Language of document : ECLI:EU:T:2012:321

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

27. Juni 2012(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Märkte für Reißverschlüsse, ‚andere Verschlüsse‘ und Ansetzmaschinen – Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Koordinierte Preiserhöhungen, Festsetzung von Mindestpreisen, Aufteilung der Kunden und der Märkte sowie Austausch sonstiger Geschäftsinformationen – Beweis – Verteidigungsrechte – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Verjährung – Geldbußen – Dauer und Schwere der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑445/07

Berning & Söhne GmbH & Co. KG mit Sitz in Wuppertal (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Niggemann und K. Gaßner,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch K. Mojzesowicz und R. Sauer als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K (2007) 4257 endg. der Kommission vom 19. September 2007 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] (Sache COMP/39.168 – Hartkurzwaren: Verschlüsse), hilfsweise, Herabsetzung der damit gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz sowie der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2011

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Berning & Söhne GmbH & Co. KG (im Folgenden: Klägerin), ein deutsches Familienunternehmen der Familie Berning, wurde 1888 gegründet und 1959 als Gesellschaft eingetragen. 1983 errichtete die Klägerin in Frankreich die Tochtergesellschaft Berning France SARL. Die Klägerin ist vor allem in der Produktion und dem Vertrieb von Verschlusssystemen und Schmuckelementen, aber auch in begrenztem Umfang in der Produktion und dem Verkauf von Werkzeugen, Maschinen und Dienstleistungen tätig. Zur Ergänzung ihrer Produktpalette bezieht die Klägerin etwa ein Viertel ihrer Waren von anderen Herstellern. Sie stellt Jeansknöpfe, Druckknöpfe, Nieten, Ösen, Schmuckteile und technische Teile her.

2        Der Sektor der Herstellung von Verschlüssen lässt sich in zwei Hauptgruppen unterteilen, nämlich Reißverschlüsse und „andere Verschlüsse“, die verschiedene Sorten von Druckknöpfen, Schnappverschlüssen, Druckverschlüssen, Klemmverschlüssen, Haken, Ösen, Jeansknöpfen, Nieten und Metall- und Kunststoffzubehör für die Lederwaren- und Bekleidungsindustrie umfassen.

3        Am 7. und 8. November 2001 führte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), Nachprüfungen in den Geschäftsräumen verschiedener Gemeinschaftshersteller von Hart- und Weichkurzwaren und Garn (darunter die Entaco Ltd, die Coats plc und die William Prym GmbH & Co. KG) sowie bei dem Fachverband Verbindungs- und Befestigungstechnik (im Folgenden: VBT) durch.

4        Am 26. November 2001 stellten die Prym- und die Coats-Gruppe Anträge auf Anwendung der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996) für den Reißverschlusssektor.

5        Mit Schreiben vom 22. Februar 2002 übermittelte Coats der Kommission bestimmte Informationen.

6        Am 8. August 2003 stellte Stocko (nunmehr YKK Stocko Fasteners) einen Antrag gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002) für den Sektor der „anderen Verschlüsse“.

7        Danach richtete die Kommission gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 mehrere Auskunftsverlangen an eine Reihe von Betroffenen.

8        Am 16. September 2004 richtete die Kommission eine die „anderen Verschlüsse“, Ansetzmaschinen und Reißverschlüsse betreffende Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: Mitteilung der Beschwerdepunkte) an die Unternehmen Prym Fashion, William Prym, Éclair Prym, Fiocchi Prym, Fiocchi Snaps France, YKK Stocko Fasteners, YKK Holding Europe, YKK Corp., Coats, A. Raymond, Berning & Söhne, Berning France, Scovill Fasteners Europe (vormals Unifast), Scovill Fasteners sowie an den VBT.

9        Diese Unternehmen und der VBT erhielten Einsicht in die Ermittlungsakte der Kommission in Form einer Kopie auf CD-ROM, die ihnen am 1. Oktober 2004 zugesandt wurde.

10      Am 12. November 2004 stellte die Prym-Gruppe gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 einen Antrag auf Erlass oder, hilfsweise, Ermäßigung der Geldbußen für die „anderen Verschlüsse“.

11      Mit Fax vom 18. November 2004 ergänzte die Prym-Gruppe ihren Antrag. Mit E‑Mails vom 3., 4. und 11. Januar 2005 schickte sie der Kommission ergänzende Informationen. Mit E-Mail vom 27. Januar 2005 beantragte sie die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002.

12      Am 18. Februar 2005 stellte die YKK-Gruppe gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbußen für die „anderen Verschlüsse“.

13      Am 25. Februar 2005 ergänzte die YKK-Gruppe diesen Antrag.

14      Aufgrund des von der Prym- und der YKK-Gruppe in ihren Anträgen auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 übermittelten Beweismaterials konnte die Kommission am 7. März 2006 an die betroffenen Unternehmen eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte) richten.

15      Die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte betraf die „anderen Verschlüsse“, Ansetzmaschinen und Reißverschlüsse und war außer an die Klägerin an die Unternehmen A. Raymond, Berning France, Coats und Coats Deutschland, Eclair Prym, Prym Fashion, Fiocchi Prym, Scovill Fasteners Europe, Scovill Fasteners, William Prym, YKK Corp., YKK Holding Europe und YKK Stocko Fasteners sowie an den VBT gerichtet. Die CD-ROM mit den Unterlagen der Kommissionsakte wurde am 13. März 2006 an die Verfahrensbeteiligten versandt.

16      Die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte erstreckte sich auf die gleichen Produkte wie die Mitteilung der Beschwerdepunkte und korrigierte, detaillierte, konsolidierte und erweiterte die in dieser genannten Beschwerdepunkte, wo dies notwendig erschien. In der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnte die Kommission nicht systematisch alle in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten Zuwiderhandlungen, insbesondere wenn sich in Bezug auf sie infolge der Anträge auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 keine Änderung ergeben hatte.

17      Am 11. Juli 2006 fand eine Anhörung statt.

18      Nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen und in Ansehung des Abschlussberichts des Anhörungsbeauftragten erließ die Kommission am 19. September 2007 die Entscheidung K (2007) 4257 endg. in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] (Sache COMP/39.168 – Hartkurzwaren: Verschlüsse) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), die in einer Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 26. Februar 2009 (ABl. C 47, S. 8) veröffentlicht ist.

19      In Art. 1 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung wird festgestellt, dass im Rahmen der Zusammenarbeit auf den Märkten für „sonstige Verschlüsse“ und Ansetzmaschinen innerhalb der sogenannten „Kreise“, nämlich zum einen dem Baseler (Schweiz) und dem Wuppertaler (Deutschland) Kreis und zum anderen dem Amsterdamer (Niederlande) Kreis (im Folgenden zusammen: die drei Kreise), das nachstehend genannte Unternehmen gegen Art. 81 EG verstoßen habe, indem es im angegebenen Zeitraum mit anderen Unternehmen Preiserhöhungen koordiniert und vertrauliche Informationen über Preise und die Durchführung von Preiserhöhungen ausgetauscht habe: Berning & Söhne, vom 24. Mai 1991 bis 19. August 2000.

20      Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen und der rechtlichen Würdigung in der angefochtenen Entscheidung verhängte die Kommission gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen, die nach der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), und in den Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002 dargelegten Methode berechnet wurden.

21      In Art. 2 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung wird für die Zusammenarbeit im Rahmen der drei Kreise u. a. folgende Geldbuße festgesetzt: Berning & Söhne, 1 123 000 Euro.

22      In Art. 4 der angefochtenen Entscheidung wird den in Art. 1 aufgeführten Unternehmen aufgegeben, die in diesem Artikel genannten Zuwiderhandlungen unverzüglich abzustellen, sofern dies noch nicht geschehen ist, und sich der Wiederaufnahme der in Art. 1 beschriebenen Verhaltensweisen und jeglicher Verhaltensweisen, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben, zu enthalten.

23      Durch ihren Beschluss C (2011) 2070 endg. vom 31. März 2011 reduzierte die Kommission, nachdem sie in Bezug auf ein anderes betroffenes Unternehmen als die Klägerin den Einfluss der Geldbußen auf dessen finanzielle Situation und dessen behauptete Leistungsunfähigkeit geprüft hatte, die diesem Unternehmen ursprünglich auferlegte Geldbuße.

 Verfahren und Anträge der Parteien

24      Mit Klageschrift, die am 7. Dezember 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

25      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Dritten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

26      Im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen vom 3. Februar 2011 hat das Gericht die Kommission aufgefordert, das Protokoll der Anhörung vom 11. Juli 2006 vorzulegen. Mit Schreiben vom 15. Februar 2011 hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, dass kein derartiges Protokoll existiere, und angeboten, die Tonaufzeichnung der fraglichen Anhörung zu übermitteln.

27      Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht der Berichterstatterin beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

28      Mit Schreiben, das am 30. Juni 2011 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat die Kommission Bemerkungen zu dem ihr am 14. April 2011 übermittelten Sitzungsbericht eingereicht, die insbesondere die Beteiligung der Klägerin an der behaupteten Zuwiderhandlung betreffen.

29      Die Parteien haben in der Sitzung vom 6. Juli 2011 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

30      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die Höhe der ihr in der angefochtenen Entscheidung auferlegten Geldbuße auf eine symbolische Geldbuße oder jedenfalls angemessen herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

31      Die Kommission beantragt,

–        die Klage insgesamt abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

32      Zunächst ist festzustellen, dass die Anträge der Klägerin als auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung und, hilfsweise, Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße, soweit die Klägerin betroffen ist, gerichtet zu behandeln sind.

33      Erhebt nämlich der Adressat einer Entscheidung Nichtigkeitsklage, so wird der Unionsrichter nur mit den Teilen der Entscheidung befasst, die diesen Adressaten betreffen (Urteil des Gerichtshofs vom 14. September 1999, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., C‑310/97 P, Slg. 1999, I‑5363, Randnr. 53).

 Entscheidungsgründe

34      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Gründe:

–        erstens Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör;

–        zweitens Verjährung der Zuwiderhandlung;

–        drittens, hilfsweise, unzureichender Nachweis der Zuwiderhandlung

–        und viertens, fehlerhafte Berechnung der Geldbuße.

1.     Zum Antrag auf Durchführung von Beweiserhebungen

35      Am 1. November 2010 hat die Klägerin die Vernehmung des ehemaligen Inhabers und Geschäftsführers von Stocko beantragt. Sie habe eine frühere Benennung des Zeugen nicht für möglich gehalten, da er als Geschäftsführer von Stocko als Partei anzusehen gewesen und damit nicht als Zeuge in Betracht gekommen sei. Herr D. H. könne dem Gericht Auskunft geben u. a. über zweiseitige Absprachen zwischen der Prym‑ und der YKK-Gruppe und darüber, dass er als Teilnehmer der öffentlichen Sitzungen des Baseler und des Wuppertaler Kreises vom Inhalt dieser Gespräche keine Kenntnis erlangt habe.

36      Die Kommission macht zuerst geltend, dass dieses Beweisangebot gemäß Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts als verspätet abzulehnen sei, da die Klägerin keinen Umstand geltend gemacht habe, der sie daran gehindert hätte, dieses Beweismittel in der Klageschrift oder in der Erwiderung zu benennen. Sodann spreche auch der Umstand, dass sich das Beweisthema für die Vernehmung von Herrn D. H. und der Vortrag in der Klageschrift nicht entsprächen, gegen die Zulassung dieses verspätet vorgebrachten Beweismittels. Schließlich äußere Herr D. H. zum zentralen Punkt nur Vermutungen.

37      Es ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 68 § 1 Abs. 3 der Verfahrensordnung die Partei in ihrem Antrag auf Vernehmung eines Zeugen die Tatsachen zu bezeichnen hat, über die die Vernehmung stattfinden soll, und die Gründe anzugeben hat, die die Vernehmung rechtfertigen.

38      Es ist Sache des Gerichts, zu beurteilen, ob die ihm in einer Rechtssache vorliegenden Informationen möglicherweise der Ergänzung bedürfen und ob der Antrag im Hinblick auf den Streitgegenstand sachdienlich und eine Vernehmung des oder der genannten Zeugen erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 7. Juli 2010, Kommission/Hellenic Ventures u. a., T‑44/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Gemäß Art. 44 § 1 Buchst. e der Verfahrensordnung muss die Klageschrift gegebenenfalls die Bezeichnung der Beweismittel enthalten.

40      Gemäß Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung können die Parteien in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung noch Beweismittel benennen. Sie haben die Verspätung zu begründen.

41      Entsprechend der Auffassung der Kommission ist festzustellen, dass die von der Klägerin vorgebrachten Beweismittel verspätet sind, da die Klägerin keinen Umstand geltend gemacht hat, der sie daran gehindert hätte, diese Beweismittel in der Klageschrift oder in der Erwiderung zu benennen. Diese Verspätung wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass Herr D. H. für ein anderes Unternehmen arbeitete (das ebenfalls gegen die angefochtene Entscheidung Klage erhoben hat). Die Beweismittel sind daher gemäß Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung als verspätet zurückzuweisen.

2.     Zum ersten Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

 Vorbringen der Parteien

42      Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe sich in der angefochtenen Entscheidung auf Vorgänge im Rahmen von Treffen des Baseler und des Wuppertaler Kreises gestützt (die Treffen vom 24. Mai 1991, 10. bis 12. Juni 1993, 3. Juni 1994, 6. Mai 1996, 16. bis 18. Mai 1996, 20. März 1997 und 2. Mai 1997), die weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegt worden seien. Nur eines der Treffen, das vom 16. Juni 1995, sei in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt worden.

43      In der Erwiderung weist die Klägerin darauf hin, die Kommission habe es in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte versäumt, die Teilnehmer der Treffen vom 20. März und 2. Mai 1997 zu nennen, was die Klägerin zu der Annahme veranlasst habe, dass ihr die Teilnahme an diesen beiden Treffen nicht zur Last gelegt werde. Zudem deuteten die Darlegungen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte allenfalls Diskussionen über einen möglicherweise begangenen Kartellverstoß an; ein solches Verhalten könne für sich allein nur schwerlich als Zuwiderhandlung angesehen werden. Die Kommission habe auch die gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfe nicht hinreichend klargestellt; daher habe die Klägerin deren Irrelevanz nicht dartun können.

44      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung nur oberflächlich erwähnt werde und dass die ihr vorgeworfenen Verstöße allgemein seien. Zum Beleg für dieses Vorbringen hat sie als Beispiele die Treffen vom 25. November 1997 und 18. bis 20. August 2000, die im Rahmen des Baseler und des Wuppertaler Kreises stattfanden, angeführt.

45      Aufgrund der vorstehend genannten Versäumnisse und Ungenauigkeiten sei die Klägerin daran gehindert gewesen, zu Tatsachen, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt habe, Stellung zu nehmen. Dies stelle eine grundlegende Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, da nach ständiger Rechtsprechung die Verteidigungsrechte verletzt würden, wenn eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung vorliege und ein in der angefochtenen Entscheidung ausgesprochener Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nur unzulänglich dargestellt worden sei, so dass sich der Adressat dagegen nicht habe verteidigen können. Die ungewöhnliche Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens durch die Zustellung einer ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte habe die Unsicherheit hinsichtlich der der Klägerin gegenüber erhobenen Vorwürfe nur noch verstärkt.

46      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Überdies stellen die in der Erwiderung und der mündlichen Verhandlung dargelegten Argumente nach ihrer Ansicht neue Vorwürfe dar, die als solche verspätet seien.

 Würdigung durch das Gericht

47      Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Beschwerdepunkte in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, sei es auch nur in gedrängter Form, so klar abgefasst sein, dass die Betroffenen tatsächlich erkennen können, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last legt, und sie ihre Verteidigung sachgerecht wahrnehmen können, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erlässt. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die genannte Entscheidung den Betroffenen keine anderen Zuwiderhandlungen zur Last legt als diejenigen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt werden, und sich nur auf Tatsachen stützt, zu denen die Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung hatten (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mo och Domsjö/Kommission, T‑352/94, Slg. 1998, II‑1989, Randnr. 63, vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T‑213/00, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 109, und vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, „Tokai I“, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 138).

48      Die Verteidigungsrechte werden durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung nur verletzt, wenn ein in der endgültigen Entscheidung ausgesprochener Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte so unzulänglich dargestellt worden war, dass sich die Adressaten dagegen nicht verteidigen konnten (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Corus UK/Kommission, T‑48/00, Slg. 2004, II‑2325, Randnr. 100).

49      Insoweit ist die Kommission im Rahmen der Mitteilung der Beschwerdepunkte nur verpflichtet, die Beschwerdepunkte und den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt sowie dessen Bewertung so klar darzulegen, dass sich die Adressaten der genannten Mitteilung sachgemäß verteidigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission, C‑62/86, Slg. 1991, I‑3359, Randnr. 29, und Urteil Mo och Domsjö/Kommission, oben in Randnr. 47 angeführt, Randnr. 63).

50      Ferner kann die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgenommene rechtliche Bewertung des Sachverhalts naturgemäß nur vorläufig sein, und eine spätere Entscheidung der Kommission kann nicht allein deshalb für nichtig erklärt werden, weil die darin enthaltene endgültige Beurteilung des Sachverhalts nicht genau mit dieser vorläufigen Bewertung übereinstimmt. Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung nach der Rechtsprechung nicht notwendig ein genaues Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein braucht (Urteil des Gerichtshofs vom 29. Oktober 1980, Van Landewyck u. a./Kommission, 209/78 bis 215/78 und 218/78, Slg. 1980, 3125, Randnr. 68). Die Kommission muss nämlich in ihrer Entscheidung die Stellungnahmen der betroffenen Unternehmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte berücksichtigen können. Hierzu muss sie nicht nur die Argumente der betroffenen Unternehmen anerkennen oder verwerfen können, sondern auch eine eigene Beurteilung der von ihnen geltend gemachten Tatsachen vornehmen können, sei es, um bestimmte Beschwerdepunkte fallen zu lassen, die sich als nicht ausreichend begründet erwiesen haben, sei es, um ihre Argumente, auf die sie die aufrechterhaltenen Beschwerdepunkte stützt, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht neu zu ordnen oder zu ergänzen (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1970, ACF Chemiefarma/Kommission, 41/69, Slg. 1970, 661, Randnr. 92; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 437 und 438). So ist eine Verletzung von Verteidigungsrechten nur dann festzustellen, wenn die endgültige Entscheidung den betroffenen Unternehmen andere Zuwiderhandlungen zur Last legt oder andere Tatsachen berücksichtigt als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten (Urteil ACF Chemiefarma/Kommission, Randnr. 94; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994, CB und Europay/Kommission, T‑39/92 und T‑40/92, Slg. 1994, II‑49, Randnrn. 49 bis 52).

51      Im Rahmen der vorstehend dargestellten Rechtsprechung ist die von der Klägerin erhobene Rüge zu prüfen.

52      Zu dem von der Kommission geltend gemachten Unzulässigkeitsgrund ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Art. 44 § 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung ergibt, dass die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und im Übrigen neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Ein Angriffsmittel, das eine Erweiterung eines bereits vorher – unmittelbar oder implizit – in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist, ist jedoch für zulässig zu erklären (vgl. Urteil des Gerichts vom 19. September 2000, Dürbeck/Kommission, T‑252/97, Slg. 2000, II‑3031, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Entsprechendes muss für eine Rüge gelten, die zur Stützung eines Angriffsmittels vorgebracht wird (Urteile des Gerichts vom 21. März 2002, Joynson/Kommission, T‑231/99, Slg. 2002, II‑2085, Randnr. 156, und vom 15. Oktober 2008, Mote/Parlament, T‑345/05, Slg. 2008, II‑2849, Randnr. 85).

53      Die Klägerin macht jedoch in der Klageschrift geltend, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, da sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf neue Tatsachen gestützt habe, die weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt worden seien, und sie weist insoweit darauf hin, dass die Verteidigungsrechte verletzt würden, wenn eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung vorliege und ein in der angefochtenen Entscheidung ausgesprochener Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nur unzulänglich dargestellt worden sei, so dass sich der Adressat dagegen nicht habe verteidigen können.

54      Folglich sind die in der Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Rügen als Erweiterung des Klagegrundes der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wie er in der Klageschrift dargelegt worden ist, anzusehen. Die Klägerin will nämlich nicht die Tragweite ihres Angriffsmittels erweitern, sondern hat lediglich durch Hinzufügung einiger Beispiele Klarstellungen vorgenommen. Somit handelt es sich, anders als von der Kommission vorgetragen, nicht um ein unter Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung fallendes neues Vorbringen.

55      Demzufolge müssen die in der Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Rügen als zulässig angesehen werden.

56      Hinsichtlich der Begründetheit des Klagegrundes einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist zunächst zu prüfen, ob es zutrifft, dass die Vorgänge im Rahmen der Treffen des Baseler und des Wuppertaler Kreises, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt hat, weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegt worden sind.

57      Die Treffen vom 24. Mai 1991, 10. bis 12. Juni 1993, 3. Juni 1994, 16. bis 18. Mai 1996 und 2. Mai 1997 gehören zu den Treffen im Rahmen des Baseler Kreises, die in Randnr. 76 der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt sind (Tabelle 4). Die Liste der Teilnehmer, der Eingeladenen und der Entschuldigten des Baseler Kreises ist in Randnr. 77 der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten, wobei in Tabelle 4 die Teilnehmer der einzelnen Treffen verzeichnet sind, darunter die Klägerin.

58      Das in der mündlichen Verhandlung erwähnte Treffen vom 18. bis 20. August 2000 gehört ebenfalls zum Baseler Kreis, und aus dem 148. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung sowie aus deren Art. 1 geht eindeutig hervor, dass die Kommission der Klägerin nicht eine Beteiligung an wettbewerbswidrigen Absprachen im Rahmen dieses Treffens oder danach zur Last gelegt hat. Folglich kann diese Rüge keinen Erfolg haben.

59      Die Treffen vom 6. Mai 1996, 20. März und 25. November 1997 gehören zu den Treffen im Rahmen des Wuppertaler Kreises, die in Randnr. 78 der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt sind (Tabelle 5). Die Liste der Teilnehmer, der Eingeladenen und der Entschuldigten des Wuppertaler Kreises ist in Randnr. 79 der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten, wobei in Tabelle 5 die Teilnehmer der einzelnen Treffen verzeichnet sind.

60      Somit ist festzustellen, dass, anders als die Klägerin behauptet, alle von ihr angeführten Treffen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt worden sind.

61      Sodann ist zu dem Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe es in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte versäumt, die Teilnehmer der Treffen vom 20. März und vom 2. Mai 1997 zu nennen, darauf hinzuweisen, dass diese Treffen bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt worden waren und dass durch die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte im Wesentlichen zusätzliche Vorwürfe erhoben werden sollten, wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat. Zudem hat die Klägerin zu diesen beiden Treffen in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte Stellung genommen.

62      Weiter ist zu dem Vorbringen, die Kommission habe die gegenüber der Klägerin in Bezug auf die Treffen vom 3. Juni 1994, 6. Mai 1996 und 20. März 1997 erhobenen Vorwürfe nicht hinreichend klargestellt, erstens darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte, insbesondere deren Randnr. 2 in Verbindung mit den Randnrn. 73 bis 81, hervorgeht, der Klägerin vorwarf, von 1989 bis 2000 an Zusammenkünften teilgenommen zu haben, die vom VBT im Rahmen des Baseler Kreises (europäischer Markt) und des Wuppertaler Kreises (deutscher Markt) organisiert worden seien. Während dieser Zusammenkünfte hätten die Teilnehmer Informationen über Preise ausgetauscht, koordinierte Preiserhöhungen vereinbart und Informationen über unbeteiligte Wettbewerber ausgetauscht. Die von diesen Verhaltensweisen und Vereinbarungen betroffenen Produkte seien „andere Verschlüsse“ und Ansetzmaschinen gewesen. Zweitens betrifft Punkt 4.4 der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Durchführung der Zusammenarbeit der Kartellbeteiligten im Rahmen der drei Kreise, die Vereinbarung zwischen der Klägerin und (William) Prym sowie die Zusammenkünfte der Reißverschlusshersteller. Der Austausch von Preisinformationen im Rahmen des Baseler und des Wuppertaler Kreises wird in Punkt 4.4.1.1 behandelt. Punkt 4.4.1.2 betrifft die Abstimmung von Preiserhöhungen im Rahmen des Baseler und des Wuppertaler Kreises. Die Sitzungen vom 3. Juni 1994, 6. Mai 1996 und 20. März 1997 sind dort in den Randnrn. 159, 187 bzw. 189 angeführt. Die Kommission gibt jeweils die besprochenen Themen an. Nach alledem hat sie folglich hinreichend genau angegeben, welche Vorwürfe gegen die Klägerin in Bezug auf die Zusammenkünfte vom 3. Juni 1994, 6. Mai 1996 und 20. März 1997 erhoben werden. Mithin war die Klägerin durchaus über die gegen sie von der Kommission erhobenen Vorwürfe informiert.

63      Schließlich ist zu dem Vorbringen, aufgrund der genannten Versäumnisse und Ungenauigkeiten sei die Klägerin daran gehindert gewesen, zu Tatsachen, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt habe, sowie zu der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör Stellung zu nehmen, festzustellen, dass die Klägerin im Sinne der oben in den Randnrn. 47 bis 50 angeführten Rechtsprechung der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte bei vernünftiger Betrachtung entnehmen konnte, welche Schlüsse die Kommission daraus zu ziehen gedachte, und somit Gelegenheit hatte, zu den betreffenden Tatsachen vor Erlass der angefochtenen Entscheidung sachgerecht Stellung zu nehmen.

64      Folglich ist davon auszugehen, dass der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden ist.

3.     Zum zweiten Klagegrund: Verjährung der Zuwiderhandlung

65      Nach Auffassung der Klägerin, die grundsätzlich eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Kreisen im Rahmen des Kartells für geboten hält, sind die ihr vorgeworfenen Zuwiderhandlungen verjährt. Der vorliegende Klagegrund lässt sich in drei Teile gliedern. Der erste Teil betrifft Fehler bei der Berücksichtigung der drei Kreise als Teil einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung. Der zweite und der dritte Teil betreffen Fehler bei der Anwendung der Verjährungsvorschriften.

66      Nach Auffassung der Kommission könnten der Klägerin, falls deren Vorbringen zur Unterscheidung der Kreise für zutreffend erklärt werden sollte, für die beiden entsprechenden Zuwiderhandlungen, die als besonders schwer eingestuft werden könnten und mindestens sechs Jahre angedauert hätten, zwei Geldbußen auferlegt werden.

 Zum ersten Teil des Klagegrundes: Fehlerhafte Berücksichtigung der drei Kreise als Teile einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

67      Die Klägerin trägt zunächst vor, die Kommission habe einen Fehler begangen, indem sie die drei Kreise trotz ihrer personellen, inhaltlichen und organisatorischen Unterschiede als Teile desselben Kartells, das eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstelle, betrachtet habe. Sodann behauptet sie, Veränderungen der Marktsituation hätten zuerst zur Auflösung des Wuppertaler Kreises und dann zur Auflösung des Baseler Kreises geführt. Der Amsterdamer Kreis könne nicht als Fortsetzung der beiden anderen Kreise angesehen werden. Schließlich komme den Stellungnahmen der Prym‑ und der YKK-Gruppe – berücksichtige man deren besondere Marktposition – ein verminderter Aussagewert zu.

68      Die Kommission hält an der Einstufung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung fest und verweist auf die von der Rechtsprechung in dieser Hinsicht entwickelten Grundsätze. Sie habe die Komplementaritätsverbindung zwischen den drei Kreisen hinreichend bewiesen, und zwar in Bezug auf das verfolgte Ziel, den Inhalt, die Chronologie der Treffen und die Teilnehmer.

 Würdigung durch das Gericht

69      Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung kann sich auf die rechtliche Einstufung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens beziehen, das in Vereinbarungen, aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen besteht (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnrn. 112 bis 114; Urteile des Gerichts vom 24. Oktober 1991, Rhône-Poulenc/Kommission, T‑1/89, Slg. 1991, II‑867, Randnrn. 125 bis 127, vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, „PVC II“, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnrn. 696 bis 698, und vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 186).

70      Der Gerichtshof hat entschieden, dass sich ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben kann. Dieser Auslegung lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift darstellen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 69 angeführt, Randnr. 81, und Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnr. 155). Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen Gesamtplan ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 258).

71      Ferner kann ein Unternehmen für ein Gesamtkartell verantwortlich gemacht werden, auch wenn es nachweislich nur an einem oder mehreren Bestandteilen dieses Kartells unmittelbar mitgewirkt hat, sofern es wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass zum einen die Absprache, an der es beteiligt war, Teil eines Gesamtsystems war und dass zum anderen sich dieses System auf sämtliche Bestandteile des Kartells erstreckte (Urteile PVC II, oben in Randnr. 69 angeführt, Randnr. 773, und HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 69 angeführt, Randnr. 231).

72      Dass einzelne Unternehmen bei der Verfolgung eines gemeinsamen Ziels unterschiedliche Rollen spielten, ändert nichts an der Identität des wettbewerbswidrigen Zwecks und damit an der Zuwiderhandlung, sofern jedes Unternehmen auf seiner Ebene zur Verfolgung des gemeinsamen Ziels beitrug (Urteile des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, „Zement“, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnr. 4123, und vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 370).

73      Im vorliegenden Fall hatte die von der Kommission vorgenommene Einstufung der Zusammenarbeit der betreffenden Unternehmen im Rahmen der drei Kreise als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung die Feststellung eines einzigen Kartells zur Folge, das vom 24. Mai 1991 bis zum 15. März 2001 dauerte. Daher ist zu prüfen, ob die Kommission angesichts der in den vorstehenden Randnrn. 38 bis 41 angeführten Rechtsprechung dadurch, dass sie die der Klägerin vorgeworfenen Handlungen als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft hat, einen Rechtsfehler begangen hat.

74      Zu diesem Zweck ist im Rahmen der Vorbemerkungen auch der von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte insoweit eingenommene Standpunkt darzulegen, und diese Mitteilungen sind mit den Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung zu vergleichen.

–       Vergleich der Mitteilung der Beschwerdepunkte, der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Vorliegens einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

75      Erstens geht aus Randnr. 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 16. September 2004 hervor, dass die Kommission seinerzeit davon ausgegangen war, dass sich die Mitglieder des VBT im Rahmen der drei Kreise getroffen hätten. Die Zusammenkünfte hätten in verschiedenen europäischen Städten stattgefunden und seien vom VBT organisiert worden.

76      Zweitens geht aus Randnr. 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hervor, dass es den Baseler Kreis zwischen Januar 1989 und August 2000 gegeben habe und dass er den Rahmen für europaweit abgestimmte Verhaltensweisen und Vereinbarungen zwischen Unternehmen aus Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich gebildet habe.

77      Drittens ist Randnr. 78 der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu entnehmen, dass es den Wuppertaler Kreis von Juli 1991 bis November 1997 gegeben habe und dass er den deutschen Markt betroffen habe. Dennoch sei die Überwachung des Exports eine der wichtigsten Fragen gewesen, die hier erörtert worden seien.

78      Viertens führt die Kommission in Randnr. 82 der Mitteilung der Beschwerdepunkte aus, dass im Rahmen des Amsterdamer Kreises zwei Sitzungen, am 9. Januar und 15. März 2001, stattgefunden hätten. Zu diesen Sitzungen hätten der Kommission allerdings seinerzeit keine Protokolle vorgelegen. Prym Fashion habe in ihrer Antwort auf ein Informationsverlangen der Kommission erklärt, dass das Treffen in Amsterdam geplant worden sei, um den Erfahrungsaustausch im Baseler Kreis zu beleben. Im Amsterdamer Kreis seien die Entwicklung auf dem Markt für „andere Verschlüsse“ und die Konzentration auf den europäischen Märkten besprochen worden (vgl. Randnr. 83 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

79      Fünftens geht aus Randnr. 2 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hervor, dass die Zusammenkünfte im Rahmen des Baseler und des Wuppertaler Kreises insofern miteinander verbunden gewesen seien, als während bestimmter Treffen auf den jeweils anderen Kreis Bezug genommen worden sei und gemeinsame Themen zur Sprache gekommen seien. Der Baseler und der Wuppertaler Kreis seien nämlich zwei Seiten einer Medaille, wobei am Baseler Kreis die meisten europäischen Hersteller und am Wuppertaler Kreis ausschließlich die deutschen Hersteller beteiligt gewesen seien.

80      Nach Feststellung der Kommission hatte die Zusammenarbeit im Rahmen des Baseler und des Wuppertaler Kreises folgende Ziele:

–        Austausch von Preisinformationen (Randnr. 99 der Mitteilung der Beschwerdepunkte);

–        Abstimmung von Preiserhöhungen (Randnr. 100 der Mitteilung der Beschwerdepunkte);

–        Informationsaustausch über die Markt- und Wettbewerbslage der einzelnen Unternehmen (Randnr. 101 der Mitteilung der Beschwerdepunkte);

–        Festlegung von Mindestpreisen (Randnr. 102 der Mitteilung der Beschwerdepunkte);

–        Festlegung von Preisnachlässen (Randnr. 103 der Mitteilung der Beschwerdepunkte);

–        Ausfuhrkontrolle (Randnr. 104 der Mitteilung der Beschwerdepunkte);

–        Vereinbarung über Kundendienstqualität und -dauer (Randnr. 105 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

81      Der Baseler und der Wuppertaler Kreis betrafen „andere Verschlüsse“ sowie Ansetzmaschinen.

82      Zum Zeitpunkt der Zusendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Beteiligten ging die Kommission somit davon aus, dass die Zusammenarbeit im Rahmen des Baseler und des Wuppertaler Kreises eine einzige Zuwiderhandlung dargestellt habe, die vom 24. Mai 1991 bis zum 20. August 2000 gedauert und den Markt sowohl für „andere Verschlüsse“ als auch für Ansetzmaschinen betroffen habe (Randnr. 299 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Ferner sei der Amsterdamer Kreis geschaffen worden, um den Erfahrungsaustausch im Baseler Kreis zu beleben.

83      Aus den Randnrn. 44 bis 46 der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte geht hervor, dass in den Anträgen der Prym­‑ und der YKK-Gruppe auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002 nicht nur das Bestehen einer engen Verbindung zwischen dem Baseler und dem Wuppertaler Kreis bestätigt, sondern auch ein zusätzliches Ziel der Zusammenarbeit eingeräumt worden sei, nämlich die Zuteilung von Kunden durch Nichtunterbieten der Preise der Wettbewerber (Randnr. 106 der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte).

84      Zum Amsterdamer Kreis geht aus der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte hervor, dass durch die Erklärungen der Prym­­­‑ und der YKK-Gruppe im Rahmen ihrer Anträge auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002 die Behauptung der Kommission bestätigt worden sei, dass die Teilnehmer des Amsterdamer Kreises ihre im Rahmen des Baseler und des Wuppertaler Kreises erfolgte Zusammenarbeit hätten fortsetzen wollen, dieser Versuch aber gescheitert sei (Randnr. 126 der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte).

85      Die Kommission gelangte in den Randnrn. 324 bis 327 der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte zu dem Ergebnis, dass das im Rahmen der drei Kreise festgestellte Kartell vom 24. Mai 1991 bis zum 15. März 2001 gedauert und in europaweit abgestimmten Verhaltensweisen und getroffenen Vereinbarungen bestanden habe, die darauf gerichtet gewesen seien, für „andere Verschlüsse“ sowie Ansetzmaschinen den Wettbewerb zu verfälschen.

86      Vor diesem Hintergrund hat die Kommission den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Ansatz zum Verhältnis zwischen den drei Kreisen gewählt.

87      In den Erwägungsgründen 66 bis 71 der angefochtenen Entscheidung, die die Verbindung zwischen den drei Kreisen betreffen, führt sie aus, dass diese Teile der gleichen Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern gewesen seien. Der Wuppertaler Kreis sei als Forum der in Deutschland ansässigen Unternehmen zur Diskussion und Vorbereitung von Themen zu verstehen, die im Baseler Kreis mit den nichtdeutschen Konkurrenten weiterbehandelt werden sollten, wohingegen der Amsterdamer Kreis als eine Fortsetzung der Kooperation zu sehen sei, die bis dahin im Baseler und im Wuppertaler Kreis stattgefunden habe.

88      In den Erwägungsgründen 72 bis 79 der angefochtenen Entscheidung, in denen es um die Funktionsweise und die Grundsätze des Kartells geht, weist die Kommission darauf hin, dass, wie aus der Chronologie des Baseler, des Wuppertalers und des Amsterdamer Kreises hervorgehe, deren Mitglieder im Wuppertaler Kreis auf der nationalen (deutschen) und im Baseler und Amsterdamer Kreis auf der europäischen Ebene zwei Hauptziele angestrebt hätten: zum einen die Abstimmung von Preiserhöhungen für „andere Verschlüsse“ und Ansetzmaschinen zwischen den Kartellbeteiligten und zum anderen den Austausch vertraulicher Informationen über Preise und die Durchführung der Preiserhöhungen. Bei der Verfolgung dieser beiden Ziele hätten die Teilnehmer des Baseler und des Wuppertaler Kreises auch die Erstellung einer einheitlichen europäischen Preisliste erörtert, wozu auch die Festsetzung von Mindestpreisen für „andere Verschlüsse“ und Ansetzmaschinen sowie die Festsetzung von Preisnachlässen für „andere Verschlüsse“ gehört habe. Die regelmäßigen Treffen der Mitglieder des Baseler und des Wuppertaler Kreises hätten den Mittelpunkt der Umsetzung der Preisabsprachen und der Überwachung dieser Umsetzung gebildet.

89      Schließlich gelangt die Kommission im 147. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die drei Kreise Teile des gleichen fortdauernden Systems gewesen seien. Der Baseler Kreis sei die europäische Variante der Absprache gewesen, der Wuppertaler die deutsche. Trotz ihrer unterschiedlichen Zusammensetzung seien in beiden Kreisen die Gesprächsinhalte jeweils fortgesetzt worden, was insbesondere für die jährlichen „Preisrunden“ gelte. Diese seien im Wuppertaler Kreis vorbereitet worden (mit Vorschlägen für Deutschland und die anderen EG-Märkte), und im (normalerweise im Herbst tagenden) anschließenden Baseler Kreis seien alle Vorschläge verglichen und in Bezug auf die verschiedenen nationalen Märkte vereinbart worden. Der Amsterdamer Kreis, in dem die drei verbliebenen größeren Anbieter Prym Fashion, Stocko und Scovill/Scovill USA zusammengekommen seien, sei eine Verlängerung der erfolgreichen Zusammenarbeit im Baseler und Wuppertaler Kreis gewesen.

90      Nach dem 148. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung dauerte die Zusammenarbeit im Rahmen der drei Kreise vom 24. Mai 1991 bis mindestens zum 15. März 2001, an dem auch die Zuwiderhandlung der drei Mitglieder des Amsterdamer Kreises, d. h. Stocko, Prym Fashion und Scovill/Scovill USA geendet habe. Diese Zuwiderhandlung habe für die Klägerin und den VBT am 19. August 2000 und für A. Raymond am 1. Dezember 1999 geendet.

–       Einordnung des rechtswidrigen Verhaltens

91      Es ist daher zu prüfen, ob zwischen dem von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung geahndeten Verhalten der Mitglieder der drei Kreise insofern ein Komplementaritätsverhältnis bestand, als die Zusammenarbeit in jedem dieser Kreise eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen sollte und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beitrug, die ihre Urheber im Rahmen eines auf ein einziges Ziel gerichteten Gesamtplans anstrebten. Die Kommission begründet ihre Auffassung selbst so, indem sie den Umstand anführt, dass die drei Kreise „Teil der gleichen Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern“ waren (siehe oben, Randnr. 87). Insoweit sind insbesondere alle Umstände zu berücksichtigen, die dieses Verhältnis nachweisen oder in Frage stellen können, wie der Zeitraum der Anwendung der Vereinbarungen, deren Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden), die Teilnehmer an den Treffen, die Identität der Produkte, das Vorliegen einer Gesamtkoordination sowie das Ziel der verschiedenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen.

92      Zur ersten Rüge, die auf Unterschiede bei der Zusammensetzung der verschiedenen Kreise (deutsche Hersteller/europäische Hersteller) sowie beim Inhalt und der Organisation gestützt ist, ergibt sich aus der Anwendung der oben genannten Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall, dass die Absprachen im Rahmen der drei Kreise zusammen eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bilden. Die Kommission hat das Komplementaritätsverhältnis in den Erwägungsgründen 297 bis 307 der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichend nachgewiesen.

93      Das Vorliegen eines gemeinsamen Ziels, bestehend in der Verfälschung der normalen Preisentwicklung, rechtfertigte es nämlich, die verschiedenen Vereinbarungen als Bestandteile einer einzigen Zuwiderhandlung einzustufen. Ferner erörterten die Teilnehmer die Erstellung einer einheitlichen europäischen Preisliste und besprachen die Festsetzung von Mindestpreisen für „andere Verschlüsse“ und Ansetzmaschinen sowie von Nachlässen für „andere Verschlüsse“ im Rahmen der Bemühungen zur Erstellung dieser Preisliste. Dass nebeneinander drei Kreise bestanden, bestätigt ebenfalls die Überschneidung zwischen ihnen, wie die Kommission zu Recht vorgetragen hat.

94      Die auf die behauptete Nutzlosigkeit einer Vereinbarung auf europäischer Ebene gestützte Rüge greift nicht durch. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht bestreitet, vom 21. Mai 1991 bis zum 19. August 2000 an Treffen im Rahmen des Baseler Kreises, bei denen es um europäische Märkte ging, teilgenommen zu haben. Die Klägerin räumt dies im Übrigen in der Klageschrift selbst ein, indem sie dort ausführt:

„Dem ist insoweit zuzustimmen, als mit dem Ende des Wuppertaler Kreises die deutschen Sachthemen tatsächlich im Baseler Kreis erörtert wurden. Bis zum Ende des Wuppertaler Kreises wurden die Inhalte zwischen dem deutschen und den sonstigen europäischen Märkten jedoch getrennt behandelt.“

95      Sodann war die Klägerin nicht nur auf dem deutschen Markt tätig, sondern auch auf dem französischen, dem niederländischen und dem österreichischen Markt. Eine etwaige Vereinbarung auf europäischer Ebene war folglich für sie von Interesse. Schließlich wäre es wenig wahrscheinlich, dass die Klägerin neun Jahre und drei Monate lang an Treffen teilnahm, die sie als völlig nutzlos ansah (vgl. entsprechend Urteile des Gerichts vom 29. November 2005, Heubach/Kommission, T‑64/02, Slg. 2005, II‑5137, Randnr. 130, und PVC II, oben in Randnr. 69 angeführt, Randnr. 748).

96      Die Klägerin meint, der Amsterdamer Kreis könne nicht als der Ort betrachtet werden, an dem die im Rahmen der beiden anderen Kreise entfalteten Tätigkeiten fortgesetzt worden seien. Veränderungen der Marktsituation hätten zunächst zur Auflösung des Wuppertaler, dann zur Auflösung des Baseler Kreises geführt. Die Erörterung von europäischen und weltweiten Themen sei anschließend nur im exklusiven Kreis von Prym, Scovill und YKK, d. h. im sogenannten Amsterdamer Kreis, fortgeführt worden. Dieser Behauptung kann jedoch nicht gefolgt werden. Insoweit ist auf die einheitliche Zielsetzung der drei Kreise (vgl. Erwägungsgründe 299 und 300 der angefochtenen Entscheidung) hinzuweisen und auf den Umstand, dass die in ihrem Rahmen praktizierten, nachgewiesenen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen als Teil eines Gesamtplans anzusehen sind. Diese Feststellungen werden nicht nur durch die Erklärungen im Rahmen der Anträge auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002 (vgl. Erwägungsgründe 141 und 142 der angefochtenen Entscheidung), sondern auch durch die handschriftlichen Notizen des VBT (im Folgenden: handschriftliche Notizen) (vgl. z. B. die Erwägungsgründe 67 und 76 der angefochtenen Entscheidung) getragen. Was das Treffen vom 19. August 2000 angeht, das als das Gründungstreffen des Amsterdamer Kreises angesehen werden könnte und an dem teilgenommen zu haben die Klägerin nicht bestritten hat, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung den Umstand berücksichtigt hat, dass die Klägerin das Treffen verlassen hatte (siehe oben, Randnr. 90).

97      Zu dem Beweiswert, der den einzelnen Beweismitteln, d. h. im vorliegenden Fall den Erklärungen der Prym‑ und der YKK-Gruppe im Rahmen ihrer Anträge auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002, zuzumessen ist, ist darauf hinzuweisen, dass, auch wenn gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptbeteiligten an einem rechtswidrigen Kartell im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da diese Beteiligten die Neigung haben können, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen, dies nichts daran ändert, dass das Argument der Klägerin nicht der inneren Logik des in den Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002 vorgesehenen Verfahrens entspricht. Das Antragsbegehren nämlich, durch deren Anwendung eine Ermäßigung der Geldbuße zu erwirken, begründet nicht zwangsläufig einen Anreiz zur Vorlage verfälschter Beweise gegen die übrigen Beteiligten an dem beanstandeten Kartell. Denn jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass er in den vollen Genuss der anwendbaren Mitteilung über Zusammenarbeit gelangt. Folglich ist angesichts des Umfangs und der Anzahl von übereinstimmenden Indizien, insbesondere der handschriftlichen Notizen, die für die Richtigkeit der Erklärungen der Prym‑ und der YKK-Gruppe sprechen, der erste Teil des zweiten Klagegrundes der Klägerin zurückzuweisen.

 Zum zweiten und zum dritten Teil des Klagegrundes: Fehler bei der Anwendung der Verjährungsvorschriften

 Vorbringen der Parteien

98      Die Klägerin behauptet zunächst, dass bei einer Berechnung anhand der drei Daten, die sie als Zeitpunkte der jeweils letzten vorwerfbaren Handlung im Rahmen jedes der drei Kreise angebe, jede der Zuwiderhandlungen verjährt sei. Sodann habe sie sich bei dem Treffen vom 25. November 1997 offen von den Vereinbarungen distanziert. Schließlich sei die Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen, als die Kommission die erste zur Verjährungsunterbrechung geeignete Handlung vorgenommen habe.

99      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

100    Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) legt für Zuwiderhandlungen der der Klägerin zur Last gelegten Art eine Verjährungsfrist von fünf Jahren fest. Nach Art. 25 Abs. 2 Satz 2 dieser Verordnung beginnt bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen die Verjährung mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung beendet ist. Gemäß Art. 25 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 wird die Verjährung durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission unterbrochen.

101    Im vorliegenden Fall setzt somit die Verjährungseinrede, die hinsichtlich der der Klägerin vorgeworfenen Zuwiderhandlung erhoben wird, voraus, dass die Zusammenarbeit im Rahmen der drei Kreise nicht zu einer einheitlichen, dauernden Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 25 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gehört, da die Verjährung in diesem Fall erst mit dem Tag der Beendigung der Zuwiderhandlung im letzten Kreis (Amsterdam) beginnt, d. h. am 15. März 2001. Es ist hervorzuheben, dass der Klägerin die einheitliche, dauernde Zuwiderhandlung nicht bis zu deren Ende, sondern nur bis zum 19. August 2000 zur Last gelegt wird.

102    Zu dem Vorbringen, die Unterbrechung der Verjährung sei nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt, ist festzustellen, dass die Klägerin zu Unrecht annimmt, die Zustellung der Nachprüfungsentscheidung vom 30. Oktober 2001 könne nicht als die Verjährung unterbrechende Handlung gelten. Die Klägerin führt insoweit an, dass diese Entscheidung nicht an sie gerichtet gewesen sei und die Ermittlungen einen Sachverhalt betroffen hätten, der mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen gar nichts zu tun gehabt habe. Somit habe es vor der Zustellung des ersten Auskunftsersuchens an sie, Prym und den VBT am 25. Juni bzw. 14. April 2003 keine Unterbrechungshandlung gegeben.

103    Die Kommission wendet dagegen zu Recht ein, dass die Nachprüfungsentscheidung die der Klägerin vorgeworfenen Handlungen umfasst habe (vgl. Erwägungsgründe 451 bis 459 der angefochtenen Entscheidung). Der Auftrag der Nachprüfungsentscheidung geht aus dem 457. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eindeutig hervor:

„[Die Nachprüfungsentscheidung bezieht sich auf die] ‚wichtigsten Hersteller und Vertriebshändler von Hart- und Weichkurzwaren, Faden und Textilien in der EU‘, …, die nach Wissen der Kommission zu jener Zeit ‚direkt und/oder über den [VBT] an Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen und/oder der Annahme von Beschlüssen eines Unternehmensverbandes teilnahmen oder teilgenommen hatten, die Folgendes betrafen: (i) die Festsetzung der Preise für die betreffenden Produkte; (ii) Preisvereinbarungen über prozentuale Erhöhungen für jedes Unternehmen; (iii) Marktaufteilungsvereinbarungen in Form ausschließlicher Ankaufs- und Vertriebsabsprachen zwischen Coats …, William Prym … und Dritten, mit dem Ziel, den Markt für Hartkurzwarenerzeugnisse aufzuteilen; (iv) eine ausschließliche Vertriebsvereinbarung zwischen William Prym … und einem dritten Unternehmen, mit dem offensichtlich der Zweck verfolgt wurde, dieses Unternehmen am Marktzutritt zu hindern; (v) Weitergabe geschäftsempfindlicher Informationen zwischen William Prym … und Coats …‘“

104    Nach dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 wirkt die Unterbrechung gegenüber allen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen. So betrachtet musste die Nachprüfungsentscheidung daher nicht zwingend auch an die Klägerin gerichtet sein, um dieser gegenüber als an dem fraglichen Kartell Beteiligte die Verjährung zu unterbrechen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, Slg. 2006, II‑4441, Randnrn. 46 und 47).

105    Folglich ist festzustellen, dass die Zustellung der Nachprüfungsentscheidung vom 30. Oktober 2001 die Verjährung am 7. und 8. November 2001 unterbrochen hat (vgl. den 40. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

106    Nach alledem betrifft die fünfjährige Verjährungsfrist im vorliegenden Fall nur solche Zuwiderhandlungen, die vor dem 30. Oktober 1996 beendet waren (vgl. den 456. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

107    Die Zuwiderhandlungsdauer ist sowohl ein integraler und damit untrennbarer Bestandteil der Feststellung einer Zuwiderhandlung als auch eine der Voraussetzungen, die für die Verjährung der Verfolgung einer dauernden Zuwiderhandlung maßgebend sind (Urteil Peróxidos Orgánicos/Kommission, oben in Randnr. 104 angeführt, Randnr. 21). Die Einhaltung der Verjährungsvorschriften durch die Kommission setzt voraus, dass sie den Zeitraum, in dem sich die Klägerin an der Zuwiderhandlung beteiligt hat, fehlerfrei bestimmt. Folglich ist, um dem Gericht die Feststellung zu ermöglichen, ob die fünfjährige Verjährungsfrist abgelaufen war oder nicht, zu prüfen, ob die Kommission im Hinblick auf die genannte Unterbrechung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die Beteiligung der Klägerin an der Zusammenarbeit im Rahmen der drei Kreise mindestens bis zum 30. Oktober 1996 fortgedauert hat.

108    Demgemäß ist zu prüfen, wann die Beteiligung der Klägerin an der von der Kommission geahndeten Zuwiderhandlung endete.

109    Zur Beantwortung der Frage, wann die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung endete, ist vorab auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach es zum einen der Partei oder Behörde, die den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erhebt, obliegt, die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend beweisen, und wonach zum anderen das Unternehmen, das sich gegenüber der Feststellung einer Zuwiderhandlung auf eine Rechtfertigung berufen möchte, den Nachweis zu erbringen hat, dass die Voraussetzungen für diese Rechtfertigung erfüllt sind, so dass die genannte Behörde dann auf andere Beweismittel zurückgreifen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 58, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnr. 78).

110    Im Übrigen ist die Dauer der Zuwiderhandlung ein Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG, für das hauptsächlich die Kommission beweispflichtig ist. Soweit es an Beweismaterialien fehlt, mit denen die Dauer der Zuwiderhandlung direkt belegt werden kann, muss die Kommission nach der Rechtsprechung zumindest Beweismaterialien beibringen, die sich auf Fakten beziehen, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung erfolgt ist (Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994, Dunlop Slazenger/Kommission, T‑43/92, Slg. 1994, II‑441, Randnr. 79).

111    Selbst wenn man annimmt, dass, wie die Klägerin behauptet, ihre Teilnahme am Wuppertaler Kreis nicht am 20. März, sondern am 25. Februar 1997 endete, ist der ihr zur Last gelegte Sachverhalt nicht verjährt. Gleiches gilt für die Behauptung, die Klägerin habe ihre Teilnahme am Baseler Kreis am 2. Mai 1997 beendet.

112    Auch wenn es im vorliegenden Fall genügt, die Umstände zu prüfen, die die Beurteilung der Kommission stützen könnten, dass die Beteiligung der Klägerin an dem betreffenden Kartell über den 30. Oktober 1996 hinaus fortdauerte, und in diesem Zusammenhang nicht geprüft zu werden braucht, ob diese Beteiligung tatsächlich, wie im 148. Erwägungsgrund und in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung angegeben, bis zum 19. August 2000 fortdauerte, ist im Hinblick darauf, dass die Klägerin die Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung im Rahmen ihres vierten Klagegrundes bestreitet, diese Dauer festzustellen.

113    Die Tatsache, dass die Klägerin nicht bei allen Treffen anwesend war, bzw. der Umstand, dass sie sich vereinzelt abweichend zu den getroffenen Absprachen verhielt, steht gemäß der Rechtsprechung der Annahme ihrer Teilnahme an dem Kartell nicht entgegen. Der Umstand, dass ein Unternehmen die Ergebnisse einer Sitzung mit wettbewerbswidrigem Gegenstand nicht umsetzt, kann es nicht von seiner Verantwortung für die Teilnahme an einem Kartell entlasten, sofern es sich nicht offen von dessen Inhalt distanziert hat (Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission, C‑291/98 P, Slg. 2000, I‑9991, Randnr. 50, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnr. 85).

114    Zwar behauptet die Klägerin, sich bei dem Treffen vom 25. November 1997 im Rahmen des Wuppertaler Kreises, bei dem für 1998 Preiserhöhungen beschlossen worden seien, von dem Kartell offen distanziert zu haben, doch enthalten die Akten keinen Beweis dafür. Zudem behauptet sie nur für einige einzelne Jahre, nämlich 1992, 1995, 1999 und 2001, sich wettbewerbskonform verhalten zu haben. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, dass sich ein Unternehmen, dessen Beteiligung an einer Absprache mit seinen Konkurrenten erwiesen ist, auf dem Markt nicht in der mit ihnen vereinbarten Weise verhalten hat, bei der Bestimmung der Höhe der zu verhängenden Geldbuße nicht zwangsläufig als mildernder Umstand zu berücksichtigen ist (Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnr. 490).

115    Ein Unternehmen, das trotz der Absprache mit seinen Konkurrenten eine mehr oder weniger unabhängige Marktpolitik verfolgt, versucht nämlich möglicherweise nur, das Kartell zu seinem Vorteil auszunutzen (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, T‑327/94, Slg. 1998, II‑1373, Randnr. 142, und Cascades/Kommission, T‑308/94, Slg. 1998, II‑925, Randnr. 230), und ein Unternehmen, das sich von den Ergebnissen eines Treffens, an dem es teilgenommen hat, nicht distanziert, behält grundsätzlich seine volle Verantwortlichkeit für seine Teilnahme an dem Kartell (vgl. Urteil Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, oben in Randnr. 114 angeführt, Randnr. 491 und die dort angeführte Rechtsprechung).

116    Somit hat die Klägerin nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass sie, indem sie auf dem fraglichen Markt ein lauteres und unabhängiges Wettbewerbsgebaren an den Tag legte, ihre Beteiligung an dem Kartell vor dem 19. August 2000 beendet hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 5. Dezember 2006, Westfalen Gassen Nederland/Kommission, T‑303/02, Slg. 2006, II‑4567, Randnr. 139).

117    Außerdem würde der Umstand, dass die Klägerin des Bruchs von Absprachen bezichtigt und gedrängt worden sei, künftig das Preisniveau der Kollegen zu respektieren und ihre Liste entsprechend anzuheben, vielmehr zeigen, dass sie aus der Sicht der anderen Kartellbeteiligten weiter an der Zuwiderhandlung teilnahm und deshalb die getroffenen Absprachen inhaltlich beachten solle. Überdies geht aus der Erwiderung von William Prym auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hervor, dass sich die betroffenen Unternehmen mitunter nicht an die Verabredungen gehalten hätten.

118    Im Übrigen ist festzustellen, dass sich die Klägerin auch nicht vom Kartell zurückgezogen hat, um es der Kommission anzuzeigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. November 2005, Union Pigments/Kommission, T‑62/02, Slg. 2005, II‑5057, Randnr. 42). Wie sich aus der angefochtenen Entscheidung, insbesondere den Erwägungsgründen 59 bis 61, ergibt, hat die Klägerin regelmäßig an den verschiedenen Treffen teilgenommen oder wurde über den Inhalt der Besprechungen, an denen sie nicht teilnehmen konnte, unterrichtet (Erwägungsgründe 120, 125, 126 und 303 der angefochtenen Entscheidung). Die fortwährende Beteiligung wird zudem durch den Informationsaustausch zwischen Prym, YKK, Stocko und der Klägerin einige Tage nach der Zusammenkunft des Wuppertaler Kreises belegt, in dessen Rahmen die Einhaltung der bei dieser Zusammenkunft gefassten Beschlüsse bestätigt worden war (vgl. 132. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Insoweit ist hervorzuheben, dass bei dieser Zusammenkunft Preiserhöhungen für 1998 beschlossen worden waren und dass die bei der Zusammenkunft vom 17. November 1998 getroffenen Vereinbarungen die Entwicklung der Preise im Jahr 1999 betrafen. Die Klägerin hatte zwar an dieser Zusammenkunft nicht teilgenommen, wurde jedoch über den Inhalt dieser Absprachen informiert. Bei dem Treffen vom 1. Dezember 1999, bei dem erneut Preiserhöhungen festgelegt wurden, war die Klägerin wieder anwesend.

119    Zu den Einwänden der Klägerin in Bezug auf das Treffen des Baseler Kreises vom 19. August 2000 in Amsterdam ist festzustellen, dass, wie aus dem 148. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung und deren Art. 1 hervorgeht, die Klägerin nur aufgrund ihrer Kartellbeteiligung im Bereich der Zusammenarbeit im Rahmen der drei Kreise im Zeitraum 24. Mai 1991 bis 19. August 2000 (d. h. neun Jahre und drei Monate) für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht wird. Folglich hat die Kommission der Klägerin nicht die Beteiligung an wettbewerbswidrigen Absprachen im Rahmen dieses Treffens oder danach zur Last gelegt.

120    Daher ist festzustellen, dass die Kommission den Sachverhalt ordnungsgemäß nachgewiesen hat, auf den sie ihre Beurteilung stützte, dass die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung tatsächlich bis zum 19. August 2000 andauerte. Der der Klägerin zur Last gelegte Sachverhalt wäre somit auch dann nicht verjährt gewesen, wenn vor der Zustellung des ersten Auskunftsverlangens an sie keine die Verjährung unterbrechende Handlung vorgenommen worden wäre.

121    Folglich sind der zweite und der dritte Teil des zweiten Klagegrundes und somit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

4.     Zum hilfsweise geltend gemachten dritten Klagegrund: Unzureichender Nachweis der Zuwiderhandlung

122    Im Rahmen des dritten Klagegrundes ist zu prüfen, ob die Klägerin Argumente oder Tatsachen vorgetragen hat, die die von der Kommission vorgetragenen Indizien widerlegen oder ihren Beweiswert entkräften können.

 Natur des Beweises für die Zuwiderhandlungen und Beweismaß

 Vorbringen der Parteien

123    Die Klägerin trägt vor, die von der Kommission vorgelegten Beweise seien nicht geeignet, ihre Teilnahme an wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen nachzuweisen. Nach der Rechtsprechung müsse die Kommission hinreichend eindeutige und übereinstimmende Beweise beibringen, insbesondere für die Anhaltspunkte und Informationen, die von Personen stammten, die Antrag auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 oder 2002 gestellt hätten. Da sie von Amts wegen vorgehen könne, habe sie sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen. Solle eine von Dritten geführte Korrespondenz verwertet werden, müsse diese besonders sorgfältig auf ihre Glaubhaftigkeit überprüft werden.

124    Die Kommission ist der Ansicht, dass sie der ihr obliegenden Beweispflicht nachgekommen sei und die Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend entsprechend dem nach der Rechtsprechung erforderlichen Beweismaß nachgewiesen worden sei.

 Würdigung durch das Gericht

125    Nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG hat die Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts bei Streitigkeiten über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend belegen (Urteile des Gerichtshofs Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 109 angeführt, Randnr. 58, und vom 6. Januar 2004, BAI und Kommission/Bayer, C‑2/01 P und C‑3/01 P, Slg. 2004, I‑23, Randnr. 62; Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 688). Hierzu muss die Kommission hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um nachzuweisen, dass die behauptete Zuwiderhandlung stattgefunden hat (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 28. März 1984, CRAM und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, Slg. 1984, 1679, Randnr. 20, und vom 31. März 1993, Ahlström Osakeytiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, Slg. 1993, I‑1307, Randnr. 127, Urteil des Gerichts vom 21. Januar 1999, Riviera Auto Service u. a./Kommission, T‑185/96, T‑189/96 und T‑190/96, Slg. 1999, II‑93, Randnr. 47).

126    Stützt sich die Kommission im Rahmen der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Art. 81 EG und 82 EG auf schriftliche Beweismittel, haben die betroffenen Unternehmen nicht nur eine plausible Alternative zur Auffassung der Kommission darzutun, sondern müssen außerdem aufzeigen, dass die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise nicht für den Nachweis der Zuwiderhandlung genügen (vgl. in diesem Sinne Urteile Zement, oben in Randnr. 72 angeführt, Randnrn. 725 bis 728, und JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 72 angeführt, Randnr. 187). In einem Fall wie dem vorliegenden, wenn sich die Kommission auf direkte Beweise stützt, müssen die betroffenen Unternehmen dartun, dass die von der Kommission herangezogenen Beweise nicht genügen. Es ist bereits entschieden worden, dass eine solche Umkehr der Beweislast nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstößt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Montecatini/Kommission, C‑235/92 P, Slg. 1999, I‑4539, Randnr. 181).

127    Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendigerweise hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei seiner Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 72 angeführt, Randnr. 180 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128    Die Indizien, die die Kommission in der Entscheidung anführt, um einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu beweisen, sind nämlich nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T‑53/03, Slg. 2008, II‑1333, Randnr. 185 und die dort angeführte Rechtsprechung).

129    Es ist auch zu berücksichtigen, dass die wettbewerbswidrigen Tätigkeiten heimlich ablaufen und deshalb in den meisten Fällen das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden muss, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnrn. 55 bis 57).

130    Im Übrigen genügt es nach ständiger Rechtsprechung zum Nachweis der Teilnahme eines Unternehmens am Kartell, wenn die Kommission dartut, dass das betreffende Unternehmen an Zusammenkünften, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, teilnahm, ohne sich offen dagegen auszusprechen. Ist die Teilnahme an solchen Zusammenkünften erwiesen, obliegt es diesem Unternehmen, Indizien vorzutragen, die zum Beweis seiner fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der Teilnahme an den Zusammenkünften geeignet sind, und nachzuweisen, dass es seine Mitbewerber darauf hingewiesen hat, dass es an den Zusammenkünften mit einer anderen Zielsetzung als sie teilnahm (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C‑199/92 P, Slg. 1999, I‑4287, Randnr. 155, Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 69 angeführt, Randnr. 96, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnr. 81).

131    Dieser Rechtsgrundsatz beruht auf der Erwägung, dass das Unternehmen, indem es an der fraglichen Sitzung teilnahm, ohne sich offen von deren Inhalt zu distanzieren, den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gab, dass es sich dem Ergebnis der Sitzung anschließen und entsprechend verhalten werde (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnr. 82).

132    Zudem kann der Umstand, dass ein Unternehmen die Ergebnisse einer Sitzung mit wettbewerbswidrigem Gegenstand nicht umsetzt, es nicht von seiner Verantwortung für die Teilnahme an einem Kartell entlasten, sofern es sich nicht offen von dessen Inhalt distanziert hat (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnr. 85).

133    Ferner ist entschieden worden, dass der Begriff der offenen Distanzierung als Verantwortlichkeitsentlastungselement eng auszulegen ist. Insbesondere kann das Schweigen eines Wirtschaftsteilnehmers bei einem Treffen, bei dem eine rechtswidrige Abstimmung über eine bestimmte Frage erfolgt, die die Preispolitik berührt, nicht der Bekundung einer entschiedenen und klaren Missbilligung gleichgesetzt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Westfalen Gassen Nederland/Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnrn. 103 und 124).

134    Allerdings beruht die oben angeführte Rechtsprechung zur stillschweigenden Billigung auf der Prämisse, dass das betreffende Unternehmen an Sitzungen teilnahm, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnr. 81) oder die als solche offensichtlich wettbewerbswidrig waren (Urteil Hüls/Kommission, oben in Randnr. 130 angeführt, Randnr. 155). Folglich ist diese Rechtsprechung nicht heranzuziehen, wenn die Wettbewerbswidrigkeit einer Sitzung nicht unzweifelhaft nachgewiesen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Coats Holdings und Coats/Kommission, T‑36/05, Slg. 2007, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 91).

135    Was den Beweiswert der verschiedenen Beweisstücke anbelangt, ist das allein maßgebliche Kriterium für die Beurteilung der von einer Partei beigebrachten Beweise deren Glaubhaftigkeit (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, T‑44/00, Slg. 2004, II‑2223, Randnr. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, Slg. 2004, II‑2395, Randnr. 72, und JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 72 angeführt, Randnr. 273). Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hängt die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und davon ab, ob sein Inhalt vernünftig und glaubhaft ist (Urteil Zement, oben in Randnr. 72 angeführt, Randnr. 1053; Schlussanträge des Richters Vesterdorf in Wahrnehmung der Aufgaben des Generalanwalts in der Rechtssache Rhône-Poulenc/Kommission, oben in Randnr. 69 angeführt, Slg. 1991, II‑869, II‑956). Große Bedeutung kommt insbesondere dem Umstand zu, dass ein Schriftstück in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorgängen (Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Ensidesa/Kommission, T‑157/94, Slg. 1999, II‑707, Randnr. 312, und vom 16. Dezember 2003, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, T‑5/00 und T‑6/00, Slg. 2003, II‑5761, Randnr. 181) oder von einem unmittelbaren Zeugen dieser Vorgänge erstellt wurde (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 72 angeführt, Randnr. 207). Außerdem sind Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 72 angeführt, Randnrn. 207, 211 und 212).

136    Da aber die Erklärungen, die im Rahmen der Anträge auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 oder 2002 abgegeben wurden, von anderen Unternehmen bestritten werden, denen ebenfalls vorgeworfen wird, an der behaupteten Zuwiderhandlung teilgenommen zu haben, müssen sie durch andere Beweismittel untermauert werden, um einen hinreichenden Beweis für das Bestehen und die Tragweite der Übereinkunft darstellen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, Enso-Gutzeit/Kommission, T‑337/94, Slg. 1998, II‑1571, Randnr. 91, und vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 1998, II‑4407, Randnr. 285).

137    Das Vorbringen der Klägerin ist im Licht dieser allgemeinen Erwägungen zu prüfen.

 Prüfung der einzelnen Vorwürfe betreffend den Austausch vertraulicher Informationen über Preise und die Durchführung von Preiserhöhungen

 Vorbringen der Parteien

138    Die Klägerin bestreitet im Wesentlichen, an einem Austausch vertraulicher Informationen über Preise und an der Durchführung von Preiserhöhungen teilgenommen zu haben. Es seien keine nationalen Preislisten ausgetauscht worden, und die Absicht der Prym-Gruppe, eine europäische Preisliste zu erstellen, sei nicht in die Tat umgesetzt worden. Die Kommission sehe zu Unrecht vom Nachweis des wettbewerbswidrigen Inhalts eines jeden der Treffen ab, weil sie fälschlich von einer einheitlichen Zuwiderhandlung ausgehe.

139    Nach Auffassung der Kommission wird durch das Vorbringen der Klägerin der in der angefochtenen Entscheidung erbrachte Nachweis wettbewerbswidriger Vereinbarungen nicht in Frage gestellt.

 Würdigung durch das Gericht

140    Die Klägerin bestreitet weder, dass die nachstehend genannten Treffen stattfanden, noch ihre Teilnahme an diesen Treffen.

–       Zu dem Treffen des Baseler Kreises vom 24. Mai 1991 (Erwägungsgründe 91 und 92 der angefochtenen Entscheidung)

141    Die Klägerin trägt vor, die handschriftlichen Notizen ließen nicht den Schluss zu, dass sie sich an Abstimmungen der Mietpreise für Ansetzmaschinen beteiligt habe. Außerdem seien die handschriftlichen Notizen in sich widersprüchlich. Im Übrigen seien solche Absprachen sinnlos gewesen, und die Prym-Gruppe habe ihre Existenz bestritten.

142    Der 91. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung lautet:

„Auf dem [Treffen des Baseler Kreises] in Beaune [Frankreich] am 24. Mai 1991 tauschten die Teilnehmer Informationen über die Durchführung von Preiserhöhungen für andere Verschlüsse aus. Herr [E. K.] von William Prym berichtete über die Lage in England und erläuterte, dass eine Preiserhöhung von 7 % wegen der Konkurrenz durch das Unternehmen ‚Morito‘ nicht durchgesetzt werden konnte. Unter dem Tagesordnungspunkt ‚Ausfuhrmärkte‘ wurde der Vorschlag besprochen, die Preise ab 1. April 1991 um 4,5 % zu erhöhen. Diese Erhöhung wurde wegen der ungünstigen Marktlage als nicht überall erreichbar betrachtet. A. Raymond vermerkte, dass 3-4 % teilweise möglich waren …“

143    Im 92. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung heißt es:

„Aus den gleichen Aufzeichnungen … sowie aus einer ‚Besprechungsnotiz‘ vom 8. April 1991 … geht hervor, dass die Mitglieder auch die Mietpreise für Ansetzmaschinen abstimmten. Die deutschen Mitglieder schlugen unterschiedliche Prozentsätze zwischen 5 und 15 % je nach Größenordnung und Maschinentyp vor, wobei ‚neue Mieten‘ unverändert bleiben sollten. Diskutiert wurde auch, wie die Kunden höhere Mietpreise akzeptieren könnten. Dabei wurde zwischen Frankreich, wo die Maschinen größtenteils verkauft werden, und Belgien, wo eine Vermietung ohne Schwierigkeiten möglich ist, verglichen. Darüber hinaus wurde die Frage einer Klassifizierung der Maschinen angesprochen und zu einer intensiveren Behandlung an den deutschen (sprich: Wuppertaler) Kreis verwiesen …“

144    Aus diesen beiden Erwägungsgründen ergibt sich, dass sich die Kommission auf die handschriftlichen Notizen über die Treffen vom 8. April und 24. Mai 1991 stützte.

145    In den Auszügen aus den handschriftlichen Notizen über das Treffen vom 8. April 1991 ist ausgeführt:

„Baseler Kreise – Sitzung am 24. Mai 1991 in Beaune …

Punkte für TAGESORDNUNG

1.      Regularien

      …

2.      Mietpreise/Altmieten

Vorschlag der deutschen Gruppe [d. h. der Teilnehmer am Wuppertaler Kreis] für folgende Staffel:

a)      Vollautomaten

b)      Halbautomaten

Neumieten bleiben unberührt.

c)      Termine sollten firmenindividuell geregelt werden:

3.      Berechnung von Service-Leistungen

4.      Behandlung der Werkzeugkosten“

146    In den Auszügen aus den handschriftlichen Notizen über das Treffen vom 24. Mai 1991 heißt es:

„Frage: wie wurde Erhöhung der Mietpreise akzeptiert? In Frankreich wurden Maschinen weitgehend verkauft. In Belgien sind ohne Schwierigkeiten Mieten durchgeführt worden.

Frage: ob im Bereich Maschinen eine Klassifizierung möglich ist? Thema muss im deutschen Kreis [d. h. im Wuppertaler Kreis] intensiv behandelt werden.

[Tagesordnungspunkt] 2: vorgesehen waren 4,5 % [Preiserhöhung] ab 1.4.91 … Dieser Prozentsatz konnte nicht immer durchgesetzt werden wegen der schlechten Lage in den Exportmärkten lt. Raymond ca. 3-4 % konnten im Schnitt erzielt werden.“

147    Zum einen ergibt sich aus diesen handschriftlichen Notizen, dass zwischen dem Baseler und dem Wuppertaler Kreis eine enge Verbindung bestand. Zum anderen bestätigen sich diese Notizen gegenseitig, was die Erörterung der Mietpreise für Ansetzmaschinen angeht.

148    Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die handschriftlichen Notizen vom VBT stammen, d. h. dem Organisator der Treffen der Kreise, und dass dem Umstand, dass dieses Schriftstück in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorgängen erstellt wurde, große Bedeutung zukommt (siehe oben, Randnr. 136, und den 90. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Folglich ist das Vorbringen der Klägerin zur Glaubhaftigkeit dieser Notizen zurückzuweisen.

149    Soweit die Klägerin ihre Beteiligung an der Abstimmung der Mietpreise für Ansetzmaschinen abstreitet, ist darauf hinzuweisen, dass sie ihre Anwesenheit bei dem Treffen vom 24. Mai 1991 nicht bestreitet und nicht behauptet, sich offen von dessen Inhalt distanziert zu haben (siehe oben, Randnr. 131). Zudem würde, selbst wenn die Klägerin den Vereinbarungen nicht entsprochen hätte, dies nicht ausreichen, sie von ihrer Verantwortlichkeit zu entlasten (siehe oben, Randnr. 133).

150    Überdies genügt für die Feststellung, dass das Verhalten der Klägerin gegen Art. 81 EG verstieß, bereits ihre Anwesenheit bei dem Treffen vom 24. Mai 1991, sofern dieses Treffen als „offensichtlich“ wettbewerbswidrig eingestuft werden kann (siehe oben, Randnr. 134). Diese Einstufung ist jedoch geboten, da, wie sich aus den genannten Beweisstücken ergibt, bei diesem Treffen zumindest die Erhöhung der Mietpreise für Ansetzmaschinen erörtert wurde.

151    Das Vorbringen der Klägerin, die Prym-Gruppe habe in ihrer Erklärung das Bestehen von Abstimmungen über die Erhöhung der Mietpreise bestritten, kann an diesem Ergebnis nichts ändern. Aus der Passage, auf die sich die Klägerin stützt, ergibt sich nämlich, dass sich diese Erklärung auf die bilaterale Zusammenarbeit zwischen William Prym und ihr bezog. Es heißt dort u. a., dass sie weder für den Markt für Ansetzmaschinen noch für den Produktmarkt eine Aufteilung beabsichtigt hätten. Diese Erklärung bezieht sich daher nicht spezifisch auf die bei dem Treffen vom 24. Mai 1991 erörterte Erhöhung der Mietpreise für Ansetzmaschinen. Diese Schlussfolgerung wird im Übrigen durch die handschriftlichen Notizen über das Treffen vom 24. Mai 1991 bestätigt, in denen unter Tagesordnungspunkt 5 das Verhältnis zwischen Fiocchi (Prym) und der Klägerin beschrieben wird.

–       Zu dem Treffen des Wuppertaler Kreises vom 21. Januar 1994 (Erwägungsgründe 110 und 111 der angefochtenen Entscheidung)

152    Die Klägerin trägt vor, die von der Kommission im 111. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung gegebene Beschreibung des Ablaufs des Treffens vom 21. Januar 1994 sei unzutreffend. Sollte der Klägerin der Auftrag erteilt worden sein, Vorschläge für Preislisten über Jeansknöpfe auszuarbeiten, die später als Vorlage für eine europäische Preisliste gedient hätten, könne es sich dabei allenfalls um eine Vorbereitungshandlung handeln.

153    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Beschreibung des Ablaufs des Treffens auf die handschriftlichen Notizen über das Treffen vom 21. Januar 1994 gestützt ist.

154    Der 111. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung lautet:

„Zusätzlich zu der Behandlung der europäischen Preisliste haben die VBT‑Mitglieder den Aufzeichnungen zufolge Preisinformationen ausgetauscht, um bei Jeansknöpfen (Tack Buttons) und anderem Jeanszubehör bis März 1994 (aufgrund eines Vorschlags [der Klägerin]) und später auch bei anderen Produkten zu einer Einigung zu gelangen. Ein früherer Vorschlag [der Klägerin] hatte keine Zustimmung gefunden, die Meinungsverschiedenheiten zwischen [Schaeffer] und Stocko waren inzwischen behoben und eine Einigung schien absehbar. Die Listenpreisvorschläge sollten ‚vernünftig (sein) und sich am oberen Rand des Marktpreisniveaus bewegen‘ …“

155    Aus Punkt 2 der handschriftlichen Notizen über dieses Treffen ergibt sich, dass ein erster Vorschlag der Klägerin für Tack Buttons und sonstige Artikel für den Jeans-Bereich nicht akzeptiert worden war, dass die Klägerin beauftragt wurde, den Vorschlag noch einmal auszuarbeiten (Buchst. a) und dass die Hersteller eine Abstimmung darüber im März 1994 anstrebten (Buchst. c). Die Notizen über das Treffen vom 30. April 1992 bestätigen im Übrigen, dass die Klägerin mit der Erstellung eines Vorschlags für eine Preisliste beauftragt worden war. Die Notizen über das Treffen vom 10. Oktober 1994 wiederum belegen, dass später Schaeffer mit der Erstellung der Liste betraut wurde (siehe Punkt 1 Buchst. b).

156    Aus alledem ergibt sich, dass dieses Treffen zu einer langen Reihe von Treffen gehört, die seit 1991 stattfanden und bei denen die Teilnehmer versuchten, auf der Grundlage der von der Klägerin erstellten Preisliste eine harmonisierte europäische Preisliste auszuarbeiten. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Vorwurf der Kommission in Bezug auf das Treffen vom 21. Januar 1994 gerade den Preislistenvorschlag der Klägerin und nicht den Vorschlag, eine europäische Preisliste zu erstellen, betrifft.

–       Zu dem Treffen des Baseler Kreises vom 16. Juni 1995 (119. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung)

157    Die Klägerin bestreitet, dass bei dem Treffen vom 16. Juni 1995, wie im 119. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung beschrieben, Informationen über Preise ausgetauscht worden seien. Die Notizen über dieses Treffen reichten nicht als Beleg für den Bericht von Herrn A., auf den diese Behauptung gestützt sei, aus.

158    Der 119. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung lautet:

„Auf dem Treffen des Baseler Kreises in Brügge [Belgien] am 16. Juni 1995 wurde die Durchführung der Preiserhöhungen erörtert. Aus den VBT‑Aufzeichnungen geht hervor, dass zumindest für Deutschland (Bericht des VBT‑Vertreters [A.]), das Vereinigte Königreich (Bericht des Prym-Fashion-Vertreters [K. H.]) und die Schweiz Informationen über Preiserhöhungen ausgetauscht wurden. Die Teilnehmer einigten sich ferner darauf, die Preise und Mieten für Maschinen für 1996 auf dem nächsten Herbsttreffen des Baseler Kreises zu behandeln. Die Mitglieder sprachen ferner über ihre Wettbewerber, und wie diese dazu gebracht werden könnten, mit dem Kreis zusammenzuarbeiten. Es wurde erklärt, dass Stocko (kurz zuvor von YKK übernommen) versuchen würde, positiv auf das Mutterunternehmen Einfluss zu nehmen und es zur Zusammenarbeit mit dem Baseler Kreis zu bewegen …“

159    Die Beschreibung des fraglichen Treffens ist auf die handschriftlichen Notizen über das Treffen vom 16. Juni 1995 gestützt. Zu deren Beweiswert ist darauf hinzuweisen, dass sie besonders glaubhaft sind, da sie vom VBT, der, wie bereits erwähnt, Organisator der Treffen der Kreise war, in der Zeit des Sachverhalts erstellt wurden (siehe oben, Randnr. 148).

160    In den handschriftlichen Notizen über das genannte Treffen sind zum Tagesordnungspunkt 1 die Berichte über die wirtschaftliche Lage und die Tendenzen a) in Deutschland (Bericht von Herrn A.), b) in Belgien (Bericht von Herrn B.), c) in der Schweiz (Bericht von Herrn K.), d) im Vereinigten Königreich (Bericht von Herrn K. H.) und e) in Italien (Bericht von Herrn P.) angeführt. Dort sind unter Punkt 1 Buchst. a, b, d und e Preiserhöhungen um 4  % genannt. Dies wird durch die Tagesordnung dieses Treffens bestätigt, auf der vermerkt ist „Ab 1. [Januar] 1995 linear auf alle Produkte + 4 %“.

161    Die Notizen zu Punkt 1 Buchst. a und b betreffen zwar sowohl Deutschland als auch Belgien, ohne dass ein Unterschied gemacht würde, doch ändert dies nichts an der Wahrheit und Bedeutung ihres Inhalts.

162    Im Übrigen wird diese Auslegung dieser handschriftlichen Notizen durch andere handschriftliche Notizen gestützt:

–        jene über das Treffen vom 30. April 1992 (wo die Klägerin durch Herrn C. B. vertreten war): Aus ihr ergibt sich, dass die Klägerin einen Vorschlag für eine Preisliste ausgearbeitet hatte, der bei diesem Treffen verteilt wurde, und die anderen Teilnehmer diesen Vorschlag bis Mitte Mai prüfen sollten. Anschließend sollte die Klägerin für diese Produktgruppe eine Liste ausarbeiten, und für weitere Produktgruppen sollten weitere Listen ausgearbeitet werden. Am 19. Mai 1992 schickten die anderen Teilnehmer ihre Bemerkungen an Herrn C. B., nachdem sie dessen Vorschlag geprüft hatten;

–        jene über das Treffen vom 13. Dezember 1994 (wo die Klägerin durch Herrn O. vertreten war): Aus Punkt 3 „Preislisten-Struktur“ ergibt sich, dass die Klägerin an der Ausarbeitung der Preisliste eindeutig weiter aktiv beteiligt war. Nur zur Information wurde in Punkt 1 u. a. festgehalten, dass die Klägerin das abweichende Verhalten von Stocko nicht mehr akzeptiere.

–       Zum Treffen des Wuppertaler Kreises vom 6. Mai 1996 (123. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung)

163    Die Klägerin trägt vor, bei diesem Treffen sei nicht die Durchführung von Preiserhöhungen erörtert worden. Sie bestreitet damit, dass dieses Treffen wettbewerbswidrig gewesen sei.

164    Nach Punkt 3 Buchst. a der handschriftlichen Notizen über das fragliche Treffen wurde die Preiserhöhung planmäßig durchgeführt, der Markt habe sie akzeptiert, und es habe wenige Probleme gegeben. In Punkt 4 dieser Notizen heißt es zu den Maschinenpreisen und ‑mieten, dass die Regelung von 1996 bekannt sei und so bleibe. Für 1997 sei es für eine Regelung noch zu früh, sie solle bei dem Herbsttreffen folgen.

165    Angesichts des Vorstehenden ist festzustellen, dass die Teilnehmer dieses Treffens die Erhöhung der Preise und Mieten für Ansetzmaschinen erörterten, dass die Regelung für 1996 immer noch galt und dass für 1997 eine neue Regelung angestrebt wurde. Folglich ist der wettbewerbswidrige Gegenstand dieses Treffens sehr klar nachgewiesen worden.

–       Zu den Anträgen der YKK‑ und der Prym-Gruppe auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002 und zu der Erklärung von A. Raymond

166    Erstens macht die Klägerin geltend, aus den Erklärungen der YKK-Gruppe gehe hervor, dass weder im Baseler noch im Wuppertaler Kreis konkrete Preisinformationen – weder die allgemeinen Preise noch die Preise für spezielle Kunden – ausgetauscht worden seien. Zweitens beziehe sich die Erklärung der Prym-Gruppe, dass im Wuppertaler Kreis „Diskussionen über Preismaßnahmen“ stattgefunden hätten, nicht konkret auf die Treffen, die die Kommission im Rahmen der Vorwürfe gegen die Klägerin nenne, sondern pauschal auf die Gesamtheit der Treffen dieses Kreises. Drittens habe A. Raymond in ihrer Erklärung bestritten, dass Informationen über Preise ausgetauscht worden seien.

167    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass, auch wenn gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptbeteiligten an einem rechtswidrigen Kartell im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da diese Beteiligten die Neigung haben können, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen, dies nichts daran ändert, dass das Argument der Klägerin nicht der inneren Logik des in den Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002 vorgesehenen Verfahrens entspricht. Das Antragsbegehren nämlich, durch deren Anwendung eine Ermäßigung der Geldbuße zu erwirken, begründet nicht zwangsläufig einen Anreiz zur Vorlage verfälschter Beweise gegen die übrigen Beteiligten an dem beanstandeten Kartell. Denn jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass er in den vollen Genuss der anwendbaren Mitteilung über Zusammenarbeit gelangt.

168    Da aber die Erklärungen, die im Rahmen der Anträge auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 oder 2002 abgegeben wurden, von anderen Unternehmen bestritten werden, denen ebenfalls vorgeworfen wird, an der behaupteten Zuwiderhandlung teilgenommen zu haben, müssen sie durch andere Beweismittel untermauert werden, um einen hinreichenden Beweis für das Bestehen und die Tragweite der Übereinkunft darstellen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile Enso-Gutzeit/Kommission, oben in Randnr. 136 angeführt, Randnr. 91, und Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 136 angeführt, Randnr. 285). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die tatsächlichen Feststellungen der Kommission hauptsächlich auf handschriftliche Notizen gestützt sind und die Erklärungen im Rahmen der jeweiligen Anträge auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002 eher zur Bestätigung dieser Feststellungen dienten. Somit werden diese Erklärungen im vorliegenden Fall durch andere Beweismittel untermauert.

169    Als Zweites ist festzustellen, dass die Erklärungen der YKK-Gruppe es der Kommission ermöglichten, die generelle Zielsetzung der Treffen zu bestätigen.

170    In dem Antrag der YKK-Gruppe vom 14. Dezember 2004 heißt es:

„In einigen Treffen des Baseler und des Wuppertaler Kreises wurden allerdings tatsächlich Vereinbarungen über künftige Preiserhöhungen erzielt. Diese Erhöhungen wurden von den Teilnehmern der Treffen in Prozentsätzen vorgesehen, ohne die tatsächlichen Preise anzugeben. Daher wurden sogar in diesen Fällen von Vereinbarungen über künftige Preisänderungen die tatsächlichen Preise nicht unter den Teilnehmern der Treffen transparent.“

171    In dem Antrag der YKK-Gruppe vom 18. Februar 2005 heißt es:

„… [B]ei einigen Treffen des Baseler und des Wuppertaler Kreises [wurden] nicht nur Vereinbarungen über künftige Preise getroffen, sondern … auch künftige Preise unter den Teilnehmern der Treffen transparent gemacht … Im Übrigen wurde bei einigen Treffen des Baseler und des Wuppertaler Kreises sowie in bilateralen Treffen … die Ausarbeitung einer ‚europäischen Preisliste‘ erörtert … Zudem erfolgte bei einigen Treffen des Baseler und des Wuppertaler Kreises eine gewisse Überwachung von Ausfuhrpreisen.“

172    Als Drittes ist festzustellen, dass die Erklärungen der Prym-Gruppe im Rahmen ihres Antrags vom 12. November 2004 unter der Überschrift „Wuppertaler Kreis“ stehen und somit doch, wie die Kommission ausführt, den Inhalt der Gespräche betreffen, die in diesem Rahmen stattfanden. Nach dem genannten Antrag wurde dieser Kreis neben Normung und Messwesen auch als Forum benutzt, um Preismaßnahmen zu diskutieren, vorzubereiten und umzusetzen.

173    Was als Viertes die Erklärung von A. Raymond angeht, so ergibt sich daraus zunächst, dass dieses Unternehmen die Teilnahme an einer Diskussion über die Ausarbeitung einer „europäischen Preisliste“ abstreitet. Weiter ergibt sich daraus, dass A. Raymond bestreitet, an einem Austausch von Informationen über Preise oder an einer Koordination von Preisinformationen im Baseler Kreis beteiligt gewesen zu sein. Schließlich hätten diese Informationen auf das Verhalten der anderen Mitglieder des Baseler Kreises keinen Einfluss haben können, da sie sehr allgemein gewesen seien (die angegebenen Prozentsätze seien Durchschnittswerte gewesen, die die spezifischen Merkmale der jeweiligen Produktart nicht berücksichtigt hätten) und Preiserhöhungen betroffen hätten, die bereits beschlossen und dem Vertrieb von A. Raymond bekannt gegeben gewesen seien.

174    Es ist festzustellen, dass die Erklärung von A. Raymond nicht geeignet ist, die handschriftlichen Notizen und die Erklärungen im Rahmen der Anträge der YKK- und der Prym-Gruppe auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002, auf die sich die Kommission zum Nachweis des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Klägerin stützte, zu entkräften.

 Prüfung der einzelnen Vorwürfe betreffend die Abstimmung von Preiserhöhungen für „andere Verschlüsse“ und Ansetzmaschinen

 Vorbringen der Parteien

175    Die Klägerin bestreitet, dass eine Abstimmung von Preiserhöhungen für „andere Verschlüsse“ und Ansetzmaschinen stattgefunden habe.

176    Nach Auffassung der Kommission basiert der Vortrag der Klägerin auf einem falschen Verständnis der Grundsätze, anhand deren erstens die Haftung der Klägerin für die Teilnahme an einer Zuwiderhandlung zu begründen ist und nach denen sich zweitens das erforderliche Beweismaß bestimmt.

 Würdigung durch das Gericht

–       Zu dem Treffen des Baseler Kreises vom 24. Mai 1991 (Erwägungsgründe 91 und 92 der angefochtenen Entscheidung)

177    Insoweit ist auf die oben in den Randnrn. 141 bis 151 vorgenommene Beweiswürdigung betreffend den Austausch vertraulicher Informationen über Preise und die Durchführung von Preiserhöhungen im Rahmen desselben Treffens zu verweisen.

–       Zu dem Treffen des Baseler Kreises vom 25. November 1992 (Erwägungsgründe 105 bis 107 der angefochtenen Entscheidung)

178    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin behauptet, die handschriftlichen Notizen über dieses Treffen enthielten nichts, was auf ihre Beteiligung an einer Abstimmung hindeuten würde. Sodann macht die Klägerin geltend, über sie sei ab dem 29. Mai 1992 unter der Überschrift „Außenseiterfragen“ gesprochen worden. Schließlich ergebe sich aus den handschriftlichen Notizen über das Treffen vom 10. bis 12. Juni 1993 nicht, dass eine Preiserhöhung vorher abgesprochen worden sei.

179    Der 105. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung lautet:

„Auf dem Treffen des Baseler Kreises in Basel vom 25. November 1992 wurden für 1993 Preise auf der Grundlage von Berichten der Mitglieder vereinbart. Herr [R.] von A. Raymond kündigte für Frankreich eine Preiserhöhung von 2 % für Druckknöpfe ab 1. März 1993 und von 3,5 % für Nieten an. Eine stärkere Anhebung würde seiner Auffassung nach am Wettbewerbsdruck durch Fiocchi scheitern, dessen Preise um 30-50 % unter denen von Raymond lagen. Deswegen sei [A.] Raymond nicht gewillt, mit den Preiserhöhungen fortzufahren, solange die Preisharmonisierung noch nicht erreicht sei. Fiocchi sei bemüht, seine Preise über das allgemeine Anhebungsniveau hinaus zu erhöhen, würde damit aber seinen Marktanteil gefährden …“

180    Im 106. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung heißt es:

„Preiserhöhungen wurden laut VBT‑Aufzeichnungen für die Schweiz (3 % ab Februar/März 1993), Belgien (2 % ab Februar/März 1993 nach [Herrn B.] [Unifast]), Deutschland (3,5 % ab 1.2.1993 laut [Herrn A.] [siehe Randnr. 103 der angefochtenen Entscheidung]), das Vereinigte Königreich (3,5 % ab 1.6.1993 laut [Herrn K. H.] [William Prym]) angegeben. Eine Preiserhöhung von 4 % war für Portugal, Griechenland, die Türkei und Israel vorgesehen, auch wurden Preislisten ausgetauscht. In den Aufzeichnungen heißt es, dass Fiocchi seine Preise stärker anheben werde …“

181    Der 107. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung lautet:

„Die Gespräche über eine europäische Preisliste wurden unter dem Tagesordnungspunkt ‚Umgestaltung und Harmonisierung der europäischen Märkte innerhalb der EG ab 1993‘ fortgesetzt. Daran sollte im [deutschen Kreis, d. h. im] Wuppertaler Kreis weitergearbeitet werden …“

182    Somit zog die Kommission zur Bestimmung des Inhalts des fraglichen Treffens die handschriftlichen Notizen über dieses Treffen heran.

183    Aus diesen Notizen ergibt sich, dass die Teilnehmer bei diesem Treffen Preiserhöhungen und deren Abstimmung erörterten. Eine Einstufung der Klägerin als „Außenseiterin“, sollte sie denn nachgewiesen sein, würde im vorliegenden Fall nichts ändern, da sie bei diesem Treffen anwesend war und sich von dessen Inhalt nicht offen distanzierte.

184    Die Notizen über das Treffen vom 10. bis 12. Juni 1993 belegen, dass sich die Gespräche über die Durchführung von Preiserhöhungen auf die Umsetzung der bei dem Treffen vom 25. November 1992 erfolgten Abstimmung über Preiserhöhungen bezogen, da es in den Notizen heißt, die Erhöhung habe nur zum Teil durchgesetzt werden können. Langfristig solle jedoch das Preisziel angestrebt werden.

–       Zu den Treffen des Baseler Kreises vom 17. Februar und 17. November 1994 und vom 2. Mai 1997 (Erwägungsgründe 112, 115, 116, 129 und 130 der angefochtenen Entscheidung)

185    Die Klägerin trägt hierzu vor, die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung zitierten Auszüge aus den handschriftlichen Notizen ließen nicht erkennen, inwiefern die Klägerin an rechtswidrigen Absprachen beteiligt gewesen sein solle, und keinesfalls lasse sich daraus die Begründetheit der Vorwürfe gegenüber der Klägerin ableiten.

186    Im Übrigen stünden die Feststellungen der Kommission im Widerspruch zu dem abweichenden Verhalten der Klägerin und zu der Verärgerung der anderen Mitglieder des Wuppertaler Kreises. Die Klägerin macht geltend, sie habe ihre Preise unabhängig vom Wuppertaler Kreis bestimmt.

187    Es ist festzustellen, dass aus den Erwägungsgründen 112, 115, 116, 129 und 130 der angefochtenen Entscheidung tatsächlich hervorgeht, dass die Kommission zur Bestimmung des Inhalts der fraglichen Treffen die handschriftlichen Notizen über diese Treffen heranzog.

188    Die handschriftlichen Notizen über das Treffen vom 17. Februar 1994 zeigen, dass Herr A. für Deutschland eine Erhöhung um 2,8 % ab dem 1. Februar 1994 mitteilte (vgl. Punkt 1). Ferner wurde vorgeschlagen, ab dem 1. April 1994 die Exportpreise um 2,8 % anzuheben (vgl. Punkt 2).

189    In den handschriftlichen Notizen über das Treffen vom 17. November 1994 sind die von den verschiedenen Mitgliedern berichteten Preiserhöhungen für 1995 verzeichnet (vgl. Punkt 1). Bei diesem Treffen wurde eine lineare Erhöhung der Exportpreise um 4 % für sämtliche Produkte und Länder ab Januar 1995 festgelegt (vgl. Punkt 2). Die französischen Preislisten wurden besprochen, und es wurde festgestellt, dass für die Produktgruppe Grip-Fix-Druckknöpfe die Vorstellungen und Struktur der in Deutschland verwendeten Preislisten auch in Frankreich verwendet werden könnten (vgl. Punkt 6).

190    Laut den handschriftlichen Notizen über das Treffen vom 2. Mai 1997 tauschten die Mitglieder Informationen über die Durchführung der Preiserhöhungen für 1997 auf den verschiedenen Märkten aus (vgl. Punkt 2). Die Teilnehmer prüften außerdem die Lage auf den Exportmärkten (vgl. Punkt 3).

191    In Bezug auf das Vorbringen, die Klägerin habe sich abweichend verhalten, ist der Schlussfolgerung der Kommission im 290. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu folgen, dass sich die Klägerin von dem Kartell nicht offen distanzierte und weiter an Gesprächen über Preisvereinbarungen und an anderen Formen des Austauschs vertraulicher Informationen bis zur Zusammenkunft vom 19. August 2000 teilnahm.

–       Ergebnis

192    Erstens ergibt sich aus den handschriftlichen Notizen sowie den Erwägungsgründen 59 und 60 der angefochtenen Entscheidung, dass die Klägerin regelmäßig an den Treffen des Baseler und des Wuppertaler Kreises (zehn von achtzehn bzw. zwölf von fünfzehn Treffen) teilnahm.

193    Zweitens ergibt sich aus diesen Notizen, dass die Klägerin bei diesen Treffen an Besprechungen teilnahm, in denen nicht nur die Abstimmung von Preiserhöhungen für „andere Verschlüsse“ und Ansetzmaschinen beschlossen wurde, sondern auch vertrauliche Informationen über Preise und die Durchführung von Preiserhöhungen durch die verschiedenen Teilnehmer ausgetauscht wurden. Der Gegenstand der Treffen wurde durch die Erklärungen der Prym‑ und der YKK-Gruppe bestätigt. Somit ist der wettbewerbswidrige Gegenstand dieser Treffen rechtlich hinreichend nachgewiesen.

194    Drittens hat sich die Klägerin vom Inhalt dieser Treffen nicht im Sinne der angeführten Rechtsprechung offen distanziert, so dass sie für ihre Teilnahme an dem Kartell haftbar gemacht werden kann. Die von der Klägerin angeführten Schriftstücke, mit denen sie ihre aktive Beteiligung an den Absprachen in Frage stellen will, zeigen, dass die anderen Teilnehmer, obgleich mindestens zweimal Beschwerden ob eines illoyalen Verhaltens ihrerseits laut wurden, sie stets als Kartellmitglied betrachteten und sich sonst nicht über ihr Verhalten beschwerten. Zudem nahm die Klägerin bis zu dem Treffen vom 19. August 2000 weiter an den Gesprächen über Preiserhöhungen und am sonstigen Austausch von vertraulichen Informationen teil.

195    Viertens kann der Beweiswert der handschriftlichen Notizen und der Erklärungen, die im Rahmen der Anträge der YKK- und der Prym-Gruppe auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002 abgegeben wurden, nicht in Frage gestellt werden. Die in den Räumlichkeiten des VBT gefundenen Unterlagen (u. a. die handschriftlichen Notizen und die Tagesordnungen der verschiedenen vom VBT organisierten Treffen) bestätigen, dass die Klägerin an den Absprachen regelmäßig aktiv beteiligt war. Die genannten Erklärungen untermauern diese Feststellungen.

196    Fünftens ist zu dem Vorbringen, die Kommission hätte den Nachweis der Wettbewerbswidrigkeit für jedes einzelne Treffen führen müssen, darauf hinzuweisen, dass es ausreicht, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei seiner Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (siehe oben, Randnr. 127).

197    Sechstens ist zu dem Vorbringen, mit dem die Klägerin bestreitet, dadurch Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln begangen zu haben, dass sie Einladungen und/oder Tagesordnungen zu einzelnen Treffen empfangen habe, an denen sie nicht teilgenommen habe, festzustellen, dass die Klägerin, wenn sie an diesen Treffen, zu denen sie Einladungen erhalten hatte, nicht teilnehmen konnte, über deren Stattfinden und den Inhalt der Besprechungen (Preisabsprachen) unterrichtet bzw. ihre Zustimmung eingeholt wurde. Es handelt sich insbesondere um die Treffen des Wuppertaler Kreises vom 13. Oktober 1995, 13. und 22. November 1996, zu denen der Klägerin ausweislich der handschriftlichen Notizen Informationen übermittelt oder sie kontaktiert wurde. Gleiches gilt für die Treffen des Baseler Kreises vom 18. bis 20. Juni und 17. November 1998 und vom 21. bis 23. Mai 1999, zu denen die Klägerin eingeladen war und die Tagesordnung erhalten hatte.

198    Folglich ist der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

5.     Zum vierten Klagegrund: Fehlerhafte Berechnung der Geldbuße

 Vorbringen der Parteien

199    Die Klägerin ist der Auffassung, der Kommission seien bei der Berechnung der Geldbuße mehrere Fehler unterlaufen. Zum einen habe die Kommission ausgehend von einer überlangen Dauer und von ihren Feststellungen zur Schwere der Zuwiderhandlung einen falschen Grundbetrag festgelegt. Zum anderen wirft die Klägerin der Kommission vor, die teilweise Nichtumsetzung der rechtswidrigen Absprachen und ihre untergeordnete Rolle nicht als mildernde Umstände zur Ermäßigung der Geldbuße berücksichtigt zu haben. Zudem stehe die Höhe der auferlegten Geldbuße in keinem Verhältnis zur Schwere der vorgeworfenen Zuwiderhandlung und zu den Geldbußen, die für die bilateralen Absprachen zwischen der Prym- und der YKK-Gruppe verhängt worden seien.

200    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

201    Vor der Prüfung der von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe ist darauf hinzuweisen, dass aus den Randnrn. 489 und 692 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass die von der Kommission wegen der Zuwiderhandlung auferlegten Geldbußen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verhängt wurden. Außerdem bestimmte die Kommission den Betrag der Geldbußen in Anwendung der in den Leitlinien und in der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 vorgesehenen Methode.

202    Die Leitlinien können zwar nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden, stellen aber eine Verhaltensnorm dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Praxis enthält und von der die Kommission im Einzelfall nur unter Angabe von mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbarenden Gründen abweichen kann (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C‑397/03 P, Slg. 2006, I‑4429, Randnr. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

203    Es ist somit Sache des Gerichts, im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von der Kommission verhängten Geldbußen zu prüfen, ob die Kommission ihr Ermessen gemäß der in den Leitlinien dargelegten Methode ausgeübt hat und, soweit es feststellt, dass sie davon abgewichen ist, ob diese Abweichung gerechtfertigt und rechtlich hinreichend begründet ist. Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof die Gültigkeit zum einen des Prinzips der Leitlinien selbst und zum anderen der darin angegebenen Methode bestätigt hat (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 252 bis 255, 266 bis 267, 312 und 313).

204    Die aus dem Erlass der Leitlinien resultierende Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission ist nämlich nicht unvereinbar mit dem Fortbestand eines erheblichen Ermessens der Kommission. Die Leitlinien enthalten verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften der Verordnungen Nr. 17 und Nr. 1/2003 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof auszuüben (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 203 angeführt, Randnr. 267).

205    Daher ist in den Bereichen, in denen die Kommission über einen Ermessensspielraum verfügt, z. B. in Bezug auf den Ausgangsbetrag oder den Erhöhungssatz der Geldbuße nach Maßgabe der Zuwiderhandlungsdauer, die Rechtmäßigkeitskontrolle dieser Beurteilungen auf die Prüfung beschränkt, dass kein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission, T‑241/01, Slg. 2005, II‑2917, Randnrn. 64 und 79).

206    Im Übrigen greifen das Ermessen der Kommission und die diesem von ihr selbst gezogenen Grenzen grundsätzlich nicht der Ausübung der dem Richter zustehenden Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vor (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 72 angeführt, Randnr. 538), die ihn ermächtigt, die von der Kommission verhängte Geldbuße aufzuheben, zu ermäßigen oder zu erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, Slg. 2007, I‑1331, Randnrn. 60 bis 62, und Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2003, General Motors Nederland und Opel Nederland/Kommission, T‑368/00, Slg. 2003, II‑4491, Randnr. 181).

207    Gemäß Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen (vgl. auch den 493. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

208    Aus den Leitlinien ergibt sich, dass sie die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung als solcher vorsehen, um einen Ausgangsbetrag der Geldbuße zu bestimmen. Erstens wird die Schwere der Zuwiderhandlung anhand der Merkmale des betreffenden Unternehmens, insbesondere seiner Größe und seiner Stellung auf dem relevanten Markt, geprüft; dies kann zur Gewichtung des Ausgangsbetrags, zur Einteilung der Unternehmen in Kategorien und zur Festsetzung eines spezifischen Ausgangsbetrags führen. Zweitens wird die Dauer des Verstoßes bei der Festsetzung des Grundbetrags berücksichtigt, und drittens sehen die Leitlinien die Berücksichtigung erschwerender und mildernder Umstände vor, die es ermöglichen, die Geldbuße insbesondere nach Maßgabe der aktiven oder passiven Rolle der betreffenden Unternehmen bei der Durchführung der Zuwiderhandlung anzupassen.

 Zur fehlerhaften Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

209    Wie bereits im Rahmen des zweiten und des dritten Klagegrundes festgestellt, hat die Klägerin an der Zuwiderhandlung im Rahmen der drei Kreise im Zeitraum vom 24. Mai 1991 bis zum 19. August 2000 teilgenommen. Es war nicht möglich, auf die endgültige Beendigung der Beteiligung der Klägerin an dem Kartell zu schließen, da sie sich bei dem Treffen vom 25. November 1997 nicht offen von dessen Inhalt distanziert hatte (siehe oben, Randnr. 113). Die Dauer der Zuwiderhandlung beträgt somit neun Jahre und drei Monate, was einer Zuwiderhandlung von langer Dauer im Sinne der Leitlinien entspricht.

 Zur fehlerhaften Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung

210    Wie im Rahmen des zweiten und des dritten Klagegrundes festgestellt, wurde mit den Treffen im Rahmen des Baseler und des Wuppertaler Kreises die Koordinierung von Preiserhöhungen in Verbindung mit dem Austausch vertraulicher Preisinformationen bezweckt, um den Teilnehmern das Eingehen und die Durchführung wettbewerbswidriger Vereinbarungen zu erleichtern. Derartige Praktiken stellen horizontale Beschränkungen von der Art des „Preiskartells“ im Sinne der Leitlinien dar und sind somit ihrer Art nach „besonders schwer“ (vgl. Nr. 1 Teil A dritter Gedankenstrich der Leitlinien).

 Zur fehlerhaften Beurteilung der mildernden Umstände

211    Die Klägerin verweist hierzu auf zwei Gesichtspunkte: erstens die teilweise Nichtumsetzung der rechtswidrigen Absprachen und zweitens ihre untergeordnete Rolle bei deren Durchführung und ihre geringe Größe (vgl. Nr. 3 der Leitlinien).

212    Nach Nr. 1 Teil A Abs. 1 der Leitlinien sind die konkreten Auswirkungen des rechtswidrigen Verhaltens jedes Unternehmens auf den Markt und den Wettbewerb zu berücksichtigen, „sofern diese messbar sind“ (Urteil Tokai I, oben in Randnr. 47 angeführt, Randnr. 207).

213    Im vorliegenden Fall zog die Kommission den Schluss, dass die Absprache in Bezug auf den europäischen Markt umgesetzt worden sei und geeignet gewesen sei, Auswirkungen im Markt zu zeitigen, selbst wenn diese möglicherweise schwächer oder kürzer als von den Teilnehmern beabsichtigt gewesen seien. Zum Beweis für diese Feststellung stützte sich die Kommission auf die handschriftlichen Notizen, aus denen hervorgeht, dass die Preiserhöhungen in der Regel von den Kartellteilnehmern durchgeführt wurden und regelmäßig Informationen über die Preise und die Anwendung der Preise durch die Teilnehmer ausgetauscht wurden. Da die Kommission nach den Leitlinien bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes dessen konkrete Auswirkungen auf den Markt nur berücksichtigen muss, wenn diese messbar sind, und die allgemeine Vereinbarung darauf abzielte, den potenziellen Wettbewerb zu beseitigen, so dass konkrete Auswirkungen naturgemäß schwer messbar sind, ist davon auszugehen, dass die Kommission nicht verpflichtet war, die konkreten Auswirkungen des Kartells auf den Markt genau aufzuzeigen und zu quantifizieren, sondern sich an Wahrscheinlichkeitsschätzungen in Bezug auf solche Auswirkungen halten konnte (Urteil Scandinavian Airlines System/Kommission, oben in Randnr. 205 angeführt, Randnr. 122).

214    Was die behauptete untergeordnete Rolle der Klägerin angeht, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung, wenn eine Zuwiderhandlung von mehreren Unternehmen begangen worden ist, die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen ist (Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, oben in Randnr. 50 angeführt, Randnr. 623, und Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 69 angeführt, Randnr. 150), um festzustellen, ob bei ihnen erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen.

215    Die Nrn. 2 und 3 der Leitlinien sehen eine Abstufung des Grundbetrags der Geldbuße nach Maßgabe bestimmter erschwerender und mildernder Umstände vor.

216    Insbesondere stellen die „ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum“ eines Unternehmens bei der Zuwiderhandlung, wenn erwiesen, nach Nr. 3 erster Gedankenstrich der Leitlinien einen mildernden Umstand dar, wobei diese passive Rolle impliziert, dass sich das betroffene Unternehmen nicht hervorgetan hat, d. h. nicht aktiv an der Ausarbeitung der wettbewerbswidrigen Absprache(n) teilgenommen hat.

217    Nach der Rechtsprechung kann als Anhaltspunkt für die passive Rolle eines Unternehmens innerhalb eines Kartells berücksichtigt werden, dass es deutlich seltener als die gewöhnlichen Mitglieder des Kartells an den Zusammenkünften teilgenommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 343), dass es spät in den Markt, auf dem die Zuwiderhandlung stattgefunden hat, eingetreten ist, unabhängig davon, wie lange es an der Zuwiderhandlung mitgewirkt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 1985, Stichting Sigarettenindustrie u. a./Kommission, 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, Slg. 1985, 3831, Randnr. 100), oder dass es entsprechende ausdrückliche Aussagen von Vertretern dritter an der Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen gibt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Weig/Kommission, T‑317/94, Slg. 1998, II‑1235, Randnr. 264).

218    Im vorliegenden Fall beruft sich die Klägerin darauf, an dem vorgeworfenen Sachverhalt nicht beteiligt gewesen zu sein, sowie auf ihre Nichtteilnahme an bestimmten Treffen und ihre geringe Größe.

219    Es ist festzustellen, dass die Klägerin von Anfang bis Ende der Zuwiderhandlung regelmäßig an den Treffen teilnahm, deren wettbewerbswidriger Gegenstand nachgewiesen worden ist (siehe oben, Randnr. 193), und dass sie mit der Erstellung einer europäischen Preisliste betraut war (siehe oben, Randnr. 154). Die Rolle der Klägerin kann daher nicht als gering bzw. passiv eingestuft werden, obwohl sie bei bestimmten Zusammenkünften des Baseler und Wuppertaler Kreises nicht anwesend war (siehe oben, Randnr. 197) und zuweilen eine abweichende Preispolitik verfolgte (siehe oben, Randnrn. 113 und 114).

220    Zu dem Vorbringen der Klägerin, dass ihr Marktanteil vergleichsweise gering sei, ist festzustellen, dass dieser Gesichtspunkt von der Kommission im Rahmen der differenzierten Behandlung (vgl. 525. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) berücksichtigt worden ist. Im Übrigen hat die Klägerin die Einteilung der Unternehmen in Kategorien als solche nicht in Frage gestellt.

221    Zu der Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Schwere der Zuwiderhandlung hat das Gericht bereits festgestellt (siehe oben, Randnr. 210), dass die Zuwiderhandlung zu Recht als besonders schwer eingestuft worden ist. Zu der Verletzung dieses Grundsatzes in Bezug auf die für die bilateralen Absprachen zwischen der Prym- und der YKK-Gruppe verhängten Geldbußen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass ihre Strafe außer Verhältnis zu dem anteiligen Umfang ihrer tatsächlichen Kartellbeteiligung stehe. Insoweit ist bereits festgestellt worden, dass die Rolle der Klägerin nicht als gering bzw. passiv eingestuft werden kann (siehe oben, Randnr. 219) und dass die Kommission den vergleichsweise geringen Marktanteil der Klägerin berücksichtigt hat (siehe oben, Randnr. 220).

222    Das Vorbringen, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend gemacht wird, ist, wie die Kommission ausführt, im Stadium der Erwiderung verspätet. Zudem ist festzustellen, dass dieses Vorbringen über eine bloße Präzisierung der Tragweite des vorliegenden Klagegrundes hinausgeht. Dieses Vorbringen ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

223    Der letzte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

224    Nach alledem greift keiner der Klagegründe durch. Die Nichtigkeitsklage ist daher insgesamt abzuweisen, ohne dass unter den Umständen des vorliegenden Falles im Wege der unbeschränkten Nachprüfung der Betrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße abzuändern wäre.

 Kosten

225    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Berning & Söhne GmbH & Co. KG trägt die Kosten.

Czúcz

Labucka

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Juni 2012.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Anträge der Parteien

Entscheidungsgründe

1.  Zum Antrag auf Durchführung von Beweiserhebungen

2.  Zum ersten Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

3.  Zum zweiten Klagegrund: Verjährung der Zuwiderhandlung

Zum ersten Teil des Klagegrundes: Fehlerhafte Berücksichtigung der drei Kreise als Teile einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

–  Vergleich der Mitteilung der Beschwerdepunkte, der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Vorliegens einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

–  Einordnung des rechtswidrigen Verhaltens

Zum zweiten und zum dritten Teil des Klagegrundes: Fehler bei der Anwendung der Verjährungsvorschriften

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

4.  Zum hilfsweise geltend gemachten dritten Klagegrund: Unzureichender Nachweis der Zuwiderhandlung

Natur des Beweises für die Zuwiderhandlungen und Beweismaß

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Prüfung der einzelnen Vorwürfe betreffend den Austausch vertraulicher Informationen über Preise und die Durchführung von Preiserhöhungen

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

–  Zu dem Treffen des Baseler Kreises vom 24. Mai 1991 (Erwägungsgründe 91 und 92 der angefochtenen Entscheidung)

–  Zu dem Treffen des Wuppertaler Kreises vom 21. Januar 1994 (Erwägungsgründe 110 und 111 der angefochtenen Entscheidung)

–  Zu dem Treffen des Baseler Kreises vom 16. Juni 1995 (119. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung)

–  Zum Treffen des Wuppertaler Kreises vom 6. Mai 1996 (123. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung)

–  Zu den Anträgen der YKK‑ und der Prym-Gruppe auf Anwendung der Mitteilungen über Zusammenarbeit von 1996 und 2002 und zu der Erklärung von A. Raymond

Prüfung der einzelnen Vorwürfe betreffend die Abstimmung von Preiserhöhungen für „andere Verschlüsse“ und Ansetzmaschinen

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

–  Zu dem Treffen des Baseler Kreises vom 24. Mai 1991 (Erwägungsgründe 91 und 92 der angefochtenen Entscheidung)

–  Zu dem Treffen des Baseler Kreises vom 25. November 1992 (Erwägungsgründe 105 bis 107 der angefochtenen Entscheidung)

–  Zu den Treffen des Baseler Kreises vom 17. Februar und 17. November 1994 und vom 2. Mai 1997 (Erwägungsgründe 112, 115, 116, 129 und 130 der angefochtenen Entscheidung)

–  Ergebnis

5.  Zum vierten Klagegrund: Fehlerhafte Berechnung der Geldbuße

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zur fehlerhaften Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

Zur fehlerhaften Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung

Zur fehlerhaften Beurteilung der mildernden Umstände

Kosten


** Verfahrenssprache: Deutsch.