Language of document : ECLI:EU:T:2024:336

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte erweiterte Kammer)

29. Mai 2024(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Disziplinarverfahren – Disziplinarstrafe – Verweis – Handlungen, die dem Ansehen des öffentlichen Dienstes abträglich sind – Art. 12 und 21 des Statuts – Zuständigkeit des Urhebers des Rechtsakts – Begründungspflicht – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Unparteilichkeit – Art. 41 der Charta der Grundrechte“

In der Rechtssache T‑766/22,

Maria Canel Ferreiro, wohnhaft in Overijse (Belgien), vertreten durch Rechtsanwältin N. Maes,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bauer und I. Demoulin als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer),

unter Mitwirkung der Präsidentin O. Porchia sowie der Richter M. Jaeger, L. Madise (Berichterstatter), P. Nihoul und S. Verschuur,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von drei Wochen nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer auf Art. 270 AEUV gestützten Klage beantragt die Klägerin, Frau Maria Canel Ferreiro, erstens die Nichtigerklärung der „Verwaltungsuntersuchung EN‑2101“ (im Folgenden: Verwaltungsuntersuchung) und des Berichts über diese Verwaltungsuntersuchung des Rates der Europäischen Union vom 28. Mai 2021 (im Folgenden: Untersuchungsbericht), zweitens die Aufhebung der Entscheidung des Rates vom 25. November 2021, mit der gegen sie die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), sowie drittens die Aufhebung der Entscheidung vom 1. September 2022, mit der ihre Beschwerde zurückgewiesen wurde (im Folgenden: Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin wurde im Jahr 2006 als Beamtin bei der Europäischen Kommission eingestellt. Am 1. September 2013 wurde sie zum Rat versetzt, wo sie in der Kanzlei des Juristischen Dienstes eingesetzt wurde.

3        Vom 1. April 2019 bis zum 15. Juni 2021 bekleidete die Klägerin eine Assistentenstelle als Prüfungsbedienstete im Referat „Haushalt und Finanzen“ des sozialmedizinischen Dienstes des Rates.

4        Am 19. Februar 2021 übermittelte Frau A, die Vorgesetzte der Klägerin, Herrn C, dem Generaldirektor für Organisationsentwicklung und Dienste des Generalsekretariats des Rates, den Entwurf eines Verwaltungsvermerks, in dem insbesondere die Kommunikationsschwierigkeiten der Klägerin und die daraus resultierenden Spannungen in ihren Arbeitsbeziehungen zu ihren Kollegen und Vorgesetzten hervorgehoben wurden. Am selben Tag wurde der Entwurf des Vermerks an die Klägerin zur Stellungnahme übermittelt.

5        Am 23. Februar 2021 schickte die Klägerin an Frau A eine E‑Mail, in der sie die Richtigkeit ihrer Bemerkungen im Entwurf des Verwaltungsvermerks in Frage stellte, wobei sie die Ansicht vertrat, dass dieser ein Beweis für das Mobbing sei, dem sie seitens Frau A ausgesetzt gewesen sei. Herr C und Frau B, die Leiterin des Referats „Humanressourcen“ der GD „Organisationsentwicklung und Dienste“, erhielten eine Kopie dieser E‑Mail.

6        Am 3. März 2021 schickte die Klägerin ihre Anmerkungen zum Entwurf des Verwaltungsvermerks an Frau A.

7        Nachdem Frau A die Klägerin aufgefordert hatte, die Mobbingvorwürfe in der E‑Mail vom 23. Februar 2021 zurückzuziehen, schickte ihr die Klägerin am 13. März 2021 eine weitere E‑Mail, in der sie den Wahrheitsgehalt der Aussagen in ihrem Verwaltungsvermerk sowie ihre Führungsfähigkeiten anzweifelte.

8        Am 23. März 2021 beauftragte Herr C in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde das Referat „Rechtsberater der Verwaltung“ mit der Durchführung einer Verwaltungsuntersuchung in Bezug auf die Klägerin, um festzustellen, ob

–        sie bei der Organisation ihres Jahresurlaubs im Jahr 2020 gegen ihre Verpflichtungen aus dem Statut, insbesondere aus den Art. 12 und 60 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut), sowie gegen ihre Verpflichtungen aus dem Beschluss Nr. 1/2014 des Generalsekretärs des Rates vom 1. Januar 2014 mit Durchführungsbestimmungen zu den Bestimmungen des Statuts über Urlaub für die im aktiven Dienst beim Generalsekretariat des Rates stehenden Beamten verstoßen hat;

–        sie mit ihrem Verhalten gegenüber Frau A durch Äußerungen in E‑Mails im Jahr 2021 gegen ihre Verpflichtungen aus dem Statut, insbesondere gegen die in Art. 12 des Statuts festgelegten Verpflichtungen, verstoßen hat.

9        Am 24. März 2021 wurde die Klägerin über die Einleitung der Verwaltungsuntersuchung informiert.

10      Am 8. April 2021 wurde die Klägerin von den Untersuchungsbeauftragten angehört.

11      Am 26. April 2021 richteten die Untersuchungsbeauftragten zwei schriftliche Fragen an die Klägerin und forderten sie auf, zu zwei Sätzen aus ihrer E‑Mail vom 23. Februar 2021 bzw. ihrer E‑Mail vom 13. März 2021 Stellung zu nehmen, die beide an Frau A gerichtet waren und Mobbingvorwürfe enthielten. In ihrer E‑Mail vom selben Tag stellte die Klägerin klar, dass sie ihren Standpunkt hierzu bereits dargelegt habe, und fügte ihren vorangegangenen Erklärungen nichts hinzu.

12      Nachdem die Untersuchungsbeauftragten die Stellungnahmen der Zeugen eingeholt hatten, schickten sie der Klägerin am 5. Mai 2021 den Abschnitt „Sachverhalt und Umstände“ des Entwurfs des Untersuchungsberichts. Da die Untersuchungsbeauftragten innerhalb der Frist keine Stellungnahme der Klägerin erhielten, teilten sie ihr mit Vermerk vom 25. Mai 2021 mit, dass der Abschlussbericht zur Entscheidung an die Anstellungsbehörde weitergeleitet werde.

13      Mit einem internen Vermerk vom 28. Mai 2021 schickten die Untersuchungsbeauftragten Herrn C den Untersuchungsbericht und kamen darin zum einen zu dem Schluss, dass die Klägerin bei der Organisation ihres Jahresurlaubs im Jahr 2020 gegen keine Bestimmung des Statuts verstoßen habe, und zum anderen, dass „in Anbetracht der in Rede stehenden Handlungen und insbesondere der Äußerungen der [Klägerin] gegenüber Frau [A] per E‑Mail im Jahr 2021 [die Klägerin] – zumindest – gegen die Art. 12 und 21 des Statuts verstoßen hat“.

14      Am 10. Juni 2021 wurde die Klägerin über die Möglichkeit informiert, die im Untersuchungsbericht und seinen Anhängen enthaltenen Ergebnisse der Verwaltungsuntersuchung im Sekretariat von Herrn C einzusehen. Am 21. Juni 2021 sah die Klägerin diese Dokumente ein und nahm Kenntnis von allen Unterlagen der Akte.

15      Am 19. Oktober 2021 leitete die Anstellungsbehörde ein Disziplinarverfahren gegen die Klägerin ein, ohne den Disziplinarrat zu konsultieren.

16      Am 25. November 2021 erließ die Anstellungsbehörde die angefochtene Entscheidung, die der Klägerin am 8. Februar 2022 zugestellt wurde.

17      Am 2. Mai 2022 legte die Klägerin gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts eine Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung ein.

18      Am 1. September 2022 erließ die Anstellungsbehörde die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde.

 Anträge der Parteien

19      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben;

–        „die Verwaltungsuntersuchung und den Untersuchungsbericht für nichtig zu erklären“;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

20      Der Rat beantragt,

–        die Klage als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit des dritten Antrags, der sich gegen die Verwaltungsuntersuchung und den Untersuchungsbericht richtet

21      Der Rat erhebt die Einrede der Unzulässigkeit des Nichtigkeitsantrags, soweit dieser sich gegen die Verwaltungsuntersuchung und den Untersuchungsbericht richtet.

22      Es ist daran zu erinnern, dass nur solche Maßnahmen beschwerend sind, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers unmittelbar und sofort beeinträchtigen können, indem sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise verändern. Bei Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren, insbesondere zum Abschluss eines internen Verfahrens, ergehen, liegt eine anfechtbare Handlung grundsätzlich nur bei Maßnahmen vor, die den Standpunkt der Behörde am Ende dieses Verfahrens endgültig festlegen, nicht aber bei Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen. Handlungen zur Vorbereitung einer Entscheidung sind nicht beschwerend, und der Kläger kann erst im Rahmen einer Klage gegen die am Ende des Verfahrens erlassene Entscheidung die Rechtswidrigkeit der vorangegangenen und mit dieser Entscheidung eng zusammenhängenden Handlungen geltend machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Februar 2022, LU/EIB, T‑536/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:40, Rn. 37 bis 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Im vorliegenden Fall war das Ziel der Verwaltungsuntersuchung, festzustellen, ob ein Verstoß gegen die Verpflichtungen der Beamten aus dem Statut vorliegt. Der Bericht, der die Untersuchung abschließt, enthält insoweit lediglich eine an die Anstellungsbehörde gerichtete Empfehlung bezüglich der aus der Untersuchung zu ziehenden Schlussfolgerungen. Daher stellen sowohl die Verwaltungsuntersuchung als auch der Untersuchungsbericht Zwischenmaßnahmen dar, die der endgültigen Stellungnahme der Anstellungsbehörde nicht vorgreifen, wie sich im Übrigen aus Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 73/2006 über die Durchführung und das Verfahren von Verwaltungsuntersuchungen und den Disziplinarrat im Generalsekretariat des Rates ergibt, der in Anwendung der in Art. 86 des Statuts vorgesehenen Disziplinarordnung und der in Anhang IX des Statuts festgelegten Vorschriften und Verfahren erlassen wurde. Somit können weder die Verwaltungsuntersuchung noch der Untersuchungsbericht als Handlungen angesehen werden, die die Klägerin beschweren.

24      In Anbetracht dessen ist der dritte Antrag, der sich gegen die Verwaltungsuntersuchung und den Untersuchungsbericht richtet, als unzulässig abzuweisen.

 Zum ersten und zum zweiten Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung bzw. der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde

 Vorbemerkungen

25      Die Klägerin stützt ihre Anträge auf Aufhebung auf vier Klagegründe.

26      Im Rahmen des ersten Klagegrundes, der in zwei Teile gegliedert ist, macht die Klägerin zum einen geltend, dass die Untersuchungsbeauftragten das ihnen von der Anstellungsbehörde erteilte Mandat überschritten hätten, und zum anderen, dass es ihnen ihr gegenüber an Objektivität und Unparteilichkeit gefehlt habe.

27      Der zweite Klagegrund bezieht sich auf Rechtsverstöße beim Erlass der Entscheidung, mit der die Beschwerde zurückgewiesen wurde.

28      Mit ihrem dritten Klagegrund macht die Klägerin eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte geltend.

29      Die Klägerin bringt außerdem einen vierten Klagegrund vor, mit dem sie geltend macht, dass kein Beweis für einen Verstoß gegen die Art. 12 und 21 des Statuts erbracht worden sei. Die von der Klägerin im Rahmen des vierten Klagegrundes vorgebrachten Argumente lassen sich im Wesentlichen in vier Teile untergliedern. So macht die Klägerin geltend, dass

–        erstens die angefochtene Entscheidung keine Begründung hinsichtlich der den Verstoß gegen Art. 21 des Statuts begründenden Tatsachen enthalte,

–        zweitens jedenfalls kein Verstoß gegen Art. 21 des Statuts nachgewiesen sei,

–        drittens die angefochtene Entscheidung keine Begründung enthalte, aus der hervorgehe, welche „herabsetzenden Äußerungen“ gegen Art. 12 des Statuts verstießen,

–        viertens jedenfalls kein Verstoß gegen Art. 12 des Statuts nachgewiesen sei.

30      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich der zweite von der Klägerin vorgebrachte Klagegrund speziell auf Rechtsverstöße bezieht, die das Beschwerdeverfahren betreffen, wie die Unzuständigkeit des Urhebers der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde, eine solche Entscheidung zu erlassen, und die Verletzung des Grundsatzes der Unparteilichkeit, da die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde vom Urheber der angefochtenen Entscheidung erlassen worden sei.

31      Aus der Rechtsprechung geht jedoch hervor, dass der Kläger in der Lage sein muss, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Zurückweisung seiner Beschwerde durch die Unionsgerichte überprüfen zu lassen, wenn er einen Klagegrund geltend macht, der sich speziell auf das Beschwerdeverfahren bezieht. Wäre der Kläger in einem solchen Fall nur berechtigt, die ursprüngliche Entscheidung anzufechten, wäre nämlich jede Möglichkeit von Beanstandungen ausgeschlossen, die das Vorverfahren betreffen, und er verlöre dadurch den Anspruch auf ein Verfahren, das eine gütliche Beilegung des zwischen dem Bediensteten und der Verwaltung entstandenen Streits ermöglichen und fördern soll und die Behörde, zu der der Bedienstete gehört, dazu zwingen soll, ihre Entscheidung im Licht der möglichen Einwände des Bediensteten vorschriftsgemäß zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2015, Z/Gerichtshof, T‑88/13 P, EU:T:2015:393, Rn. 143 bis 146).

32      Unter diesen Umständen ist das Gericht der Ansicht, dass zunächst der zweite Klagegrund zu prüfen ist, bevor über die Klagegründe entschieden wird, die sich gegen die angefochtene Entscheidung richten. Erweist sich dieser Klagegrund als begründet und hebt das Gericht die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde auf, obliegt es nämlich der Verwaltung, die Beschwerde erneut zu prüfen und dabei auf den ordnungsgemäßen Ablauf des Vorverfahrens zu achten. In einem solchen Fall müsste der gegen die angefochtene Entscheidung gerichtete Antrag als unzulässig, weil verfrüht, abgewiesen werden, da diese Entscheidung nur dann der gerichtlichen Kontrolle unterworfen werden kann, wenn sie zuvor im Rahmen eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens überprüft worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2017, CW/Parlament, T‑742/16 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:338, Rn. 59 bis 61).

33      Der erste, der dritte und der vierte Klagegrund richten sich sowohl gegen die angefochtene Entscheidung als auch gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde. Im Rahmen der Prüfung der Aufhebungsanträge ist, soweit sie auf diese Klagegründe gestützt werden, von dem Grundsatz auszugehen, dass die Klageerhebung, selbst wenn sie formal gegen die Zurückweisung der Beschwerde gerichtet ist, bewirkt, dass das Gericht mit der beschwerenden Maßnahme befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet ist, es sei denn, die Zurückweisung der Beschwerde hat eine andere Tragweite als die Maßnahme, gegen die sich die Beschwerde richtet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2020, WH/EUIPO, T‑138/19, EU:T:2020:316, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist möglich, dass die Zurückweisung der Beschwerde mit Blick auf ihren Inhalt keinen rein bestätigenden Charakter bezüglich der vom Kläger angefochtenen Handlung hat, insbesondere wenn die Verwaltung eine erneute Prüfung seiner Situation aufgrund neuer rechtlicher oder tatsächlicher Umstände vornimmt oder wenn sie die ursprüngliche Entscheidung ändert oder ergänzt. In diesen Fällen stellt die Zurückweisung der Beschwerde eine Handlung dar, die der Kontrolle durch das Gericht unterliegt, das diese Handlung bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme berücksichtigt oder sie sogar als eine beschwerende Maßnahme betrachtet, die an die Stelle der angefochtenen Maßnahme tritt (vgl. Urteile vom 10. Oktober 2019, Colombani/EAD, T‑372/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:734, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 8. Juli 2020, WH/EUIPO, T‑138/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:316, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im vorliegenden Fall bestätigt die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde die angefochtene Entscheidung inhaltlich, ohne deren Sinn oder Tragweite zu ändern oder eine erneute Prüfung der Situation der Klägerin im Hinblick auf neue rechtliche oder tatsächliche Umstände vorzunehmen.

35      Daher ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung unter Berücksichtigung der in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde enthaltenen Begründung zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 2022, MZ/Kommission, T‑631/20, EU:T:2022:426, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zum zweiten Klagegrund: Rechtsfehler beim Erlass der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde

36      Der zweite Klagegrund ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil bezieht sich auf die Unzuständigkeit des Urhebers der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde und der zweite auf einen Verstoß gegen Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

–       Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Unzuständigkeit des Urhebers der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde

37      Die Klägerin macht geltend, dass Herr C, Generaldirektor für Organisationsentwicklung und Dienste des Generalsekretariats des Rates, nicht zuständig gewesen sei, die Entscheidung über die Zurückweisung ihrer Beschwerde zu erlassen. Hierzu trägt sie zum einen vor, dass sich aus Art. 1 Buchst. f des Beschlusses Nr. 16/2017 des Generalsekretärs des Rates zur Übertragung von Entscheidungs- und Zeichnungsbefugnissen im Zusammenhang mit der Anwendung des Statuts und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten ergebe, dass Entscheidungen nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts von der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen durch den Generalsekretär auf den Generaldirektor der Verwaltung, nunmehr Generaldirektor für Organisationsentwicklung und Dienste des Rates genannt, ausgeschlossen seien.

38      Zum anderen trägt die Klägerin vor, es sei nicht nachgewiesen, dass zum Zeitpunkt der Einreichung ihrer Beschwerde, d. h. am 2. Mai 2022, der Beschluss Nr. 23/22 des Generalsekretärs des Rates zur Änderung des Beschlusses Nr. 16/2017, mit dem dem Generaldirektor für Organisationsentwicklung und Dienste des Rates die Befugnis übertragen werde, u. a. Entscheidungen nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts zu erlassen, um die Kontinuität im Fall der Vakanz der Stelle des Generalsekretärs zu gewährleisten, in Kraft gewesen sei.

39      Der Rat tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

40      Es ist daran zu erinnern, dass nach Art. 2 Abs. 1 des Statuts jedes Organ bestimmt, wer in seinem Dienstbereich die der Anstellungsbehörde im Statut übertragenen Befugnisse ausübt.

41      In Anwendung dieser Bestimmung hat der Rat den Beschluss (EU) 2017/262 vom 6. Februar 2017 zur Bestimmung der Anstellungsbehörde für das Generalsekretariat des Rates und der Stelle, die zum Abschluss der Dienstverträge ermächtigt ist, sowie zur Aufhebung des Beschlusses 2013/811/EU (ABl. 2017, L 39, S. 4) erlassen. Aus Art. 1 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2017/262 ergibt sich, dass die der Anstellungsbehörde durch das Statut übertragenen Befugnisse von dem Generalsekretär ausgeübt werden, der gemäß Art. 1 Abs. 2 desselben Beschlusses befugt ist, diese ganz oder teilweise dem Direktor für Organisationsentwicklung und Dienste zu übertragen.

42      Somit hat der Generalsekretär mit dem Beschluss Nr. 16/2017 die Entscheidungsbefugnisse, die ihm mit dem Beschluss 2017/262 übertragen worden waren, an den Direktor für Organisationsentwicklung und Dienste delegiert, ausgenommen u. a. in Bezug auf die Anwendung von Art. 90 Abs. 2 des Statuts (Art. 1 Buchst. f des Beschlusses Nr. 16/2017).

43      Mit Blick auf das Ende seiner Amtszeit hat der Generalsekretär des Rates, Herr D, jedoch den Beschluss Nr. 23/22 erlassen, mit dem der Beschluss Nr. 16/2017 durch Hinzufügung von Art. 1a geändert wurde, der Folgendes vorsieht: „[I]m Fall der Vakanz des Postens des Generalsekretärs werden bis zum Amtsantritt des gemäß Art. 240 Abs. 2 [AEUV] im Anschluss an eine Vakanz ernannten Generalsekretärs alle dem Generalsekretär mit Beschluss 2017/262 übertragenen Befugnisse … dem Generaldirektor für Organisationsentwicklung und Dienste übertragen, mit Ausnahme der in Art. 1 Abs. 1 [Buchst.] g vorgesehenen Befugnisse …“. Es ist klarzustellen, dass die in dem genannten Art. 1 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses Nr. 16/2017 vorgesehenen Befugnisse, die von den dem Generaldirektor für Organisationsentwicklung und Dienste übertragenen Befugnissen ausgenommen wurden, die Beschlussfassung über „Neuzuweisungen und Versetzungen im dienstlichen Interesse gemäß Art. 2 innerhalb anderer Generaldirektionen als der Generaldirektion Verwaltung“ betrafen.

44      Somit hat der Beschluss Nr. 23/22 den Umfang der vom Generalsekretär an den Direktor für Organisationsentwicklung und Dienste delegierten Entscheidungsbefugnisse geändert, indem er diesem in einer Ausnahmesituation, in der die Stelle des Generalsekretärs vakant war, fast alle Befugnisse des Generalsekretärs, einschließlich des Erlasses von Entscheidungen gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts, übertrug.

45      Gemäß seinem Art. 2 sollte der Beschluss Nr. 23/22 am Tag seiner Unterzeichnung in Kraft treten.

46      Die Klägerin macht geltend, dass der Zeitpunkt der Unterzeichnung des Beschlusses Nr. 23/22, der sein Inkrafttreten gemäß dessen Art. 2 bedingt, nicht nachgewiesen sei. Ebenso wenig sei nachgewiesen, dass die Voraussetzung für seine Anwendung, nämlich die Vakanz der Stelle des Generalsekretärs, erfüllt gewesen sei.

47      Hinsichtlich des Datums der Unterzeichnung des Beschlusses Nr. 23/22 ist festzustellen, dass der Rat mit der Gegenerwiderung eine unterzeichnete Fassung des Beschlusses Nr. 23/22 zusammen mit dem Fahrplan eingereicht hat, der belegt, dass der genannte Beschluss tatsächlich am 29. April 2022 vom Generalsekretär des Rates unterzeichnet wurde.

48      Was die Vakanz des Postens des Generalsekretärs des Rates betrifft, so geht aus Nr. 2 des Vermerks an den Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) vom 5. April 2022 hervor, dass der Rücktritt des Generalsekretärs des Rates, Herrn D, am 30. April 2022 wirksam wurde. Des Weiteren trat die neue Generalsekretärin des Rates ihr Amt erst am 1. November 2022 an.

49      Es ist daran zu erinnern, dass die Klägerin ihre Beschwerde am 2. Mai 2022 eingereicht hat und die Anstellungsbehörde sie am 1. September 2022 zurückgewiesen hat.

50      Daraus folgt, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde der Beschluss Nr. 23/22 in Kraft war und folglich die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde in den Zuständigkeitsbereich von Herrn C in seiner Eigenschaft als Generaldirektor für Organisationsentwicklung und Dienste fiel.

51      Daher ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 41 Abs. 1 der Charta

52      Die Klägerin macht geltend, dass selbst für den Fall, dass Herr C aufgrund der formellen Subdelegation für den Erlass der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde zuständig gewesen sein sollte, dieser die erforderlichen Maßnahmen hätte ergreifen müssen, um den sich aus Art. 41 Abs. 1 der Charta ergebenden Anforderungen der guten Verwaltung und der Unparteilichkeit zu genügen, insbesondere durch Subdelegation der Prüfung ihrer Beschwerde an einen anderen Generaldirektor. Die Tatsache, dass Herr C es nicht unterlassen habe, über die Beschwerde gegen die von ihm selbst erlassene Disziplinarentscheidung zu befinden, habe die Klägerin ihres durch Art. 90 Abs. 2 des Statuts garantierten Rechts auf eine unparteiische Überprüfung der sie betreffenden Entscheidung beraubt.

53      Der Rat tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

54      Es ist daran zu erinnern, dass das in Art. 41 Abs. 1 der Charta garantierte Recht, dass Angelegenheiten einer Person von den Organen der Union unparteiisch behandelt werden, ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist und dass nach der Rechtsprechung der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung u. a. die Verpflichtung des zuständigen Organs umfasst, alle relevanten Aspekte des Einzelfalls sorgfältig und unparteiisch zu prüfen (vgl. Urteil vom 19. Oktober 2022, JS/SRB, T‑270/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:651, Rn. 145 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Art. 90 Abs. 2 des Statuts sieht vor, dass jede Person, auf die das Statut Anwendung findet, sich mit einer Beschwerde gegen eine sie beschwerende Maßnahme an die Anstellungsbehörde wenden kann; dies gilt sowohl für den Fall, dass die Anstellungsbehörde eine Entscheidung getroffen hat, als auch für den Fall, dass sie eine im Statut vorgeschriebene Maßnahme nicht getroffen hat.

56      Zum einen ist in Übereinstimmung mit dem Rat festzustellen, dass Art. 90 Abs. 2 des Statuts keineswegs vorschreibt, dass eine andere Behörde als die Anstellungsbehörde, die die beschwerende Maßnahme erlassen hat, über die gegen diese Maßnahme eingelegte Beschwerde zu entscheiden hat. Vielmehr geht daraus hervor, dass der Unionsgesetzgeber eine Situation im Blick hatte, in der dieselbe Behörde eine den Beamten beschwerende Verfügung trifft und anschließend über die hiergegen eingelegte Beschwerde entscheidet.

57      Zum anderen hat der Gerichtshof in Bezug auf die Natur des Beschwerdeverfahrens selbst u. a. entschieden, dass dieses kein Rechtsmittelverfahren darstellt, sondern die dem Beamten vorgesetzte Stelle dazu zwingen soll, ihre Entscheidung im Licht möglicher Einwände des Betroffenen zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 1980, Vecchioli/Kommission, 101/79, EU:C:1980:243, Rn. 31). Der Gerichtshof war also der Ansicht, dass der Urheber der den Kläger beschwerenden Verfügung an den Beratungen des Kollegialorgans teilnehmen kann, das über die Beschwerde gegen diese Entscheidung befindet. Darüber hinaus hat Generalanwalt Warner in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache, die dem Urteil vom 21. Oktober 1980, Vecchioli/Kommission (101/79, EU:C:1980:243), zugrunde lag, betont, dass die Beschwerde nicht den Charakter eines Appells an eine höhere Behörde als die Behörde habe, von der die beanstandete Handlung ausgegangen sei. Nach Ansicht des Generalanwalts besteht die wesentliche Bedeutung von Art. 90 Abs. 2 des Statuts darin, dass dem Beamten die Gelegenheit gegeben wird, die Überprüfung einer ihn betreffenden Entscheidung unter Berücksichtigung seiner Ausführungen zu verlangen. Nach Auffassung des Generalanwalts ist es insoweit unerheblich, ob die Stelle, die aufgrund der von dem Organ nach Art. 2 des Statuts getroffenen Bestimmungen für die Überprüfung der Entscheidung zuständig ist, dieselbe Stelle ist, die die Entscheidung erlassen hat (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Warner in der Rechtssache Vecchioli/Kommission, 101/79, EU:C:1980:212).

58      Außerdem hat das Gericht im Urteil vom 8. Juli 2020, WH/EUIPO (T‑138/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:316, Rn. 63), entschieden, dass die Person, die als Anstellungsbehörde eine einen Beamten beschwerende Entscheidung erlassen hat, nicht verpflichtet ist, sich der Teilnahme am Entscheidungsprozess, der die von diesem Beamten gegen die fragliche Entscheidung eingelegte Beschwerde betrifft, zu enthalten.

59      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass, auch wenn die Prüfung der Beschwerde im vorliegenden Fall angesichts der Natur des Beschwerdeverfahrens nicht vor einem Kollegialorgan erfolgte, nicht allein deshalb auf einen Verstoß gegen Art. 41 Abs. 1 der Charta geschlossen werden kann, weil die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde gemäß den internen Organisationsvorschriften des Rates von derselben Person getroffen wurde, die die Entscheidung, die Gegenstand dieser Beschwerde war, erlassen hatte. Darüber hinaus hat die Klägerin keine weiteren Umstände vorgetragen, die die Unparteilichkeit der Person, die über ihre Beschwerde entschieden hat, in Frage stellen könnten.

60      Daraus folgt, dass der zweite Teil des zweiten Klagegrundes und folglich der zweite Klagegrund insgesamt sowie der Aufhebungsantrag, der sich, gestützt auf diesen Klagegrund, gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde richtet, zurückzuweisen sind.

 Zum ersten und zum dritten Teil des vierten Klagegrundes, die sich auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht beziehen

61      Im Rahmen des ersten und des dritten Teils des vierten Klagegrundes macht die Klägerin erstens geltend, dass die angefochtene Entscheidung außer einem Verweis auf die Ergebnisse des Untersuchungsberichts keine Begründung für einen Verstoß gegen Art. 21 des Statuts enthalte, und zweitens, dass in dieser Entscheidung auch nicht die herabsetzenden Äußerungen genannt würden, die geeignet seien, einen Verstoß gegen Art. 12 des Statuts darzustellen.

62      Ohne direkt auf die Argumente der Klägerin zu einem Verstoß gegen die Begründungspflicht einzugehen, entgegnet der Rat, dass aus den Nrn. 36 bis 38 des Untersuchungsberichts hervorgehe, dass die Klägerin in den E‑Mails vom 23. Februar und 13. März 2021 beleidigende und aggressive Äußerungen gegenüber Frau A getätigt habe. Dieses Verhalten stelle zum einen einen Verstoß gegen Art. 21 des Statuts und zum anderen einen Verstoß gegen Art. 12 des Statuts dar, da die von der Klägerin gegen ihre Vorgesetzte gerichteten, nicht mit einem Anfangsbeweis belegten Mobbingvorwürfe Ausdruck einer erheblichen Aggressivität seien, die geeignet sei, die Ehre und die berufliche Ehrenhaftigkeit von Frau A zu beschädigen.

63      Es ist daran zu erinnern, dass die Begründungspflicht zum einen bezweckt, dem Betroffenen hinreichende Anhaltspunkte für die Beurteilung zu liefern, ob die ihn beschwerende Handlung begründet ist und ob eine Klage vor den Unionsgerichten sinnvoll ist, und zum anderen, den Unionsgerichten die Ausübung ihrer Kontrolle über die Rechtmäßigkeit der Handlung zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 10. September 2019, DK/EAD, T‑217/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:571, Rn. 146 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ob die Begründung ausreichend ist, ist nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut, sondern auch im Hinblick auf den tatsächlichen und rechtlichen Kontext zu beurteilen, in den sich der Erlass der angefochtenen Handlung einfügt (vgl. Urteil vom 10. September 2019, DK/EAD, T‑217/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:571, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Im vorliegenden Fall stellt die Anstellungsbehörde im ersten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass „[die Klägerin] nach den Ergebnissen [der Verwaltungsuntersuchung] durch ihre Handlungen, insbesondere durch ihre Äußerungen gegenüber Frau [A] per E‑Mail im Jahr 2021, zumindest gegen die Art. 12 und 21 des Statuts verstoßen hat“.

65      Insoweit ist festzustellen, dass sich die Darstellung der von der Anstellungsbehörde der Klägerin zur Last gelegten Tatsachen darauf beschränkt, in Teilen die Nr. 105 des Untersuchungsberichts im Abschnitt „Abschließende Ergebnisse“ zu übernehmen. Diese Nummer enthält jedoch nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen der Untersuchungsbeauftragten aus den vorangehenden Abschnitten des Untersuchungsberichts. Ohne ihren Kontext wiedergegeben, ist die oben genannte Passage nicht geeignet, die der Klägerin zur Last gelegten Tatsachen genau aufzuzeigen.

66      Denn zum einen lässt ein allgemeiner Verweis auf „Äußerungen … per E‑Mail im Jahr 2021“, dem keine Erklärung zum Inhalt dieser Äußerungen beigefügt ist, nicht erkennen, welche Äußerungen der Klägerin gegenüber Frau A von der Anstellungsbehörde als Verstoß gegen Art. 12 oder Art. 21 des Statuts betrachtet wurden. Zum anderen lässt die Verwendung des Wortes „insbesondere“ darauf schließen, dass die angefochtene Entscheidung die Klägerin für andere Verhaltensweisen als nur die elektronische Kommunikation gegenüber Frau A im Jahr 2021 sanktioniert, ohne dies näher zu erläutern.

67      Die Anstellungsbehörde hat der Klägerin auch keine Erläuterungen zu den Tatsachen gegeben, die ihr in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde zur Last gelegt wurden, obwohl die Klägerin in ihrer Beschwerde zum einen geltend gemacht hat, dass sie nicht wisse, welches konkrete Verhalten einen Verstoß gegen Art. 21 des Statuts begründen könne, da die Qualität ihrer Arbeit von Frau A nie in Frage gestellt worden sei, und zum anderen, dass ihre Fragen zu den E‑Mails, deren Versand gegen Art. 12 des Statuts verstoßen haben solle, unbeantwortet geblieben seien. Abgesehen davon, dass die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde das in der Beschwerde enthaltene Vorbringen der Klägerin zur Verletzung der Begründungspflicht hinsichtlich des Verstoßes gegen die Art. 12 und 21 des Statuts in Bezug auf der Klägerin zurechenbare Tatsachen übergeht, beschränkt sich auch diese Entscheidung in ihrer Rn. 7 darauf, in Teilen den Wortlaut von Nr. 105 des Untersuchungsberichts zu wiederholen.

68      Wie oben in Rn. 23 dargelegt, enthält der Untersuchungsbericht eine Empfehlung an die Anstellungsbehörde zu den aus der Verwaltungsuntersuchung zu ziehenden Schlussfolgerungen und greift der endgültigen Stellungnahme der Anstellungsbehörde nicht vor. Denn die Anstellungsbehörde ist verpflichtet, den Untersuchungsbericht zu prüfen und die Maßnahmen zu ergreifen, die sie für angemessen hält, wobei sie ihre Entscheidung zu begründen hat. Da die angefochtene Entscheidung jedoch auf den genannten Untersuchungsbericht verweist, zu dem die Klägerin Zugang hatte, ist zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung, wenn sie zusammen mit diesem Untersuchungsbericht gelesen wird, eine Begründung enthält, die den oben in Rn. 63 in Erinnerung gerufenen Anforderungen der Rechtsprechung genügt.

69      Insoweit ist festzustellen, dass der Rat in seiner Klagebeantwortung in Bezug auf die E‑Mail-Kommunikation im Jahr 2021 argumentiert, dass aus den Nrn. 36 bis 38 des Untersuchungsberichts hervorgehe, dass die der Klägerin zugerechneten Handlungen in der Versendung der E‑Mails vom 23. Februar und 13. März 2021 bestünden, in denen sie gegenüber Frau A beleidigende und aggressive Äußerungen getätigt und sie des Mobbings bezichtigt habe.

70      Es ist festzustellen, dass die Untersuchungsbeauftragten in Nr. 36 des Untersuchungsberichts erklären, dass „Ton, Inhalt, Form und Art der Kommunikation [der Klägerin] mit [Frau A] oft unangemessen waren“, und eine Passage aus der E‑Mail vom 23. Februar 2021 (abgeschickt um 14.31 Uhr) sowie eine Passage aus der E‑Mail vom 13. März 2021 (abgeschickt um 11.49 Uhr) zitieren.

71      Darüber hinaus erläutern die Untersuchungsbeauftragten in den Nrn. 37 und 38 des Untersuchungsberichts, dass sie der Ansicht seien, dass die Klägerin gegenüber Frau A schwere Mobbingvorwürfe erhoben habe und dass solche Vorwürfe, wenn sie missbräuchlich seien, zu Disziplinarmaßnahmen gemäß Art. 3 Abs. 4 des Beschlusses Nr. 15/2015 des Generalsekretärs über Mobbing und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz im Generalsekretariat des Rates führen könnten.

72      In Bezug auf den Verstoß gegen Art. 12 des Statuts geht aus Nr. 91 des Untersuchungsberichts hervor, dass die Art und Weise, wie die Klägerin im Jahr 2021 mit ihrer Vorgesetzten kommunizierte, als „unhöflich, beleidigend und erniedrigend“ sowie als „an Insubordination grenzend“ und somit als Verstoß gegen Art. 12 angesehen wurde.

73      In Bezug auf den Verstoß gegen Art. 21 des Statuts geht aus der gemeinsamen Lektüre der Nrn. 59 und 97 des Untersuchungsberichts hervor, dass es, da diese Bestimmung dem Beamten die Pflicht auferlegt, seine Vorgesetzten zu unterstützen und zu beraten, als „inakzeptabel“ angesehen wurde, „dass [die Klägerin] Frau [A] leichtfertig des Mobbings beschuldigt – ohne einen wirklichen Anfangsbeweis vorzulegen, untermauert durch minimale Evidenz –, und dass [die Klägerin] solche Anschuldigungen zum Gegenstand eines Kuhhandels macht, indem sie anbietet, diese zurückzuziehen, wenn Frau [A] ihren Verwaltungsvermerk zurückzieht“.

74      Ungeachtet dieser verschiedenen Bemerkungen über die unangemessene Kommunikation der Klägerin während ihrer Zusammenarbeit mit Frau A geht jedoch aus dem Untersuchungsbericht nicht klar hervor, welche Elemente, die speziell in den E‑Mails vom 23. Februar und 13. März 2021 enthalten waren, die Ergebnisse der Untersuchungsbeauftragten in Bezug auf einen Verstoß gegen die Art. 12 und 21 des Statuts begründeten. Auch wenn die angefochtene Entscheidung nicht in einem der Klägerin völlig unbekannten Kontext ergangen ist, macht die Klägerin daher zu Recht geltend, dass die angefochtene Entscheidung, wenn sie zusammen mit dem genannten Untersuchungsbericht gelesen werde, keine ausreichende Begründung im Sinne der oben in Rn. 63 angeführten Rechtsprechung in Bezug auf ihre elektronische Kommunikation mit Frau A im Jahr 2021 enthalte.

75      Darüber hinaus lässt, wie oben in Rn. 66 dargelegt, die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in der angefochtenen Entscheidung darauf schließen, dass diese Entscheidung die Klägerin auch für andere Verhaltensweisen als nur die elektronische Kommunikation gegenüber Frau A im Jahr 2021 sanktioniert, ohne dass dies näher erläutert wird.

76      Es ist festzustellen, dass es in Nr. 105 des Untersuchungsberichts im Abschnitt „Abschließende Ergebnisse“ heißt, dass „[i]n Anbetracht der in Rede stehenden Handlungen und insbesondere der E‑Mail-Kommunikation der [Klägerin] mit Frau [A] im Jahr 2021 … die Untersuchungsbeauftragten zu dem Schluss [gelangen], dass [die Klägerin] – zumindest – gegen die Art. 12 und 21 des Statuts verstoßen hat“. Wie die angefochtene Entscheidung lassen somit auch die abschließenden Ergebnisse des Untersuchungsberichts darauf schließen, dass die Verhaltensweisen, die der Klägerin als Verstoß gegen die genannten Bestimmungen des Statuts vorgeworfen werden, weitaus mehr Handlungen umfassen als nur die E‑Mail-Kommunikation der Klägerin gegenüber Frau A im Jahr 2021. Gleichzeitig lässt die Lektüre des Untersuchungsberichts insgesamt nicht erkennen, worin die „in Rede stehenden Handlungen“ abgesehen von der in Nr. 105 des Berichts erwähnten E‑Mail-Kommunikation bestehen, die der Klägerin nach den abschließenden Ergebnissen des Untersuchungsberichts als Verstoß gegen ihre statutarischen Verpflichtungen vorgeworfen werden.

77      Es sei darauf hingewiesen, dass die Untersuchungsbeauftragten schon nach dem Wortlaut des Untersuchungsberichts durch ihr Mandat beauftragt wurden, eine Verwaltungsuntersuchung durchzuführen, um festzustellen, „ob [die Klägerin] in ihrem Verhalten gegenüber Frau [A] durch E‑Mail-Kommunikation im Jahr 2021 gegen ihre Verpflichtungen aus dem Statut verstoßen hat“ (Nrn. 1, 8 und 75 des Untersuchungsberichts). Diesbezüglich wird in Nr. 36 dieses Untersuchungsberichts betont, dass „der Auftrag nur die Person [von Frau A] betrifft und nur: [i] im Jahr 2021 (nicht 2020); [ii] die E‑Mail-Kommunikation“. Gleichzeitig verweist der Bericht mehrfach auf die aggressiven Grundhaltungen und Verhaltensweisen der Klägerin gegenüber anderen Kollegen sowie auf anderes Verhalten der Klägerin gegenüber Frau A als die E‑Mails im Jahr 2021.

78      So beziehen sich die Untersuchungsbeauftragten beispielsweise in den Nrn. 40 und 57 des Untersuchungsberichts auf die Kritik der Klägerin an der Leitung ihres Referats durch Frau A und die Art und Weise, wie die Klägerin mit ihr in Anwesenheit kommunizierte. Sie argumentieren zum einen, dass das Gebaren der Klägerin „sehr schnell in aggressives Anprangern von Frau [A]s Management ihres Referats und in Missachtung ihrer Entscheidungen, Anweisungen, Bitten und Ratschläge umschlägt“, und zum anderen, dass „[die Klägerin] ihre Stimme gegen Frau [A] sehr laut erhoben und ihr wiederholt nicht die Chance gegeben hat, ihre Ansichten in einer ruhigen und sachlichen Art und Weise zu äußern“, sondern sie „[s]tattdessen als Führungskraft vorverurteilt hat, die nicht auf den Kern der Probleme eingeht und dazu neigt, den wahren Grund für die Missstände in ihrem Referat zu übersehen“.

79      Darüber hinaus verweist der Untersuchungsbericht in Nr. 59 auf die Beurteilungen für die Jahre 2019 und 2020 und kommt zu dem Schluss, dass es „nicht tolerierbar ist, dass [die Klägerin] auf die Beurteilungen für die Jahre 2019 und 2020 mit Verachtung reagiert und sich selbst die Erlaubnis erteilt, an bestimmten Fällen nicht mehr zu arbeiten (weil sie für andere Kollegen besser geeignet seien) oder die Zusammenarbeit zu verweigern (weil die Anweisungen nicht klar seien)“.

80      Schließlich stellen die Untersuchungsbeauftragten in Nr. 62 des Untersuchungsberichts fest, dass die Klägerin „die Arbeit ihrer Kollegen extrem erschwert“ und dass die Akte „umfangreiche Unterlagen enthält, die belegen, dass [die Klägerin] ab dem Jahr 2020 die E‑Mail-Postfächer ihrer Vorgesetzten mit (manchmal langen) Nachrichten überflutet hat, die die Aktenführung unnötig erschweren, oder mit Nachrichten, in denen sie sich mit Gesprächspartnern in anderen Diensten streitet“.

81      Aus den Nrn. 59 und 60 des Untersuchungsberichts geht hervor, dass die Untersuchungsbeauftragten der Ansicht waren, dass sie „kraft ihres Mandats“ in der Lage seien, die Verhaltensweisen zu bewerten, die u. a. oben in Rn. 79 erwähnt worden sind. Zwar lassen sich die in den verschiedenen Gliederungsnummern des Untersuchungsberichts getroffenen Feststellungen zum Umfang des Mandats als solche im Licht der Nrn. 39 und 88 des Untersuchungsberichts als Ausdruck der Haltung erklären, wonach die Tatsache, dass das Mandat auf die E‑Mail-Kommunikation der Klägerin mit Frau A im Jahr 2021 beschränkt gewesen sei, die Untersuchungsbeauftragten nicht daran gehindert habe, andere Handlungen und Äußerungen der Klägerin zu untersuchen, um den Inhalt der fraglichen E‑Mails korrekt zu bewerten. Der Widerspruch zwischen den so definierten Grenzen des Mandats einerseits und den abschließenden Ergebnissen des Berichts andererseits, wie oben in Rn. 76 erläutert, lässt jedoch Unklarheiten hinsichtlich der Bestimmung der in den abschließenden Ergebnissen dieses Berichts genannten Handlungen bestehen, die anschließend durch die angefochtene Entscheidung sanktioniert wurden. Somit ermöglicht die angefochtene Entscheidung keine klare Unterscheidung zwischen den sanktionierten Verhaltensweisen und den als Kontextelemente berücksichtigten Tatsachen.

82      Was den Verstoß gegen Art. 21 des Statuts betrifft, so wird zwar in Nr. 97 des Untersuchungsberichts in Verbindung mit den Nrn. 59 und 64 dieses Berichts auf das Verhalten der Klägerin gegenüber „anderen in der Hierarchiekette“ verwiesen oder darauf, dass sie „es sich erlaubt [habe], die normalen Arbeitsabläufe zu stören“, indem sie sich insbesondere geweigert habe, „bestimmte Aufgaben zu erfüllen“, dass sie sich die Rolle des „Sheriffs“ zu eigen gemacht habe und dass sie ferner mit „Verachtung“ auf die Beurteilungen für die Jahre 2019 und 2020 reagiert habe. Aus diesen knappen und allgemeinen Formulierungen lässt sich jedoch nicht genau erkennen, welche Verhaltensweisen aus welchen Gründen einen Verstoß gegen Art. 21 des Statuts dargestellt haben könnten.

83      Unter Berücksichtigung aller vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass, da die Kontrolle des Gerichts über die Begründetheit der angefochtenen Entscheidung nur ausgeübt werden kann, wenn die Tatsachen, die einem Beamten als Verletzung seiner statutarischen Verpflichtungen zur Last gelegt werden, identifiziert sind, das Fehlen von genaueren Angaben zu den der Klägerin vorgeworfenen Tatsachen das Gericht daran hindert, die Begründetheit der angefochtenen Entscheidung zu überprüfen.

84      Daher ist dem ersten und dem dritten Teil des vierten Klagegrundes stattzugeben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne dass weitere von der Klägerin gegen diese Entscheidung geltend gemachte Klagegründe geprüft zu werden brauchten.

 Kosten

85      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat mit seinem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung des Rates der Europäischen Union vom 25. November 2021, mit der Frau Maria Canel Ferreiro ein Verweis erteilt wurde, wird aufgehoben.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Der Rat trägt die Kosten.

Porchia

Jaeger

Madise

Nihoul

 

      Verschuur

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Mai 2024.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.