SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE
vom 18. Februar 2016(1)
Rechtssache C‑19/15
Verband Sozialer Wettbewerb e. V.
gegen
Innova Vital GmbH
(Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts München I [Deutschland])
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 – Art. 1 Abs. 2 – Geltungsbereich – Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen – Angaben in kommerziellen Mitteilungen, die sich ausschließlich an Fachkreise richten“
I – Einleitung
1. Das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts München I (Deutschland) betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel(2).
2. Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen einem Verein zum Schutz der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder und einem Unternehmen, das ein Nahrungsergänzungsmittel verkauft, wegen Angaben in einem Werbeschreiben, das dieses Unternehmen ausschließlich an Ärzte versandt hat. Der Gerichtshof wird erstmalig aufgefordert, festzustellen, ob die Anforderungen dieser Verordnung gelten, wenn in kommerziellen Mitteilungen, die sich nicht unmittelbar an Verbraucher, sondern ausschließlich an Fachkreise richten, nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über ein Lebensmittel enthalten sind, das als solches an den Verbraucher abgegeben werden soll.
II – Rechtlicher Rahmen
3. In den Erwägungsgründen 1, 4, 9, 16, 23 und 29 der Verordnung Nr. 1924/2006 heißt es:
„(1) Zunehmend werden Lebensmittel in der Gemeinschaft mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet, und es wird mit diesen Angaben für sie Werbung gemacht. Um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern, sollten die im Handel befindlichen Produkte, einschließlich der eingeführten Produkte, sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen. …
…
(4) Diese Verordnung sollte für alle nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gelten, die in kommerziellen Mitteilungen, u. a. auch in allgemeinen Werbeaussagen über Lebensmittel und in Werbekampagnen wie solchen, die ganz oder teilweise von Behörden gefördert werden, gemacht werden. Auf Angaben in nichtkommerziellen Mitteilungen, wie sie z. B. in Ernährungsrichtlinien oder ‑empfehlungen von staatlichen Gesundheitsbehörden und ‑stellen oder in nichtkommerziellen Mitteilungen und Informationen in der Presse und in wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu finden sind, sollte sie jedoch keine Anwendung finden. …
…
(9) Es gibt eine Vielzahl von Nährstoffen und anderen Substanzen … mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung, die in Lebensmitteln vorhanden und Gegenstand entsprechender Angaben sein können. Daher sollten allgemeine Grundsätze für alle Angaben über Lebensmittel festgesetzt werden, um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, dem Verbraucher die notwendigen Informationen für eine sachkundige Entscheidung zu liefern und gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Lebensmittelindustrie zu schaffen.
…
(16) Es ist wichtig, dass Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden können[,] und es ist angezeigt, alle Verbraucher vor irreführenden Angaben zu schützen. …
…
(23) Gesundheitsbezogene Angaben sollten für die Verwendung in der Gemeinschaft nur nach einer wissenschaftlichen Bewertung auf höchstmöglichem Niveau zugelassen werden. Damit eine einheitliche wissenschaftliche Bewertung dieser Angaben gewährleistet ist, sollte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit solche Bewertungen vornehmen. …
…
(29) Damit sichergestellt ist, dass gesundheitsbezogene Angaben wahrheitsgemäß, klar, verlässlich und für den Verbraucher bei der Entscheidung für eine gesunde Ernährungsweise hilfreich sind, sollte die Formulierung und Aufmachung gesundheitsbezogener Angaben bei der Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und in anschließenden Verfahren berücksichtigt werden.“
4. Art. 1 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmt:
„(1) Mit dieser Verordnung werden die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben harmonisiert, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau zu bieten.
(2) Diese Verordnung gilt für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen. …“
5. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1924/2006 verweist für ihre Zwecke auf die Definitionen der Begriffe „Lebensmittel“ und „Endverbraucher“ in den Art. 2 und 3 Nr. 18 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002(3). Abs. 2 Nrn. 1, 4 und 5 desselben Artikels bestimmt, was unter „Angabe“, „nährwertbezogene Angabe“ und „gesundheitsbezogene Angabe“ im Sinne der Verordnung Nr. 1924/2006 zu verstehen ist.
6. Kapitel II der Verordnung Nr. 1924/2006, das die Art. 3 bis 7 enthält, legt die allgemeinen Grundsätze für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben fest.
7. Nach Art. 3 („Allgemeine Grundsätze für alle Angaben“) dürfen „[n]ährwert- und gesundheitsbezogene Angaben … bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der vorliegenden Verordnung entsprechen“. Ferner dürfen „[u]nbeschadet der Richtlinien 2000/13/EG[(4)] und 84/450/EWG[(5)] … die verwendeten nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben [u. a.] nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein“.
8. Art. 5 („Allgemeine Bedingungen“) Abs. 1 und 2 sieht vor, dass die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben nur zulässig ist, wenn die in diesem Artikel genannten Bedingungen erfüllt sind und „wenn vom durchschnittlichen Verbraucher erwartet werden kann, dass er die positive Wirkung, wie sie in der Angabe dargestellt wird, versteht“.
9. Kapitel III der Verordnung Nr. 1924/2006, das die Art. 8 und 9 enthält, sieht für die Verwendung nährwertbezogener Angaben eigene Bedingungen vor.
10. Kapitel IV dieser Verordnung, in dem sich die Art. 10 bis 19 befinden, enthält besondere Vorschriften für gesundheitsbezogene Angaben.
11. In Art. 10 („Spezielle Bedingungen“) Abs. 1 und 2 der Verordnung heißt es:
„(1) Gesundheitsbezogene Angaben sind verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.
(2) Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur gemacht werden, wenn die Kennzeichnung oder … die Aufmachung der Lebensmittel und die Lebensmittelwerbung [die in diesem Absatz genannten] Informationen tragen“.
12. Nach Art. 13 der Verordnung dürfen die von diesem Artikel erfassten gesundheitsbezogenen Angaben, die „sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen“ und „vom durchschnittlichen Verbraucher richtig verstanden werden“, verwendet werden, „ohne den [Zulassungsv]erfahren der Artikel 15 bis 19 zu unterliegen“, soweit sie „[i]n der in Absatz 3 [dieses Artikels] vorgesehenen Liste“ enthalten sind.
13. Art. 14 der Verordnung lässt die Verwendung von „Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos“ und von „Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern“ zu, wenn „sie nach dem Verfahren der Artikel 15, 16, 17 und 19“ dieser Verordnung zugelassen worden sind.
III – Ausgangsverfahren, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof
14. Der Verband Sozialer Wettbewerb e. V. (im Folgenden: Verband Sozialer Wettbewerb) ist ein deutscher Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, was insbesondere einschließt, darauf zu achten, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
15. Die Innova Vital GmbH (im Folgenden: Innova Vital) ist eine deutsche Gesellschaft, deren Geschäfte von einem Arzt geführt werden. Sie bringt eine Vitamin-D3-haltige Emulsion unter dem Namen „Innova Mulsin® Vitamin D3“ in Verkehr, die in Tropfenform verabreicht wird.
16. Im November 2013 richtete der Geschäftsführer von Innova Vital ausschließlich an namentlich genannte Ärzte ein Schreiben, wonach dieses Nahrungsergänzungsmittel zur Verhütung von durch Vitamin-D-Mangel hervorgerufene Krankheiten beitrage und in dem es hieß:
„Sie kennen die Fakten: 87 % der Kinder in Deutschland haben Vitamin[-]D-Werte von unter 30 ng/ml im Blut. Laut [der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)] sollten es aber zwischen 50-75 ng/ml sein.
Wie schon in zahlreichen Studien beschrieben wurde, trägt Vitamin D maßgeblich zur Prävention mehrerer Krankheiten, wie z. B. atopische Dermatitis, Osteoporose, Diabetes mellitus und [Multiple Sklerose] bei. Nach diesen Studien ist ein zu niedriger Vitamin[-]D-Spiegel schon im Kindesalter mit verantwortlich für das spätere Auftreten der genannten Krankheitsbilder.
…
Darüber habe ich mir als Arzt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Immunologie Gedanken gemacht und eine Vitamin[-]D3[-]Emulsion (Innova Mulsin® D3) zur Verabreichung in Tropfenform entwickelt.
…
Vorteile der Mulsine:
…
– schnelle Vorbeugung oder Beseitigung von Mangelzuständen (Vitamin[‑]D3[‑]Mangel bei 80 % der Bevölkerung im Winter beschrieben)
…
Direkt-Bestellkonditionen sowie kostenfreies Infomaterial für Ihre Praxis erhalten Sie unter …“(6).
17. Dieses Schreiben enthielt auch eine bebilderte Darstellung der betroffenen Ware und Angaben über ihre Zusammensetzung, ihren Verkaufspreis und die Tagestherapiekosten nach der Dosierungsempfehlung von einem Tropfen täglich oder nach Empfehlung des Arztes. Im Einzelnen hieß es, dass „[b]ei einem [Verkaufspreis] von 26,75 [Euro] … Ihre Patienten 0,11 [Euro] pro Tag für einen ausgeglichenen Vitamin[-]D3[-]Haushalt [investieren]“.
18. Der Verband Sozialer Wettbewerb macht beim vorlegenden Gericht gegen Innova Vital Unterlassungsansprüche gemäß dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geltend(7). Er stützte diese Klage auf einen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1924/2006, wobei er insbesondere auf zwei der oben genannten Angaben abstellte(8).
19. Zur Begründung seiner Klage trägt der Verband Sozialer Wettbewerb vor, die Vorschriften der Verordnung Nr. 1924/2006 gälten für die Werbung sowohl innerhalb als auch außerhalb der Fachkreise. Insbesondere seien nach Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht gemäß Art. 13 dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben aufgenommen seien, was vorliegend nicht der Fall sei. Außerdem entspreche das fragliche Nahrungsergänzungsmittel in seiner Zusammensetzung und Wirksamkeit nicht den allgemeinen Bedingungen gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung. Hilfsweise beruft sich der Verband auf einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 2 der Verordnung, da in der streitigen Werbung die Pflichthinweise dieser Vorschrift fehlten.
20. Innova Vital hält dem entgegen, dass die Art. 5 und 10 der Verordnung Nr. 1924/2006 auf die Aussagen in dem fraglichen Schreiben nicht anzuwenden seien, da dieses nur an Ärzte gerichtet gewesen sei und die Verordnung für Werbung gegenüber Fachkreisen nicht gelten könne.
21. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht München I mit Entscheidung vom 16. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Januar 2015, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1924/2006 so auszulegen, dass die Vorschriften dieser Verordnung auch für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben gelten, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, wenn sich die kommerzielle Mitteilung bzw. Werbung ausschließlich an Fachkreise richtet?
22. Schriftliche Erklärungen haben Innova Vital, die griechische und die französische Regierung sowie die Europäische Kommission eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.
IV – Würdigung
A – Vorbemerkungen
23. Unter Berücksichtigung der dem Gerichtshof vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen sind eine Reihe von Fragen zum sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1924/2006 vorab, d. h. vor Beantwortung der Vorlagefrage, zu prüfen.
24. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass für das vorlegende Gericht feststeht, dass gemäß den Anwendungsbedingungen von Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung zum einen die Ware, um die es in dem im Ausgangsverfahren fraglichen Schreiben geht, ein Lebensmittel darstellt, das an den Endverbraucher abgegeben werden soll, und zum anderen die Mitteilung von Innova Vital der Werbung für diese Ware diente.
1. Zur Einstufung der streitigen Angaben gemäß der Verordnung Nr. 1924/2006
25. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens geltend machte, das streitgegenständliche Schreiben enthalte „gesundheitsbezogene Angaben“, die nach der Verordnung Nr. 1924/2006 verboten seien. Das Landgericht München I stellt diese Einstufung nicht in Frage, merkt jedoch an, dass sich seine Vorlagefrage gleichermaßen auf die „nährwertbezogenen“ und die „gesundheitsbezogenen“ Angaben im Sinne dieser Verordnung bezieht.
26. Die französische Regierung hat Zweifel an der Richtigkeit dieser Annahme. Die streitigen Angaben stellten weder nährwertbezogene noch gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1924/2006 dar und fielen daher nicht in deren Geltungsbereich. Sie gehörten vielmehr zu den Informationen über Lebensmittel, die diesen Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschrieben und deren Verwendung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 1169/2011/EU(9) grundsätzlich verboten sei. Dennoch müsse der Gerichtshof die Vorlagefrage beantworten(10), da die Unanwendbarkeit der Verordnung Nr. 1924/2006 im vorliegenden Fall nicht offensichtlich sei, denn sie hänge von der rechtlichen Einstufung der angefochtenen Angaben ab.
27. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Beurteilung und Einstufung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts in deren Auslegung durch den Gerichtshof allein Sache des nationalen Gerichts(11). Dieser Grundsatz wurde vom Gerichtshof im Besonderen hinsichtlich der Vorschriften der Verordnung Nr. 1924/2006 bereits angewandt(12). Ich bin jedoch wie die Kommission der Ansicht, dass die vorliegende Vorlagefrage nicht hypothetischer Art ist, da nach meinem Dafürhalten angesichts der oben genannten Umstände des Rechtsstreits die streitigen Feststellungen tatsächlich unter den Begriff „gesundheitsbezogene Angaben“ im Sinne dieser Verordnung gemäß seiner Auslegung in den Urteilen des Gerichtshofs(13) fallen.
2. Zum Zusammenspiel der Verordnung Nr. 1924/2006 mit der Richtlinie 2000/13
28. Die Kommission ist der Auffassung, es stelle sich die Frage, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens der Gebrauch der streitigen Angaben nicht bereits nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Abs. 3 der Richtlinie 2000/13 verboten sei, der einen allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck bringe, nach dem Informationen zu einem Lebensmittel, die u. a. in der Werbung enthalten seien, diesem keine vorbeugenden Eigenschaften hinsichtlich einer menschlichen Krankheit zuschreiben dürften(14).
29. In die gleiche Richtung zielt das Vorbringen der französischen Regierung, soweit sie darauf hinweist, dass derartige Angaben unter die den genannten Vorschriften der Richtlinie 2000/13 gleichbedeutenden Bestimmungen in Art. 7 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1169/2011 fallen könnten. Da diese Verordnung die Richtlinie 2000/13 mit Wirkung vom 13. Dezember 2014(15), also nach dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens(16), aufgehoben hat, ist sie jedoch im vorliegenden Fall aus zeitlichen Gründen nicht anwendbar.
30. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2000/13, die u. a. für die Lebensmittelwerbung gilt, neben der Verordnung Nr. 1924/2006 und nicht an deren Stelle gelten soll. Nach dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung sollten in dieser nämlich die allgemeinen Grundsätze der Richtlinie 2000/13 ergänzt(17) und spezielle Vorschriften für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, festgelegt werden. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1924/2006 behält grundsätzlich, vorbehaltlich der in der Verordnung vorgesehenen Ausnahmen, die Anwendung der Richtlinie 2000/13 vor. Insbesondere lässt Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 für die Verwendung von zwei bestimmten Arten gesundheitsbezogener Angaben, nämlich Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos und Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern, ausdrücklich eine Ausnahme von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2000/13 zu, sofern solche Angaben gemäß den in dieser Verordnung festgelegten strengen Bedingungen zugelassen worden sind.
31. Wie die Kommission selbst feststellt, ist der Umstand, dass die Richtlinie 2000/13 möglicherweise auf einen Rechtsstreit wie den des Ausgangsverfahrens anwendbar sein könnte, in keinem Fall mit der Prüfung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens unvereinbar, da die Verordnung Nr. 1924/2006 damit ergänzend und nicht alternativ zu dieser Richtlinie Anwendung findet. Darüber hinaus wird die Anwendung der Vorschriften der Verordnung im Ausgangsrechtsstreit vom vorlegenden Gericht, das allein in der Lage ist, die Erheblichkeit und die Notwendigkeit seiner Frage für die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu beurteilen(18), eindeutig in Betracht gezogen.
B – Zur Geltung der Verordnung Nr. 1924/2006 für kommerzielle Mitteilungen, die ausschließlich an Fachkreise versandt werden
32. Die in der vorliegenden Rechtssache gestellte Frage betrifft die mögliche Anwendung der Verordnung Nr. 1924/2006 bei nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben in kommerziellen Mitteilungen über Lebensmittel, die für den Endverbraucher bestimmt sind, soweit sich diese Mitteilungen nicht an den Endverbraucher, sondern ausschließlich an Fachkreise – im vorliegenden Fall medizinische Fachkreise(19) – richten. Der Gerichtshof ist mit einer solchen Auslegungsfrage auch noch nie befasst worden, deren praktische Auswirkungen indes beachtlich sind(20).
33. Die Parteien des Ausgangsverfahrens nehmen zur Anwendbarkeit dieser Verordnung in solchen Fällen gegensätzliche Standpunkte ein. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Vorlagefrage auch in der deutschsprachigen Rechtsliteratur unterschiedlich behandelt werde, wobei es die Eckpunkte dieser Diskussion in der Lehre eingehend darlegt.
34. In den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen ist nur Innova Vital der Ansicht, dass nur an Fachkreise versandte kommerzielle Mitteilungen nicht unter die Verordnung Nr. 1924/2006 fielen. Nach Auffassung der griechischen und der französischen Regierung sowie der Kommission umfasst der Geltungsbereich dieser Verordnung dagegen auch diese Fälle. Ich schließe mich letzterer Meinung an.
35. Die Bejahung der Vorlagefrage, die ich somit empfehle, wird durch verschiedene Erwägungen nicht nur zu einer wörtlichen, sondern auch zu einer teleologischen und systematischen Auslegung gestützt.
1. Zum Wortlaut der relevanten Vorschriften der Verordnung Nr. 1924/2006
36. Innova Vital macht unter Berufung auf die Erwägungsgründe 1, 8 bis 10, 15 und 28 sowie Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1924/2006 geltend, die Verordnung könne nicht für Werbung gegenüber Fachkreisen gelten, da diese Vorschriften auf den Verbraucher abstellten und Fachkreise darin an keiner Stelle erwähnt würden.
37. Die Verordnung enthält tatsächlich zahlreiche Hinweise auf die Verbraucher, wobei insbesondere zu bemerken ist, dass darin mehrfach als Bezugspunkt die Wahrnehmung der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben, die der „Durchschnittsverbraucher“ haben kann, verwendet wird(21).
38. Angesichts des Wortlauts von Art. 1 Abs. 2 und all der anderen Vorschriften der Verordnung Nr. 1924/2006 steht meines Erachtens jedoch nichts der Annahme entgegen, dass diese Verordnung sowohl kommerzielle Mitteilungen regelt, die sich unmittelbar an die Verbraucher richten, als auch Mitteilungen, die sich zwar ausschließlich an Fachkreise richten, mittelbar aber die Verbraucher, die das fragliche Lebensmittel erwerben können, erreichen wollen.
39. Der Gesetzgeber hat nämlich nicht nach dem Empfänger der Mitteilungen unterschieden, in denen die ernährungs- und gesundheitsbezogenen Angaben im Sinne dieser Verordnung enthalten sind. Die Anforderungen der Verordnung betreffen lediglich den Gegenstand und die Art dieser Mitteilungen. Diese müssen sich einerseits auf Lebensmittel beziehen, die an einen Endverbraucher abgegeben werden sollen(22), und andererseits kommerzielle Mitteilungen in Form der Etikettierung oder Aufmachung solcher Lebensmittel oder – wie im Ausgangsrechtsstreit – der Werbung dafür sein(23). Die Ware selbst muss daher für die Verbraucher bestimmt sein, nicht jedoch die Mitteilung, deren Gegenstand sie bildet(24).
40. Das Kriterium des kommerziellen Charakters stellt meines Erachtens, wie auch nach Ansicht der griechischen Regierung und der Kommission, einen wichtigen Aspekt für die Beantwortung der Vorlagefrage in der vorliegenden Rechtssache dar(25). Insoweit wird im vierten Erwägungsgrund der Verordnung eine klare Trennlinie zwischen den kommerziellen Mitteilungen, die unter diese Verordnung fallen, und den nicht kommerziellen Mitteilungen, für die sie nicht gilt, gezogen, wobei festgestellt wird, dass kommerzielle Mitteilungen zu „Werbeaussagen“ oder „Werbekampagnen“ dienen(26).
41. Zwar enthält die Verordnung Nr. 1924/2006 keine ausdrückliche Definition dieses Kriteriums, doch lässt sich, wie die Kommission ausführt, anderen Unionsrechtsakten entnehmen, dass mit einer kommerziellen Mitteilung allgemein auf eine Mitteilung verwiesen wird, die „unmittelbar“(27) oder auch „mittelbar“(28) der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen und so der Einflussnahme auf die Entscheidungen potenzieller Käufer dient. Ich möchte hervorheben, dass ein ähnlicher Ansatz auf internationaler Ebene in den „Leitlinien für die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben“ der Codex-Alimentarius-Kommission(29) verfolgt wurde, auf die im siebten Erwägungsgrund dieser Verordnung ausdrücklich verwiesen wird(30).
42. Der Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1924/2006 wird durch ihren Wortlaut nicht auf Mitteilungen beschränkt, deren unmittelbare Empfänger die Endverbraucher sind, denn die Frage, ob es sich um eine kommerzielle Mitteilung handelt, hängt nicht notwendigerweise von einer solchen Fallgestaltung ab. Unter Umständen, wie sie das vorlegende Gericht betrachtet, sind die Verbraucher nämlich, auch wenn sie die Mitteilung, die relevante Angaben im Sinne dieser Verordnung enthält, nicht selbst erhalten, tatsächlich von diesem kommerziellen Vorgehen mittelbar betroffen, da das fragliche Lebensmittel naturgemäß dazu bestimmt ist, an sie und nicht an die Fachkreise, die die Werbesendung erhalten haben, verkauft zu werden(31). In einem solchen Fall sind die Fachkreise bloße Mittler, mit denen ein Lebensmittelunternehmen gerade deshalb Kontakt aufnimmt, weil sie bei der Anpreisung der von ihm verkauften Ware behilflich sein können, indem sie die Übermittlung der kommerziellen Informationen über diese Ware an potenzielle Käufer besorgen oder ihnen sogar deren Erwerb empfehlen.
43. Die Fachkreise sind jedoch im Allgemeinen in der Lage, einen beachtlichen Einfluss auf die Verbraucher, die sich an sie wenden, auszuüben, und zwar erst recht, wenn es sich um medizinische Fachkreise handelt, denen die Patienten ein größeres Vertrauen schenken und eine hohe Glaubwürdigkeit bescheinigen. Bei einem Werbeschreiben wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen geht es gerade darum, dass die Ärzte, die es erhalten haben, ihren Patienten zur Einnahme des betroffenen Produkts raten. Es ist indes nicht sichergestellt, dass alle angesprochenen Fachkreise, bevor sie möglicherweise diesen Anstoß geben, gänzlich in der Lage sind, die Angaben in der kommerziellen Mitteilung zu überprüfen und sich notfalls darüber hinwegzusetzen(32).
44. Für die Anwendung der Verordnung Nr. 1924/2006 spielt es meines Erachtens keine Rolle, ob die Fachkreise den Verbrauchern das Schriftstück als solches oder nur seinen wesentlichen Inhalt übermitteln, da es nach meinem Dafürhalten darauf ankommt, dass – wie in der vorliegenden Rechtssache – die in diesem Schriftstück enthaltenen nährwert- und gesundheitserheblichen Angaben, die unter die Verordnung fallen, den Endverbrauchern – und sei es nur mittelbar – zur Kenntnis gebracht werden sollen(33).
2. Zu den Zielen der Verordnung Nr. 1924/2006
45. Die Auslegung, die ich dem Gerichtshof in Anbetracht des Wortlauts der relevanten Vorschriften der Verordnung Nr. 1924/2006 vorschlage, wird im Licht der Ziele dieser Verordnung bestätigt.
46. Die Verordnung verfolgt unstreitig das zweifache Ziel, „das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten“, was u. a. erfordert, „gleiche Wettbewerbsbedingungen [für die Aufwertung der Waren] zu schaffen“ sowie „dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau“ zu gewährleisten(34), indem sie diesem insbesondere ermöglicht, die Wahl der Nahrungsmittel sachkundig nach objektiven und fundierten Informationen zu treffen(35).
47. Zu diesem Zweck lässt sie die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben in kommerziellen Mitteilungen zu, da solche Informationen für die Verbraucher nützlich sein können, sofern sie aussagekräftig und wahrheitsgetreu sind(36), setzt ihr aber enge Grenzen. Was insbesondere die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben betrifft, unterliegt diese besonderen Beschränkungen, und die Verordnung erlaubt sie nur nach einer sowohl unabhängigen als auch einheitlichen wissenschaftlichen Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und nach Erteilung der Zulassung durch die Kommission(37).
48. Solche Ziele und Grundsätze setzen eine hinreichend weite Auslegung des Geltungsbereichs der Verordnung Nr. 1924/2006 voraus, um im Einklang mit der bisherigen Vorgehensweise des Gerichtshofs gegenüber Versuchen der Wirtschaftsteilnehmer der Lebensmittelindustrie zur Einschränkung der sachlichen Reichweite dieser Verordnung zu vermeiden, dass ihre Durchsetzung und Beachtung aufs Spiel gesetzt werden(38). Da der Verbraucher nicht ausdrücklich als einziger potenzieller Empfänger benannt wird, halte ich es im vorliegenden Fall für angemessen, anzunehmen, dass diese Verordnung auch für eine ausschließlich an Fachkreise gerichtete kommerzielle Mitteilung wie die im Ausgangsverfahren fragliche gilt, die die weiteren in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllt.
49. Die Fachkreise sind zwar grundsätzlich(39) umsichtiger und sachkundiger als der Durchschnittsverbraucher. Jedoch haben in der Praxis sowohl die Filterung der Informationen, die sie vornehmen, als auch der Schutz, den sie auf diese Weise für den Verbraucher darstellen können, ihre Grenzen, denn es lässt sich nicht ausschließen, dass sie selbst durch falsche oder irreführende, ja sogar unwahre Angaben in die Irre geleitet werden. Es ist ihnen nämlich, wie die griechische Regierung betont, faktisch nicht möglich, jederzeit über alle speziellen und aktuellen Kenntnisse zu verfügen, um jedes Lebensmittel und jegliche Art von damit verbundenen Angaben überprüfen zu können.
50. Ich pflichte der französischen Regierung bei, dass die konkreten Folgen der Annahme, wonach nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben der Verordnung Nr. 1924/2006 entzögen seien, wenn sie nur in kommerziellen Mitteilungen für Fachkreise enthalten sind, für den Verbraucher paradoxerweise noch schwerer wögen und nachteiliger wären, als wenn die Werbung unmittelbar an ihn gerichtet ist. Er wird nämlich im Allgemeinen der Meinung der Fachkreise, die ihm in gutem Glauben zu der betreffenden Ware raten, vertrauen und vielleicht sogar weniger überlegen und weniger zögern, als wenn er seine eigene Beurteilung als Laie vornehmen müsste. In der der Vorlagefrage zugrunde liegenden Fallgestaltung ist der Schutz des Verbrauchers gegenüber falschen Angaben daher ebenso notwendig oder sogar noch notwendiger als in den Fällen, in denen dieser die Werbung selbst erhält und seine Lebensmittelwahl allein trifft.
51. Wollte man diese Art von Mitteilungen vom Geltungsbereich der Verordnung ausschließen, würde diese zudem einen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit verlieren, insbesondere soweit das Fehlen einer von der EFSA im Vorfeld vorgenommenen Beurteilung die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben ermöglichte, die nicht auf wissenschaftlichen Beweisen beruhten. Praktisch könnten Unternehmen der Lebensmittelbranche mittels der Option, ihre Angaben mit Hilfe der Fachkreise unter die Verbraucher zu bringen, die strengen Anforderungen der Verordnung Nr. 1924/2006 leicht umgehen. In jedem Fall bestünde bei einer solchen Auslegung die Gefahr, das gute Funktionieren des Binnenmarkts zu beeinträchtigen und das Niveau des Schutzes der von dieser Verordnung betroffenen Verbraucher zu senken.
52. Die von mir befürwortete teleologische Auslegung lässt sich meines Erachtens nicht durch die Einwände von Innova Vital in Frage stellen, die sich – wie sich aus den Ausführungen in deren Erklärungen sowie aus der Vorlageentscheidung ergibt – auf die von einem Teil der deutschen Rechtslehre vertretene Auffassung stützt.
53. Als Erstes beruft sich Innova Vital darauf, dass das zwingende System der Verordnung Nr. 1924/2006 mit den Kenntnissen der Experten, aus denen sich die Fachkreise zusammensetzten, nicht zu vereinbaren sei. Würden an Fachkreise gerichtete kommerzielle Mitteilungen in den Geltungsbereich der Verordnung einbezogen, wäre nach ihrem Dafürhalten die Verwendung einer technischen oder wissenschaftlichen Terminologie bei nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung(40) verboten, da solche Begriffe von einem „Durchschnittsverbraucher“ nicht verstanden werden könnten, während sie den Fachleuten, an die sich die Werbung richtete, bekannt seien.
54. Dieses Argument geht jedoch meines Erachtens ins Leere, denn in einem Fall wie dem des Ausgangsrechtsstreits dient das Werbeschreiben nicht dazu, als solches dem Verbraucher vorgelegt, sondern den Fachkreisen übermittelt zu werden, die stillschweigend aufgefordert werden, diesem zu erläutern, inwieweit die betroffene Ware für ihn interessant ist(41). Das richtige Verständnis der in der kommerziellen Mitteilung enthaltenen Angaben, wie es Art. 5 Abs. 2 der Verordnung verlangt, erfolgt in diesem Fall über Fachkreise, die die Aufgabe haben, diese Informationen, erforderlichenfalls umformuliert, an die Laien zu übermitteln.
55. Als Zweites beruft sich Innova Vital auf eine schädliche Auswirkung der Regelung der Verordnung Nr. 1924/2006 auf Mitteilungen zwischen Fachkreisen, obwohl diese eine andere Erwartungshaltung als die Verbraucher aufwiesen, insbesondere soweit Informationen über neue wissenschaftliche Entwicklungen betroffen seien(42).
56. Wenn der Gerichtshof die Geltung der Vorschriften der Verordnung Nr. 1924/2006 in einem Rahmen wie dem des Ausgangsrechtsstreits bejaht, könnten zwar Mitteilungen zwischen Fachkreisen beeinträchtigt oder sogar beschränkt werden. Damit die in dieser Verordnung vorgesehene Regelung zur Beschränkung ernährungs- und gesundheitsbezogener Angaben eingreifen kann, dürfen die betroffenen Mitteilungen grundsätzlich jedoch nicht nur auf die Weitergabe rein technischer Informationen gerichtet sein, sondern müssen gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung die Verbreitung „kommerzieller“ Angaben zum Ziel haben. Ich weise darauf hin, dass der vierte Erwägungsgrund der Verordnung darüber hinaus ausdrücklich deren Anwendung auf „[nicht kommerzielle] Informationen … in wissenschaftlichen Veröffentlichungen“ ausschließt. In einem Zusammenhang mit kommerzieller Anwerbung und daher nicht neutralen Auskünften erscheint es mir normal, dass das legitime Ziel, den Verbraucher gegen falsche Angaben zu schützen, gegenüber dem Bestreben Vorrang genießt, die Übermittlung von Informationen unter Fachleuten zuzulassen.
57. Daher bin ich der Meinung, dass Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1924/2006 dahin auszulegen ist, dass diese Verordnung gelten soll, wenn ernährungs- oder gesundheitsbezogene Angaben in kommerziellen Mitteilungen enthalten sind, die zwar ausschließlich an Fachkreise gerichtet sind, in der Praxis aber mittelbar den Endverbraucher erreichen sollen, an den die Lebensmittel, die Gegenstand dieser Mitteilungen sind, naturgemäß als solche abgegeben werden.
V – Ergebnis
58. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefrage des Landgerichts München I wie folgt zu antworten:
Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel ist dahin auszulegen, dass die Vorschriften dieser Verordnung für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel gelten, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, wenn diese Angaben in kommerziellen Mitteilungen gemacht werden, die sich ausschließlich an Fachkreise richten, aber mittelbar über diese den Verbraucher erreichen sollen.