Language of document : ECLI:EU:T:2015:224





Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 22. April 2015 –

Evropaïki Dynamiki/Frontex

(Rechtssache T‑554/10)

„Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibungsverfahren – IT‑Dienste, Hardware und Softwarelizenzen – Ablehnung der Angebote eines Bieters – Begründungspflicht – Auswahl- und Vergabekriterien – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Außervertragliche Haftung“

1.                     Öffentliche Aufträge der Europäischen Union – Vergabe eines Auftrags aufgrund einer Ausschreibung – Ermessen der Organe – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen (vgl. Rn. 47, 130)

2.                     Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, ein Angebot nicht zu berücksichtigen – Verpflichtung, auf schriftliches Ersuchen hin die Merkmale und Vorteile des angenommenen Angebots sowie den Namen des Auftragnehmers mitzuteilen – Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, eine detaillierte vergleichende Untersuchung des angenommenen Angebots und des Angebots des übergangenen Bieters vorzulegen – Fehlen (Art. 296 AEUV; Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 100 Abs. 2; Verordnung Nr. 2342/2002 der Kommission, Art. 149 Abs. 3) (vgl. Rn. 48-51, 59, 61, 131)

3.                     Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, ein Angebot nicht zu berücksichtigen – Beurteilung anhand der dem Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung zur Verfügung stehenden Informationen (Art. 296 AEUV; Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 100 Abs. 2; Verordnung Nr. 2342/2002 der Kommission, Art. 149 Abs. 3) (vgl. Rn. 52)

4.                     Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, ein Angebot nicht zu berücksichtigen – Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, das Protokoll des Bewertungsausschusses und die ausgewählten Angebote an einen übergangenen Bieter zu übermitteln, ohne sein Angebot mit denen der anderen Bieter zu vergleichen – Fehlen (Art. 296 AEUV; Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 100 Abs. 2; Verordnung Nr. 2342/2002 der Kommission, Art. 149 Abs. 3) (vgl. Rn. 63, 91)

5.                     Öffentliche Aufträge der Europäischen Union – Ausschreibungsverfahren – Recht der Bieter auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Recht, gegen die Entscheidung, durch die der Auftrag an einen anderen Bieter vergeben wird, einen Rechtsbehelf einzulegen – Verletzung der Begründungspflicht durch den öffentlichen Auftraggeber – Verletzung wesentlicher Formvorschriften – Folge – Nichtigerklärung dieser Entscheidung (Art. 296 AEUV; Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 100 Abs. 2; Verordnung Nr. 2342/2002 der Kommission, Art. 149 Abs. 3) (vgl. Rn. 79-81)

6.                     Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, ein Angebot nicht zu berücksichtigen – Verpflichtung des öffentlichen Auftraggeber, mit dem übergangenen Bieter die Vorzüge seines Angebots zu erörtern – Fehlen (Art. 296 AEUV; Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 100 Abs. 2; Verordnung Nr. 2342/2002 der Kommission, Art. 149 Abs. 3) (vgl. Rn. 115)

7.                     Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe – Bloße Verweisung auf die Anlagen – Unzulässigkeit (Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1) (vgl. Rn. 145)

8.                     Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Schaden – Kausalzusammenhang – Nichtvorliegen einer dieser Voraussetzungen – Abweisung der Schadensersatzklage in vollem Umfang (Art. 340 Abs. 2 AEUV) (vgl. Rn. 164, 165)

Gegenstand

Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidungen, mit denen die Angebote der Klägerin für die Ausschreibung Frontex/OP/87/2010 betreffend eine Rahmenvereinbarung über „IKT‑Dienstleistungen“ im Bereich der Informationsverwaltungs- und ‑sicherheitstechnologien (ABl. 2010/S 66‑098323) und die Ausschreibung Frontex/OP/98/2010 betreffend das großangelegte Pilotprojekt Eurosur im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologiekoordination (ABl. 2010/S 90‑134098) abgelehnt wurden, sowie aller damit verbundenen Entscheidungen einschließlich jener, anderen Bietern den Zuschlag zu erteilen, und auf Ersatz des Schadens, der durch die Erteilung des Zuschlags an die genannten Bieter entstanden sein soll

Tenor

1.

Die Entscheidung der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Frontex) vom 18. Oktober 2010, mit der das von der Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE im Rahmen der Ausschreibung 2010/S 66-098323 für Los 1 (Informationssysteme) für die Bereitstellung von IT‑Diensten, Hardware und Softwarelizenzen abgegebene Angebot abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

2.

Die Entscheidung von Frontex vom 18. Oktober 2010, mit der das von der Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE im Rahmen der Ausschreibung 2010/S 66-098323 für Los 6 (betriebliche Content-Management-Systeme) für die Bereitstellung von IT‑Diensten, Hardware und Softwarelizenzen abgegebene Angebot abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

3.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.

Die Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE trägt 50 % ihrer eigenen Kosten sowie 50 % der Kosten von Frontex; Letztere trägt 50 % ihrer eigenen Kosten sowie 50 % der Kosten von Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis trägt.