Language of document : ECLI:EU:T:2021:626


 


 



Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 29. September 2021 –
Ryanair u. a./Kommission

(Rechtssache T448/18)

„Staatliche Beihilfen – Von der Kärntner Flughafen Betriebsgesellschaft mit Ryanair und ihren Tochtergesellschaften Airport Marketing Services und Leading Verge.com geschlossene Vereinbarungen – Flughafendienstleistungen – Marketingdienstleistungen – Beschluss, mit dem die Beihilfen für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werden und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff der staatlichen Beihilfe – Zurechenbarkeit an den Staat – Vorteil – Kriterium des privaten Kapitalgebers – Rückforderung – Art. 41 der Charta der Grundrechte – Recht auf Akteneinsicht – Anspruch auf rechtliches Gehör“

1.      Gerichtliches Verfahren – Frist für den Beweisantritt – Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts – Vorlage von Beweisen vor Abschluss des mündlichen Verfahrens – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Verspätung – Rechtfertigung – Fehlen

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 85 Abs. 3)

(vgl. Rn. 57, 63)

2.      Nichtigkeitsklage – Rechtmäßigkeitskontrolle – Kriterien – Berücksichtigung nur der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten zur Zeit des Erlasses des streitigen Aktes

(Art. 267 AEUV)

(vgl. Rn. 69)

3.      Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Zehnjährige Verjährungsfrist des Art. 17 der Verordnung 2015/1589 – Beginn der Verjährungsfrist – Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe an den Begünstigten

(Art. 108 Abs. 2 AEUV; Verordnung 2015/1589, Art. 17)

(vgl. Rn. 70)

4.      Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Zehnjährige Verjährungsfrist des Art. 17 der Verordnung 2015/1589 – Geltung gleichermaßen für den betreffenden Mitgliedstaat wir für den Beihilfeempfänger und für Dritte – Unterbrechung der Verjährung durch mehrere an den betreffenden Mitgliedstaat und an den Beihilfeempfänger gerichtete Informationsersuchen der Kommission

(Art. 108 Abs. 2 AEUV; Verordnung 2015/1589, Art. 17)

(vgl. Rn. 71-76)

5.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Beschluss der Kommission über staatliche Beihilfen – Verweis der Kommission auf den Zeitpunkt des Erlasses von Maßnahmen, die die in Art. 17 der Verordnung 2015/1589 vorgesehene Verjährung unterbrechen können – Hinreichende Begründung

(Art. 107 Abs. 1 und Art. 296 AEUV)

(vgl. Rn. 80-85, 256)

6.      Staatliche Beihilfen – Verwaltungsverfahren – Verpflichtungen der Kommission – Möglichkeit für den Beihilfebegünstigten, sich auf so weitgehende Rechte wie Verteidigungsrechte als solche zu berufen – Fehlen – Anspruch des Beihilfebegünstigen, angemessen an dem Verfahren beteiligt zu werden – Umfang

(Art. 108 Abs. 2 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41)

(vgl. Rn. 96-112, 116, 117, 124-127)

7.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Beihilfen eines öffentlichen Unternehmens – Staatlich kontrolliertes Unternehmen – Zurechenbarkeit der Beihilfemaßnahme an den Staat – Komplex der zu berücksichtigenden Indizien – Von zwei zu 100 % vom Staat kontrollierten Unternehmen geschlossene Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen, mit denen einer Fluggesellschaft ein Vorteil gewährt wird – Einbeziehung

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 140-151)

8.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektiver Charakter der Maßnahme – Unterscheidung zwischen dem Erfordernis der Selektivität und dem begleitenden Nachweis eines wirtschaftlichen Vorteils sowie zwischen einer Beihilferegelung und einer Einzelbeihilfe – Einzelbeihilfe – Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen, mit denen einer Fluggesellschaft ein Vorteil gewährt wird – Vermutung der Selektivität – Notwendigkeit eines Vergleichs des Begünstigten mit anderen Wirtschaftsteilnehmern, die sich im Hinblick auf das mit der Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden – Fehlen

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 155-164)

9.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 171-174)

10.    Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Staat als Anteilseigner eines Unternehmens – Als Träger öffentlicher Gewalt handelnder Staat – Unterscheidung im Hinblick auf das Kriterium des Kapitalgebers – Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen mit einem Unternehmen, die eine in engem Zusammenhang mit der Durchführung von Luftverkehrsdiensten stehende Vergütung vorsehen – Vom Staat in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmer und nicht in seiner Eigenschaft als öffentliche Gewalt gewährter Vorteil

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 178-185)

11.    Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seines Kontexts – Fehlen einer Hierarchie zwischen der vergleichenden Analysemethode und anderen Beurteilungsmethoden

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 190-194)

12.    Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach Art. 107 Abs. 1 AEUV – Berücksichtigung einer früheren Praxis – Nichteinbeziehung

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 216, 324, 381)

13.    Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seines Kontexts – Berücksichtigung der zum Zeitpunkt des Ergehens des Beschlusses über die fragliche Maßnahme verfügbaren Aspekte – Ermittlungspflichten der Kommission – Reichweite

(Art. 108 Abs. 2 AEUV)

(vgl. Rn. 271-274, 291)

14.    Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Vernünftige Handlungsweise aus der Sicht eines privaten Kapitalgebers, der eine mittel- oder langfristige Politik verfolgt – Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen, mit denen einer Fluggesellschaft ein Vorteil gewährt wird – Rentabilitätsanalyse dieser Verträge – Beurteilung, bei der in zeitlicher Hinsicht allein auf die Laufzeit der Verträge abgestellt wird – Zulässigkeit

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 313-322)

15.    Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seines Kontexts – Pflicht des Mitgliedstaats, alle relevanten Gesichtspunkte für die Prüfung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers anzuführen – Pflicht der Kommission, ihre Entscheidung auf vollständige und zuverlässige Aspekte zu stützen

(Art. 107 und 108 Abs. 2 AEUV)

(vgl. Rn. 329, 330)

16.    Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Verträge über Flughafen- und Marketingdienstleistungen – Rentabilitätsanalyse dieser Verträge – Berücksichtigung der Beihilfe, die dem Betreiber des Flughafens zur teilweisen Finanzierung dieser Verträge gewährt wird, als inkrementelle Einnahme – Fehlen

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 337-345)

17.    Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Wiederherstellung der früheren Lage – Berechnung des zurückzufordernden Betrags – Verpflichtung der Kommission, einen Betrag festzulegen, der effektiv dem tatsächlichen Vorteil der Beihilfe entspricht – Umfang – Vorteil, der sich aus dem Abschluss von Verträgen über Flughafen- und Marketingdienstleistungen ergibt – Berechnungsmethode – Ausschließlich auf Grundlage von Beweismitteln ex ante festgesetzter und in Abhängigkeit von später durch den Mitgliedstaat vorgelegten Beweismitteln abänderbarer Betrag – Zulässigkeit

(Art. 108 AEUV)

(vgl. Rn. 414-420, 424-429)

Gegenstand

Klage nach Art. 263 AEUV auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2018/628 der Kommission vom 11. November 2016 über die von Österreich durchgeführte staatliche Beihilfe SA.24221 (2011/C) (ex 2011/NN) für den Flughafen Klagenfurt, Ryanair und andere Fluggesellschaften, die den Flughafen nutzen (ABl. 2018, L 107, S. 1), soweit er die Klägerinnen betrifft

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Ryanair DAC, die Airport Marketing Services Ltd und die FR Financing (Malta) Ltd tragen ihre eigenen Kosten sowie die der Europäischen Union entstandenen Kosten.