Language of document : ECLI:EU:T:2010:381

BESCHLUSS DES GERICHTS (Sechste Kammer)

9. September 2010(*)

„Staatliche Beihilfen – In den deutschen Rechtsvorschriften vorgesehene Subvention für insolvente Unternehmen – Beschwerde, mit der ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht geltend gemacht wird – Zurückweisung der Beschwerde – Späterer Erlass einer Entscheidung – Erledigung “

In der Rechtssache T‑120/09

Phoenix-Reisen GmbH mit Sitz in Bonn (Deutschland),

Deutscher Reiseverband e. V. (DRV) mit Sitz in Berlin (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Gerharz und A. Funke,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn und B. Martenczuk als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch:

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller und B. Klein als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung des Schreibens der Kommission vom 13. Februar 2009, in dem sie mitteilt, nicht gegen angebliche staatliche Beihilfen durch Insolvenzgeldzahlungen in der Bundesrepublik Deutschland einschreiten zu wollen,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. W. H. Meij (Berichterstatter) sowie der Richter V. Vadapalas und L. Truchot,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Mit Schreiben vom 6. März 2007 und 4. April 2007 erhoben die Kläger, die Phoenix-Reisen GmbH und der Deutsche Reiseverband e. V. (DRV), vor der Europäischen Kommission Beschwerde wegen mutmaßlicher staatlicher Beihilfen, die von der Bundesrepublik Deutschland durch Insolvenzgeldzahlungen an Arbeitnehmer insolvent gewordener Unternehmen gewährt worden seien.

2        Mit Schreiben vom 4. Mai 2007 teilte die Kommission den Klägern als Ergebnis ihrer Prüfung der mit der Beschwerde beanstandeten Maßnahmen mit, dass diese keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten. In diesem Schreiben setzte die Kommission den Klägern eine Frist von fünfzehn Tagen zur Vorlage neuer Beweismittel, um das Vorliegen staatlicher Beihilfen nachzuweisen, und wies sie darauf hin, dass sie die Angelegenheit andernfalls nicht weiter verfolgen werde.

3        Nach einer Verlängerung der von der Kommission gesetzten Frist übersandten die Kläger der Kommission mit Schreiben vom 8. Januar 2009 ihre Stellungnahme.

4        Mit von einem Referatsleiter der Generaldirektion Wettbewerb unterzeichnetem Schreiben vom 13. Februar 2009 übermittelte die Kommission den Klägern das Ergebnis ihrer Prüfung der mit der Beschwerde beanstandeten Maßnahmen und stellte fest, dass diese Maßnahmen keine Elemente staatlicher Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG enthielten (im Folgenden: Schreiben vom 13. Februar 2009). Im Wesentlichen war die Kommission der Auffassung, die Insolvenzgeldzahlungen seien in Anwendung der Richtlinie 80/987/EWG vom 20. Oktober 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23) gewährt worden, so dass sie keine der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnende finanzielle Intervention darstellten. Außerdem hätten diese Maßnahmen wegen ihres allgemeinen Charakters nicht zu einer Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige geführt. Aus der Stellungnahme der Kläger vom 8. Januar 2009 schließlich ergäben sich keine neuen Elemente, die das Vorliegen staatlicher Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG hätten nachweisen können.

5        Mit Schreiben vom 21. August 2009 forderten die Kläger die Kommission auf, über die mit ihrer Beschwerde beanstandeten Maßnahmen eine Entscheidung gemäß Art. 20 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1) zu erlassen.

6        Am 19. November 2009 erließ die Kommission die Entscheidung K(2009) 8707 endg. (im Folgenden: Entscheidung vom 19. November 2009), mit der sie feststellte, dass die Insolvenzgeldzahlungen keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten.

7        Am 11. Februar 2010 erhoben die Kläger gegen die Entscheidung vom 19. November 2009 Nichtigkeitsklage (Rechtssache T‑58/10).

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

8        Mit Klageschrift, die am 27. März 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

9        Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Schriftsatz, der am 7. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission in der vorliegenden Rechtssache beantragt.

10      Mit Beschluss vom 11. Februar 2010 hat der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts die Bundesrepublik Deutschland als Streithelferin zugelassen.

11      Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Schriftsatz, der am 8. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Stellung genommen.

12      Die Kläger beantragen,

–        das Schreiben vom 13. Februar 2009 für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die Nichtigkeitsklage in eine Untätigkeitsklage umzudeuten.

13      Die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen, da das Schreiben vom 13. Februar 2009 keinen anfechtbaren Rechtsakt im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG darstellte,

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen,

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

14      Mit Schriftsatz in der Rechtssache T‑58/10, der am 11. Februar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die Verbindung der Rechtssache T‑58/10 mit der vorliegenden Rechtssache beantragt.

15      Mit Schriftsatz, der am 27. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission zu dem Antrag auf Verbindung Stellung genommen. Sie hat mit diesem Schriftsatz zudem beantragt, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Zur Begründung dieses Antrags führt sie im Wesentlichen aus, das Schreiben vom 13. Februar 2009 sei durch die Entscheidung vom 19. November 2009 ersetzt worden, so dass die Kläger kein Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung dieses Schreibens mehr hätten. Außerdem beantragt die Kommission, den Klägern die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

16      Mit Schriftsatz, der am 31. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger ihre Stellungnahme zum Antrag auf Verbindung übermittelt, ohne sich indes zum Erledigungsantrag zu äußern.

17      Mit Schriftsatz, der am 1. Juli 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland zum Erledigungsantrag Stellung genommen.

 Rechtliche Würdigung

18      Nach Art. 113 der Verfahrensordnung kann das Gericht jederzeit von Amts wegen nach Anhörung der Parteien feststellen, dass die Klage gegenstandslos geworden und die Hauptsache erledigt ist.

19      Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, auf der Grundlage des Akteninhalts zu entscheiden, und beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

20      Gegenstand der vorliegenden Klage ist ein Antrag auf Nichtigerklärung des Schreibens vom 13. Februar 2009, mit dem die Kommission im Wesentlichen festgestellt hat, dass die mit der Beschwerde der Kläger beanstandeten Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten.

21      Nach Erhebung der vorliegenden Klage hat die Kommission jedoch die Entscheidung vom 19. November 2009 erlassen, mit der sie festgestellt hat, dass die Insolvenzgeldzahlungen keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten.

22      Es ist festzustellen, dass die Kommission mit dem Erlass der Entscheidung vom 19. November 2009 das Schreiben vom 13. Februar 2009 stillschweigend zurückgenommen hat, soweit es die Beurteilung der mit der Beschwerde der Kläger beanstandeten Maßnahmen betrifft.

23      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Rücknahme des Schreibens vom 13. Februar 2009 – unterstellt, es handele sich um einen anfechtbaren Rechtsakt – dieselben rechtlichen Wirkungen hat wie ein Nichtigkeitsurteil, unbeschadet des Rechts der Kläger, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 19. November 2009 gegebenenfalls im Rahmen einer gesonderten Klage in Frage zu stellen. Ein Urteil, mit dem der angefochtene, inzwischen zurückgenommene Rechtsakt für nichtig erklärt würde, zöge nämlich über die Rechtsfolgen der erfolgten Rücknahme keine zusätzliche Rechtsfolge nach sich (Beschluss des Gerichts vom 6. Dezember 1999, Elder/Kommission, T‑178/99, Slg. 1999, II‑3509, Randnr. 20). Außerdem ist festzustellen, dass die Kläger in der Rechtssache T‑58/10 eine Klage gemäß Art. 230 EG gegen die Entscheidung vom 19. November 2009 erhoben haben.

24      Die Kläger haben damit kein Interesse mehr an der Nichtigerklärung des Schreibens vom 13. Februar 2009 (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Gerichts vom 28. Mai 1997, Proderec/Kommission, T‑145/95, Slg. 1997, II‑823, Randnr. 27, und Elder/Kommission, Randnr. 21).

25      Hieraus folgt, dass die vorliegende gegen das Schreiben vom 13. Februar 2009 gerichtete Klage gegenstandslos geworden ist.

26      Unter diesen Umständen sind die vorliegende Klage und der Antrag auf Verbindung dieser Rechtssache mit der Rechtssache T‑58/10 erledigt.

27      Was den von den Klägern gestellten Hilfsantrag angeht, ist zu dem an die Kommission gerichteten Vorwurf der Untätigkeit, weil sie wegen der Insolvenzgeldzahlungen nicht gegen die Bundesrepublik Deutschland vorgegangen sei, festzustellen, dass die Kommission mit ihrer Entscheidung vom 19. November 2009 im Sinne von Art. 232 EG Stellung genommen hat.

28      Somit ist der Antrag auf Umdeutung der Nichtigkeitsklage in eine Untätigkeitsklage erledigt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 3. Juni 1999, TF1/Kommission, T‑17/96, Slg. 1999, II‑1757, Randnrn. 95 und 103).

 Kosten

29      Die Kläger haben in ihrer Klageschrift nicht beantragt, der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Das Gericht entscheidet jedoch nach Art. 87 § 6 der Verfahrensordnung, wenn es die Hauptsache für erledigt erklärt, über die Kosten nach freiem Ermessen.

30      Hierzu ist festzustellen, dass sich die Erledigung aus dem Erlass der Entscheidung vom 19. November 2009 durch die Kommission ergibt.

31      Allerdings hat die Kommission diese Entscheidung erlassen, nachdem sie von den Klägern in deren an sie gerichtetem Schreiben vom 21. August 2009 hierzu aufgefordert worden war.

32      Unter diesen Umständen trägt jede Partei ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit der vorliegenden Klage.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

beschlossen:

1.      Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

2.      Der Antrag der Kläger auf Verbindung der vorliegenden Rechtssache mit der Rechtssache T‑58/10 ist erledigt.

3.      Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 9. September 2010

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       A. W. H. Meij


* Verfahrenssprache: Deutsch.