Language of document : ECLI:EU:C:2016:825

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 27. Oktober 2016(1)

Rechtssache C‑551/15

Pula Parking d.o.o.

gegen

Sven Klaus Tederahn

(Vorabentscheidungsersuchen des Općinski sud u Puli-Pola [Amtsgericht Pula, Kroatien])

„Zeitliche Anwendbarkeit des Unionsrechts – Dienstleistungsvertrag – Vertrag zwischen einem im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Rechtssubjekt und einer Privatperson – Acta iure imperii – Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Notarielle und gerichtliche Funktionen – Begriff ‚Gericht‘“






I –    Einleitung

1.        Herr Tederahn (im Folgenden: Beklagter) hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Im Jahr 2010 stellte er seinen Wagen auf einem Parkplatz in der Stadt Pula, Kroatien, ab. Die Parkscheingebühr entrichtete er nicht. Fünf Jahre später erwirkte die im öffentlichen Eigentum stehende Gesellschaft Pula Parking d.o.o. (im Folgenden: Pula Parking oder Klägerin), die mit dem Betrieb des Parkplatzes betraut war, bei einem Notar in Kroatien einen Vollstreckungsbescheid gegen den Beklagten. Der Beklagte legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Im Einklang mit den geltenden nationalen Rechtsvorschriften wurde der Fall an das zuständige nationale Gericht, das Općinski sud u Puli-Pola (Amtsgericht Pula, Kroatien), das vorlegende Gericht in dieser Rechtssache, verwiesen.

2.        Das vorlegende Gericht möchte klären, ob dieser Fall in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: Verordnung)(2) fällt. Konkret stellt es zwei Fragen. Erstens möchte es wissen, ob der Sachverhalt angesichts der Tatsache, dass die Klägerin im öffentlichen Eigentum steht und aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Ermächtigung handelt, unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ fällt? Zweitens möchte es wissen, ob kroatische Notare, die Vollstreckungsbescheide erlassen, unter die Verordnung fallen, die sich auf eine von einem „Gericht“ erlassene „Entscheidung“ bezieht?

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 1215/2012

3.        In den Erwägungsgründen der Verordnung heißt es:

„(10)      Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivil- und Handelsrechts erstrecken …

(15)      Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. …

(16)      Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. …“

4.        Art. 1 Abs. 1 der Verordnung lautet:

„Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii).“

5.        Art. 1 Abs. 2 schließt u. a. Konkurse, die soziale Sicherheit, die Schiedsgerichtsbarkeit, Unterhaltspflichten sowie das Gebiet des Testaments‑ und Erbrechts vom Anwendungsbereich der Verordnung aus.

6.        Art. 2 enthält eine Liste mit u. a. folgenden Begriffsbestimmungen:

„a)      ‚Entscheidung‘ [bezeichnet] jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten.

Für die Zwecke von Kapitel III umfasst der Ausdruck ‚Entscheidung‘ auch einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen, die von einem nach dieser Verordnung in der Hauptsache zuständigen Gericht angeordnet wurden. Hierzu gehören keine einstweiligen Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen, die von einem solchen Gericht angeordnet wurden, ohne dass der Beklagte vorgeladen wurde, es sei denn, die Entscheidung, welche die Maßnahme enthält, wird ihm vor der Vollstreckung zugestellt.“

7.        Art. 3 lautet:

„Für die Zwecke dieser Verordnung umfasst der Begriff ‚Gericht‘ die folgenden Behörden, soweit und sofern sie für eine in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallende Angelegenheit zuständig sind:

a)      in Ungarn, bei summarischen Mahnverfahren (fizetési meghagyásos eljárás), den Notar (közjegyző),

b)      in Schweden, bei summarischen Mahnverfahren (betalningsföreläggande) und Beistandsverfahren (handräckning), das Amt für Beitreibung (Kronofogdemyndigheten).“

8.        Art. 4 stellt die allgemeine Regel auf, dass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat.

9.        Nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. a kann der Beklagte wegen eines Vertrags oder Ansprüchen aus einem Vertrag auch vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, verklagt werden. Gemäß Art. 7 Nr. 1 Buchst. b ist der Erfüllungsort für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen; für die Erbringung von Dienstleistungen ist es der Ort, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Gemäß Art. 7 Nr. 1 Buchst. c gilt in allen anderen Fällen die allgemeine Regel des Art. 7 Nr. 1 Buchst. a.

10.      Nach Art. 24 Nr. 1 Abs. 2 sind für Verfahren, welche die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen für höchstens sechs Monate zum Gegenstand haben, auch die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, zuständig.

11.      Art. 66 bestimmt, dass die Verordnung auf Verfahren anzuwenden ist, die am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet wurden.

B –    Nationales Recht

1.      Zwangsvollstreckungsgesetz

12.      Gemäß Art. 278 des Ovršni zakon (Zwangsvollstreckungsgesetz)(3) entscheiden Notare über Vollstreckungsanträge auf der Grundlage von glaubwürdigen Dokumenten gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes.

13.      Gemäß Art. 279 Abs. 1 und 3 des Zwangsvollstreckungsgesetzes ist für die Anordnung der Vollstreckung derjenige Notar örtlich zuständig, dessen Niederlassung sich in der (regionalen) Gebietskörperschaft befindet, in der der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Wenn ein Vollstreckungsantrag bei einem örtlich unzuständigen Notar gestellt wird, hat das Gericht den Antrag zurückzuweisen.

14.      Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge leitet der Notar, bei dem fristgemäß ein zulässiger und begründeter Widerspruch gegen den von ihm erlassenen Bescheid eingelegt wird, gemäß Art. 282 Abs. 3 des Zwangsvollstreckungsgesetzes die Akte zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens an das zuständige Gericht weiter. Das Gericht entscheidet über den Widerspruch gemäß den Art. 57 und 58 dieses Gesetzes.

2.      Parkplätze-Ordnung

15.      Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge ist das Parken in Pula durch die Entscheidung über die Organisation der Gebührenerhebung und der Kontrolle des Parkens auf öffentlichen Parkplätzen vom 16. Dezember 2009(4) und vom 11. Februar 2015(5) (im Folgenden: Parkplätze-Ordnung) geregelt.

16.      Art. 1 Abs. 2 der Parkplätze-Ordnung bestimmt, dass die technischen und organisatorischen Aufgaben, die Gebührenerhebung, die Überwachung des Parkens von Fahrzeugen, die Instandhaltung und Reinigung sowie andere Aufgaben auf den gebührenpflichtigen öffentlichen Parkplätzen von Pula Parking durchgeführt werden. Diese Gesellschaft ist ein im Eigentum der Stadt Pula stehendes öffentliches Unternehmen.

17.      Nach der Parkplätze-Ordnung schließt der Nutzer eines Parkplatzes mit Pula Parking einen Vertrag, erhält einen für 24 Stunden gültigen Parkschein und erklärt sich mit den geltenden allgemeinen Bedingungen einverstanden. Der Nutzer eines Parkplatzes hat die Parkgebühr innerhalb von acht Tagen zu entrichten, danach fallen Verzugszinsen und Kosten für die Rechtsverfolgung an.

III – Sachverhalt,Verfahren und Vorlagefragen

18.      Am 8. September 2010 stellte der Beklagte sein Fahrzeug auf einem öffentlichen Parkplatz in Pula an der kroatischen Küste ab. Bei der Wegfahrt unterließ er es, die für den Tagesparkschein zu zahlenden 100 HRK (ungefähr 13 Euro) zu entrichten. Er zahlte den Betrag auch nicht innerhalb der dafür eingeräumten acht Tage, woraufhin Verzugszinsen anfielen.

19.      Am 1. Juli 2013 trat Kroatien der Europäischen Union bei.

20.      Am 27. Februar 2015 leitete die Klägerin, die Pula Parking, eine im Eigentum der Stadt Pula stehende Gesellschaft, die aufgrund einer von der Stadt erlassenen Entscheidung mit dem Betrieb der öffentlichen Parkplätze beauftragt ist, ein Verfahren zur Einziehung der ausstehenden Beträge ein. Sie beantragte an diesem Tag bei einem in Pula niedergelassenen öffentlichen Notar auf der Grundlage eines „glaubwürdigen Dokuments“ einen Vollstreckungsbescheid über 100 HRK gegen den Beklagten. Bei diesem Dokument handelte es sich um einen Auszug aus der Buchhaltung der Klägerin, der den vom Beklagten geschuldeten Betrag auswies.

21.      Der Vollstreckungsbescheid wurde am 25. März 2015 erlassen. Am 21. April 2015 legte der Beklagte Widerspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein, woraufhin die Sache gemäß Art. 282 Abs. 3 des Zwangsvollstreckungsgesetzes an das Općinski sud u Puli-Pola (Amtsgericht Pula), das vorlegende Gericht, verwiesen wurde. Der Beklagte machte geltend, dass der Notar für den Erlass des Vollstreckungsbescheids auf der Grundlage eines glaubwürdigen Dokuments gegen einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats weder sachlich noch örtlich zuständig gewesen sei.

22.      Das Općinski sud u Puli-Pola (Amtsgericht Pula) hat deswegen das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist im vorliegenden Fall angesichts der Natur des rechtlichen Verhältnisses zwischen den Parteien des Zivilverfahrens die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 anwendbar?

2.      Bezieht sich die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 auch auf die Zuständigkeit der Notare in der Republik Kroatien?

23.      Die Klägerin und der Beklagte, die kroatische, die deutsche und die schweizerische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Zudem haben die Beteiligten, die am schriftlichen Verfahren teilgenommen haben, mit Ausnahme der deutschen und der schweizerischen Regierung in der Sitzung am 14. Juli 2016 mündlich Stellung genommen.

IV – Würdigung

A –    Zulässigkeit

1.      Konformität des Vorabentscheidungsersuchens mit dem kroatischen Recht

24.      Nach Ansicht des Beklagten ist das Vorabentscheidungsersuchen zurückzuweisen, weil es in Form eines Schreibens und nicht im Wege eines Beschlusses gestellt worden sei und daher gegen kroatische Rechtsvorschriften verstoße. Er habe das Vorabentscheidungsersuchen vor den nationalen Gerichten angefochten.

25.      Nach ständiger Rechtsprechung prüft der Gerichtshof nicht, „ob die Vorlageentscheidung den nationalen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das Verfahren entspricht. Der Gerichtshof ist an die von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Vorlageentscheidung gebunden, solange sie nicht aufgrund eines im nationalen Recht eventuell vorgesehenen Rechtsbehelfs aufgehoben worden ist“(6).

26.      Soweit es um die konkrete Form des Vorabentscheidungsersuchens geht, folgt aus der oben angeführten Rechtsprechung, dass ihre Prüfung ausschließlich Sache der nationalen Gerichte ist. Hinsichtlich eines etwaigen Rechtsmittels gegen das Vorabentscheidungsersuchen auf nationaler Ebene liegen dem Gerichtshof keine Informationen darüber vor, dass das Vorabentscheidungsersuchen in dieser Rechtssache aufgehoben worden wäre. Der Gerichtshof hat auch keine förmliche Mitteilung über die Einlegung eines Rechtsmittels erhalten. Solange also das vorlegende Gericht dem Gerichtshof nicht mitteilt, dass es sein Vorabentscheidungsersuchen zurückziehe(7), bleibt die Rechtssache beim Gerichtshof anhängig.

27.      Aus diesen Gründen ist das oben geschilderte Vorbringen des Beklagten nicht geeignet, die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens des vorlegenden Gerichts in Frage zu stellen.

2.      Zeitliche Anwendbarkeit des Unionsrechts

28.      Die in Rede stehende vertragliche Verpflichtung wurde am 8. September 2010 begründet. Kroatien trat der Europäischen Union erst am 1. Juli 2013 bei. Die Verordnung Nr. 1215/2012 trat am 10. Januar 2015 in Kraft. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Verordnung zeitlich anwendbar ist.

29.      Gemäß Art. 2 der Akte über den Beitritt Kroatiens (im Folgenden: Beitrittsakte)(8)ist das Unionsrecht in Kroatien am 1. Juli 2013 unmittelbar verbindlich geworden(9).

30.      Nach Art. 66 der Verordnung ist diese anzuwenden „auf Verfahren …, die am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet … worden sind“.

31.      Im vorliegenden Fall wurde das Vollstreckungsverfahren am 27. Februar 2015 eingeleitet. Der Widerspruch gegen das Verfahren wurde am 21. April 2015 eingelegt.

32.      Daraus ergibt sich, dass die Bestimmungen der Verordnung über die Zuständigkeit und Vollstreckung zum maßgeblichen Zeitpunkt, d. h. bei Einleitung des Verfahrens, in Kroatien in vollem Umfang anwendbar waren, und zwar unabhängig davon, ob man den 27. Februar 2015 oder den 21. April 2015 als maßgeblichen Zeitpunkt ansieht.

33.      Dass dieses Vollstreckungsverfahren einen Sachverhalt betrifft, der zeitlich vor dem Beitritt Kroatiens liegt, ist unerheblich. Wie ich an anderer Stelle erläutert habe, kann die sofortige Anwendbarkeit des Unionsrechts dazu führen, dass fortdauernde Rechtsverhältnisse für die Zukunft Änderungen erfahren können(10). Im Kontext des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens ist vor allem darauf hinzuweisen, dass es bei Vollstreckungs- und Verfahrensbestimmungen in der Natur der Sache liegt, dass neue unionsrechtliche Vorschriften auch auf vor dem Beitritt liegende Sachverhalte Anwendung finden. In der Regel sind nämlich für die Vollstreckung von fälligen Forderungen die Vorschriften maßgebend, die im Zeitpunkt der Einleitung des Vollstreckungsverfahrens gelten, und nicht die Verfahrensvorschriften, die im Zeitpunkt des zugrunde liegenden Vertragsschlusses in Kraft waren.

34.      Dieses Ergebnis wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur zeitlichen Anwendbarkeit der Vorschriften des Unionsrechts über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung bestätigt. So befasste sich der Gerichtshof beispielsweise in der Rechtssache Collin(11) mit einem Sachverhalt, in dem es um einen Arbeitsvertrag ging, der vor dem Inkrafttreten des Brüsseler Übereinkommens, dem Vorgänger der Verordnung, geschlossen und beendet worden war(12). Die Klage wurde nach dem Inkrafttreten der Verordnung erhoben. Der Gerichtshof bekräftigte, dass für die Anwendbarkeit der Zuständigkeits- und Vollstreckungsvorschriften „die einzige notwendige und gleichzeitig ausreichende Voraussetzung … [ist], dass die Klage nach [dem Inkrafttreten der Verordnung] erhoben worden ist“(13).

35.      Der Beklagte stützt seinen Einwand gegen die zeitliche Anwendbarkeit des Unionsrechts im vorliegenden Fall auf den Beschluss des Gerichtshofs inder Rechtssache VG Vodoopskrba(14). Darin verneinte der Gerichtshof seine Zuständigkeit, allerdings aus dem Grund, dass das nationale Gericht um eine Auslegung des Unionsrechts in Bezug auf materielle Bestimmungen eines Vertrags ersucht hatte, der vor dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union geschlossen und offenbar teilweise ausgeführt worden war. Dies hätte gegebenenfalls zu einer Neubewertung zurückliegender Ereignisse aus der Zeit vor dem Beitritt geführt. Im Gegensatz dazu betrifft die vorliegende Rechtssache ausschließlich die (laufende und naturgemäß in die Zukunft gerichtete) Vollstreckung wegen eines offenbar geschuldeten Geldbetrags, wobei das Vollstreckungsverfahren eindeutig nach dem Beitritt eingeleitet wurde.

36.      Ich bin daher der Ansicht, dass der Gerichtshof in zeitlicher Hinsicht für die Beantwortung der vom vorlegenden Gericht zur Auslegung der Verordnung Nr. 1215/2012 gestellten Fragen zuständig ist.

3.      Hypothetische Natur der zweiten Frage

37.      Zu klären ist, ob die zweite Frage des vorlegenden Gerichts hypothetischer Natur ist. Hierzu wird in den Nrn. 56 bis 61 der vorliegenden Schlussanträge im Rahmen der Gesamtprüfung dieser Frage Stellung genommen.

B –    Materielle Rechtslage

1.      Erste Frage

38.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der Sachverhalt in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Es verweist insoweit auf die „Natur des rechtlichen Verhältnisses zwischen den Parteien“. Dem entnehme ich, dass das vorlegende Gericht klären möchte, ob der Sachverhalt im Hinblick darauf, dass die Klägerin im öffentlichen Eigentum steht und auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlich erteilten Ermächtigung handelt, sowie im Hinblick auf den sich daraus ergebenden Vertragstyp unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ zu fassen ist.

39.      Aus den nachstehend dargelegten Gründen bin ich der Ansicht, dass dies der Fall ist.

40.      Der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ ist ein autonomer Begriff des Unionsrechts(15). Er wird „im Wesentlichen durch die Natur der zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Rechtsbeziehungen oder durch dessen Gegenstand abgegrenzt“(16).

41.      Im vorliegenden Fall stellte die Klägerin dem Beklagten gegen Entgelt einen Parkplatz zur Verfügung.

42.      Der Beklagte trägt vor, dass es sich bei dem Vertrag um einen Mietvertrag und nicht um einen Dienstleistungsvertrag handele. Diese Einstufung führe auch dazu, dass für Klagen aufgrund des Vertrags eine kürzere Verjährungsfrist gelte. Auf dieser Grundlage stellt er die Zuständigkeit der kroatischen Notare gemäß nationalem Recht in Frage, da Mietverträge nach kroatischem Recht in die Zuständigkeit der Gerichte fielen.

43.      Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Argumentation zutrifft. Diese Frage ist vom nationalen Gericht zu entscheiden. Sie berührt nicht die Frage, ob der Vertrag unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ und damit in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt(17).

44.      Grundsätzlich können sowohl Mietverträge als auch Dienstleistungsverträge unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ fallen, der sich, „von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivil- und Handelsrechts erstrecken [sollte]“(18). Ausnahmen sind eng auszulegen(19).

45.      Ein Vertrag zwischen zwei Privatpersonen über die Zurverfügungstellung eines Parkplatzes fiele normalerweise unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“. Hier bestehen jedoch Zweifel, weil die Klägerin eine Gesellschaft ist, die im öffentlichen Eigentum steht und deren Befugnisse auf dem Rechtsakt einer öffentlichen Behörde beruhen(20).

46.      Es stellt sich daher die Frage, ob die Vereinbarung zwischen den Parteien aus diesem Grund von dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen ist.

47.      Aus den folgenden Gründen bin ich der Ansicht, dass dies nicht der Fall ist.

48.      Nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung sind „Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii)“ von ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich ausgenommen. Diese Ausnahme ist durch die Rechtsprechung bestätigt und dahin präzisiert worden, dass „Rechtsstreitigkeiten, in denen sich eine Behörde und eine Privatperson gegenüberstehen, … nur dann vom Anwendungsbereich [der Verordnung] ausgenommen [sind], wenn es darin um die Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch die Behörde geht“(21).

49.      Im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Parkplatzvertrag unter die „acta iure imperii“ fällt, d. h., als Ausübung hoheitlicher Befugnisse anzusehen ist. Zwar übt die Klägerin eine Tätigkeit aus, die ihr durch einen öffentlich-rechtlichen Rechtsakt übertragen wurde. Die Tätigkeit selbst, die Zurverfügungstellung eines Parkplatzes, ist jedoch eine gewöhnliche wirtschaftliche Tätigkeit. Die bloße Tatsache, dass die Ermächtigung zur Ausübung dieser Tätigkeit auf einem öffentlich-rechtlichen Rechtsakt beruht, macht sie noch nicht zu einer hoheitlichen Tätigkeit im Sinne der „acta iure imperii“. Nichts in den Akten deutet darauf hin, dass die Klägerin bei der Erfüllung ihrer Aufgabe Befugnisse wahrnimmt, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften abweichen(22). Dass in Bezug auf den betreffenden Vertragstyp keine Abweichungen bestehen, wurde der Vorlageentscheidung zufolge vom Ustavni sud (Verfassungsgerichtshof von Kroatien) bestätigt.

50.      Auch der Geldbetrag, den die Klägerin von dem Beklagten verlangt, spricht dafür, dass es sich um ein Entgelt für die von ihr erbrachte Leistung handelt. Aus den Akten ergibt sich nicht, dass es sich um eine Strafe oder Sanktion handeln könnte.

51.      Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin eine Gesellschaft ist, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand steht. Eine solche Eigentümerstellung stellt keinen Umstand dar, der einer Situation gleichzustellen wäre, in der der betreffende Mitgliedstaat hoheitliche Befugnisse ausübt. Dies gilt umso mehr, wenn sich ein Unternehmen im öffentlichen Eigentum wie ein beliebiger Wirtschaftsteilnehmer verhält, der auf einem bestimmten Markt tätig ist(23).

52.      Aus den obigen Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten: Die Verordnung Nr. 1215/2012 ist auf einen Sachverhalt wie den vorliegenden, in dem zwischen einer Privatperson und einem im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Unternehmen ein Vertrag über die Nutzung eines Parkplatzes geschlossen wird, anwendbar, sofern das Unternehmen keine hoheitlichen Befugnisse wahrnimmt.

2.      Zweite Frage

53.      Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich die Verordnung auch auf die „Zuständigkeit der Notare in der Republik Kroatien“ bezieht.

54.      Das vorlegende Gericht nennt die konkreten Bestimmungen der Verordnung, die es mit dieser Frage im Sinn hat, nicht ausdrücklich. Letztlich geht es aber darum, ob ein kroatischer Notar, der einen Vollstreckungsbescheid ausstellt, als ein „Gericht“, das eine „Entscheidung“ erlässt, im Sinne der Verordnung angesehen werden kann.

55.      Aus den im Folgenden dargelegten Gründen bin ich der Ansicht, dass Notare keine „Gerichte“ in diesem Sinne sind.

a)      Zulässigkeit

56.      Vor Prüfung der materiellen Rechtslage ist zunächst die Zulässigkeit zu prüfen.

57.      Im vorliegenden Fall widersprach der Beklagte dem Vollstreckungsbescheid. Dies hatte zur Folge, dass die Zuständigkeit auf die kroatischen Gerichte überging. Ist die zweite Frage des vorlegenden Gerichts, da der Notar nunmehr für die Rechtssache nicht mehr zuständig ist, lediglich hypothetischer Natur und daher unzulässig?

58.      Nach meiner Ansicht nicht.

59.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts(24). Der Gerichtshof darf die Entscheidung über das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

60.      Ich meine nicht, dass diese Vermutung der Entscheidungserheblichkeit im vorliegenden Fall zweifelsfrei widerlegt ist. Es ist offen, welche Konsequenzen es für das nationale Verfahren hätte, wenn der Gerichtshof die zweite Frage verneinte. Es ist möglich, dass dies letztlich keine Auswirkungen hätte, da die Sache nunmehr vor dem nationalen Gericht und nicht mehr vor dem Notar anhängig ist. Es ist aber andererseits auch nicht ausgeschlossen, dass die Antwort auf die zweite Frage, jedenfalls wenn sie verneint wird, doch das gesamte nationale Verfahren beeinträchtigt. Dies sind Fragen des nationalen Rechts, die vom nationalen Gericht und nicht vom Gerichtshof zu prüfen sind.

61.      Meines Erachtens ist die zweite Frage daher zulässig.

b)      Materielle Rechtslage

i)      Bemerkungen zur Anpassung der Verordnung Nr. 1215/2012 im Hinblick auf den Beitritt von Kroatien

62.      Der Begriff „Gericht“ wird in der Verordnung nicht definiert. Zwar umfasst nach Art. 3 der Verordnung der Begriff „Gericht“ speziell die ungarischen Notare bei summarischen Mahnverfahren sowie das schwedische Amt für Beitreibung bei summarischen Mahnverfahren und Beistandsverfahren. Eine derartige Bestimmung gibt es nicht in Bezug auf kroatische Notare bei Erlass eines Vollstreckungsbescheids.

63.      Die Verordnung wurde am 12. Dezember 2012 erlassen, wenige Monate vor dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union am 1. Juli 2013, aber nach der Veröffentlichung der Beitrittsakte mit der Liste der technischen Anpassungen des Sekundärrechts am 24. April 2012(25).

64.      Wohl könnte man argumentieren, dass die Verordnung zwischen zwei Stühle geraten ist: zu spät, um technische Anpassungen als Teil des Beitrittsprozesses zu berücksichtigen, aber zu früh für eine inhaltliche Einflussnahme Kroatiens als Mitgliedstaat der Europäischen Union.

65.      Vor diesem Hintergrund macht die kroatische Regierung geltend, dass es ihr ganz einfach nicht möglich gewesen sei, darauf hinzuwirken, dass die Notare in Art. 3 der Verordnung aufgenommen würden.

66.      Zwar kann ich die im Hinblick auf die Entstehungszeit der Verordnung aufgeworfenen praktischen Fragen nachvollziehen, solche Erwägungen sollten aber bei der Auslegung des Anwendungsbereichs der Verordnung keine Berücksichtigung finden. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass für die Auslegung von Bestimmungen des Unionsrechts der Wortlaut dieser Bestimmungen zugrunde zu legen ist. Ist der Wortlaut mehrdeutig, muss diese Mehrdeutigkeit anhand des Zusammenhangs und des Ziels der Bestimmung beseitigt werden.

67.      Außergewöhnliche Umstände sind keine Rechtfertigung dafür, diese allgemeinen Auslegungsregeln beiseite zu lassen. Aus Sonderfällen lassen sich nur schlecht allgemeine Regeln entwickeln. Behauptete Absichten eines Mitgliedstaats, die er aus zeitlichen Gründen nicht habe verwirklichen können, dürfen nicht dazu führen, die Auslegung des Unionsrechts zu verbiegen, hat es doch in allen Mitgliedstaaten einheitlich zu sein(26).

ii)    Ist ein kroatischer Notar, der einen Vollstreckungsbescheid ausstellt, ein „Gericht“, das eine „Entscheidung“ erlässt?

–       Fehlen einer feststehenden Definition von „Gericht“

68.      Die Verordnung definiert den Begriff „Entscheidung“ (in der englischen Sprachfassung: „judgment“) in einer sehr weiten Weise. Aus der Formulierung „Entscheidung ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung“ ergibt sich, dass der Begriff losgelöst von jeglicher nationalen Einordnung des Begriffs „Entscheidung“ ist(27). Auch in anderen Sprachfassungen werden allgemeinere Ausdrücke als in der englischen verwendet, die dem weiter gefassten englischen Begriff „decision“ nahekommen, z. B.: „décision“ (im Französischen), „beslissing“ (im Niederländischen), „rozhodnutí“ (im Tschechischen). Die Verordnung nennt verschiedene Beispiele für eine „Entscheidung“, nämlich „Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses …“. Der „Vollstreckungsbescheid“ ist somit ausdrücklich von dem Begriff „Entscheidung“ umfasst.

69.      Entscheidungen sind aber nur dann „Entscheidungen“ im Sinne der Verordnung, wenn sie von einem „Gericht“ erlassen wurden(28). Der Begriff „Gericht“ (29) wird in der Verordnung jedoch nicht definiert.

70.      Aus institutioneller Sicht schließt die gewöhnliche Bedeutung des Begriffs „Gericht“ nicht den Notar ein, der kein „Rechtssprechungsorgan“(30), d. h. nicht Teil der Gerichtsorganisation(31) ist. In funktioneller Hinsicht bestehen, wie sich aus dem Unionsrecht selbst ergibt, „grundlegende Unterschiede“ zwischen der Tätigkeit eines Notars und der Rechtsprechungstätigkeit(32). Zwar können Notare in bestimmten Fällen gerichtliche Funktionen ausüben, doch ist dies nicht ihre typische und/oder hauptsächliche Rolle. Notare sind daher, auch aus einer funktionelleren Perspektive, keine Gerichte „im eigentlichen Sinne“(33).

71.      Das dem Ausdruck „Gericht“ (in der englischen Sprachfassung „courts or tribunals“) in seiner gewöhnlichen Bedeutung zuzumessende Gewicht wird im vorliegenden Fall jedoch durch die Unterschiedlichkeit seiner Übersetzungen in andere Sprachfassungen erheblich geschwächt. So heißt es in der kroatischen Fassung „sud“ (Gericht), in der französischen „juridiction“ (Gerichtsbarkeit), in der spanischen „órgano jurisdiccional“ (Rechtsprechungsorgan), in der tschechischen „soud“ (Gericht), in der italienischen „autorità giurisdizionale“ (rechtsprechende Behörde).

72.      Da der gewöhnliche Sinn dieser Ausdrücke nicht frei von Mehrdeutigkeit ist, werde ich im Folgenden zwei wesentliche Gesichtspunkte des Zusammenhangs und des Ziels der Verordnung erörtern, um dann eine Lösung in dieser Rechtssache vorzuschlagen.

73.      Erstens ist Art. 3 der Verordnung aufschlussreich. Er bestimmt ausdrücklich, dass die ungarischen Notare und das schwedische Amt für Beitreibung (bei bestimmten Tätigkeiten) „[f]ür die Zwecke dieser Verordnung“ als „Gericht“ gelten.

74.      Dies weist sehr deutlich darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht davon ausgegangen ist, dass die ungarischen Notare und das schwedische Amt für Beitreibung automatisch unter den Begriff „Gericht“ fallen(34). Anderenfalls wäre es wenig sinnvoll gewesen, sie ausdrücklich aufzuführen. Vielmehr ist Art. 3 offensichtlich als eine Ausnahme oder Erweiterung zur gewöhnlichen Bedeutung von „Gericht“ aufzufassen.

75.      Entgegen dem Vorbringen der kroatischen Regierung ist Art. 3 meines Erachtens nicht lediglich als eine Klarstellung von Grenzfällen zu verstehen. Wie oben ausgeführt, stellen Notare (und Vollstreckungsbehörden)(35) nämlich kein „Gericht“ im gewöhnlichen Sinne dieses Begriffs dar. Wären Notare üblicherweise als „Gericht“ anzusehen – was aber nicht zutrifft –, wäre unklar, warum es notwendig sein sollte, dies ausdrücklich und nur in Bezug auf eine bestimmte Funktion der ungarischen Notare festzustellen und nicht in Bezug auf andere Funktionen oder in Bezug auf die Notare anderer Mitgliedstaaten(36).

76.      Struktur und Wortlaut der Art. 2 und 3 der Verordnung scheinen somit zu bestätigen, dass Notare nicht unter den Begriff „Gericht“ fallen.

77.      Zweitens sind parallele Rechtsvorschriften über Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in bestimmten Rechtsgebieten (und ganz allgemein in Zivilsachen)(37) ebenfalls aufschlussreich. Diese Rechtsinstrumente enthalten eine Reihe unterschiedlicher Ansätze. Einige enthalten ausdrückliche Bestimmungen des Begriffs „Gericht“, die weit gefasst und vielfältig(38) sind; teilweise verwenden und definieren sie auch unterschiedliche Begriffe(39). Andere definieren nicht den Grundbegriff selbst, sondern verwenden Konkretisierungen, wie z. B. eine Liste bestimmter Einrichtungen, die jedenfalls als „Gericht“ anzusehen sind(40). Dies ist der Fall in der Verordnung Nr. 1215/2012(41).

78.      Der wesentliche Punkt ist hier, dass zwischen den einzelnen Rechtsinstrumenten auf dem Gebiet des Zivilverfahrens in der Union horizontal betrachtet nur wenig Gemeinsamkeit oder gar Einheitlichkeit besteht. Der Rückgriff auf einen systematischen Ansatz hilft daher nicht viel weiter. Der Begriff „Gericht“ ist in großem Maße vom gesetzgeberischen Kontext und dem Ziel der einzelnen Maßnahme abhängig. In einigen Fällen besteht klar das Bestreben, eine konkrete auf den Einzelfall bezogene Definition festzulegen, während in anderen ein allgemeinerer, unbestimmter Begriff (unter Hinzufügung von konkreten Beispielen) verwendet wird.

79.      Vor einer pauschalen Übertragung dieser offensichtlich kontextbezogenen Definitionen ist daher Vorsicht geboten. Ebenso problematisch erscheint es, einen allumfassenden unionsrechtlichen Begriff „Gericht“ zu bestimmen.

80.      Gleichzeitig ist, worauf insbesondere die Kommission und die kroatische Regierung hinweisen, der in Art. 2 Buchst. a der Verordnung verwendete Ausdruck „Gericht“ derselbe wie der in Art. 267 AEUV verwendete. Offenbar ist der in der Verordnung verwendete Ausdruck in den meisten Sprachfassungen mit demjenigen identisch, der herkömmlich zur Bezeichnung einer Einrichtung verwendet wird, die zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof berechtigt ist.

81.      Die Rechtsprechung zu Art. 267 AEUV ist umfangreich. Eine pauschale Übernahme der zu Art. 267 AEUV ergangenen Rechtsprechung erscheint allerdings problematisch. Sie ist zwar zu einem gewissen Grad möglich(42), man muss sich jedoch immer bewusst sein, dass die Definition zu Art. 267 AEUV in einem anderen Kontext und zu einem anderen Zweck entwickelt wurde. Der zu Art. 267 AEUV entwickelte Ansatz ist dennoch ein guter Ausgangspunkt. Er greift die wesentlichen Merkmale einer Einrichtung auf, die als „Gericht“ bezeichnet werden kann.

–       Vorschlag für eine zweistufige Definition

82.      Wie sollte also der Begriff „Gericht“ im Kontext der Verordnung Nr. 1215/2012 definiert werden? Wie sollen nationale Gerichte, die um Anerkennung und Vollstreckung eines Rechtsakts einer ausländischen Einrichtung ersucht werden, feststellen, ob es sich bei dieser Einrichtung um ein „Gericht“ handelt?

83.      Speziell für die Zwecke der Verordnung Nr. 1215/2012 schlage ich einen zweistufigen Ansatz für die Definition von „Gericht“ vor:

–        als Standard eine institutionelle Definition (auf der Grundlage einer einfachen Verweisung auf die anerkannte Gerichtsorganisation eines Mitgliedstaats),

–        in Ausnahmefällen korrigiert durch eine unionsrechtliche funktionelle Definition (jedoch unter strikter Anwendung der zu Art. 267 AEUV entwickelten Kriterien).

84.      Ein solcher zweistufiger Ansatz, den man auch einfach als eine „institutionelle Definition mit Sicherheitsventil“ bezeichnen könnte, würde meines Erachtens den besonderen Zielen der Verordnung Nr. 1215/2012 am besten gerecht. Einerseits erlaubt er eine schnelle Beurteilung der großen Mehrzahl der normalen Fälle des Alltagsgeschäfts. Andererseits sorgt er auch dafür, dass schwierigere Fälle anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn auch in leicht abgewandelter Anwendung, gelöst werden können.

85.      Die Standarddefinition des Begriffs „Gericht“ sollte einfach sein und auf einem institutionellen Ansatz basieren. Ein „Gericht“ ist ein Rechtsprechungsorgan eines Mitgliedstaats. Es ist eine Einrichtung innerhalb der Gerichtsorganisation des Mitgliedstaats und als solche anerkannt(43).

86.      Dieser institutionelle Ansatz für die Definition von „Gericht“ findet eine Stütze in der Rechtsprechung des Gerichtshofs(44). Dort wird die Tatsache, dass es sich bei der betreffenden Einrichtung um ein „Gericht“ handelt, in der Regel nicht einmal erörtert. Als Beispiele aus der Rechtsprechungsind zu nennen, dass der englische High Court of Justice (Oberes Gericht von England und Wales, Vereinigtes Königreich)(45), die Arondissementsrechtsbank (Bezirksgericht, Niederlande)(46) oder das französische Tribunal de Grande Instance (Landgericht)(47) selbstverständlich „Gerichte“ sind.

87.      Die Erörterungen in den angeführten Rechtssachen betreffen mehr die Art des angewandten Verfahrens und die Frage, ob die daraus resultierende Maßnahme eine „Entscheidung“ im Sinne des jetzigen Art. 2 Buchst. a der Verordnung darstellt. Dies kann bei Ex-parte-Verfahren (nicht kontradiktorische Verfahren) oder vorläufigen Verfahren zweifelhaft sein. Mit anderen Worten, die „funktionelle“ oder „prozedurale“ Prüfung erfolgt meist nur hinsichtlich des Rechtsakts und nicht des Organs, das ihn erlassen hat.

88.      Entscheidend ist vielleicht, dass die standardmäßige institutionelle Definition von „Gericht“ nicht nur der natürlichen Bedeutung dieses Begriffs entspricht, sondern auch das Ziel der Verordnung am besten widerspiegelt. Dieses besteht in der gegenseitigen Anerkennung, der raschen Abwicklung und der Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen. Dafür bedarf es der Einfachheit. Eine Einzelfallprüfung ist dafür nicht geeignet. Es bedarf auch des Vertrauens. Wenn die betreffende Einrichtung offensichtlich (oder offensichtlich nicht) Teil der Gerichtsorganisation des ausstellenden Mitgliedstaats ist, warum sollte der vollstreckende Mitgliedstaat, wenn keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, diese Tatsache in Frage stellen(48)?

89.      Mit diesem übergeordneten Ziel verknüpft ist ein praktischer Gesichtspunkt. Handelte es sich bei der Standarddefinition von „Gericht“ im Sinne der Verordnung Nr. 1215/2012 um eine autonome unionsrechtliche Definition, würde dann der Gerichtshof verlangen, dass die nationalen Gerichte das Vorliegen aller Elemente dieser Definition in jedem einzelnen Fall, in dem um Anerkennung nach dieser Verordnung ersucht wird, prüfen? Hätte jeder erstinstanzliche Richter des Mitgliedstaats X, der um Vollstreckung einer Entscheidung ersucht wird, zu prüfen, ob das erstinstanzliche Gericht im Mitgliedstaat Y, das die Entscheidung erlassen hat, ein unabhängiges und unparteiisches Rechtsprechungsorgan ist, das durch Gesetz dauerhaft eingerichtet wurde und nach einem kontradiktorischen Verfahren entscheidet?

90.      Dies ist vernünftigerweise eindeutig mit „Nein“ zu beantworten. Grundsätzlich ist daher von einem institutionellen Ansatz auszugehen. Ein Gericht, das Bestandteil der normalen Gerichtsorganisation eines Mitgliedstaats ist, ist ohne Weiteres, ohne dass es einer weiteren Einzelfallprüfung bedarf, als ein „Gericht“ im Sinne der Verordnung Nr. 1215/2012 anzusehen. Wie bereits festgestellt, ist dies Ausdruck gegenseitigen Vertrauens. Was ein Mitgliedstaat als Gericht bezeichnet, ist auch für den anderen ein Gericht, solange etwas anderes nicht klar und eindeutig dargetan ist.

91.      Die standardmäßige institutionelle Definition hat noch eine weitere wichtige praktische Konsequenz. Sie ermöglicht nämlich eine interne Delegierung innerhalb der nationalen Gerichte, insbesondere innerhalb der erstinstanzlichen Gerichte. Dass eine unter dem Namen einer Einrichtung erlassene Maßnahme von einem nach nationalem Recht ordnungsgemäß ermächtigten Justizangestellten, Rechtspfleger oder anderen Amtsinhaber des Gerichts unterzeichnet ist (typischerweise in summarischen Verfahren, in Verfahren, in denen kein Widerspruch eingelegt wurde, oder in Verfahren, die einen geringen Streitwert betreffen), stellt die Einstufung dieser Einrichtung als „Gericht“ nicht in Frage. Wer entscheidet oder wer unterzeichnet, kann eine Rolle dafür spielen, ob eine Maßnahme eine „Entscheidung“ darstellt. Dies ist jedoch eine andere Frage.

92.      Wenn ein Mitgliedstaat dagegen eine gerichtliche Funktion nach außen, d. h. an eine Stelle außerhalb der Gerichtsorganisation, überträgt, ist die Einrichtung, an die delegiert wurde, nicht bereits wegen der Delegierung standardmäßig als „Gericht“ anzusehen.

93.      Ließe man diesen Unterschied außer Acht, widerspräche dies meines Erachtens nicht nur der gewöhnlichen Bedeutung des Begriffs „Gericht“, sondern auch der Struktur der Art. 2 und 3 der Verordnung. Es hätte auch recht unerwünschte und unpraktische Konsequenzen.

94.      Auch wenn Standardvorschriften die beste praktische Lösung für die weit überwiegende Zahl der Fälle bieten(49), kann es hierbei jedoch nicht bleiben. Es gibt immer wieder unerwartete und außergewöhnliche Situationen. Außerdem würde eine ausschließlich nationale institutionelle Definition von „Gericht“ letztlich vollständig von den Mitgliedstaaten und der von ihnen gewählten gerichtlichen Struktur bestimmt. Das ließe den unionsrechtlichen Ursprung des Begriffs außer Acht(50). Gleichzeitig wäre ein eigenständiger, vollständig autonomer unionsrechtlicher Begriff „Gericht“ in Anbetracht seines Zwecks ungeeignet. Aus den oben genannten Gründen ergäben sich daraus auch eine Reihe praktischer Schwierigkeiten. Die Begriffsbestimmung muss daher sowohl eine Dimension des nationalen Rechts als auch des Unionsrechts enthalten, entsprechend der ersten und der zweiten Stufe des hier vorgeschlagenen Ansatzes.

95.      Was die zweite Stufe des vorgeschlagenen Ansatzes betrifft, sind (mindestens) zwei Situationen vorstellbar, in denen die standardmäßige institutionelle Definition ausnahmsweise in Frage zu stellen sein könnte und eine differenziertere Beurteilung, ob eine Einrichtung ein Gericht ist oder nicht, erforderlich ist.

96.      Zum einen könnten Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, die grundsätzlich in den materiellen Anwendungsbereich der Verordnung fallen, innerhalb der Gerichtsorganisation des Mitgliedstaats in einer Weise delegiert werden, die in anderen Mitgliedstaaten schwerwiegende und offenkundige verfassungsrechtliche Bedenken hervorruft. Insoweit sind zwei Szenarien denkbar. Ein Mitgliedstaat benennt als „ordentliche Gerichte“ innerhalb seiner Gerichtsorganisation Einrichtungen und/oder Personen, die trotz ihrer formalen Einstufung für andere Mitgliedstaaten als „Gericht“ unakzeptabel sind(51). Denkbar ist in wirklich außergewöhnlichen Umständen aber auch, dass bei den ordentlichen Gerichten eines Mitgliedstaats derartige Mängel vorliegen, dass eine gegenseitige automatische Anerkennung problematisch erscheint(52). In beiden Szenarien könnte eine Bewertung der betreffenden Einrichtungen anhand einer autonomen unionsrechtlichen Definition als notwendiges Korrektiv wirken.

97.      Zum anderen könnte eine Tätigkeit, die als eine gerichtliche Funktion angesehen werden kann, nach außen an eine Einrichtung delegiert worden sein, die auf den ersten Blick nicht Teil der Gerichtsorganisation des Mitgliedstaats ist. Dieser zweite Fall wird wahrscheinlich sehr viel häufiger eintreten als der erste. In der Tat ist dies im vorliegenden Fall offenbar geschehen. Auch hier muss es möglich sein, auf eine differenziertere, allein auf dem Unionsrecht beruhende Definition des Begriffs „Gericht“ zurückzugreifen.

98.      Wie sollte diese Definition lauten? Aus den oben genannten Gründen halte ich es für nicht sachgerecht, pauschale Definitionen, die im Kontext anderer Rechtsinstrumente des Sekundärrechts entwickelt worden sind, zu übernehmen.

99.      Gleichzeitig wird in der Verordnung Nr. 1215/2012 wortgetreu dieselbe Terminologie verwendet wie Art. 267 AEUV, worauf ich bereits hingewiesen habe (Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge).

100. Es gibt gute normative und pragmatische Gründe, das Rad nicht neu zu erfinden, d. h., völlig neue Definitionen zu schaffen. In normativer Hinsicht ist rechtliche Kohärenz ein wichtiges Element der Berechenbarkeit und Rechtmäßigkeit. Wie bereits oben in den Nrn. 77 und 78 dargestellt, ist dieses Gebiet bereits durch eine große Zersplitterung der Definitionen gekennzeichnet. Es erscheint daher ratsamer, die einzelnen Rechtsinstrumente nach und nach zusammenzubringen als immer wieder neue Definitionen hervorzuzaubern. Tatsächlich erfasst Art. 267 AEUV bereits recht gut die wesentlichen Merkmale eines Organs mit Rechtsprechungscharakter, das als „Gericht“ bezeichnet werden kann.

101. Nach diesen Erwägungen schlage ich vor, in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Einstufung einer Einrichtung nach der institutionellen Standarddefinition in Frage gestellt wird, diese Einstufung anhand der Kriterien zu überprüfen, die im Kontext der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 267 AEUV angewandt werden, um festzustellen, ob es sich um ein „Gericht“ handelt. Es ist also zu klären, ob die betreffende nationale Einrichtung alle in dieser Definition enthaltenen individuellen Merkmale aufweist, wie gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, kontradiktorisches Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch diese Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit(53).

102. Dass das Rad nicht neu erfunden werden soll, schließt es jedoch nicht aus, seine Verwendung zu modifizieren oder anzupassen. Im vorliegenden Fall besteht die Anpassung nicht darin, welche Kriterien, sondern wie diese im besonderen Kontext der Verordnung Nr. 1215/2012 anzuwenden sind.

103. Die Anpassung, die ich hier vorschlage, berücksichtigt die verschiedenen Ziele des Vorabentscheidungsverfahrens auf der einen und der Verordnung auf der anderen Seite. Ersteres treibt den Dialog zwischen den Richtern voran und fördert die Einheitlichkeit des Unionsrechts. Letztere ist ein Instrument zur gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen und deren freiem Verkehr, die eine rasche Abwicklung, Unkompliziertheit und Berechenbarkeit voraussetzen(54), aber gleichzeitig auf gegenseitigem Vertrauen in ein angemessenes Niveau rechtlichen Schutzes beruhen.

104. Dieser Unterschied in der Zielsetzung muss sich in einem unterschiedlichen Ansatz für die Art und Weise der Anwendung dieser Kriterien widerspiegeln. Für die Zulässigkeit von Vorabentscheidungen wird ein recht nachgiebiger Ansatz verfolgt, der sich mit „im Zweifel für die Zulässigkeit“ beschreiben lässt. In früheren Beschreibungen dieser Flexibilität mit mehr literarischem Bezug wurde darauf hingewiesen, dass danach sogar eine Vorlagefrage von Sancho Pansa als Gouverneur der Insel Barataria zulässig wäre(55).

105. Da jedoch der Kontext und das Ziel der Verordnung völlig andere sind, müssen diese Kriterien nach meiner Ansicht streng angewendet werden. Gegenseitiges Vertrauen erfordert nämlich Klarheit und die Gewissheit, dass in Grenzfällen die Rechtsakte einer Einrichtung, die ein Mitgliedstaat vollstrecken soll, ausreichende Garantien für Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, kontradiktorisches Verfahren und umfassende Beachtung der Verteidigungsrechte bieten. Die oben unter Nr. 101 angeführten Kriterien sind daher nicht als fakultative oder als mehr oder weniger wichtige Elemente einer Gesamtbewertung zu behandeln. Sie sind vielmehr als eine Checkliste zu verstehen.

106. Mit anderen Worten sollte im spezifischen Kontext der Verordnung Nr. 1215/2012 auf der zweiten Stufe der etwaigen funktionellen Prüfung der Rechtsnatur einer nationalen Einrichtung ein strenger Ansatz verfolgt werden. Alle Kriterien müssen erfüllt sein, ohne die Möglichkeit eines Ausgleichs oder einer Gesamtbewertung(56).

107. Kurzum, um mit der oben geschilderten Metapher aus Don Quijote zu schließen: Man könnte die Definition von „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV ausdehnen und eine Frage, die Sancho Pansa in seiner Eigenschaft als Gouverneur der Insel Barataria stellt, für zulässig erklären. Schließlich hat die Beantwortung von Fragen zur Förderung der Rechtseinheit und der Rechtsklarheit immer etwas Positives. Aber Entscheidungen zu vollstrecken, die Gouverneur Sancho Pansa gegen Personen auf anderen Inseln erlassen hat, ist eine ganz andere Geschichte.

–       Anwendung auf die vorliegende Rechtssache

108. Im vorliegenden Fall ist auf der Grundlage des Vorabentscheidungsersuchens und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen nicht ersichtlich, dass kroatische Notare die institutionelle Standarddefinition von „Gericht“ erfüllen.

109. Sind sie dennoch auf der zweiten Stufe des vorgeschlagenen Prüfungsansatzes, d. h. bei Anwendung der „Art. 267-Checkliste“, als „Gericht“ zu betrachten?

110. Im vorliegenden Fall sind wohl einige dieser Kriterien erfüllt, wie insbesondere die kroatische Regierung vorgetragen hat. Letztlich ist es Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob dies der Fall ist oder nicht.

111. Wie von der Kommission festgestellt und in der mündlichen Verhandlung näher erörtert, besteht jedoch der deutliche Eindruck, dass das Verfahren vor den kroatischen Notaren, wie es in dem Vorabentscheidungsersuchen geschildert ist, kein kontradiktorisches (inter partes) Verfahren ist. Das ergibt sich sogar ohne Weiteres daraus, dass gemäß Art. 282 Abs. 3 des Vollstreckungsgesetzes die Zuständigkeit im Streitfall auf das Gericht übergeht.

112. In Fällen, in denen die Definition von „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV Anwendung findet, ist ein kontradiktorisches Verfahren keine Voraussetzung sine qua non. Im Rahmen der Definition von „Gericht“ im Sinne der Verordnung ist es jedoch aus den oben dargelegten Gründen als notwendiges Kriterium anzusehen.

113. Auch wenn ein Verfahren durch Abgabe an eine andere Stelle ohne Weiteres in ein kontradiktorisches Verfahren übergehen kann, reicht dies meiner Ansicht nach nicht aus, die abgebende Stelle in ein „Gericht“ im Sinne der Verordnung umzudeuten. Der einfache Grund hierfür ist, dass der betreffende kontradiktorische Teil des Verfahrens vor dem Gericht und nicht vor dem Notar stattfindet.

iii) Ergebnis für die zweite Frage

114. Aus den oben genannten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite Frage wie folgt zu beantworten: Um als „Gericht“ im Sinne der Verordnung Nr. 1215/2012 eingestuft zu werden, muss es sich bei einer Einrichtung um ein Rechtsprechungsorgan eines Mitgliedstaats innerhalb dessen Gerichtsorganisation handeln. In Zweifelsfällen wird eine solche Einrichtung gleichwohl von der Definition „Gericht“ erfasst, wenn sie folgende Kriterien erfüllt. Erstens muss sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, zweitens dauerhaft bestehen, drittens muss ihre Gerichtsbarkeit obligatorisch sein, viertens muss sie in einem kontradiktorischen Verfahren entscheiden, fünftens Rechtsnormen anwenden und sechstens unabhängig sein.

V –    Ergebnis

115. Ich schlage dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Općinski sud u Puli-Pola (Amtsgericht Pula, Kroatien) wie folgt zu beantworten:

Erste Frage

Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist auf einen Sachverhalt wie dem vorliegenden, in dem zwischen einer Privatperson und einem im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Unternehmen ein Vertrag über die Nutzung eines Parkplatzes geschlossen wird, anwendbar, sofern das Unternehmen keine hoheitlichen Befugnisse wahrnimmt.

Zweite Frage

Um als „Gericht“ im Sinne der Verordnung Nr. 1215/2012 eingestuft zu werden, muss es sich bei einer Einrichtung um ein Rechtsprechungsorgan eines Mitgliedstaats innerhalb dessen Gerichtsorganisation handeln. In Zweifelsfällen wird eine solche Einrichtung gleichwohl von der Definition „Gericht“ erfasst, wenn sie folgende Kriterien erfüllt. Erstens muss sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, zweitens dauerhaft bestehen, drittens muss ihre Gerichtsbarkeit obligatorisch sein, viertens muss sie in einem kontradiktorischen Verfahren entscheiden, fünftens Rechtsnormen anwenden und sechstens unabhängig sein.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 (ABl. 2012, L 351, S. 1).


3      Narodne novine (Amtsblatt) Nrn. 112/12, 25/13, 93/14.


4      Službene novine Grada Pule (Amtliche Mitteilungen der Stadt Pula) Nr. 21/09.


5      Službene novine Grada Pule (Amtliche Mitteilungen der Stadt Pula) Nr. 03/15.


6      Urteil vom 11. Juli 1996, SFEI u. a. (C‑39/94, EU:C:1996:285, Rn. 24); vgl. auch Urteile vom 14. Januar 1982, Reina (C‑65/81, EU:C:1982:6, Rn. 7), und vom 11. April 2000, Deliège (C‑51/96 und C‑191/97, EU:C:2000:199, Rn. 29).


7      Maßgebend ist die Entscheidung des vorlegenden Gerichts und nicht unbedingt die des Rechtsmittelgerichts. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs obliegt es dem vorlegenden Gericht, Folgerungen aus einer etwaigen Rechtsmittelentscheidung gegen sein Vorabentscheidungsersuchen zu ziehen, vgl. Urteil vom 16. Dezember 2008, Cartesio(C‑210/06, EU:C:2008:723, insbesondere Rn. 93 und 97).


8      Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2012, L 112, S. 21).


9      Sofern nach der Beitrittsakte oder ihren Anhängen keine andere Frist vorgesehen ist. Im vorliegenden Fall findet keine dieser Ausnahmen Anwendung.


10      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Nemec (C‑256/15, EU:C:2016:619, Rn. 25 bis 44).


11      Urteil vom 13. November 1979, Sanicentral GmbH/René Collin (C‑25/79, EU:C:1979:255, Rn. 6). Die Rechtsprechung, die zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) und dem Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32), den Vorläufern der Verordnung 1215/2012, entwickelt wurde, gilt auch für die Verordnung 1215/2012, soweit die betreffenden Vorschriften „als gleichwertig angesehen werden können“. Die Notwendigkeit, die Kontinuität der Auslegung dieser Rechtsinstrumente zu wahren, wird auch im 34. Erwägungsgrund der Verordnung 1215/2012 hervorgehoben. Vgl. z. B. Urteil vom 11. April 2013, Sapir u. a. (C‑645/11, EU:C:2013:228, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12      Die Rechtssache Collin betraf das Brüsseler Übereinkommen, aber die Rechtsprechung ist übertragbar. Art. 54 dieses Übereinkommens sah ausdrücklich vor, dass es auf Klagen, die nach seinem Inkrafttreten erhoben wurden, anzuwenden ist (vgl. oben, Fn. 11). Vgl. aus neuerer Zeit speziell zur zeitlichen Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1215/2012 und zum Beitritt neuer Mitgliedstaaten die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kostanjevec (C‑185/15, EU:C:2016:397, Nrn. 24 ff.).


13      Im Wege einer weiter gehenden Analogie ist dieser Ansatz auch auf die nach dem Beitritt erfolgende Beitreibung von vor dem Beitritt festgesetzten (Verwaltungs-) Abgaben angewandt worden, vgl. Urteil vom 14. Januar 2010, Kyrian (C‑233/08, EU:C:2010:11).


14      Beschluss vom 5. November 2014 (C‑254/14, EU:C:2014:2354).


15      Urteil vom 15. Februar 2007, Lechouritou u. a. (C‑292/05, EU:C:2007:102, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16      Urteil vom 11. April 2013, Sapir u. a. (C‑645/11, EU:C:2013:228, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


17      Die Argumentation könnte sich auf die Frage auswirken, welche Rechtsgrundlage für die gerichtliche Zuständigkeit maßgebend ist (Art. 7 betrifft Dienstleistungsverträge, und Art. 24 betrifft Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen). Dies hat aber keinen Einfluss auf die nachstehende Würdigung.


18      Vgl. 10. Erwägungsgrund der Verordnung.


19      Vgl. z. B. Urteil vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 27).


20      Vgl. oben, Nrn. 15 ff.


21      Urteil vom 1. Oktober 2002, Henkel(C‑167/00, EU:C:2002:555, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22      Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2002, Henkel(C‑167/00, EU:C:2002:555, Rn. 30).


23      Urteil vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 37).


24      Vgl. zuletzt Urteil vom 11. November 2015, Pujante Rivera (C‑422/14, EU:C:2015:743, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).


25      Vgl. Anhang III der Beitrittsakte.


26      Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Mitgliedstaat in keiner Weise gehindert ist, darauf hinzuwirken, dass diese Absichten im normalen Rechtssetzungsverfahren auf Unionsebene in bindendes Recht umgesetzt werden.


27      Urteil vom 15. November 2012, Gothaer Allgemeine Versicherung u. a. (C‑456/11, EU:C:2012:719, Rn. 26 ff.).


28      Der Ausdruck „judgment“ im Englischen (und „sudska odluka“ im Kroatischen) impliziert bereits die Art des Organs, das die Maßnahme erlässt. Das andere Erfordernis nach Art. 2 Buchst. a der Verordnung, dass die Entscheidung von dem Gericht „eines Mitgliedstaats“ ausgehen muss, ist in der vorliegenden Rechtssache unproblematisch.


29      In der englischen Fassung der Verordnung werden die Begriffe „court“ und „court or tribunal“ austauschbar verwendet. Andere Sprachfassungen sind kohärenter und verwenden nur einen einzigen Begriff.


30      Urteile vom 2. Juni 1994, Solo Kleinmotoren (C‑414/92, EU:C:1994:221, Rn. 17), und vom 14. Oktober 2004, Mærsk Olie & Gas (C‑39/02, EU:C:2004:615, Rn. 45).


31      Der Begriff „Entscheidung“ umfasst bestimmte Tätigkeiten eines „Gerichtsbediensteten“. Solche Gerichtsbediensteten können daher als Teil des „Gerichts“ angesehen werden (vgl. Urteil vom 2. Juni 1994, Solo Kleinmotoren, C‑414/92, EU:C:1994:221, Rn. 16 und 17). Im vorliegenden Fall wurde der Erlass von Vollstreckungsbescheiden jedoch auf eine externe Stelle, die Notare, übertragen, also auf eine Stelle außerhalb der institutionellen Gerichtsorganisation und nicht auf eine Stelle innerhalb der Gerichtsorganisation.


32      Urteil vom 1. Oktober 2015, ERSTE Bank Hungary (C‑32/14, EU:C:2015:637, Rn. 47).


33      Vgl. 20. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl. 2012, L 201, S. 107).


34      Die dokumentierte Entstehungsgeschichte enthält keine Erklärung, warum Art. 3 eingefügt wurde.


35      Die bereits aufgrund ihrer Bezeichnung als Teil der Exekutive, im Gegensatz zur Rechtsprechung, angesehen werden. In parallelen Rechtsvorschriften werden sie als „Verwaltungsbehörden“ bezeichnet (siehe unten, Fn. 41).


36      Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die ungarischen Notare in der entsprechenden Bestimmung in Art. 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. 2004, L 143, S. 15) nicht aufgeführt sind. Vgl. auch oben, Fn. 33, zum Umkehrschluss aus dem 20. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 650/2012.


37      Vgl. z. B. Verordnung Nr. 805/2004 (Europäischer Vollstreckungstitel), Verordnung Nr. 650/2012 (Erbsachen), Übereinkommen von Lugano vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2007, L 339, S. 3), Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. 2003, L 338, S. 1), Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. 2006, L 399, S. 1), Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl. 2009, L 7, S. 1), Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen (ABl. 2013, L 181, S. 4) und Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. 2007, L 199, S. 1).


38      Der Begriff „Gericht“ kann z. B. im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Verordnung definiert werden wie in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 und in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012. In beiden Fällen bestehen für die Mitgliedstaaten Pflichten, der Kommission (nicht richterliche) Behörden, die unter den Begriff „Gericht“ fallen, mitzuteilen (Art. 79 der Verordnung Nr. 650/2012, Art. 68 der Verordnung Nr. 2201/2003). Nach einem anderen Ansatz wird unmittelbar auf die Definition der Mitgliedstaaten verwiesen (d. h., als Gericht gelten die Behörden, die für die jeweilige Zuständigkeit als Gerichte bezeichnet werden), so in Art. 62 des Luganer Übereinkommens, auf den die deutsche und die schweizerische Regierung ausdrücklich hingewiesen haben.


39      Vgl. z. B. Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 606/2013, der den Begriff „Ausstellungsbehörde“ definiert als jedes „Gericht“ oder bestimmte andere Behörden, „sofern ihre Entscheidungen … von einem Gericht nachgeprüft werden können und vergleichbare Wirkungen und Folgen haben wie die einer Entscheidung eines Gerichts, die denselben Gegenstand betrifft“.


40      Noch ein anderer Ansatz wird in der Verordnung Nr. 861/2007 verfolgt. Diese Verordnung enthält keine Definition des Grundbegriffs „Gericht“, jedoch ergibt sich aus ihren Erwägungsgründen, dass einem Gericht z. B. eine Person angehören muss, die nach nationalem Recht dazu ermächtigt ist, als Richter tätig zu sein, und dass es das Recht auf ein faires Verfahren sowie den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens wahren muss (Erwägungsgründe 9 und 27).


41      Siehe deren Art. 3. Vgl. auch Verordnung Nr. 805/2004. Die Verordnung Nr. 4/2009 enthält keine Definition von „Gericht“, jedoch die Feststellung, dass unter „Gericht“ auch die in Anhang X aufgeführten „Verwaltungsbehörden“ (diese Liste enthält auch das schwedische Amt für Beitreibung) fallen.


42      Vgl. Urteil vom 19. September 2006, Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587, Rn. 47 und 48), in dem die zu Art. 267 AEUV entwickelte Definition für die Auslegung von Vorschriften des Sekundärrechts übernommen wurde.


43      Eine solche Definition sollte gemeinsame Gerichte mehrerer Mitgliedstaaten, wie den Benelux-Gerichtshof (vgl. 11. Erwägungsgrund der Verordnung), grundsätzlich nicht ausschließen, auch wenn dies im vorliegenden Fall nicht relevant ist.


44      Vgl. Urteile vom 2. Juni 1994, Solo Kleinmotoren (C‑414/92, EU:C:1994:221, Rn. 17), und vom 14. Oktober 2004, Mærsk Olie & Gas (C‑39/02, EU:C:2004:615, Rn. 45). In diesen Rechtssachen verwendet der Gerichtshof den Begriff „Rechtsprechungsorgan“ offensichtlich gleichbedeutend mit dem Begriff „Gericht“.


45      Urteil vom 2. April 2009, Gambazzi (C‑394/07, EU:C:2009:219).


46      Urteil vom 14. Oktober 2004, Mærsk Olie & Gas (C‑39/02, EU:C:2004:615).


47      Urteil vom 21. Mai 1980, Denilauler (C‑125/79, EU:C:1980:130).


48      Die Prüfung, ob der Rechtsakt eine „Entscheidung“ darstellt, wird dadurch selbstverständlich nicht entbehrlich.


49      Dies wird durch die Tatsache bestätigt, dass der Gerichtshof seit Inkrafttreten des Brüsseler Übereinkommens vor über 40 Jahren die spezifische Bedeutung von „Gericht“ in diesem Kontext noch nie im Einzelnen erörtert hat.


50      Dafür, dass dies im Fall der Verordnung Nr. 1215/2012 durchaus nicht beabsichtigt war, spricht, dass im ursprünglichen Kommissionsvorschlag für die Verordnung „Gericht“ definiert wurde als „jede Behörde, die ein Mitgliedstaat … bezeichnet“ (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, KOM(2010) 748 endgültig – COD 2010/0383, Art. 2 Buchst. c). Diese Definition wurde jedoch nicht übernommen.


51      Es könnten zur Illustration dieser Kategorie eine Reihe von sehr absurden Beispielen angeführt werden. Wichtiger ist es jedoch vielleicht, den Zweck einer autonomen unionsrechtlichen Definition in diesen Fällen zu unterstreichen, in denen diese nicht in erster Linie im Interesse der Union, sondern vor allem im Interesse der anderen Mitgliedstaaten liegt.


52      Vgl. in weitem Sinne entsprechend Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru (C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 98 ff.).


53      Vgl. z. B. Urteil vom 17. September 1997, Dorsch Consult (C‑54/96, EU:C:1997:413, Rn. 23), kürzlich bestätigt durch Urteil vom 24. Mai 2016, MT Højgaard und Züblin (C‑396/14, EU:C:2016:347, Rn. 23).


54      Urteil vom 15. November 2012, Gothaer Allgemeine Versicherung u. a. (C‑456/11, EU:C:2012:719, Rn. 26).


55      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache De Coster (C‑17/00, EU:C:2001:366, Rn. 14).


56      Die nationalen Gerichte haben in Grenzfällen selbstverständlich die Möglichkeit und sind gegebenenfalls verpflichtet, den Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV zu konsultieren.