Language of document : ECLI:EU:T:2010:550

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

17. Dezember 2010(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer dreidimensionalen Gemeinschaftsmarke – Form eines Hasen aus Schokolade – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EG] Nr. 207/2009) – Keine durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009)“

In der Rechtssache T‑395/08

Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG mit Sitz in Kilchberg (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Lange, E. Schalast und G. Hild,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 18. Juli 2008 (Sache R 419/2008‑4) über die Anmeldung eines aus der Form eines Schokoladenhasen bestehenden dreidimensionalen Zeichens als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Wiszniewska-Białecka sowie der Richter F. Dehousse und H. Kanninen (Berichterstatter),

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 22. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 9. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

nach Änderung der Zusammensetzung der Ersten Kammer des Gerichts,

auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2010

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 13. Februar 2004 meldete die Klägerin, die Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes dreidimensionales Zeichen in Form eines Hasen aus Schokolade, das nach der in der Anmeldung enthaltenen Beschreibung die Farbe Gold aufweist:

Image not found

3        Die Marke wurde für „Schokoladewaren“ in Klasse 30 des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Mit Entscheidung vom 9. Januar 2008 wies der Prüfer die Gemeinschaftsmarkenanmeldung auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) zurück, da er der Ansicht war, dass die Marke keine Unterscheidungskraft habe. Die angemeldete Marke habe außerdem nicht nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009) durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt, da sich die Nachweise ausschließlich auf Deutschland und Österreich bezögen.

5        Am 21. Februar 2008 legte die Klägerin beim HABM nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers ein.

6        Mit Entscheidung vom 18. Juli 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Sie war im Wesentlichen der Ansicht, dass keines der Elemente der angemeldeten Marke (Form, Goldfolie), einzeln oder zusammen betrachtet, der Marke Unterscheidungskraft für die betreffenden Produkte verleihen könne. Hasen gehörten nämlich zum typischen Formenschatz von Schokoladenwaren, vor allem um die Osterzeit. Somit fehle der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 in der gesamten Europäischen Union, da keine Gründe erkennbar seien, warum die Verbraucher in Deutschland und in Österreich die angemeldete Form anders wahrnehmen sollten als die Verbraucher in den anderen Mitgliedstaaten. Außerdem ließen die von der Klägerin eingereichten Unterlagen, da sie ausschließlich Deutschland und Österreich beträfen, nicht den Schluss zu, dass die angemeldete Marke nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft für die betreffenden Produkte in der gesamten Europäischen Union erlangt habe.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

8        Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

9        Die Klägerin macht im Wesentlichen zwei Klagegründe geltend; mit dem ersten rügt sie einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 und mit dem zweiten einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94

10      Die Klägerin macht geltend, dass sich die Kombination von Form und Farbe von der üblichen Kombination für die fraglichen Waren unterscheide, so dass die angemeldete Marke Unterscheidungskraft habe. Ferner wirft sie der Beschwerdekammer vor, zu Unrecht angenommen zu haben, dass die Verpackung der Schokolade ein zwingendes Vertriebserfordernis sei, und sie bestreitet das Vorliegen von technischen Zwängen hinsichtlich der Verpackung und der Form.

11      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

12      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

13      Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne dieser Bestimmung, dass diese Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteile des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Procter & Gamble/HABM, C‑473/01 P und C‑474/01 P, Slg. 2004, I‑5173, Randnr. 32, und vom 21. Oktober 2004, HABM/Erpo Möbelwerk, C‑64/02 P, Slg. 2004, I‑10031, Randnr. 42).

14      Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (Urteile des Gerichtshofs in der Rechtssache Procter & Gamble/HABM, Randnr. 33, und vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑24/05 P, Slg. 2006, I‑5677, Randnr. 23).

15      Im vorliegenden Fall steht fest, dass das angemeldete Zeichen aus dem Erscheinungsbild der Verpackung der beanspruchten Waren, nämlich einer Verpackung in Form eines Hasen, besteht.

16      Die Beschwerdekammer nahm an, dass Schokoladenwaren in Supermärkten und anderen Vertriebsstätten aus Gründen der Hygiene und Gesundheit „ausschließlich verpackt“ abgegeben würden. Da für den Vertrieb „eine Verpackung erforderlich ist, die der Ware ihre Form verleiht“, sei diese Verpackung für die Zwecke der Prüfung ihrer Anmeldung als Marke mit der Form der Ware gleichzusetzen. Unter Berufung auf die Urteile des Gerichts vom 3. Dezember 2003, Nestlé Waters France/HABM (Form einer Flasche) (T‑305/02, Slg. 2003, II‑5207, Randnr. 30), und vom 29. April 2004, Eurocermex/HABM (Form einer Bierflasche) (T‑399/02, Slg. 2004, II‑1391, Randnr. 24), vertrat sie die Ansicht, dass die Verpackung von Schokolade ein zwingendes Vertriebserfordernis sei, dem der Verbraucher in erster Linie bloße Portionierungsfunktion beimesse.

17      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Schokoladenwaren auch unverpackt verkauft werden können. Sie werden zwar gewiss in den Selbstbedienungsabteilungen von Supermärkten meistens nur verpackt abgegeben. Auch in Supermärkten sowie insbesondere in Kinos werden jedoch Bonbons, einschließlich unverpackter Schokoladenwaren, einzeln in Selbstbedienung verkauft; der Kunde wählt dabei seine Schokoladenstücke selbst aus und gibt sie in eine Tüte. Außerdem werden in Schokoladenfachgeschäften Schokoladenwaren auch unverpackt verkauft. In solchen Geschäften wird die unverpackte Schokolade auf einem Verkaufstisch präsentiert und beim Verkauf von einem Verkäufer übergeben, der sie in eine Schachtel oder Tüte gibt, die nicht ihre Verpackung im eigentlichen Sinne ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer erfordert daher der Vertrieb von Schokoladenwaren nicht immer „eine Verpackung, die der Ware ihre Form verleiht“.

18      Im vorliegenden Fall jedoch ist, wie die Beschwerdekammer zutreffend ausführte, für die Zwecke der Prüfung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke die Verpackung der fraglichen Waren mit der Form der Ware gleichzusetzen. Ferner geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Beschwerdekammer trotz ihrer Ausführungen zur Portionierungsfunktion der Verpackung nicht ausschloss, dass die Form der Verpackung der Schokoladenwaren Unterscheidungskraft haben könne.

19      Damit geht das Argument der Klägerin ins Leere, es gebe keinen technischen Zwang, einen Osterhasen aus Schokolade in der von ihr gewählten Weise zu verpacken. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer nicht annahm, dass ein technischer Zwang bestehe, der eine besondere Form vorgebe.

20      Des Weiteren ist zu konstatieren, dass die für die Anmeldemarke beanspruchten Schokoladenwaren, wie die Beschwerdekammer zutreffend feststellte und wie die Klägerin nicht bestreitet, allgemeine Verbrauchsgüter sind, die der Verbraucher normalerweise schnell und ohne große Aufmerksamkeit kauft.

21      Was die Prüfung der Unterscheidungskraft betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, keine anderen als für die übrigen Markenkategorien sind. Jedoch ist im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien zu berücksichtigen, dass eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht zwingend in gleicher Weise wahrgenommen wird wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, Slg. 2004, I‑9165, Randnr. 30, und Storck/HABM, Randnrn. 24 und 25).

22      Demnach ist, je mehr sich die angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso eher zu erwarten, dass dieser Form Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 fehlt. Eine Marke hingegen, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt, besitzt auch Unterscheidungskraft (Urteile des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, Slg. 2004, I‑5089, Randnr. 39, und vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi‑Werke/HABM, C‑173/04 P, Slg. 2006, I‑551, Randnr. 31; Urteil des Gerichts vom 24. November 2004, Henkel/HABM [Form einer weißen und transparenten Flasche], T‑393/02, Slg. 2004, II‑4115, Randnr. 31).

23      Außerdem sind die Neuheit oder die Originalität keine maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke, so dass es für die Eintragungsfähigkeit einer Marke nicht genügt, dass sie originell ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 31. Mai 2006, De Waele/HABM [Form einer Wurst], T‑15/05, Slg. 2006, II‑1511, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Um zu beurteilen, ob einer Marke Unterscheidungskraft fehlt, ist auf den von ihr hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht zunächst die einzelnen Gestaltungselemente der Marke nacheinander geprüft werden dürften. Es kann sich nämlich als zweckmäßig erweisen, bei der Gesamtbeurteilung jeden einzelnen Bestandteil der betreffenden Marke zu untersuchen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2007, Henkel/HABM, C‑144/06 P, Slg. 2007, I‑8109, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Im vorliegenden Fall besteht die angemeldete Marke im Wesentlichen aus zwei Elementen. Das erste Element ist die Form eines sitzenden Hasen und das zweite die Goldfolie, in die der Schokoladenhase eingepackt ist.

26      Die Beschwerdekammer nahm an, dass keinem dieser Elemente allein Unterscheidungskraft zukomme. Die Klägerin macht hingegen geltend, dass jedes von ihnen für sich Unterscheidungskraft besitze.

27      Vor der Gesamtbeurteilung der angemeldeten Marke ist daher jedes einzelne dieser Elemente zu prüfen.

28      Was als Erstes die Form eines sitzenden oder kauernden Hasen betrifft, stellte die Beschwerdekammer fest, dass Hasen, wie der Akte des HABM zu entnehmen sei, zum typischen Formenschatz von Schokoladenwaren, vor allem um die Osterzeit, gehörten, was zwischen den Parteien unstreitig sei. Die Beschwerdekammer traf ihre Feststellung nicht nur in Bezug auf Deutschland und Österreich, sondern auch in Bezug auf andere Mitgliedstaaten der Union.

29      Sie konstatierte ferner, dass Schokoladenhasen zwar in den unterschiedlichsten Formen auf dem Markt erhältlich seien, aber bemerkte dazu: „Ein Hase ist und bleibt ein Hase“. Die Position (sitzend oder stehend), die Länge der Ohren, die Größe der Augen oder das Vorhandensein anderer typischer Merkmale eines Hasen spielten keine Rolle.

30      Die Klägerin bringt dazu nur vor, dass die fragliche Form von der Branchenüblichkeit abweiche.

31      Die Feststellung der Beschwerdekammer ist zu bestätigen. Die Form eines sitzenden Hasen ist zwar gewiss nicht die einzige Form von Schokoladenhasen, aber die Form der angemeldeten Marke ist, wie aus der Akte des HABM hervorgeht, auch nicht die einzige Form eines sitzenden Schokoladenhasen, die es auf dem Markt gibt.

32      Außerdem erzeugen andere in der Union niedergelassene Schokoladenhersteller, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat und wie aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli (C‑529/07, Slg. 2009, I‑4893, Randnr. 17), hervorgeht, Schokoladenhasen, die dem Hasen der Klägerin entsprechen. Diese Ähnlichkeit umfasst auch die Form eines sitzenden oder kauernden Hasen.

33      Vor diesem Hintergrund kann die Form eines sitzenden oder kauernden Hasen als eine typische Form von Schokoladenhasen angesehen werden, der somit die Unterscheidungskraft fehlt.

34      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass entgegen dem, was die Klägerin offenbar geltend macht, die Beschwerdekammer nicht feststellte, dass die fragliche Form selbst technisch bedingt sei. Dazu genügt der Hinweis, dass die Beschwerdekammer zu Recht der Ansicht war, dass im vorliegenden Fall die fragliche Verpackung für die Zwecke der Prüfung der angemeldeten Marke mit der Form der Ware gleichzusetzen sei.

35      Was als Zweites die goldfarbene Verpackungsfolie anbelangt, nahm die Beschwerdekammer an, dass die Verwendung einer goldfarbenen Folie als Verpackungsmaterial in der Schokoladenwarenbranche üblich sei, und zwar nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern auch in den übrigen Mitgliedstaaten der Union.

36      Die Klägerin bringt dazu nur vor, dass die Farbe der Verpackungsfolie von der Branchenüblichkeit abweiche.

37      Die Feststellung der Beschwerdekammer ist nicht zu beanstanden. Es ist nämlich allgemein bekannt, dass es auf dem Gebiet der Verpackung von Schokoladenwaren üblich ist, die Ware in eine Goldfolie zu verpacken. Auch aus der Akte des HABM geht hervor, dass andere Hersteller die von ihnen hergestellten Schokoladenhasen in Goldfolien einwickeln. Außerdem geht aus dem Urteil Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli (C‑529/07) hervor, dass noch ein weiteres Unternehmen einen in goldfarbene Folie verpackten Schokoladenhasen vertreibt.

38      Was die Gesamtbeurteilung der angemeldeten Marke betrifft, entschied die Beschwerdekammer, dass der angemeldeten Marke auch unter Berücksichtigung der Kombination ihrer einzelnen Elemente für die beanspruchten Waren jede Unterscheidungskraft im gesamten Unionsgebiet fehle. Auf dem Markt sei eine Vielfalt an unterschiedlichen Schokoladenhasen erhältlich, und der Verbraucher werde somit im streitigen Hasen nur eine weitere Form eines Hasen sehen, ohne Bezug zu einem bestimmten Unternehmen. In der Kombination der Elemente werde der Verbraucher nur eine dekorative Form eines Schokoladenosterhasen erblicken.

39      Die Klägerin bringt vor, die Beschwerdekammer habe nicht nachgewiesen, dass die Kombination der Form und der Farbe der Anmeldemarke üblich sei. Die angemeldete Marke sei nicht in ihrer Gesamtheit beurteilt worden.

40      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus der angefochtenen Entscheidung eindeutig hervorgeht, dass die Beschwerdekammer den von der Anmeldemarke erzeugten Gesamteindruck berücksichtigt hat.

41      Sodann ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer, auch ohne dafür konkrete Beispiele anführen zu müssen, ihre Feststellung auf Tatsachen stützen darf, die sich aus der allgemeinen praktischen Erfahrung im Handel mit Schokoladenwaren ergeben und die jedermann und insbesondere den Verbrauchern von Schokoladenwaren bekannt sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil Storck/HABM, Randnr. 54).

42      Soweit die Klägerin geltend macht, die Anmeldemarke habe entgegen der vom HABM vorgenommenen Beurteilung Unterscheidungskraft, ist es ihre Sache, durch konkrete und fundierte Angaben darzutun, dass die Anmeldemarke Unterscheidungskraft entweder von Haus aus besitzt oder durch Benutzung erworben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, Slg. 2007, I‑9375, Randnr. 50). Im vorliegenden Fall ist es der Klägerin nicht gelungen, die Richtigkeit der vorstehend wiedergegebenen allgemein bekannten oder vom HABM festgestellten Tatsachen in Frage zu stellen und darzutun, dass der angemeldeten Marke von Haus aus Unterscheidungskraft zukommt.

43      Im vorliegenden Fall sind daher die Feststellungen der Beschwerdekammer zu bestätigen. Die Merkmale, die die Kombination aus der Form und der Farbe der angemeldeten Marke aufweist, sind nämlich von den Grundformen, die für die Verpackung von Schokoladewaren sowie konkret von Schokoladenhasen häufig verwendet werden, nicht hinreichend weit entfernt. Sie sind damit nicht geeignet, von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Hinweise auf die betriebliche Herkunft im Gedächtnis behalten zu werden. Denn die Verpackung in Form eines sitzenden Hasen in goldener Farbe unterscheidet sich nicht wesentlich von den handelsüblichen Verpackungen der fraglichen Waren, die als eine typische Verpackungsform dieser Waren naheliegend sind.

44      Was die von der Klägerin geltend gemachte Eintragung einer mit der Anmeldemarke identischen Marke in Deutschland, in Österreich und im Vereinigten Königreich anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass die Gemeinschaftsregelung für Marken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von ihm eigenen Vorschriften besteht und ihm eigene Zielsetzungen verfolgt und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (Urteile des Gerichts vom 5. Dezember 2000, Messe München/HABM [electronica], T‑32/00, Slg. 2000, II‑3829, Randnr. 47, und vom 23. September 2009, Cohausz/HABM – Izquierdo Faces [acopat], T‑409/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 71). In den Mitgliedstaaten bereits vorgenommene Eintragungen sind nur ein Umstand, der im Zusammenhang mit der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke berücksichtigt werden kann, und die Anmeldemarke muss auf der Grundlage der einschlägigen Unionsregelung beurteilt werden. Folglich ist das HABM weder gehalten, sich die von der zuständigen Markenbehörde des Ursprungslands gestellten Anforderungen und die vorgenommene Beurteilung zu eigen zu machen, noch dazu verpflichtet, die Anmeldemarke deshalb einzutragen, weil Eintragungsentscheidungen der nationalen Patent- und Markenämter vorliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Develey/HABM, Randnrn. 71 bis 73).

45      Gleiches gilt hinsichtlich der anderen nationalen Eintragungen, auf die sich die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung berufen hat. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ist auf jeden Fall auf der Grundlage der Tatsachen zu beurteilen, die bis zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung vorgebracht worden waren.

46      Nach alledem nahm die Beschwerdekammer zu Recht an, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 hat.

47      Der erste Klagegrund der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94

48      Die Klägerin macht geltend, dass der Schokoladenosterhase außerhalb Deutschlands weitgehend unbekannt sei, weshalb eine Verkehrsdurchsetzung außerhalb dieses Gebietes nicht zu fordern sei. Jedenfalls habe sie den Nachweis einer durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft für Deutschland, Österreich und das Vereinigte Königreich erbracht.

49      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

50      Nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 steht das absolute Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung der Eintragung einer Marke nicht entgegen, wenn die Marke für die Waren, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.

51      Nach der Rechtsprechung erfordert der Erwerb von Unterscheidungskraft durch die Benutzung der Marke, dass zumindest ein erheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Glaverbel/HABM [Maserung einer Glasoberfläche], T‑141/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Was die territoriale Reichweite der Erlangung von Unterscheidungskraft betrifft, kann eine Marke nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 nur zur Eintragung zugelassen werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie durch ihre Benutzung in dem Teil der Union Unterscheidungskraft erlangt hat, in dem sie keine originäre Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b hat (Urteil Storck/HABM, Randnr. 83; Urteile des Gerichts in der Rechtssache Maserung einer Glasoberfläche, Randnr. 35, und vom 10. März 2009, Piccoli/HABM [Form einer Muschel], T‑8/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36).

53      Bei Marken, die keine Wortmarken sind, ist zu vermuten, dass die Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft in der gesamten Union gleich ausfällt, es sei denn, es lägen konkrete gegenteilige Anhaltspunkte vor (Urteile Form einer Bierflasche, Randnr. 47, Wicklerform, Randnr. 86, und Form einer Muschel, Randnr. 37).

54      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, dass der Schokoladenosterhase außerhalb Deutschlands weitgehend unbekannt sei und daher in den übrigen Ländern der Union von Haus aus Unterscheidungskraft besitze. Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Es ist allgemein bekannt, dass Schokoladenhasen, die vor allem um die Osterzeit verkauft werden, außerhalb Deutschlands nicht unbekannt sind.

55      Es ist daher mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte zu vermuten, dass der Eindruck, den die aus einem dreidimensionalen Zeichen bestehende Anmeldemarke beim Verbraucher erweckt, in der gesamten Union der gleiche ist und dass der Anmeldemarke somit im gesamten Unionsgebiet die Unterscheidungskraft fehlt (vgl. in diesem Sinne Urteil Form einer Muschel, Randnr. 38).

56      Diese Marke muss daher in der gesamten Union Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt haben, um nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 zur Eintragung zugelassen werden zu können.

57      Aber selbst angenommen, die Klägerin weist den Erwerb von Unterscheidungskraft durch Benutzung für Deutschland, Österreich und das Vereinigte Königreich nach, sind die von ihr eingereichten Beweisunterlagen nicht zum Beweis dafür geeignet, dass das Zeichen am Anmeldetag der Marke in allen Mitgliedstaaten der Union Unterscheidungskraft erlangt hatte.

58      Vor diesem Hintergrund muss nicht geprüft werden, ob diese Unterlagen tatsächlich eine durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft in den drei Mitgliedstaaten beweisen, auf die sich die Klägerin beruft, da das nicht ausreichte, um die Erlangung von Unterscheidungskraft durch Benutzung in der gesamten Union nachzuweisen.

59      Auch der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

60      Folglich ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

61      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG trägt die Kosten.

Wiszniewska-Białecka

Dehousse

Kanninen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Dezember 2010.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.