Language of document : ECLI:EU:T:2006:254

Rechtssache T‑191/04

MIP Metro Group Intellectual Property GmbH & Co. KG

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung einer Bildmarke mit dem Wortbestandteil METRO – Ältere nationale Wortmarke METRO – Ablauf der älteren nationalen Marke“

Leitsätze des Urteils

1.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 42)

2.      Gemeinschaftsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Umfang – Beschwerdeverfahren

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 61 Absatz 1)

3.      Gemeinschaftsmarke – Verfahrensvorschriften – Beweisaufnahme

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 76; Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Artikel 1 Regeln 16 und 20)

1.      Die Vorschriften der Artikel 8 und 42 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke und der Regeln 15, 16 und 20 der Durchführungsverordnung über die relativen Eintragungshindernisse und das Widerspruchsverfahren haben im Wesentlichen den Zweck, sicherzustellen, dass eine ältere Marke ihre Funktion als Herkunftshinweis behalten kann, indem sie die Möglichkeit vorsehen, die Eintragung einer neuen Marke zurückzuweisen, die mit der älteren Marke aufgrund einer zwischen ihnen bestehenden Verwechslungsgefahr in Konflikt tritt.

Dabei kann die Funktion einer älteren Marke als Herkunftshinweis nicht durch eine andere Marke gefährdet sein, die erst nach Ablauf der älteren Marke eingetragen wird. So kann zwischen der angemeldeten Marke und einer älteren Marke, die während der Widerspruchsfrist abläuft, kein Konflikt entstehen, weil die angemeldete Marke erst nach dem Ende des Widerspruchsverfahrens eingetragen werden kann.

(vgl. Randnrn. 31-33)

2.      Nach der Rechtsprechung hängt im Rahmen der Überprüfung der Widerspruchsentscheidung, die die Beschwerdekammern des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) gemäß Artikel 61 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke vornehmen, der Erfolg der Beschwerde davon ab, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem über die Beschwerde entschieden wird, eine neue Entscheidung mit dem gleichen Tenor wie die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung rechtmäßig erlassen werden kann oder nicht. Bei dieser Überprüfung werden die Beschwerdekammern des Amtes, außer im Fall der Zurückverweisung, im Rahmen der Zuständigkeit der Dienststelle tätig, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Folglich ist der in dieser Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz auf die von der Widerspruchsabteilung vorgenommene Prüfung anwendbar, so dass weder diese noch die Beschwerdekammern eine Entscheidung erlassen dürfen, die in dem Moment rechtswidrig wäre, in dem sie auf der Grundlage der von den Parteien im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Beweismittel in der Sache entscheiden. Daher müssen die Widerspruchsabteilung und die Beschwerdekammern Änderungen der Umstände berücksichtigen, die zwischen der Erhebung des Widerspruchs und der Entscheidung über ihn eintreten und sich aus den Beweisen ergeben, die von den Beteiligten in Beantwortung des Auskunftsersuchens des Amtes vorgelegt werden.

(vgl. Randnrn. 34-36)


3.      Um im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens beurteilen zu können, ob die ältere Marke ihre Funktion als Herkunftshinweis aufgrund der zeitlichen Koexistenz mit der angemeldeten Marke, mit der sie verwechselbar ist, verlieren kann, muss das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) die Gültigkeitsdauer der älteren Marke kennen.

Die Befugnis, vom Widersprechenden Auskünfte über die Gültigkeitsdauer der älteren Marke zu verlangen, kann den Vorschriften der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke und der Durchführungsverordnung entnommen werden. So kann das Amt gemäß Artikel 76 der Verordnung Nr. 40/94 in den vor ihm geführten Verfahren Auskünfte und Urkunden verlangen, insbesondere solche, die es für erforderlich hält, um über den Widerspruch zu entscheiden. Sodann ergibt sich aus den Vorschriften der Regel 16 in Verbindung mit Regel 20 der Durchführungsverordnung, dass das Amt den Widersprechenden auffordern kann, Tatsachen, Beweismittel und Bemerkungen einzureichen, die nicht in der Widerspruchsschrift enthalten sind, insbesondere die Eintragungsurkunde der älteren Marke. Somit ist das Amt berechtigt, vom Widersprechenden zu verlangen, die Verlängerung der älteren Marke nach ihrem Ablauf zu beweisen, wenn dieser nach dem Zeitpunkt des Eingangs der Widerspruchsschrift und vor dem Zeitpunkt, zu dem die Widerspruchsabteilung über den Widerspruch entscheidet, eintritt.

(vgl. Randnrn. 38-41, 46)