschaftlichen Vorteils sowie zwischen einer Beihilferegelung und einer Einzelbeihilfe – Einzelbeihilfe – Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen, mit denen einer Fluggesellschaft ein Vorteil gewährt wird – Vermutung der Selektivität – Notwendigkeit eines Vergleichs des Begünstigten mit anderen Wirtschaftsteilnehmern, die sich im Hinblick auf das mit der Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden – Fehlen
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 155-164)
9. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 171-174)
10. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Staat als Anteilseigner eines Unternehmens – Als Träger öffentlicher Gewalt handelnder Staat – Unterscheidung im Hinblick auf das Kriterium des Kapitalgebers – Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen mit einem Unternehmen, die eine in engem Zusammenhang mit der Durchführung von Luftverkehrsdiensten stehende Vergütung vorsehen – Vom Staat in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmer und nicht in seiner Eigenschaft als öffentliche Gewalt gewährter Vorteil
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 178-185)
11. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seines Kontexts – Fehlen einer Hierarchie zwischen der vergleichenden Analysemethode und anderen Beurteilungsmethoden
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 190-194)
12. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach Art. 107 Abs. 1 AEUV – Berücksichtigung einer früheren Praxis – Nichteinbeziehung
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 216, 324, 381)
13. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seines Kontexts – Berücksichtigung der zum Zeitpunkt des Ergehens des Beschlusses über die fragliche Maßnahme verfügbaren Aspekte – Ermittlungspflichten der Kommission – Reichweite
(Art. 108 Abs. 2 AEUV)
(vgl. Rn. 271-274, 291)
14. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Vernünftige Handlungsweise aus der Sicht eines privaten Kapitalgebers, der eine mittel- oder langfristige Politik verfolgt – Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen, mit denen einer Fluggesellschaft ein Vorteil gewährt wird – Rentabilitätsanalyse dieser Verträge – Beurteilung, bei der in zeitlicher Hinsicht allein auf die Laufzeit der Verträge abgestellt wird – Zulässigkeit
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 313-322)
15. Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seines Kontexts – Pflicht des Mitgliedstaats, alle relevanten Gesichtspunkte für die Prüfung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers anzuführen – Pflicht der Kommission, ihre Entscheidung auf vollständige und zuverlässige Aspekte zu stützen
(Art. 107 und 108 Abs. 2 AEUV)
(vgl. Rn. 329, 330)
16. Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen – Rentabilitätsanalyse dieser Verträge – Berücksichtigung der Beihilfe, die dem Betreiber des Flughafens zur teilweisen Finanzierung dieser Verträge gewährt wird, als inkrementelle Einnahme – Fehlen
(Art. 107 Abs. 1 AEUV)
(vgl. Rn. 337-345)
17. Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Wiederherstellung der früheren Lage – Berechnung des zurückzufordernden Betrags – Verpflichtung der Kommission, einen Betrag festzulegen, der effektiv dem tatsächlichen Vorteil der Beihilfe entspricht – Umfang – Vorteil, der sich aus dem Abschluss von Verträgen über Flughafen- und Marketingdienstleistungen ergibt – Berechnungsmethode – Ausschließlich auf Grundlage von Beweismitteln ex ante festgesetzter und in Abhängigkeit von später durch den Mitgliedstaat vorgelegten Beweismitteln abänderbarer Betrag – Zulässigkeit
(Art. 108 AEUV)
(vgl. Rn. 414-420, 424-429)
Gegenstand
| Klage nach Art. 263 AEUV auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2018/628 der Kommission vom 11. November 2016 über die von Österreich durchgeführte staatliche Beihilfe SA.24221 (2011/C) (ex 2011/NN) für den Flughafen Klagenfurt, Ryanair und andere Fluggesellschaften, die den Flughafen nutzen (ABl. 2018, L 107, S. 1), soweit er die Klägerinnen betrifft |
Tenor
1. | | Die Klage wird abgewiesen. |
2. | | Die Ryanair DAC, die Airport Marketing Services Ltd und die FR Financing (Malta) Ltd tragen ihre eigenen Kosten sowie die der Europäischen Union entstandenen Kosten. |