Language of document : ECLI:EU:T:2013:119

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

11. März 2013(*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Wettbewerb – Veröffentlichung eines Beschlusses, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Ablehnung des Antrags auf vertrauliche Behandlung von Daten, die angeblich unter das Geschäftsgeheimnis fallen – Antrag auf einstweilige Anordnungen – Dringlichkeit – Fumus boni iuris – Interessenabwägung“

In der Rechtssache T‑462/12 R

Pilkington Group Ltd mit Sitz in St Helens, Merseyside (Vereinigtes Königreich), vertreten durch J. Scott, S. Wisking und K. Fountoukakos-Kyriakakos, Solicitors,

Antragstellerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer, P. Van Nuffel und G. Meeßen als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses C(2012) 5718 final der Kommission vom 6. August 2012, mit dem ein von der Pilkington Group Ltd nach Art. 8 des Beschlusses 2011/695/EU des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren gestellter Antrag auf vertrauliche Behandlung abgelehnt wurde (Sache COMP/39.125 – Automobilglas), sowie einstweiliger Anordnungen zwecks Beibehaltung der für bestimmte Angaben zur Antragstellerin hinsichtlich der Entscheidung K(2008) 6815 endg. der Kommission vom 12. November 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.125 – Automobilglas) gewährten vertraulichen Behandlung,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits, Verfahren und Anträge der Parteien

1        Gegenstand des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Beschluss C(2012) 5718 final der Kommission vom 6. August 2012, mit dem ein von der Pilkington Group Ltd nach Art. 8 des Beschlusses 2011/695/EU des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren gestellter Antrag auf vertrauliche Behandlung abgelehnt wurde (Sache COMP/39.125 – Automobilglas) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

2        Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte die Europäische Kommission den Antrag auf Beibehaltung der im Februar 2010 auf der Internetseite der Generaldirektion „Wettbewerb“ veröffentlichten nichtvertraulichen Fassung der Entscheidung K(2008) 6815 endg. vom 12. November 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.125 – Automobilglas) (im Folgenden: Entscheidung von 2008) ab.

3        In der Entscheidung von 2008 hatte die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt, die von der Antragstellerin, der Pilkington Group Ltd, und von anderen zu ihrer Gruppe gehörenden Gesellschaften, von mehreren Gesellschaften, die zur französischen Gruppe Saint-Gobain und zur japanischen Gruppe Asahi – zu der unter anderem das Unternehmen AGC Glass Europe zählt – gehören, sowie von dem französischen Unternehmen Soliver zwischen 1998 und 2003 im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) hinsichtlich der Verkäufe von Glas, das für Neufahrzeuge und Originalersatzteile für Kraftfahrzeuge verwendet wird (im Folgenden: Autoglas-Kartell), begangen wurde. Daher verhängte die Kommission gegen die an diesem Kartell Beteiligten Geldbußen in Höhe von insgesamt mehr als 1,3 Mrd. Euro, wobei sich die gegen die Gruppe der Antragstellerin verhängte Geldbuße auf 370 Mio. Euro belief.

4        Unter Berücksichtigung der Anträge auf vertrauliche Behandlung, die von den Adressaten der Entscheidung von 2008 gestellt worden waren, veröffentlichte die Kommission im Februar 2010 eine vorläufige nichtvertrauliche Langfassung dieser Entscheidung auf ihrer Internetseite. Die Antragstellerin beanstandete diese Veröffentlichung nicht.

5        Mit Schreiben vom 28. April 2011 teilte die Kommission der Antragstellerin mit, dass sie beabsichtige, aus Gründen der Transparenz eine erweiterte nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung von 2008 zu veröffentlichen und dazu mehrere Anträge auf vertrauliche Behandlung abzulehnen, die diese bei ihr in Bezug auf erstens die Kundennamen, die Namen und die Beschreibungen von Produkten sowie andere Informationen, aufgrund derer bestimmte Kunden identifiziert werden könnten (im Folgenden: Informationen der Kategorie I), zweitens die Anzahl der von der Antragstellerin gelieferten Teile, der Anteil eines bestimmten Automobilherstellers, die Preiskalkulationen, die Preisänderungen usw. (im Folgenden: Informationen der Kategorie II) und drittens Informationen, aufgrund derer nach Ansicht der Antragstellerin bestimmte mutmaßlich in die Durchführung des Kartells verwickelte Mitglieder ihres Personals identifiziert werden könnten (im Folgenden: Informationen der Kategorie III) gestellt habe. Für den Fall, dass die Antragstellerin nicht einverstanden sei, stellte die Kommission ihr anheim, sich gemäß dem Beschluss 2011/695/EU des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (ABl. L 275, S. 29) an den Anhörungsbeauftragten zu wenden.

6        Da die Antragstellerin feststellte, dass die vorgeschlagene erweiterte Fassung zahlreiche Informationen enthielt, die im Februar 2010 aus Gründen der Vertraulichkeit nicht veröffentlicht worden waren, teilte sie dem Anhörungsbeauftragten mit Schreiben vom 30. Juni 2011 mit, dass sie mit der Veröffentlichung einer Fassung der Entscheidung von 2008, die ausführlicher sei als die im Februar 2010 veröffentlichte Fassung, nicht einverstanden sei, wobei sie geltend machte, dass die Informationen der Kategorien I und II geschützt werden müssten, da es sich um Geschäftsgeheimnisse handele, während aufgrund der Verbreitung der Informationen der Kategorie III natürliche Personen, d. h. mutmaßlich in die Durchführung des Kartells verwickelte Angestellte, identifiziert werden könnten. Die Antragstellerin beantragte daher die vertrauliche Behandlung sämtlicher dieser Informationen.

7        In dem angefochtenen Beschluss, der „[f]ür die Kommission“ unterzeichnet wurde, ließ der Anhörungsbeauftragte zwar die Vertraulichkeit einiger der von der Antragstellerin angeführten Angaben gelten, lehnte aber dennoch fast alle ihre Anträge ab.

8        Der angefochtene Beschluss wurde der Antragstellerin am 9. August 2012 zugestellt.

9         Mit Klageschrift, die am 19. Oktober 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin eine Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses erhoben. Zur Begründung dieser Klage macht sie im Wesentlichen geltend, dass die streitige Veröffentlichung zum einen die Verpflichtung zur Vertraulichkeit, der die Kommission nach Art. 339 AEUV und Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) unterliege, und zum anderen die Verpflichtung zum Schutz personenbezogener Daten verletze, der sie nach Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 389, im Folgenden: Grundrechtecharta) unterliege, soweit die erweiterte Fassung der Entscheidung von 2008 unter das Berufsgeheimnis fallende Geschäftsgeheimnisse und Informationen, aufgrund derer Angestellte der Antragstellerin identifiziert werden könnten, enthalte.

10      Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht wurde, hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, in dem sie im Kern beantragt,

–        den Vollzug des angefochtenen Beschlusses bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache auszusetzen;

–        der Kommission aufzugeben, die Veröffentlichung einer Fassung der Entscheidung von 2008, die hinsichtlich der Antragstellerin ausführlicher ist als die im Februar 2010 auf der Internetseite der Kommission veröffentlichte Fassung, zu unterlassen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

11      In ihrer Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 11. Januar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beantragt,

–        den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen;

–        der Antragstellerin die Kosten aufzuerlegen.

12      Nach Eingang der Stellungnahme der Kommission ist der Antragstellerin gestattet worden, diese zu erwidern, was sie mit Schriftsatz vom 18. Februar 2013 getan hat. Daraufhin hat die Kommission mit Schriftsatz vom 6. März 2013 geantwortet.

13      Mit Schriftsätzen, die am 17. und 22. Januar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die deutschen Versicherungsgesellschaften HUK-Coburg, LVM, VHV und die Württembergische Gemeinde-Versicherung beantragt, im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Letztere hat keinerlei Einwände gegen diesen Antrag erhoben, wohingegen sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. Februar 2013 dagegen ausgesprochen hat, dass den Streithilfeanträgen stattgegeben werde.

 Rechtliche Würdigung

 Zu den Streithilfeanträgen

14      Gemäß Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs, der nach Art. 53 Abs. 1 der Satzung für das Gericht gilt, kann eine Person einem beim Gericht anhängigen Rechtsstreit beitreten, wenn sie ein berechtigtes Interesse an dessen Ausgang nachweist.

15      Dabei ist es ständige Rechtsprechung, dass unter dem Begriff des berechtigten Interesses am Ausgang des Rechtsstreits ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran zu verstehen ist, dass den Anträgen selbst stattgegeben wird, und nicht ein Interesse hinsichtlich der geltend gemachten Gründe. Es ist nämlich eine Unterscheidung zu treffen zwischen Streithilfeantragstellern, die ein unmittelbares Interesse an der Entscheidung über die konkrete Handlung, deren Nichtigerklärung beantragt wird, glaubhaft machen, und solchen Antragstellern, die nur wegen der Ähnlichkeit ihrer Situation mit der Situation einer der Parteien ein mittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft machen (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. Januar 2013, Stichting Woonlinie u. a./Kommission, C‑133/12 P, Randnr. 7 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 26. Juli 2004, Microsoft/Kommission, T‑201/04 R, Slg. 2004, II‑2977, Randnr. 32).

16      Wenn der Streithilfeantrag im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gestellt wird, ist das Interesse am Ausgang des Rechtsstreits als Interesse am Ausgang des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zu verstehen. Der Ausgang des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes kann genauso wie der Ausgang des Verfahrens zur Hauptsache die Interessen Dritter verletzen oder begünstigen. Folglich ist im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes das Interesse derjenigen, die beantragen, als Streithelfer zugelassen zu werden, im Hinblick darauf zu würdigen, welche Folgen die Gewährung der beantragten einstweiligen Anordnung oder deren Versagung für ihre wirtschaftliche oder rechtliche Lage hätte (Beschluss Microsoft/Kommission, Randnr. 33).

17      Auf jeden Fall lässt die Würdigung des Interesses am Ausgang des bei ihm anhängigen Rechtsstreits durch den für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter die Würdigung unberührt, die das Gericht vornimmt, wenn es im Verfahren zur Hauptsache mit einem Streithilfeantrag befasst wird (Beschluss Microsoft/Kommission, Randnr. 35).

18      Im Licht dieser Erwägungen ist zu untersuchen, ob die vier Streithilfeantragstellerinnen ein berechtigtes Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits haben.

19      Die vier Streithilfeantragstellerinnen, die alle im Sektor der Autoglasversicherung tätig sind, behaupten, sie hätten im Dezember 2010, im September und Dezember 2011 vor dem LG Düsseldorf (Deutschland) Schadensersatzklagen gegen AGC Glass Europe und andere erhoben. Mit diesen Klagen, die alle noch vor dem nationalen Gericht anhängig sind, bezwecken sie, für den durch die künstlich in die Höhe getriebenen Preise erlittenen Schaden, die von den am Autoglas-Kartell Beteiligten unter Verstoß gegen Art. 101 AEUV zwischen 1998 und 2003 verrechnet worden seien und die als Grundlage für die Erstattung im Rahmen der Autoglasversicherung gedient hätten, schadlos gehalten zu werden. Sie führen aus, dass es für sie sehr schwer sei, den erlittenen Schaden zu beziffern, ohne über die genaueren Informationen über das Autoglas-Kartell zu verfügen, die die Kommission nun zu veröffentlichen gedenke. Es sei sehr wichtig für sie, dass die Kommission eine Fassung der Entscheidung von 2008 veröffentliche, die ausführlicher sei als die im Februar 2010 veröffentlichte, und dass die Antragstellerin sie nicht daran hindern könne.

20      Hierzu genügt zum einen der Hinweis, dass der vorliegende angefochtene Beschluss einen nur von der Antragstellerin gestellten Antrag auf vertrauliche Behandlung ablehnt, und zum anderen der Hinweis, dass die von den Streithilfeantragstellerinnen angeführten Entschädigungsklagen auf nationaler Ebene gegen „AGC Glass Europe und andere“ eingereicht worden sind, ohne dass die Streithilfeantragstellerinnen klargestellt hätten, dass die Antragstellerin zu den „anderen“ zähle. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann daher nur annehmen, dass unter diesen Begriff Gesellschaften fallen, die zur japanischen Gruppe Asahi gehören (siehe oben, Randnr. 3). Überdies hat die Antragstellerin in ihren Erklärungen vom 12. Februar 2013 bestätigt, dass sie nicht eine der Beklagten in den betreffenden nationalen Verfahren sei, sondern diesen nur zur Unterstützung der Anträge der AGC Glass Europe als Streithelferin beigetreten sei. Daher wären bei einer Abweisung der Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses die Informationen, deren Veröffentlichung der Kommission dann gestattet wäre, für die Streithilfeantragstellerinnen im Rahmen ihrer Entschädigungsklagen völlig nutzlos, da diese Informationen nicht AGC Glass Europe beträfen. Die Streithilfeantragstellerinnen machen somit kein berechtigtes unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne von Art. 40 der Satzung des Gerichtshofs geltend. Ein solches Interesse kann ihnen auch nicht aufgrund der bloßen Tatsache zuerkannt werden, dass sie eventuell erwägen könnten, auch von der Antragstellerin Schadensersatz vor einem nationalen Gericht zu verlangen, da eine solche Zuerkennung zu einer so erheblichen Ausweitung des Kreises der möglichen Streithelfer führen würde, dass dies die Gefahr mit sich brächte, die Verfahrensökonomie vor den Unionsgerichten schwer zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 8. Juni 2012, Schenker/Air France und Kommission, C‑589/11 P(I), Randnr. 24).

21      Jedenfalls haben die Streithilfeantragstellerinnen kein besonderes Interesse am Ausgang des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes dahin gehend nachgewiesen, dass es für sie nicht tragbar wäre, den Ausgang des Rechtsstreits zur Hauptsache abzuwarten. Sie haben insbesondere unterlassen nachzuweisen, dass ihre wirtschaftliche Lage oder Rechtsposition beeinträchtigt wäre, sollte der vorliegende Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht zurückgewiesen werden. Überdies scheint der Umstand, dass die von HUK-Coburg eingereichte Entschädigungsklage seit Dezember 2010 vor einem nationalen Gericht anhängig ist, ohne dass diese Streithilfeantragstellerin auf die drohende Gefahr eines für sie ungünstigen Ausgangs hingewiesen hätte, eher darauf hinzudeuten, dass das nationale Gericht mit Erfolg, gegebenenfalls mit Anträgen auf Aussetzung des Verfahrens, dazu gebracht werden wird können, das Urteil zur Hauptsache abzuwarten, bevor die Entschädigungsverfahren im Licht dieses Urteils aufgenommen werden.

22      Die Streithilfeanträge sind somit zurückzuweisen.

 Zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

23      Nach den Art. 278 AEUV und 279 AEUV in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 AEUV kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

24      Gemäß Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, C‑268/96 P(R), Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30, und vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C‑445/00 R, Slg. 2001, I‑1461, Randnr. 73).

25      Im Rahmen dieser Gesamtprüfung verfügt der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter über ein weites Ermessen und kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Rechtsvorschrift ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Juli 1995, Kommission/Atlantic Container Line u. a., C‑149/95 P[R], Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 23, und vom 3. April 2007, Vischim/Kommission, C‑459/06 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

26      Die Aktenstücke enthalten alle für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz erforderlichen Informationen. Es besteht somit kein Anlass zu einer vorherigen mündlichen Anhörung der Verfahrensbeteiligten.

27      Unter den Umständen des vorliegenden Falles ist zunächst eine Interessenabwägung vorzunehmen und zu prüfen, ob die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist.

 Zur Abwägung der Interessen und zur Dringlichkeit

28      Nach ständiger Rechtsprechung hat der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter bei der Abwägung der verschiedenen vorhandenen Interessen zu ermitteln, ob das Interesse der die einstweiligen Anordnungen beantragenden Partei an deren Erlass schwerer wiegt als das Interesse an einem sofortigen Vollzug des streitigen Rechtsakts, indem er prüft, ob die etwaige Nichtigerklärung dieses Rechtsakts durch das Gericht in der Hauptsache die Umkehrung der Lage erlauben würde, die durch seinen sofortigen Vollzug entstünde, und – umgekehrt – ob die Aussetzung des Vollzugs dieses Rechtsakts dessen volle Wirksamkeit behindern könnte, falls die Klage abgewiesen würde (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 11. Mai 1989, RTE u. a./Kommission, 76/89 R, 77/89 R und 91/89 R, Slg. 1989, 1141, Randnr. 15, und vom 26. Juni 2003, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 R und C‑217/03 R, Slg. 2003, I‑6887, Randnr. 142).

29      Was speziell die erforderliche Umkehrbarkeit der durch eine einstweilige Anordnung geschaffenen Rechtslage betrifft, ist zu berücksichtigen, dass der Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes allein darin besteht, die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Hauptsache zu gewährleisten (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. September 2004, Kommission/Akzo und Acros, C‑7/04 P[R], Slg. 2004, I‑8739, Randnr. 36). Dieses Verfahren steht somit in einem bloß akzessorischen Verhältnis zum Hauptsacheverfahren (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 12. Februar 1996, Lehrfreund/Rat und Kommission, T‑228/95 R, Slg. 1996, II‑111, Randnr. 61), mit der Folge, dass die Entscheidung des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters vorläufiger Natur sein muss und die Entscheidung zur Hauptsache weder vorwegnehmen noch ihr die praktische Wirksamkeit nehmen und sie dadurch sinnlos machen darf (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Mai 1991, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90 R, Slg. 1991, I‑2557, Randnr. 24, und des Präsidenten des Gerichts vom 12. Dezember 1995, Connolly/Kommission, T‑203/95 R, Slg. 1995, II‑2919, Randnr. 16).

30      Daraus ergibt sich notwendig, dass das Interesse eines Verfahrensbeteiligten nicht schutzwürdig ist, soweit es darauf gerichtet ist, eine Entscheidung des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters zu erwirken, die nicht nur vorläufiger Natur wäre, sondern die Entscheidung zur Hauptsache vorwegnehmen und ihr die praktische Wirksamkeit nehmen und dadurch sinnlos machen würde. Aus demselben Grund wurde überdies der auf „vorläufige“ Offenlegung angeblich vertraulicher Angaben der Kommission gerichtete Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz als unzulässig zurückgewiesen, da ein Beschluss, der diesem Antrag stattgegeben hätte, die Folgen der später zu treffenden Entscheidung zur Hauptsache vorweggenommen hätte (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 23. Januar 2012, Henkel und Henkel France/Kommission, T‑607/11 R, Randnrn. 23 bis 25).

31      Im vorliegenden Fall wird das Gericht im Verfahren zur Hauptsache zu entscheiden haben, ob der angefochtene Beschluss – durch den die Kommission den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen hat, die Veröffentlichung der streitigen Angaben zu unterlassen – insbesondere wegen Verletzung der Vertraulichkeit dieser Angaben, soweit deren Verbreitung einen Verstoß gegen Art. 339 AEUV und gegen Art. 8 der Grundrechtecharta darstellt, für nichtig zu erklären ist. Dabei ist die praktische Wirksamkeit eines diesen Beschluss für nichtig erklärenden Urteils offensichtlich nur dann gewahrt, wenn die Antragstellerin in der Lage ist, die Kommission am Vollzug einer rechtswidrigen Veröffentlichung der streitigen Angaben zu hindern. Ein künftiges Nichtigkeitsurteil wäre hinfällig und verlöre seine praktische Wirksamkeit, wenn der vorliegende Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen würde, da der Kommission folglich die sofortige Veröffentlichung der betreffenden Angaben gestattet und somit de facto die Entscheidung zur Hauptsache im Sinne einer Abweisung der Nichtigkeitsklage vorweggenommen würde.

32      Diesen Erwägungen steht nicht entgegen, dass der Antragstellerin auch nach einer Veröffentlichung der streitigen Angaben voraussichtlich ein Rechtsschutzinteresse in Bezug auf die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses im Verfahren zur Hauptsache zuerkannt würde. Der Grund hierfür liegt u. a. darin, dass jede andere Auslegung die Zulässigkeit der Klage von der Verbreitung dieser Informationen durch die Kommission abhängig machen und ihr ermöglichen würde, durch die Schaffung vollendeter Tatsachen die Nichtigkeitsklage unzulässig zu machen und sich so der gerichtlichen Kontrolle zu entziehen, indem sie eine solche Verbreitung, obwohl sie rechtswidrig wäre, vornähme (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Oktober 2007, Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission, T‑474/04, Slg. 2007, II‑4225, Randnrn. 39 bis 41). Dieses formal fortbestehende Rechtsschutzinteresse im Verfahren zur Hauptsache ändert aber nichts daran, dass ein Nichtigkeitsurteil nach Veröffentlichung der fraglichen Informationen für die Antragstellerin keine praktische Wirksamkeit mehr hätte.

33      Das Interesse der Kommission an einer Zurückweisung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz muss deshalb hinter dem Interesse der Antragstellerin zurücktreten, zumal der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen lediglich auf eine Aufrechterhaltung des status quo, wie er seit Februar 2010 bestanden hat, für einen begrenzten Zeitraum hinausliefe (vgl. in diesem Sinne Beschluss RTE u. a./Kommission, Randnr. 15).

34      Soweit die Kommission einwendet, dass die Öffentlichkeit bereits mehr als vier Jahre darauf warte, dass die Entscheidung von 2008 endlich zur Gänze veröffentlicht werde, und dass es unzulässig sei, dass die Antragstellerin eine solche Veröffentlichung um mehrere Jahre hinauszögern könne, indem sie einfach behaupte, die zu veröffentlichenden Angaben seien vertraulich, steht fest, dass sich das beklagte Organ auf die Behauptung beschränkt hat, ihre Dienststellen sähen sich mit einem zeitraubenden Verfahren konfrontiert, das sie verpflichte, zahlreiche Anträge auf vertrauliche Behandlung zu erledigen, ohne diese Äußerung auch nur im Geringsten mit schriftlichen Nachweisen zu belegen. Die Kommission hat somit rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass sie gezwungen gewesen sei, bis zum 28. April 2011 zu warten, um über die Veröffentlichung einer Langfassung der Entscheidung von 2008 zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommission weitgehend selbst für den beanstandeten Zeitverlust verantwortlich ist. Jedenfalls erklärt die Kommission nicht, warum sie es unterlassen hat, gleichzeitig mit ihrer am 8. Januar 2013 zur Hauptsache eingereichten Klagebeantwortung – wenn auch nur vorsichtshalber – einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren nach Art. 76a der Verfahrensordnung zu stellen, um zu versuchen, einen Teil der verlorenen Zeit wieder wettzumachen. Da die Kommission auf die Gelegenheit verzichtet hat, eine Entscheidung des Rechtsstreits zur Hauptsache im beschleunigten Verfahren zu erwirken, kann sie der Antragstellerin nicht mit Erfolg vorwerfen, ihrerseits von ihrem formellen Recht Gebrauch gemacht zu haben, mit dem bezweckt werden soll, die Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses zu erreichen.

35      Die Kommission macht noch das Interesse der möglichen Opfer des Autoglas-Kartells geltend, die die Informationen der Kategorien I und II bräuchten, um die Begründetheit ihrer Schadensersatzklagen, die sie gegen die Antragstellerin vor einem nationalen Gericht erheben würden, im Hinblick auf den Kausalitätszusammenhang und die Bezifferung des Schadens nachzuweisen. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Entschädigungsklagen einiger dieser Opfer, insbesondere in Mitgliedstaaten, in denen die Verjährungsfristen kurz seien, bereits verjährt sein könnten, sollte die Veröffentlichung dieser Angaben bis zum Erlass des Urteils zur Hauptsache aufgeschoben werden.

36      Doch auch wenn die Interessen von Dritten, die unmittelbar von einer etwaigen Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses betroffen wären, im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden könnten (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 17. Januar 2001, Petrolessence und SG2R/Kommission, T‑342/00 R, Slg. 2001, II‑67, Randnr. 51), kann dieses Vorbringen der Kommission gegenüber dem Interesse der Antragstellerin nicht überwiegen. Denn zum einen ist die Behauptung der Kommission hinsichtlich der vermeintlichen nationalen Verjährungsregeln zu vage, da sie es unter anderem unterlässt, auszuführen, was diese Opfer daran hindere, ihre Schadensersatzklagen fristgerecht einzubringen und dabei die Aussetzung der nationalen Verfahren bis zur Verkündung des Urteils zur Hauptsache durchzusetzen. Im Übrigen betreffen die einzigen in diesem Zusammenhang erwähnten konkreten Beispiele die Schadensersatzklagen, die von den vier Streithilfeantragstellerinnen in den Jahren 2010 und 2011 vor nationalen Gerichten eingereicht wurden, offensichtlich ohne durch Verjährungsfristen daran gehindert worden zu sein (siehe oben, Randnrn. 19 und 21). Zum anderen sind, wie bereits in Randnr. 34 oben erwähnt wurde, sowohl die Verzögerungen der Veröffentlichung der Langfassung der Entscheidung von 2008 sowie etwaige Verschleppungen des Verfahrens zur Hauptsache in großem Maße nicht der Antragstellerin, sondern der Kommission zuzuschreiben.

37      Schließlich können die Opfer des Autoglas-Kartells zwar selbst auch einen Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz in Bezug auf ihre gegen die Beteiligten des Kartells, wie etwa die Antragstellerin, gerichteten Schadensersatzklagen geltend machen, doch steht fest, dass die Ausübung dieses Rechts im Fall des Erlasses der von der Antragstellerin beantragten einstweiligen Anordnungen bloß verzögert würde, was eine zeitliche Einschränkung der Ausübung dieses Rechts bedeuten würde, während der Antragstellerin im Falle der Zurückweisung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz das entsprechende Recht völlig entzogen würde. Das Interesse der Antragstellerin muss also Vorrang vor dem der Kartellopfer haben.

38      Da die Interessenabwägung also zugunsten der Antragstellerin ausgeht, ist es offensichtlich vordringlich, das von ihr verfolgte Interesse zu schützen, sofern ihr im Fall der Zurückweisung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen könnte. Insoweit trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass die aus der Veröffentlichung der erweiterten Fassung der Entscheidung von 2008 resultierende Situation nicht mehr umkehrbar wäre.

39      Was die Informationen der Kategorie III anbelangt, führt die Antragstellerin aus, ihre Veröffentlichung würde in schwerer und nicht wiedergutzumachender Weise das Recht auf Schutz der persönlichen Daten verletzen, das Art. 8 der Grundrechtecharta ihren vermeintlich in die Durchführung des Kartells verwickelten Angestellten verleihe.

40      Hierbei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin nach ständiger Rechtsprechung nachweisen muss, dass die beantragte Aussetzung des Vollzugs zum Schutz ihrer eigenen Interessen erforderlich ist, wohingegen sie zum Nachweis der Dringlichkeit nicht die Verletzung eines Interesses gelten machen kann, das nicht ihr persönliches ist, wie z. B. die Verletzung der Rechte Dritter. Daher kann sich die Antragstellerin nicht wirksam auf den Schaden berufen, den nur ihre Angestellten erlitten, um die Dringlichkeit der beantragten Aussetzung des Vollzugs zu begründen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 19. Juli 2007, Du Pont de Nemours [France] u. a./Kommission, T‑31/07 R, Slg. 2007, II‑2767, Randnr. 147 und die angeführte Rechtsprechung, sowie vom 25. Januar 2012, Euris Consult/Parlament, T‑637/11 R, Randnr. 26), sondern muss beweisen, dass ein solcher Schaden geeignet ist, für sie selbst einen persönlichen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zur Folge zu haben (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 20. Dezember 2001, Österreichische Postsparkasse/Kommission, T‑213/01 R, Slg. 2001, II‑3963, Randnr. 71).

41      Dies ist hier aber nicht der Fall, da die Antragstellerin nur behauptet, dass eine Offenlegung der Informationen der Kategorie III [Vertraulich](1). Die Antragstellerin beschränkt sich also darauf, eine vage und spekulative Behauptung aufzustellen, ohne Erläuterungen dazu zu liefern oder ihre Behauptung auch nur durch den geringsten Beweis zu untermauern. Dasselbe gilt für die Anmerkung, ihre Angestellten könnten sie verklagen, indem sie ihr vorwürfen, sie nicht geschützt zu haben. Sie hat insbesondere nicht ausgeführt, geschweige denn nachgewiesen, dass es im Interesse der geordneten Rechtspflege sei, dass sie die kollektive Verteidigung der Interessen der betroffenen Angestellten übernehme, weil aufgrund ihrer sehr hohen Anzahl nicht von ihnen verlangt werden könne, auf den Schutz ihrer persönlichen Daten gerichtete Einzelklagen einzureichen. Daher ist der Antragstellerin nicht der Nachweis gelungen, dass die behauptete Verletzung der Interessen ihrer Angestellten einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden für ihr Unternehmen als solches zur Folge habe.

42      Daraus folgt, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit hinsichtlich der Veröffentlichung der Informationen der Kategorie III nicht erfüllt ist. Im Hinblick darauf, dass diese Voraussetzung und die Voraussetzung hinsichtlich des fumus boni iuris (siehe oben, Randnr. 24) kumulativen Charakter haben, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in Bezug auf diese Informationen bereits an dieser Stelle zurückzuweisen.

43      Hinsichtlich der Informationen der Kategorien I und II macht die Antragstellerin geltend, eine spätere Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses wegen Verletzung des durch Art. 339 AEUV geschützten Berufsgeheimnisses könnte, wenn die vertraulichen Angaben einmal veröffentlicht seien, die Wirkungen der Veröffentlichung nicht mehr rückgängig machen. Denn die Kunden, Wettbewerber und Lieferanten der Antragstellerin, die Finanzanalytiker sowie die breite Öffentlichkeit könnten Zugang zu den fraglichen Informationen haben und sie nach Belieben nutzen, was der Antragstellerin einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufüge. Folglich wäre die Antragstellerin ihres Rechts auf wirksamen Rechtsschutz beraubt, wenn die streitigen Informationen übermittelt würden, bevor der Rechtsstreit zur Hauptsache entschieden sei.

44      Dazu ist festzustellen, dass die Antragstellerin – falls sich im Verfahren zur Hauptsache herausstellen sollte, dass die fraglichen Informationen vertraulicher Natur sind und deren von der Kommission geplante Offenlegung gegen den Schutz des Berufsgeheimnisses nach Art. 339 AEUV verstößt – diese Bestimmung, die ihr einen grundrechtlich untermauerten Anspruch verschafft, gegen diese Veröffentlichung geltend machen könnte. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Februar 2008, Varec (C‑450/06, Slg. 2008, I‑581, Randnrn. 47 und 48), unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) anerkannt hat, kann es zur Wahrung des Grundrechts eines Unternehmens auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und Art. 7 der Grundrechtecharta in der Tat erforderlich sein, die Veröffentlichung bestimmter, als vertraulich eingestufter Informationen zu untersagen, wobei der Begriff „Privatleben“ nicht dahin ausgelegt werden darf, dass die geschäftliche Tätigkeit einer juristischen Person hiervon ausgeschlossen wäre. Überdies hat der Gerichtshof zum einen hinzugefügt, den Schutz von Geschäftsgeheimnissen bereits als einen allgemeinen Grundsatz anerkannt zu haben, und zum anderen, dass dem fraglichen Unternehmen ein außerordentlich schwerer Schaden entstehen könnte, wenn bestimmte Informationen zu Unrecht weitergeleitet würden (vgl. in diesem Sinne Urteil Varec, Randnrn. 49 und 54).

45      Da die Kommission bei Zurückweisung des vorliegenden Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz die unverzügliche Veröffentlichung der Informationen der Kategorien I und II vornehmen könnte, wäre in Bezug auf diese Angaben eine völlige Aushöhlung des Grundrechts der Antragstellerin auf Schutz ihres Berufsgeheimnisses gemäß Art. 339 AEUV, Art. 8 EMRK und Art. 7 der Grundrechtecharta zu erwarten. Gleichzeitig bestünde für die Antragstellerin die Gefahr einer Beeinträchtigung des in Art. 6 EMRK und Art. 47 der Grundrechtecharta verbürgten Grundrechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, wenn die Kommission diese Angaben veröffentlichen dürfte, bevor das Gericht zur Hauptsache entschieden hat. Da die Antragstellerin somit einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden in ihrer Grundrechtsposition erleiden könnte, ist vorbehaltlich der Prüfung der Voraussetzung eines etwaigen fumus boni iuris (vgl. zur engen Verbindung zwischen dieser zuletzt genannten Voraussetzung und der Voraussetzung der Dringlichkeit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 8. April 2008, Zypern/Kommission, T‑54/08 R, T‑87/08 R, T‑88/08 R und T‑91/08 R bis T‑93/08 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 56 und 57) der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen in Bezug auf die Informationen der Kategorien I und II offensichtlich dringend geboten.

46      Kein Gegenargument der Kommission vermag diese Erwägungen zu entkräften.

47      So geht eigentlich die Anmerkung der Kommission, die Antragstellerin habe keine Verletzung eines Grundrechts geltend gemacht, fehl. Denn durch ihr Vorbringen, dass ihr der effektive gerichtliche Rechtsschutz verwehrt werde, sollten die streitigen Informationen vor Ende des Rechtsstreits zur Hauptsache veröffentlicht werden, hat die Antragstellerin implizit, aber zwangsläufig Art. 6 EMRK und Art. 47 Grundrechtecharta geltend gemacht, die beide das Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verbürgen. Wenn sich außerdem die Antragstellerin darauf beschränkt hat, einen Verstoß gegen Art. 339 AEUV zu rügen, reicht hierzu der Hinweis, dass der durch diese Bestimmung sichergestellte Schutz des Berufsgeheimnisses im Rang eines Grundrechts im Sinne von Art. 8 EMRK und Art. 7 der Grundrechtecharta (siehe oben, Randnr. 44) steht, sodass die Berufung auf Art. 339 AEUV zwangsläufig die Berufung auf diese beiden Bestimmungen bedeutet.

48      Die Kommission beruft sich sodann auf die Rechtsprechung des EGMR (vgl. EGMR, Urteil Gillberg/Schweden vom 3. April 2012, §§ 67 und 72), um zu betonen, dass Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da diese Bestimmung von einer Person nicht geltend macht werden könne, um sich über einen Verstoß zu beschweren, der in vorhersehbarer Weise auf ihre eigenen Handlungen, wie etwa eine Straftat zurückzuführen sei. Die Kommission schließt daraus, dass die Antragstellerin, da die streitigen Informationen hier nur dazu dienten, ihr strafbares Verhalten zu beschreiben, deren Veröffentlichung nicht unter Berufung auf ihr Recht auf Achtung des Privatlebens verhindern könne.

49      Dazu ist festzustellen, dass der EGMR nicht etwa geprüft hat, ob die beanstandete schwedische Maßnahme „ein sich aus Art. 8 [EMRK] ableitendes Recht verletzt habe, keine vertraulichen Informationen weiterzuleiten“, sondern sich darauf beschränkt hat, der Frage nachzugehen, ob die strafrechtliche Verurteilung von Herrn Gillberg für sich genommen eine Verletzung seines Rechts auf Achtung des Privatlebens darstelle (Urteil Gillberg/Schweden, §§ 56, 64, 65 und 68). Er hat diese Frage verneint, da die schädigenden Auswirkungen einer solchen Verurteilung in persönlicher, sozialer, psychologischer und finanzieller Hinsicht „vorhersehbare Folgen der Begehung einer Straftat …“ seien „auf die man sich demnach nicht berufen kann, um geltend zu machen, dass eine strafrechtliche Verurteilung für sich genommen als Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens im Sinne von Art. 8 [EMRK] anzusehen sei“ (Urteil Gillberg/Schweden, § 68).

50      Im vorliegenden Verfahren geht es jedoch nicht darum, ob sich die Antragstellerin unter Berufung auf Art. 8 EMRK gegen die Verhängung einer Geldbuße für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV durch die Kommission, gegen die öffentliche Bezeichnung als Mitglied des Autoglas-Kartells oder gegen andere „vorhersehbare“ negative Auswirkungen einer solchen Sanktion im Geschäftsleben wehren kann. Im vorliegenden Fall muss der Unionsrichter vielmehr bestimmen, ob die Informationen der Kategorien I und II nach diesem Art. 8 vertraulich behandelt werden müssen, oder ob sie im Gegenteil von der Kommission für Zwecke einer sehr detaillierten öffentlichen Beschreibung des strafbaren Verhaltens der Antragstellerin verwendet werden dürfen. Da eine solche Frage der Vertraulichkeit bestimmter genauer Informationen nicht Gegenstand des oben angeführten Urteils Gillberg/Schweden war, greift das Argument der Kommission, das sich auf diese Entscheidung des EGMR stützt, nicht durch.

51      Unter Berufung auf einige Beschlüsse der Präsidenten des Gerichtshofs und des Gerichts fügt die Kommission hinzu, dass es jedenfalls nicht genüge, wenn die Antragstellerin eine Verletzung eines Grundrechts auf Schutz des Berufsgeheimnisses oder der Geschäftsgeheimnisse geltend mache, sondern dass sie außerdem nachweisen müsse, dass ihr selbst durch diese Verletzung ein schwerer und nicht wiedergutzumachender materieller oder immaterieller Schaden entstehen könnte. Der Eintritt eines solchen Schadens sei im vorliegenden Fall jedoch nicht nachgewiesen worden.

52      In diesem Zusammenhang verweist die Kommission zunächst auf die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 7. November 2003, Bank Austria Creditanstalt/Kommission (T‑198/03 R, Slg. 2003, II‑4879), und vom 22. Dezember 2004, Microsoft/Kommission (T‑201/04 R, Slg. 2004, II‑4463), in denen der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter angesichts des Arguments des irreversiblen Charakters der Veröffentlichung von heiklen Informationen, die in Schadensersatzklagen gegen den Betroffenen verwendet werden könnten, den Schaden, der dem Betroffenen durch eine solche Verwendung dieser Informationen entstehen könnte, als rein finanzieller Natur eingestuft hat, wobei ein solcher Vermögensschaden für gewöhnlich nicht als irreparabel anzusehen ist (vgl. Beschluss Bank Austria Creditanstalt/Kommission, Randnrn. 45, 47, 52 und 53), während er erläutert hat, dass die Verbreitung einer bis dahin – als Gegenstand eines Rechts des geistigen Eigentums oder als Geschäftsgeheimnis – geheim gehaltenen Information nicht zwangsläufig den Eintritt eines schweren Schadens bedeutet, und dies obwohl die Kenntnis einer solchen Information nicht mehr aus den Gedächtnissen zu löschen sei (vgl. Beschluss Microsoft/Kommission, Randnrn. 253 und 254).

53      Hierbei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter in den oben angeführten Beschlüssen Bank Austria Creditanstalt/Kommission und Microsoft/Kommission verfolgte Ansatz in Sachen Schutz vermeintlich vertraulicher Informationen verworfen werden muss, da er die von der Person, die den vorläufigen Schutz dieser Informationen beantragt, geltend gemachten Grundrechte ausblendet. Denn spätestens seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009, der die Grundrechtecharta in den Rang des Primärrechts der Union erhoben und bestimmt hat, dass die Grundrechtecharta und die Verträge rechtlich gleichrangig sind (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV), muss die unmittelbar drohende Gefahr einer schweren und nicht wiedergutzumachenden Verletzung der durch die Art. 7 und 47 der Grundrechtecharta (sowie durch die entsprechenden Vorschriften der EMRK) verbürgten Grundrechte in diesem Bereich für sich genommen als Schaden eingestuft werden, der die Anordnung der beantragten einstweiligen Schutzmaßnahmen rechtfertigt.

54      Die Kommission beruft sich sodann auf den Beschluss des Gerichtshofs vom 15. April 1998, Camar/Kommission und Rat (C‑43/98 P[R], Slg. 1998, I‑1815, Randnrn. 46 und 47), der das Argument des irreparablen Charakters des Schadens mit der Begründung zurückweist, dass „es … nicht [genüge], abstrakt einen Eingriff in Grundrechte, im vorliegenden Fall das Eigentumsrecht und das Recht auf freie Berufsausübung, zu behaupten, um nachzuweisen, dass der sich daraus etwa ergebende Schaden notwendig irreparablen Charakter hat“. Doch kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Rechtssache, die diesem Beschluss zugrunde lag, den Fall eines Importeurs betraf, der die Anzahl der ihm erteilten Einfuhrlizenzen für nicht ausreichend erachtete und eine zusätzliche Menge erlangen wollte. Dieser Importeur machte demnach zwar sein Eigentumsrecht und sein Recht auf freie Berufsausübung geltend, doch die Erteilung einer vermeintlich nicht ausreichenden Menge an Einfuhrlizenzen beschränkte nur die Ausübung der betreffenden Grundrechte. Da dem Betroffenen weiterhin diese Rechte zustanden, verlangte der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter einen Beweis für den schweren und irreparablen Charakter ihrer Beschränkung. Im vorliegenden Fall jedoch würde die Antragstellerin bei Zurückweisung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz gänzlich ihre geltend gemachten Grundrechte verlieren, was einen vollständigen Verlust dieser Rechte bedeuten würde, also den Schaden, der am schwersten und am irreparabelsten ist. Daher ist der oben angeführte Beschluss Camar/Kommission und Rat für die Prüfung der Voraussetzung der Dringlichkeit im vorliegenden Verfahren völlig irrelevant.

55      Dasselbe gilt aus denselben Gründen für den Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 18. März 2011, Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband/Kommission (T‑457/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 48), wonach die Behauptung einer flagranten Verletzung eines Grundrechts nicht für den Nachweis genüge, dass der sich daraus etwa ergebende Schaden als schwer und nicht wiedergutzumachen anzusehen sei. In der diesem Beschluss zugrunde liegenden Rechtssache bekämpfte nämlich ein Minderheitsaktionär einer Bank die wirtschaftlichen Folgen der Erfüllung einer Bedingung, an die die Kommission die Genehmigung einer diesen Bank gewährten staatlichen Beihilfe geknüpft hatte, die dieser Aktionär selbst grundsätzlich akzeptiert hatte (Beschluss Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband/Kommission, Randnr. 47). Im Gegensatz zur vorliegenden Rechtssache handelte es sich also nur um eine einfache Beschränkung der Ausübung des Eigentumsrechts und des Rechts auf Gleichbehandlung, die vom Betroffenen geltend gemacht worden waren.

56      Was den Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. September 2004, Kommission/Akzo und Akcros (C‑7/04 P[R), Slg. 2004, I‑8739) anbelangt, wo es um den vertraulichen Charakter von Schriftstücken ging, die von der Kommission im Laufe einer Nachprüfung beschlagnahmt worden waren, handelte es sich nicht um den Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Schriftstücken, sondern darum, ob es der Kommission erlaubt war, davon Kenntnis zu nehmen. Es wurde also in einem sehr spezifischen Kontext, der mit der vorliegenden Rechtssache nicht vergleichbar ist, entschieden, dass zwar die Tatsache, dass die Kommission von den fraglichen Schriftstücken nur Kenntnis nimmt, ohne dass diese Informationen in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verwendet würden, möglicherweise geeignet ist, das Berufsgeheimnis zu verletzen, dieser Umstand für sich allein jedoch nicht genügt, um zu belegen, dass die Dringlichkeitsvoraussetzung erfüllt ist (Beschluss Kommission/Akzo und Akcros, Randnr. 41). Wenn nämlich eine Entscheidung, mit der die Kommission eine Nachprüfung angeordnet hat, für nichtig erklärt würde, wäre die Kommission dadurch gehindert, Unterlagen oder Beweisstücke, die sie sich im Zuge dieser Nachprüfung verschafft hat, im Verfahren wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln zu verwenden, weil sie sonst Gefahr liefe, dass die Entscheidung über den Wettbewerbsverstoß vom Unionsrichter für nichtig erklärt würde, soweit sie auf derartige Beweismittel gestützt wäre (Beschluss Kommission/Akzo und Akcros, Randnr. 37). In diesem Fall konnte die bloße Tatsache, vertrauliche Informationen an die Kommission, eine öffentliche Behörde, die selbst dem Schutz des Berufsgeheimnisses unterliegt, weiterzuverbreiten, eindeutig eine schwere und nicht wiedergutzumachende Verletzung des geltend gemachten Grundrechts darstellen.

57      Da somit die Voraussetzung der Dringlichkeit hinsichtlich der Informationen der Kategorien I und II erfüllt ist, ist das Vorliegen eines fumus boni iuris in dieser Hinsicht zu prüfen.

 Zum fumus boni iuris

58      Nach ständiger Rechtsprechung ist ein fumus boni iuris gegeben, wenn das Vorbringen des Antragstellers zumindest hinsichtlich eines einzigen Klagegrundes auf den ersten Blick erheblich und jedenfalls nicht ohne Grundlage erscheint, da er komplexe rechtliche Fragen aufwirft, die prima facie nicht für irrelevant erklärt werden können, sondern einer eingehenden Prüfung bedürfen, die nicht von dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter vorgenommen werden kann, sondern Gegenstand des Verfahrens zur Hauptsache sein muss, oder wenn ausweislich des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten eine bedeutsame rechtliche Kontroverse besteht, deren Lösung sich nicht ohne Weiteres aufdrängt (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. September 2012, Griechenland/Kommission, T‑52/12 R, Randnr. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 8. Mai 2003, Kommission/Artegodan u. a., C‑39/03 P-R, Slg. 2003, I‑4485, Randnr. 40).

59      Was insbesondere das Streitverfahren hinsichtlich des vorläufigen Schutzes von angeblich vertraulichen Informationen betrifft, ist hinzuzufügen, dass der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er sich nicht über den an sich akzessorischen und vorläufigen Charakter des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (siehe oben, Randnrn. 29 bis 31) sowie über die unmittelbar drohende Gefahr hinwegsetzen will, dass den Grundrechten, die von der Partei geltend gemacht werden, die den vorläufigen Schutz dieser Rechte beantragt, der Boden entzogen wird (siehe oben, Randnrn. 44 und 45), im Grunde nur dann zum Ergebnis kommen kann, dass ein fumus boni iuris nicht vorliegt, wenn die fraglichen Informationen offensichtlich keinen vertraulichen Charakter haben. Das wäre z. B. der Fall, wenn die zu schützende Information in einer öffentlichen Jahresbilanz der Antragstellerin oder in einem im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Rechtsakt stünde.

60      Konkret wirft die Antragstellerin der Kommission im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes, den sie zur Stützung ihrer Klage geltend macht, insbesondere vor, gegen Art. 339 AEUV sowie gegen Art. 28 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen zu haben, indem sie entschieden habe, Informationen zu veröffentlichen, die als Geschäftsgeheimnisse anzusehen seien und deren Vertraulichkeit daher gewahrt werden müsse. Überdies habe die Kommission die Frage, ob zwingende Gründe vorlägen, die eine Offenlegung der fraglichen Informationen ermöglichten, falsch beurteilt.

61      Die Antragstellerin bringt vor, die Informationen der Kategorien I und II seien wirtschaftlich sensibel, geheim und der Öffentlichkeit unbekannt, da die streitige Veröffentlichung Kunden, Wettbewerbern, Lieferanten und der allgemeinen Öffentlichkeit in konsolidierter Form Details offenbaren würde, die ihre Hauptkunden und die Beziehungen, die sie zu diesen Kunden pflege, sowie die Marke und das Modell der Autos, für die sie Autoteile liefere, beträfen. Diese Art von Informationen sei offensichtlich sensibel, ebenso wie die Informationen in Bezug auf die Anzahl der gelieferten Teile, den Anteil eines bestimmten Automobilherstellers, die Preiskalkulationen, die Preisänderungen, die Sonderrabatte, die Prozentsätze usw. Diese Informationen zeigten nämlich Geschäftspraktiken der Antragstellerin im Hinblick auf Hersteller auf, die noch immer ihre Kunden seien, und könnten auch von anderen Herstellern in ihren Geschäftsbeziehungen mit ihr verwendet werden.

62      Soweit die Kommission den vertraulichen Charakter der streitigen Informationen mit der Begründung verneint, dass sie älter als fünf Jahre seien, entgegnet die Antragstellerin, dass es keine vorbestimmte Grenze gebe, zu welchem Zeitpunkt Daten historischen Charakter annähmen, da sich der tatsächlich historische Charakter der Daten nach den Eigenheiten des betreffenden Marktes richte. Überdies habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 28. Juni 2012, Kommission/Agrofert Holding (C‑477/10 P, Randnr. 67), darauf hingewiesen, dass nach Art. 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) die Ausnahmen in Bezug auf die geschäftlichen Interessen oder sensible Dokumente für einen Zeitraum von 30 Jahren oder erforderlichenfalls gar länger gelten können.

63      Die Antragstellerin stellt klar, dass [Vertraulich]. Daher hätten die konsolidierten Informationen der Kategorie I ihren vertraulichen Charakter nicht durch Zeitablauf eingebüßt, da die Verbreitung dieser Informationen den Wettbewerbern und Kunden ermögliche, zu einer sehr detaillierten Kundenliste der Antragstellerin und zu besonderen Gesichtspunkten ihrer Beziehungen zu ihren Kunden zu gelangen.

64      Was die Informationen der Kategorie II betreffe, blieben diese aufgrund der spezifischen Charakteristika des Autoglasmarkts, in dem alle Verträge mehrere Jahre vor der Herstellung verhandelt würden, vertraulich und wirtschaftlich sensibel. Es handle sich um langfristige und häufig verlängerte Verträge, da die Autoglaszulieferer die Hersteller mehrere Generationen eines Modells lang belieferten. Angesichts dieser Marktstruktur hätten die vorgeschlagenen Offenlegungen eine große Transparenz zur Folge, was die Charakteristika des Marktes grundlegend ändern und den Interessen der Antragstellerin schaden könnte. Denn die Antragstellerin [Vertraulich]. Doch diese Informationen enthielten gezielte spezifische Informationen zu den Produktpreisen, die für die Geschäftstätigkeit der Antragstellerin relevant blieben. Ihre Veröffentlichung eröffne den Kunden und Wettbewerbern die Möglichkeit, die aktuellen Preishöhen zu extrapolieren, führe allgemein zu Preistransparenz auf dem Markt und beeinträchtige dadurch die Position der Antragstellerin, da diese Informationen von ihren Kunden in den Verhandlungen und von anderen Wirtschaftsteilnehmern verwendet werden könnten, um ihr einen Wettbewerbsnachteil zuzufügen.

65      Zusammengefasst wirft die Antragstellerin der Kommission vor, nicht berücksichtigt zu haben, ob die Informationen der Kategorien I und II, insgesamt betrachtet, nicht passagenweise, sondern als Ganzes gelesen, in konsolidierter Form veröffentlicht, über Internet abrufbar, vertraulich blieben. Die Veröffentlichung dieser Informationen als Ganzes mache sie äußerst sensibel, da sie der allgemeinen Öffentlichkeit eine vertiefte, sehr detaillierte Kenntnis der sensiblen Geschäftsbeziehungen der Antragstellerin mit der Mehrzahl ihrer wichtigen Kunden verschaffe. Dies könnte auch in exponentieller und künstlicher Weise die Transparenz des Autoglasmarkts erhöhen, indem es jedem der Kunden der Antragstellerin den Zugang zu sensiblen Informationen ermögliche, die ihre Geschäftsbeziehungen zu ihren anderen Kunden beträfen. Diese Informationen würden auch potenziellen Kunden und der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich, was die Interessen der Antragstellerin schwer schädigen könnte.

66      Die Kommission entgegnet im Wesentlichen, dass die von der Antragstellerin beim Anhörungsbeauftragten gestellten Anträge auf vertrauliche Behandlung zu vage und allgemein gehalten seien, um − abgesehen von einer verschwindenden Anzahl − die beantragte vertrauliche Behandlung zu rechtfertigen, und dass die Antragstellerin es sogar vor dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter versäume, für jede geltend gemachte konkrete Information nachzuweisen, dass diese als Geschäftsgeheimnis zu schützen sei. Außerdem seien die streitigen Informationen innerhalb des Autoglas-Kartells ausgetauscht worden und somit den anderen Unternehmen, die am Kartell beteiligt seien, zur Kenntnis gebracht worden. Aus diesem Grund könnten sie nicht mehr als geheim angesehen werden. Auf alle Fälle seien die in Rede stehenden Informationen fünf Jahre alt oder älter und müssten daher als historisch angesehen werden, da die Antragstellerin nicht beweise, dass diese Informationen trotz ihrer mangelnden Aktualität noch immer Kernelemente ihrer Geschäftsposition darstellten.

67      Hierzu ist unbeschadet der Stichhaltigkeit der von der Kommission vorgebrachten Argumente, deren Begründetheit im Verfahren zur Hauptsache zu prüfen sein wird, festzustellen, dass die Aktenlage nicht den Schluss zulässt, ein fumus boni iuris sei offensichtlich nicht gegeben.

68      Denn zum einen enthält die Entscheidung von 2008, die Gegenstand der streitigen nichtvertraulichen Veröffentlichung ist, 731 Erwägungsgründe und 882 Fußnoten. Wie aus Randnr. 6 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, betreffen die von der Antragstellerin eingereichten Anträge auf vertrauliche Behandlung, die sich auf die Informationen der Kategorie I beziehen, 270 Erwägungsgründe und 46 Fußnoten, während jene, die im Zusammenhang mit Informationen der Kategorie II stehen, 64 Erwägungsgründe und 19 Fußnoten betreffen. Es ist also auf den ersten Blick zu sehen, dass die Prüfung, ob der Kommission Fehler unterlaufen sind, als sie die Mehrheit dieser Anträge auf vertrauliche Behandlung abgelehnt hat, komplexe Fragen aufwirft, deren Beantwortung einer genauen Prüfung bedarf, die nicht vom für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter vorgenommen werden kann, sondern Gegenstand des Verfahrens zur Hauptsache sein muss.

69      Zum anderen deutet der Umstand, dass der Anhörungsbeauftragte den geheimen Charakter einiger Informationen sowohl der Kategorie I als auch der Kategorie II anerkannt hat, für sich genommen darauf hin, dass die streitigen Informationen prima facie nicht als Ganzes ihrem Wesen nach als offensichtlich keinen geheimen oder vertraulichen Charakter aufweisend eingestuft werden können. Diese Anerkennung des geheimen Charakters einiger Informationen entkräftet wohl auch das Vorbringen, die Informationen hätten sich aufgrund der bloßen Tatsache, dass sie zwischen den Beteiligten des Autoglas-Kartells ausgetauscht worden seien, in Daten verwandelt, die allgemein außerhalb des internen Bereichs der Antragstellerin bekannt seien. Soweit jedenfalls die Kommission in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 5. August 2003, Glaxo Wellcome/Kommission (T‑168/01, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 43), und den Beschluss des Präsidenten der Achten Kammer des Gerichts vom 8. Mai 2012, Spira/Kommission (T‑108/07, Randnr. 52), verweist, ist nicht ersichtlich, dass der Umstand, dass die Antragstellerin die streitigen Informationen den anderen Autoglas-Kartellbeteiligten, nicht aber ihren Lieferanten und Kunden sowie nicht am Kartell beteiligten Wettbewerbern zur Kenntnis gebracht hat, offensichtlich dahin auszulegen wäre, dass die Informationen im Sinne dieser beiden Beschlüsse wenn schon nicht der breiten Öffentlichkeit, so zumindest bestimmten Fachkreisen zugänglich seien.

70      Wenn außerdem die Kommission geltend macht, dass die streitigen Informationen alle älter als fünf Jahre seien und somit ihren geheimen Charakter eingebüßt hätten, trifft es zwar zu, dass Informationen über ein Unternehmen, die fünf Jahre alt sind oder älter, in der Regel als historisch anzusehen sind. Doch steht es dem Betroffenen frei, nachzuweisen, dass diese Informationen trotz ihrer mangelnden Aktualität noch immer Kernelemente seiner Geschäftsposition darstellen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 22. Februar 2005, Hynix Semiconductor/Rat, T‑383/03, Slg. 2005, II‑621, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist nicht ersichtlich, dass das oben in den Randnrn. 63 bis 65 dargestellte Vorbringen der Antragstellerin für den Nachweis, dass die Informationen der Kategorien I und II ihrem Wesen nach geheim geblieben seien, prima facie irrelevant wäre. Es kann auch nicht offensichtlich ausgeschlossen werden, dass Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001, wonach die Vertraulichkeit von geschäftlichen Interessen oder sensiblen Dokumenten in Ausnahmefällen für einen Zeitraum von 30 Jahren, erforderlichenfalls sogar länger, geschützt werden kann, die hier vorzunehmende Beurteilung beeinflussen könnte.

71      Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann also nicht prima facie ausschließen, dass die streitigen Informationen im Sinne des Urteils des Gerichts vom 30. Mai 2006, Bank Austria Creditanstalt/Commission (T‑198/03, Slg. 2006, II‑1429, Randnr. 71) nur einer beschränkten Zahl von Personen bekannt sind und durch deren Offenlegung der Antragstellerin ein schwerer Schaden entstehen könnte.

72      Schließlich sind, vorausgesetzt, dass die streitigen Informationen als Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin einzustufen sind, bei der Beurteilung der Frage, ob sie objektiv schützenswert sind, das Interesse der Antragstellerin an ihrer Nichtoffenlegung und das Allgemeininteresse daran, dass sich das Handeln der Unionsorgane möglichst offen vollzieht, gegeneinander abzuwägen (Urteil Bank Austria Creditanstalt/Kommission, Randnr. 71). Eine solche Abwägung der verschiedenen vorhandenen Interessen – sei es, dass sie sich allgemein auf das Wesen der Informationen der Kategorien I und II an sich bezieht, oder auf jeden einzelnen der über 300 geltend gemachten Erwägungsgründe und jede einzelne der 60 angeführten Fußnoten – wird heikle Beurteilungen erfordern, die dem Verfahren zur Hauptsache vorbehalten bleiben müssen. Auf jeden Fall geht aus der Akte nicht hervor, dass das Ergebnis dieser Interessenabwägung offensichtlich zugunsten des von der Kommission verfolgten Interesses ausfallen wird.

73      Nach alledem ist festzustellen, dass der vorliegende Fall komplexe und heikle Fragen aufwirft, die prima facie nicht für offensichtlich irrelevant erklärt werden können, sondern einer eingehenden Prüfung bedürfen, die im Verfahren zur Hauptsache vorzunehmen ist. Es ist daher ein fumus boni iuris gegeben.

74      Da insoweit alle Voraussetzungen erfüllt sind, ist dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stattzugeben, soweit der Kommission damit untersagt werden soll, die Informationen der Kategorien I und II zu veröffentlichen; im Übrigen ist er zurückzuweisen.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Die Streithilfeanträge von HUK-Coburg, LVM, VHV und der Württembergischen Gemeinde-Versicherung werden abgelehnt.

2.      Der Vollzug des Beschlusses C(2012) 5718 final der Kommission vom 6. August 2012, mit dem ein von der Pilkington Group Ltd nach Art. 8 des Beschlusses 2011/695/EU des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren gestellter Antrag auf vertrauliche Behandlung abgelehnt wurde (Sache COMP/39.125 – Automobilglas), wird in Bezug auf zwei der in Randnr. 6 des Beschlusses K(2012) 5718 endg. genannten Informationskategorien ausgesetzt, die zum einen die Kundennamen, die Namen und Beschreibungen von Produkten sowie andere Informationen, aufgrund deren bestimmte Kunden identifiziert werden können, und zum anderen die Zahl der von der Pilkington Group gelieferten Teile, den Anteil eines bestimmten Automobilherstellers, die Preiskalkulationen, die Preisänderungen usw. betreffen.

3.      Der Europäischen Kommission wird aufgegeben, keine Fassung ihrer Entscheidung K(2008) 6815 endg. vom 12. November 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.125 – Automobilglas) zu veröffentlichen, die in Bezug auf die Informationen der oben unter Nr. 2 genannten zwei Kategorien ausführlicher ist als die im Februar 2010 auf ihrer Website veröffentlichte Fassung.

4.      Im Übrigen wird der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen.

5.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 11. März 2013

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Englisch.


1–      Unkenntlich gemachte vertrauliche Angaben.