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BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

22. September 2022(*)

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Zulassung von Rechtsmitteln – Art. 170 b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Antrag, in dem die Bedeutsamkeit einer Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts nicht dargetan wird – Nichtzulassung des Rechtsmittels“

In der Rechtssache C‑338/22 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. Mai 2022,

Anna Hrebenyuk, wohnhaft in Griesheim (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt H.‑J. Ruhl,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter S. Rodin und J.‑C. Bonichot (Berichterstatter),

Kanzler: A. Calot Escobar,

auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts N. Emiliou

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt Anna Hrebenyuk die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 23. März 2022, Hrebenyuk/EUIPO (Form eines Stehkragens) (T‑252/21, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022:157), mit dem ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 25. Februar 2021 (Sache R 1902/2020‑5) über die Anmeldung eines dreidimensionalen Zeichens in der Form eines Stehkragens als Unionsmarke abgewiesen wurde.

 Zum Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels

2        Nach Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union entscheidet der Gerichtshof vorab über die Zulassung von Rechtsmitteln gegen eine Entscheidung des Gerichts, die eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer des EUIPO betrifft.

3        Gemäß Art. 58a Abs. 3 der Satzung wird ein Rechtsmittel nach den in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs im Einzelnen festgelegten Modalitäten ganz oder in Teilen nur dann zugelassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird.

4        Art. 170a Abs. 1 der Verfahrensordnung sieht vor, dass der Rechtsmittelführer in den Fällen des Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs seiner Rechtsmittelschrift einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels als Anlage beizufügen hat, in dem er die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage darlegt, die mit dem Rechtsmittel aufgeworfen wird, und der sämtliche Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über diesen Antrag zu entscheiden.

5        Gemäß Art. 170b Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels so rasch wie möglich durch mit Gründen versehenen Beschluss.

6        Die Rechtsmittelführerin stützt ihren Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels auf zwei Argumente, mit denen sie geltend macht, dass die mit ihrem Rechtsmittel aufgeworfenen Rechtsfragen, die sich auf Verstöße gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) und die Verkennung der einschlägigen Rechtsprechung bezögen, für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam seien.

7        Mit ihrem ersten Argument wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, es habe sich auf das bloße Bestehen einer Norm oder Branchenüblichkeit gestützt, um dem angemeldeten Zeichen jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen, ohne zu prüfen, inwiefern dieses vom Branchenüblichen abweiche. Im Übrigen habe die Rechtsmittelführerin die üblichen Grundformen dargestellt, um darzutun, dass dieses Zeichen gerade nicht zu den Formen gehöre, an die die Verbraucher bereits gewöhnt seien, und zwar auch mit Änderungen. Nach ihrer Ansicht stellt diese Unterlassung des Gerichts einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sowie eine Verkennung der Urteile vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM (C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 31), und vom 5. Februar 2020, Hickies/EUIPO (Form eines Schnürsenkels) (T‑573/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:32, Rn. 29), dar, die eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwürfen.

8        Mit ihrem zweiten Argument wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, in Rn. 30 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen zu haben, dass das maßgebliche Publikum in Anbetracht seines durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrads das angemeldete Zeichen nicht mit der Renaissance-Kröse oder einem neuen Stil in Verbindung bringe, da es nicht zu derart weit hergeholten Denkprozessen neige und daher keine solche Vergleiche anstelle. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin reicht es vielmehr, dass das maßgebliche Publikum – gegebenenfalls auch nur abstrakte oder vage – Assoziationen habe, die dazu führten, dass eine Marke als anders und überraschend wahrgenommen werde. Das Gericht setze die beschriebenen Gründe, aus denen sich die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise ergebe, zu Unrecht der Wahrnehmung der Verkehrskreise selbst gleich, was einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 und einen Verstoß gegen die Rechtsprechungsgrundsätze des Urteils vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO (C‑26/17 P, EU:C:2018:714, Rn. 31), sowie eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage darstelle.

9        Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es Sache des Rechtsmittelführers ist, darzutun, dass die mit seinem Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind (Beschluss vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

10      Außerdem muss, wie sich aus Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 170a Abs. 1 und Art. 170b Abs. 4 der Verfahrensordnung ergibt, der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels sämtliche Angaben enthalten, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über die Zulassung des Rechtsmittels zu entscheiden und im Fall der teilweisen Zulassung des Rechtsmittels die Gründe oder Teile des Rechtsmittels zu bestimmen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss. Da der Mechanismus der vorherigen Zulassung von Rechtsmitteln nach Art. 58a der genannten Satzung die Kontrolle durch den Gerichtshof auf die Fragen beschränken soll, die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind, sind vom Gerichtshof nämlich nur die Gründe im Rahmen des Rechtsmittels zu prüfen, die solche Fragen aufwerfen; diese Gründe müssen vom Rechtsmittelführer dargetan worden sein (Beschluss vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

11      Daher muss ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in jedem Fall klar und genau die Gründe angeben, auf die das Rechtsmittel gestützt wird, ebenso genau und klar die von jedem Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage benennen, erläutern, ob diese Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam ist, und speziell darlegen, warum diese Frage im Hinblick auf das geltend gemachte Kriterium bedeutsam ist. Was insbesondere die Rechtsmittelgründe betrifft, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nähere Angaben zu der Bestimmung des Unionsrechts oder der Rechtsprechung enthalten, gegen die durch das mit einem Rechtsmittel angefochtene Urteil oder durch den mit einem Rechtsmittel angefochtenen Beschluss verstoßen worden sein soll, in gedrängter Form darlegen, worin der vom Gericht angeblich begangene Rechtsfehler besteht, und Ausführungen dazu machen, inwieweit sich dieser Fehler auf das Ergebnis des mit einem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses ausgewirkt hat. Ist der gerügte Rechtsfehler das Ergebnis einer Verkennung der Rechtsprechung, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in gedrängter Form, aber klar und genau darlegen, erstens, wo der behauptete Widerspruch zu finden ist, indem sowohl die Randnummern des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses, die der Rechtsmittelführer in Frage stellt, als auch die Randnummern der Entscheidung des Gerichtshofs oder des Gerichts angegeben werden, die missachtet worden sein sollen, und zweitens die konkreten Gründe, aus denen ein solcher Widerspruch eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft (Beschluss vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

12      Ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels, der die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Beschlusses angeführten Angaben nicht enthält, ist nämlich von vornherein nicht geeignet, zu belegen, dass das Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft, die seine Zulassung rechtfertigt (Beschluss vom 14. Juli 2022, Ignacio Carrasco/EUIPO, C‑247/22 P, EU:C:2022:591, Rn. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

13      Im vorliegenden Fall ist zu den in den Rn. 7 und 8 des vorliegenden Beschlusses angeführten Argumenten, wonach das Gericht nicht geprüft habe, inwiefern das angemeldete Zeichen von der Branchenüblichkeit abweiche, und zu den Kriterien, die das Gericht in Bezug auf die Wahrnehmung dieses Zeichens durch das maßgebliche Publikum angewandt hat, festzustellen, dass sich die Rechtsmittelführerin darauf beschränkt, die vom Gericht angeblich begangenen Fehler anzuführen, ohne im Einzelnen darzulegen, weshalb dieses Vorbringen eine für die Einheit, die Kohärenz oder die einheitliche Entwicklung wichtige Frage aufwirft. Dass das angefochtene Urteil gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 und gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs oder des Gerichts verstoßen haben soll, kann nämlich für sich genommen nicht bedeuten, dass dieser Frage notwendigerweise eine Bedeutung für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts zukommt; vielmehr muss der Antragsteller zu diesem Zweck alle in Rn. 11 des vorliegenden Beschlusses genannten Anforderungen beachten, zu denen insbesondere gehört, im Einzelnen darzulegen, weshalb die geltend gemachten Argumente eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts wichtige Frage aufwerfen.

14      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin mit ihrem Antrag nicht dargetan hat, dass mit dem Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen würde.

15      Das Rechtsmittel ist folglich nicht zuzulassen.

 Kosten

16      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wird über die Kosten in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden.

17      Da der vorliegende Beschluss ergeht, bevor die Rechtsmittelschrift der anderen Partei des Verfahrens zugestellt worden ist und dieser Kosten entstehen konnten, ist zu entscheiden, dass die Rechtsmittelführerin ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird nicht zugelassen.

2.      Anna Hrebenyuk trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 22. September 2022

Der Kanzler

 

Der Präsident der Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln

A. Calot Escobar

 

L. Bay Larsen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.