Language of document : ECLI:EU:T:2009:505

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

15. Dezember 2009(*)

„Staatliche Beihilfen – Beihilfen der französischen Behörden zugunsten der EDF – Entscheidung, mit der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Verfahrensrechte des Beihilfeempfängers – Beeinträchtigung des Handelsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten – Kriterium des privaten Kapitalgebers“

In der Rechtssache T‑156/04

Électricité de France (EDF) mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Debroux,

Klägerin,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und A.‑L. Vendrolini als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch J. Buendía Sierra und C. Giolito als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Iberdrola, SA, mit Sitz in Bilbao (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Ruiz Calzado und É. Barbier de La Serre,

Streithelferin,

betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung der Art. 3 und 4 der Entscheidung der Kommission vom 16. Dezember 2003 über Beihilfemaßnahmen zugunsten der EDF und des Sektors der Strom- und Gaswirtschaft (C 68/2002, N 504/2003 und C 25/2003),

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi, der Richterin E. Cremona und des Richters S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter),

Kanzlerin: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2008

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

 Vorschriften des EG-Vertrags

1        Gemäß Art. 87 Abs. 1 EG sind, soweit im Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

2        Art. 88 Abs. 1 und 2 EG bestimmt:

„(1)  Die Kommission überprüft fortlaufend in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen. Sie schlägt ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen vor, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erfordern.

(2)       Stellt die Kommission fest, nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äußerung gesetzt hat, dass eine von einem Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach Artikel 87 unvereinbar ist oder dass sie missbräuchlich angewandt wird, so entscheidet sie, dass der betreffende Staat sie binnen einer von ihr bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten hat.“

 Verordnung (EG) Nr. 659/1999

3        Art. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck … ‚bestehende Beihilfen‘

i)      … alle Beihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrags in dem entsprechenden Mitgliedstaat bestanden, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrags eingeführt worden sind und auch nach dessen Inkrafttreten noch anwendbar sind;

v)      Beihilfen, die als bestehende Beihilfen gelten, weil nachgewiesen werden kann, dass sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie eingeführt wurden, keine Beihilfe waren und später aufgrund der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu Beihilfen wurden, ohne dass sie eine Änderung durch den betreffenden Mitgliedstaat erfahren haben. Werden bestimmte Maßnahmen im Anschluss an die Liberalisierung einer Tätigkeit durch gemeinschaftliche Rechtsvorschriften zu Beihilfen, so gelten derartige Maßnahmen nach dem für die Liberalisierung festgelegten Termin nicht als bestehende Beihilfen;“.

4        Nach Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 gelten die Befugnisse der Europäischen Kommission zur Rückforderung von Beihilfen für eine Frist von zehn Jahren.

5        Gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 beginnt diese Frist mit dem Tag, an dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger gewährt wird.

6        Art. 20 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 659/1999 bestimmt, dass jeder Beteiligte nach der Entscheidung der Kommission zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens eine Stellungnahme nach Art. 6 der genannten Verordnung abgeben kann.

 Einschlägiges französisches Recht

7        Art. 38 Abs. 2 des Code général des impôts (Steuergesetzbuch) bestimmt:

„Der Nettogewinn besteht aus dem Unterschied zwischen den Werten der Nettoaktiva bei Abschluss und zu Beginn des Zeitraums, dessen Einkünfte als Besteuerungsgrundlage abzüglich der Kapitalzuschüsse und zuzüglich der Entnahmen dienen, die in diesem Zeitraum vom Betreiber oder von den Gesellschaftern getätigt werden. Unter Nettoaktiva ist der Überschuss der Aktiva über den Gesamtbetrag der Passiva, gebildet aus den Forderungen Dritter, den Abschreibungen und den nachgewiesenen Rückstellungen, zu verstehen.“

8        Art. 4 Abs. I und II des Gesetzes Nr. 97-1026 vom 10. November 1997 über steuerliche und finanzielle Dringlichkeitsmaßnahmen (JORF vom 11. November 1997, S. 16387) bestimmt:

„I.       Die Anlagen des allgemeinen Elektrizitätsversorgungsnetzes gelten seit der Konzession dieses Netzes an die Électricité de France als deren Eigentum.

II.       In Anwendung der Bestimmungen von [Abs.] I wird am 1. Januar 1997 der Gegenwert der konzessionierten Sachwerte des allgemeinen Elektrizitätsversorgungsnetzes, der auf der Passivseite der Bilanz der EDF steht, nach Abzug entsprechender Wertberichtigungen in den Posten ‚Kapitalerhöhungen‘ aufgenommen.“

 Sachverhalt

 Allgemeiner Zusammenhang der Rechtssache

9        Die Klägerin, Électricité de France (EDF), erzeugt, befördert und verteilt Strom, insbesondere im gesamten französischen Hoheitsgebiet.

10      Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG im Jahr 2002 stand die EDF zu 100 % im Eigentum des Staates. Der französische Premierminister ernannte den EDF-Präsidenten, und die Politik der EDF wurde in enger Zusammenarbeit mit dem französischen Energieministerium festgelegt.

11      Die EDF wurde durch das französische Gesetz Nr. 46-628 vom 8. April 1946 über die Verstaatlichung von Strom und Gas (JORF vom 9. April 1946, S. 2651) im Rahmen der Verstaatlichung des französischen Elektrizitätssektors gegründet. Sie erhielt die Rechtsform eines öffentlichen Industrie- und Handelsunternehmens.

12      Art. 36 des Gesetzes Nr. 46-628 enthält den Grundsatz, dass die verstaatlichten Elektrizitätskonzessionen der EDF übertragen werden und dass sich die EDF verpflichtet, die neuen Standardpflichtenhefte zu beachten, deren Erstellung in Art. 37 des genannten Gesetzes festgelegt ist.

13      Die verschiedenen Konzessionen, die der Staat für die Beförderung von Elektrizität erteilte, wurden 1958 in einer einheitlichen Konzession, genannt „Allgemeines Versorgungsnetz“ (im Folgenden: AVN), zusammengefasst, deren Pflichtenheft durch das Dekret Nr. 56-1225 vom 28. November 1956 (JORF vom 4. Dezember 1956, S. 11562) genehmigt wurde.

14      Art. 2 des Pflichtenhefts beschreibt die Gegenstände, die der Konzession unterliegen (Leitungen, Stationen usw.). Nach Art. 8 des Pflichtenhefts muss die EDF „alle Wartungs- und Erneuerungsarbeiten, die erforderlich sind, um die von der Konzession erfassten Anlagen in gutem Funktionszustand zu halten, auf eigene Kosten“ durchführen.

15      Art. 2 des Pflichtenhefts wurde durch Dekret vom 23. Dezember 1994 (JORF vom 28. Dezember 1994, S. 18564) geändert und erhielt folgenden Wortlaut:

„Die Konzession umfasst die Leitungen, Stationen und allgemein die bestehenden und zu erbauenden elektrischen Anlagen, die erforderlich sind, damit der Inhaber der Konzession die Tätigkeit der Beförderung und Lieferung von Elektrizität ausüben kann. Hiervon ausgenommen sind Produktionsanlagen.

…“

16      Zuvor hatte sich das AVN von den übrigen Konzessionen u. a. dadurch unterschieden, dass es erstens keine Eigentumsregelung für die konzessionierten Vermögenswerte und zweitens keine Klausel zur Rückabtretung der konzessionierten Vermögenswerte enthielt sowie drittens eine außergewöhnlich lange Laufzeit von 75 Jahren vorsah.

17      Da für Konzessionen keine speziellen Rechnungslegungsvorschriften existierten, betrachtete sich die EDF seit 1946 in Übereinstimmung mit dem Conseil national de la comptabilité (Rechnungslegungsrat, im Folgenden: CNC) als Eigentümerin des AVN.

18      Somit wurden die Vermögenswerte, die zum AVN gehörten, als Vermögenswerte der EDF bei den Aktiva ihrer Bilanz verbucht; die Bilanzierung erfolgte nach allgemeinem Recht. Bei der Abschreibung wurde die „Methode der historischen Kosten“ zugrunde gelegt, was eine lineare Abschreibung über die gesamte Lebensdauer der Anlagen bis 1986 beinhaltete.

19      Aufgrund der Anwendung des Plan comptable général (Allgemeiner Rechnungslegungsplan) von 1982, der spezielle Rechnungslegungsvorschriften für Konzessionen enthielt, auf die EDF wurde die Bilanzierung des AVN 1987 geändert, um die Empfehlungen zu berücksichtigen, die der CNC 1975 in seinem „Guide des concessions“ (Handbuch der Konzessionen) formuliert hatte.

20      Es ging darum, die besonderen Anforderungen zu berücksichtigen, denen die Inhaber der Konzessionen unterliegen und die gemäß dem „Grundsatz des Fortbestands der öffentlichen Dienstleistungen“ die Verpflichtung beinhalten, die konzessionierten Vermögenswerte nach Ablauf der Konzession in gutem Funktionszustand zurückzugeben.

21      Neben der Verpflichtung des Konzessionärs, das konzessionierte Anlagevermögen als gesonderten Aktivposten in der Bilanz zu verbuchen, enthielt der Plan comptable général von 1982 den folgenden Grundsatz:

„Die Aufrechterhaltung des von öffentlichen Dienstleistungen erwarteten Produktionspotenzials der konzessionierten Anlagen ist mit Hilfe eines Systems von Abschreibungen oder gegebenenfalls angemessener Rückstellungen sicherzustellen. Soweit der Nutzwert einer Anlage durch eine fachgerechte Wartung aufrechterhalten werden kann, wird für diese Anlage im Rahmen der Betriebskosten des Konzessionärs keine Abschreibung aufgrund von Wertverlust vorgenommen. Rückstellungen, die zwecks Aufrechterhaltung des Produktionspotenzials erfolgen, sind Erneuerungsrückstellungen.“

22      In Anwendung des Plan comptable général von 1982 wurde ein Rechnungslegungsplan für die EDF erstellt. Der CNC stimmte diesem Rechnungslegungsplan am 19. Dezember 1984 zu; mit interministeriellem Erlass vom 21. Dezember 1986 (JORF vom 30. Dezember 1986, S. 15794) wurde der Plan genehmigt.

23      Gemäß dem besonderen Rechnungslegungsplan für die EDF wurde das AVN unter dem Aktivposten „Konzessionierte Sachanlagen“ in der Bilanz der EDF verbucht.

24      Neben der linearen Abschreibung nach der „Methode der historischen Kosten“ erfolgten besondere Rückstellungen für die Erneuerung des konzessionierten Anlagevermögens, damit der Inhaber der Konzession dem Konzessionsgeber diese Vermögenswerte bei Ablauf der Konzession in einwandfreiem Zustand zurückgeben konnte.

25      Zwischen 1987 und 1996 wurden Erneuerungsrückstellungen gebildet.

26      Die Ausgaben, die die EDF für die Erneuerung tätigte, wurden in der Bilanz unter dem Posten „Gegenwert der konzessionierten Vermögenswerte“ verbucht.

27      Dieser Posten, auch „Ansprüche des Konzessionsgebers“ genannt, stellte eine Verbindlichkeit der EDF gegenüber dem französischen Staat dar, die darin bestand, bei Ablauf der Konzession die fraglichen Vermögenswerte unentgeltlich zurückzugeben.

28      Die französische Cour des comptes (Rechnungshof) hat in einem Bericht aus dem Jahr 1994 folgende Feststellungen getroffen:

„Die besonderen Rechnungslegungsgrundsätze sind darauf zurückzuführen, dass der Konzessionsvertrag eine echte Laufzeit hat, die allein es ermöglicht, zwischen erneuerbarem und nicht erneuerbarem Anlagevermögen zu unterscheiden. Die Berücksichtigung der Vertragslaufzeit ist der einzige Grund für das Rechnungslegungssystem. Sie bildet die Voraussetzung für die Möglichkeit der Rückgabe des konzessionierten Anlagevermögens an den Konzessionsgeber, und sie rechtfertigt die Verbuchung der Ansprüche des Konzessionsgebers auf der Passivseite der Bilanz. Sie liegt der Bereitstellung und der Abzugsfähigkeit der Erneuerungsrückstellung zugrunde, mit der sich der Aufwand feststellen lässt, der dem Konzessionär durch die Rückgabe des letzten, nicht mehr erneuerbaren Anlagewerts an den Konzessionsgeber entsteht …

Bei einer dauerhaften öffentlichen Einrichtung des Staates, die auf das Verstaatlichungsgesetz zurückgeht, ist eine buchhalterische Unterscheidung zwischen dem Konzessionsvermögen und dem Vermögen des Konzessionärs fragwürdig. Es ist hervorzuheben, dass die unterbliebene Festlegung einer Laufzeit der Konzession es verbietet, die Empfehlungen des Handbuchs zur Rechnungslegung von Konzessionären anzuwenden.“

29      Nach Auffassung der französischen Cour des comptes war zudem die der EDF nach der rechtswidrigen Bildung von Erneuerungsrückstellungen für das AVN gewährte Steuerbefreiung ihrerseits rechtswidrig.

30      Daher leitete der französische Staat ein Verfahren ein, mit dem der vermögensrechtliche Status des AVN geklärt und die Bilanz der EDF saniert werden sollte.

31      Im Hinblick auf die in der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20) vorgesehene Öffnung des Elektrizitätsmarkts bestimmte der am 8. April 1997 unterzeichnete Unternehmensvertrag „État-EDF 1997–2000“ (Staat-EDF 1997–2000) die Standardisierung der Unternehmenskonten und der finanziellen Beziehungen zwischen der EDF und dem Staat:

„Der Elektrizitätsmarkt befindet sich … in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess. Innerhalb der Europäischen Union wurden kürzlich Vorschriften über die Funktionsweise des Elektrizitätsbinnenmarkts festgelegt …

Die Bestimmungen dieses Vertrags sollen auch die finanziellen Beziehungen zwischen dem Staat und der EDF stabilisieren und klarstellen, dass die EDF unter staatlicher Aufsicht steht, wobei gleichzeitig die Autonomie des Unternehmens im Rahmen des gemeinsamen Projekts zu gewährleisten ist …

Die Bilanz der EDF wird saniert, um erstens die Nettosituation des Unternehmens zu verbessern und zweitens die Finanzbeziehung zwischen dem Staat und dem Unternehmen in Annäherung an das allgemeine Recht zu stabilisieren. Eine gesetzgeberische Maßnahme wird dem Parlament 1997 unterbreitet, so dass die Sanierung am 1. Januar 1997 in Kraft tritt.“

32      Vor diesem Hintergrund wurde das Gesetz Nr. 97-1026 erlassen.

33      Vor dem Erlass dieses Gesetzes war die Bilanz der EDF folgendermaßen strukturiert:

–        Die Aktivseite enthielt den Posten „Konzessionierte Sachanlagen“ in Höhe von 285,7 Mrd. französischen Franken (FRF), wovon ungefähr 90 Mrd. FRF auf das AVN entfielen.

–        Die Passivseite enthielt den Posten „Rückstellungen“, wovon ungefähr 38,5 Mrd. FRF auf das AVN entfielen, sowie den Posten „Gegenwert der konzessionierten Vermögenswerte“, der die Ausgaben für die realisierten Erneuerungen enthielt. Dieser Posten belief sich auf 145,2 Mrd. FRF, wovon 18,3 Mrd. auf das AVN entfielen.

34      Nach Erlass des Gesetzes Nr. 97-1026 und in Anwendung seines Art. 4 wurde die folgende Entscheidung getroffen:

–        Erstens wurden die Vermögenswerte, die das AVN bildeten, in Höhe von 90,325 Mrd. FRF in „Eigene Vermögenswerte“ umgestuft und nicht mehr als „Konzessionierte Vermögenswerte“ verbucht.

–        Zweitens wurden die nicht verwendeten Rückstellungen für die Erneuerung des AVN in Höhe von 38,521 Mrd. FRF als einbehaltener Gewinn eingestuft, ohne in der Gewinn- und Verlustrechnung verbucht zu werden; in Höhe von 20,225 Mrd. FRF wurden sie als Verlustvortrag umgestuft; der Saldo des so bereinigten Kontos wurde in Höhe von 18,296 Mrd. FRF den Rücklagen zugewiesen. Auch wenn diese Umstufungen außerhalb der Erfolgsrechnung vorgenommen wurden, führten sie gemäß Art. 38 Abs. 2 des Code général des impôts zur Feststellung eines steuerbaren Ergebnisses, das einem Steuersatz von 41,66 % unterlag.

–        Drittens wurden die „Ansprüche des Konzessionsgebers“ in Höhe von 14,119 Mrd. FRF (der Gesamtbetrag belief sich auf 18,345 Mrd. FRF) außerhalb der Erfolgsrechnung direkt unter dem Posten „Kapitalerhöhungen“ verbucht, und der Saldo wurde auf verschiedene Wertberichtigungskonten verteilt.

35      Diese Sanierung der EDF-Bilanz wird in Anhang 1 des an die EDF gerichteten Schreibens des Ministers für Wirtschaft, Finanzen und Industrie, des Staatssekretärs für den Haushalt und des Staatssekretärs für die französische Industrie vom 22. Dezember 1997 erläutert.

 Verwaltungsverfahren

36      Mit Schreiben vom 10. Juli 2001 und vom 27. November 2001 forderte die Kommission die französischen Behörden auf, ihr bestimmte Informationen zu mehreren Maßnahmen zu übermitteln, die im Hinblick auf die EDF getroffen worden waren und möglicherweise Elemente staatlicher Beihilfe enthielten.

37      Mit Schreiben vom 12. Oktober 2001 und vom 21. Februar 2002 lieferten die französischen Behörden der Kommission einige Informationen. Mit Schreiben vom 9. April 2002 machten sie nähere Angaben in Form eines Vermerks der Generaldirektion Steuern des französischen Ministeriums für Wirtschaft, Finanzen und Industrie (im Folgenden: Generaldirektion Steuern), in dem es u. a. hieß:

„Dem Vorbringen, die 1997 vorgenommene buchhalterische und steuerliche Neuklassifizierung der Rückstellungen, die für die Erneuerung des [AVN] gebildet worden waren, habe zu einem rechtswidrigen Steuervorteil geführt, kann nicht gefolgt werden. In diesem Zusammenhang ist die Neuklassifizierung der Rückstellungen, die für die Erneuerung verwendet wurden und gemäß den Angaben der EDF unter dem Posten ‚Ansprüche des Konzessionsgebers‘ in Höhe von 14,119 [Mrd. FRF] und nicht 18,345 [Mrd. FRF] verbucht waren, von der Neuklassifizierung der noch nicht verwendeten Rückstellungen in Höhe von 38,5 [Mrd. FRF] zu unterscheiden.

Die Ansprüche des Konzessionsgebers in Bezug auf das [AVN] stellen eine nicht bestehende Schuld dar, die die Einbeziehung in das Kapital auf ungerechtfertigte Weise von der Steuer befreit hat.

Diese Rückstellungen wurden dem Kapital zugeführt, ohne dass sich dies auf die Besteuerung ausgewirkt hätte, da das AVN nicht den für Konzessionen geltenden Steuer- und Rechnungslegungsvorschriften unterliegt. Da sich das AVN aus eigenen Vermögenswerten zusammensetzte, war die EDF nicht verpflichtet, dem Staat diese Vermögenswerte zurückzugeben, so dass die entsprechenden Beträge, die unter dem Posten ‚Ansprüche des Konzessionsgebers‘ verbucht waren, keine wirkliche Verbindlichkeit, sondern eine steuerpflichtige Rücklage darstellten. Unter diesen Umständen hätte diese Rücklage vor ihrer Einbeziehung in das Kapital von der Passivseite der Unternehmensbilanz, wo sie zu Unrecht aufgeführt war, auf ein Konto der Nettosituation übertragen werden müssen, was somit eine positive Veränderung des zu versteuernden Nettovermögens in Anwendung des bereits angeführten Art. 38 [Abs. 2] zur Folge gehabt hätte.

Die so erzielten Steuervorteile werden mit 5,88 [Mrd. FRF] (14,119 x 41,66 %) angesetzt.

Gleichzeitig ist festzustellen, dass die im Rahmen der Berichtigung außerhalb der Erfolgsrechnung vorgenommene unmittelbare Verbuchung im Konto ‚Verlustvortrag‘ trotzdem zur Feststellung eines gemäß Art. 38 Abs. 2 des Code général des impôts steuerbaren Ergebnisses in Höhe von 38,5 Mrd. FRF (5,869 Mrd. Euro) führte. Der Steuervorteil, der sich daraus ergab, dass die nicht verwendeten Rückstellungen bei ihrer Bildung abgezogen wurden, wurde somit ausgeglichen.

Somit hätte die bei der Kapitalausstattung erfolgte Neuverbuchung der bereits verwendeten Erneuerungsrückstellungen, die unter dem Posten ‚Ansprüche des Konzessionsgebers‘ aufgeführt gewesen waren, zwar beim steuerbaren Gewinn berücksichtigt werden müssen, doch dies wurde durch die Versteuerung der nicht verwendeten Erneuerungsrückstellungen im gleichen Jahr mehr als ausgeglichen.

Da sich bei einer Gesamtbewertung der Transaktionen kein ungerechtfertigter Vorteil nachweisen lässt, sind die 1997 vorgenommenen buchhalterischen und steuerlichen Neuklassifizierungen keine Beihilfen und nicht geeignet, der EDF einen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.“

38      Mit Schreiben vom 6. Mai 2002 teilte die Kommission mit, dass trotz ihrer vorherigen Aufforderungen weiterhin bestimmte Informationen fehlten; zudem forderte sie nähere Angaben zu den zuletzt eingereichten Informationen an.

39      Mit Schreiben vom 28. Juni 2002 übermittelten die französischen Behörden einige zusätzliche Angaben. Am 3. September 2002 wurde eine Sitzung abgehalten.

40      Mit Schreiben vom 16. Oktober 2002, das am 16. November 2002 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 280, S. 8) in der verbindlichen Sprachfassung (Französisch), der eine Zusammenfassung in den übrigen Amtssprachen vorangestellt war, veröffentlicht wurde, teilte die Kommission den französischen Behörden drei verbundene Entscheidungen mit, die die EDF betrafen.

41      Zum einen schlug die Kommission den französischen Behörden gemäß Art. 88 Abs. 1 EG als zweckdienliche Maßnahme die Abschaffung der unbegrenzten Garantie des Staates vor, von der die EDF für all ihre Verbindlichkeiten aufgrund ihrer Rechtsform als öffentliches Industrie- und Handelsunternehmen profitierte, was jegliche Anwendung der Gesetzgebung zu gerichtlichen Vergleichs- und Konkursverfahren für Unternehmen in Schwierigkeiten ausschließt. Zum anderen beschloss die Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EG die Einleitung des formellen Prüfverfahrens in Bezug auf den Vorteil, der darin bestand, dass die EDF die für den Teil der Betriebsrücklagen, die im Rahmen der Steuerfreigrenze für die Erneuerung des AVN gebildet worden waren, geschuldete Körperschaftsteuer nicht gezahlt hatte (im Folgenden: Einleitungsbeschluss). Schließlich wies die Kommission die französischen Behörden an, bestimmte Informationen zu übermitteln, die für die Prüfung dieses Steuervorteils notwendig waren.

42      Mit Schreiben vom 11. Dezember 2002 übermittelten die französischen Behörden der Kommission eine Stellungnahme, mit der bestritten wurde, dass die EDF im Jahr 1997 von einem Steuervorteil profitiert habe.

43      Am 12. Februar 2003 hielten die Kommission und die französischen Behörden eine technische Sitzung ab, die die Frage eines etwaigen Steuervorteils der EDF im Jahr 1997 behandelte.

44      Mit Schreiben vom 12. Juni 2003 übermittelten die französischen Behörden der Kommission eine Stellungnahme im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens.

45      Am 17. November 2003 fand eine erneute technische Sitzung der Kommission, der französischen Behörden und von Vertretern der EDF zur Frage des Steuervorteils statt, von dem die EDF 1997 profitiert haben sollte. Die französischen Behörden übermittelten mit Schreiben vom 20. November 2003 zusätzliche Informationen zu dieser Frage.

46      Am 16. Dezember 2003 erließ die Kommission die Entscheidung über Beihilfemaßnahmen zugunsten der EDF und des Sektors der Strom- und Gaswirtschaft (C 68/2002, N 504/2003 und C 25/2003) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Angefochtene Entscheidung

47      Die angefochtene Entscheidung bezieht sich auf ein System der „unbegrenzten Garantie“, die die Französische Republik gegenüber der EDF für bestimmte Bereiche des Rentensystems des Sektors der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft übernommen hatte, und auf die von der EDF 1997 nicht gezahlte Körperschaftsteuer für den Teil der Rücklagen, die im Rahmen der Steuerfreigrenze für die Erneuerung des AVN gebildet worden waren.

48      Art. 3 der angefochtenen Entscheidung bestimmt:

„Die Nichtzahlung von EDF im Jahr 1997 in Bezug auf die Körperschaftsteuer für den Teil der Rücklagen, die im Rahmen der Steuerfreigrenze für die Erneuerung des [AVN] gebildet wurden und die den 14,119 Mrd. FRF an Ansprüchen des Abtretenden, die unter Kapitalerhöhungen neu eingestuft wurden, entsprechen, stellt eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe dar.

Das in der Nichtzahlung der Körperschaftsteuer enthaltene Element staatlicher Beihilfe beläuft sich auf 888,89 Mio. EUR.“

49      Art. 4 der angefochtenen Entscheidung bestimmt:

„Frankreich ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 3 aufgeführte Beihilfe von EDF zurückzufordern, die dem Unternehmen bereits unrechtmäßig zur Verfügung gestellt wurde.

Die Rückforderung der Beihilfe erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die rechtswidrige Beihilfe EDF zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden berechnet auf der Grundlage des Bezugssatzes, der für die Berechnung des Subventionsäquivalents im Rahmen der Beihilfen mit regionaler Zielsetzung verwendet wird, und auf einer Grundlage, die gemäß der Mitteilung der Kommission über die bei der Rückforderung rechtswidrig gewährter Beihilfen anzuwendenden Zinssätze … gebildet wird.“

50      In Bezug auf den Steuervorteil, von dem die EDF 1997 profitiert haben soll, stellte die Kommission die folgenden Erwägungen an:

„(84)  Bezüglich des Gesetzes Nr. 97-1026 …, in dem festgestellt wurde, dass EDF seit 1956 als Eigentümer des [AVN] angesehen wird, empfiehlt es sich zu überprüfen, ob dieses Gesetz nicht eine Eigentumsübertragung des [AVN] impliziert.

(85)  Gemäß den von den französischen Behörden vorgelegten Informationen kann EDF vernünftigerweise als Eigentümer des [AVN] seit dem ersten Lastenheft von 1956 angesehen werden. Diese Schlussfolgerung gründet sich auf die folgenden Elemente: die Merkmale der verschiedenen Arten von Konzessionsverträgen im französischen Recht, die besonderen Merkmale der ursprünglichen Konzession an EDF, die keine präzise Rückabtretungsklausel enthielt, das Verfahren zum Erwerb der betreffenden Vermögenswerte, für die EDF eine ähnliche Gebühr bezahlen musste wie eine Enteignungsentschädigung, und die Finanzierungsbedingungen für die Instandhaltung und Entwicklung des [AVN] auf Kosten von EDF. Folglich ist die Kommission der Ansicht, dass die ‚Klärung‘ der Eigentumsfrage des [AVN] durch das Gesetz Nr. 97-1026 … in sich kein Element für eine staatliche Beihilfe umfasst.

(86)  Es muss künftig untersucht werden, ob das Gesetz Nr. 97-1026 sämtliche steuerlichen Konsequenzen dieser ‚Klärung‘ gezogen hat und ob es unter der Annahme, dass dies nicht der Fall wäre, keinen steuerlichen Vorteil zugunsten von EDF gegeben hat.

(87)  Während des Zeitraums 1987-1996 hat EDF Rücklagen im Rahmen der Steuerfreigrenze für die Erneuerung des [AVN] gebildet. Infolge des Gesetzes [Nr. 97-1026], das EDF seit 1956 als Eigentümer des [AVN] ansieht, sind diese Rücklagen gegenstandslos geworden und mussten folglich in andere Bilanzposten eingestuft werden.

(88)  Das Schreiben des Wirtschaftsministers, in dem die steuerlichen Auswirkungen der Sanierung der Bilanz von EDF festgestellt werden, zeigt, dass die französischen Behörden auf die nicht verwendeten Rücklagen für die Erneuerung des [AVN] den 1997 geltenden Körperschaftsteuersatz von 41,66 % angewandt haben.

(89)  Dagegen wurde gemäß Artikel 4 des Gesetzes Nr. 97-1026 … ein Teil dieser Rücklagen, die Ansprüche des Abtretenden, die den bereits durchgeführten Erneuerungsmaßnahmen entsprechen, unter Kapitalerhöhungen in Höhe von 14,119 Mrd. FRF neu eingestuft, ohne der Körperschaftsteuer zu unterliegen. Die französischen Behörden erkennen selbst die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme an. In einer an die Kommission gerichteten Anmerkung der Generaldirektion Steuern vom 9. April 2002 weisen die französischen Behörden darauf hin, dass ‚die Ansprüche des Abtretenden in Bezug auf das [AVN] eine ungerechtfertigte Schuld darstellen, die die Einbeziehung in das Kapital auf ungerechtfertigte Weise von der Steuer befreit hat‘ und dass ‚diese Reserve vor ihrer Einbeziehung in das Kapital von der Passivseite der Unternehmensbilanz, wo sie zu Unrecht aufgeführt war, auf ein Reinvermögenskonto hätte übertragen werden müssen, was somit eine positive Veränderung des zu versteuernden Nettovermögens in Anwendung von Artikel 38-2‘ des Code général des impôts zur Folge gehabt hätte. Sie stellen fest, dass ‚der so [1997 von EDF] erhaltene Steuervorteil mit 5,88 Mrd. FRF bewertet werden kann (14,119 × 41,66 %)‘; dies entspricht 888,89 Mio. EUR …

(90)  Die Kommission stellt einerseits fest, dass die Korrekturen von Fehlern gemäß der Stellungnahme des [CNC] im Ergebnis des Geschäftsjahres, in dem sie festgestellt werden, verbucht werden müssen. Wenn andererseits für die nicht verwendeten Rücklagen, die im Rahmen der Steuerfreigrenze in Höhe von 38,5 Mrd. FRF gebildet worden waren, eine Körperschaftsteuer zu einem Satz von 41,66 % im Jahr 1997 erhoben wurde, ist die Kommission der Ansicht, dass es keinen objektiven Grund dafür gibt, dass der andere Teil der im Rahmen der Steuerfreigrenze gebildeten Rücklagen nicht zum gleichen Satz besteuert wurde.

(91)  Die Kommission ist der Ansicht, dass die Ansprüche des Abtretenden gleichzeitig und zum gleichen Satz wie die anderen im Rahmen der Steuerfreigrenze gebildeten Betriebsrücklagen hätten besteuert werden müssen. Dies bedeutet, dass die 14,119 Mrd. FRF an Ansprüchen des Abtretenden den 38,5 Mrd. FRF an nicht verwendeten Rücklagen hätten hinzugefügt werden müssen, um zu einem Satz von 41,66 % besteuert zu werden, der für die Sanierung der Bilanz von EDF durch die französischen Behörden angewandt wurde. Indem sie nicht die gesamte, bei der Sanierung seiner Bilanz fällige Körperschaftsteuer gezahlt hat, hat EDF 888,89 Mio. EUR eingespart.

(92)  Die Kommission ist der Ansicht, dass die Beihilfe 1997 sehr wohl ausgezahlt wurde, da der Betrag von 14,119 Mrd. FRF zu diesem Zeitpunkt eine Schuld gegenüber dem Staat darstellte, die in der Bilanz als Ansprüche des Abtretenden aufgeführt ist und auf die der Staat durch das Gesetz Nr. 97-1026 … verzichtet hat.

(93)  Die französischen Behörden behaupten, dass EDF selbst bei nicht vorhandenen Rückstellungen für die Erneuerung des [AVN] aufgrund steuerlicher Verlustvorträge nicht in der Lage gewesen wäre, die Körperschaftsteuer von 1987 bis 1996 zu zahlen. Die Kommission ist der Ansicht, dass dieses Argument nicht stichhaltig ist, da der Steuervorteil aus dem Jahr 1997 und nicht aus den früheren Jahren stammt. Darüber hinaus weist die Kommission darauf hin, dass die steuerlichen Verlustvorträge mangels dieser Rückstellungen von 1987 bis 1996 schrittweise verschwunden wären und dass somit im Jahr 1997 der Betrag der von EDF geschuldeten Steuer eindeutig höher gewesen wäre.

(94)  Die französischen Behörden sind außerdem der Meinung, dass, wenn sich die Bildung der Rücklagen für die Erneuerung des [AVN] durch einen Vorteil geäußert habe, dieser durch die Erhöhung der im Jahr 1997 gezahlten Körperschaftsteuer als aufgehoben betrachtet werden müsste. Die Kommission kann dieses Argument nur zurückweisen. Wie die Kommission gerade nachgewiesen hat und wie die französischen Behörden dies in ihrer Anmerkung vom 9. April 2002 selbst angeben, wurden die nicht verwendeten Rücklagen für die Erneuerung normal besteuert, wohingegen die Ansprüche des Abtretenden unter Kapitalerhöhungen neu eingestuft wurden, ohne der Körperschaftsteuer zu unterliegen. Die von EDF im Jahr 1997 gezahlte Steuer ist somit niedriger als die normalerweise geschuldete Steuer.

(95)  Die französischen Behörden behaupten überdies, dass die Buchhaltungsreform von 1997 einer zusätzlichen Kapitalerhöhung um einen Betrag, der der teilweisen Steuerbefreiung entspricht, gleichkommt. Es würde sich also um eine Investition und nicht um eine Beihilfe handeln. Sie behaupten außerdem, dass EDF für den Zeitraum 1987-1996 dem Staat insgesamt eine Summe ausgezahlt hat, die höher war als die Körperschaftsteuer, die eine Gesellschaft des Handelsrechts gezahlt hätte, die keine Rücklagen für die Erneuerung des [AVN] gebildet hätte und die ihrem Aktionär eine Dividende in Höhe von 37,5 % des Nettoergebnisses nach Steuern ausgezahlt hätte.

(96)  Die Kommission kann diese Argumente nur zurückweisen, indem sie daran erinnert, dass der Grundsatz des Privatanlegers nur im Rahmen der Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten gelten kann und nicht im Rahmen der Ausübung von Regulierungsbefugnissen. Eine Behörde kann das Argument eventueller wirtschaftlicher Vorteile, die sie als Eigentümer eines Unternehmens erhalten könnte, nicht verwenden, um eine Beihilfe, die nach Ermessen bewilligt wurde, durch die Vorrechte zu rechtfertigen, die sie als Steuerbehörde gegenüber demselben Unternehmen besitzt.

(97)  Falls ein Staat neben der Ausübung seiner Funktion als öffentliche Gewalt als Aktionär tätig sein kann, so darf er nicht seine Funktionen als Staat, der die öffentliche Gewalt ausübt, und als staatlicher Aktionär miteinander vermischen. Eine Erlaubnis für die Mitgliedstaaten zur Verwendung ihrer Vorrechte als öffentliche Gewalt im Dienste ihrer Investitionen in Unternehmen, die auf für den Wettbewerb offenen Märkten tätig sind, würde die gemeinschaftlichen Vorschriften im Bereich der staatlichen Beihilfen jeglicher rechtlicher Wirksamkeit berauben. Falls der Vertrag darüber hinaus gemäß seinem Artikel 295 neutral in Bezug auf Kapitaleigentum ist, so müssen für die öffentlichen Unternehmen nichtsdestoweniger dieselben Vorschriften wie für die privaten Unternehmen gelten. Es bestünde keine Gleichbehandlung zwischen den öffentlichen Unternehmen und den Privatunternehmen mehr, wenn der Staat seine Vorrechte als öffentliche Gewalt zugunsten der Unternehmen, deren Aktionär er ist, nutzen würde.

(98)  Die französischen Behörden behaupten, dass der Körperschaftsteuersatz von 1996 und nicht von 1997 auf die Sanierung der Bilanz von EDF hätte angewandt werden müssen. Wie vorstehend angemerkt wurde, bemerkt die Kommission einerseits, dass der [CNC] der Ansicht ist, dass die Buchungsfehler im Laufe des Geschäftsjahres, in dem sie festgestellt wurden, korrigiert werden müssen. Die Rücklagen für die Erneuerung des [AVN], die infolge des Gesetzes Nr. 97-1026 … gegenstandslos geworden sind, müssten im Laufe des Geschäftsjahres 1997 neu eingestuft werden und somit zu dem in diesem Geschäftsjahr anwendbaren Körperschaftsteuersatz besteuert werden. Andererseits stellt die Kommission fest, dass die französischen Behörden selbst den Körperschaftsteuersatz von 1997 auf den Teil der Rücklagen, der besteuert wurde, angewandt haben.

(99)  Die Nichtzahlung von 888,89 Mio. EUR an Steuern durch EDF im Jahr 1997 stellt also einen Vorteil für den Konzern dar. EDF konnte die Summe der nicht gezahlten Steuern zur Erhöhung seines Eigenkapitals verwenden, ohne externe Finanzierungsmittel in Anspruch zu nehmen. Der Vorteil ist notwendigerweise selektiv, da die Nichtzahlung der Körperschaftsteuer für einen Teil dieser Betriebsrücklagen eine Ausnahme von der steuerlichen Behandlung darstellt, die normalerweise für eine solche Maßnahme angewandt wird. Die Tatsache, dass der Vorteil EDF durch einen spezifischen Gesetzgebungsakt, das Gesetz Nr. 97-1026 …, gewährt wurde, bestätigt seine Einzigartigkeit und Exorbitanz.

(154) Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist die Kommission also der Ansicht, dass die untersuchte Beihilfe eine Betriebsbeihilfe darstellt, deren Auswirkung eine Verstärkung der Wettbewerbsstellung von EDF gegenüber ihren Konkurrenten war. Sie ist also mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

(155) Die Kommission ist schließlich der Ansicht, dass die Verjährungsvorschrift entgegen der Behauptung der französischen Behörden im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Sicherlich hat EDF von 1987 bis 1996 Betriebsrücklagen im Rahmen der Steuerfreigrenze gebildet. Es sollte jedoch einerseits darauf hingewiesen werden, dass dem [CNC] zufolge die Korrekturen von Fehlern, die sich aufgrund ihrer Art selbst auf die Verbuchung vergangener Transaktionen beziehen, im Ergebnis des Geschäftsjahres verbucht werden müssen, in dem sie festgestellt werden, und andererseits, dass das Gesetz, das verfügt, dass die Ansprüche des Abtretenden unter Kapitalerhöhungen neu eingestuft werden, ohne der Körperschaftsteuer zu unterliegen, vom 10. November 1997 stammt. Der Steuervorteil stammt also aus dem Jahr 1997, und die Verjährung ist nicht auf eine neue Beihilfe anwendbar, die zu diesem Zeitpunkt ausgezahlt wurde.“

51      Unter Berücksichtigung der gemäß Art. 4 der angefochtenen Entscheidung berechneten Zinsen belief sich der von der EDF geforderte Gesamtbetrag auf 1,217 Mrd. Euro. Die EDF zahlte dem französischen Staat diese Summe zurück.

 Verfahren und Anträge der Parteien

52      Mit am 27. April 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift hat die EDF die vorliegende Klage erhoben.

53      Mit am 17. August 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Französische Republik beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der EDF zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 20. September 2004 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts die Französische Republik als Streithelferin zugelassen. Die Französische Republik hat ihren Schriftsatz innerhalb der vorgeschriebenen Fristen abgegeben.

54      Mit Schreiben vom 18. Februar 2005 hat die Kommission das Gericht ersucht, eine prozessleitende Maßnahme mit dem Ziel zu erlassen, den „Oxera-Bericht“, den die EDF ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz der Französischen Republik beigefügt hatte, aus der Akte zu entfernen, da es sich um ein neues Beweismittel handle, das in diesem Stadium des Verfahrens unzulässig sei.

55      Mit Schreiben vom 25. April 2005 hat die EDF das Gericht ersucht, eine prozessleitende Maßnahme zu erlassen, mit der die Kommission zur Stellungnahme zum Inhalt des genannten Berichts aufgefordert werden sollte. Die Kommission hat mit Schreiben vom 7. Juni 2005 zu diesem Antrag Stellung genommen.

56      Das Gericht (Dritte Kammer) hat die Parteien ersucht, die ihnen über die Kanzlei des Gerichts am 12. Juni 2006 übermittelten Fragen schriftlich zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgemäß nachgekommen.

57      Mit am 3. März 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Iberdrola, SA beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

58      Da der Antrag auf Zulassung als Streithelferin nach Ablauf der in Art. 115 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts genannten sechswöchigen Frist gestellt wurde, ist Iberdrola mit Beschluss vom 5. Juni 2008 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission mit der Maßgabe zugelassen worden, ihre Erklärungen in der mündlichen Verhandlung abzugeben.

59      Das Gericht (Dritte Kammer) hat die Parteien ersucht, neue Fragen, die ihnen über die Kanzlei des Gerichts am 14. Mai 2008 übermittelt worden sind, schriftlich zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgemäß nachgekommen.

60      Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 25. November 2008 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

61      Die EDF, unterstützt durch die Französische Republik, beantragt,

–        die Art. 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

62      Die Kommission, unterstützt durch Iberdrola, beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der EDF die Kosten aufzuerlegen.

63      In ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz der Französischen Republik hat die Kommission außerdem beantragt, der Französischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

64      Die EDF macht drei Klagegründe geltend.

65      Mit ihrem ersten Klagegrund trägt die EDF zum einen vor, die Kommission habe gegen die Bestimmungen von Art. 20 der Verordnung Nr. 659/1999 verstoßen, als sie der EDF nicht erlaubt habe, zur „Umkehr der Bewertung“, die zwischen dem Einleitungsbeschluss und der angefochtenen Entscheidung eingetreten sei, eine zweckdienliche Stellungnahme abzugeben.

66      Zum anderen macht die EDF geltend, der Umstand, dass sie während des Verfahrens nicht von einer „grundlegenden Änderung der Bewertung“ in Kenntnis gesetzt worden sei, stelle eine Verletzung ihrer „Verteidigungsrechte“ dar.

67      Mit ihrem zweiten Klagegrund beruft sich die EDF im Wesentlichen darauf, dass die Kommission bei der Auslegung des Begriffs „staatliche Beihilfe“ mehrere Rechtsfehler begangen habe und die angefochtene Entscheidung außerdem nicht ausreichend begründet sei.

68      Erstens hebe die „Unterkompensation“ der von der EDF getragenen Kosten der öffentlichen Dienstleistungen, die seit 1997 erheblich angestiegen seien, jeglichen „hypothetischen Vorteil“ auf, der der EDF gewährt worden sein könnte.

69      Zweitens seien die fraglichen Maßnahmen als Maßnahmen zur Erhöhung des Kapitals einzustufen und im übergeordneten Zusammenhang der Klärung der finanziellen Beziehungen zwischen dem Staat und der EDF zu bewerten. Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen habe sich der Staat wie ein marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber verhalten.

70      Drittens habe die Kommission den übergeordneten Zusammenhang der Sanierung der finanziellen Beziehungen zwischen dem Staat und der EDF im Jahr 1997 berücksichtigen und daher zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der EDF insgesamt kein Vorteil gewährt worden sei.

71      Viertens hätten die fraglichen Maßnahmen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigt.

72      Mit dem dritten Klagegrund trägt die EDF vor, die Kommission habe gegen die Begründungspflicht verstoßen, als sie ihre Entscheidung, das Vorbringen zur Einstufung der fraglichen Maßnahmen als Kapitalaufstockungsmaßnahmen nicht zu berücksichtigen, nicht begründet habe.

73      Außerdem habe die Kommission die steuerlichen Aspekte der 1997 durchgeführten Transaktion fehlerhaft bewertet.

74      Darüber hinaus macht die EDF hilfsweise zwei weitere Klagegründe geltend.

75      Mit ihrem ersten hilfsweise vorgetragenen Klagegrund macht die EDF geltend, die fraglichen Maßnahmen ? wenn man unterstelle, dass sie als Beihilfen eingestuft werden könnten ? seien größtenteils als bestehende Beihilfen im Sinne von Art. 1 Buchst. b Ziff. v der Verordnung Nr. 659/1999 anzusehen, da sie vor der tatsächlichen Liberalisierung des Elektrizitätssektors durchgeführt worden seien. Im Übrigen sei der größte Teil der Beihilfen als bestehende Beihilfen im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 anzusehen, welcher die Rückforderungsfrist betreffe.

76      Mit ihrem zweiten hilfsweise geltend gemachten Klagegrund trägt die EDF vor, dass die angefochtene Entscheidung zudem mit mehreren Rechtsfehlern behaftet sei, die ihre Gültigkeit beeinträchtigten.

77      Die Französische Republik unterstützt als Streithelferin erstens den Teil des zweiten Klagegrundes, der sich darauf bezieht, dass die Kommission das Kriterium des privaten Kapitalgebers nicht angewandt habe, zweitens den dritten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend gemacht wird, und drittens die hilfsweise geltend gemachten Klagegründe der EDF.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 20 der Verordnung Nr. 659/1999 und Verstoß gegen die Verteidigungsrechte

 Vorbringen der Parteien

78      Im Rahmen des ersten Teils ihres ersten Klagegrundes macht die EDF geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Einstufung der fraglichen Maßnahmen eine völlig andere Position als in ihrem Einleitungsbeschluss vertreten.

79      Dem Einleitungsbeschluss zufolge ergebe sich das behauptete Beihilfeelement aus der Bildung von Rückstellungen für die Erneuerung des AVN zwischen 1987 und 1996, da angenommen werde, dass die Rückstellungen der EDF in diesem Zeitraum jedes Jahr einen ungerechtfertigten Steuervorteil beschert hätten, der durch die buchhalterischen Anpassungen und Neuverbuchungen 1997 teilweise aufgehoben worden sei. In diesem Zusammenhang beruft sich die EDF auf die Randnrn. 45, 49, 52, 56 und 84 des Einleitungsbeschlusses.

80      Aus den Randnrn. 45 und 49 des Einleitungsbeschlusses gehe eindeutig hervor, dass die Kommission die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 97-1026 so verstehe, dass sie die bereits erhaltenen Vorteile reduzierten, nicht aber, dass sie sie begründet hätten.

81      Außerdem scheine die Kommission die behaupteten Steuervorteile nur durch den Rückgriff auf den Begriff „Konsolidierung früherer Beihilfen“ ? der im Übrigen neu sei und in der Verordnung Nr. 659/1999 nicht verwendet werde ? willkürlich ausschließlich dem Jahr 1997 zuzuordnen, obwohl sie geltend mache, dass die Steuervorteile im Zeitraum 1987 bis 1996 gewährt worden seien. In diesem Zusammenhang beruft sich die EDF insbesondere auf Randnr. 71 des Einleitungsbeschlusses.

82      Die Kommission habe ihre Position in der angefochtenen Entscheidung geändert, indem sie festgestellt habe, dass die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 97-1026, zu denen sie bis dahin die Auffassung vertreten habe, dass sie den Betrag der erhaltenen Vorteile reduzierten, in Wirklichkeit ein konstitutives Element der behaupteten Beihilfe darstellten. In diesem Zusammenhang beruft sich die EDF auf den Wortlaut von Art. 3 der angefochtenen Entscheidung.

83      Diese geänderte Bewertung habe sich auf die Einstufung der fraglichen Maßnahmen als neue Beihilfe ausgewirkt und die Zurückweisung des Umstands, dass es sich gegebenenfalls um bestehende Beihilfen handle, beeinflusst.

84      Sobald die Einleitung des Prüfverfahrens beschlossen sei, müsse die Kommission dem Staat sowie betroffenen Dritten die Gelegenheit einräumen, sich zu äußern.

85      Die EDF erkenne an, dass nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung ? sie verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2000, UFEX u. a./Kommission (T‑613/97, Slg. 2000, II‑4055) ? das Ziel dieses Verfahrensstadiums weniger darin liege, die „Verteidigungsrechte“ der Betroffenen zu wahren, als darin, die Kommission in die Lage zu versetzen, zweckdienliche Informationen für ihre Bewertung einzuholen.

86      Im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 659/1999 heiße es jedoch: „In allen Fällen, in denen die Kommission nach der vorläufigen Prüfung nicht auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt schließen kann, sollte das förmliche Prüfverfahren eröffnet werden, damit die Kommission alle zur Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfe zweckdienlichen Auskünfte einholen kann und die Beteiligten ihre Stellungnahmen abgeben können. Die Rechte der Beteiligten können im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens nach Artikel [88] Absatz 2 [EG] am besten gewährleistet werden.“

87      Die EDF stützt sich insbesondere auf den letzten Satz dieses Erwägungsgrundes und macht geltend, dass betroffene Dritte Rechte hätten, die durch das förmliche Prüfverfahren gewahrt werden sollten. Die Rechte bestünden aus der Möglichkeit, der Kommission alle Informationen zu liefern, die diese in die Lage versetzten, eine zutreffende Bewertung vorzunehmen.

88      Da die Entscheidung, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, geeignet sei, die Rechtsstellung des Beihilfeempfängers zu beeinträchtigen und ihn zu beschweren (Urteil des Gerichts vom 30. April 2002, Government of Gibraltar/Kommission, T‑195/01 und T‑207/01, Slg. 2002, II‑2309, Randnr. 85), hätte die EDF während des gesamten Verwaltungsverfahrens Gelegenheit erhalten müssen, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen, Beanstandungen und Umstände gebührend Stellung zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 29. Juni 1994, Fiskano/Kommission, C‑135/92, Slg. 1994, I‑2885, Randnr. 40, und des Gerichts vom 30. März 2000, Kish Glass/Kommission, T‑65/96, Slg. 2000, II‑1885, Randnr. 32), zumal die fraglichen Geldbeträge sehr hoch gewesen seien und nur ein einziger Beihilfeempfänger betroffen gewesen sei.

89      Da die Kommission den betroffenen Dritten die „grundlegende Änderung“ ihrer Bewertung nicht mitgeteilt habe, sei es der EDF nicht möglich gewesen, das gesamte Ausmaß der finanziellen Auswirkungen der angefochtenen Entscheidung zu beurteilen und der Kommission zweckdienliche Informationen für eine korrekte Einschätzung der Situation zu liefern.

90      Da die Rechte der betroffenen Dritten jedoch begrenzt seien, müssten sie „besonders sorgfältig“ geschützt werden, und daher müsse das einzige Recht, das ihnen zuerkannt werde, nämlich das Recht, der Kommission zweckdienliche Unterlagen und Informationen zu übermitteln, zumindest in voller Kenntnis der von der Kommission vorgenommenen Bewertung ausgeübt werden können, wenn es nicht jeglichen Inhalts beraubt werden solle.

91      Dies sei in der vorliegenden Rechtssache nicht der Fall gewesen, da der EDF die geänderte Bewertung der Kommission nicht mitgeteilt worden sei, so dass sie keine zweckdienlichen Informationen und Elemente habe liefern können, die z. B. die Kommission davon hätten abhalten können, ihre ursprüngliche Bewertung aufzugeben, die möglicherweise dazu geführt hätte, dass die fraglichen Maßnahmen größtenteils als bestehende Beihilfen eingestuft worden wären.

92      Folglich habe die Kommission gegen Art. 20 der Verordnung Nr. 659/1999 verstoßen.

93      Im Rahmen des zweiten Teils ihres ersten Klagegrundes ersucht die EDF das Gericht, die „Härte der gegenwärtigen Rechtsprechung“ im Bereich der „Verteidigungsrechte betroffener Dritter“ ? und insbesondere des Empfängers der beanstandeten Beihilfe ? im Rahmen von Beihilfeverfahren in Betracht zu ziehen.

94      In seinem Urteil vom 21. März 1990, Belgien/Kommission („Tubemeuse“, C‑142/87, Slg. 1990, I‑959), habe der Gerichtshof festgestellt, dass die Gewährung des rechtlichen Gehörs in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen könnten, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts sei, der auch dann sichergestellt werden müsse, wenn eine besondere Regelung fehle (Randnr. 46 des Urteils).

95      Im Bereich der staatlichen Beihilfen hätten nur die Mitgliedstaaten „echte Verteidigungsrechte“ im Sinne dieser Rechtsprechung, da das Verfahren gegen die Mitgliedstaaten und nicht gegen die dritten Beihilfeempfänger eröffnet werde.

96      Dieser Ansatz sei jedoch schwerlich damit zu vereinbaren, dass sich die Anweisung zur Rückzahlung gegen die dritten Beihilfeempfänger richte, während der Staat in finanzieller Hinsicht von einer solchen Anweisung begünstigt werde. Daher könne ein „Interessenkonflikt“ zwischen dem Mitgliedstaat und dem Beihilfeempfänger auftreten.

97      Dieser „potenzielle Interessenkonflikt“ verdeutliche erstens die Notwendigkeit, die wenigen Rechte, die betroffenen Dritten im Rahmen von Beihilfeverfahren zugestanden würden, insbesondere das Recht aus Art. 20 der Verordnung Nr. 659/1999, zu schützen. Zweitens rechtfertige er es, über die genannte Bestimmung hinauszugehen und den betroffenen Dritten oder zumindest den Beihilfeempfängern „ansatzweise echte Verteidigungsrechte“ zuzuerkennen.

98      Die Wahrung der Rechte betroffener Dritter im Allgemeinen und insbesondere der Rechte des Beihilfeempfängers verlange, dass die Kommission ihnen Gelegenheit gebe, gebührend Stellung zu nehmen. Folglich müsse die Kommission eine neue Mitteilung veröffentlichen, wenn sie beabsichtige, ihrer endgültigen Entscheidung Tatsachen, Beanstandungen, Bewertungen oder Umstände zugrunde zu legen, die sich von denjenigen unterschieden, die in der Mitteilung an die betroffenen Dritten aufgeführt seien.

99      Indem die Kommission in der vorliegenden Rechtssache ihre Bewertung der Natur der fraglichen Maßnahmen in ihrer endgültigen Entscheidung „grundlegend“ geändert habe, ohne im Amtsblatt eine zweite Mitteilung zu veröffentlichen, habe sie die „Verteidigungsrechte“ der EDF schwerwiegend verletzt.

100    Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

 Würdigung durch das Gericht

–       Zur Verletzung der Verteidigungsrechte

101    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Wahrung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die gegen eine Person eingeleitet werden und zu einer sie beschwerenden Maßnahme führen können, ein elementarer Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der auch dann sichergestellt werden muss, wenn eine besondere Regelung fehlt. Nach diesem Grundsatz ist dem Betroffenen bereits im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen und Umstände sowie zu den von der Kommission für ihre Behauptung einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts herangezogenen Unterlagen gebührend Stellung zu nehmen (Urteile des Gerichtshofs vom 10. Juli 1986, Belgien/Kommission, 40/85, Slg. 1986, 2321, Randnr. 28, und des Gerichts vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, Slg. 2003, II‑435, Randnr. 121).

102    Das Verwaltungsverfahren im Bereich staatlicher Beihilfen wird jedoch nur gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat eröffnet. Die Beihilfeempfänger gelten in diesem Verfahren lediglich als „Beteiligte“. Sie haben selbst keinen Anspruch auf eine streitige Erörterung mit der Kommission, wie sie dem Mitgliedstaat zusteht (Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P, Slg. 2002, I‑7869, Randnrn. 81 und 83).

103    Somit weist die Rechtsprechung den Beteiligten im Rahmen des nach Art. 88 Abs. 2 EG eingeleiteten Verwaltungsverfahrens im Wesentlichen die Rolle von Informationsquellen für die Kommission zu. Daraus folgt, dass die Beteiligten keinen Anspruch auf rechtliches Gehör geltend machen können, wie er denjenigen zusteht, gegen die ein Verfahren eingeleitet worden ist, sondern lediglich das Recht haben, am Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen beteiligt zu werden (vgl. Urteile des Gerichts vom 25. Juni 1998, British Airways u. a./Kommission, T‑371/94 und T‑394/94, Slg. 1998, II‑2405, Randnrn. 59 und 60 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 125).

104    Folglich kann die Klägerin sich nicht darauf berufen, dass ihre Verteidigungsrechte verletzt worden seien, denn im Rahmen des Verwaltungsverfahrens stehen ihr keine Verteidigungsrechte zu, auch wenn sie zu Recht geltend macht, dass der Mitgliedstaat, der die Beihilfe gewährt hat, und der Beihilfeempfänger im Rahmen der von der Kommission eingeleiteten Beihilfeverfahren unterschiedliche Interessen haben können.

105    Somit ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

–       Zur Verletzung der Verfahrensrechte des Beihilfeempfängers als Beteiligter

106    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kommission in der in Art. 88 Abs. 2 EG geregelten Prüfungsphase verpflichtet, den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2008, Ferriere Nord/Kommission, C‑49/05 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107    Zwar können die Beteiligten keinen Anspruch auf rechtliches Gehör geltend machen, doch haben sie das Recht, an dem von der Kommission eingeleiteten Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen beteiligt zu werden (Urteil Ferriere Nord/Kommission, oben in Randnr. 106 angeführt, Randnr. 69).

108    Außerdem muss die Kommission ein förmliches, die Unterrichtung der Beteiligten vorsehendes Prüfverfahren eröffnen, sobald sie nach Abschluss einer vorläufigen Prüfung ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit der fraglichen finanziellen Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt hat. Folglich kann die Kommission nicht verpflichtet sein, in ihrer Mitteilung über die Einleitung des förmlichen Verfahrens eine abschließende Untersuchung der fraglichen Beihilfe zu präsentieren. Erforderlich ist allerdings, dass die Kommission den Rahmen ihrer Prüfung so genau festlegt, dass das Recht der Beteiligten zur Stellungnahme nicht seinen Sinn verliert (Urteil des Gerichts vom 31. Mai 2006, Kuwait Petroleum [Nederland]/Kommission, T‑354/99, Slg. 2006, II‑1475, Randnr. 85).

109    Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass, wenn die Kommission beschließt, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, der Einleitungsbeschluss nach Art. 6 der Verordnung Nr. 659/1999 auf eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der fraglichen staatlichen Maßnahme und Ausführungen über die Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt beschränkt werden kann (Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Diputación Foral de Guipúzcoa u. a./Kommission, T‑269/99, T‑271/99 und T‑272/99, Slg. 2002, II‑4217, Randnr. 104).

110    Somit muss der Einleitungsbeschluss die Beteiligten in die Lage versetzen, sich in wirksamer Weise am förmlichen Prüfverfahren zu beteiligen, in dem sie ihre Argumente geltend machen können. Hierfür genügt es, dass die Beteiligten erfahren, welche Überlegungen die Kommission zu der vorläufigen Ansicht veranlasst haben, dass die in Rede stehende Maßnahme eine neue, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe darstellen könnte (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 2008, TV 2/Danmark u. a./Kommission, T‑309/04, T‑317/04, T‑329/04 und T‑336/04, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 139 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111    In der vorliegenden Rechtssache prüfte die Kommission sowohl im Einleitungsbeschluss als auch in der angefochtenen Entscheidung die steuerliche Behandlung der Ansprüche des Konzessionsgebers im Rahmen der Sanierung der Bilanz der EDF, die durch das Gesetz Nr. 97‑1026 vorgenommen wurde (im Folgenden: streitige Maßnahme). Folglich galt für beide Entscheidungen der gleiche Prüfungsrahmen.

112    Im Übrigen beschrieb die Kommission sowohl in Randnr. 51 des Einleitungsbeschlusses als auch im 89. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Berechnung der geschuldeten Steuer, wie sie die französischen Behörden dargelegt hatten und wonach der Steuervorteil der EDF auf 5,883 Mrd. FRF geschätzt werden konnte.

113    Folglich hatte die EDF durch den Einleitungsbeschluss ausreichend Kenntnis über den maßgeblichen Prüfungsrahmen sowie die Überlegungen, die die Kommission zu der vorläufigen Ansicht veranlasst hatten, dass die in Rede stehende Beihilfe Maßnahme eine neue, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe darstellen könnte, so dass sie in der Lage war, hierzu gebührend Stellung zu nehmen.

114    Das Vorbringen der EDF, die Kommission sei mit ihrer Bewertung der streitigen Maßnahme unter steuerlichen und buchhalterischen Gesichtspunkten von der vorläufigen Bewertung im Einleitungsbeschluss abgewichen, ist daher, selbst wenn es zuträfe, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

115    Somit ist der erste Klagegrund der EDF zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen Art. 87 EG

 Zum ersten Teil: Verkennung der „Unterkompensation“ der von der EDF getragenen Kosten der öffentlichen Dienstleistungen

–       Vorbringen der Parteien

116    Die EDF macht im Wesentlichen geltend, die ihr auferlegten Gemeinwohlverpflichtungen seien ab 1997 erheblich gewachsen. Die zusätzlichen Verpflichtungen seien jedoch nicht durch die Strompreise ausgeglichen worden, da diese im fraglichen Zeitraum sehr stark gesunken seien.

117    Die Zunahme der Gemeinwohlverpflichtungen sei auf die Umstrukturierung der Beziehungen zwischen dem Staat und der EDF zurückzuführen und Teil des finanziellen Gleichgewichts, das im Unternehmensvertrag vom 8. April 1997 festgelegt worden sei (vgl. oben, Randnr. 31).

118    Zum Beweis dieses Vorbringens macht die EDF geltend, dass sie aus Gründen des Gemeinwohls verpflichtet gewesen sei, Strom bei Herstellern mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zu kaufen, was die wichtigste Verpflichtung im betreffenden Zeitraum gewesen sei.

119    Allein anhand dieser Verpflichtung lasse sich nachweisen, dass die entsprechenden Kosten eindeutig höher seien als der Steuervorteil der EDF.

120    In ihrer Entscheidung C (2003) 2508 vom 23. Juli 2003, keine Einwände gegen eine Erhöhung des Kapitals von La Poste SA/NV durch den belgischen Staat zu erheben, habe die Kommission zu den Gemeinwohlverpflichtungen von La Poste festgestellt, dass die „historische Unterkompensation“ der Nettomehrkosten der gemeinwirtschaftlichen Dienstleistungen die vom Staat angemeldete Kapitaleinlage übersteige und die Kapitaleinlage als solche daher entweder keine staatliche Beihilfe darstelle, weil sie La Poste keinen Vorteil verschaffe, oder eine staatliche Beihilfe darstelle, die mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Nach Auffassung der Kommission habe somit nicht geprüft werden müssen, ob die Entscheidung des Staates, den betreffenden Kapitalbetrag einzubringen, dem Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers entspreche, da die angemeldete Kapitaleinlage mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gewesen sei.

121    Daher sei analog zu dieser Entscheidung der Kommission festzustellen, dass die Erhöhung des Kapitals der EDF als solche entweder keine Beihilfe darstelle, da sie der EDF keinen Vorteil verschaffe, oder eine staatliche Beihilfe darstelle, die mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei.

122    Außerdem habe die Kommission in Randnr. 79 des Einleitungsbeschlusses das Argument einer etwaigen „Unterkompensation“ der mit der Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen verbundenen Kosten zurückgewiesen und sich dabei auf die Gesamtheit der geprüften Beihilfen berufen, einschließlich derjenigen, die letztlich nicht als Beihilfe eingestuft worden seien.

123    Im Übrigen macht die EDF geltend, wenn man davon ausgehen müsse, dass die Französische Republik es unterlassen habe, der Kommission während des förmlichen Prüfverfahrens die angeforderten Informationen zu den etwaigen, mit der Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen verbundenen Kosten zu übermitteln, und folglich die Argumente, die im Rahmen der vorliegenden Klage vorgebracht würden, nicht berücksichtigt werden dürften, da die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung im Bereich staatlicher Beihilfen aufgrund der Informationen zu beurteilen sei, über die die Kommission bei ihrem Erlass verfügt habe, und die komplexen Würdigungen, die die Kommission vorgenommen habe, nur anhand der Informationen zu prüfen seien, über die sie bei der Vornahme dieser Würdigungen verfügt habe, hätte dies zur Folge, dass der EDF, da sie nicht am Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen sei, das Recht vorenthalten würde, sich auf diesen Teil des Klagegrundes zu berufen. Dies bestätige jedoch die Verletzung ihrer „Verteidigungsrechte“, denn da die Kommission die EDF während des Verwaltungsverfahrens nicht „ehrlich und umfassend“ informiert habe, habe die EDF nicht beurteilen können, ob es notwendig sei, diese Argumentation vorzutragen, und sei zum jetzigen Zeitpunkt daran gehindert.

124    Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

–       Würdigung durch das Gericht

125    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rechtmäßigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach dem Kenntnisstand zu beurteilen, der bei Erlass des Aktes vorlag. Insbesondere sind die komplexen Würdigungen, die die Kommission vorgenommen hat, nur anhand der Informationen zu prüfen, über die sie bei der Vornahme dieser Würdigungen verfügte (vgl. Urteil des Gerichts vom 23. November 2006, Ter Lembeek/Kommission, T‑217/02, Slg. 2006, II‑4483, Randnr. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

126    Der Kommission kann also nicht vorgeworfen werden, Informationen, die ihr im Verwaltungsverfahren hätten vorgetragen werden können, aber nicht vorgetragen wurden, nicht berücksichtigt zu haben, da sie nicht verpflichtet ist, von Amts wegen mutmaßend zu prüfen, welche Gesichtspunkte ihr hätten vorgetragen werden können (Urteil Ter Lembeek/Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 83).

127    Unter Berücksichtigung von Randnr. 79 des Einleitungsbeschlusses und Erwägungsgrund 153 der angefochtenen Entscheidung sowie der Fußnote zu diesem Erwägungsgrund ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht geltend macht, sie sei weder in der Lage noch verpflichtet gewesen, die etwaigen Kosten zu prüfen, die mit der Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen verbunden gewesen seien, da die französischen Behörden und die Beteiligten ihr hierzu keine Informationen geliefert hätten und sie zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung keine Informationen habe berücksichtigen können, deren Kenntnis sie erst im Rahmen der vorliegenden Klage erhalten habe.

128    Das Vorbringen der EDF, sie sei in ihren Verteidigungsrechten verletzt worden, ist zurückzuweisen, da die Französische Republik und die EDF im Rahmen des Verwaltungsverfahrens aufgefordert wurden, zu dieser Frage Angaben zu machen, sie es jedoch nicht für erforderlich hielten, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Daher kann sich die EDF im Rahmen ihrer Klage vor dem Gericht nicht darauf berufen, sie habe nicht beurteilen können, ob es notwendig sei, eine Argumentation zu dieser Frage vorzutragen, und geltend machen, dass ihre Verteidigungsrechte verletzt seien, weil ihre Argumente zu dieser Frage bislang nicht geprüft worden seien.

129    Etwaige Unterschiede zwischen der Bewertung im Einleitungsbeschluss und der jeweiligen Bewertung in der angefochtenen Entscheidung können sich nicht auf diese Würdigung auswirken, da die Kommission im Einleitungsbeschluss festgestellt hatte, dass die Behandlung der Betriebsrücklagen für die Erneuerung des AVG geeignet sei, eine neue Beihilfe darzustellen. Folglich oblag es der Französischen Republik und der EDF, die Schlussfolgerungen zu ziehen, die eine solche Bewertung für sie im Hinblick auf das Verfahren haben könnte, und zweckdienliche Angaben zur Verteidigung ihrer Position zu übermitteln, was sie jedoch unterlassen haben.

130    Was das Vorbringen betrifft, die Kommission habe diese Frage gleichwohl in Randnr. 79 des Einleitungsbeschlusses behandelt, sich jedoch auf die Feststellung beschränkt, dass „die geprüften Beihilfen … der EDF einen operativen Vorteil verschafften, der in diesem Stadium über die Kosten im Zusammenhang mit der Erbringung jeglicher öffentlicher Dienstleistungen hinauszugehen scheint“, ist festzustellen, dass der von der EDF in Auszügen zitierte Satz in Wirklichkeit im Kontext wiedergegeben werden muss:

„Die EDF erbringt einen Teil ihrer Tätigkeiten als öffentliche Dienstleisterin. Es wird darauf hingewiesen, dass die französischen Behörden, obwohl sie sich bis heute in diesem Zusammenhang nicht auf die Anwendung von Art. 86 Abs. 2 [EG] berufen haben, hervorgehoben haben, dass die EDF öffentliche Dienstleistungen zu erbringen hat. Sie haben jedoch keine Schätzung der Kosten, die der EDF durch diese Aufgaben entstehen, übermittelt. Daher lässt sich nicht überprüfen, inwiefern sich die verschiedenen staatlichen Beihilfen, die dem Unternehmen gewährt wurden, mit den Kosten decken, die ihm aus der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen entstehen. Es hat jedenfalls den Anschein, dass die vorliegend geprüften Beihilfen, die im Wesentlichen Sonderregelungen im Bereich der Rechnungslegung und des Handels darstellen, der EDF einen operativen Vorteil verschafften, der in diesem Stadium über die Kosten im Zusammenhang mit der Erbringung jeglicher öffentlicher Dienstleistungen hinauszugehen scheint. Das Kapital der EDF ist seit langer Zeit nicht mehr aufgestockt worden. Die geprüften Beihilfen haben de facto als Finanzierungsmittel dazu beigetragen, dass die EDF durch den Erwerb ausländischer Unternehmensanteile aggressiv expandieren konnte. Eine solche Verwendung der Mittel scheint über den Rahmen dessen hinauszugehen, was man als zulässigen öffentlichen Dienstleistungsauftrag ansehen kann.“

131    Folglich handelte es sich nur um eine vorläufige Würdigung und eine Aufforderung an die Französische Republik sowie die EDF, die notwendigen Informationen für eine etwaige Änderung dieser ersten Bewertung zu übermitteln. Die Klägerin kann sich daher hierauf nicht berufen.

132    Ebenso wenig kann der Kommission vorgeworfen werden, dass sich Randnr. 79 des Einleitungsbeschlusses auf die Gesamtheit der von ihr untersuchten Beihilfen bezieht und nicht ausschließlich auf die Beihilfe, die sie letztlich für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte und deren Rückforderung sie in Art. 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung, d. h. der streitigen Maßnahme, anordnete.

133    Somit ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: keine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten

–       Vorbringen der Parteien

134    Die EDF macht geltend, dass die streitige Maßnahme den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG beeinträchtigt habe, da der Begriff „Handel“ im Licht der Gemeinschaftsrechtsprechung als Synonym des Begriffs „Wettbewerb“ auszulegen sei und der historische Handel zwischen nationalen Herstellern, die in ihren jeweiligen Ländern damals eine Monopolstellung innegehabt hätten, nicht mit einer Wettbewerbssituation gleichgesetzt werden könne.

135    Das Gericht habe den Begriff „Handel zwischen den Mitgliedstaaten“ eindeutig mit dem Begriff „Wettbewerb“ verbunden, und es habe im Bereich staatlicher Beihilfen festgestellt, dass die Voraussetzungen der Auswirkung auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und der Verzerrung des Wettbewerbs im Allgemeinen untrennbar miteinander verbunden seien (Urteile des Gerichts vom 15. Juni 2000, Alzetta u. a./Kommission, T‑298/97, T‑312/97, T‑313/97, T‑315/97, T‑600/97 bis T‑607/97, T‑1/98, T‑3/98 bis T‑6/98 und T‑23/98, Slg. 2000, II‑2319, Randnr. 81, und vom 4. April 2001, Regione autonoma Friuli-Venezia Giulia/Kommission, T‑288/97, Slg. 2001, II‑1169, Randnr. 44).

136    Diese Würdigung sei vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 23. Oktober 1997, Kommission/Frankreich (C‑159/94, Slg. 1997, I‑5815), bestätigt worden, als er das Vorbringen der Kommission,die Aufhebung der ausschließlichen Ein- und Ausfuhrrechte der EDF und der Gaz de France (GDF) führe zu einer Förderung der Entwicklung des Handels im Interesse der Gemeinschaft, zurückgewiesen und festgestellt habe, dass es der Kommission oblegen habe, im Vorfeld das Interesse der Gemeinschaft zu definieren, an dem die Entwicklung des Handels zu messen sei. Der Gerichtshof habe die Begriffe „Verzerrung des Wettbewerbs“ und „Handel zwischen den Mitgliedstaaten“ somit eindeutig miteinander verbunden.

137    Zwar enthalte die angefochtene Entscheidung der Kommission lange Ausführungen zum Handel, der zwischen den Elektrizitätsunternehmen, die vor der Liberalisierung des Sektors in den Mitgliedstaaten überwiegend Monopolstellungen innegehabt hätten, habe stattfinden können, doch habe vor der Liberalisierung, die erst nach Umsetzung der Richtlinie 96/92 schrittweise vollzogen worden sei, offensichtlich keine „echte Wettbewerbssituation“ vorgelegen.

138    Insbesondere in Frankreich sei der Elektrizitätssektor im fraglichen Zeitraum (1986 bis 1997) eindeutig jeglichem Wettbewerb versperrt gewesen. Auch wenn in diesem Zeitraum mehrere Richtlinien verabschiedet worden seien (Richtlinie 90/547/EWG des Rates vom 29. Oktober 1990 über den Transit von Elektrizitätslieferungen über große Netze [ABl. L 313, S. 30] und Richtlinie 96/92), habe ihre Umsetzung in verschiedenen Mitgliedstaaten „aufgrund der komplizierten Ausgangslage und der unterschiedlichen Strukturen innerhalb der Gemeinschaft im Bereich der Elektrizität“ einige Zeit in Anspruch genommen, wie das für Wettbewerb zuständige Kommissionsmitglied K. Van Miert damals geäußert habe.

139    Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass in den Jahren 1987 bis 1996 in Frankreich eine „echte Wettbewerbssituation“ bestanden habe, und dies sei auch in fast keinem anderen europäischen Land der Fall gewesen.

140    Viele der Beispiele, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung anführe, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass ein Handel zwischen den Mitgliedstaaten bestanden und dieser sich auf den Wettbewerb ausgewirkt habe, bezögen sich auf den Zeitraum nach 1997: Dies gelte u. a. für die Übernahme eines Drittels des Kapitals des deutschen Unternehmens EnBW Energie Baden-Württemberg AG sowie der Produktions- und Verteilungskapazitäten von London Electricity, die Übernahme der Kontrolle über das Unternehmen Fenice, die Begründung einer Partnerschaft mit Fiat für den Kauf von Montedison und einer Partnerschaft mit Veolia Environnement über die Firma Dalkia.

141    Im Ergebnis trägt die EDF vor, auch wenn sie zwischen 1987 und 1996 mit anderen nationalen europäischen Herstellern, die überwiegend an langfristige Verträge gebunden gewesen seien und daher häufig auf Produktionsinvestitionen hätten verzichten können, Handel getrieben habe, habe dieser Handel den innergemeinschaftlichen Wettbewerb in keiner Weise beeinträchtigt, da die überwiegende Mehrheit der „Partner“ der EDF in ihren jeweiligen Ländern eine Monopolstellung innegehabt habe.

142    Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

–       Würdigung durch das Gericht

143    Art. 87 Abs. 1 EG verbietet Beihilfen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.

144    Für die Qualifizierung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe bedarf es nicht des Nachweises einer tatsächlichen Auswirkung der Beihilfe auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten und einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung, sondern nur der Prüfung, ob die Beihilfe geeignet ist, diesen Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze u. a., C‑222/04, Slg. 2006, I‑289, Randnr. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung).

145    Außerdem braucht die Kommission, wenn sie zutreffend dargelegt hat, inwiefern die streitigen Beihilfen solche Auswirkungen haben konnten, nicht die tatsächliche Situation auf dem betroffenen Markt, den Marktanteil der durch die Beihilfe begünstigten Unternehmen, die Stellung der konkurrierenden Unternehmen und die fraglichen Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten wirtschaftlich zu analysieren (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 29. September 2000, CETM/Kommission, T‑55/99, Slg. 2000, II‑3207, Randnr. 102, und vom 6. September 2006, Italien und Wam/Kommission, T‑304/04 und T‑316/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 64).

146    Wenn eine von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel stärkt, muss der innergemeinschaftliche Handel als von der Beihilfe beeinflusst angesehen werden (vgl. Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u. a., oben in Randnr. 144 angeführt, Randnr. 141 und die dort angeführte Rechtsprechung).

147    Hierbei kann die Liberalisierung eines Wirtschaftssektors auf Gemeinschaftsebene dazu führen, dass die Beihilfen den Wettbewerb tatsächlich oder potenziell beeinflussen und sich auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken (vgl. Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u. a., oben in Randnr. 144 angeführt, Randnr. 142 und die dort angeführte Rechtsprechung).

148    Im Übrigen braucht das begünstigte Unternehmen nicht selbst am innergemeinschaftlichen Handel teilzunehmen. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat einem Unternehmen eine Beihilfe gewährt, kann die inländische Tätigkeit dadurch beibehalten oder verstärkt werden, so dass sich die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, den Markt dieses Mitgliedstaats zu durchdringen, verringern. Zudem kann die Stärkung eines Unternehmens, das bis dahin nicht am innergemeinschaftlichen Handel teilgenommen hat, dieses in die Lage versetzen, den Markt eines anderen Mitgliedstaats zu durchdringen (vgl. Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u. a., oben in Randnr. 144 angeführt, Randnr. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung).

149    In der vorliegenden Rechtssache stellte die Kommission in den Erwägungsgründen 104 bis 112, 114 und 115 der angefochtenen Entscheidung fest, dass im Elektrizitätssektor sogar unabhängig von den Richtlinien zur Liberalisierung dieses Sektors ein gewisser Grad an Wettbewerb bestand, zumindest auf bestimmten Märkten, u. a. auf den Märkten, auf denen die EDF im fraglichen Zeitraum tätig war, und in einigen Mitgliedstaaten auf anderen Märkten, die sich dem Wettbewerb noch nicht vollständig geöffnet hatten.

150    Diese Angaben werden von der EDF nicht bestritten.

151    Ebenso wenig hat die EDF bestritten, dass sie Elektrizität in andere Mitgliedstaaten exportierte, in denen die Marktöffnung bereits vollzogen war.

152    Daher kann dahinstehen, ob der französische Binnenmarkt oder zumindest ein Teil dieses Markts dem Wettbewerb verschlossen war.

153    Der Kommission kann also nicht vorgeworfen werden, die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels durch die streitige Maßnahme nicht näher dargelegt zu haben.

154    Folglich kann das entsprechende Vorbringen der EDF nicht durchgreifen.

155    Somit ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil des zweiten Klagegrundes: erstens Einstufung der streitigen Maßnahmen als Kapitalerhöhung und zweitens Verhalten des Staates als marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber im Rahmen der Durchführung der Maßnahmen

–       Vorbringen der Parteien

156    Die EDF erinnert daran, dass sie 1997 im alleinigen Eigentum des Staates gestanden habe. Sie sei damals „erheblich unterkapitalisiert“ und ihre Bilanz „offensichtlich unausgewogen“ gewesen. Ihr Eigenkapital habe sich auf 24,2 Mrd. FRF belaufen, ihre Darlehensverbindlichkeiten auf 131,9 Mrd. FRF (d. h. ein Verhältnis Nettoverbindlichkeiten/Eigenkapital von 480 %) und ihr Nettovermögen auf 696,4 Mrd. FRF.

157    Daher habe der Staat das Eigenkapital des öffentlichen Unternehmens aufstocken und das zwischen ihm und der EDF vorhandene finanzielle Gleichgewicht ändern wollen, um die Situation der EDF an diejenige ihrer großen Wettbewerber auf dem europäischen Elektrizitätssektor anzugleichen und sie auf diese Weise auf den „Umbruch ihres wirtschaftlichen und regulatorischen Umfelds“ vorzubereiten. Der Staat habe sich somit wie ein umsichtiger privater Kapitalgeber verhalten, wobei dieser Begriff nach Maßgabe der ganz speziellen Merkmale des Wirtschaftssektors der EDF ausgelegt werden müsse.

158    Hierzu trägt die EDF vor, 1997 sei beschlossen worden, den vermögensrechtlichen Status des AVN zu klären und die bestehenden „Unklarheiten“ zu beseitigen und bei dieser Gelegenheit auch die von der französischen Cour des comptes beanstandete besondere Bilanzierung des AVN zu klären und gleichzeitig die Bilanz der EDF zu sanieren.

159    Diese beiden Ziele der Klärung des vermögensrechtlichen Status des AVN, einschließlich der damit verbundenen Konsequenzen für die Rechnungslegung, und der Sanierung der Bilanz der EDF seien im Unternehmensvertrag vom 8. April 1997 (vgl. oben, Randnr. 31) aufgeführt gewesen und „ohne jegliche Unklarheit“ im Rahmen der Vorarbeiten zum Gesetz Nr. 97-1026 dargelegt worden.

160    Unterstützt durch die Französische Republik macht die EDF im Wesentlichen geltend, dass die Neueinstufung der Ansprüche des Konzessionsgebers, die auf dem Gesetz Nr. 97-1026 beruhe, eine Kapitalerhöhung darstelle. Diese Auffassung habe die Französische Republik während des gesamten Verwaltungsverfahrens vertreten. Die Kommission habe das Vorbringen jedoch aus den zwei Gründen, die in den Erwägungsgründen 96 und 97 der angefochtenen Entscheidung aufgeführt seien, zurückgewiesen, ohne seine Begründetheit zu prüfen.

161    Somit sei deutlich geworden, dass die Kommission den wirtschaftlichen Charakter der Kapitalaufstockungsmaßnahme „offensichtlich nicht verstehe“. Sie habe daher den Begriff „staatliche Beihilfe“ verkannt und gegen Art. 87 EG verstoßen.

162    Die Kapitalaufstockungsmaßnahme ? in Form der unmittelbaren Umbuchung der Ansprüche des Konzessionsgebers vom Passivposten „Gegenwert der konzessionierten Vermögenswerte“ auf den Passivposten „Kapitalerhöhungen“ in Höhe von 14,119 Mrd. FRF am 31. Dezember 1996 ? sei durch wirtschaftlich und steuerlich „neutrale Mittel“ und „auf dem für den vorliegenden Fall natürlichsten Weg“ erfolgt, nämlich im Wege der Gesetzgebung, indem aus Gründen der Effizienz auf dasjenige Gesetz zurückgegriffen worden sei, das erforderlich gewesen sei, um die EDF als Eigentümerin des AVN ansehen zu können.

163    Diese buchhalterischen Anpassungen hätten schon ihrer Natur nach einer gesetzgeberischen Maßnahme bedurft. Die Kapitalerhöhung in Höhe des Gegenwerts der konzessionierten Sachwerte sei nämlich dem Bereich der Gesetzgebung zuzuordnen gewesen, da das Kapital der EDF in Art. 16 des Gesetzes Nr. 46-628 festgelegt sei und diese Vorschrift bestimme, dass es „im Eigentum der Nation steht“, „unveräußerlich ist“ und „im Fall von Betriebsverlusten aus den Ergebnissen der späteren Geschäftsjahre neu gebildet werden muss“. Gemäß Art. 1 des Dekrets Nr. 56-493 vom 14. Mai 1956 über die Kapitalerhöhungen der EDF und der GDF (JORF vom 19. Mai 1956, S. 4613) seien auf diese Kapitalerhöhungen die in Art. 16 des Gesetzes Nr. 46-628 aufgeführten Vorschriften anwendbar gewesen.

164    Die EDF macht, unterstützt durch die Französische Republik und in Übereinstimmung mit ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts, geltend, dass der Staat zwischen zwei Lösungen (von der EDF als „Kurzschema“ und „Langschema“ bezeichnet) habe wählen können, die zu völlig gleichwertigen Ergebnissen geführt hätten: entweder eine zusätzliche Kapitalerhöhung vorzunehmen, indem aufgrund des Gesetzes eine direkte Neuverbuchung eines Teils der Betriebsrücklagen für die Erneuerung des AVN im Rahmen der Steuerfreigrenze erfolgte, oder zunächst das Kapital der EDF um einen Nettobetrag nach Körperschaftsteuer zu erhöhen, der EDF eine Steuer in Höhe der Veränderung des Nettovermögens aufzuerlegen und eine zusätzliche Kapitalerhöhung in Höhe der entrichteten Steuer vorzunehmen.

165    Der Staat sei der Auffassung gewesen, dass die erste Lösung „wirtschaftlich logisch und finanziell genauso neutral“ wie die zweite Lösung sei. Dieses Vorgehen habe außerdem die Zustimmung der französischen Cour des comptes erhalten.

166    Aus dem Vorbringen der Kommission gehe eindeutig hervor, dass die Kommission das Kriterium des umsichtigen privaten Kapitalgebers angewandt hätte, wenn der Staat das Kapital unter Rückgriff auf die zweite Lösung erhöht hätte. Dies beweise, dass nur die Wahl des Mittels, das der Staat bei der Kapitalerhöhung verwendet habe, dazu geführt habe, dass die Kommission die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers grundsätzlich ausgeschlossen habe.

167    Aus dem 96. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung und aus den Schriftsätzen der Kommission gehe nämlich hervor, dass die Kommission die Wahl des Mittels beanstande, das der Staat bei der Kapitalerhöhung verwendet habe. Eine solche Argumentation sei jedoch „rein formalistisch und völlig irrelevant“.

168    Wenn die Kommission in der angefochtenen Entscheidung feststelle, sie könne „diese Argumente [zur Kapitalerhöhung] nur zurückweisen“, wobei sie geltend mache, dass das Kriterium des Privatanlegers „nur im Rahmen der Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten gelten kann und nicht im Rahmen der Ausübung von Regulierungsbefugnissen“, so sei dies zum einen eine Einmischung in nationale Verfahren, die gemeinschaftsrechtlich irrelevant seien, und zum anderen zeige es einen Formalismus, der dem Wettbewerbsrecht fremd sei.

169    Zwar habe der Staat bei der Kapitalerhöhung auf ein Mittel zurückgegriffen, das den Gesellschaften des bürgerlichen Rechts nicht zur Verfügung stehe, nämlich die Neuverbuchung der Rechte des Konzessionsgebers per Gesetz. Er habe jedoch nicht im Rahmen seiner Regulierungsbefugnisse oder seiner Vorrechte als öffentliche Gewalt gehandelt.

170    Erstens würde eine gegenteilige Auffassung den Umstand außer Acht lassen, dass der rechtliche Status und die Festlegung des Kapitals der EDF selbst gesetzlich geregelt seien.

171    Angesichts der besonderen Natur des Unternehmens sei der Staat verpflichtet, bei der Durchführung dieser Maßnahme auf das Gesetz zurückzugreifen. Da es eines Gesetzes bedürfe, um die EDF ab initio als Eigentümerin des AVN anzusehen, sei nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber davon hätte absehen sollen, die dem Unternehmensvertrag vom 8. April 1997 (vgl. oben, Randnr. 31) zugrunde liegende „Logik zu Ende zu führen“ und die Unternehmensbilanz durch Änderung von Art. 16 des Gesetzes Nr. 46-628 zu sanieren.

172    Zweitens habe der Staat sich hierbei in Wirklichkeit so verhalten, wie sich ein „umsichtiger Aktionär“ des Unternehmens unter normalen Marktbedingungen, die notwendigerweise anhand der verfügbaren objektiven und nachprüfbaren Faktoren zu ermitteln seien, verhalten würde (Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juli 2003, Chronopost u. a./Ufex u. a., C‑83/01 P, C‑93/01 P und C‑94/01 P, Slg. 2003, I‑6993, Randnr. 38).

173    Drittens habe die Kommission, indem sie dem französischen Staat a priori das Recht versage, das Kapital einer öffentlichen Einrichtung auf dem Weg zu erhöhen, den der Staat für den geeignetsten ansehe, außerdem einen Rechtsfehler in Form eines Verstoßes gegen Art. 295 EG begangen, der „die Neutralität des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten“ festlege.

174    Viertens sei, selbst wenn ein anderer Weg hätte gewählt werden können, der übertriebene Formalismus der Kommission nicht zu rechtfertigen, da die Kommission das Vorbringen zur Kapitalerhöhung des Unternehmens nicht näher erörtert und nur mit der Begründung zurückgewiesen habe, dass das Mittel, mit dem die Kapitalerhöhung durchgeführt worden sei, „grundsätzlich“ zu einer Einstufung der staatlichen Maßnahme als staatliche Beihilfe führe. Es sei jedoch ein zentraler Grundsatz der Gemeinschaftsrechtsprechung, dass die Form einer Maßnahme sich nicht auf deren etwaige Einstufung als staatliche Beihilfe auswirken dürfe.

175    Für die Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe sei es nach der Rechtsprechung völlig unerheblich, welche Form die Maßnahme habe und welche staatliche Stelle über die Maßnahme entscheide, da diese Überlegungen für die Prüfung nach Art. 87 Abs. 1 EG nicht relevant seien.

176    Außerdem habe die Kommission selbst festgestellt, dass sie bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt „die Vereinbarkeit der Beihilfen nicht ausgehend von deren Form, sondern anhand ihrer Wirkungen“ prüfe (Punkt 7 der Mitteilung 98/C 384/03 der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung [ABl. 1998, C 384, S. 3]). Daher habe die Kommission das Vorbringen, bei der Maßnahme handle es sich um eine Transaktion zur Kapitalerhöhung, nicht ohne weitere Prüfung allein aufgrund der Form der Maßnahme, d. h. des bei der Kapitalerhöhung verwendeten Mittels, zurückweisen dürfen.

177    Wenn es für die Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe unerheblich sei, in welcher Form die Maßnahme durchgeführt werde, könne sich die Kommission auch nicht ? und erst recht nicht als einziges Argument ? auf die Form berufen, um die gegen die Einstufung als staatliche Beihilfe angeführten Belege zurückzuweisen.

178    Fünftens habe die Kommission bereits in zahlreichen Verfahren festgestellt, dass eine Kapitaleinlage verschiedene Formen annehmen könne: Zeichnung von Unternehmensanleihen (Entscheidung 94/662/EG der Kommission vom 27. Juli 1994 über die Zeichnung von Air-France-Anleihen durch CDC‑Participations [ABl. L 258, S. 26]), Schuldenübernahme zwecks Kapitalaufstockung (Entscheidung 89/58/EWG der Kommission vom 13. Juli 1988 betreffend die Beihilfe der britischen Regierung an den Kraftfahrzeughersteller Rover Group [ABl. 1989, L 25, S. 92]), Umwandlung von Anleihen in Eigenkapital (Entscheidung 90/224/EWG der Kommission vom 24. Mai 1989 über die von der italienischen Regierung gewährten Beihilfen an Aluminia und Comsal, zwei staatseigene Unternehmen der Aluminiumindustrie [ABl. 1990, L 118, S. 42]), Umwandlung von Schulden in Beteiligungen, gleichgesetzt mit einer Kapitalzufuhr in derselben Höhe (Entscheidung 94/696/EG der Kommission vom 7. Oktober 1994 über die dem Unternehmen Olympic Airways vom griechischen Staat gewährten Beihilfen [ABl. L 273, S. 22]), „Rückbuchung“ von Rückstellungen für künftige Ausgaben im Zusammenhang mit Pensionszahlungen und ihre Umwandlung in eine Neubewertungsrücklage (Entscheidung C [2003] 2508 [vgl. oben, Randnr. 120]).

179    Außerdem habe die Kommission das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers bereits auf eine per Gesetz durchgeführte Maßnahme und somit auf eine Maßnahme, die auf der Ausübung von Hoheitsrechten beruhe, angewandt (Entscheidung 2000/648/EG der Kommission vom 21. Juni 2000 über die von Italien vorgesehene staatliche Beihilfe zugunsten des Unternehmens Siciliana Acque Minerali Srl [ABl. L 272, S. 36]).

180    Folglich könne der Umstand, dass eine Kapitalerhöhung per Gesetz durchgeführt werde, der Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers auf diese Maßnahme nicht entgegenstehen.

181    Die Kommission sei daher verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob die infolge des Gesetzes Nr. 97-1026 erlassenen Maßnahmen, wie vom französischen Staat vorgetragen, eine „Kapitalerhöhung, deren Modalitäten und Höhe berechtigt waren“, darstelle.

182    Im Übrigen habe der Gerichtshof festgestellt, dass für die Frage, ob eine staatliche Maßnahme eine Beihilfe darstelle, zu ermitteln sei, ob das begünstigte Unternehmen eine wirtschaftliche Vergünstigung erhalte, die es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (Urteil Chronopost u. a./Ufex u. a., oben in Randnr. 172 angeführt, Randnr. 38).

183    Die EDF macht geltend, dass dem Begriff „normale Marktbedingungen“ auch dann zentrale Bedeutung zukomme, wenn es darum gehe, den Grundsatz der Gleichbehandlung auf Maßnahmen zugunsten eines öffentlichen Unternehmens anzuwenden. Aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Unternehmen folge nämlich, dass Mittel, die der Staat einem Unternehmen unter Umständen, die den normalen Marktbedingungen entsprächen, unmittelbar oder mittelbar zur Verfügung stelle, nicht als staatliche Beihilfen anzusehen seien (Urteil des Gerichtshofs vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, Slg. 2002, I‑4397, Randnr. 69).

184    Nach der von der Kommission vertretenen Auffassung könnte sich die EDF nicht auf diese Rechtsprechung berufen, da die Umstände, unter denen die streitige Maßnahme getroffen worden sei, allein deshalb nicht den normalen Marktbedingungen entsprächen, weil der Rückgriff des Staates auf seine steuerlichen Befugnisse eine Sondermaßnahme sei. Zwar bestreite die EDF das nicht, doch dürfe die Einstufung als staatliche Beihilfe sich nicht auf diesen formalen Aspekt beschränken und somit auf eine inhaltliche Diskussion verzichten.

185    Außerdem bestätige das Urteil des Gerichtshofs vom 28. Januar 2003, Deutschland/Kommission (C‑334/99, Slg. 2003, I‑1139), auf das sich die Kommission in ihren Schriftsätzen berufe und dem zufolge zwischen den Verpflichtungen, die der Staat als Anteilseigner einer Gesellschaft zu übernehmen habe, und den Verpflichtungen, die ihm als Hoheitsträger oblägen, zu unterscheiden sei, in Wirklichkeit die Auffassung der EDF, da es voraussetze, dass das Verhalten des als Kapitalgeber handelnden Staates mit dem Verhalten eines unter normalen Marktbedingungen handelnden privaten Kapitalgebers verglichen werde. Die Kommission habe sich in der angefochtenen Entscheidung jedoch von vornherein geweigert, eine solche Prüfung vorzunehmen, und somit gegen den Grundsatz der Neutralität verstoßen.

186    In Erwiderung auf das Vorbringen der Kommission, es handle sich nur um ein „Steuergeschenk“ bzw. einen „Schuldenerlass“ zugunsten der EDF, macht diese geltend, dass auch ein privater Anteilseigner das Kapital einer Tochtergesellschaft erhöhen könne, indem er Forderungen in Kapital umwandle, und dieser Mechanismus sich, vom wirtschaftlichen Standpunkt betrachtet, der Sache nach mit dem von der Kommission beanstandeten „Schuldenerlass“ voll und ganz vergleichen lasse.

187    Eine Muttergesellschaft, die eine Forderung gegen ihre Tochtergesellschaft habe, könne beschließen, auf die Forderung zu verzichten, und der Tochtergesellschaft somit einen Vorteil verschaffen, den diese grundsätzlich versteuern müsse, wenn kein steuerlicher Verlustvortrag geltend gemacht werde. Nach der Versteuerung könne die Tochtergesellschaft den Betrag nach eigenem Ermessen für die Dividendenzahlung, die Bildung von Rücklagen usw. verwenden. Die Muttergesellschaft könne allerdings auch beschließen, eine Erhöhung des Kapitals der Tochtergesellschaft in Höhe des Forderungsbetrags vorzunehmen. Nach französischem Steuerrecht falle bei dem zuletzt genannten Mechanismus für die Tochtergesellschaft jedoch kein steuerbarer Gewinn an; dies wird von der Französischen Republik bestätigt.

188    Auch wenn sich dieser Mechanismus von der streitigen Kapitalerhöhungsmaßnahme aufgrund des verwendeten Mittels unterscheide, habe der Staat in der vorliegenden Rechtssache der Sache nach nur eine Maßnahme durchgeführt, die wirtschaftlich betrachtet mit einer Kapitalerhöhung durch Forderungsumwandlung gleichzusetzen sei. Dieser Mechanismus stehe jedoch auch einem privaten Unternehmen zur Verfügung.

189    Bei der Prüfung, ob „normale Marktbedingungen“ vorlägen, habe sich die Kommission daher nicht willkürlich auf die formale Prüfung des verwendeten Mittels beschränken dürfen; sie sei vielmehr verpflichtet gewesen, eine inhaltliche Prüfung durchzuführen, die die wirtschaftlichen Überlegungen hinter der Transaktion und ihren zeitlichen Kontext berücksichtigte, und sie habe ihre Beurteilung nicht auf eine spätere Situation stützen dürfen.

190    In seinem Urteil Chronopost u. a./Ufex u. a. (oben in Randnr. 172 angeführt, Randnr. 38) habe der Gerichtshof entschieden, dass die zwangsläufig hypothetischen „normalen Marktbedingungen“, da es unmöglich sei, die Situation von La Poste mit der einer privaten Unternehmensgruppe, die keine Monopolstellung habe, zu vergleichen, anhand der verfügbaren objektiven und nachprüfbaren Faktoren zu ermitteln seien.

191    In der Rechtssache Chronopost u. a./Ufex u. a. (Urteil oben in Randnr. 172 angeführt) sei es um einen Kostenvergleich gegangen, während im vorliegenden Fall die Marktbedingungen zu vergleichen seien, unter denen eine Kapitalerhöhung vorgenommen werde. Nach den Feststellungen im Urteil Chronopost u. a./Ufex u. a. seien die normalen Marktbedingungen jedoch anhand der verfügbaren objektiven und nachprüfbaren Faktoren zu ermitteln. Daher begehe die Kommission einen Rechtsfehler und verfälsche den Begriff „staatliche Beihilfe“, wenn sie sich unter dem rein formalen Vorwand des vom Staat bei der Kapitalerhöhung verwendeten Mittels dieser Prüfung „entziehe“.

192    Schließlich macht die EDF geltend, dass das Kriterium des privaten Kapitalgebers erfüllt gewesen wäre, wenn die Kommission es angewandt hätte.

193    Zur Stützung ihrer hierzu in der Klageschrift und der Erwiderung vorgetragenen Argumentation hat die EDF ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz der Französischen Republik den „Oxera Bericht“ beigefügt, der dem Gericht zusätzliche Prüfungselemente liefern soll, die ihm nach Auffassung der EDF die Feststellung ermöglichen, dass das Kriterium des privaten Kapitalgebers erfüllt gewesen wäre, wenn die Kommission es angewandt hätte.

194    Die Kommission ist der Auffassung, dass das Kriterium des privaten Kapitalgebers in der vorliegenden Rechtssache nicht angewandt werden könne.

195    Als der Staat die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 97-1026 erlassen habe, habe er im Rahmen seiner Regulierungsbefugnisse gehandelt, um der EDF einen Teil der fälligen Steuern zu erlassen. Er habe nicht als staatlicher Anteilseigner der EDF in der Absicht gehandelt, mit dem Unternehmen mittel- oder langfristige Gewinne zu erzielen.

196    Wäre dem Gedankengang der EDF zu folgen, müsste die Kommission dem Staat als Steuerbehörde erlauben, nach freiem Ermessen jegliche Form von „Diskriminierung“ mittels der ihm ? anders als privaten Kapitalgebern ? zur Verfügung stehenden steuerlichen Instrumente vorzunehmen. Private Kapitalgeber könnten nämlich erst nach Erfüllung ihrer Steuerverbindlichkeiten Investitionskapital aufbringen.

197    Die Kommission macht außerdem geltend, dass es zu einer „gefährlichen Situation“ käme, wenn sich der Staat, der als Regulierungsbehörde im Rahmen seiner steuerlichen Befugnisse handle, auf die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers berufen dürfte, da er dann behaupten könnte, dass die Bestimmungen über staatliche Beihilfen auf sämtliche Steuerbefreiungen zugunsten wirtschaftlich gesunder öffentlicher Unternehmen, die das Kriterium des privaten Kapitalgebers erfüllten, nicht angewandt werden könnten. Eine solche Situation führe zu einer „Diskriminierung von Unternehmen, die nicht das Glück haben, dass der Staat als ihr Anteilseigner und/oder Kapitalgeber in Erscheinung tritt“.

198    Folglich verstoße das Vorbringen der EDF gegen Art. 87 EG, da es diese Vorschrift jeglicher Wirksamkeit beraube, wie aus Erwägungsgrund 97 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe.

199    Die Argumentation der Klägerin beruhe auf der falschen Prämisse, dass das Kriterium des privaten Kapitalgebers auf die gesamte Transaktion anwendbar sei, d. h. nicht nur auf die angebliche Kapitalerhöhung, sondern auch auf den vorhergehenden Zeitraum, in dem der Staat als Finanzbehörde eingegriffen habe, um die „Steuerfreigrenze“ einzuführen, die die streitige Maßnahme bilde.

200    Wenn man das Verhalten des französischen Staates mit demjenigen eines privaten Kapitalgebers vergleichen müsste, hätte auf die Rücklagen, die die EDF rechtswidrig aus den Ansprüchen des Konzessionsgebers gebildet habe, zunächst die Körperschaftsteuer entrichtet werden müssen, bevor sie gegebenenfalls dem Kapital der EDF zugeführt worden wären. Nur durch die Besteuerung der Rücklagen hätte man eine Situation schaffen können, in der sich der französische Staat und ein privater Kapitalgeber „auf gleicher Augenhöhe“ befänden, was der Kommission ermöglicht hätte, einen Vergleich des Verhaltens des französischen Staates mit dem Verhalten eines privaten Wirtschaftsteilnehmers in Erwägung zu ziehen. Da diese Prämisse nicht erfüllt gewesen sei, habe die Kommission keinen solchen Vergleich anstellen können.

201    Wenn man nämlich den französischen Staat und einen privaten Kapitalgeber tatsächlich „auf gleicher Augenhöhe“ behandle, lasse sich nicht leugnen, dass ein „Steuergeschenk“ des „Staates als ‚Regulierungsgewalt‘“ nicht die gleichen Kosten verursache wie eine Investition des „Staates als ‚Kapitalgeber‘“. Wolle der Staat im ersten Fall einem Unternehmen 100 Euro gewähren, genüge es, wenn der Staat auf die Auferlegung dieses Betrags verzichte. Wolle dagegen ein privater Kapitalgeber einem Unternehmen den gleichen Betrag zukommen lassen, müssten u. a. die Steuern, die auf den Betrag anfielen, hinzugerechnet werden, damit das Unternehmen frei über den Betrag verfügen könne. Im vorliegenden Fall hätte auf den Betrag von 100 Euro folglich ein Körperschaftsteuersatz in Höhe von 41,66 % angewandt werden müssen. Somit hätte ein privater Kapitalgeber in Wirklichkeit 141,66 Euro aufbringen müssen, um 100 Euro einzubringen.

202    Die Beispiele, die die EDF zum Schuldenerlass einer Muttergesellschaft zugunsten ihrer Tochter vorgetragen habe, entstammten nicht dem Kontext der Hoheitsbefugnisse, sondern beträfen Instrumente, die einem privaten Kapitalgeber auf dem Markt zur Verfügung ständen: Es handle sich nämlich um kaufmännische und nicht um Steuerschulden. Daher sei die Unterscheidung nicht rein formal, denn für den Staat fielen notwendigerweise geringere Kosten an als für den privaten Kapitalgeber.

203    Aufgrund des Grundsatzes der Neutralität, der in Art. 295 EG in Bezug auf die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten festgelegt sei, dürfe die Kommission die öffentliche Gewalt weder bevorzugen noch benachteiligen, wenn diese Kapital in Unternehmen einbringe. Weder sie noch der Gerichtshof oder das Gericht hätten ihres Wissens jemals anerkannt, dass ein staatlicher Anteilseigner, der von seinen steuerlichen Sonderbefugnissen Gebrauch mache, mit einem privaten Kapitalgeber gleichzusetzen sei.

204    Der Umstand, dass „Steuergeschenke“ nicht akzeptiert werden könnten, sei nicht auf rein formale Erwägungen zurückzuführen, sondern dadurch gerechtfertigt, dass eine Beihilfe, rechtlich betrachtet, sowohl die Form einer direkten Subvention als auch eines Schuldenerlasses annehmen könne. Der Umstand, dass „Steuergeschenke“ a priori untersagt seien, sei ausschließlich auf die Anwendung des genannten und vom Gerichtshof anerkannten Grundsatzes der Neutralität zurückzuführen, dem zufolge „zwischen den Verpflichtungen zu unterscheiden [ist], die der Staat als Anteilseigner einer Gesellschaft zu übernehmen hat, und den Verpflichtungen, die ihm als Träger der öffentlichen Gewalt obliegen“ (Urteil Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 185 angeführt, Randnr. 134).

205    In jener Rechtssache habe sich die Frage gestellt, ob sich der „Staat als ‚Kapitalgeber‘“ erfolgreich auf das Kriterium des privaten Kapitalgebers berufen könne, um der Anwendung von Art. 87 Abs. 1 EG zu entgehen. Für eine erfolgreiche Geltendmachung des Kriteriums müsse nachgewiesen werden, dass der Staat unter Umständen gehandelt habe, die für einen privaten Kapitalgeber als normal angesehen würden. Der Gerichtshof habe in jenem Urteil jedoch daran erinnert, dass die Ausübung hoheitlicher Befugnisse keine normale Marktbedingung darstelle.

206    Außerdem habe die Generaldirektion Steuern in einem Vermerk vom 9. April 2002 festgestellt, dass „die Ansprüche des Konzessionsgebers in Bezug auf das [AVN] eine nicht bestehende Schuld darstellen, die die Einbeziehung in das Kapital auf ungerechtfertigte Weise von der Steuer befreit hat“. Hieraus gehe eindeutig hervor, dass es sich um ein „Steuergeschenk“ und nicht um eine Investition handle.

207    Entgegen dem Vorbringen der EDF habe die streitige Maßnahme mit einem Schuldenerlass, der durch Umwandlung von Schulden in Kapital eines Unternehmens erfolge, nichts gemein. Die EDF versuche zu Unrecht, die Diskussion darauf zu reduzieren, dass die Kommission eine rein formale Lösung vertrete, ohne die wirtschaftlichen Überlegungen hinter der Transaktion geprüft zu haben.

208    Die Kommission ruft in Erinnerung, dass mit der Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers das Ziel verfolgt werde, im Hinblick auf die korrekte Anwendung der Bestimmungen des EG-Vertrags im Bereich staatlicher Beihilfen jegliche „Diskriminierung“ zwischen staatlichen und privaten Unternehmen zu vermeiden. Nach ständiger Rechtsprechung sei „das Kriterium des Verhaltens eines unter normalen Marktbedingungen handelnden umsichtigen Privatanlegers eine Ausprägung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von öffentlichem und privatem Sektor …, wonach Mittel, die der Staat einem Unternehmen direkt oder indirekt unter normalen Marktbedingungen zur Verfügung stellt, nicht als staatliche Beihilfen anzusehen sind“ (Urteil Frankreich/Kommission, oben in Randnr. 183 angeführt, Randnr. 69, und Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2000, Alitalia/Kommission, T‑296/97, Slg. 2000, II‑3871, Randnr. 80).

209    Somit stehe im Rahmen der Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers zwar außer Zweifel, dass der Staat einem Unternehmen Kapital zur Verfügung stellen könne, doch sei eine solche Transaktion nur dann nicht als staatliche Beihilfe anzusehen, wenn die Transaktion „unter normalen Marktbedingungen“ erfolge.

210    Aus dieser Rechtsprechung gehe klar hervor, dass das Kriterium des privaten Kapitalgebers nur anwendbar sei, wenn die Umstände, unter denen der Staat handle, mit denen vergleichbar seien, die normalen Marktbedingungen entsprächen. Darüber hinaus könne aus der Rechtsprechung gefolgert werden, dass die vom Staat verwendeten Mittel Bestandteil der genannten Umstände seien. Dies gelte umso mehr, wenn Natur und Merkmale der verwendeten Mittel einem privaten Kapitalgeber, der unter normalen Marktbedingungen handle, nicht zur Verfügung stünden.

211    Außerdem habe eine Steuerbefreiung naturgemäß Wirkungen, die sich von der Rolle des Staates als einzigem Inhaber der hoheitlichen Befugnis, Steuergelder einzutreiben und neu zu verteilen, nicht trennen ließen. Da diese Befugnis der „reinste Ausdruck der öffentlichen Gewalt“ sei, finde ihre Ausübung ? Besteuerung oder Befreiung ? keine Entsprechung bei einem privaten Kapitalgeber.

212    Was das Urteil Chronopost u. a./Ufex u. a. (oben in Randnr. 172 angeführt) betreffe, erscheine es widersprüchlich, einerseits geltend zu machen, dass die Kommission in der vorliegenden Rechtssache das Kriterium des privaten Kapitalgebers anwenden müsse, und andererseits auf jenes Urteil zu verweisen, in dem der Gerichtshof mangels Vergleichbarkeit eine Lösung vertreten habe, die zu derjenigen der normalen Marktbedingungen im diametralen Gegensatz stehe. Nur der Staat könne gleichzeitig als Steuerbehörde und als Kapitalanleger handeln.

213    Schließlich macht die Kommission hilfsweise geltend, dass die streitige Maßnahme das Kriterium des privaten Kapitalanlegers jedenfalls nicht erfüllt hätte, selbst wenn es angewandt worden wäre.

214    In Beantwortung der schriftlichen Fragen des Gerichts bestätigt die Kommission im Wesentlichen zum einen ihre Auffassung, dass sie das Kriterium des privaten Kapitalanlegers nicht habe anwenden dürfen, und zum anderen, dass der „Oxera Bericht“ nicht berücksichtigt werden dürfe, u. a., weil die EDF den Bericht zu spät eingereicht habe.

215    Im Übrigen hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung einige zusätzliche Argumente vorgetragen.

216    Sie hat zunächst geltend gemacht, dass kein privater Kapitalgeber diese Geldmittel zu den gleichen Kosten hätte aufbringen können. Daher gebe es jedenfalls keinen privaten Referenzkapitalgeber.

217    In Erwiderung auf das Vorbringen der EDF und der Französischen Republik, die Kosten im Zusammenhang mit der Anwendung der beiden dem Staat verfügbaren Lösungen (vgl. oben, Randnr. 164) seien gleich hoch, hat die Kommission vorgetragen, dass beim „Langschema“ andere Kosten entstünden. Beim „Langschema“ hätte die EDF nämlich zunächst die geschuldeten Steuern entrichtet; daher wäre die Beurteilung des finanziellen Wertes bei der Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers anders ausgefallen. Folglich hätte die Anwendung des „Langschemas“ ? wahrscheinlich ? zu anderen Ergebnissen geführt, wenn das Kriterium des privaten Kapitalgebers angewandt worden wäre.

218    Schließlich hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, der Steuerbetrag hätte erst ? selbst wenn dies nur für einen kurzen Zeitraum erfolgt wäre ? dem Staat gezahlt werden müssen, bevor er der EDF zugutekam, und die geschuldete Steuer hätte in der Bilanz der EDF erscheinen müssen.

219    Falls das Gericht dem Vorbringen folge, dass die streitige Maßnahme eine Kapitalanlage in Form einer Kapitalerhöhung darstelle, die unter Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers hätte geprüft werden müssen, was die Kommission bestreite, müsse das Gericht die angefochtene Entscheidung wegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers für nichtig erklären, ohne zu prüfen, ob das Verhalten des französischen Staates das Kriterium erfülle, da diese zweite Stufe der Prüfung der streitigen Maßnahme in der Entscheidung erfolgen müsse, die die Kommission nach dem Urteil, das die angefochtene Entscheidung für nichtig erkläre, zu erlassen hätte. Das Gericht dürfe diese Frage nämlich nicht prüfen, da eine solche Prüfung nicht in die Zuständigkeit des Gemeinschaftsrichters falle.

220    In der mündlichen Verhandlung hat Iberdrola u. a. auf die Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache C‑280/00, Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (Slg. 2003, I‑7747, I‑7788), verwiesen und geltend gemacht, dass das Kriterium eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers grundsätzlich nicht angewandt werden dürfe, wenn ein Staat unter Ausübung seiner Sonderrechte als öffentliche Gewalt eine Beihilfe gewähre. Nach Auffassung der Streithelferin soll die Anwendung des Kriteriums die Gleichbehandlung zwischen öffentlichen Unternehmen und Privatunternehmen gewährleisten. Würde man das Kriterium auf die Umwandlung einer Steuerschuld in eine Kapitaleinlage anwenden, so würde öffentlichen Unternehmen ein Vorteil gewährt, den Privatunternehmen niemals erhalten könnten. Somit würde die Gleichbehandlung aufgrund der Form der gewährten Beihilfe zugunsten öffentlicher Unternehmen ausgesetzt. Der formale Aspekt sei daher entscheidend, und in einem solchen Fall könne das Kriterium des privaten Kapitalgebers niemals angewandt werden.

–       Würdigung durch das Gericht

221    Art. 87 EG soll verhindern, dass der Handel zwischen Mitgliedstaaten durch von staatlichen Stellen gewährte Vergünstigungen beeinträchtigt wird, die in unterschiedlicher Form durch Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Der Begriff der Beihilfe kann daher nicht nur positive Leistungen wie Subventionen, Darlehen oder Beteiligungen am Kapital von Unternehmen umfassen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen verringern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2003, Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission, C‑328/99 und C‑399/00, Slg. 2003, I‑4035, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Bei der Würdigung einer Maßnahme im Hinblick auf Art. 87 EG müssen alle maßgeblichen Aspekte und ihr Kontext berücksichtigt werden (Urteil Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 270).

222    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können Kapitalzuweisungen der öffentlichen Hand, in welcher Form auch immer, an Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstellen, wenn alle Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 1 EG erfüllt sind (vgl. Urteil Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission, oben in Randnr. 221 angeführt, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies ist jedoch gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Unternehmen nicht der Fall, wenn die Mittel, die der Staat einem Unternehmen unmittelbar oder mittelbar zur Verfügung stellt, unter Umständen gewährt werden, die den normalen Marktbedingungen entsprechen (vgl. Urteil Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission, oben in Randnr. 221 angeführt, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

223    Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass der Gerichtshof auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen zwischen zwei Kategorien von Sachverhalten unterscheidet: denjenigen, in denen die staatliche Intervention wirtschaftlichen Charakter hat, und denjenigen, in denen die staatliche Intervention zu den Hoheitsakten zählt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 14. September 1994, Spanien/Kommission, C‑278/92 bis C‑280/92, Slg. 1994, I‑4103, Randnr. 22, und Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 185 angeführt, Randnr. 134, Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, oben in Randnr. 220 angeführt, Nr. 20).

224    Das Kriterium des privaten Wirtschaftsteilnehmers wird nur auf die erste Sachverhaltskategorie angewandt, zu der die Fälle zählen, in denen staatliche Stellen sich am Kapital eines Unternehmens beteiligen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 10. Juli 1986, Belgien/Kommission, 234/84, Slg. 1986, 2263, Randnr. 14, Tubemeuse, oben in Randnr. 94 angeführt, Randnr. 26, und vom 21. März 1991, Italien/Kommission, „Alfa Romeo“, C‑305/89, Slg. 1991, I‑1603, Randnr. 19), bestimmten Unternehmen ein Darlehen gewähren (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 14. Februar 1990, Frankreich/Kommission, „Boussac“, C‑301/87, Slg. 1990, I‑307, Randnrn. 38 bis 41, und des Gerichts vom 30. April 1998, Cityflyer Express/Kommission, T‑16/96, Slg. 1998, II‑757, Randnrn. 8 und 51), eine staatliche Bürgschaft stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Juni 2000, EPAC/Kommission, T‑204/97 und T‑270/97, Slg. 2000, II‑2267, Randnrn. 67 und 68), Güter oder Dienstleistungen auf dem Markt veräußern (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 2. Februar 1988, Van der Kooy u. a./Kommission, 67/85, 68/85 und 70/85, Slg. 1988, 219, Randnrn. 28 bis 30, vom 29. Februar 1996, Belgien/Kommission, C‑56/93, Slg. 1996, I‑723, Randnr. 10, und vom 11. Juli 1996, SFEI u. a., C‑39/94, Slg. 1996, I‑3547, Randnrn. 59 bis 62) oder Zahlungserleichterungen für Sozialversicherungsbeiträge (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 1999, Spanien/Kommission, C‑342/96, Slg. 1999, I‑2459, Randnr. 46) oder für die Rückzahlung von Abgaben auf Löhne und Gehälter gewähren. In Fällen dieser Art ist das Kriterium des privaten Wirtschaftsteilnehmers maßgebend, da sich ein privater Wirtschaftsteilnehmer mit Erwerbszweck zumindest grundsätzlich so verhalten könnte wie der Staat (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, oben in Randnr. 220 angeführt, Nrn. 20 ff.).

225    Das Kriterium des privaten Wirtschaftsteilnehmers ist hingegen nicht maßgebend, wenn die staatliche Intervention keinen wirtschaftlichen Charakter hat. Das ist der Fall, wenn die staatlichen Stellen einem Unternehmen eine direkte Subvention zahlen, eine Steuererleichterung gewähren (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 15. März 1994, Banco Exterior de España, C‑387/92, Slg. 1994, I‑877, Randnr. 14, vom 19. Mai 1999, Italien/Kommission, C‑6/97, Slg. 1999, I‑2981, Randnr. 16, und vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, Slg. 2000, I‑6857, Randnrn. 25 bis 28) oder eine Minderung der Soziallasten einräumen (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Juni 1999, Belgien/Kommission, C‑75/97, Slg. 1999, I‑3671, Randnrn. 24 und 25, und des Gerichts vom 27. Januar 1998, Ladbroke Racing/Kommission, T‑67/94, Slg. 1998, II‑1, Randnr. 110).

226    In Fällen dieser Art kann die Intervention des Staates nicht von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer mit Erwerbszweck vorgenommen werden, sondern zählt ? wie die Steuerpolitik oder die Sozialpolitik ? zu den staatlichen Hoheitsakten (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, oben in Randnr. 220 angeführt, Nrn. 20 ff.).

227    Dies gilt auch für Belastungen des Staates, die sich aus der Entlassung von Arbeitnehmern, der Zahlung von Arbeitslosenunterstützung und anderen Sozialleistungen ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 21. Januar 1999, Neue Maxhütte Stahlwerke und Lech-Stahlwerke/Kommission, T‑129/95, T‑2/96 und T‑97/96, Slg. 1999, II‑17, Randnr. 119), sowie für Beihilfen für die Wiederherstellung der industriellen Struktur, staatliche Darlehen zu ungewöhnlichen Bedingungen oder die Kosten der Sanierung eines Standorts zwecks Errichtung eines Technologieparks (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 1994, Spanien/Kommission, oben in Randnr. 223 angeführt, Randnr. 22, und vom 28. Januar 2003, Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 185 angeführt, Randnr. 140; Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission, T‑198/01, Slg. 2004, II‑2717, Randnr. 108).

228    Die staatlichen Interventionen, die hoheitliche Pflichten des Staates erfüllen sollen, können nämlich nicht mit den Interventionen eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers verglichen werden.

229    Bei der Prüfung, ob die vom Staat getroffenen Maßnahmen unter die Ausübung seiner hoheitlichen Befugnisse fallen oder sich aus den Verpflichtungen ergeben, die er als Anteilseigner zu erfüllen hat, sind diese Maßnahmen nicht anhand ihrer Form, sondern anhand ihrer Natur, ihres Gegenstands sowie der für sie geltenden Vorschriften zu beurteilen, wobei zu berücksichtigen ist, welches Ziel mit den fraglichen Maßnahmen verfolgt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 19. Januar 1994, SAT Fluggesellschaft, C‑364/92, Slg. 1994, I‑43, Randnr. 30).

230    Befindet sich das Gesellschaftskapital eines Unternehmens im Besitz der öffentlichen Hand, ist daher insbesondere zu prüfen, ob ein privater Kapitalgeber von vergleichbarer Größe wie die Einrichtungen des öffentlichen Sektors in einer vergleichbaren Lage im Hinblick auf die Rentabilitätsaussichten, unabhängig von allen sozialen oder regionalpolitischen Überlegungen oder Erwägungen einer sektorbezogenen Politik, eine Kapitalhilfe dieses Umfangs gewährt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 10. Juli 1986, Belgien/Kommission, oben in Randnr. 224 angeführt, Randnr. 14, und Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission, oben in Randnr. 221 angeführt, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

231    Schließlich stellt der Umstand, dass das Verhalten des staatlichen Anteilseigners am Maßstab des umsichtigen privaten Kapitalgebers gemessen wird, dieser Maßstab aber nicht an das Verhalten eines beliebigen privaten Kapitalgebers angelegt wird, keine Durchbrechung der Gleichbehandlung des Staates und eines solchen privaten Kapitalgebers dar, da sich der staatliche Anteilseigner nicht in der gleichen Lage wie der private Kapitalgeber befindet. Anders als der private Kapitalgeber, der sich nur auf seine eigenen Mittel stützen kann, um seine Investitionen zu finanzieren, hat der Staat nämlich Zugang zu finanziellen Mitteln, die aus der Ausübung hoheitlicher Befugnisse fließen, insbesondere zu Steuermitteln (Urteil Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnrn. 271 und 272).

232    Daher kann es der bloße Umstand, dass der Staat Zugang zu finanziellen Mitteln aus der Ausübung hoheitlicher Befugnisse hat, für sich genommen nicht rechtfertigen, das Vorgehen des Staates als Ausdruck seiner hoheitlichen Befugnisse anzusehen. Andernfalls bestünde nämlich die Gefahr, die Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers auf das Verhalten des staatlichen Anteilseigners jeglicher Relevanz zu berauben oder zumindest unverhältnismäßig zu reduzieren, da der Staat als solcher zwangsläufig Zugriff auf Finanzmittel hat, die aus der Ausübung hoheitlicher Befugnisse fließen, insbesondere auf Steuermittel.

233    Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist unter Berücksichtigung der Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen, ob die staatliche Beteiligung oder Intervention zugunsten des Kapitals des begünstigten Unternehmens einem wirtschaftlichen Ziel dient, das auch ein privater Kapitalgeber verfolgen könnte, und somit vom Staat als Wirtschaftsteilnehmer auf der gleichen Grundlage wie von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer vorgenommen wird, oder ob sie durch die Verfolgung eines öffentlichen Interesses gerechtfertigt und daher als Form der Intervention des Staates als Träger der öffentlichen Gewalt anzusehen ist, so dass das Verhalten des Staates nicht mit dem Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers oder Kapitalgebers verglichen werden kann.

234    Somit kann eine staatliche Intervention, die angesichts ihrer Natur und ihres Gegenstands und unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Ziels keine Investition darstellt, die von einem privaten Kapitalgeber vorgenommen werden kann, eine Intervention des Staates als Träger der öffentlichen Gewalt sein, so dass die Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers ausgeschlossen ist.

235    Stellt die staatliche Intervention hingegen angesichts ihrer Natur und ihres Gegenstands und unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Ziels eine mit der Investition eines privaten Kapitalgebers vergleichbare Investition dar, ist die Intervention unter Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers zu prüfen. Bei dieser Prüfung ist danach zu fragen, ob ein solcher privater Kapitalgeber in einer vergleichbaren Lage im Hinblick auf die Rentabilitätsaussichten eine Kapitalhilfe desselben Umfangs gewährt hätte, und zwar unabhängig von der Form der staatlichen Intervention und vom Umstand, dass der Staat Zugang zu Mitteln hat, die aus der Ausübung hoheitlicher Befugnisse fließen, z. B. zu Steuermitteln, zu denen ein privater Kapitalgeber keinen Zugang hat.

236    Mit anderen Worten ist die Maßnahme nicht anhand ihrer bloßen Form, sondern anhand ihrer Natur, ihres Gegenstands und ihrer Ziele zu prüfen; demnach sind alle ihre Elemente in ihrer Gesamtheit zu beurteilen, und es ist der Kontext zu berücksichtigen, in den die Maßnahme eingebettet ist.

237    Folglich reicht der Umstand, dass eine staatliche Intervention in Form eines Gesetzes erfolgt, für sich genommen nicht aus, um auszuschließen, dass der staatliche Eingriff in das Kapital eines Unternehmens einem wirtschaftlichen Ziel dient, das auch ein privater Kapitalgeber verfolgen könnte.

238    In der vorliegenden Rechtssache steht fest, dass die Französische Republik 1997 alleinige Aktionärin der EDF war.

239    Vor dem Erlass des Gesetzes Nr. 97-1026 war die Bilanz der EDF folgendermaßen strukturiert:

–        Auf der Aktivseite war der Posten „Konzessionierte Sachanlagen“ in Höhe von 285,7 Mrd. FRF verbucht, wovon ungefähr 90 Mrd. FRF auf das AVN entfielen.

–        Die Passivseite enthielt zum einen den Posten „Rückstellungen“, der ungefähr 38,5 Mrd. FRF für das AVN beinhaltete und sich auf Ausgaben für künftig zu realisierende Erneuerungen bezog, und zum anderen den Posten „Gegenwert der konzessionierten Vermögenswerte“, der sich auf Ausgaben für die tatsächlich realisierten Erneuerungen bezog. Dieser Posten, der eine Verbindlichkeit der EDF gegenüber dem Staat betraf, belief sich vor Erlass des Gesetzes Nr. 97-1026 auf 145,2 Mrd. FRF, wovon 18,3 Mrd. FRF auf das AVN entfielen.

240    Es steht fest, dass die Französische Republik durch das Gesetz Nr. 97-1026 die Bilanz der EDF sanierte und das Unternehmenskapital aufstockte. So wurden infolge dieser Maßnahme erstens die Vermögenswerte, die das AVN bildeten, in Höhe von 90,325 Mrd. FRF in „Eigene Vermögenswerte“ des Unternehmens umgestuft. Zweitens wurden die nicht verwendeten Rückstellungen für die Erneuerung des AVN in Höhe von 38,521 Mrd. FRF als einbehaltener Gewinn eingestuft, ohne in der Gewinn- und Verlustrechnung verbucht zu werden, und in Höhe von 20,225 Mrd. FRF als Verlustvortrag neu verbucht; der Saldo des auf diese Weise bereinigten Kontos wurde in Höhe von 18,296 Mrd. FRF den Rücklagen zugewiesen. Diese Umbuchungen führten zu einer Besteuerung gemäß Art. 38 Abs. 2 des Code général des impôts. Drittens wurden die „Ansprüche des Konzessionsgebers“ ? d. h. der „Gegenwert der konzessionierten Vermögenswerte“ ? in Höhe von 14,119 Mrd. FRF (der Gesamtbetrag belief sich auf 18,345 Mrd. FRF) außerhalb der Erfolgsrechnung direkt unter dem Posten „Kapitalerhöhungen“ verbucht; der Saldo wurde auf verschiedene Wertberichtigungskonten verteilt.

241    Die Kommission hat allein die unterbliebene Besteuerung der „Ansprüche des Konzessionsgebers“ vor der Kapitalerhöhung als staatliche Beihilfe angesehen. Sie hat hingegen weder den Umstand, dass die EDF rückwirkend ab 1956 als Eigentümerin des AVN angesehen wurde, noch die Umbuchung der nicht verwendeten Rückstellungen ab dem Zeitpunkt, an dem sie steuerpflichtig wurden, noch die Kapitalaufstockung in Höhe von 14,119 Mrd. FRF als staatliche Beihilfe angesehen.

242    Alle Beteiligten sind sich einig, dass auf den Betrag von 14,119 Mrd. FRF vor seiner Verbuchung unter dem Posten „Kapitalerhöhung“ eine Steuer zu entrichten gewesen wäre. Unabhängig von der Richtigkeit dieser Beurteilung ist folglich festzustellen, dass die Beteiligten die Steuerregelung, die auf die Ansprüche des Konzessionsgebers grundsätzlich anzuwenden gewesen wäre, nicht in Frage stellen.

243    Art. 4 des Gesetzes Nr. 97-1026 dient jedoch dem Ziel, die Bilanz der EDF zu sanieren und deren Eigenmittel zu erhöhen. Folglich sind die Bestimmungen an sich nicht steuerrechtlicher Natur, sondern es handelt sich um Rechnungslegungsvorschriften, die steuerliche Auswirkungen haben. Dies geht auch aus dem Schreiben hervor, das der Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie, der Staatssekretär für den Haushalt und der Staatssekretär für die Industrie am 22. Dezember 1997 an die EDF richteten.

244    Im Übrigen hat die Kommission nur die steuerlichen Auswirkungen von Art. 4 des Gesetzes Nr. 97-1026 geprüft und darauf hingewiesen, dass es ihr nicht obliege, die nach den gesetzlichen Bestimmungen vorgenommene Kapitalerhöhung und das Vorbringen, mit dem die Französische Republik die wirtschaftlichen Überlegungen hinter der gesamten Transaktion zu rechtfertigen suche, zu berücksichtigen.

245    Die Kommission rechtfertigt ihre Auffassung mit der steuerlichen Natur des von ihr festgestellten Vorteils und beruft sich ? sowohl in der angefochtenen Entscheidung als auch in ihren Schriftsätzen und Antworten auf die Fragen des Gerichts ? darauf, dass das Kriterium des privaten Kapitalgebers nicht auf eine Kapitalerhöhung angewandt werden könne, die durch den Erlass einer Steuerschuld erfolge, da ein solcher Schuldenerlass auf der Ausübung der Regulierungs- oder hoheitlichen Befugnisse des Staates beruhe.

246    Folglich ist zu prüfen, ob sich ein Mitgliedstaat, der Steuergläubiger eines öffentlichen Unternehmens und gleichzeitig dessen einziger Anteilseigner ist, wirksam auf die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers berufen kann, wenn er das Unternehmenskapital durch Erlass der Steuerschuld erhöht, oder ob die Kommission angesichts der steuerlichen Natur der Forderung und des Umstands, dass der Staat beim Erlass der Steuerschuld von seinen hoheitlichen Befugnissen Gebrauch machte, berechtigt war, die Anwendung dieses Kriteriums auf die streitige Kapitalerhöhung auszuschließen.

247    Angesichts des Ziels des Gesetzes Nr. 97-1026, das Kapital der EDF zu erhöhen, darf sich die Kommission nicht allein aufgrund der steuerlichen Natur der Forderung des französischen Staats gegen die EDF und des Umstands, dass sich der französische Staat eines Gesetzes bediente, weigern zu prüfen, ob ein privater Kapitalgeber in einer vergleichbaren Lage hätte veranlasst sein können, eine Kapitalerhöhung desselben Umfangs vorzunehmen, und ob der Staat das Kapital folglich unter Bedingungen erbrachte, die den normalen Marktbedingungen entsprechen.

248    Somit kann die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil die Erhöhung des Kapitals der EDF darauf beruht, dass der Staat gegenüber der EDF auf eine Steuerforderung verzichtete.

249    In einer solchen Situation hatte die Kommission nämlich zu prüfen, ob ein privater Kapitalgeber in einer vergleichbaren Lage eine Investition vergleichbaren Umfangs vorgenommen hätte, unabhängig von der Form der staatlichen Intervention zur Erhöhung des Kapitals der EDF und von einer etwaigen Verwendung von Steuermitteln in diesem Zusammenhang; sie hatte somit die wirtschaftlichen Überlegungen hinter der Investition zu prüfen und mit dem Verhalten zu vergleichen, das ein privater Kapitalgeber im Hinblick auf das gleiche Unternehmen in der gleichen Lage an den Tag gelegt hätte.

250    Die Verpflichtung der Kommission zur Prüfung der Frage, ob die Kapitaleinlage des Staates unter Umständen erfolgte, die den normalen Marktbedingungen entsprechen, besteht nämlich unabhängig von der Form, in der die Kapitaleinlage des Staates erbracht wird, und unabhängig davon, ob sie mit der Form vergleichbar ist, die ein privater Kapitalgeber hätte verwenden können.

251    Die Beurteilung der normalen Marktbedingungen stützt sich auf eine vergleichende wirtschaftliche Analyse der Investition des Staates. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob ein privater Kapitalgeber mit vergleichbaren finanziellen und Rentabilitätsaussichten eine Investition in gleicher Höhe getätigt hätte. Die Form, in der die Investition erfolgt, sei es durch direkte Kapitalerhöhung mit Hilfe von Steuermitteln oder Mitteln aus Staatsanleihen oder sei es durch Umwandlung von Schulden in Kapital, ist nämlich unerheblich. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass die Form der Investition Unterschiede bei den Kosten, die mit der Aufbringung des Kapitals verbunden sind, und der Kapitalrendite bewirkt, so dass man zu dem Ergebnis gelangen könnte, dass ein privater Kapitalgeber eine solche Investition unter vergleichbaren Bedingungen nicht getätigt hätte. Dies setzt jedoch eine wirtschaftliche Prüfung im Rahmen der Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers voraus, auf die die Kommission im vorliegenden Fall bewusst verzichtet hat.

252    Eine solche Prüfung war aber in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falls gerechtfertigt, da zum einen, wie die EDF und die Französische Republik zu Recht vorgetragen haben, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte, eine Kapitalerhöhung durch Einbringung der Forderung eines privaten Aktionärs gegen ein Unternehmen erfolgen kann und im vorliegenden Fall nach französischem Recht zulässig ist und zum anderen der hierbei erfolgte Rückgriff auf ein Gesetz als notwendige Folge des von der Kommission nicht bestrittenen Umstands angesehen werden konnte, dass die Regeln über das Kapital der EDF selbst gesetzlich festgelegt waren. Dieser Umstand, der die Natur der streitigen Maßnahme betrifft, konnte nämlich im vorliegenden Fall die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers nicht in Frage stellen.

253    Da die streitige Maßnahme in ihrem Zusammenhang zu würdigen war, durfte die Kommission sich somit nicht darauf beschränken, die steuerlichen Auswirkungen der von der Französischen Republik erlassenen Bestimmungen zu prüfen, ohne gleichzeitig die Begründetheit des Vorbringens der Französischen Republik zu prüfen (und das Vorbringen gegebenenfalls nach Prüfung zu verwerfen), dem zufolge der Verzicht auf die Steuerforderung im Rahmen der Sanierung der Bilanz und der Erhöhung des Kapitals der EDF, die das Ziel von Art. 4 des Gesetzes Nr. 97-1026 darstellte, als Transaktion angesehen werden konnte, die das Kriterium des privaten Kapitalgebers erfüllte.

254    Insoweit kann erstens dem Vorbringen der Kommission nicht gefolgt werden, angesichts des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Deutschland/Kommission (C‑334/99, oben in Randnr. 185 angeführt) könne das Kriterium des privaten Kapitalgebers nicht angewandt werden, da der französische Staat in der vorliegenden Rechtssache seine hoheitlichen Befugnisse durch Rückgriff auf ein Gesetz ausgeübt habe, um auf eine Steuerforderung zu verzichten, und sich daher nicht wie ein privater Aktionär verhalten habe.

255    Zwar geht aus der Rechtsprechung hervor, dass bei der Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers zwischen den Verpflichtungen, die der Staat als Eigentümer der Anteile einer Gesellschaft zu übernehmen hat, und den Verpflichtungen zu unterscheiden ist, die ihm als Träger der öffentlichen Gewalt obliegen können (Urteil vom 28. Januar 2003, Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 185 angeführt, Randnr. 134).

256    Insbesondere ergibt sich aus den Urteilen, in denen dieses Kriterium angewandt worden ist (Urteile vom 14. September 1994, Spanien/Kommission, oben in Randnr. 223 angeführt, vom 28. Januar 2003, Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 185 angeführt, und Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission, oben in Randnr. 227 angeführt), dass es sich in den fraglichen Rechtssachen um Verpflichtungen handelte, die dem Staat in seiner Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt oblagen, und es daher nicht möglich war, das Kriterium des privaten Kapitalgebers auf die damit verbundenen Belastungen anzuwenden. Diese Belastungen betrafen nämlich Kosten, die sich aus der Entlassung von Arbeitnehmern ergaben, die Zahlung von Arbeitslosenunterstützung, Beihilfen für die Wiederherstellung der industriellen Struktur, staatliche Darlehen zu ungewöhnlichen Bedingungen und schließlich die Sanierung eines Standorts zwecks Errichtung eines Technologieparks. Bei der Würdigung der Kosten der Liquidation eines Unternehmens, verglichen mit den Kosten seiner Übernahme, konnten diese Belastungen daher nicht berücksichtigt werden, da sie auf Verpflichtungen beruhten, die einem privaten Kapitalgeber nicht obliegen würden.

257    Im Gegensatz zu den oben in Randnr. 256 beschriebenen Fällen bestand jedoch in der vorliegenden Rechtssache, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung anerkannt hat, genau genommen keine Verpflichtung, die der Staat als Träger der öffentlichen Gewalt im Sinne dieser Rechtsprechung zu erfüllen hatte, und es ging nicht um die Beurteilung bestimmter Kosten, die dem Staat aufgrund seiner Verpflichtungen als Träger der öffentlichen Gewalt oblagen.

258    Wenn nämlich ? wie in der vorliegenden Rechtssache ? der Staat als einziger Aktionär eines Unternehmens eine Erhöhung des Unternehmenskapitals vornimmt, um u. a. Unausgewogenheiten in der Unternehmensbilanz zu beheben, verhält er sich so, wie sich auch ein privater Kapitalgeber verhalten könnte, und es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass er ein Ziel verfolgt, das dem Ziel eines solchen privaten Kapitalgebers vergleichbar ist. Um festzustellen, ob dies der Fall war, was die Einstufung der streitigen Maßnahme als Beihilfe ausschließen würde, muss ? was die Kommission abgelehnt hat ? geprüft werden, ob das Kriterium des privaten Kapitalgebers erfüllt ist.

259    In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass zum einen Art. 4 des Gesetzes Nr. 97-1026 dem Ziel diente, die Bilanz der EDF zu sanieren und ihr Eigenkapital zu erhöhen, woraus sich entnehmen lässt, dass der Staat ein Investitionsziel verfolgte, das dem Ziel eines privaten Kapitalgebers vergleichbar war, und dass zum anderen der Umstand, dass die fragliche Kapitalerhöhung teilweise auf dem Erlass einer Steuerforderung beruhte und somit steuerliche Auswirkungen hatte, es für sich genommen nicht rechtfertigen konnte, die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers auszuschließen. Unter diesen Umständen und angesichts der Tatsache, dass der Erlass eines Gesetzes erforderlich war, um die buchhalterischen Anpassungen für die Änderung des Eigenkapitals des Unternehmens vorzunehmen, kann in der vorliegenden Rechtssache nicht davon ausgegangen werden, dass die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers aufgrund der Form der staatlichen Maßnahme von vornherein ausgeschlossen war.

260    Zweitens ist auch das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, das Kriterium des privaten Kapitalgebers könne nicht auf die Umwandlung einer Steuerforderung in Kapital angewandt werden, da einem privaten Kapitalgeber gegenüber einem Unternehmen niemals eine Steuerforderung, sondern nur eine private oder geschäftliche Forderung zustehen könne und es eine Durchbrechung der Gleichbehandlung des Staates und des privaten Kapitalgebers darstelle, wenn beide Fälle miteinander verglichen würden. Folgte man dieser Argumentation, käme man wieder zu dem Ergebnis, dass der Staat eine solche Transaktion nur dann unter vergleichbaren Bedingungen wie ein privater Kapitalgeber durchführen könnte, wenn er eine private oder geschäftliche Forderung gegen ein Unternehmen hätte.

261    Das Kriterium des privaten Kapitalgebers dient jedoch gerade der Prüfung, ob trotz des Umstands, dass der Staat über Mittel verfügt, auf die ein privater Kapitalgeber nicht zurückgreifen kann, ein privater Kapitalgeber in der gleichen Lage eine vergleichbare Investitionsentscheidung wie der Staat getroffen hätte. Folglich sind die Natur der in Kapital umgewandelten Forderung und somit der Umstand, dass einem privaten Kapitalgeber keine Steuerforderung zustehen kann, für die Frage der Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Kapitalgebers irrelevant.

262    Aus diesem Grund ist auch das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, die Transaktion stelle ein „Steuergeschenk“ an die EDF dar und könne nicht als Investition betrachtet werden. Wie jeder Gläubiger, der Inhaber einer Gesellschaft ist, kann der Staat nämlich auf eine Forderung verzichten, indem er sie in Kapital umwandelt. Diese Transaktion, mit der der Eigentümer einer Gesellschaft das Gesellschaftskapital durch Erlass einer gegen die Gesellschaft bestehenden Forderung erhöht, ist ein Kompensationsvorgang, der auch von einem umsichtigen privaten Kapitalgeber unter normalen Marktbedingungen vorgenommen werden kann.

263    Angesichts der gesamten Umstände der vorliegenden Rechtssache durfte die Kommission daher das Vorbringen der Französischen Republik sowie die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers nicht mit der oben in Randnr. 262 angeführten Begründung verwerfen.

264    Drittens ist zum Vorbringen der Kommission, ein privater Kapitalgeber hätte in einer vergleichbaren Lage die Steuer entrichten müssen, zum einen festzustellen, dass sich die angefochtene Entscheidung auf die Aussage beschränkt: „Der Vorteil ist notwendigerweise selektiv, da die Nichtzahlung der Körperschaftsteuer für einen Teil dieser Betriebsrücklagen eine Ausnahme von der steuerlichen Behandlung darstellt, die normalerweise für eine solche Maßnahme angewandt wird.“

265    Zum anderen hat die Kommission in ihren Schriftsätzen und in Beantwortung der Fragen des Gerichts vorgetragen, dass ein privater Kapitalgeber, wenn er beabsichtigt hätte, das Kapital eines Unternehmens zu erhöhen, indem er eine von ihm als Aktionär gegen das Unternehmen gehaltene Forderung einbringe, verpflichtet gewesen wäre, zuvor die Steuer zu entrichten. Die Kommission macht geltend, einem privaten Kapitalgeber wären daher notwendigerweise höhere Kosten entstanden, da dieser für eine Einlage von 100 Euro in Wirklichkeit 141,66 Euro hätte aufbringen müssen. Nur wenn diese Steuer zuvor entrichtet worden wäre, hätte sie bei der Prüfung der Kapitaleinlage in Höhe von 5,6 Mrd. FRF das Kriterium des privaten Kapitalgebers anwenden können.

266    Auch wenn sowohl die Französische Republik als auch die EDF anerkannt haben, dass die EDF in der vorliegenden Rechtssache zur Entrichtung einer Steuer verpflichtet gewesen wäre, ist festzustellen, dass sie der von der Kommission vorgenommenen Auslegung des französischen Steuerrechts und des Art. 38 Abs. 2 des Code général des impôts widersprechen, insbesondere in Bezug auf die steuerlichen Auswirkungen einer Kapitaleinlage, die durch Einbringung einer Forderung des Aktionärs einer Gesellschaft erfolgt.

267    Die Französische Republik und die EDF haben nämlich in ihren Antworten und mündlichen Ausführungen geltend gemacht, dass die Veränderung des Nettovermögens durch Kapitalerhöhung mittels Einbringung einer Forderung eines Aktionärs gegen ein Unternehmen gemäß Art. 38 Abs. 2 des Code général des impôts bei der Berechnung der Körperschaftsteuer nicht zu berücksichtigen sei und daher bei der Umwandlung der Forderung in Kapital nach dieser Vorschrift keine Steuer auf den Forderungsbetrag anfalle.

268    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission selbst in Randnr. 51 des Einleitungsbeschlusses Folgendes feststellt: „Da … die Kapitalerhöhungen für die Zwecke der Berechnung der Körperschaftsteuer nicht als Erhöhung des Nettovermögens der Gesellschaft angesehen werden, hat [die] Umbuchung [der Ansprüche des Konzessionsgebers als Kapitalerhöhung] die Steuererleichterung konsolidiert, die [der EDF in Bezug auf diese Rückstellungen in den Jahren 1987 bis 1996 gewährt wurde].“

269    Folglich scheint die Kommission in Randnr. 51 des Einleitungsbeschlusses zumindest allgemein die Einschätzung der Französischen Republik und der EDF in Bezug auf die steuerlichen Auswirkungen einer Veränderung des Nettovermögens, die aus einer Kapitalerhöhung durch Forderungseinbringung resultiert, geteilt zu haben. Vor diesem Hintergrund scheinen die Kosten für einen privaten marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber und für den Staat identisch zu sein.

270    Als Zweites führt die Argumentation der Kommission in Wirklichkeit zu einer Prüfung der Gesamtkosten, die einem privaten Kapitalgeber bei einer Investition von 14,119 Mrd. FRF ? d. h. in Höhe der Ansprüche des Konzessionsgebers ? entstehen, obwohl die Umbuchung der Ansprüche des Konzessionsgebers in Höhe von 14,119 Mrd. FRF von der Kommission nicht als Beihilfe angesehen wurde ? ebenso wenig wie der Umstand, dass die EDF als Eigentümerin des ursprünglich im Staatseigentum stehenden AVN gilt ? und sich die angefochtene Entscheidung nur mit dem Verzicht auf die Besteuerung dieser Ansprüche befasst. Die Argumentation der Kommission, die in Wirklichkeit zur Folge hätte, dass der Betrag von 14,119 Mrd. FRF in die Prüfung einbezogen würde, widerspricht im Übrigen ihren Darlegungen zu dem von ihr in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Vorteil. Daher ist diese Argumentation zurückzuweisen.

271    Als Drittes ist festzustellen, dass das Vorbringen der Kommission jedenfalls nicht schlüssig ist. Die Kommission räumt nämlich ein, dass sie die zusätzliche Kapitaleinlage in Höhe von 5,6 Mrd. FRF geprüft hätte, wenn die EDF diesen Betrag zuvor als Steuer gezahlt hätte und die Französische Republik ihr den gleichen Betrag zurückübertragen hätte, weil in diesem Fall ? und nur in diesem Fall ? die dem Staat entstandenen Kosten mit den Kosten, die einem privaten Kapitalgeber entstanden wären, vergleichbar gewesen wären.

272    In diesem Fall wären aber für den Staat in Wirklichkeit die gleichen Kosten angefallen, und die EDF hätte den gleichen Betrag erhalten wie im Rahmen der Lösung, die die Französische Republik mit dem Gesetz Nr. 97-1026 verfolgte. Durch dieses Gesetz nahm der Staat nämlich eine Kapitalaufstockung in Höhe von 14,119 Mrd. FRF vor. Die Kommission macht geltend, dass sich die Kosten dieser Transaktion nur auf 14,119 Mrd. FRF beliefen, während dem Staat andere Kosten entstanden wären und das Kriterium des privaten Kapitalgebers hätte angewandt werden können, wenn die EDF die Steuern gezahlt hätte. Wenn der Staat das Kapital der EDF jedoch um 14,119 Mrd. FRF erhöht hätte und später Steuern in Höhe von 5,6 Mrd. FRF erhalten hätte, die er anschließend an die EDF zurückgezahlt hätte, so würden sich die Gesamtkosten des Staates weiterhin auf 14,119 Mrd. FRF belaufen, da die Steuersumme durch die ebenso hohe Rückerstattung an die EDF neutralisiert wäre. Die EDF hätte einen Gesamtbetrag in Höhe von 14,119 Mrd. FRF erhalten, d. h. genau den Betrag, den sie nach dem Gesetz Nr. 97-1026 erhielt.

273    Als Viertes ist, wenn man unterstellt, dass die von der Kommission vorgenommene Auslegung des französischen Steuerrechts ? und insbesondere die Auslegung von Art. 38 Abs. 2 des Code général des impôts ? zutrifft und dessen Auslegung durch die französischen Behörden fehlerhaft ist, festzustellen, dass einem privaten Kapitalgeber durch eine Kapitalerhöhung mittels Forderungseinbringung Kosten in Höhe von 5,6 Mrd. FRF entstünden, wenn er in einem solchen Fall tatsächlich Steuern entrichten müsste.

274    Durch den Verzicht auf eine Steuerforderung in Höhe von 5,6 Mrd. FRF im Rahmen der Neuverbuchung der Ansprüche des Konzessionsgebers als Kapitalerhöhung wären dem Staat jedoch Kosten entstanden, die sich ganz offensichtlich ebenfalls auf 5,6 Mrd. FRF belaufen hätten, da der Staat entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht auf eine Steuerforderung verzichten kann, ohne dass ihm hierdurch Kosten entstünden. Folglich wären dem Staat ganz offensichtlich die gleichen Kosten wie einem privaten Kapitalgeber entstanden. Somit wurden die von der Kommission geltend gemachten Kostenunterschiede sowie die Konsequenzen, die sie daraus für die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers zieht, nicht nachgewiesen.

275    Zudem lässt sich ein etwaiger Kostenunterschied nur durch Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers überprüfen und gegebenenfalls nachweisen.

276    Als Fünftes würde, selbst wenn sich die Kosten einer Kapitalaufstockung in Höhe von 14,119 Mrd. FRF ? die nach Auffassung der Kommission keine Beihilfe darstellt ? für den Staat auf 0 FRF und für einen privaten Kapitalgeber auf 5,6 Mrd. FRF beliefen, dieser Kostenunterschied einer Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers jedenfalls nicht entgegenstehen. In einem solchen Fall hätte die Kommission nämlich unter Anwendung dieses Kriteriums zu prüfen, ob ein privater Kapitalgeber für eine solche Kapitalerhöhung die Kosten von 5,6 Mrd. FRF auf sich genommen hätte, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Kommission bei dieser Prüfung zu dem Ergebnis käme, dass dies nicht der Fall wäre, was jedoch voraussetzt, dass sie zunächst eine solche Prüfung vornimmt.

277    Soweit die Kommission schließlich mit diesem Vorbringen in Wirklichkeit zum einen darlegen möchte, dass der EDF unterschiedliche Kosten entstanden wären, je nachdem, ob sie steuerpflichtig gewesen wäre oder nicht, da sich dies auf den Unternehmenswert hätte auswirken können, und zum anderen für den Fall der Zahlung von Steuern ausschließt, dass ein privater Kapitalgeber tatsächlich einen solchen Betrag in das Unternehmen investiert hätte, während sich der Staat darauf beschränkte, auf seine Steuerforderung zu verzichten, ist festzustellen, dass damit nachgewiesen werden soll, dass die Kosten der Investition und ihre etwaigen Renditeaussichten für den Staat und einen privaten Kapitalgeber unterschiedlich ausfielen. Um diesen Umstand zu berücksichtigen, hätte jedoch das Kriterium des privaten Kapitalgebers angewandt werden müssen, was die Kommission abgelehnt hat.

278    Viertens ist das von der Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argument zurückzuweisen, dass es jedenfalls keinen privaten Referenzkapitalgeber gebe, der genauso viel Kapital wie der Staat hätte aufbringen können, denn zum einen hat die Kommission keineswegs nachgewiesen, dass kein mit dem öffentlichen Kapitalgeber vergleichbarer privater Referenzkapitalgeber existiert. Zum anderen steht das Fehlen eines privaten Referenzkapitalgebers dem Erfordernis, die Transaktion im Licht der „normalen Marktbedingungen“ zu prüfen, nicht entgegen, da die zwangsläufig hypothetischen „normalen Marktbedingungen“ anhand der verfügbaren objektiven und nachprüfbaren Faktoren zu ermitteln sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Chronopost u. a./Ufex u. a., oben in Randnr. 172 angeführt, Randnr. 38).

279    Fünftens hat die Kommission keine Angaben zur Untermauerung ihres ? erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten und von der Französischen Republik bestrittenen ? Vorbringens gemacht, eine Kapitalerhöhung könne nach französischem Recht nicht durch Einbringung einer Steuerforderung vorgenommen werden. Diesem Vorbringen kann daher nicht gefolgt werden.

280    Sechstens ist das ? ebenfalls erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte ? Argument der Kommission, die Steuer hätte in der Unternehmensbilanz aufgeführt werden müssen, aus zwei Gründen zurückzuweisen.

281    Zum einen läuft dieses Argument in Wirklichkeit auf den Vorwurf hinaus, die Französische Republik habe gegen die Richtlinie 80/723/EWG der Kommission vom 25. Juni 1980 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen (ABl. L 195, S. 35) verstoßen. Selbst wenn man unterstellt, dass der Französischen Republik ein solcher Verstoß vorgeworfen werden konnte, steht dieser jedenfalls in keinem Zusammenhang mit der Argumentation, die die Kommission in den Erwägungsgründen 96 und 97 der angefochtenen Entscheidung entwickelte, und hat keinen Einfluss auf die Frage, ob das Kriterium des privaten Kapitalgebers anzuwenden war.

282    Zum anderen hat die Kommission nicht dargelegt, in welcher Bilanz die geschuldete Steuer hätte erscheinen sollen. Vor Erlass des Gesetzes Nr. 97-1026 und bevor die EDF als Eigentümerin des AVN angesehen wurde, wurde nämlich keine Steuer geschuldet. Da die Französische Republik sodann auf die Steuer verzichtete, war diese nicht mehr geschuldet und hätte daher in der Unternehmensbilanz nicht als Verbindlichkeit erscheinen können.

283    Was schließlich siebtens das Vorbringen der Kommission betrifft, die Anerkennung der Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Kapitalgebers könne dazu führen, dass jede Form von Steuerbefreiung, die die Mitgliedstaaten vornähmen, gültig sei, da Steuerbefreiungen stets dieses Kriterium erfüllten, ist zunächst daran zu erinnern, dass es sich nicht nur um eine Steuerbefreiung zugunsten eines Unternehmens handelt, sondern um den Verzicht auf eine Steuerforderung im Rahmen einer Erhöhung des Kapitals eines Unternehmens, deren einziger Aktionär der Staat ist. Außerdem darf das Ergebnis der Anwendung des Kriteriums nicht vorweggenommen werden, da es sonst sinnlos oder ungeeignet wäre. Überdies kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers in der vorliegenden Rechtssache zu dem Ergebnis führen könnte, dass die staatliche Maßnahme nicht dem Verhalten entsprach, das ein privater Kapitalgeber hätte an den Tag legen können. Daher ist das Vorbringen der Kommission unerheblich.

284    Da keinem der von der Kommission, unterstützt durch Iberdrola, vorgetragenen Argumente gefolgt werden kann, ist im Ergebnis festzustellen, dass die Kommission einen Rechtsfehler beging und gegen Art. 87 EG verstieß, als sie sich weigerte, die streitige Maßnahme in ihrem Kontext zu prüfen und das Kriterium des privaten Kapitalgebers anzuwenden.

285    Da feststeht, dass die Kommission die Anwendung dieses Kriteriums zu Unrecht ablehnte, muss sie die Maßnahmen ergreifen, die sich aus dem Urteil ergeben. Der Gemeinschaftsrichter, der mit einer Nichtigkeitsklage befasst wird, ist nämlich im Bereich der staatlichen Beihilfen nicht befugt, die seiner Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegenden Entscheidungen zu ändern und im vorliegenden Fall selbst die Prüfung vorzunehmen, die die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers impliziert. Folglich obliegt es der Kommission, unter Beachtung der oben in den Randnrn. 220 bis 253 dargelegten Erwägungen eine neue Entscheidung zu erlassen, wenn sie dies für gerechtfertigt hält.

286    Angesichts der vorstehenden Erwägungen sind die Art. 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 87 EG für nichtig zu erklären, ohne dass die von der Klägerin geltend gemachten übrigen Klagegründe und Teile von Klagegründen oder die Anträge auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme in Bezug auf den „Oxera Bericht“ geprüft werden müssen.

 Kosten

287    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

288    Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Folglich trägt die Französische Republik ihre eigenen Kosten.

289    Gemäß Art. 87 § 4 Abs. 3 kann das Gericht entscheiden, dass ein Streithelfer seine eigenen Kosten trägt. In der vorliegenden Rechtssache trägt Iberdrola, die dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Kommission beigetreten ist, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Art. 3 und 4 der Entscheidung der Kommission vom 16. Dezember 2003 über Beihilfemaßnahmen zugunsten der EDF und des Sektors der Strom- und Gaswirtschaft (C 68/2002, N 504/2003 und C 25/2003) werden für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Électricité de France (EDF).

3.      Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

4.      Die Iberdrola, SA trägt ihre eigenen Kosten.

Azizi

Cremona

Frimodt Nielsen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Dezember 2009.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Rechtlicher Rahmen

Vorschriften des EG-Vertrags

Verordnung (EG) Nr. 659/1999

Einschlägiges französisches Recht

Sachverhalt

Allgemeiner Zusammenhang der Rechtssache

Verwaltungsverfahren

Angefochtene Entscheidung

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 20 der Verordnung Nr. 659/1999 und Verstoß gegen die Verteidigungsrechte

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

– Zur Verletzung der Verteidigungsrechte

– Zur Verletzung der Verfahrensrechte des Beihilfeempfängers als Beteiligter

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen Art. 87 EG

Zum ersten Teil: Verkennung der „Unterkompensation“ der von der EDF getragenen Kosten der öffentlichen Dienstleistungen

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Teil: keine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Teil des zweiten Klagegrundes: erstens Einstufung der streitigen Maßnahmen als Kapitalerhöhung und zweitens Verhalten des Staates als marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber im Rahmen der Durchführung der Maßnahmen

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Französisch.