Language of document : ECLI:EU:T:2016:340

Rechtssache T‑276/13

Growth Energy

und

Renewable Fuels Association

gegen

Rat der Europäischen Union

„Dumping – Einfuhren von Bioethanol mit Ursprung in den Vereinigten Staaten – Endgültiger Antidumpingzoll – Nichtigkeitsklage – Vereinigung – Keine unmittelbare Betroffenheit der Mitglieder – Unzulässigkeit – Landesweiter Antidumpingzoll – Individuelle Behandlung – Stichprobenverfahren – Verteidigungsrechte – Nichtdiskriminierung – Sorgfaltspflicht“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 9. Juni 2016

1.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Klage einer berufsständischen Vereinigung, die die Interessen ihrer Mitglieder verteidigt und vertritt – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Parallel dazu eingereichte Klage eines Mitglieds – Unzulässigkeit der Klage der Vereinigung

(Art. 263 Abs. 4 AEUV)

2.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Klage einer berufsständischen Vereinigung, die die Interessen ihrer Mitglieder verteidigt und vertritt – Klage, die als Vertreter nicht stimmberechtigter Mitglieder eingereicht wurde – Unzulässigkeit

(Art. 263 Abs. 4 AEUV)

3.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen – Unterschiedliche Zölle für verschiedene Unternehmen – Zulässigkeit für jedes Unternehmen auf die Bestimmungen beschränkt, die es spezifisch betreffen

(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Verordnung Nr. 157/2013 des Rates)

4.      Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Wirkungen – Klage einer berufsständischen Vereinigung, die die Interessen ihrer Mitglieder verteidigt und vertritt – Wirkungen der Nichtigerklärung gegenüber ihren Mitgliedern – Umfang

(Art. 263 Abs. 4 AEUV)

5.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Klage einer berufsständischen Vereinigung, die die Interessen ihrer Mitglieder verteidigt und vertritt – Individuell erhobene Klage – Klage zur Wahrung der Verfahrensrechte der Vereinigung – Zulässigkeit

(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 6 Abs. 7, 19 Abs. 1 und 2 sowie 20 Abs. 2, 4 und 5)

6.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Unmittelbare Betroffenheit – Kriterien – Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen – Unmittelbare Betroffenheit der Hersteller, die mit einem Antidumpingzoll belegte Waren nicht ausführten

(Art. 263 Abs. 4 AEUV)

7.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Individuelle Betroffenheit – Kriterien – Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen – Individuelle Betroffenheit der Hersteller, die mit einem Antidumpingzoll belegte Waren nicht ausführten

(Art. 263 Abs. 4 AEUV)

8.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Verfügbarkeit anderer Rechtsbehelfe – Keine Auswirkung

(Art. 263 Abs. 4 AEUV)

9.      Gerichtliches Verfahren – Streithilfe – Vom Beklagten nicht erhobene Einrede der Unzulässigkeit – Unzulässigkeit – Fehlen unverzichtbarer Prozessvoraussetzungen – Gerichtliche Prüfung von Amts wegen

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 40 Abs. 4; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 142 Abs. 3)

10.    Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Rechtsschutzinteresse – Erfordernis eines bestehenden und gegenwärtigen Interesses – Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen – Rechtsschutzinteresse einer berufsständischen Vereinigung, die die Interessen ihrer Mitglieder verteidigt und vertritt

(Art. 263 Abs. 4 AEUV)

11.    Völkerrechtliche Verträge – Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation – GATT 1994 – Unmöglichkeit, sich auf die WTO‑Übereinkommen zu berufen, um die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts in Frage zu stellen – Ausnahmen – Unionsrechtsakt, mit dem ihre Umsetzung sichergestellt werden soll oder der ausdrücklich und speziell auf sie verweist

(Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll‑ und Handelsabkommens, „Antidumpingübereinkommen von 1994“, Art. 6.10 und 9.2; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 9 Abs. 5)

12.    Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Festsetzung der Antidumpingzölle – Verpflichtung zur Festsetzung individueller Zölle für jeden einzelnen Lieferanten – Umfang – Auslegung im Licht des GATT‑Antidumping‑Übereinkommens von 1994 – Festsetzung individueller Zölle gegenüber in die Stichprobe einbezogenen Ausführern oder Herstellern, die an der Untersuchung mitgewirkt haben

(Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll‑ und Handelsabkommens, „Antidumpingübereinkommen von 1994“, Art. 6.10 und 9.2; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 9 Abs. 5 und 17 Abs. 1 und 3)

13.    Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Durchführung der Untersuchung – Stichprobenauswahl – Änderung der Zusammensetzung einer Stichprobe – Ermessen der Kommission

(Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 17)

14.    Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Festsetzung der Antidumpingzölle – Verpflichtung zur Festsetzung individueller Zölle für jeden einzelnen Lieferanten – Ausnahmen – Auslegung im Licht des GATT‑Antidumping‑Übereinkommens von 1994 – Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines individuellen Ausfuhrpreises für einen in die Stichprobe einbezogenen Hersteller, der an der Untersuchung mitgewirkt hat – Ausschluss

(Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll‑ und Handelsabkommens, „Antidumpingübereinkommen von 1994“, Art. 6.10 und 9.2; Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 9 Abs. 5)

15.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Verteidigungsrechte – Wahrung im Rahmen von Verwaltungsverfahren – Antidumpingverfahren – Verstoß – Voraussetzungen – Möglichkeit für das betreffende Unternehmen, sich besser zu verteidigen, wenn keine Verfahrensunregelmäßigkeit vorliegt

16.    Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen – Verpflichtung des Organs, die Gründe für die Entwicklung ihres Standpunkts während des Verwaltungsverfahrens zu erläutern – Fehlen

(Art. 296 AEUV)

17.    Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Ermittlung des Streitgegenstands – Klare und genaue Darstellung der geltend gemachten Klagegründe

(Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 44 § 1 Buchst. c)

18.    Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Antidumpingverfahren – Recht auf Zugang zu den nicht vertraulichen Verfahrensunterlagen – Verstoß – Nichtigerklärung der angefochtenen Antidumping‑Verordnung – Voraussetzung – Möglichkeit, dass das Verwaltungsverfahren ohne den genannten Verstoß für das betreffende Unternehmen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre

(Verordnung Nr. 1225/2009 des Rates, Art. 6 Abs. 7)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 45, 49-51)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 52-55)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 58, 59)

4.      Die Wirkungen der Nichtigerklärung einer Verordnung können sich nur insoweit auf alle Mitglieder eines Berufsverbands, der die Interessen seiner Mitglieder verteidigt und vertritt sowie Nichtigkeitsklage erhoben hat, erstrecken, als Klagen dieser Mitglieder selbst zulässig gewesen wären.

Andernfalls könnte ein Berufsverband sich nämlich auf die Klagebefugnis einiger seiner Mitglieder berufen, um die Nichtigerklärung einer Verordnung zugunsten aller seiner Mitglieder zu erwirken, einschließlich derjenigen, die – für sich genommen – die Voraussetzungen des Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht erfüllen. Das liefe auf eine Umgehung der Bestimmungen über die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Nichtigkeitsklagen hinaus.

(vgl. Rn. 60, 61)

5.      Da die Antidumping‑Grundverordnung Nr. 1225/2009 den Personen, die an dem Verfahren beteiligt waren, das zum Erlass einer Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen geführt hat, Verfahrensgarantien einräumt, ist den Verbänden, die die Interessen der von einer solchen Verordnung betroffenen Industrie vertreten und am Antidumpingverfahren beteiligt waren, als Beteiligten des Verfahrens die Klagebefugnis für Nichtigkeitsklagen gegen diese Verordnung zuzuerkennen, weil sie unmittelbar und individuell betroffen sind, soweit sich ihre Nichtigkeitsklagen auf die Wahrung ihrer Verfahrensrechte richten.

Der Umstand, dass eine Person in irgendeiner Weise an dem Verfahren beteiligt ist, das zum Erlass eines Unionsrechtsakts führt, ist nur dann geeignet, diese Person hinsichtlich des fraglichen Rechtsakts zu individualisieren, wenn das anwendbare Unionsrecht ihr bestimmte Verfahrensgarantien einräumt.

(vgl. Rn. 81, 82, 87)

6.      Die Hersteller einer mit einem Antidumpingzoll belegten Ware, die nicht an deren Ausfuhr in die Union beteiligt sind, sind durch die Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls im Sinne des Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen, wenn beträchtliche Mengen der von den genannten Herstellern stammenden Ware während des Untersuchungszeitraums regelmäßig in die Union ausgeführt wurden.

Denn die Zulässigkeit einer Klage gegen eine Verordnung, mit der ein Antidumpingzoll eingeführt wird, hängt nicht von der Hersteller‑ oder Ausführereigenschaft des Klägers ab. Da die Antidumpingzölle an die ausgeführten Waren anknüpfen, kann ein Hersteller auch dann, wenn er nicht Ausführer dieser Waren ist, durch die Erhebung von Antidumpingzöllen auf ihre Einfuhr in die Union spürbar beeinträchtigt werden.

Selbst wenn die Ausführer den Antidumpingzoll trügen und sich herausstellte, dass die Handelskette der betroffenen Ware unterbrochen ist, so dass sie den Antidumpingzoll nicht auf die Hersteller abwälzen können, verändert die Einführung eines Antidumpingzolls die rechtlichen Bedingungen, unter denen die genannte Ware auf dem Markt der Union vertrieben wird. Daher wird die rechtliche Stellung der Hersteller der genannten Ware auf dem Markt der Union in jedem Fall unmittelbar und spürbar beeinträchtigt.

In diesem Rahmen hat die Struktur der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern innerhalb der Handelskette der betroffenen Ware keinen Einfluss auf die Frage, ob ein Hersteller der genannten Ware von der Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls unmittelbar betroffen ist. Dass ein Hersteller genau weiß, welche von ihm hergestellten Waren in die Union ausgeführt werden, ist außerdem für die Frage, ob er von der Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls unmittelbar betroffen ist, auch ohne Bedeutung.

(vgl. Rn. 97, 104, 108, 110, 114, 116, 117)

7.      Die Hersteller einer mit einem Antidumpingzoll belegten Ware, die nicht an deren Ausfuhr in die Union beteiligt sind, sind durch eine Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls im Sinne des Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen, sofern sie erstens nachweisen können, dass sie in den Rechtsakten der Kommission oder des Rates namentlich genannt oder von den vorhergehenden Untersuchungen betroffen waren, und zweitens ihre Marktstellung durch den Antidumpingzoll, der Gegenstand der genannten Verordnung ist, spürbar beeinträchtigt wird.

Die Frage, wer genau das fragliche Dumping praktiziert hat, ist für die Prüfung, ob die Hersteller von einer Verordnung zur Einführung eines landesweiten Antidumpingzolls auf die Einfuhr der genannten Ware in die Union individuell betroffen sind, ohne Belang. Die betroffenen Hersteller tragen die Folgen der Zurechnung der Dumpingpraktiken nämlich auch dann, wenn diese ihnen selbst nicht zugerechnet werden.

Es stellt keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung der individuellen Betroffenheit des Unternehmens, dessen Klagebefugnis geprüft wird, dar, dass ihm die Dumpingpraktiken zugerechnet werden. Wenn einem Hersteller oder Ausführer die Dumpingpraxis zugerechnet wird, ist dies zwar ein Kriterium, das diesen individualisieren kann, stellt aber für diese Wirtschaftsteilnehmer keine Voraussetzung dar.

Außerdem kann die Entscheidung der Organe, die von den betroffenen Herstellern gemachten Angaben nicht zur Berechnung einer für sie geltenden individuellen Dumpingspanne zu verwenden, die Zulässigkeit einer von diesen Herstellern erhobenen Klage nicht ausschließen.

(vgl. Rn. 122, 134, 135, 139)

8.      Bei der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV ist die Frage, ob dem Kläger andere Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, um seine Rechte geltend zu machen, für die Prüfung der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit durch die angefochtene Handlung irrelevant.

(vgl. Rn. 147)

9.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 157)

10.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 158-160)

11.    Wegen ihrer Natur und ihrer Struktur gehören die Übereinkünfte der Welthandelsorganisation (WTO), zu denen das Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll‑ und Handelsabkommens 1994 (Antidumpingübereinkommen) zählt, grundsätzlich nicht zu den Normen, an denen der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Unionsorgane misst. Nur wenn die Union eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung erfüllen wollte oder wenn die Unionshandlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO‑Übereinkünfte verweist, ist es Sache des Unionsrichters, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Unionshandlung an den WTO‑Regeln zu messen.

Zur Umsetzung des WTO‑Antidumpingübereinkommens in Unionsrecht geht aus dem Erlass der Verordnung Nr. 765/2012 zur Änderung der Antidumping‑Grundverordnung selbst hervor, dass der Unionsgesetzgeber der Ansicht ist, dass die Union mit Art. 9 Abs. 5 der Antidumping‑Grundverordnung Nr. 1225/2009 eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung erfüllen wollte, die sich im vorliegenden Fall aus den Art. 6.10 und 9.2 des WTO‑Antidumpingübereinkommens ergibt.

Da es ferner der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Verordnung Nr. 765/2012 zur Umsetzung der Empfehlungen und Entscheidungen des Streitbeilegungsgremiums der WTO nicht für erforderlich hielt, den Ausdruck „Einfuhren der Ware gleich welcher Herkunft …, sofern festgestellt wurde, dass sie gedumpt sind und eine Schädigung verursachen“ sowie die Ausdrücke „Lieferanten“ und „nicht praktikabel“ in Art. 9 Abs. 5 der Antidumping‑Grundverordnung zu ändern, ist festzustellen, dass die genannten Ausdrücke im Einklang mit den Art. 6.10 und 9.2 des WTO-Antidumpingübereinkommens auszulegen sind.

(vgl. Rn. 175, 177, 178, 180, 183, 184)

12.    Art. 9 Abs. 5 der Antidumping‑Grundverordnung Nr. 1225/2009 sowie Art. 9.2 des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll‑ und Handelsabkommens 1994 (Antidumpingübereinkommen) bestimmen, dass grundsätzlich für jeden einzelnen Lieferanten ein individueller Antidumpingzoll auf die Einfuhren einer Ware gleich welcher Herkunft einzuführen ist, sofern festgestellt wurde, dass sie gedumpt sind und eine Schädigung verursachen. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der nicht als „Lieferant“ anzusehen ist, nicht verlangen kann, dass für ihn ein individueller Antidumpingzoll festgelegt wird.

Nach dem Recht der Welthandelsorganisation (WTO) erfüllt jeder Ausführer oder Hersteller, der in die Stichprobe einbezogen wurde und somit während der gesamten Untersuchung mit der untersuchenden Behörde kooperiert hat, die Voraussetzungen, um als Lieferant im Sinne von Art. 9.2 des WTO‑Antidumpingübereinkommens angesehen zu werden.

Hinsichtlich der Bestimmungen der Antidumping‑Grundverordnung ist festzustellen, dass Art. 9 Abs. 5 dieser Verordnung im Einklang mit den Bestimmungen des WTO‑Antidumpingübereinkommens auszulegen ist. Außerdem folgt auch aus Art. 17 Abs. 1 und 3 der Antidumping‑Grundverordnung, ausgelegt im Einklang mit dem WTO‑Recht, dass ein Anspruch auf die Berechnung einer individuellen Spanne – wenn diesen selbst die Hersteller haben, die in die ursprüngliche Stichprobe nicht einbezogen waren – erst recht den Herstellern zusteht, die in diese Stichprobe einbezogen waren. Nach Art. 9 Abs. 6 letzter Satz der Antidumping‑Grundverordnung werden auf Einfuhren von Ausführern oder Herstellern, denen gemäß Art. 17 dieser Verordnung eine individuelle Behandlung gewährt wird, individuelle Zölle angewandt.

Daraus folgt, dass nach den Bestimmungen der Antidumping‑Grundverordnung jeder Ausführer oder Hersteller, der in die unter den Lieferanten der gedumpten Ware gebildete Stichprobe einbezogen wurde und somit während der gesamten Untersuchung mit den Organen kooperiert hat, die Voraussetzungen erfüllt, um als Lieferant im Sinne von Art. 9 Abs. 5 dieser Verordnung angesehen zu werden.

(vgl. Rn. 187, 192-194)

13.    Wenn die Kommission im Rahmen einer Dumpinguntersuchung beschließt, ein Stichprobenverfahren durchzuführen, besteht der Zweck der Bildung einer Stichprobe, die ausführende Hersteller umfasst, darin, im Rahmen einer eingeschränkten Untersuchung den Preisdruck, der auf der Unionsindustrie lastet, möglichst exakt zu ermitteln. Somit ist die Kommission befugt, die Zusammensetzung einer Stichprobe entsprechend den Erfordernissen der Untersuchung jederzeit zu ändern. Keine Bestimmung des Antidumpingübereinkommens der Welthandelsorganisation (WTO) oder der Antidumping‑Grundverordnung Nr. 1225/2009 verpflichtet die Organe nämlich, die ursprünglich in die Stichprobe einbezogenen Hersteller in der unter den Lieferanten der gedumpten Ware gebildeten Stichprobe zu belassen, wenn die Organe der Auffassung sind, dass diese nicht als Lieferanten anzusehen sind oder nicht die Bezugsquellen für die Einfuhr von Waren sind, die gedumpt sind und eine Schädigung verursachen.

Bezüglich der Frage, ob ein Wirtschaftsteilnehmer in einer Stichprobe zu belassen ist, verfügt die Kommission wegen der Komplexität der von ihr zu prüfenden wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Sachverhalte über ein weites Ermessen.

(vgl. Rn. 195)

14.    Der in Art. 9 Abs. 5 der Antidumping‑Grundverordnung Nr. 1225/2009 verwendete Ausdruck „nicht praktikabel“ ist in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Ausdruck in den Art. 6.10 und 9.2 des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll‑ und Handelsabkommens 1994 (Antidumpingübereinkommen) auszulegen.

Wenn die Behörde eine Stichprobe bildet, lässt der in Art. 9 Abs. 5 der Antidumping‑Grundverordnung verwendete Ausdruck „nicht praktikabel“ grundsätzlich zwei Ausnahmen von der Regel zu, dass für die Wirtschaftsteilnehmer, die an der Untersuchung mitgewirkt haben, individuelle Dumpingspannen festzulegen und individuelle Antidumpingzölle einzuführen sind, nämlich erstens im Fall nicht in die Stichprobe einbezogener Hersteller oder Ausführer mit Ausnahme derer, für die Art. 17 Abs. 3 der Antidumping‑Grundverordnung eine individuelle Dumpingspanne vorsieht, und zweitens im Fall von Marktteilnehmern, die eine Einheit darstellen. Mit anderen Worten: Sofern die Organe eine Stichprobe gebildet haben, ist eine Ausnahme von der Festsetzung individueller Dumpingspannen und der Einführung individueller Antidumpingzölle nur hinsichtlich der Unternehmen möglich, die nicht in die Stichprobe einbezogen sind und auch sonst keinen Anspruch auf Gewährung eines individuellen Antidumpingzolls haben. Insbesondere lässt Art. 9 Abs. 5 der Antidumping‑Grundverordnung eine Ausnahme von der Verpflichtung, einem in die Stichprobe einbezogenen Hersteller, der an der Untersuchung mitgewirkt hat, einen individuellen Antidumpingzoll zu gewähren, nicht zu, wenn die Organe sich nicht in der Lage sehen, für diesen Hersteller einen individuellen Ausfuhrpreis zu ermitteln.

Somit ergibt sich aus Art. 9 Abs. 5 der Antidumping‑Grundverordnung, dass die Organe immer dann, wenn Hersteller und/oder Ausführer in eine Stichprobe einbezogen sind, die von jedem einzelnen Lieferanten zu entrichtenden Antidumpingzölle festzulegen haben.

(vgl. Rn. 232, 233)

15.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 250-252, 269, 278, 296, 307, 338)

16.    Da eine Verordnung zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle in den systematischen Rahmen einer Gesamtheit von Maßnahmen fällt, kann nicht verlangt werden, dass ihre Begründung die – manchmal sehr zahlreichen und komplexen – einzelnen tatsächlichen und rechtlichen Elemente spezifiziert, die Gegenstand dieser Verordnung sind, und dass die Organe auf alle Argumente eingehen, die von den Betroffenen vorgebracht wurden. Es genügt stattdessen, wenn der Urheber des Rechtsakts den Sachverhalt und die rechtlichen Erwägungen darlegt, die für die Systematik der angefochtenen Verordnung von wesentlicher Bedeutung sind.

Die Begründungspflicht im Rahmen von Antidumpingmaßnahmen verpflichtet die Organe nicht, zu erläutern, inwiefern ein in einem bestimmten Abschnitt des Antidumpingverfahrens ins Auge gefasster Standpunkt möglicherweise unbegründet war.

(vgl. Rn. 253, 289)

17.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 254, 265, 266, 281, 335)

18.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 314-320, 327)